Werner Krämer

 Economics/ Basis

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Übung macht den Meister   Online -VWL - Lehrbuch: 2.Teil, 3. Teil, 4.Teil, 5.Teil , VWL - Blogs)            

  Stonehenge, Südengland (Grafschaft Wilshire, in der Nähe des Ortes Amesbury). Von Menschen der Jungsteinzeit vor über 5000 Jahren gebaut (das bekannteste Monument aus der Steinzeit; eine besondere Bedeutung hatte die Region schon vor rund 10.000 Jahren). Es handelte sich um ein universelles Symbol für Leben und Tod mit Ausrichtung auf einen bestimmten Sonnenstand (Sonnen-Observatorium; liegt im Schnittpunkt zweier Sonnenlinien; die Menschen kannten schon Geometrie und Mathematik; sie machten auch Schädeloperationen). Nach neusten Forschungsergebnissen könnte es Teil  eines Friedhofs der Steinzeit-Elite gewesen sein (auch 500 Jahre älter als gedacht). So wurde ein Totenhaus entdeckt und viele weitere Grabungsstätten. Stonehenge ist Teil eines räumlichen Gesamtzusammenhangs. Dieser hat sich schon im Mesolithikum vor 10.000 Jahren herausgebildet und angehalten bis mindestens zur Bronzezeit. Ausgangspunkt waren wohl starke farbliche Veränderungen von Feuersteinen. Noch unklar ist, wie die Menschen die Steine über viele Kilometer transportieren konnten und wie sie die Bearbeitung schafften (mit Zapfen). Kürzlich fanden Archäologen heraus, dass das Steindokument von zahlreichen hölzernen Rundbauten umgeben war, so genannten Woodhenges. In welcher Verbindung dies emit den Steinkreisen stehen, ist bislang noch unklar. Später war die Region auch ein Handelszentrum (man fand in den Gräbern Teile auch Schmuck aus ganz Europa, auch Gold). Das größte Grab gehörte dem "König von Stonehenge". Laut einer Erbgutanalyse war der Krieger ein Anführer deutscher Stämme, die 2450 v. Chr. England eroberten und dabei die Ur-Briten aus ihrer Heimat vertrieben.  Noch ältere  Ansammlungen vergleichbarer Steine mit einem Tempel in der Mitte zwischen zwei riesigen Steinfeldern hat man auf den Orkney-Inseln vor Schottland gefunden. Damals müsste es also Schiffe und Boote gegeben haben. Neben Kultur und Religion arbeiteten und handelten die Menschen dort wahrscheinlich auch, vielleicht lernte man den Partner fürs Leben kennen. Am größten ist der Touristenandrang in Stonehenge immer an der Wintersonnenwende. Am kürzesten Tag des Jahres ist hier ein wichtiger spiritueller Ort. Stonehenge hatte im Laufe der Jahrhunderte mehrere Bedeutungen. Die tonnenschweren Sarsen-Steine von Stonehenge wurden über 25 Kilometer zu ihrem Bestimmungsort transportiert. Rund 20 Tonnen wiegt jeder einzelne dieser ursprünglich 80 Steinblöcke. 1915 kaufte Cecil Chubb die Stonehenge-Anlage für 6.600 Pfund und schenkte sie 1918 dem Staat. 2020 entdeckt man nahe Stonehenge ein riesiges Steinzeitmonument. Es ist eine Kreisformation mit über zwei Kilometern Durchmesser. Sie über 4500 Jahre alt. Eine neuere Theorie kommt zu der Auffassung, dass die Steine mitgenommen wurden von dem Heiligtum "Waun Mawn" in Wales, 280 km entfernt. Es setzt sich immer mehr die Ansicht durch, dass eine Megalithkultur in Europa Hunderttausende Kultanlagen und Großsteingräber hervorbrachte. Die Anlagen wurden irgendwann demontiert (oft aus christlichen Gründen gegen Heidenbrauch) und die Steine zum Bauen genommen. Es ist immer noch unklar, wie die tonnenschwere Steine transportiert und verbaut werden konnten. Ähnliche Anlagen gab es in Deutschland bei Wildeshausen, Stöckheim oder Borken (Düwelsteene). Sehr bekannt sind auch die .meterhohen Steinköpfe in der Kultur der Rapanui auf den Osterinseln. Sie wurden 1721 entdeckt von Niederländern (ein Deutscher, Carl Friedrich Behrens, war dabei).

 Man sollte sich allerdings nicht auf Glück und Übersinnliches verlassen, sondern obigem Motto folgen. Manchmal gilt auch: "Nichtstun ist besser als mit viel Mühe nichts schaffen", Laotse (er gilt als wichtigster Autor zum Daoismus, der Volksseele Chinas).

Grundlagen der Volkswirtschaftslehre (VWL, Nationalökonomie,  Economics), Grundzüge der VWL, Allgemeine VWL, VWL 1 (Bezeichnung je nach Studiengang und Hochschule); hier sind alle klausurrelevanten und normalen Gebiete der VWL (erster Grün-Farbton!) enthalten. Vgl. auch vorab:  Einführung/ Overview/ Funktionsweise. Als Lehrbuch werden in Deutschland in über 70% aller Einführungskurse das Lehrbuch von Mankiw (+ Zusatzbuch in noch einfacherer und kompakterer Form) genutzt.

Übungstheoreme (Glossar, Hypothesen, Theorien, aktuelle Fakten, Politik, Daten im Zusammenhang) aus den ökonomischen Grundlagen-Bereichen: Mikroökonomik (Micro Economics), Makroökonomik (Macro Economics) (einschließlich finanzwissenschaftlicher und wirtschaftspolitischer Aspekte, die integriert sind). Hinzu kommen kleinere Ausschnitte aus der Umweltökonomik, Arbeitsökonomik, Globalökonomik und Mittelstandsökonomik je nach Studiengang, Hochschule, aktueller Situation und Semester.

Links (nicht auf dieser Site, aber relevant) zu Funktionsweise einer Volkswirtschaft (Grundlagen VWL, VWL kompakt), Wirtschaftspolitische Grundkonzeptionen, Marktbetrachtung, Globalisierung, Wirtschaftsordnungen, Methoden der Volkswirtschaftslehre und Ökonomie insgesamt (Wissenschaftstheorie, Theoriegeschichte, Ökonometrie, Spieltheorie, Prognose), Aktuelle Probleme und Entwicklungen  - aktuelle, populärwissenschaftliche Buchtipps -, berühmte Ökonomen und deren Bücher, satirisches Portrait der VWL. Wirtschaftsgeschichte, Markt oder Staat?, Deutsches Wirtschaftsmodell. Der hier mit diesem ersten Grün-Ton umschriebene Stoff ist Grundlage überall auf der Welt (er muss natürlich dem jeweiligen zeitlichen Rahmen angepasst werden; entspricht dem "Workload"!). Der Stoff in diesem letzten Abschnitt wird mit Übungen über die Mikro- und Makroökonomik verbunden und soll über die Methoden das volkswirtschaftliche und ökonomische Denken insgesamt aufbauen und den ganzen Stoff analytisch verarbeiten helfen (auch Vorbereitung auf Prüfungen mit Übungsaufgaben bzw. alten Klausuren ). Einen individuellen Charakter hat meine Veranstaltung dadurch, das die Perspektive immer aus Sicht eines Betriebes erfolgt. Bei sehr großer Differenzierung der Studiengänge (z. B. Marketing oder Personal) werden der Stoff und die Prüfung eng mit dem betriebswirtschaftlichen Gebiet verknüpft. Jede Grundlagenveranstaltung der VWL ist vom Stoff her immer einzigartig (schwierig für Wiederholer). Die hier dargelegten Wissenselemente werden am besten in Verbindung mit einem Standard-Lehrbuch genutzt oder stellen eine ideale Verbindung zwischen verschiedenen Lehrbüchern dar. Vorsicht bei Verlags - Apps oder Begleitprogrammen; sie wollen an ein Lehrbuch binden! Heutzutage ist in Studiengängen, in denen die Stundenzahl von VWL drastisch reduziert wurde,  nur noch eine Fall- bzw. Problem- bezogene Veranstaltungsform möglich. Das schränkt klassische Lehrbücher in ihrem Nutzen erheblich ein (und schließt das Buch als Medium fast aus).

Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre/ Business Economics (BWL; Allgemeine BWL, Internationales Management, Internationale Unternehmensführung, hier: Mittelstandsökonomik; Betriebswirtschaftslehre/ Internationales Management aus Sicht kleinerer Unternehmen; auch Spezialwissen über KMU/ SME; weil 99,6% aller Unternehmen in Deutschland dieser Kategorie angehören, die sinnvollste Sichtweise; zweiter Grün-Farbton). Die Mittelstandsökonomik enthält auch als Teil die betriebswirtschaftlichen Grundlagen, aufgeteilt nach Funktionen (wie in Deutschland üblich; Gründung/ Entrepreneurship, Finanzierung, Management, Digitalisierung und IT, Wertemanagement, Marketing, Personal, Produktion/ Logistik, Steuern, Quantitative BWL, Psychologie, BWL als Wissenschaft) . Einige Funktionen präsentiere ich in speziellen, eigenen Veranstaltungen (auf diesen Gebieten habe ich meist selbst geforscht und veröffentlicht: Finanzierung, Marketing, Personalwirtschaft, Organisation/ Management, Produktionswirtschaft/ Logistik, Interkulturelle Kommunikation, Steuern, Controlling/ Rechnungswesen, Marktforschung/ Statistik, Psychologie, Werteorientierung/ Ethic/ Nachhaltigkeit, Digitale Ökonomie/ E-Business, Branchen, Innovation/ Investition, Gründung/ Start-up, Mittelstandspolitik). Hinter dem Begriff "Mittelstandsökonomik" steht auch eine integrative Perspektive und interdisziplinäre Konzeption der Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre ("Managerial Economics" oder auch "Entrepreneurial Economics" genannt; mit theoretischer Grundlage psychologische Verhaltensökonomie; vgl. auch BWL als Wissenschaft) oder Erfolgsmodell Mittelstand! Die mittelständische Struktur der deutschen Wirtschaft als Grundlage des ökonomischen Erfolges Deutschlands. Diesem Ansatz gehört meiner Auffassung nach die Zukunft. Er findet auch immer mehr Anhänger unter ganz jungen Ökonomen. Vgl. auch Bedeutung von Unternehmen sowie Betriebswirtschaftliches Denken für erfolgreiche Unternehmen.

Links zu den interdisziplinären Spezialgebieten: Umweltökonomik / Umwelt (Land, Boden, Climate, Natur, Bodenschätze, Rohstoffe,  Wasser, Infrastruktur, Energie, Nachhaltigkeit, Klimawandel, Ressourcen, Wachstum, Zeit), Arbeitsökonomik / Arbeit (mit Personal, Arbeitsmarkt, Migration, Verteilung, Gerechtigkeit, Armut, Arbeit 4.0, Arbeitspsychologie, Soziales, Gesundheit, Leben, Glück, Tod), Globalökonomik / Global (Außenwirtschaft/ Handel; Internationale Wirtschaftsbeziehungen; Geoökonomik, Währung, Kapital/ Finanzmärkte, Konjunktur/Wirtschaftsschwankungen, Fluktuationen, Krisen, Protektionismus, Wirtschaftsintegrationen, Wichtige Länder,  Entwicklungsländer, EU, Globalisierung, Decoupling; Rüstung/ Frieden, geopolitische Beratung) (Wiki; Gliederung nach Produktionsfaktoren). Diese Gebiete werden in Ansätzen auch bei den Grundlagen extrem komprimiert behandelt (angepasst an den jeweiligen Studiengang und die jeweilige aktuelle Situation). Die Systematik nach Produktionsfaktoren ist fruchtbarer und zukunftsträchtiger als nach Mikro, Makro, Fiwi und Politik. Unterschiede zwischen VWL und BWL verschwinden auch (Economics, wie in den USA üblicher; dritter Grün-Farbton).

Die Theoreme werden immer in ihren praktischen Anwendungen (tagesaktuell, Wirtschaftspolitik überwiegt) zusammen mit empirischen Daten behandelt!  So sollen Fakten bzw. Wissen immer mit ökonomischem Denken verbunden werden. Das macht im Kern den Unterschied dieser Plattform zu klassischen Lehrbüchern aus. Weitere deutliche Unterschiede liegen in der Tagesaktualität, der Interdisziplinarität und im Umfang. Die Relevanz für Studenten und Studentinnen und damit die konkrete Selektion der Theoreme ergibt aus der jeweiligen Veranstaltung (Hinweis auf Pfade mitschreiben!). In der Veranstaltung erfolgen auch Hinweise auf die jeweils beste Fachliteratur und auf die Verbindung zu meinen Materialsammlungen/ Skripten (als PDF in der Regel in OLAT hinterleg; bei Hausarbeitsthemen kann OLAT die Organisation übernehmen). In der Kombination dieses E-Learning-Systems mit Skript, Lehrbuch und interaktiver Präsens-Veranstaltung wird die höchste Effektivität erreicht. Es bestehen Zusammenhänge mit den Seiten "Fallstudie/ case" (aktuelle Probleme und Themen), Methoden (empirisch und statistisch orientiert, aber auch Philosophie und Psychologie), Links (Zugang zu den Experten und Quellen; Alternativen zu dieser Plattform) und Asien und China (Daten und Fakten zu dem Bereich). Teilweise sind diese Zusammenhänge und Überschneidungen durch Links gekennzeichnet. Diese genannten Seiten sind allgemein für die StudentInnen die interessantesten. Die restlichen Seiten sind bei speziellen Interessen (Abschlussarbeit, vor Prüfungen, Überblick über meine Vorlesungen, Interesse an meiner Person usw.) zu besuchen. "Aktuelles von der Startseite" wird immer mehr in die anderen Seiten eingearbeitet, so dass es leichter zugänglich ist durch die bessere Verknüpfung ("grün" geschrieben in den Artikeln). Natürlich experimentiere ich auch mit offiziellen E-Learning-Systemen (z. B. OLAT, dort sind meine Skripten; Organisation der Hausarbeiten). Mittlerweile gibt es auch eine Reihe von Apps  für Handy und Tablet, die hauptsächlich von Verlagen stammen. Der Hinweis auf Quellen nur des eigenen Verlages bzw. auf nur ein Lehrbuch grenzt den Nutzen stark ein. Diese Inhaltsübersicht ermöglicht den Zugang zum Stoff für VWL1 und Allgemeine BWL. Darüber hinaus stellt  dieser Onlinekurs eine Ergänzung zum Präsenzstudium dar und soll es bereichern, erleichtern, aktueller und vielfältiger machen. Man erkennt so auch relativ leicht die Schwächen von Standardlehrbüchern. Zum Beispiel: Die verbreitesten Lehrbücher der VWL in den USA sind systemkonform und blenden die Umwelt aus. Es handelt sich um ein Informationsmanagement-Tool, das irgendwann eine komplette Collaborations-Umgebung  für die Unterrichtsfächer darstellen soll. Auch die Didaktik wird irgendwann folgen müssen und die klassische Vorlesung abschaffen und durch Übungen und Diskussionen ersetzen. Genauso werden Fachbücher, die als Lehrbücher eingesetzt werden, es in Zukunft sehr schwer haben, weil das Internet das bessere Medium ist. Mittlerweile werden meine Seiten auch von Studenten vieler anderer Hochschulen, auch im Ausland,  genutzt (ebenso von vielen interessierten Laien und Führungskräften; es helfen Übersetzungsprogramme, die immer besser werden). Hochschulen bzw. Studenten im Ausland bilden mittlerweile die Mehrheit der Nutzer; auch ímmer mehr Führungskräfte aus aller Welt, die sich informieren wollen. Für Hinweise auf Fehler oder für Anregungen bin ich sehr dankbar. Die Korrekturen erfolgen dann schnellstmöglich. Diese Plattform hat nicht die Ziele, Suchsysteme zu ersetzen oder  ein Wikipedia für die Ökonomie sein zu wollen. Sie folgt der individuellen Erfahrung, Logik und Systematik des Autors, in der Hoffnung, dass Lernende und Arbeitende daraus einen Nutzen ziehen können, aber nicht müssen. Ich folge einem humanistischen Bildungsideal (Unabhängigkeit, Humanität, Weltbürgertum, Gewissenspflicht, Abenteuer, Wissen wollen), das alle möglichen Informationen, Positionen und Argumente darstellt und dem Leser die Meinungsbildung überlässt. Damit  ist dies ein Gegenmodell zu vielen Sozialen Medien, die häufig Vorurteile und fertige Meinungen nur bestätigen (Selbstselektion der Nutzer, Programmieren von Meinungen durch Algorithmus). Im Urheberrecht findet eine Diskussion um eine Bezahlung der Nachrichten-Medien von den Soziale Medien (etwa Facebook statt). Die Nachrichten, die ich aus Fachliteratur, Zeitungen und Zeitschriften übernehme, mache ich durch Quellenangabe kenntlich. So dürften sie im Rahmen des wissenschaftlichen Zitatrechts abgedeckt sein.

 

"Der Sinn und Zweck des Studiums der Wirtschaftswissenschaften besteht darin zu lernen, wie man es vermeidet von Wirtschaftswissenschaftlern übers Ohr gehauen zu werden", englischer Humor der Ökonomin Joan Robinson (1903-1983). Sie war eine der ersten erfolgreichen Frauen unter den ÖkonomInnen. Sie entwickelt eine Geldtheorie, von Keynes beeinflusst. Sie wandte sich dann der marxistischen Ökonomie zu. Als weit gereiste Frau entwickelte sie auch Ideen zur Entwicklungsökonomik. Bei der Keynesgesellschaft wollte mir sogar mal jemand weismachen, noch mit ihr im Bett gewesen zu sein, was wohl eher ein Witz war.

                                                


          "Wenn ein Autor bei einem anderen abschreibt, nennt man das Plagiat. Wenn ein Autor bei vielen anderen abschreibt, heißt es Wissenschaft", anonym (In der Ökonomie hat dieser Satz einen wahren Kern, weil Alles schon mal gedacht worden ist) .

"Die Welt der Wirtschaft ist das Produkt der menschliche Natur; sie kann sich nicht schneller ändern als die Menschen selbst", Alfred Marshall (1842-1924): Principles of Economics, 1890; den Studenten vom Marshall-Diagramm her bekannt (auch daraus folgendes Zitat stammt von ihm: "Economics is a study of mankind in the ordinary business of life").

Übungstheoreme: Wissensmodule, Glossar (Themen, Gesetze, Effekte, Kurven, Organisationen, Phänomene, Paradoxa, aktuelle praktische Anwendungen). VWL-Online-Lehrbuch. Methodische Aspekte finden sich auf der Seite "Methode/ Econometrics". Aktuelle Problembehandlungen enthält die Seite "Fallstudie/E-Learning".

Legite. Operae pretium erit.

Gliederung dieser Seite: Mikroökonomik, Makroökonomik, Mittelstandsökonomik (Entrepreneurial Economics, KMU, ABWL, IM). Umweltökonomik, Arbeitsökonomik, Globalökonomik,  auf der Seite "Special".

 

  Kulisse von Chicago/ USA am Lake Michigan vom Schiff (Architecture River Cruise) aus. Im Vordergrund sieht man das Navy Pier. Die Gebäude beherbergten zeitweise die University of Chicago. Ein Teil der Ökonomen stand für den Monetarismus und die Chicago-Schule. Berühmtester Vertreter dieser Schule war Milton Friedman. "Geld" stand ihrer Ansicht nach im Mittelpunkt der Wirtschaft. Die Geldpolitik war die alles entscheidende Politik. Tatsächlich ist in der Globalisierung durch den flexiblen Wechselkursmechanismus die Geldpolitik effektiver als die Finanzpolitik. Mikroökonomisch setzten sie sich für die Priorität des Marktmechanismus ein, der durch den Staat nicht verzerrt werden sollte (freie Marktwirtschaft; Deregulation, Beschränkung staatlicher Eingriffe)). Insofern war er Wegbereiter für den Neoliberalismus in den USA (Reagan) und Großbritannien (Thatcher). Außenwirtschaftspolitisch waren die "Chicago-Boys" - wie sie genannt wurden - sehr einflussreich. Sie berieten in Chile nach dem Sturz Allendes die Regierung ebenso wie viele andere Regierungen. Diese ökonomische Schule wird in den USA als "Süßwasserökonomen" bezeichnet, weil Chicago an den großen Seen liegt. Sie liegt im Konflikt mit den "Salzwasserökonomen", die an der Ostküste wirken (Paul Krugmann,  Kenneth Rogoff, Maurice Obstfeld, Robert Solow). Im Hafengebiet von Chicago steht auch der Trump-Tower.  So ergibt sich die interessante Frage, welche Wirtschaftspolitik Donald Trump als Präsident machen würde. Ein permanenter Vorwurf im Wahlkampf von Clinton lautet, er habe von der Immobilienkrise profitiert. Trump setzt unter anderem auf die Verlierer der Wohlstandsgesellschaft (hierzu gehören auch einige Swing-States, die früher demokratisch wählten). So etwa auf West Virginia oder Ohio, wo früher die Kohle Wohlstand brachte. Er will die früheren Nicht-Wähler gewinnen (Weiße, schlecht qualifiziert, Verlierer der Globalisierung). Mit diesem Konzept hat er Erfolg und gewinnt die Wahl. Interessant wird, ob er seine Wirtschaftsziele auch praktisch umsetzt: Protektionismus, Kauf amerikanischer Güter, Zurückverlagerung der Produktion. Vielleicht kommt ja ein New Deal, mit dem Roosevelt in den 30er Jahren sehr erfolgreich war. Die protektionistische Handelspolitik von Trump und seine rigide Sanktionspolitik gegen den Iran lösen große Veränderungen im Welthandel aus. Besonders wirkt sich der Handelskrieg mit China aus. Chicago ist auch eine Stadt der deutschen Einwanderer. Bis heute sieht und spürt man ihren Einfluss.

Mikroökonomik/ Microeconomic Theory (die Einzelteile; ökonomisches Verhalten, Institutionen - Ökonomik, Industrieökonomik, Wettbewerb, zur Spieltheorie vgl. Übungsmodell): Verhalten einzelner, idealtypischer Wirtschaftssubjekte (Konsumenten, Unternehmen) und der von ihnen gebildeter Märkte. In der Umgangssprache findet sich der Begriff auch im Sinne des Wirtschaftens einzelner Menschen. Es geht auch um die Auswirkungen, die Entscheidungen von Firmen und Privatpersonen auf die Wirtschaft haben. Viele mikroökonomische Prinzipen und Theorien sind bei der Umwelt-, Arbeits-, Global- und Mittelstandsökonomik, also eher in der praktischen Anwendung, dargestellt.

"Die Neoklassik flüchtet sich in Tautologien und formuliert bewusst schwammig, unter welchen Bedingungen die eigenen Vorhersagen gelten. So sind die Aussagen scheinbar immer war, und fertig ist der Elfenbeinturm", Ulrike Herrmann, Wirtschaftskorrespondentin der TAZ, 30.11.15, S. 12 (Neoklassik ist immer noch der Mainstream in der Mikroökonomik, W. K. Jüngere Nobelpreise gingen aber an Vertreter der Spieltheorie/ experimentelle Forschung und der Vertragstheorie/ neue Institutionenökonomik wie auch der Verhaltensökonomik). Die Leser sollten also kritisch an den Stoff rangehen. Wenn auch nicht ganz so rigoros wie der folgende Autor und größte deutsche Ökonom (der von seiner Ausbildung kein Ökonom war).

"Die einzigen Räder, die der Nationalökonom in Bewegung setzt, sind die Habsucht und der Krieg unter den Habsüchtigen, die Konkurrenz", Karl Marx, MEW, 40, S. 511 (Marx-Engels-Werke, Berlin, Dietz-Verlag, 1956 - 1990, 43 Bände).

Gliederung: Konsum/ Nachfrage, Produktion/ Angebot, Markt/ Wettbewerb, Preise/ Preispolitik, Wettbewerbspolitik, Institutionen/ Strukturwandel, Internetökonomie/ Digitalisierung, Neuere theoretische Entwicklungen (nicht nur Mikro). Weitere Theoreme der Mikroökonomik findet man bei der Economics/ special in der Umwelt-, Arbeits- und Mittelstandsökonomik.   

 

Konsum (Nachfrage, Indifferenzkurventheorie, Elastizitäten, Verbraucherpolitik, Konsumaspekte, Konsumenten, Anreize)

Bedürfnisse: Dinge, die wir gerne hätten, weil wir glauben, dass sie zu einem besseren und glücklicheren Leben beitragen. Vgl. Mankiw/ Tylor/ Ashwin: Volkswirtschaftslehre, Stuttgart 2015, S. 498. Berühmt ist die Bedürfnishierarchie von Maslow. "Was du nicht brauchst, ist schon für einen Heller zu teuer bezahlt!" Cato, römischer Staatsmann. Er ist auch berühmt geworden durch seinen Satz "Ceterum censeo, Carthaginem esse delendum!" Er sagte es in jeder Sitzung des römischen Senats.

Bedarfsdeckung versus Bedarfsweckung: In den ersten drei Industrierevolutionen wurde die menschliche Arbeitskraft optimiert. Die vierte industrielle Revolution beeinflusst unsere Konsumfähigkeit. Apple, Amazon und Google geht es um Bedarfsweckung. Die großen Plattformkonzerne wollen keine Kunden mehr, sondern das Produkt, das sie nach ihrem Vorteil optimieren, um es der Werbeindustrie zu verkaufen. Niemand ist mehr fähig, alle Waren der Unterhaltungsindustrie zu konsumieren. Die Industrialisierung hat uns Wohlstand beschert (200 Jahre). Sie uns auch viel freie Zeit geschenkt, die wir Freizeit nennen. Das Wachstum der letzten 20 Jahre konsumiert freie Zeit, insofern ist es Zeitraub. Vgl. Lotz, Carsten: Wir lassen uns zu Tode unterhalten, in: WiWo 51/ 17.12.21, S. 44f. "Es ist so bequem, unmündig zu sein, (...) Ich hab es nicht nötig zu denken, wenn  ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen", Immanuel Kant, 1784

Knappes Gut: Können nicht von jedem Wirtschaftssubjekt in beliebiger Menge konsumiert werden. Sie sind in begrenztem Umfang vorhanden.

Konsum: Kauf und Wert von Waren oder Dienstleistungen. Regierungen errechnen alljährlich die Konsumausgaben der Privathaushalte. Je mehr Ressourcen eine Gesellschaft konsumiert, desto weniger steckt sie Sparen und Investition. Vgl. Kernfragen Wirtschaft, München 2019, S. 154. Der Konsum wird in Deutschland immer stärker zur tragenden Säule der Konjunktur. Dazu tragen der robuste Arbeitsmarkt und die unattraktiven Niedrigzinsen bei. Vgl. auch: James Mackinnan: Der Tag, an dem wir aufhören zu shoppen, Penguin 2021. Er hat nachgeforscht, wie Statussymbole entstehen und Dinge unentbehrlich werden, die vorher kaum jemand wollte.

Konsumgut: Konsumgüter werden zur unmittelbaren Befriedigung der unbegrenzten Bedürfnisse verwendet. Sie lassen sich unterteilen in Verbrauchsgüter und Gebrauchsgüter. Vgl. Hubert: VWL für BWLer, Herne 2019 (2. Auflage), S. 330.

Verbrauchsgut: Das konsumgut wird bei seiner Nutzung vernichtet. Es kann in späteren Perioden somit nicht mehr verwendet werden (Beispiel: Brötchen).

Gebrauchsgut: Ein Gebrauchsgut ist ein Konsumgut, das vielfach verwendet werden kann. Es wird durch dei Nutzung nicht vernichtet (Beispiel: Auto).

Güterarten (aus Theorie der Öffentlichen Güter): Freies Gut: Ohne Einsatz von Produktionsfaktoren verfügbar. Öffentliches Gut: Kollektive Nachfrage. Grund  ist fehlendes oder schlecht funktionierendes Ausschlussprinzip. Meritorisches Gut: wird vom Staat kostenlos (oder gegen geringe Gebühr) zur Verfügung gestellt. Das fehlende Ausschlussprinzip ist nicht der Grund, sondern fehlende Infos, falsche Präferenzen, Gerechtigkeit, gesellschaftlicher Nutzen. Privates Gut: Es existiert eine individuelle Nachfrage. Es wird von einem unternehmen hergestellt und gegen Zahlung eines Preises verkauft. Personen, die nicht zahlen, sind ausgeschlossen. Bei Natürlichen Monopolen gilt das Ausschlussprinzip, nicht aber das Konkurrenzprinzip. Ein Angebot durch mehrere konkurrierende Produzenten ist daher ökonomischer Unsinn, weil die Fixkosten so hoch sind. Dies trifft vor allem auf Infrastrukturnetze wie Schienen, Gas, Wasser und Strom zu. Es wäre unwirtschaftlich, mehrere Netze, die dem gleichen Zweck dienen, nebeneinander zu betreiben. Vgl. Mankiw (2001), a. a. O., S. 247. Manche nennen diese Güter auch Clubgüter (auch Filme im Pay-TV, Computer-Software, Vgl. Krugman/ Wells, Volkswirtschaftslehre, Stuttgart 2010, S. 624). Wichtigste Theorie zur Erklärung von Umweltverschmutzung und zur Notwendigkeit des Staatseingriffs (Soziales Dilemma). Globale öffentliche Güter: Die Menschheit ist noch nicht in der Lage, solche Güter bereitzustellen. Das sieht man deutlich in der Klimapolitik. Noch klarer wird dies in der Corona-Krise 2020. Jedes Land zieht sich zurück und versucht, seine Probleme zu lösen. Der Wohlstand im 21-Jahrhundert hängt aber an solchen globalen öffentlichen Gütern. Dazu gehören auch die Ozeane und die großen Eisflächen (Arktis und Antarktis). Es ist sogar ein Gegentrend beobachtbar: Einzelne Staaten stellen Eigentumsansprüche (private Güter), um Zugang zu Rohstoffen zu bekommen. Im Gegensatz zu den meritorischen Gütern haben demeritorische Güter aus Sicht des Staates einen negativen Einfluss auf die Gesellschaft. Es sind  Güter mit einem geringen gesellschaftlichen Nutzen. Daher wird bei den Gütern versucht, den Konsum gering zu halten. Genauso wie bei den meritorischen Gütern greift auch hier der Staat ein. Die Nachfrage wird deshalb oft durch Steuern behindert.

Unentgeltliches Gut: Unentgeltliche Güter, in deren Genuss wir ohne guten Grund gelangen. Wir müssen für sie nichts zahlen, haben aber auch keinen Anspruch auf sie. Man gibt etwas hin, sich selbst, seine Zeit, sein Einkommen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Beispiele sind Erbschaften, Stiftungswesen, Erziehungsleistungen. Vgl. Hülsmann, Guido: Die Wirtschaft und das Unentgeltliche, 2023. Der Autor behauptet, dass die Hyperindividualisierung, die wir zur Zeit erlaben, nicht zuletzt eine Folge der Ausweitung des Sozialstaats sei. In den USA und in GB gab es mangels sozialstaatlicher Leistungen ein ausgeprägtes Netz an privaten Wohltätigkeitsorganisationen.

Konsumlüge: Unsere Wirtschaftsform ist geradezu darauf angewiesen, immer und immer neue Bedürfnisse hervorzukitzeln. Von Bedürfnisbefriedigung kann eigentlich keine Rede sein. Vollständige Bedürfnisbefriedigung wäre das Ende der Konsumwirtschaft. Zufriedenheit und Freude sollte aber nicht nur mit dinglichen Eigenschaften wie Konsum, sondern eher aus dem Inneren heraus entstehen.

Konsumkiller: 2022 kommt alles zusammen wie noch nie zuvor: Corona, Inflation, sinkende Kaufkraft, Gaspreisschock, Job-Ängste, Ukraine-Krieg, Angst vor Taiwan-Invasion, steigende Zinsen.  Die Verbraucher streichen ihre Anschaffungspläne zusammen. Der Konsum könnte zur BIP-Bremse werden und das Wachstum behindern. Laut GfK sinkt die Anschaffungsneigung der Konsumenten im Juli 22 rapide. Im Winter 2022 könnte die Rezession da sein. Vgl. Losse, Bert: Lockdown im Portemonnaie, in: WiWo 34/ 19.8.22, S. 36f.

Schlaraffenland: Populärste Konsum-Utopie (Glitzerwelt des Konsums, All inclusive, Einkaufparasie ). Es handelt sich um ein Land, wo alles Friede, Freude, Eierkuchen ist (ohne Hunger, Durst, Gewalt, Kriege, wo nicht der Fleiß, sondern das Nichtstun belohnt wird). Die Ursprünge liegen in der Bibel (Garten Eden, Paradies). Auch griechische Quellen berichten darüber. Der Maler Pieter Bruegel der Ältere (1525-1569) malte ein berühmtes Bild gleichen Namens.

Konsumgesellschaft: Vor 50 Jahren von dem französischen Soziologen Jean Baudrillard wurde die Konsumgesellschaft als Ökonomie der Stimulation, des Immerneuen und des Überflusses  eingeführt. Heute würde man in Deutschland nicht mehr davon sprechen. Wir scheinen "in die Jahre gekommen" und auf dem Weg in die "Reparaturgesellschaft".  "Es geht nicht mehr um das bisschen mehr, das wir uns leisten könnten. Es geht um die (Vorwärts-) Verteidigung des Erreichten. Wir müssen lernen zufrieden zu sein". Siehe Lotz, Carsten: Renovieren ist das neue Innovieren, in: WiWo 35/ 25.8.23, S. 40f.

Überproduktion und Konsum: Sismondi (Jean-Charles Leonard Sismonde de Sismondi, 1773-1842) analysierte die Absatzkrisen 1815 und 1818/19. Er machte einen Angriff auf die Freihandelsthese von D. Ricardo. Er setzte sich für Interventionismus des Staats ein. Er unterstützte damit die These von Rosa Luxemburg (Überproduktion, Mehrwert, Bedeutung der Konsumption). Die Frage der Konsumption ist in der Digitalisierung hochaktuell: kann sie Arbeit kompensieren?

Warenmangel (Nichtverfügbarkeit von Konsum): Tritt nach der Corona-Krise auf. Es ist ungewohnt in einer Überflussgesellschaft. Man kannte das nur aus Krisen- und Kriegszeiten. Die Kulturen reagieren unterschiedlich darauf.

Secondhandwaren (Reparaturbewegung): In Deutschland und auch anderen Ländern wächst die Freude an der Zweitverwertung. "Gebrauch ist geil" wird zum Motto. Handys werden repariert, Möbel aufgehübscht. Gebrauchte Uhren bestimmter Marken erzielen hohe Preise. 44% der Deutschen geben 2021 in einer Umfrage an, 2020 ein Secondhandprodukt gekauft zu haben. Der Gesetzgeber kann den Trend verstärken (Schweden: Steuervergünstigungen; Frankreich: Verbot von geplanter geringer Haltbarkeit). Vgl. Book, Simon u. a.: Gebraucht ist geil, in: Der Spiegel Nr. 52, 24.12.21, S. 70f.

Nutzen (Wert messen): Bedürfnisbefriedigung, die beim Konsum erzielt wird. Es gibt eine kardinale und eine ordinale Nutzenmessung. Empirisch macht nur eine ordinale Nutzenmessung Sinn, da es keine keine anerkannte, intersubjektive Nutzeneinheit gibt. Vgl. auch Indifferenzkurve weiter unten. Einige Ökonomen ersetzen heute den Nutzenbegriff durch den Begriff "Glück" (Nutzen als Maßstab für Glück). Dieser Begriff hat aber eine andere Geschichte und liegt auf einer anderen Ebene. Die Nutzenlehre wurde in GB, Frankreich  und Österreich geprägt. Einer der wichtigsten Vertreter in GB war Jevons, William Stanley: The Theory of Political Economy, London, New York 1871 Ein anderer Protagonist in Frankreich ist Walras, Leo: Elements d`economie politique pue, Lausanne, Paris 1874. . Der wichtigste Vertreter in Österreich war Carl Menger: Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, Wien 1871.

Konfuzianisches Optimum: "Es besagt, dass an einer Nutzenverbesserung stets alle an der Angelegenheit beteiligten Personen partizipieren müssen: Wenn die beteiligte Person x eine Nutzensteigerung x+ erhält, dann und nur dann muss die beteiligte Person y gleichzeitig eine Nutzensteigerung y+ erhalten und vice versa. Das konfuzianische Optimum verlangt, dass jede Art der Nutzensteigerung impliziert und bewirkt, dass jede beteiligte Person ein Pareta-Optimum erhält". Siehe Zhao, Tingyang: Alles unter dem Himmel. Vergangenheit und Zukunft der Weltordnung, Berlin 2020, S. 41f.

Engelsches Gesetz (Ernst Engel, deutscher Statistiker, 1821-1896): Wenn das Einkommen wächst, geht der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel zurück. Absolut können die Ausgaben noch zunehmen. Das Gesetz gilt auch heute noch. Nahrungsmittel sind normale Güter mit einem hohen Anteil an inferioren Gütern. Diese haben eine Einkommenselastizität kleiner als Null. Mit steigendem Einkommen werden superiore Güter (Luxusgüter) immer stärker nachgefragt (Einkommenselastizität größer null). Anders ist die Situation grundsätzlich in vielen afrikanischen oder asiatischen Ländern, wo die Menschen oft 75% ihres Einkommens für das tägliche Brot aufwenden.

Lebensmittel: Während in den vergangenen Jahrzehnten der Anteil von Lebensmitteln an den Lebenshaltungskosten permanent gesunken sind, steigen 2017 die Preise und der Umsatz für Lebensmittel stark an:  Butter +37% Umsatz (Preise stark gestiegen, Nachfrage geht leicht zurück), Getreideflocken +11,7% (Umsatz bei gleichem Preis), Süßstoff +20,6% (steigende Preise bei steigenden Umsatz). Die Preise für Milchprodukte sind gestiegen bei leicht sinkender Nachfrage. Es gibt eine Tendenz zu höherwertigen und teureren Lebensmitteln.

Bio-Lebensmittel (nachhaltige Produkte): Sie haben es in Deutschland über viele Jahre aus der Nische zum Discounter geschafft. Der Umsatz mit Biolebensmitteln in Deutschland stieg von 2 Mrd. € 2000 auf 15,9 Mrd. € 2021. 2022 explodieren die Lebensmittelpreise. Geht die Erfolgsgeschichte jetzt zu Ende? Vgl. Book, Simon u. a.: Bio, der neue alte Luxus, in: Der Spiegel Nr. 16/ 16.4.22, S. 64f.

Selbstversorger und Minimalisten: Früher wurden sie eher belächelt. Doch wegen der hohen Inflation, insbesondere bei Lebensmitteln, träumen immer mehr Menschen davon, sich aus dem eigenen Garten zu ernähren oder dem Konsum zu entsagen. Vgl. Kühn, Alexander, Rainer, Anton: Ackern gegen Putin, in: Der Spiegel Nr. 28/ 9.7.22, S. 74ff.

Hamsterkäufe ("Horten"): Kaufen auf Vorrat und Lagerung für eine vermeintliche Krisenzeit. Das hat es schon immer gegeben, häufig in Kriegen. Der Begriff entstand im 1. Weltkrieg 1916. Er ist mit der Not der Bevölkerung verbunden. Er ist nach dem Nagetier benannt, das seine Backentaschen mit Körnern füllt. Insofern ist der Kampf gegen Covid-19 2020 auch ein Krieg. Hamsterkäufe zeugen aber von ausgesprochenem Egoismus. Corona bedroht nicht das Leben der meisten Menschen, sondern nur einer kleinen Gruppe. Also wäre eher Solidarität gefragt. Die Produkte, die bevorzugt gelagert werden, sagen einiges über die Kultur eines Landes aus: in Deutschland bevorzugt Toilettenpapier, in Frankreich Rotwein, in den Niederlanden Cannabis, in Schottland Whiskey, in den USA Waffen . Die Psychologie hat verschiedene Erklärungen für das Toilettenpapier in Deutschland. Einmal brauchten Menschen das Gefühl von Kontrolle. Toilettenpapier sei zum Symbol für Sicherheit geworden. Oder wir haben in der Krise eine Abneigung gegen Dinge, die uns ekeln. Es entsteht eine Aversion, die wir dann kompensieren. Wahrscheinlich gibt es noch viele andere Erklärungen. Gehortet werden vor allem folgende Güter: Seife, Toilettenpapier, Teigwaren, Mehl, Zucker, Reis, Desinfektionsmittel, Äpfel, Bier, Passionierte Tomaten, Hefe. Das Absatzplus gegenüber dem Zeitraum des Vorjahres war am größten bei Brotmischungen vor Mehl, Teigwaren und Reis. Es gibt auch eine Bewegung, die weltweit agiert. Sie lagert in großem Maße Lebensmittel, um auf Krisen vorbereitet zu sein. Sie werden Prepper genannt. Prepper haben alle möglichen Krisen im Blick (Pandemie, Finanz-Crash, langer Stromausfall und IT - Zusammenbruch). Der Ukraine-Krieg löst auch wieder Hamster-Käufe aus. Produkte werden knapp und teuer. Es betrifft Sonnenblumenöl, Mehl/ Backwaren, Toilettenpapier, Nudeln. Auch in der zweiten Corona-Welle in Deutschland ab Oktober 2020 steigt die Nachfrage nach Toilettenpapier wieder an.

Verändertes Konsumverhalten durch Corona und Inflation? : Kann man den Konsum so verändern, dass die Natur überleben kann? Diese Frage wird durch die Corona-Krise besonders virulent. Grob gibt es zwei Antwortgruppen: "Mehr" oder "weniger" Konsum. Mehr ist durch weniger Verbrauch von Rohstoffen möglich, also nachhaltig. Aber der CO2-Ausstoß steigt. Weniger Konsum sei durch vegane Ernährung, weniger Tourismus und mehr Freizeit möglich. Mehr Geld und Konsum mache nicht glücklicher (Glücksforschung). Corona scheint aber das Verhalten der Menschen nicht nachhaltig verändert zu haben. Führende Wirtschaftswissenschaftler geben eine unterschiedliche Einschätzung dazu: Tim Jackson und Dennis Meadows halten eine schrumpfende Wirtschaft in Zukunft für möglich. Clemens Fuest vom Münchener Ifo-Institut verteidigt die Freiheit der Konsumentscheidung. Marianna Mazzucato und Jeffrey Sachs wollen eine neue Art von Wachstum. Claudia Kempfert beschreibt die Bedingungen dafür. Der Wachstumspapst Robert Solow  sieht einen steinigen Weg bei weniger Wachstum. Vgl. Die Wende zum Weniger, in: Die Zeit Nr. 29, 9. Juli 2020, S. 19ff. 2021 kann man empirisch ganz bestimmte Änderungen feststellen: Der Flächenumsatz von Büroimmobilien ist 2020 gegenüber 2019 drastisch gesunken (-36%). Der private Konsum ist ebenfalls gesunken (-11,7%). Der Anteil des Sparbeitrages am verfügbaren Einkommen ist gestiegen (von 11% auf 16%). Vgl. WiWo 1/2 2021, S. 8. Im Herbst 2022 sinkt der Konsum insgesamt (Inflation, Rezessionsängste).

Secondhand - Sektor: Die Plattformökonomie und der Ruf nach Nachhaltigkeit haben dem Secondhand-Sektor einen Schub verpasst (auch "Aufräumeffekte" der Lockdowns). Selbst Maschinen werden zunehmend gebraucht gekauft. Makroökonomisch könnte damit dem Wachstum und der Innovationskraft der Volkswirtschaft geschadet werden. Vgl. Losse, Bert/ Zeinlinger, Tina: Das neue Bruttogenrauchsprodukt, in:  WiWo 12, 19.3.2021, S. 38ff.

Black Friday und Cyber Monday (Konsumschlacht): Es werden hohe Rabatte gewährt. Käufe finden vor allem online statt (nur 14% in Läden). Es ist eine Schnäppchenjagd.

Empirische Konsumforschung in Deutschland: Das Marktforschungsunternehmen GfK konstruiert den Konsumklimaindex. Dies geschieht seit 1980 (2000 Verbraucher, 600 Interviewer, alle Ausgaben der privaten Haushalte, drei Teile: Anschaffungsneigung, Einkommenserwartung, Konjunkturerwartung). 2014 wird eine Revision des Indikators in Angriff genommen. Gesamtwirtschaftliche Aspekte wie Preiserwartungen und Arbeitslosigkeit spielen heute eine größere Rolle. Die GfK ist nicht mehr unabhängig. Sie wird von Investor KKR dominiert und umgebaut.  Im März 2011 steigt der Index auf den höchsten Stand (6,0) in Deutschland seit 2007, weil die Verbraucher mit höheren Einkommen rechnen. Er fällt danach langsam wieder (auf 5,2 im September 2011, am positivsten ist die Einkommenserwartung). Im Februar 2013 steigt der Index auf den höchsten Wert seit November 2012. Ende 2013 steigt das Barometer sogar auf 7,4 Punkte (niedrige Zinsen, Kauflaune). Das ist der höchste Wert seit August 2007. Ende Januar steigt der Index sogar auf 8,2 (Lohnerwartung, Zuversicht); im Februar auf 8,5. Im Juli 2014 erreicht er 8,9 und damit den höchsten Stand seit sieben Jahren (Schub durch niedrige Zinsen). Im August steigt er noch mal auf 9,0. Sogar Ende des Jahres 2014 ist er noch hoch wegen des niedrigen Ölpreises. Ende Januar 2015 erreicht er den höchsten Stand seit 2001. Im April werden 10,0 erwartet. Laut dem GfK-Index Ende 2015 dürfte der Private Konsum auch 2016 eine Stütze der Konjunktur bleiben. Der Index steigt sogar noch leicht an zu Beginn von 2016. Im Herbst 2016 sinkt er nach dem Brexit und dem Terror. Im Mai 2017 steigt der Index überraschend stark an (so gut wie seit 2001 nicht). Er erhöht sich dann im Juni 17 noch mal. Für Februar/ März 2018 sinkt der Index (Regierungsbildung, Börsenturbulenz, US-Handelshemmnisse). 2018 insgesamt bleibt das Konsumklima stabil auf hohem Niveau. Es steigt die Bereitschaft zu teueren Anschaffungen. Im April 2019 geht der Index gegenüber dem 1. Quartal wieder nach oben (stabiler Arbeitsmarkt, Rentenerhöhung). Im Juli 2019 sinkt der Index um 0,3 Zähler (9,8: tiefster Stand seit April 2017). Im Oktober 2019 steigt die Kauflaune wieder (9,9). Durch die Corona-Krise 2020 ist die Kauflaune im freien Fall. Ende April 2020 ist der Index bei -23,4. Im September 2020 stabilisiert er sich wieder (-1,7). Seit 2010 gibt es einen Frühindikator für die Ausgaben der privaten Verbraucher. Er wird am DIW in Berlin erstellt. Datengrundlage sind die monatlichen Umfragen der EU-Kommission (Dreger, C./ Kholodilin, K.: Forecasting Private Consumption by Consumer Surveys, DIW, Berlin Sept. 2010). Das RWI in Essen berechnet den Konsumindikator. Er besteht aus 41 Kategorien, die für private Konsumausgaben besonders relevant erscheinen.  Das RWI veröffentlicht seit 2011 alle drei Monate einen aktualisierten Indikator. Grundlage sind Google-Daten. Das Handelsblatt Research Institute veröffentlicht den HDE-Konsumbarometer. Es besteht aus sechs Fragen an repräsentativ ausgewählte Konsumenten. Erhoben werden Konsum- und Sparneigung.

Veblen - Theorem (Veblen-Güter): Reiche Leute schätzen teure Güter nicht wegen ihres Gebrauchtwertes, sondern vor allem deswegen, weil Ärmere sie nicht bezahlen können, Thorstein Bunde Veblen (1857-1929): Theory of the Leisure Class, New York 1965. Er kombinierte Soziologie und Ökonomie. Ähnlich der Snob-Effekt, bei dem eine negative Netzwerkexternalität besteht, bei der der Konsument ein einzigartiges Gut exklusiv besitzen will. Eine positive Netzwerkexternalität besteht beim Mitläufer-Effekt, bei dem der Konsument ein Gut deshalb besitzen will, weil andere (Nachbarn, gleichaltrige Jugendliche) es haben. Vgl. auch Veblen, Thorstein: The Engineers and the Price System, New York 1922.Veblen wurde als Sohn norwegischer Einwanderer in Wisconsin/ USA geboren. 1884 promovierte er zunächst in Philosophie in Yale (Kant, Comte, Spencer). Zuletzt war er Professor in New York (vorher in Chicago und Standfort).

Giffen - Fall (bzw. -Gut; benannt nach dem schottischen Journalisten und Statistiker Robert Giffen, 2. Hälfte 19. Jh., 1837 - 1919): Giffen - Güter sind inferiore Güter (Güter, dessen nachgefragte Menge bei einem Einkommenszuwachs sinkt), bei denen der Einkommenseffekt den Substitutionseffekt überlagert (steigende Nachfragekurve). Dies wurde z. B. in Irland beobachtet, als dieses Land noch arm und kein "keltischer Tiger" war. Die irische Nachfrage nach Kartoffeln verlief aufwärts geneigt. Jüngst wurde der Effekt für die chinesische Provinz Huan beim Reis nachgewiesen, allerdings nur bei mittleren  Gruppen; vgl. Jensen, R. T./ Miller, N. H.: Giffen Behavior: Theory and Evidence, NBER Working Paper Nr. 13243 (Juli 2007). Manche  übertragen den Fall auch auf den Preis: Mit steigendem Preis steigt die Nachfrage. So Kernfragen Wirtschaft, München 2019, S. 148.

Gossensche Gesetze: 1. Der Grenznutzen eines Gutes nimmt mit zunehmender konsumierter Menge ab, kann aber nicht negativ werden. 2. Grenznutzen muss in allen Verwendungsrichtungen gleich sein. Hermann H. Gossen, 1810-1858: Entwicklung der Gesetze des menschlichen Handelns, und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln, Braunschweig 1854. Gossen entwickelte eine subjektive Wertlehre, indem er den individuellen Nutzen eine Gutes einbezog. Mithilfe Gossens konnte das so genannte Wertparadoxon der klassischen Ökonomie aufgelöst werden. Man spricht auch von Sättigungsgesetz.  Gossen ist einer der bekanntesten deutschen Ökonomen in der Welt (weil es nicht so viele gibt).  Interessant ist die Frage, ob das "Gesetz des abnehmenden Grenznutzens" auch für Geld und die Geldpolitik der EZB gilt. Ist hier nicht auch der Grenznutzen mittlerweile erschöpft? "Whatever it takes", Mario Draghi, EZB-Chef. Vgl. auch berühmte Wirtschaftsbücher und Ökonomen auf der Seite "Sammel")

Abnehmender Grenznutzen: Eine Situation, in der jede weitere Einheit eines Gutes einen immer geringeren Nutzen bringt. Die Idee geht auf William Jevons (1835 - 1882) zurück. Mit Grenznutzen erklärte er das Verbraucherverhalten. Beispiel: Das letzte Stück Schokolade genießt man weniger als das erste. Noch besser ist das Beispiel Bier im Glas.

Nutzenmaximierung: Individuen wollen ihren Nutzen maximieren. Empirisch ist diei Nutzenmessung das Problem, da es keine universellen Einheiten gibt. Auch das Verhalten ökonomischer Akteure in Unternehmen ist nicht unbedingt auf Profitmaximierung ausgerichtet, sondern viel mehr auf individuelle Nutzenmaximierung. Vgl. Williamson, Oliver Eaton: The Economic Institutions of Capitalism, New York 1985.

Indifferenzkurve: Graphische Methode zur Darstellung aller Kombinationen von zwei Gütern, Geld oder anderen Faktoren, die ein  Akteur als gleichwertig (indifferent=gleichgültig, gleichwertig) empfindet, z. B. Haushaltstheorie mit ordinalem Nutzen (Pareto): Die obere Grenze an Gütern, die der Haushalt kaufen kann (Budgetrestriktion, Gütermengen x Preisen, kein Sparen) wird Bilanzgerade bzw. Budgetgerade genannt (zusammengesetzt aus Preisen und Mengen, kein Sparen). Bei metrischer Nutzenmessung gibt es einen Grenznutzen (Gossensche Gesetze). Die Änderung des Konsums, die sich aus der Bewegung zu einer höheren oder niedriger liegenden Indifferenzkurve bei Konstanthaltung des relativen Preises ergibt wird Einkommenseffekt genannt (es gibt auch den Substitutionseffekt). Mit der Slutsky-Gleichung können die Auswirkungen einer Preisänderung exakt aufgeteilt werden. Mit der Indifferenzkurve lassen sich auch sehr praktische Probleme skizzieren, z. B. in der Personalpolitik, wenn es um Präferenzen eines Wind-Survers und eines Schachspielers geht, vgl. Lazear/Gibbs: Personnel Economics in Practice, 2009. Grundlage der Theorie sind die Gedanken von dem Österreicher Carl Menger (1840-1921)  und dem Franzosen Leon Walras (1834-1910) über eine neue Wert- und Preistheorie. Sie rückten die Nützlichkeit eines Gutes (Nutzentheorie) und nicht die in ihr steckende Arbeit in den Mittelpunkt. Man unterscheidet kardinale (um wie viel genau variiert ein Warenkorb gegenüber einem anderen) und ordinale Nutzentheorien (Rangfolge von Nutzen). Mit der Nutzentheorie konnte das Wertparadoxon (Vergleich Gold-Wasser) gelöst werden. Vgl. auch: Deaton, A./ Muellbauer, J.: An Almost Ideal Demand System, in: AER, 1980.

Grenzrate der Substitution: Die Steigung der Indifferenzkurve ist die Rate, mit der der Verbraucher bereit ist, Güter gegeneinander auszutauschen. Der Verbraucher ist bereit auf eine bestimmte Menge eines Produktes zu verzichten, um eine zusätzliche Einheit des anderen Produktes zu bekommen. Dieser Trade-off ist die Grenzrate der Substitution.

Elastizität (Elasticity): Die relative Mengen - Änderung zur relativen Ursachen - Änderung (direkter Preis des gleichen Gutes, indirekter Preis bzw. Kreuzpreis und Einkommen). Preiselastizitäten sind normalerweise negativ (positiv bei Snob - Effekt), Einkommenselastizitäten positiv. Interessant ist die Anwendung der Preiselastizität bei Parkplätzen. Hierüber forscht der US-Ökonom Donald Shoup seit 35 Jahren. Leider planen die Städte die Gebühren in der Regel nach anderen Kriterien. Über die Kreuzpreiselastizitäten kann man die folgenden Beziehungen identifizieren:

Substitutions- und Komplementärbeziehungen zwischen Gütern: Substitutionsgüter ersetzen sich gegenseitig (Butter, Margarine), Komplementärgüter ergänzen sich (Benzin, Auto). Über die Kreuzpreiselastizität (Vorzeichen) lassen sich diese Güter messen. "Wer lebenslang Butter gegessen hat, steigt nicht mit 80 auf Margarine um, nur weil die billiger wird", H. - W. Brachinger, Ökonom an der Uni Fribourg über Preissteigerungen bei Lebensmitteln, die besonders Rentner treffen.

Kurve komplementärer Güter: Wenn zwei Güter miteinander verknüpft sind, also zwei Produkte in Kombination verkauft werden, kann sich der Preis des einen Produktes auf die Nachfrage des anderen auswirken. Lange sprach man in der Umgangssprache von Burgerbrötchen-Kurve. Wenn ein Supermarkt günstiges Rindfleisch anbietet, steigt auch die Nachfrage nach Burgerbrötchen. Die Industrie macht sich diesen Zusammenhang immer wieder zu Nutzen: So sind bei Nassrasierern  die Rasierklingen oft teurer als der Rasierer. Oder Druckerpatronen sind relativ teuer im Vergleich zum Drucker. Am deutlichsten zeigt sich heute der Zusammenhang bei Smartphones. Erst die Entwicklung von Apps in großem Ausmaß konnte die Nachfrage nach den Handys so ansteigen lassen. Heute sind Plattformen wichtiger als die Produkte.

Einkommenselastizität der Nachfrage: Prozentuale Änderung der nachgefragten Menge infolge einer Erhöhung des Einkommens um ein Prozent.

Elastizitäten insgesamt: Sie sind wichtige Instrumente zur Darstellung und Analyse ökonomischer Zusammenhänge. Sie spielen in Mikro- und Makroökonomik eine Rolle. Neben den üblichen Preis-, Kreuzpreis und Einkommenselastizitäten gibt es noch folgende: Skalenelastizität (Faktoreinsatz, Output), Kostenelastizität (Produzierte Menge, Kosten), Gesamtwirtschaftliche Aufkommenselastizität ( BIP, Steueraufkommen einer bestimmten Steuerart), Importelastizität, Exportelastizität.

Kuppelprodukte/ Verbundprodukte: Produkte, die zusammenhängen oder gemeinsam produziert werden - wie Wolle und Schafe oder Benzin und Rohöl. Vgl. Stiglitz/ Walsh: Mikroökonomie, München 2010, S. 552.

Homogene Güter und heterogene Güter: Homogene Güter kommen nur einmal vor (z. B. eine Kartoffelsorte, ein Autotyp). Heute gibt es in dem Sinne keine homogenen Güter mehr. Diesem Ideal am nächsten kommen z. B. Benzin, Stahl, Zement. Deshalb bilden sich bei diesen Industrien leicht Kartelle. Heterogene Güter haben differenzierte Eigenschaften, manchmal auch nur durch Werbung. "Es gibt keine Massenware. Alle Waren und Dienstleistungen lassen sich differenzieren", Theodore Levitt, Ökonom, 1925-2006.

Netzwerkexternalitäten: Mitläufer- und Snobeffekt. Beim Mitläufereffekt führt ein Anstieg des Konsums bei anderen Personen zu einem Anstieg des Konsums des betrachteten Konsumenten. Beim Snobeffekt steigt die Nachfrage des Konsums, obwohl der Preis steigt. Vgl. Pindyck/ Rubinfeld: Übungen zur Mikroökonomie, München u. a. 2005, S. 102ff.

Wirtschaftssubjekt: In der Ökonomie handelnde Person, über die oft bestimmte Annahmen gemacht werden.

Konsumentenverhalten: Am stärksten wurde es in den letzten Jahren vom Internet geprägt. Mittlerweile sind mehr als 50 Mio. Deutsche im Internet unterwegs. 2011 haben sie mehr als 30 Mrd. € Online ausgegeben. Probleme bereitet die Sicherheit. Gütesiegel der Betreiber und Zahlungssystem müssen beachtet werden. 2015 zeichnet sich ab, dass die US-Verbraucher ihre Ernährung ändern und damit auch ihr Konsumentenverhalten. Die Bürger verhalten sich gesundheitsbewusster. Dadurch geraten Unternehmen wie McDonald´s, Coca Cola und Kellog´s in die Krise. Ursprünglich sprach man in liberalen Wirtschaftsmodellen von Konsumentensouveränität. Im Idealmodell entschied der Konsument frei was produziert und konsumiert wurde. Doch bald könnten in der Realität die Computer die Entscheidung übernehmen. Es könnte zu Smart Home, Smart City usw. kommen. Eine massive Kritik an der Konsumentensouveränität äußern die Nobelpreisträger Robert Shiller und George Akerlof in dem Buch "Pishing for Fools", das 2016 auch auf Deutsch erscheint. Die Autoren attackieren den freien Markt und zeigen die Schwächen auf. Er leiste viel Gutes, aber sei nicht perfekt. "Viele Firmen kalkulieren damit, dass ein Teil der Bürger dumm handelt" (s. WiWo 38, 16.9.16, S. 39).  "Es ist nicht die Aufgabe der Verbraucher zu wissen, was sie wollen", Steve Jobs, 1955-2011, Apple.

Konsumentenrente: Es ist Unterschied zwischen dem, was ein Käufer bereit ist, für eine Ware zu bezahlen, und dem, was der Käufer tatsächlich bezahlt. Der Verlust an Konsumentenrente bei steigenden Preisen kann beim Konsumenten ein Gefühl der Leere erzeugen. Vgl. Acemoglu, Daron u. a.: Volkswirtschaftslehre, München 2020, S. 157.

Das Problem des Konsumenten/ Käufers: 1. Was gefällt? 2. Preise von Gütern und Dienstleistungen. 3. Wie Geld man ausgeben muss. 4. Welches Einkommen steht zur Verfügung. Vgl. Acemoglu, D. u. a.: Volkswirtschaftslehre, München 2020, S. 146ff.

Die Konsumenten und ihr Verhalten in der Realität: Psychologische Studien weisen darauf hin, dass menschliche Konsumentscheidungen viel komplexer sind, als die Mikroökonomik unterstellt. Menschen verhalten sich nicht immer rational (z. B. Suchtverhalten). Sie verwenden Daumenregeln und Krücken, die sehr stark von der Informationsberücksichtigung (Framing-Effekte) abhängen.

Gespaltener Konsument: Angesichts hoher Inflation und sinkender Reallöhne fahren die Bürger 2023 in vielen Bereichen ihren Konsum drastisch zurück. Es gibt ein Umsatzminus im Einzelhandel. Zugleich wächst die Nachfrage nach Luxus, Reisen (Preise +45,5%) und Dienstleistungen (Gastronomie (Preise +34%). Vgl. Losse, Bert: Der gespaltene Konsument, in: WiWo 30/ 21.7.23, S. 36f.

Unsicherheit und Verbraucherverhalten: Risikopräferenzen beeinflussen das Nutzenempfinden. Hier kann die Methode der Wahrscheinlichkeitsrechnung angewandt werden. Wahrscheinlichkeit, Erwartungswert, Varianz und Erwartungsnutzen bestimmen die Beziehung zwischen Risiko und Ertrag (Risikoprämie, 1738 formuliert der Mathematiker Daniel Bernoulli seine Theorie der Risikovermeidung und des Nutzens). Manche Menschen lieben das Risiko, andere gehen ihm aus dem Weg.

Warenfetischismus: Der Begriff geht auf Karl Marx zurück. Er verwendet ihn im ersten Band vom Kapital. In früheren Veröffentlichungen spricht er von Entfremdung. Sie ist Folge von arbeitsteiliger Produktion. Der Mensch entfremdet sich vom Produkt, von sich und von anderen Menschen. Marx hat sehr scharfsinnig und früh vorausgesehen, wie Konsum zum absoluten Lebensinhalt werden kann und welche Folgen das hat.

Nachhaltiger Konsum in der Postwachstumsgesellschaft (Einfluss der Ethik): Produkte müssen haltbarer, weniger werden. Sie dürfen nicht mehr sinnstiftend sein. Die Menschen sollten ihr Glück mehr über Partizipation, Kontakte, Kommunikation u. a. definieren. Der Anstieg der Arbeitsproduktivität bringt mehr Freizeit, die für immaterielle Bedürfnisse verwendet werden sollte. Auch empirisch kann man nachweisen, dass die Bürger nachhaltige Produktion unterstützen, soziale Kriterien zugrunde legen und auf artgerechte Tierhaltung Wert legen. Der Einfluss ethischer Werte wird immer größer: 2009 achteten 13,3% der Konsumenten auf Fair Trade, 2015 schon 19,5%; 2009 waren 14,4 der Konsumenten ökologisch und sozial verantwortungsvolle Hersteller wichtig, 2015 16,7% (Quelle: Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse). Vgl. auch Utopie - Kaufberatung und Hintergrundartikel zu nachhaltigem Leben: https://www.utopia.de . Oder auch: Online-Handel mit nachhaltigen Marken: https://www.avocadostore.de . "Unser Konsumverhalten im reichen Westen ist nur durch die Externalisierung der Kosten möglich. Es macht uns auch nicht glücklich, Besitz und Status als Marker für unseren Stellenwert zu setzen. Die Rolle und Art von Konsum in unseren Gesellschaften zu ändern ist daher ein wichtiger Schlüssel zu Nachhaltigkeit. Die Versöhnung von sozialen und ökologischen Zielen sollte daher im Zentrum stehen", siehe Maja Göpel: Unsere Welt neu denken, Berlin 2020, S. 135.

Luxuskonsum: An der Spitze liegt 2012 China (25% der Chinesen kaufen Luxusgüter; es gibt eine Luxussteuer). Dies dürfte an der starken Status-Orientierung der Chinesen liegen. Dann folgen Europäer (24%), US-Amerikaner (20%), Japaner (14%). Quelle: Bain & Company. 2021 betrug der Umsatz der Branche 1,1 Billionen $. die Luxusgüter machen sich oft rar. Man muss lange auf den Konsum warten: Bei Rolex betragen die Wartezeiten bis zu 10 Jahren (Umsatz 2021 8 Mrd. CHF (20220 4 Mrd. CHF). Auf den Geländewagen von Mercedes muss man bis zu drei Jahren warten.

Patriotischer Konsum: Kauf ausschließlich im eigenen Land hergestellter Produkte. Bisher sind die USA hier Vorreiter. In vergangenen Wahlkämpfen gab es immer "Buy American" - Bewegungen.  In den USA gibt es auch spezielle Läden, die nur US-Waren im Sortiment haben. Damit wendet man sich gegen den globalen Handel. Allerdings ist das Angebot zusätzlich ein Gradmesser für die Deindustrialisierung der USA. Denn das Warensortiment ist nicht sehr umfassend. Frankreich tut sich beim patriotischen Konsum auch hervor. Die französischen Nachbarn sind bereit, rund 10% mehr für ein Produkt zu zahlen, wenn es "Made in France" ist (Quelle: Umfrageinstitut BVA). Auch China greift 2020 zu der Strategie des Patriotischen Konsums, um seinen Binnenkonsum anzuregen (Handelspolitik der USA).  Zum Beispiel gibt es einen "Made in America Store" in Buffalo. Er ist immer wieder reingefallen auf Outsourcing nach China. Die Produkte müssen nämlich eigentlich zu 100% aus den USA stammen. Damit ist aber auch nicht gesichert, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben (das war der Grundgedanke). In Deutschland gibt es solche Läden noch nicht. Die meisten Produktpaletten sind auch stark europäisch.

Konsumboykott als Machtmittel. Im Jahre 2021 werden westliche Firmen Zielscheiben staatlich gesteuerter Boykott-Aktionen. Es trifft besonders H&M, Nike und adidas. Sie haben sich gegen Zwangsarbeit der Uiguren in Xinjiang auf den Baumwollfeldern  ausgesprochen. Einige Online-Händler in China (Taobao, Tmall) nehmen die Produkte aus dem Sortiment. Schon vorher traf es australische Winzer und Rindfleischproduzenten, als Australien China kritisiert hatte. Die Kampagnen der Regierung werden von den regulierten Sozialen Medien unterstützt (Weibo). Die westlichen Firmen geraten in ein Dilemma (Wahl zwischen Werten und Geschäft). Die aktuelle Boykott-Kampagne der Regierung ist gezielt gegen die Menschenrechtskampagne der USA unter Biden gerichtet. Vgl. Kretschmer, Fabian: Chinas Zorn, in: Rheinpfalz am Sonntag, 28. März 2021, S. 6.  Ende 2021 kommt es zu einem Boykottaufruf gegen Tesla. Jeder vierte Tesla wird in China verkauft. Die Raumfahrtfirma SpaceX von Elon Musk, dem Eigner von Tesla,  hatte zwei Satelliten im All, die die Umlaufbahn der chinesischen Raumstation "Tiangong" (Himmlischer Palast)  kreuzte. Diese musste zweimal ihre Umlaufbahn ändern. Es kommt immer wieder zu Konsumboykotten. Ein berühmter war 2021 gegen die schwedische Modefirma H & M gerichtet. Diese hatte aus Bedenken gegen die Zwangsarbeit in der Provinz Xinjiang auf Baumwolle aus dieser Region verzichtet. Die kommunistische Jugendliga rief zum Boykott auf. Innerhalb kurzer Zeit sprang die Textilfirma Anta Sports ein. Gleiches könnte bei Apple kommen.

Selbstversorgung: Gegenbewegung zum Überkonsum, Wegwerfkonsum und unsauberen Lebensmitteln. Man strebt eine fast Autarkie bei Lebensmitteln und Energie an. In der Regel kann man sich mit Solarenergie mindestens selbst versorgen und heizt mit Holz (Pelets). Obst, Gemüse, Kartoffeln und Fleisch produziert man selbst. Man kauft nur in geringem Umfang dazu (Mehl, Nudeln). Der Konsum orientiert sich am saisonalen Vorhandensein der Lebensmittel. Ansonsten legt man Vorräte an (alte Methoden der Konservierung). Es gibt in Deutschland immer mehr Höfe dieser Art.

"Besserer" Tourismus: Nach Corona will Neuseeland den "besseren" Urlauber. So gibt es 2022 Tourismus-Minister Stuart Nash bekannt. Darunter sei ein Mensch zu verstehen, der "mehr zurückgibt als er nimmt". Er soll gerne Menschen und Orte kennen lernen und sich dabei sehr umweltbewusst verhalten. An dem Tourismus-Konzept wird noch gefeilt.

Diskriminierung beim Konsum: Benachteiligung beim Verbrauch nach Alter, Aussehen, Geschlecht oder Staatsangehörigkeit. Nach einer Untersuchung der Uni Augsburg werden 30% aller Konsumenten im Laufe eines Jahres diskriminiert. Abhilfe könnte von Ethno-Marketing ausgehen, was die Benachteiligung bestimmter Kulturen angeht. 2014 belegt eine Studie in Frankreich, dass Französinnen mehr für Produkte und Dienstleistungen zahlen als die Männer. Man spricht von einer "Frauensteuer".

Verbraucherschutz: Ist mittlerweile in Deutschland sowohl auf Bundesebene (Justizministerium) als auf auf Länderebene institutionalisiert. An der Basis wird mit der Verbraucherberatung und entsprechenden Organisationen (Verbraucherzentrale) gearbeitet. Diese machen auch Erhebungen. Es gibt auch ein Bundesamt für Verbraucherschutz. Hautsitz ist Braunschweig. 2014 kommt heraus, dass eine ganz schlechte Beratung bei Geldanlagen besteht. Aus Daten im Netz entwickeln Profis sogar individuelle Profile, die gezielt verkauft werden. Die EU-Kommission will 2018 Verbraucherrechte gegenüber großen Unternehmen stärken. Ausgangspunkt ist der VW-Diesel-Skandal. Brüssel plant EU-Sammelklagen.

Verbraucherzentrale Bundesverband e. V., Berlin (Nachfolgerin von Klaus Müller wird 2022 Ramona Pop; 51 Organisationen, 16 Zentralen, 26 Verbände, 225 B.)

Musterfeststellungsklage: Das Bundeskabinett verabschiedet im Mai 2018 einen Gesetzentwurf. Damit soll das Erstreiten von Schadensersatz für Verbraucher deutlich verbessert werden. Man hat sich gegen die Sammelklage, die in den USA üblich ist, entschieden. Sie sei zu langsam und zu teuer. Die Musterklage ist ab November möglich. Damit können VW-Dieselbesitzer noch rechtzeitig klagen. Man muss sich in ein Register eintragen lassen. Die Musterklage funktioniert wie folgt: 1. Verbraucher müssen sich zusammenfinden. 2. Ein Gericht prüft die Voraussetzung. 3. Eintrag ins Klageregister. 4. Gericht prüft die Zulässigkeit. 5. Im Verfahren wird ein Schadensersatzanspruch geprüft. 6. Ende des Verfahrens (kann bis zu 4 Jahre dauern). 7. Positives, negatives Urteil oder Vergleich. Mit Unterstützung des ADAC klagen Dieselbesitzer und Verbraucherschützer in Deutschland in einer Musterklage gegen VW im September 2018. Faktisch kann die Klage erst im November 2018 eingereicht werden. Bisher gab es nur für Kapitalanleger Musterklagen. Diese Möglichkeit wurde nach dem Skandal über die Telekom-Aktie vor 13 Jahren eingeführt. Die klage wird von der Verbraucherzentrale Bundesverband eingereicht. In einem zweiten Schritt müssen dann die Autobesitzer speziell ihren Schadensersatz einklagen.

Käuferschutz beim Oneline-Shopping: Verkaufsplattformen wie Amazon und Ebay sowie Zahlungsdienstleister wie Paypal sichern den Verbraucher in den meisten Fällen gut ab, falls es Ärger gibt. Doch es gibt Bedingungen und Fallstricke.

Verlagerung von Risiken auf den Kunden: Bei Freizeit/ Reisen, Gesundheit, Finanzen werden viele Risken auf den Kunden ausgelagert. Das zeigt sich besonders deutlich in der Corona-Krise. Verbraucherinteressen müssen oft zugunsten anderer Interessen zurückstehen. In einer komplexen Welt muss der Kunde aber auch bereit sein, selbst nachhaltig, ökologisch und richtig zu handeln.

Werbeverbot für Ungesundes bei Lebensmitteln für Kinder: Das haben die Verbraucherschutzminister der Länder im Juni 2022 beschlossen. Der Bund soll dazu ein Gesetz machen. Betroffen sind Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett-, oder Salzgehalt gegenüber Kindern. Landwirtschaftsminister Özdemir fängt im Februar 2023 an, ein Gesetz zu konstruieren.

Konsumforschung und Konsumentenverhalten: Die Methoden werden immer raffinierter und vielfältiger. Hirnströme werden gemessen (Neuroökonomie, Elektroenzephalographie/ EEG), Massendaten (Handy, Smartphone) ausgewertet, immer mehr Laborexperimente werden durchgeführt, die Beobachtungstechniken für reale Situationen  (z. B. Frühstücksszenen, ethnografische Marktforschung; in Asien laufen Verbraucher mit Kameras rum und zeigen ihren Alltag) werden verfeinert. Die Interviews über das Internet nehmen ständig zu. Die GfK verfügt mittlerweile über alleine 120 Methoden. Der Umsatz der Konsumforschung/ Marktforschung stieg 2012 auf 2,5 Mrd. Euro (1 Mrd. mehr als vor 10 Jahren). Eine immer größere Rolle spielt der so genannte "digitale Verbraucher".

Sharing beim Konsum (kollaborativer Konsum; Teilen statt Haben): Teilen von Konsum statt Dinge als Eigentum zu nutzen. Dadurch Ende des Konsumterrors und Lösung weltweiter Umweltprobleme, da viel weniger Produktion. Das ganz private Teilen kann Ausdruck von Mitgefühl, Vertrauen, Sympathie und Freundschaft sein. Es handelt sich um einen neuen Lebensstil: Reparieren statt wieder verwenden, leihen, Tauschen und Teilen, Tauschringe und Verschenken. Viele Erscheinungsformen sind allerdings getragen von Renditeerwartungen. Hierbei wird die "alte" Ökonomie mit dem Internet verknüpft. Vgl. dazu: kokonsum.org ; Freecycle.org ; utopia.de . Insbesondere drei Aspekte müssen beachtet werden: 1. Welches Arbeitsmodell steckt hinter dem Teilen (z. B. Klickworking, Gig-Economy, Arbeitssklaven)? 2. Wie wird Vertrauen erzeugt und überwacht (insbesondere in P2P-Plattformen)? 3. Ist Teilen wirklich nachhaltiger (Carsharing auch bei Haushalten, die schon mehrere Autos haben)?. Nach neuesten Forschungen hängt der Tauscherfolg von drei Kriterien ab: 1. Die Objekte sollten relativ teuer sein. 2. Der Gebrauch ist nur sporadisch. 3. Der Zeitpunkt der Nutzung ist planbar. Also sind Brautkleid und Smoking positive Beispiele. Ein Fußball ist ein negatives Beispiel. Horton/ Zeckhauser: Peer-to-Peer Rental Markets. Some Thougts on the "Sharing Economy", http//john-joseph-horton.com/papers/sharing.pdf . Teile des Wirtschaftslebens wandern von den Märkten ab: Der Konsument ist zugleich Produzent ("Prosument"). Kollaborativer Konsum im engsten Sinne ist die Vernetzung von Einzelpersonen und Unternehmen über Plattformen.

Konsum 4.0: Folgende Merkmale könnten dazu gehören: Nachhaltigkeit, Zeit/ Schnelligkeit, Erziehung, Kontakte im Netz, innovativer Zahlungsverkehr, Begeisterung, Hyper-Personalisierung. Vgl. Zeitgespräch, in: Wirtschaftswoche 12/Dezember 2015, S. 807ff. Dazu gehört auch der Verbraucherschutz 4.0: Immer mehr Geräte in Privathaushalten sind miteinander vernetzt. Der Datenaustausch muss nicht immer zum Wohl des Nutzers sein und kann auch abgegriffen werden.

Kunde als König oder Idiot: Das Internet und die Plattformen verändern die Rolle des Kunden. Er muss viel Zeit in Warten stecken (Anlieferung, Abholen). Zum Lieferanten hat er oft nur über Call - Center Kontakt, die häufig nur abwimmeln. Die neue Service-Ökonomie zermürbt den Kunden. Amazon gilt als Vorreiter des Geschäftsmodells.

Was Produkte wertvoll macht (Messen von Nutzen für den Kunden und Erhöhung des Nutzens): Was Kunden an einem Produkt schätzen, ist oft schwer zu ermitteln. Es kann ein emotionaler Nutzen (Sorgen reduzieren), ebenso wie ein funktionaler (Zeit sparen) sein. Die Autoren einer Bain Studie entwickeln 30 grundlegende Nutzenelemente: Gesellschaftliche Wirkung (Selbsttranszendenz); Lebensveränderung (schafft Hoffnung, Selbstverwirklichung, Motivation, Vererben, Zugehörigkeit und Einbindung); Emotional (nimmt Sorgen, belohnt, Nostalgie, Design und Ästhetik, Image, Wohlergehen, therapeutischer Wert, Spaß und Unterhaltung, Attraktivität, schafft Zugang); Funktional (spart Zeit, vereinfacht, sorgt für Einkünfte, senkt Risiken, organisiert, integriert, verbindet, senkt den Aufwand, vermeidet Ärger, senkt kosten, Qualität, Vielfalt, sensorische Attraktivität, klärt auf). Die Elemente "Qualität", spart Zeit" und "senkt Kosten" beeinflussen die Zufriedenheit der Kunden am stärksten. Vgl. Almquist, Eric/ Senior, John/ Bloch, Nicolas: Was Produkte wertvoll macht, in: Harvard Business Manager Oktober 2016, S. 22ff.

Konsum auf Pump: 2023 gibt es einen rasanten Anstieg bei Ratenkrediten. Gerade bei jungen Leuten sind Kredite beliebt. Gerade Online-Shops werben mit entsprechenden Angeboten. Die USA könnten in dieser Hinsicht Vorreiter sein.

Verschuldung der privaten Haushalte (auch Privatinsolvenzen): Mehr als zehn Prozent (10,06%) der Erwachsenen in Deutschland sind 2016 überschuldet (Quelle: Creditreform). Über 6,8 Mio. Menschen in Deutschland über 18 Jahren können ihre Rechnungen nicht bezahlen. In den vergangenen 12 Jahren stieg die Quote um über 2 Prozentpunkte. Noch höher ist die Verschuldung der Haushalte in den USA. 2021 steigen die Verbraucherinsolvenzen sehr stark an (+74,9% in den ersten neun Monaten). Ursache ist auch eine Neuregelung ab 1. Oktober 2020 im Verbraucherinsolvenzverfahren: Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens.

Verbrauchergerechtes Scoring: Immer mehr Aspekte des Verhaltens der Bürger werden durch "Scores" vorhergesagt oder gesteuert. Scoring hat eine Reihe von Problemen: mangelnde Transparenz und Qualitätskontrolle für Daten und Algorithmen, ungenügende personelle sowie technische Ausstattung der Aufsicht und die zukünftige Gefahr eines kommerziellen Superscores ähnlich dem System in China. Anbieter von sensitiven Scores sollten verpflichtet werden, den Betroffenen alle Merkmale und deren Gewichtung offen zulegen. Es muss eine leistungsstarke Aufsicht geschaffen werden. Vgl. Gigerenzer, G./ Rebitschek/ Wagner, G. G: Eine vermessene Gesellschaft braucht Transparenz, in: Wirtschaftsdienst 2018/1, S. 880ff.

Weinkonsum: Konsum pro Kopf und Jahr in Liter. Rangliste: 1. Portugal 56; Frankreich 50; Italien 43; Schweiz 37; Ungarn 30; Österreich 29; Australien 29; Deutschland 28. Vgl. Die Zeit Nr. 44, 22.10.20, S. 52. Das deutsche Weininstitut hat andere Zahlen: Es kommt für 2020 auf 20,7 Liter pro Kopf und Jahr. Es spricht von einer Steigerung durch Corona (Vorräte aufgefüllt und zu Hause getrunken). 2022 und 2023 sparen die Deutschen beim Wein (2022  -10%). Die gestiegenen Lebenshaltungskosten haben Auswirkungen auf den Weinverkauf. Der Durchschnittspreis des Weins ging auch nach oben (vor allem höhere Kosten beim Glas).

Revolution des Konsums (in der Digitalisierung) : Die Digitalisierung macht aus Gütern, die bisher nur für wenige erschwinglich waren, Massenprodukte. Der Kunde wird mächtiger, der Wettbewerb intensiver. Ein wichtiges Hilfsmittel ist VR. Man kann jede Ecke der Welt, jeden Freizeitpark virtuell bereisen. In der virtuellen Welt ist fast alles möglich. Mit VR kann man Computerspiele machen, virtuelle Reisen, Fitnessprogramme, Musikkonzerte besuchen. Menschen haben eine zweite Identität: Herkunft, Alter, Geschlecht u. a. spielen keine Rolle mehr. Vgl. Zeinlinger, Tina: Die Revolution des Konsums, in: WiWo 27/ 2.7.21, S. 38ff.

Der berechenbare Konsument: Auch in liberalen Demokratien werden Menschen gesteuert, hauptsächlich durch das Setzen von Anreizen. Die Wirtschaft will den berechenbaren Konsumenten, der immer besser im Rahmen der Digitalisierung überwacht und gesteuert werden kann. Algorithmen könnten irgendwann damit beginnen, Konsumentenentscheidungen zu treffen. So könnte die Nachfrage von vorne gesteuert werden. Vgl. Binswanger, Mathias: Wie viel Peking steckt in Smart Homes? in: WiWo 29/16.7.21, S. 41f.

Der nachhaltig handelnde Konsument: Wir benutzen noch billige schmutzige Energie. Der Autoverkehr ist extrem individualisiert und die Autos sind überdimensioniert. Das Fliegen (Tourismus) schädigt extrem die Umwelt, auch die Kreuzfahrtschiffe. Wegwerfkleidung (Fast Fashion) kommt manchmal in armen Ländern an. Unser Konsum führt zu Verschwendung, was sich in den Müllbergen ausdrückt. Allein schon der zunehmende konsum verursacht Probleme. Alles, was das ändert, ist nachhaltiger Konsum. Vgl. Gifford u. a.: Simply Klimawandel, München 2023, S. 60ff.

Trinkgeldkultur: Ein faszinierendes Gebiet. Es hängt eng mit der Kultur eines Landes zusammen. In bestimmenden Ländern ist das Trinkgeld Teil des Gehaltes, das einberechnet wird. Es wird somit auch eingefordert. So zahlen 2023 Kunden in den USA oft ein Trinkgeld von bis zu 30% und obendrauf oft noch eine Service-Gebühr. Man spricht schon von "Tipflation". Die Gastronomen sprechen von "Wohlfühl-Gebühr", die der Profitabilität des Geschäfts dient.

Ladendiebstahl: Es gibt klare Determinanten. Je stärker die Lebensmittelpreise steigen, desto mehr wird offenbar in Supermärkten geklaut. Natürlich spielt auch dei Kultur eines Landes eine Rolle. In GB hat der Ladendiebstahl 2023 nie da gewesene Ausmaße angenommen. Allein im Großraul london stiegen die Ladendiebstähle 2023 um 85% gegenüber 22. Die britischen Supermärkte setzen immer neue Strategien dagegen ein.

Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (SVRV): 2023 "Haushaltsmonitoring Energiekrise".

 

Produktion/ Angebot, Kosten, Unternehmen, Produzent (vgl. auch Economics/ special, Mittelstandsökonomik ,vor allem Produktion, Kostenrechnung; hier sind die Überschneidungen zwischen VWL und BWL besonders groß)

Theorie der Unternehmung (Firma): Erklärung dafür, wie ein Unternehmen kostenminimiernde Produktionsentscheidungen trifft und wie seine Kosten mit der Produktion variieren. Vgl. R. S. Pindyck/ Daniel L. Rubinfeld: Mikroökonomie, München u. a. 2005, S. 260. In der digitalen Revolution werden die Grenzen zwischen profitorientierten und gemeinnützigen Unternehmen immer fließender.

Produktionsfunktion: Sie ist die mathematische Beziehung zwischen der Inputmenge (Faktoreinsatz)  und der Outputmenge (Ausbringungsmenge) der Produktion. Die drei bekanntesten sind die Cobb-Douglas-PF. (substitutionale Produktionstechik, vgl. Cobb, C./ Douglas, P.: A Theory of Production, in: AER, 1928), die ertragsgesetzliche PF (Turgot, Thünen; wird nur im Unterricht behandelt!)  als Sonderfall der substitutionalen Produktion, da nur ein Faktor variiert wird, und die Leontief PF mit linear-limitationaler Produktionstechnik. Es ist sehr schwierig, in der Realität Produktionsprozessen Produktionsfunktionen zuzuordnen (Aufgabe von Ingenieuren). "Konsum ist der einzige Sinn und Zweck aller Produktion", Adam Smith.

Produktionsfaktoren: Inputs in den Produktionsprozess. Mindestens sind Arbeit, Kapital und Boden (Rohstoffe, Umwelt) zu nennen. Manchmal wird noch das Humankapital (zwischen Arbeit und Kapital) und der dispositive Faktor (Management) erwähnt.  In der Economics in China wird der Produktionsfaktor "Boden" aufgeteilt in Material Force (Bodenschätze), Freight Force (Infrastruktur), Natural Force (Natur), Time Force (Zeit). Eine solche Präzisierung würde auch der VWL bei uns gut tun. Daneben stehen normal Labor Force und Capital Force.

Neue Produktionsfunktion: Durch Künstliche Intelligenz entsteht einen neue Produktionsfunktion. Der Output als abhängige Variable ist eine Funktion der unabhängigen Variablen Daten, Kapital, Arbeit. KI macht Daten zum dritten Produktionsfaktor. Die Daten sind rückgekoppelt mit Kapital und Arbeit. Der Output hat eine Interdependenz mit Daten, arbeit und Kapital. KI kombiniert Kapital und Arbeit, KI definiert das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit neu. Die industrielle Ordnung (vertikale Wertschöpfungsketten) wird durch die digitale Ordnung ersetzt (hybride Unternehmen mit Kollaboration und Integration). Vgl. Vöpel, Henning: Wie künstliche Intelligenz die Ordnung der Wirtschaft revolutioniert, in: Wirtschaftsdienst 2018/11, S. 828ff.

Allokation: Zuteilung. Ressourcenallokation bedeutet, wie sich die Produktionsfaktoren auf die Produktionen verteilen.

Produktivität: Die Produktivität ergibt sich, indem man die Ausbringungsmenge durch die Einsatzmenge dividiert (auch Output durch Input). Am bekanntesten ist die Arbeitsproduktivität (vgl. Definition und Beschreibung bei Makroökonomik, auch Gesamtproduktivität). Es gibt auch eine Kapitalproduktivität. Am größten war der Produktivitätssprung in der Landwirtschaft. 1950 gab eine Kuh im Durchschnitt 2473 kg Milch im Jahr in Deutschland, 2013 7400 kg. Im Jahre 1950 legte eine Henne im Durchschnitt 120 Eier im Jahr, 2013 292 Eier (Quelle: Deutscher Verband Tiernahrung). Die Erfindung und Verbreitung neuer Pflanzen und landwirtschaftlicher Methoden in den 1960er und 1970er Jahren bezeichnet man auch als "grüne Revolution". Sie führte auch zu einer Steigerung des Outputs in den Entwicklungsländern.

Grenzproduktivitätstheorem von J. H. von Thünen (1783-1850): Der Einsatz eines zusätzlichen Arbeiters ist vorteilhaft, solange der Mehrertrag höher ist als der Lohn: die Produktionsmenge, die sich mit einer Einheit Arbeit herstellen lässt, ist das Grenzprodukt der Arbeit; Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalökonomie, Aalen 1990. Normalerweise liegt ein abnehmendes Grenzprodukt vor, d.h. das Grenzprodukt des Faktors "Arbeit" nimmt bei Konstanthaltung der anderen Faktoren mit steigendem Faktoreinsatz ab (diminishing marginal product). Allgemeiner sagt das Ertragsgesetz (law of diminishing returns): das Grenzprodukt jeder Inputeinheit sinkt, wenn sich die Menge des betreffenden Inputs erhöht, während alle anderen Faktoreinsätze konstant bleiben. Marginale Analysen werden in der VWL mathematisch mit Hilfe der Differentialrechnung umgesetzt. Sie wurde von Gottfried Wilhelm Leibnitz (1646-1716) entdeckt. Er veröffentlichte seine Ergebnisse und auch die bessere Methode vor I. Newton.

Opportunitätskosten (der nicht gewählte Weg): Kosten der entgangenen Nutzung eines Gutes oder Produktionsfaktors (z. B. entgangene Arbeitsleistung bei einem Weiterbildungskurs im Unternehmen). Opportunitätskosten des Kapitals ist die Ertragsrate, die man erlangen könnte, wenn man in ein alternatives Projekt mit ähnlichem Risiko investieren würde. Als Vordenker gilt Friedrich von Wieser (1851-1926). Aus den Opportunitätskosten einer Aktivität schließt man auf den Wert der nächst besten Alternative.

Gesamtkosten: Die Summe der fixen und variablen Kosten. Fixkosten sind die Kosten, die aus festen Inputs resultieren (Gemeinkosten). Die Kosten, die aus variablen Inputs kommen, nennt man variable Kosten. Durch Division der Gesamtkosten durch den Gesamtoutput erhält man die Durchschnittskosten. Die zusätzlichen Kosten, die einer zusätzlich produzierten Outputeinheit entsprechen, heißen Grenzkosten. Im Mittelpunkt aktueller Entwicklungen stehen die Grenzkosten, die in einer Digitalisierung der Wirtschaft bei Commons gegen Null gehen.

Minimalkostenkombination: Dabei sucht das Unternehmen die Produktionsmenge, die mit minimalen Kosten produziert wird. Das ist formal dann der Fall, wenn eine Isokostengerade die Isoquante gerade tangiert.

Versunkene Kosten (sunk costs): Kosten bzw. Ausgaben, die entstanden sind bzw. gemacht wurden und nicht wieder hereingeholt werden können.

Optimale Produktionsmenge: Sie ist dort gegeben, wo der Gewinn durch die Produktionsmenge maximiert wird, bei der der Grenzerlös der letzten produzierten Einheit gerade gleich den Grenzkosten dieser Einheit ist.

Gewinn: Die Differenz von Gesamterlös und Gesamtkosten. "Doch vielen schon hat die Hoffnung auf Gewinn den Tod gebracht", Sophokles, griechischer Tragödiendichter. Vgl. kritisch zum Gewinnbegriff in der neoklassischen Ökonomik: Thielscher, Christian: "Gewinn an und für sich " gibt es nicht, in: FAZ Nr. 68, Montag 22. März 2021, S. 16.

Marge: Gewinn, den das Unternehmen mit jeder verkauften Einheit erzielt.

Break-even-Punkt (Kostendeckungspunkt): Jene Produktionsmenge, bei denen die Gesamtkosten von den Gesamterlösen gedeckt werden. Vg. Mankiw/ Taylor/ Ashwin: Volkswirtschaftslehre für Schule, Studium und Beruf, Stuttgart 2015, S. 498.

Andere Ziele eines Unternehmens: Gewinne müssen erzielt werden, um ein Scheitern zu verhindern und die Produktion aufrecht zu erhalten. Darüber hinaus gibt es weitere Ziele (langfristig). Dazu gehört die Pflege von Marken (Wiedererkennung) und Maßnahmen zur Schonung der Umwelt. Diese Ziele hängen von der Branche und und der Unternehmensorganisation ab.

Verbundvorteile (economies of scope): Der gemeinsame Output einer einzelnen Firma ist größer als der Output, der durch zwei und mehr verschiedene Firmen erreicht werden kann (jedes stellt ein eigenes Produkt her). Es handelt sich um Verbundvorteiel, die sich ergeben, wenn verschiedenartige Güter in einem einzelnen Unternehmen kostengünstiger hergestellt werden können als in mehreren spezialisierten Unternehmen. Das Gegenteil sind Verbundnachteile. Größenvorteile (econmies of scale): Der Output kann in einem bestimmten Ausmaß erhöht werden, ohne die Kosten im gleichen Ausmaß zu erhöhen. Es kann auch Größennachteile geben. Das Gesetz wurde zuerst von Wright in der US-Luftfahrtindustrie 1930 formuliert. Deshalb sprach man am Anfang auch von Wright´ s Law.

Skaleneffekte: Wenn die produzierte Menge steigt, sinken die Kosten pro Einheit. Der Grund: Fixkosten und Gemeinkosten können auf eine größere Zahl von Einheiten aufgeteilt werden. Neuere empirische Forschungen deuten aber darauf hin, dass man nicht grundsätzlich von sinkenden Stückkosten ausgehen kann. Hochgerechnete Skaleneffekte müssen sorgfältig geprüft werden. Kosten und Gewinne steigen in engem Zusammenhang mit steigendem Umsatz an, aber oft ohne marginale Verbesserungen. Es gibt verschiedene Erklärungen dafür: Agency-Kosten, Ressourcenengpässe, zunehmender Wettbewerb in gesättigten Märkten. Vgl. Ertan, Aytekin et al.:  The Long-Run Average Cost Puzzle, Working Paper, Mai 2018.

Informationsgüter: Ein Informationsgut ist ein Gut, bei dem der Wert aus der Information resultiert, die das Gut enthält. Informationsgüter haben eine wachsende Bedeutung für die Volkswirtschaften. Informationsgüter haben geringe Grenzkosten und hohe Fixkosten. Durch die Schaffung temporärer Monopole können Patente und Urheberrechte die Produktion erleichtern. Informationsgüter haben häufig Netzwerk - Externalität.  Der Wert eines Gutes ist für ein Individuum größer, wenn eine große Anzahl anderer Individuen ebenfalls dieses Gut verwendet. Deshalb treten auch häufig positive Rückkopplungseffekte auf. Vgl. Krugman, P./Wells, R.: Volkswirtschaftslehre, Stuttgart 2010, S. 685ff.

Externe Effekte: Wirkungen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, die außerhalb von Marktbeziehungen auftreten und bei denen Verursacher und Betroffener nicht übereinstimmen (Theorie der öffentlichen Güter, Erklärung umweltschädlichen Verhaltens, zusammen mit Free-Rider). Die Internalisierung negativer externer Effekte kann durch Verhandlungen, Grenzwerte (Emissionsstandards, Auflagen), Umweltsteuern und handelbare Emissionsrechte erfolgen. Probleme ergeben sich vor allem durch die Grenzüberschreitung der Effekte. Nach R. Coase lassen sich externe Effekte unter bestimmten Umständen auch ohne staatliche Eingriffe "internalisieren". Externe Kosten ergeben sich etwa auch beim Rauchen. Die Tabaksteuer soll die externen Kosten internalisieren. "Just doing my bit for the environment", (ich trage nur meinen Teil zum Umweltschutz bei).

Free-Rider-Haltung (Schwarzfahrer-Haltung): Das Versagen des Ausschlussprinzips führt zu einem Verhalten, den individuellen Nutzen zu maximieren und die Präferenzen für ein öffentliches Gut zu verbergen. Das Gewissen wird mit der Geringfügigkeit des eigenen Beitrages beruhigt. Das Ausschlussprinzip ermöglicht erst private Güter, für die ein Preis zu zahlen ist. Die Schwarzfahrerhaltung überdeckt oft Bequemlichkeit und Ignoranz gegenüber der Umwelt.

Kurzfristige Situation der Betriebsschließung: Wenn die gesamten Erträge eines Betriebes unter den variablen Kosten liegen, steht es besser da, wenn es sein Geschäft sofort einstellt und nur die fixen Kosten verliert. Beim langfristigen Marktaustritt wird das Unternehmen solange produzieren, wie die Einnahmen über den variablen Kosten liegen. Sie sind geringer als die Gesamtkosten, so dass gewartet werden sollte, bis die langfristigen Verträge (Fixkosten) auslaufen.

Produktionsmöglichkeitskurve: Eine Kurve, die die möglichen Kombinationen zweier Güter zeigt, die mittels feststehender Inputmengen produziert werden können (in vielen Beispielen Panzer und Brot). Sie definiert die Opportunitätskombination für eine ganze Volkswirtschaft, indem sie mögliche Kombinationen von Gütern angibt, die mit einer gegebenen Menge an Inputs (Ressourcen) produziert werden können. Die ganze Volkswirtschaft wird dabei - wie oft in der VWL - auf zwei Güter reduziert. Sie wird auch Transformationskurve genannt.

Kanonen statt Kartoffeln (Butter): Zielkonflikt bei der Produktionsmöglichkeitskurve. In manchen Zeiten und Regionen hat Rüstung Vorrang. So im 1. Weltkrieg oder auch danach. Dieses Beispiel findet sich in vielen Lehrbüchern.

Peer-Produktion: Gemeingutfertigung durch Ebenbürtige. Sie basiert auf dem Bedürfnisprinzip. Die heute schon greifbaren Resultate sind freie Softwareprojekte wie Linux und Firefox oder auch Wikipedia. Die Trennung von Produzent und Konsument ist überwunden. Die Beteiligten produzieren - ohne Hierarchie und Machtstrukturen - in freiwilliger Kooperation. Siehe auch Selbstproduktion.

Selbstproduktion (Selbermachen und Selbstbedienung; meist dient Peer - Produktion als Oberbegriff): Restaurants, Banken oder Flughäfen sowie Konsumgüteranbieter animieren zur Selbstbedienung und Selbstproduktion. Sie nutzen den Effekt, dass sich die Menschen dabei besser fühlen. Automaten geben die Illusion, dass man selbst Sinnvolles erledigen kann und keine Zeit verschwenden muss. In der Produktion gibt es das "tailoring". Man kann sich online ein Produkt selbst zusammenstellen und hat dann das Gefühl etwas einigartiges zu haben. Beziehungen zwischen Menschen werden so durch Automaten ersetzt. Aufmerksamkeit und Höflichkeit sind entbehrlich. Oberflächliche Verbindungen ersetzen die menschliche Kommunikation. Die Frage ist, ob dadurch unser Leben nicht unglücklicher wird. Eine wichtige Frage ist auch, ob Nutzer, wenn sie eine große Eigenleistung vollbringen, nicht bezahlt werden sollten. Besteht eine Möglichkeit, dafür eine Grenze zu bestimmen? Ein interessantes Experiment ist das Scannen von Artikeln, die man im Supermarkt kauft. Damit wird letztendlich das Kassenpersonal eingespart. Der Kunde hat zwei Vorteile: Er achtet mehr auf den Preis. Er kann Schlangen an den Kassen umgehen. Die Frage ist aber, on die Selbstproduktion sich wirklich für den Kunden lohnt? Der Web-Erfinder Tim Berners-Lee will einen Ausweg schaffen mit der Plattform "Solid". Dahinter baut er auch die Firma Inrupt auf. Ziel ist es, dass die Nutzer volle Transparenz und Kontrolle über ihre Daten behalten.

Künstliche Intelligenz (KI) als Produktionsfaktor: Um 16,7% soll die deutsche Wirtschaft durch Einsatz von KI bis 2030 wachsen. KI verändert Geschäftsmodelle und ist Treiber einer neuen industriellen Revolution. KI basiert auf einer Vielzahl von Teildisziplinen. Dazu gehören etwa Textmining, Clustering und maschinelles Sehen.  Die Wertschöpfung wird sich verändern. Einige Beispiele seien genannt: Operative Effizienz, Einkauf, Service, Vertragswesen, Selbstlernende Robotik, Personalisierung, Bilderkennung, Objektwahrnehmung, Betrugsbekämpfung, Materialwirtschaft und Werkstofftechnik. Vgl. O. V.: Künstliche Intelligenz als Produktionsfaktor, in: com! professional 1/2019, S. 22ff.

Null-Grenzkosten-Phänomen: Die Produktion und Verteilung eines Produktes an einen weiteren Nutzer kostet so gut wie nichts. Unter Druck ist besonders die Informationsgüterindustrie mit Datentausch, Musik und Videos. Neuerdings gibt es auch Online - Massenvorlesungen (MOOCs). Das könnte zu einem System kollaborativer Gemeingüter werden (Jeremy Rifkin, vgl. Die Zeit, 4.12.14, Nr. 50, S.23). Im Mittelpunkt steht das "Internet der Dinge", das dreigeteilt ist: Kommunikationsnetz, Energienetz, Transportnetz.

Neue Unternehmen durch KI: KI führt zu hybriden Unternehmen, die Plattformen integrieren. Klassische Produktion (vertikale Wertschöpfungsketten) nimmt ab.

Lieferkette: Die verschiedenen Teilprozesse, Maßnahmen, Organisationen und einzusetzenden Ressourcen, die ein Produkt vom Unternehmen zu einem anderen unternehmen oder zu einem Konsumenten transportieren. Vgl. Mankiw/ Taylor/ Ashwin: Volkswirtschaftslehre, Stuttgart 2015, S. 503.

Produktlebenszyklus: Ein neues Produkt erfährt im Zeitanlauf zuerst eine Wachstumsphase, sodann eine Reifephase und schließlich den Niedergang.

Angebotsschock: Ein einschneidendes Ereignis, das unmittelbar die Kosten und Preise der Unternehmen verändert, so dass sich die aggregierte Angebotskurve der Volkswirtschaft verschiebt. Dazu gehören etwa Ereignisse , die kurzfristig die Ölförderung massiv verändern.

Unternehmenswert: Auch Umverteilung schafft Werte. Auch bei Abflachen des Produktionsanstiegs oder bei geringer Steigerung der Produktivität können die Aktienkurse von Unternehmen steigen.

Entscheidungen im Unternehmen: Es gibt zahlreiche verschiedene Konzepte. Die Klassiker sind folgende: Leibenstein, Harvey; Allocative Efficiency vs. X-Efficiency, in: American Economic Review 56/3, 1966, S. 392-415. Simon, Herbert A.: Models of Thought, 2 Bd. New Haven u. a. 1979. 1978 erhielt er den Wirtschaftsnobelpreis (Konzept der begrenzten Rationalität). Ronald Coase: The Problem of Social Cost, in: Journal of Law and Economics, 3/1, 1960, S. 1-44  (angeblich meistzitiert in den Wirtschaftswissenschaften). The nature of the firm, in: Economica, Vol.4, No. 16 (1937), S. 386-405;  The Firm, the Market and the Law, Chicago 1990. Von der Wirkung her zählt Coase sicher zu den größten Ökonomen des letzten Jahrhunderts.

Kosten für eine Flasche Wein: Weinberg 4,11€; Ausbau im Keller 1,26€; Flasche und Transport 2,10; Händlermarge 12; Vertrieb und Marketing 3,10; Mehrwertsteuer 4,79; Gewinn des Winzers 2,63. Der Händler kriegt den größten Anteil.  Quelle: Weinimporteur "Wein am Limit".

 

Markt/ Wettbewerb (Verkäufer und Anreize; Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage; Effizienz; die Rolle der Märkte; spezielle, wichtige Märkte; wichtigste Lernelemente für Marketing-Studenten; neuer Begriff: "Marktbegleiter")

Vom Unternehmen zum Markt: 1. Unternehmenseintritt ("Entry"). 2. Unternehmensaustritt ("Exit"). 3. Nullgewinne in der langen Frist. 4. Ökonomischer Gewinn versus Buchgewinn. 5. Langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht. Vgl. Acemoglu, D.: Volkswirtschaftslehre, München 2020, S. 206ff.

Markt: Ansammlung von Käufern und Verkäufern, die durch tatsächliche und potentielle Interaktionen den Preis eines Produktes bestimmen. Es ist der ökonomische Ort des Tausches. Wenn kein einzelner Käufer oder Verkäufer über bedeutenden Einfluss auf den Preis verfügt, spricht man von einem Wettbewerbsmarkt. Vgl. R. S. Pindyck/ Daniel L. Rubinfeld: Mikroökonomie, München u. a. 2005, S. 30f. In der digitalen Ökonomie wandern immer mehr Teile des Wirtschaftslebens von den Märkten ab. Konsumenten sind zugleich Produzenten ("Prosumenten").  Märkte bilden sich relativ schnell dort, wo viele Menschen zusammenleben. So könnte man z. B. das jordanische Flüchtlingslager Saatari als ökonomisches Markt-Experiment betrachten. Die Rollen in dieser Ökonomie sind leicht zu erkennen.

Marktformen: Nach der Zahl der Anbieter und Nachfrager können Marktformen gebildet werden (Schema von von Stackelberg). Nach der Einteilung einer, wenige, viele auf beiden Seiten ergeben sich neun Felder. Es sind auch weitere Differenzierungen möglich. Vgl. die Gruppen weiter unten. "Das Bewusstsein für Wettbewerb und Marktwirtschaft als Grundlage unseres heutigen Lebensstandards geht in Deutschland verloren", Daniel Zimmer, Chef der Monopolkommission.

Marktsystematik:  Märkte können sachlich, zeitlich und räumlich differenziert werden. Es kann auch die qualitative Beschaffenheit (vollkommen, unvollkommen; ohne und mit Marktzutritt) und die quantitative Beschaffenheit (Zahl der Marktteilnehmer) untersucht werden. Wichtig sind auch die Verhaltensweisen der Marktteilnehmer.

Marktgleichgewicht: Es stellt sich bei dem Preis ein, zu dem die angebotene und die nachgefragte Menge gleich sind. Zu einem anderen Preis besteht entweder eine Überschussnachfrage oder ein Überschussangebot. Als erster beschäftigte sich Leon Walras (1834 - 1910) ausführlich mit dem Konzept. Er war Franzose und war später Professor in Lausanne (Schweiz).

Pareto - Optimum (effizient ist nicht immer fair): Es wird beurteilt, ob sich die Verteilung von Ressourcen im Optimum befindet oder nicht. Dei Idee stammt von Winfredo Pareto 1906. Eine Verteilung zwischen mindestens zwei Parteien ist paretoeffizient, wenn es nicht möglich ist, eine von ihnen besser zu stellen, ohne gleichzeitig eine andere schlechter zu stellen. Dabei geht es nicht darum, ob die Zuteilung gleich oder gerecht ist.

Anreize: Man tauscht nur, wenn man die Vorteile aus dem Tausch selbst genießen kann und die Vorteile aus dem Tausch die Mühen der Produktion überwiegen. Im volkswirtschaftlichen Kontext bestehen diese Anreize aus Nutzen oder reduzierten Kosten. Sie motivieren einen Entscheider zu einer bestimmten Auswahl. "Ökonomie ist im Kern eine Untersuchung über die Wirkung von Anreizen", Levitt/Dubner

Märkte als Diffusion von Verantwortung: Märkte sind totale Diffusion. Sie generieren soziale Informationen und informieren über die Gültigkeit sozialer Normen. Aber es entsteht eine marktimmanente Distanzierung und Delegation von Moral. Sie können die Moral untergraben. Lange Lieferketten führen zu einer geografischen und psychologischen Distanzierung. Deshalb können märkte auch nicht das Klima retten. Vgl. Falk, Armin: Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein, München 2022, S. 179ff.

Suche (Search): Der Prozess, bei dem Konsumenten Informationen über das, was am Markt verfügbar ist, suchen. Dazu gehören auch die Preise von Gütern oder bei Arbeitnehmern Informationen über verfügbare Jobs und deren Gehälter (Suchtheorie). Vgl. Stiglitz/ Walsh: Mikroökonomie, Bd. I zur VWL, München 2010, S. 556.

Marktversagen: Situation, in der ein unregulierter Markt ineffizient ist, weil die Preise nicht die "richtigen" Signale an Konsumenten und Produzenten senden (Ursachen unter anderem: externe Effekte, free rider, kein freier Zugang, öffentliche Güter, ungleiche Vermögensverteilung). Ein gutes Lehrbeispiel ist der Altkleidermarkt. Hier wirken alle Effekte zusammen: Öffentliche Güter (Gemeinden, Wohltätigkeitsorganisationen), externe Effekte (Verfallen der Textilindustrie in EL, neue Orientierung), Marktmacht (Monopol der Städte), asymmetrische Information. Können private Parteien mit externen Effekten (z. B. Umweltverschmutzung) nicht hinreichend umgehen (Begründung spieltheoretisch!), tritt die Regierung mit bestimmten Vorkehrungen ein. Ein Sonderfall des Markversagens ist das moralische Wagnis: Das Bestehen einer Versicherung gegen ein Risiko erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Risikofall eintreten wird, weil die versicherten Wirtschaftssubjekte aufgrund der Versicherung allzu sorglos werden (vgl. Miles/ Scott/ Breedon: Makroökonomie, Weinheim 2014, S. 660). "Wenn der Markt vollkommen frei ist, haben die Akteure nicht nur die Freiheit der Wahl, sondern auch die Freiheit zum Betrug", George A. Akerlof, US-Wirtschaftsnobelpreisträger.

Spekulationsblasen: Eine Zeit, in der der Markt verrückt spielt. Finanzblasen entstehen unter anderem , wenn es einen Ansturm auf die Aktien einer Firma gibt. Der Markt läuft heiß. Die Blase platzt und die Kurse fallen dramatisch. Historische Beispiele sind das Tulpenfieber 1635 in Holland, die Südseeblase 1720, die Dotcom - Blase zwischen 2000 und 2002. Blasen haben ihre tiefere Ursache in der Herdenmentalität.

Öffentliche Güter: Güter und Dienstleistungen, die von Privatfirmen nicht bereitgestellt werden. Sie wurden von David Hume entdeckt (1711-1776). Sein Beispiel ist die Straßenbeleuchtung. Vgl. auch Finanzpolitik bei Makroökonomik und Umweltökonomik. Die Abgrenzung der Güterarten kann in einer Matrix erfolgen, die von den beiden Kopfspalten Rivalität im Konsum ja/nein und Ausschlussprinzip ja/nein gebildet wird. Private Güter liegen vor, wenn auf beiden Ebenen ja steht (Autos u. a.). Monopolgüter entstehen, wenn Ausschlussprinzip ja und Rivalität nein (Clubgüter, Bildung). Gesellschaftliche Ressourcen gibt es bei Rivalität ja und Ausschlussprinzip nein (Umwelt, Fische im Meer). Öffentliche Güter sind bei nein/nein (nationale Verteidigung, Leuchtturm). Es gilt also Nicht - Ausschließbarkeit vom Konsum und Nichtrivalität im Konsum. Bei öffentlichen Gütern tritt häufig der Free - Rider - Effekt (Schwarzfahrereffekt) auf: Der eigene Beitrag wird so gering eingestuft, dass man ihn lässt.

Knappes Gut: Knappe Güter können nicht von jedem Wirtschaftssubjekt in beliebiger Menge konsumiert werden. Sie sind nicht in unbegrenztem Umfang vorhanden bzw. ihre Herstellung erfordert den Einsatz von Produktionsfaktoren. Vgl. Hubert: VWL für BWLer, Herne 2019 (2. Auflage), S. 329.

Privates Gut: Gut, für das eine individuelle Nachfrage existiert. Es wird von Unternehmen hergestellt und gegen Zahlung des Preises verkauft. Wer nicht bezahlt, ist von der Nutzung privater Güter ausgeschlossen.

Free Rider (Trittbrettfahrer: Ein Konsument oder Produzent, der für ein nicht nicht - ausschließbares Gut  nichts bezahlt in der Hoffnung, dass andere dafür bezahlen.

Externe Effekte: Sie entstehen, wenn eine Wirtschaftseinheit die Nutzen- oder Gewinnfunktion einer anderen Wirtschaftseinheit beeinflusst, ohne dass zwischen den Wirtschaftseinheiten eine marktbezogene oder sonstige Vertragsbeziehung besteht. Sie können psychologisch oder technologisch wirken. Negative externe Effekte verursachen externe Kosten (oft soziale Kosten, Beispiel Fluglärm). Positive externe Effekte bringen etwa Kondome und das Impfen. Aber auch Honigbienen, die Pflanzen auf einem Bauernhof bestäuben, sind ein gutes Beispiel.  2019 gibt es in Deutschland eine Diskussion um die Impfpflicht gegen Masern. Die Diskussion wird aber weltweit geführt. Muss man Vernunft verordnen? Dagegen spricht, dass Impfen Nebenwirkungen haben kann.

Hypothese effizienter Märkte: Sie behauptet und erklärt, dass in die Aktienkurse sämtliche Informationen über die zukünftigen Aktienkurse und Dividenden eingespeist sind. Es ist fast unmöglich, Aktienkurse kursfristig vorherzusagen. Die Kurse reagieren auf neue Informationen augenblicklich. Die Hypothese geht auf Eugene Fama (geb. 1939) zurück. Er erhielt 2013 dafür den Nobelpreis.

Dogma vom effizienten Markt (Kann der Privatsektor alles besser?): Auf der ganzen Welt hat man vormals öffentliche Aufgaben privatisiert. Manchmal wurde das auch erzwungen, wenn Staaten auf Kredite angewiesen waren (z. B. vom IWF). Das hat für den Bürger auch viele Nachteile. Die zeigen sich bei der Post (ohne Pensionslasten, schlechter Service), im Gesundheitsbereich (überlastete Ärzte) und bei den Kommunen. Vgl. Welt der Wirtschaft, hr info, 2016, S. 220ff. Deshalb fordern mittlerweile immer mehr Ökonomen einen "demokratiekonformen Markt". Der Marktradikalismus solle in die Schranken gewiesen werden (Grenzen sind Umweltzerstörung, soziale Kluft und globaler Raubtierkapitalismus). Vor allem im Hinblick auf die Einkommensverteilung und die soziale Gerechtigkeit wird diese Forderung erhoben.

Marktdesign: Organisation sozialer Märkte, auf denen es keine Preise gibt. Man spricht auch von Matching - Märkten. Konkret geht es um die Zuteilung von Kita - Plätzen oder die Verteilung von Lebensmittelspenden. Man arbeitet mit Algorithmen (Gale-Shapley). Die wahren Präferenzen, die vorher offenbart werden müssen mit Kriterien, werden zusammengeführt.

Wahrheit und Vertrauen: Koordination zwischen Einzelnen findet typischerweise auf Märkten durch das Aushandeln von Preisen statt. Doch sogar wo Kommunikation zwischen Beteiligten möglich ist, gibt es Fehler in der Interaktion. Die Koordination kann verbessert werden, wenn Teilnehmende an Spiel-Experimenten sich durch einen Eid zur Wahrheit verpflichten, bevor sie ins Labor gehen. Die Aussagen werden vertrauenswürdiger, die Entscheidungen werden effizienter. Dahinter steckt die sozialpsychologische Theorie der Verpflichtung. Dieses Spiel-Experiment geht auf Robert W. Rosenthal und Reinhard Selten zurück. Vgl. Stephane Luchini: Menschen auf Märkten. Können wir uns besser koordinieren, wenn wir die Wahrheit sagen? in: WZB Mitteilungen, Heft 159, März 2018, S. 38ff.

Moral Hazard: (Moralische Wagnisse): Möglichkeit unehrlichen Verhaltens in Situationen, in denen das Verhalten nur unvollkommen kontrolliert wird.  "Der Großteil der Ökonomie kann in vier Worten zusammengefasst werden: Menschen reagieren auf Anreize. Der Rest ist Kommentar", Steven Landsberg, US-Ökonom. Moral Hazard gibt es auch in vielen Bereichen, z. B. im Umweltsektor und auf den Finanzmärkten: die Notenbanken können nicht suggerieren, dass sie nicht eingreifen. Also planen die Akteure dies ein, vgl. F. S. Mishkin: Housing and the Monetary Transmission Mechanism, Fed, Series, 40/ August 2007. Entscheidend für Moral Hazard ist nach jüngsten Forschungsergebnissen (Torgler, Levitt) das soziale Umfeld. auch die Angst vor Überführung (Kontrolle) hat einen Einfluss.

The law of one price (auch "law of indifference in the domestic economy", von Jevons): If two goods are identical, they must sell for the same price. Dieses Gesetz von der Unterschiedslosigkeit des Preises gilt auch auf dem Weltmarkt, also in der Außenwirtschaft: Die Arbitrage im Raum führt dazu, dass solange es Preisdifferentiale gibt, diese ausgenutzt werden (vgl. Siebert, Horst: Weltwirtschaft, Stuttgart 1997, S. 26). Die Grenze dieses Gesetzes wird durch den Balassa-Samuelson-Effekt aufgezeigt: Die Produktivitätsunterschiede zwischen Ländern in den Sektoren handelbarer und nicht-handelbarer Güter sind die Ursache für die Persistenz von Preisunterschieden. Vgl. Brunner/ Kehrle, Volkswirtschaftslehre, München 2009, S.669.

Coase - Theorem:  Die Nutzung des Markt- bzw. Preismechanismus kostet Geld (sobald Transaktionskosten eine Rolle spielen, kommt es auf die institutionelle Einbindung an). Transaktionskosten sind Such-, Informations-, Kontroll- und Durchsetzungskosten; Ronald H. Coase: The Firm, the Market and the Law, Chicago 1990. Auch die reinen Kosten einer Preisänderung, die man Menu costs (Speisekartenkosten) nennt, gehören dazu. Coase erklärt auch Unternehmen: ein Unternehmen werde das Ausmaß der Arbeitsteilung solange in der eigenen Organisation bewältigen wie die Such- und die Vertragskosten größer sind als die Kosten für die Aufrecherhaltung der Organisation (The nature of the firm, in: Economica, Vol.4, No. 16 (1937), S. 386-405). Transaktionskosten spielen heute auch eine zentrale Rolle, wenn es um die Entscheidung zwischen öffentlicher und privater Leistungserstellung geht. Wichtig ist auch der Aufsatz von Coase über Soziale Kosten: The Problem of Social Cost, 1960. Externe Effekte, also Folgen einer Aktivität, die andere tragen müssen, lassen sich unter bestimmten Umständen ohne staatlichen Eingriffe "internalisieren". R. Coase lehrte zuletzt in Chicago; er starb 2013 mit 102 Jahren. Kurz vor seinem Tod veröffentlichte er noch ein Buch über China, das allerdings nicht auf dem Laufenden ist.

Schweinezyklus (A. Hanau, 1902-1985): auf etwa zwei Jahre hohe Schweinepreise und niedrigem Angebot folgen ca. zwei Jahre hohe Schweinepreise und hohes Angebot (Ursache sind die Gewinnerwartungen der Produzenten und die Zeit: Angebot kann nicht sofort auf die Preise reagieren wegen der Aufzucht). Kern ist also, dass sich das Angebot verzögert an schwankende Nachfrage anpasst. Der Begriff wird auf andere Phänomene übertragen. Auch Cobweb-Theorem (Spinnennetz) genannt. Es bezeichnet den wechselseitigen Anpassungsprozess von Preis und Menge auf einem Markt, der aufgrund der verzögerten Anpassung des Angebots entsteht. Wurde zuletzt bei den Preisen von Schweinen vor allem in China beobachtet. Ca. 58 Mio. Schweine werden jährlich in Deutschland verarbeitet. Die deutsche Fleischindustrie ist so effizient, dass sie die ganze Welt beliefern könnte. 28 Mio. Schweine werden in Deutschland gehalten. 2011 wurden 1574 Mio. US-Dollar durch den Export von Schweinen aus Deutschland erzielt. Der Grundgedanke des Theorems wird auch auf Lehrer angewandt. 2012 gab es einen Lehrermangel in Deutschland (-2290). 2020 soll der Lehrerüberschuss bei 10.500 liegen (Schätzungen für alle Lehrämter, Kultusministerkonferenz). Mittel- und langfristig könnte ein Schweinezyklus beim Öl drohen. Sinkende Preise sorgen für zurückgehende Investitionen, die zu geringerer Produktion führen. 2018 gibt die Kultusministerkonferenz einen Lehrermangel für die nächsten Jahre bekannt: 31.200 Stellen ist der Bedarf jedes Jahr, 700 Stellen können jährlich nicht besetzt werden. Im September 2020 gelangt die Scweinepest von Polen nach Deutschland (Brandenburg). Das ist eine Tierseuche, die nur Schweinen schadet. Es droht ein Exportverbot für deutsche Schweine (Südkorea fängt an).

Gesetz der unsichtbaren Hand von Adam Smith (1723-1790): Der Markt lenkt wie eine unsichtbare Hand die Handlungen der Menschen (An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 1776, auch: "...It is not from the benevolenz of...the baker that we expect our dinner, but from their regard to their own interest..."). Also trage das eigennützige Streben der Menschen zum Wohl der gesamten Gesellschaft bei. Smith war Moralphilosoph: primär  ging es ihm um die These, dass der, der sein eigenes Interesse verfolgt, häufig nachhaltiger das Wohl der Gesellschaft fördert als der, der es ausdrücklich beabsichtigt. Keine Idee ist in der Ökonomie wohl häufiger missbraucht worden. Schon 1939 hat der Ökonom Alexander Rüstow darauf hingewiesen: Der Aberglaube an an den gemeinwohldienstlichen Automatismus des Marktes verhindere die notwendigen gesellschaftlichen Bedingungen des Wirtschaftslebens. Smith gilt als Vater der Volkswirtschaftslehre.  "Ökonomen sind bewaffnet und gefährlich - achten Sie auf die unsichtbare Hand", N. N.. "It is not from the benevolence of the baker that you receive your bread", Adam Smith 1776 (An inquiry into the nature and causes of the wealth of nations, s. u.). Der Bäcker produziert Brot, weil es unter den Bedingungen des wettbewerblichen Marktes  ("invisible hand") in seinem eigenen Interesse liegt. Die Verfolgung seines eigenen Interesses bringt unbeabsichtigt für die Gesellschaft als ganzes eine Steigerung ihres Wohlstands mit sich.

Pareto - Optimum: Alle Handlungen wirken Wohlfahrt erhöhend, bei denen zumindest ein Wirtschaftssubjekt besser-, niemand aber schlechter gestellt wird; Vilfredo Pareto (1848-1923): Traite de sociologie generale, Paris 1917.

Produzenten- und Konsumentenrente:  Hilfsmittel, um die Folgen wirtschaftspolitischer Maßnahmen für Konsumenten und Produzenten untersuchen zu können. Sie zeigen die Wohlfahrtsgewinne welche Produzenten bzw. Konsumenten dadurch erzielen, dass sie an dem Markt tauschen. Besonders eindrucksvoll lässt sich dies an den Auswirkungen der Einführung eines Zolles demonstrieren.  Vgl. sehr anschaulich: Beck, Hanno: Volkswirtschaftslehre, München 2012, S. 61ff.

Externalität (externer Effekt): Handlung eines Konsumenten oder Produzenten, die andere beeinflusst, aber im Marktpreis nicht berücksichtigt ist. Es gibt positive und negative externe Effekte. In der Praxis überwiegen die negativen Beispiele. Als positive Beispiele werden Impfung (siehe Masernbeispiel in Berlin 2015) und Kondome genannt.

Bedingung von "veil of ignorance" ("Schleier des Unwissens", John B. Rawls, 1921-2002, A Theory of Justice, New Haven 1971): Modell eines fiktiven Urzustandes als Grundlage eines Gedankenexperiments über Gerechtigkeit. Seine Theorie der sozialen Gerechtigkeit entwickelt er mit einer Theorie des Gesellschaftsvertrages, von der er Grundsätze ableitete, die die Ideen von Freiheit, Gleichheit und wirtschaftlicher Effizienz verbinden. Die faire Umverteilung endet dort, wo die individuelle Freiheit beschnitten wird. J. Habermas entnahm hier wohl sein Diskurs-Modell. "Der Staat darf nur wegnehmen, was den am schlechtesten Gestellten zugute kommt", John Rawls.

Polypol (polypolistische Strukturen): Marktform mit vielen Anbietern und vielen Nachfragern. Kriterium ist die Häufigkeit. Keiner der Marktteilnehmer hat Einfluss auf den Preis (Mengenanpasser bzw. Preisnehmer). Bei entsprechender Abgrenzung gehören dazu Amazon und eBay. Aber auch Agrarmärkte (Weizenmarkt in den USA) oder der Aktienhandel an der Börse können Beispiele sein. Unterteilt man die Marktformen allein nach der Häufigkeit ist das Schema des Ökonomen von Stackelberg am bekanntesten. Vgl. Vogl/ Lorberg: Volkswirtschaftslehre: Grundlagen und Mikroökonomie, Herne 2015, S. 25. Heinrich Freiherr von Stackelberg (1905-1946) war ein sehr bekannter deutscher Ökonom. Er habilitierte an der Uni Köln. Er starb an Kriegsverletzungen. Buch: The Theory of Market Economy. Darin entwickelt er eine Marketingtheorie und eine neue Kostentheorie. Er beschäftigt sich auch mit Verbundeffekten. Stackelberg hätte ein überragender  deutscher Ökonom werden können, wenn er länger gelebt hätte. Am berühmtesten ist heute noch seine Markt-Typologie.

Vollständige Konkurrenz: Polypol auf einem vollkommenen Markt. Bedingungen für einen vollkommenen Markt sind: Homogenität, vollkommene Transparenz, freier Marktzugang, keine Präferenzen persönlicher, örtlicher oder zeitlicher Art.

Oligopol: Marktformen in der Realität: "Friedhofsruhe": charakterisiert die Preispolitik im Oligopol (Preisstarrheit), die am besten spieltheoretisch erklärt werden kann. Eine stillschweigende Preisabsprache unter Firmen wird Kollusion genannt. Das Oligopol ist eine Branche mit wenigen Anbietern (zwischen 2 und 15). Dies ist etwa bei Energieversorgern der Fall. Multinationale Unternehmen sind auf dem Weltmarkt in der Regel in dieser Marktsituation. Hier kann leicht die Situation der Marktbeherrschung entstehen. Beispielsweise sind folgende Branchen betroffen: Transportbeton, Telekommunikationsnetze, Fernsehwerbung, Kalksandstein. Die Kaffeeanbieter bilden weltweit ein Oligopol: Starbucks, Reimann, Nestle teilen sich den Markt nahezu auf.  Zusammen mit dem Monopol (ein Anbieter mit großer Marktmacht, beliebt ist hier Preisdiskriminierung, also Berechnung unterschiedlicher Preise bei unterschiedlichen Kunden für ähnliche Güter, Gleichgewicht im Cournot-Punkt, oft auch staatlich wie das Glücksspiel) und der monopolistischen Konkurrenz (vollständige Konkurrenz mit heterogenen Gütern) handelt es sich um die wichtigsten Marktformen in der Realität. Vgl. Dixit, A./ Stiglitz, J.: Monopolistic Competition and Optimum Product Diversity, in: AER, 1977. Wenn ein Unternehmen einen gesamten Markt allein zu niedrigeren Kosten versorgen kann als dies mehrere Unternehmen zusammen können, spricht man von einem natürlichen Monopol. Marktsituationen mit nur einem Käufer heißen Monopson. Häufig kommt dies am Arbeitsmarkt vor. Monopol und Monopson werden auch "Thin market" genannt. "Deutschland hat im Zeitalter der Globalisierung und angesichts der Konkurrenz durch Länder wie China und Indien nur mit einer liberalen Wirtschaftsordnung eine Chance", K. O. Pöhl, ehemaliger Bundesbankpräsident und Privatbankier, gestorben 2014.

Cournot-Nash-Duopol: Hierbei entscheiden beide Spieler gleichzeitig. Beide Anbieter entscheiden simultan über die jeweiligen Angebotsmengen. Die Lösung ergibt sich im Schnittpunkt zweier Reaktionsfunktionen (beste Antwort bei einer gegebnen Strategie des anderen Anbieters).

Oligopolverhalten und Spieltheorie: Typisch für Oligopolisten ist strategisches Verhalten. Man bezieht bei seiner eigenen Entscheidung schon das zukünftige Verhalten des Konkurrenten mit ein. Für solche Problemsituationen sind Mathematik und Geometrie schlechter geeignet. Also wendet man die Methode der Spieltheorie an. Hier sind die Auszahlungen der Spieler miteinander verflochten. Jeder versucht, die Welt mit den Augen des Gegners zu sehen und die Anreize des Gegners zu verstehen.  Vgl. auch Spieltheorie auf der Site "method. Gefangenen-Dilemma".

Oligopole mit homogenen oder differenzierten Produkten: Beispiele für Oligopole mit homogenen Produkten sind Öl und Zement. Oligopole mit differenzierten Produkten sind etwa Zigaretten und Autos. Die Gewinne der Unternehmen werden höher sein, wenn es wenige Unternehmen in der Branche gibt, wenn die Güter differenziert sind und wenn eine Kollusion (Absprache) nachhaltig ist. Vgl. Acemoglu, Daron u. a. : Volkswirtschaftslehre, München 2020, S. 502.

Monopolistische Konkurrenz: Vollständige Konkurrenz mit heterogenen Gütern. Die Unternehmen können frei eintreten auf den Markt. Sie können jeweils ihre eigene Marke eines differenzierten Produkts herstellen. Ich bespreche diese Marktversion mit der doppelt - geknickten Nachfragekurve ("Kinkey Demand Curve"). Wird die Annahme der Güterhomogenität aufgegeben, erhält man die Monopolistische Konkurrenz: die Unternehmen können frei eintreten und jeweils ihre eigene Marke oder Version eines differenzierten Produktes herstellen (doppelt geknickte Nachfragekurve; Kinkey Demand Curve). Sie geht auf die "Theory of Monopolistic Competition" von Eduard Chamberlain, 1933, zurück. Es war das erste Konzept der Produktdifferenzierung. "Der Wettbewerb ist in erster Linie ein Entmachtungsinstrument. In einer Wettbewerbswirtschaft ist jeder von allen, aber keiner von einem bestimmten anderen abhängig", Franz Böhm, 1895-1977, Mitbegründer der "Freiburger Schule" und "Vater" des GWB. Originalquelle: Chamberlin, Edward Hastings: The Theory of Monopolistic Competition, Re-orientation of the Theory of Value, Cambridge, Harvard 1933. Chamberlin wurde 1899 geboren und starb 1967. Er war Professor an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Harvard. Vgl. auch: Robinson, Joan Violet: The Economics of Imperfect Competition, London 1933. Stiglitz, J. E. : Monopolistic Competition and Optimum Product Diversity, in: American Economic Review 67/ 3 1977, S. 297 - 308.

Monopol: Ein Markt, auf dem es nur ein Unternehmen gibt. Die Ursachen sind staatliche Regulierung, Patente. Monopole führen manchmal zu geringeren Produktionsleistungen, die teuer verkauft werden. Es beliebte Preisstrategie ist die Preisdifferenzierung. Der Vorteil von Monopolen liegt in ihrer hohen Forschungsleistung. Sie können auch andere Wohlfahrtseffekte haben. Die Preise werden oft künstlich niedrig gehalten, um latente Konkurrenz abzuhalten. Im Ideal wird das Monopol mit dem Cournot´schen Modell erklärt. Als Vordenker gelten Aristoteles (330 v. Chr. Die Politik) und John Stuart Mill (1806-1873). Cournot, Marshall und Baumol entwickeln Modelle. Besondere Monopolprobleme gibt es mit den US-Hightechunternehmen der IT-Branche. Besonders die vier größten der Welt nach Marktkapitalisierung dehnen ihre Macht immer weiter aus: Apple (626 Mrd. $ 2014), Microsoft (372,3), Google (338,3) und Facebook (208,2). Monopole im öffentlichen Bereich, die früher häufig vorkamen, sind wieder im Kommen. Zu beachten sind insbesondere die kommunalen Monopole in der Hausmüllentsorgung. Joseph E. Stiglitz spricht 2016 von einer neuen Ära der Monopole. Global nimmt die Marktkonzentration in der Tat rapide zu.

Antoine Augustin Cournot (1801 - 1877): Er studierte Mathematik und arbeitete später als Privatlehrer. Er wurde dann Universitätsdozent. Er zeichnete als erster eine Kurve, die den Zusammenhang zwischen Nachfrage und Preis darstellte. Der Cournot` sche Punkt ist nach ihm benannt: das Gewinnmaximum im Monopol. Es soll die häufigste Prüfungsfrage sein (Behauptung, die nie bewiesen wurde). Vgl. Cournot, Antoine Augustin: Recherches sur les principes mathematiques de la theorie des richesses, Paris 1838.

Cournotscher Punkt: Dies ist die gewinnmaximale Preis-Mengenkombination eines Monopolisten.  Man erhält sie über das Gleichsetzen von Grenzerlösen und Grenzkosten. Der Punkt liegt auf der Nachfragefunktion.

Netzwerkeffekte digitaler Monopole (Nutzer ziehen Nutzer an): Daraus resultiert die Monopolstellung. Das ist auch vom Kunden ausdrücklich erwünscht. Je mehr Kunden ein Internetportal hat, desto besser ist meist die Qualität (Beispiel Suchmaschine von Google). Portale, die kaum Kunden haben, will der Konsument nicht. Mit der Zahl der Nutzer steigen auch die Werbemöglichkeit und die Einnahmen. Diese Monopole sind allerdings auch latent instabil, weil die Technik rapide voran geht. Die geringere Kapitalintensität erhöht die Angreifbarkeit. Andererseits erlaubt die Marktdominanz immer höhere Gewinne (vgl. Uni Harvard: The Fall of the Labor Share and the Rise of Superstar Firms, 2017). Es steigt auch die Intransparenz (die Firmen hüten ihre Big Data wie Augäpfel).

Indirekte Netzwerkeffekte (Nutzer steigern Qualität): Ein expandierendes Netzwerk kann indirekt Vorteile für sich selbst generieren. Dieser Effekt tritt häufig bei Informationsgütern auf. Die steigende Nachfrage nach einem Produkt oder einer Dienstleistung veranlasst den Anbieter, sein Angebot attraktive rzu machen (um den Marktanteil und seine Preismacht zu erhöhen), was den bestehenden Verbrauchern zugute kommt.

Lerners Maß der Monopolmacht: Maß der Monopolmacht, das sich aus der Differenz zwischen Preis und Grenzkosten im Verhältnis zum Preis ergibt. Vgl. Lerner, Abba Ptachya: The Economics of Control. Principles of Welfare Economics, New York 1944.

Staatsmonopole: Waren in früheren Zeiten von großer Bedeutung und eine wichtige Finanzierungsquelle. Berühmt sind das Branntweinmonopol und das Zündholmonopol. Am berühmtesten ist der schwedische Industrielle Ivar Kreuzer. Er hatte in über 30 Ländern Zündholz-Monopole (Welt-Hölzer) erworben. Sein Selbstmord schockiert 1932 die Welt. Er hatte alle betrogen. Gegen den Erwerb der Monopole gab er Kredite. Er hatte die Schachtelkonstruktion erfunden. Etwa 400 Firmen gehörten zu seiner internationalen Beteiligung. Durch Vertuschung war die Finanzierung intransparent.

Monopole bei Zulieferern der Pharmaindustrie: Medikamentenkonzerne sind gefährlich abhängig von einzelnen Zulieferern. Das führt zu Lieferengpässen und überhöhten Preisen. Für viele wirkstoffe gibt es weltweit nur noch ein oder zwei Hersteller. Das birgt große Gefahren.

Rückkehr der Monopole in Deutschland: Einst gab es Staatsmonopole. Dann wurde durch Privatisierung der Wettbewerb eingeführt. Heute kehren Monopole bei Luftfahrt, Bahn und Fernbus zurück.

Fusion: Zusammenschluss von zwei oder mehr Unternehmen. International ist es die höchste Form einer Direktinvestition. 2017 tauchen Gerüchte auf über einen Zusammenschluss von Lufthansa und Air Berlin (bzw. mit der arabischen Fluggesellschaft Etihad).

Hyperkompetitiver Wettbewerb: In einer immer turbulenter werdenden Umwelt gibt es kaum noch langfristige und nachhaltige Wettbewerbsvorteile. Daher wird es für Unternehmen immer wichtiger, kurzfristige Wettbewerbsvorteile zu generieren. Diese Konzeption ist im strategischen Management angesiedelt. Schöpfer und bekanntester Vertreter ist D`Aveni, R. A. (Hyperwettbewerb Strategien für die neue Dynamik der Märkte, Frankfurt, New York 1995). Diese Form gibt es nicht nur im Hightech-Sektor und nicht nur in den USA. Als bekanntestes Beispiel gilt Samsung, das nahezu alle Erfolgeigenschaften aufweist (Vgl. Das Konzept des hyperaktiven Wettbewerbs. Marktführerschaft von Samsung Electronics, in: WiSt, H. 5, 2015, S. 232ff.).

Zugangsbeschränkungspraktiken: Handlungen von dominierenden Unternehmen, um den Zugang von Wettbewerbern auf den jeweiligen Markt zu verhindern.

Auswirkungen eines begrenzten Wettbewerbs: Die erste ist die Produktionsmenge angesichts der Konkurrenz. Wenn zwei Firmen das Gleiche produzieren, wissen sie, dass der Ausstoß des anderen den eigenen Profit beeinflusst. Also sollte man den optimalen Ausstoß wählen. Das Cournot-Gleichgewicht beschreibt dies als Schnittpunkt zweier Reaktionskurven. Die geringe Anzahl von Firmen wirkt sich auch auf den Preis aus. Der Preis steigt; mehr Wettbewerb drückt die Preise. Dies entdeckten Cournot und Mill. Vgl. Mill, John Stewart: Principles of Political Economy, London 1848.

Funktionen des Wettbewerbs: Steuerungsfunktion (Koordinierung), Allokationsfunktion, Innovations- und Anpassungsfunktion, Verteilungsfunktion, Kontrollfunktion (Freiheitsfunktion).

Dorfman-Steiner-Bedingung: Bedingung für einen gewinnmaximalen Marketing-Mix. Es geht um die optimale Abstimmung von Preis- und Werbestrategie.

Camouflage-Syndrom: Strategisches Verhalten in Wettbewerbssituationen.: Viele verhalten sich so lange ruhig, bis der Gegner schwächelt und die Durchsetzung der eigenen Position realistisch erscheint.

Vollständiger Wettbewerb ("perfect competition"): Wettbewerbssituation, in der alle Güter und Dienstleistungen einen Preis haben, auf Märkten gehandelt werden und in der kein Marktteilnehmer den Marktpreis beeinflussen kann. Als reale Beispiele werden Börsen genannt, die sich weitgehend dem Ideal annähern. Vollkommene Märkte haben Homogenität der Güter, keine Präferenzen, vollständige Markttransparenz und Offenheit. "Märkte können länger irrational bleiben als man selbst solvent", J. M. Keynes. Im idealtypischen Modell gibt es Produzenten- und Konsumentenrente. Zum Beispiel hätten die Produzenten das Gut auch unter dem Gleichgewichtspreis verkauft. Immer populärer wird der Begriff "Cooptition" als Mischung aus Konkurrenz und Wettbewerb. Dies gilt vor allen für den Energiemarkt. Ansonsten wetteifern die Länder der Welt härter denn je um Investitionen und Wohlstand.

Unvollständiger Wettbewerb: Die Ideen gehen auf Marshall und Pigou zurück. Behandelt werden die Theorie der monopolistischen Konkurrenz, Monopol, Monopson, vollständige Wettbewerb auf Güter und Arbeitsmärkten. Es kommt auch schon Preisdiskriminierung vor.  Vgl. Robinson, Joan Violet: The Economics of Imperfect Competition, London 1933.

Bei vollständiger Konkurrenz gilt das Gesetz von Angebot und Nachfrage: Im Gleichgewicht ergibt sich der Preis, bei dem Angebot und Nachfrage ausgeglichen sind. Veränderungen können sich durch Verschiebungen der Angebots- und Nachfragekurve ergeben.

Patente im weltweiten Wettbewerb: Das Patentrecht gewinnt an Bedeutung. Hoch innovative Firmen verlagern den Wettbewerb zunehmend auf diese Ebene. Exemplarisch ist der Patentstreit zwischen Apple und Samsung 2012. Die Patentschlappe von Samsung in den USA drückt den Börsenwert um 8%.

Walras-Gesetz: In einer Welt mit n Märkten, wenn n-1 im Gleichgewicht sind, dann auch der n-te Markt. Leon Walras lebte von 1834-1910. Von ihm stammt auch das Bild des Auktionators, der für alle Märkte stets den Markt räumenden Preis findet. Walras, Leon: Elements d`economie politique pure, Lausanne/ Paris 1874.

Marktpsychologie: Produkte an den Konsumenten bringen. Zustandekommen von Kaufentscheidungen: emotionale, kognitive und reaktive Prozesse. Vgl. Waldbrühl, Ulrich: Wirtschaftspsychologie für dummies, Weinheim 2022, S. 316ff.

Adverse Selektion: Eine Form des Marktversagens. Ursache ist der Verkauf von Produkten unterschiedlicher Qualität zum gleichen Preis aufgrund von asymmetrischer Information (es wird zu viel des minderwertigen Produkts und zu wenig des hochwertigen Produkts verkauft). Kommt bei Beschäftigten, Kreditgebern, verkauften Produkten u. a. vor. Bei Versicherungen ist der Prozess gemeint, dass diejenigen mit den wenigsten Schadensmeldungen kündigen und nur die mit den meisten Schadensmeldungen verbleiben. Auf dem Arbeitsmarkt spielt sie bei der Effizienztheorie eine Rolle, in dem Sinne, dass man die Besten bekommen will. Vgl. Stiglitz, J. E./ Walsh, C. E.: Mikroökonomie, München 2010, S. 549.

Information: Die Basis für die Entscheidungsfindung. Sie beeinflusst die Marktstruktur und deren Potential des effizienten Einsatzes der knappen Ressourcen.

Asymmetrische Information: Eine Situation, in der die Beteiligten einer ökonomischen Transaktion (in der Regel Käufer und Verkäufer) unterschiedliche Informationen haben. Bekannt ist der Markt für "Lemons". Liegt asymmetrische Information vor, so können Produkte von minderer Qualität hochwertige Produkte vom Markt verdrängen. J.  E. Stiglitz bekam den Nobelpreis für seine Forschungen über Informationen und ihre Bedeutung. Vgl. deshalb Ders. /Walsh: Mikroökonomik, München 2010.

Markt für "Zitronen": Märkte mit asymmetrisch verteilten Informationen zwischen den Marktteilnehmern und er daraus resultierenden Unsicherheit. Behandelt werden insbesondere situationen, in denen die nachfrager nicht in der Lage sind, zwischen guten und schlechten Qualitäten zu unterscheiden. Die Folge dieser Situation ist das Problem der Adversen Selektion. Vgl. Akerlof, George Arthur: The Market for "Lemons", Quality Uncertainty and the Market Mechanism, in: Quaterly Journal of Economics, 84, 1970, S. 488-500.

Ausscheiden der besseren Risiken: Gehört zur asymmetrischen Information. Eine an der Transaktion beteiligte Partei bkommt es mit Wirtschaftsteilnehmern zu tun, welche die Transaktionen unrentabel machen, ist aber nicht in der Lage, sie auszuschließen. Beispielsweise kann eine Bank befürchten, dass sie bei Erhöhung der Zinssätze Kreditnehmer anzieht, die ein hohes Risiko darstellen und bei denen die Gefahr eines Konkurses hoch ist. S. Miles/ Scott/Breedon: Makroökonomie, Weinheim 2014, S. 646.

Signaling und Screening von Informationen: Eine Aktion, von unterrichteter Seite unternommen, um private Informationen gegenüber einer unwissenden Partei aufzudecken. Bei der Marktsignalisierung senden Verkäufer an Käufer Signale aus, um Informationen über die Qualität ihrer Produkte zu vermitteln. Beim Screening geht es um das Vorgehen einer uninformierten Partei, die informierte Seite zur Preisgabe der Informationen zu veranlassen. Bei einer Preissignalisierung besteht eine stillschweigende Übereinkunft, so dass ein Unternehmen eine Preiserhöhung verkündet und dabei hofft, dass der Konkurrent das gleiche tut.

Risikoaversion: Verhalten, bei dem Risiken vermieden werden. Die Wirtschaftsteilnehmer bevorzugen risikofreie Anlagen (selbst wenn die Rendite für riskantere anlagen höher ist). Risikoprämie ist die zusätzliche Rendite, die Anleger erwarten, wenn sie riskantere Anlagen wählen. Das idiosynkratische Risiko (Einzelrisiko) ist die Unsicherheit, die mit einem einzelnen Wirtschaftsteilnehmer (Einzelperson) verbunden ist.

Marktmanipulation: Besonders bekannt für Aktienmärkte. Hier genügen Kleinigkeiten, um Aktien nach oben oder nach unten zu treiben. Deshalb ist es verboten, gezielt falsche Informationen Gewinn und Verlust und Risiken eines Unternehmens zu verbreiten oder Informationen mit gezielter Verspätung herauszugeben. Geregelt ist das im Wertpapierhandelsgesetz. Entscheidend ist der Nachweis der Beeinflussung der Preise. 

Market Design (Matching): Es geht um Märkte des Alltags (Bildung, Jobs, Partnerwahl, Parkplätze), die sich kaum oder gar nicht über Preise regeln lassen, sondern über den Abgleich von Interessen, das optimale Verkuppeln von Wünschen. Wie sollten die Strategien sein, wenn wir etwas wollen, was nicht allein durch Geld zu bekommen ist. Erfinder und Hauptvertreter ist Alvin E. Roth, der im Jahre 2012 dafür den Nobelpreis für Ökonomie bekommen hat. Vgl. A. E. Roth: Wer kriegt was und warum?, München 2017. Roth war Schüler des Nobelpreisträgers 2020 R. Wilson von der Stanford University.

Zweiseitige Märkte: Preisstruktur und die Interaktion von mindestens zwei Nutzergruppen sind ausschlaggebend. Die Nutzergruppen sind indirekt miteinander verbunden (der Nutzen der Mitglieder der einen Gruppe ändern sich mit der Größe der anderen Gruppe). Dazu gehört ein Intermediär, der in der Regel die Plattform einrichtet (bringt beide Nutzergruppen zusammen).  Beispiele sind Suchmaschinen, Bezahldienste, Immobilienportale. Vgl. Reiner Clement: Zweiseitige Märkte, in: WISU 1/2016, S. 102ff. Typisch sind zweiseitige Plattformmärkte. Ein gutes Beispiel ist auch ein App-Store für Mobiltelephone. Durch diei Vernetzung der einzelnen Gruppen untereinander können indirekte Netzwerkeffekte auftreten, wodurch der Wert der Plattform steigt. Um Wachstum zu generieren, subventionieren Plattformen häufig eine Gruppe. Käufer zahlen dann z. B.  keine oder weniger Provision als Verkäufer.

Innovationsmärkte und ihre Ineffizienz: 1. Private Entlohnungen und soziale Erträge: Aneignung von Renten und Nachahmer-Innovationen, soziale und private Erträge eines Siegers in einem Wettbewerb, Monopolrenten und  Einhegung von Gemeinschaftsgütern, das Common-Pool-Problem, Hold-ups, Marktmacht, Konsumentenrente. 2. Koordinationsversagen. Vgl. Joseph E. Stiglitz/ Bruce C. Greenwald: Die innovative Gesellschaft, Berlin 2015, S. 201ff.  

Auktionsmärkte: Produkte werden im Rahmen eines formalen Bietprozesses ge- oder verkauft. Man unterscheidet Auktionen mit gemeinsamem Wert (gleicher Wert, aber unbekannt) und privatem Wert (persönlicher Wert bekannt). Versteigert werden in Zukunft wahrscheinlich auch Parkplätze. Autos und Stellplätze können digital vernetzt werden. Damit entstehen völlig neue Möglichkeiten (z. B. erzielte in Boston 2013 ein Parkplatz eine Viertelmillion Dollar). 2020 erhalten die US-Ökonomen Paul R. Milgrom und Robert A. Wilson (sein Lehrer) für die Verbesserung der Auktionstheorie den Wirtschaftsnobelpreis. Sie erfinden neue Auktionsformate und zeigen praktische Anwendungen. Unterschiedliche Formen (Fischereirechte, CO2-Zertifikate, Strompreise, Start- und Landerechte, Funkfrequenzen) haben unterschiedliche Auswirkungen. Die öffentliche Aufmerksamkeit für Auktionen stieg in den 1990er Jahren. Da wurden Mobilfunkfrequenzen mithilfe von Auktionen vergeben. Zahlungsbereitschaften der Bieter waren von denselben fundamentalen Daten abhängig. Die Simultaneous Multiple Round Auction stellte ausgeklügelte Regeln zur Verfügung. Die zunehmende Digitalisierung ermöglicht immer komplexere Auktionsformate. 2022 leidet die Gasversorgung in Deutschland durch den Ukraine-Krieg. Die Abhängigkeit von Russland ist mit über 50% sehr hoch. Der Staat entscheidet im Falle eines Engpasses darüber, wer wie viel bekommt. Man diskutiert über ein Auktionsmodell. Das wäre dann eine Gasversteigerung. Gas würde nicht wie bisher per Dekret rationiert. Auktionen haben den Vorteil, dass nicht der Staat zwischen all den ihn bedrängenden Interessen entscheiden muss. stattdessen können Marktkräfte wirken. Damit würde Energiesparen stärker über den Preis organisiert. Vgl. Nienhaus, Lisa: Wie schlimm wird es? in: Die Zeit Nr. 26/ 23. Juni 2022, s. 25.

Winner`s Curse: Damit ist der Fluch des Gewinners bei Auktionen gemeint. Unter bestimmten Bedingungen hat die Partei, die eine Sache ersteigert hat, mit Sicherheit zu viel geboten (vor allem, weil die zu erwerbende Sache überbewertet wird). Auktionsmärkte sind Märkte, auf denen Produkte durch formale Bietprozesse ge- bzw. verkauft werden. Eine Auktion kann mit gemeinsamem Wert (Gegenstand hat für alle Bieter den gleichen Wert; diese erkennen den genauen Wert nicht; deshalb weichen die Schätzungen voneinander ab) oder mit privatem Wert (jeder Bieter kennt den Wert, wobei die Bewertungen voneinander abweichen) durchgeführt werden. Vordenker sind William Vickrey (1914-1996), Paul R. Milgrom (geb. 1948; erhält 2020 dafür den Wirtschaftsnobelpreis) und Roger Myerson (geb. 1951).

Auktionen als radikale Märkte: Auktionen sind die Utopien für das digitale Zeitalter. Die Grundidee geht auf William S. Vikrey (Nobelpreisträger, Vater der Mechanismus-Design-Theorie) zurück. Vollständige Konkurrenz wird als Opium für die Eliten gesehen. Grundthese ist, dass Eigentum Monopol ist. Insofern muss ein Wettbewerbsmarkt für Nutzungen durch partielles Gemeineigentum geschaffen werden. Es sollte auch ein Markt für Kompromisse im Zusammenleben entstehen. Auch ein neues Gleichgewicht der Arbeit sollte geschaffen werden (Versteigerung von Visas). Daten werden zu Arbeit. Vgl. Posner, Eric A./ Weyl, E. Glen: Wir sind der Markt! Radikale Utopien für das digitale Zeitalter, Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 2019. Soziale Ungleichheit und ökonomische Stagnation auf den freien Märkten sind die zentralen Probleme unserer Zeit. Das Buch offenbart mutige neue Wege, Märkte zum Wohle aller zu organisieren und die Gesellschaft gerechter zu machen. Märkte werden nicht verdammt, sondern radikale wie produktive neue Wege aufgezeigt.

Märkte des Alltags (auf denen oft Geld nicht entscheidet): Hierzu gehören die Partnerwahl (Heiratsmarkt), die Organspende (Verteilung von Spenderorganen), Plätze an Hochschulen. Man spricht von Matching - Märkten, bei denen Dinge in einem Prozess zueinander finden. Man spricht auch von Märkten ohne Preise. Meistens haben sich die Ökonomen auf Warenmärkte konzentriert, wo Preise entscheiden. Ein Markt erfordert immer dann ein "Matching", wenn der Preis alleine nicht entscheidet. Das ist meist auch auf dem Arbeitsmarkt der Fall. Dafür gibt es die Effizienztheorie des Lohnens. Das Design von Märkten, d. h. die Gestaltung von Marktplätzen, ist eine uralte menschliche Vorgehensweise. Zuerst war sie vor allem in der Landwirtschaft anzutreffen. "Märkte sind keine Naturphänomene, sondern von Menschen gemacht und veränderbar", Alvin Roth, Stanford (Wirtschaftsnobelpreis 2012). Vgl. Roth, Alvin: Who Gets What - And Why? London: HarperCollins 2015. Besonderes interessant ist der Heiratsmarkt in China. Hier sind im Matching - Prozess das fehlende Angebot an Frauen (Marktmacht der Frauen), die Macht der Eltern (Tradition) und die Rolle der romantischen Liebe. Der gänzliche Verzicht auf Geld ist keine Lösung. Schnell fehlen Anreize und Struktur. Es braucht ein passendes System.  Vgl. auch: Kübler, dorothea: Märkte ohne Preise, in: WZB Mitteilungen H.181/ September 23, S. 16ff.

Illegale Märkte: Sie entstehen unter den Bedingungen schwacher Staatlichkeit. Eigentumsrechte werden nicht geschützt. So vor allem in ehemaligen Konflikt-, Kriegs und Bürgerkriegsgebieten. Beispiele sind der Diamantenmarkt in Sierra Leone, der Rauschgiftmarkt in Mexiko oder der Sklavenmarkt im IS in Syrien. Interessant ist die Legalisierung ehemals illegaler Märkte und die Folgen. In den USA hat die Legalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke in einigen Bundesstaaten zu einem Boom geführt: 8 Mio. Kunden und 4,4 Mrd. $ 2015. 2029 soll sich der Umsatz auf 100 Mrd. $ erhöhen. Es besteht also ein gigantisches Marktpotential, was sich durch mobile Apps, eCommerce und digitale Medien noch verstärkt.

Schwarzmärkte: Sie entstehen bei zu starker staatlicher Regulierung auf den Märkten, insbesondere bei staatlicher Preispolitik.  So führen staatliche Höchstpreise, die unter dem Marktgleichgewichtspreis liegen, mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Schwarzmarkt. Staatliche Höchstpreise sind aber nicht die alleinige Ursache. Häufig bilden sich Schwarzmärkte, wenn die Nachfrage unendlich groß ist. Trotz hoher Eintrittspreise sind z. B. die Konzerte der Rolling Stones manchmal sehr schnell ausverkauft. Auf dem Schwarzmarkt (oft professionell organisiert) wird das mehrfache verlangt (Ebay und andere Online-Händler werden auch benutzt). Ein dritter Grund für das entstehen von Schwarzmärkten sind Verbote. Es gibt Fallstudien über die Zeit Prohibition in den USA für Alkoholische Getränke. Heute kann man beim Rauschgift sehen, was auf Märkten passiert, wenn Verbote z. B. für Marihuana fallen. In den USA wurde dadurch der Schwarzmarkt sofort halbiert. Nach Colorado beginnt 2014 auch Washington State mit dem legalen Verkauf. Sie treiben dabei 25% an Sondersteuer ein. Es kommt eine Art Goldgräberstimmung auf. Aber Banken sind noch nicht bereit, für Unternehmer Geschäftskonten zu errichten (6 Mio. US-Bürger konsumieren täglich legale oder illegale Cannabis-Produkte, 30 Mrd. US-Dollar jährlich). 2015 blüht der US-Marihuana-Markt (legale Umsatz 2,7 Mrd. $; 74% Wachstum). In Deutschland wären etwa fünf Prozent zwischen 18 und 64 Jahren zum Hanf-Konsum bereit (Gruppe derer, die Cannabis schon geraucht haben).  In Berlin blüht der Handel mit illegal eingeführten Zigaretten, weil Tabaksteuer relativ hoch ist (illegale Fabriken in Polen, Markenfälschung). Jin Ling ist die meistgerauchte Zigarette in Berlin. Sie wird in Kaliningrad produziert. Der Straßenhandel wird von der vietnamesischen Mafia organisiert. Mittlerweile unterwandert massiv die Mafia die deutsche Bauwirtschaft mit Schwarzarbeit. Mittlerweile funktionieren Schwarzmärkte auch im Internet. So z. B. Silk Road, ein dark net. Es handelt sich um einen virtuellen Schwarzmarkt, auf dem mit Bitcoins bezahlt wurde. 2014 wird er von der Staatsanwaltschaft Frankfurt stillgelegt. Der größte Schwarzmarkt der Welt wird 2014 auf der Straße von Hormus betrieben. Die Sanktionen gegen den Iran haben eine große Schattenwirtschaft entstehen lassen. Der größte Schwarzmarkt Europas liegt in Odessa. Es wird "Feld der Wunder" genannt.

Aktienmarkt: Markt, auf dem Aktien (Firmenanteile) gehandelt werden. Bärenmarkt: Eine Phase des Wertverlustes von Aktien oder anderen Wirtschaftsgütern. Das Gegenteil ist der Bullenmarkt.

Digitaler Markt: Digitale Märkte haben besondere Merkmale: 1. Hohe Dynamik und Innovationskraft. 2. Hohe Fixkosten und geringe marginale Kosten (kaum Kapazitätsgrenzen, Log-in-Effekte). 3. Hohe Transparenz und geringe Transaktionskosten. 4. Große Bedeutung von (personenbezogenen) Daten (Abschöpfung der Zahlungsbereitschaft?). 5. Internet-Plattformen und mehrseitige Märkte (Matching). 6. Fehlende unmittelbare monetäre Gegenleistung auf Plattformen (Finanzierung nur durch eine Marktseite. Marktteilnehmer treten individuell in Kontakt in einem Netzwerk. Eine solche Blockchain besteht aus vier Teilen: 1. Einem Wallet und Schlüssel. Ein Wallet ist eine digitale Geldbörse, bestehend aus einem öffentlichen und privaten Schlüssel. Mit dem privaten Schlüssel wird die Identität als berechtigter Besitzer der Wallet bestätigt. Der öffentliche Schlüssel entspricht etwa einer gewöhnlichen Kontonummer. 2. Verteiltes System. Die Transaktionsabwicklung läuft in einem Netzwerk auf spezieller autorisierter Hardware. Geschäftsabschlüsse werden kryptographisch abgesichert. 3. Kassenbuch. Transaktionen werden chronologisch aufgezeichnet. 4. Peer-to-Peer. Direkter Austausch von Werten zwischen einzelnen Marktteilnehmern. Vgl. com professional 11/16, S. 14ff. Auf digitalen Märkten tummeln sich vier Technologien: Speicher- und Übertragungstechnik, Steuerungstechnik bzw. Robotik, Künstliche Intelligenz und Informationsplattformen. Weiterhin spielt in den digitalen Märkten das Eigentum nicht mehr die große Rolle. Menschen sind mehr bereit, nur zu teilen. Zugleich verliert der Preis als Steuerungsmechanismus an Bedeutung. Von der Größe von Internetgiganten profitieren auch die Kunden massiv.

Telekommunikationsmarkt: Ausbau flächendeckender Glasfaserinfrastruktur, Versteigerung der 5G-Mobilfunkfrequenzen sind die Herausforderungen. Abwägung zwischen zügigem Ausbau moderner Telekommunikationsnetze und einer flächendeckenden Verfügbarkeit von Telekommunikationsdienstleistungen zu günstigen Preisen. Vgl. Farrenkopf, J./ Girard, Y./ Neumann, F.: Herkulesaufgabe: evidenzbasierte Regulierung im Telekommunikationssektor, in: Wirtschaftsdienst 2019/2, S. 113ff.

Medienmarkt: Einer der sich am stärksten wandelnden Märkte. Zunehmende IP-Technologie mit Konvergenz stellt eine Verbindung traditionell separierter Märkte her. Es gibt immer neue Geschäftsmodelle. Die Nutzer sind immer flexibler, die Politik fordert Wettbewerb.  Die Medienpolitik steht im Spannungsfeld von geistigem Eigentum, Inhalt /Werbung, Marktdesign und Infrastruktur. Man muss sich zwischen "Fair Regulation" und "Level-Playing-Field" sortieren. 

Taximarkt: Er ist auf der ganzen Welt einer dem am stärksten regulierten Märkte. Sogar in den USA ist er straff gelenkt. Dies geschieht mit Taxi-Lizenzen. Sie sind limitiert und heißen Medallions. Diese können gehandelt werden. Sie sind seit Jahren nicht mehr unter einer Million Dollar zu haben. Auch in Großbritannien ist der Markt streng reguliert. Fahrer müssen ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen und eine strenge Prüfung. In Frankreich sind die Taxifahrer rigoros vor neuen Wettbewerbern geschützt. In China werden Taxis hoch subventioniert. Die beiden Apps "Kuaidi Dache" und Didi Dache" blieben. Davon profitieren die Fahrer, deren Nutzer mit Trinkgeld buhlen. Neuerdings greift der Fahrdienst "Uber" (Handy-App) massiv in den Taximarkt ein. Viele halten die Fahrer für eine unregulierte Schwarzmarktflotte (20% vom Fahrpreis, Mehrwertsteuer mit 4% in den Niederlanden, vereinzelt Fahrer ohne Lizenz, Daten im Ausland gespeichert, Intransparenz). Insgesamt ist aber das Taxigewerbe in Deutschland höchst korrupt. Taxibetriebe schönen Geschäftszahlen. Die Schattenwirtschaft ist verbreitet. Es soll ein neues Taxameter kommen.  Die EU erwägt 2015 eine Liberalisierung des Taximarktes (Einführung europaweiter Regeln). In China gibt es eine Schlacht (ab 2015) um den Fahrdienstmarkt zwischen Uber und einheimischen Anbietern. Im April 2019 gibt es Taxi-Proteste in Deutschland in 30 Städten. Bundesverkehrsminister Scheuer will den Fahrdienstmarkt öffnen. 

Wohnungsmarkt (in Deutschland): Es gibt in Deutschland wachsende Wohnungsnot und steigende Mieten. Das Problem besteht besonders in Ballungsgebieten. Der Anstieg der Mieten sollte durch eine Mietpreisbremse begrenzt werden. 2016 zeigt sich, dass diese Bremse überhaupt nicht wirkt. Das liegt auch daran, dass jedes Jahr 400.000 Wohnungen gebaut werden müssten. Tatsächlich wird nur etwa die Hälfte gebaut. Weiterhin fehlen vor allem bezahlbare Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen. Damit sich solche Wohnungen zum Bau lohnen, müssten die Baukosten drastisch sinken. Der Bestand an Sozialwohnungen schrumpft von Jahr zu Jahr. Es tauchen zunehmend Alternativen auf. Diese bieten Sharing- und Teilnutzungsplattformen. Steigende Mieten und Kaufpreise wollen alle Parteien bekämpfen, allerdings mit höchst unterschiedlichen Mitteln: Die CDU ist für Baukindergeld. Die SPD für Familiengeld und Preisbremse. Die Linke für Mietvollbremse und Sozialbau. Die Grünen sind für Daseinsvorsorge. Die FDP will einen Freibetrag. Die AfD will weniger Regeln und mehr Bauland. Besonders problematisch ist, dass jeder zweite Euro an Investitionen in Immobilien aus dem Ausland kommt (USA, GB, Südkorea, Frankreich, Schweiz, Kanada, Italien, Schweden). Die Wohnungskrise ist zum größten Teil eine Bodenkrise (in Frankfurt am Main z. B. kostet Bauland 2017 teilweise doppelt so viel wie 2012). Nur der Bund könnte die Spekulationen beenden. Das Eigenheim bzw. die Eigentumswohnung ist auch ein wichtiger Teil der Altersvorsorge. Eigenheimbesitzer bauen bis zur Rente auch ein größeres Vermögen auf als Mieter, weil sie sparsamer leben. Doch Wohnungen sind in Metropolen zunehmend unerschwinglich. Die Kaufpreise sind noch stärker gestiegen als die Mietpreise. Der Käufer ist in einer schlechten Position. Vielleicht tritt eine Besserung ein, wenn junge Leute bald wieder in die Vorstädte ("unechte Schwarmstadt") ziehen. Mobilität und Flexibilität in der Arbeit steigen ebenso wie die Scheidungsraten, so dass häufig eher Mieten zu empfehlen ist. Im Koalitionspapier der GroKo im Februar 2018 sind 1.500.000 neue Wohnungen vorgesehen ("Wohnraumoffensive"). Das wird nicht einfach, weil Wohnungen vor allem in den Städten knapp sind. Die Mietpreisbremse wirkt bedingt (2 - 4%, Quelle: DIW, Berlin). Sie soll verlängert werden. Die Mieten und Kaufpreise für deutsche Wohnungen steigen weiter 2019 rasant an. Die Konzerne, die Hunderttausende Wohnungen haben, bestimmen stark die steigenden Mieten. Die steigenden Mieten verdrängen Händler und Handwerker aus den Städten. Im August 2019 wird die Einführung eines Mietendeckels erwogen (Berlin, Die Linke fordert ihn für den Bund). In Berlin kommt der Mietendeckel, bringt aber nicht viel. Insgesamt steigen die Preise für Häuser und Wohnungen auch in und nach Corona weiter. Eine Entspannung ist nicht in Sicht. Der Bund hält 2021 an seinem Ziel von 1,5 Mio. neuen Wohnungen in der Legislaturperiode fest. 300.000 seien fertig gestellt, 770.000 genehmigt. Verbände sprechen von einem "statistischen Trick" und zu wenig Sozialwohnungen. In Deutschland gibt es mehr Mieter  als in vielen anderen Ländern und weniger Wohnungseigentümer. Der Immobilienkauf wird auch immer schwerer. Die Ampelkoalition vereinbart in ihrem Vertrag ein neues Ministerium für Bauen und Wohnen, das der SPD zukommt. Jedes Jahr will man 400.000 neue Wohnungen bauen. Das teure Bauland, die hohen Energieauflagen, die Baustoffknappheit und die fehlenden Handwerker erschweren die Aufgabe.  2023 haben die hohe Inflation und der Zinsanstieg dem langen Immobilienboom ein jähes Ende gesetzt. Die Wohnungspreise fallen rasant. Sie werden gebremst von der Krise am Wohnungsbau.  Deutschland größtes und umstrittenstes  Wohnungsunternehmen ist Vonovia (knapp 350.000 Wohnungen, die meisten in NRW; früher Deutsche Annington; kaufte Wohnungen der öffentlichen Hand auf). Teure Städte in Deutschland sind Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf, München , Leipzig, Berlin. Am stärksten sind die Steigerungen zwischen 2012 und 2017 in Berlin (+28%) und Leipzig (+22%) vor München (21%). Berlin will 2019 Wohnungen zurück es einst für Hunderte Millionen verkaufte. Enteignungen sind nicht ausgeschlossen. Die höchsten Mieten hat München vor Frankfurt und Stuttgart. Konkret diskutiert der Berliner Senat die Enteignung des Immobilienkonzerns "Deutsches Wohnen" (5% aller Berliner Wohnungen gehören dem Konzern). In Berlin wird ein Volksbegehren gestartet. Drei Viertel der benötigten Unterschriften sind in kurzer Zeit zusammen. Der Senat erlässt im Juni 2019 einen Stopp für Mitpreiserhöhungen für 5 Jahre ("Mietendeckel"; rückwirkend vom 18. Juni an gültig). In San Francisco hatte diese Regelung langfristig unangenehme Nebenwirkungen. Der Mietendeckel wird im April 2021 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt. Der BGH pocht im Mai 2019 auf einen genaue Prüfung der Kündigung wegen Eigenbedarfs. Gerichte müssten genau hingucken, ob ein Härtefall vorliege (notfalls Gutachten). "Wir dürfen die Mietpreisentwicklung nicht dem Markt überlassen", Karin Lompscher, 2019, seit 2016 Bausenatorin in Berlin und Mitglied der Partei "Die Linke". Ende September 2021 kauft der schwedische Konzern Heimstaden 14.000 Wohnungen in Berlin trotz des Volksbescheides zur Enteignung. 2022 im Vergleich zum Vorjahr sind die Eigentumswohnungspreise um +15% gestiegen. Die Städte mit dem höchsten Zuwachs sind Magdeburg (+178%), Dresden (+169%) und München (+160%). Die Förderung für energiesparende Häuser ist immer sofort weg, so auch 2022. Die KfW muss wieder einen Antragsstopp verhängen. Ende 2022 wächst der Druck am Wohnungsmarkt: Mieter müssen viel mehr zahlen; auch Baupreise ziehen deutlich an. 2023 sinken die Immobilienpreise, die Mieten steigen. Der Wohnungsmangel spitzt sich zu. In Deutschland brauchte es 700.000 zusätzliche Wohnungen. Bauministerin Geywitz muss im Januar 2023 eingestehen, dass ihre Ziele zu ambitioniert waren. 2024 kommt wieder eine neue Förderung für den Hausbau. Es gibt Fördergelder für zinsverbilligte Kredite vom Bund über die KfW (2,1%, klimafreundliches Bauen, Topf von 1,68 Mrd. €). .

Krise des Wohnungsmarktes und Auswege: In den Ballungsgebieten hat man viele Jahre eine Privatisierungspolitik betrieben, die öffentliche Wohnungsbestände an Großinvestoren verkauft hat. Damit hoffte man die Kommunen finanziell sanieren zu können. Insofern ist die Wohnungskrise auch hausgemacht. Heute wird über Enteignungen diskutiert. Vielleicht könnte man auch kommunale Vorkaufsrechte für Mieter schaffen. Vgl. Sinn, H. - W.: Wir hätten auf Konrad Adenauer hören sollen, in: WiWo 30, 19.7.19, S. 41. In Europa leidet am stärksten Portugal unter hohen Wohnpreisen. Am höchsten sind sie in Lissabon und am Rand der Stadt. Ein Regierungsprogramm schafft klare Preisobergrenzen. Im Sommer 2019 wird in Deutschland ein Mietendeckel als Ausweg diskutiert. Besonders in den Großstädten hat sich die Lage zugespitzt. Man greift immer mehr zu unkonventionellen Lösungen. Das Grundproblem sind die hohen Bodenpreise, aber auch Niedrigzinsen und gute Wirtschaftsentwicklung haben einen Beitrag geleistet. Ohne staatliche Eingriffe dürfte es nicht gehen. Mietpreisbremse, Wohngeld, sozialer Wohnungsbau, Fördermaßnahmen für privaten Mietwohnungsbau  sollen helfen. 2021 übernimmt der konzern Vonovia  Deutsche Wohnen. Damit entsteht Europas größter Wohnungskonzern. Der Konzern baut auf die Fortsetzung des Immobilienbooms und mehr auf Kooperation mit der Politik als auf Konfrontation. Vonovia hat schon alleine 2021 557.000 Wohnungen in Deutschland. Chef ist 2021 Rolf Buch. Niederländische Städte haben einen Weg entdeckt, wie sie den Anstieg der Immobilienpreise drosseln wollen: Wer kauft, muss auch einziehen. Mittlerweile verschärft sich die Krise noch. Millionen Häuser und Wohnungen müssen in Deutschland Klima saniert werden. Auf Eigentümer und Mieter rollt eine gigantische Kostenwelle zu. Material fehlt und wird  teurer. Handwerker sind auch zu wenig da oder sind nicht auf dem neuesten Stand der Technik (z. B. bei Wärmepumpen). Vgl. Jung, Alexander: Die Altbaufalle, in: Der Spiegel Nr. 5/ 29.1.22, S. 12ff.  Die neue Regierung der Ampel, die Ende 2021 ins Amt kommt, beschließt, 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Vorher muss noch ein neues Ministerium aufgebaut werden. Bauministerin wird Klara Geywitz von der SPD. Der Oberbürgermeister von Tübingen Boris Palmer schlägt 2022 einen bundesweiten Mietendeckel vor. Zu viele Menschen müssten die Städte verlassen. Vgl. Die Zeit Nr. 27/ 30.6.22, S. 2. 2022 verschärft sich die Wohnungskrise in Deutschland. Erst explodieren die Mieten, dann die Kaufpreise, danach die Zinsen und die Nebenkosten. Der Wohnungsmarkt ist außer Kontrolle geraten - trotz aller Hilfen. Vgl. Bock, Simon u. a. Trautes Heim, Elend allein, in: Der Spiegel 47/ 19.11.22, S. 9ff. 2023 kommen weiter fallende Immobilienpreise. Es ist die lange erwartete Phase der Preiskorrektur. Gleichzeitig geht die Bautätigkeit rapide zurück, was auch mit den immer größer werdenden gesetzlichen Auflagen zu tun hat (z. B. Energiewärmeeinsparungsgesetz). Auswege sind in der Ampel umstritten: Die Grünen wollen Bauförderung, die FDP nicht. Immer mehr Immobilienentwickler schlittern in die Insolvenz. Teure Grundstücke, hohe Zinsen und Baukosten sorgen für einen Teufelskreis. Die Folgen sind für Anleger, Kunden und Kommunen dramatisch. Vgl. Frohn, Philipp u. a.: Nur noch Baustelle, in: WiWo 35/ 25.8.23, S. 50f. 2023 bricht der Wohnungsbau ein: Der Ampel geht das Geld aus, Baufirmen fürchten um Projekte. 42% der Deutschen besitzen Wohnungseigentum, nur Deutschland ist ein Mieterland. 27,8% des Haushaltsnettoeinkommens beträgt 2023 die durchschnittliche Mietbelastung. Keine 300.000 Wohnungen können 2023 gebaut werden (400.000 sollten es sein). Erstmals seit 10 Jahren sind die Immobilienpreise rückläufig. . Vgl. WiWo 48/ 2023, S. 12. 2024 rutschen die Preise für Immobilien weiter. Besonders betroffen ist das Segment der Büro- und Gewerbeimmobilien.

Staatliche Eingriffe in den Immobilienmarkt: 1. Mietendeckel: Wohnungsangebot wird knapper. 2. Mietpreisbremse: In Großstädten lohnen Neubauten weniger. 3. Vorkaufsrechte: Sanfte Verstaatlichung. 4. Umwandlung: Handeln, bevor es verboten wird. 5. Bauvorschriften: Zahlreiche Hürden überwinden. Vgl. Alvarez, Sonja/ Gert, M./ Haerder, M./ Hoyer, N.: Feinbild Vermieter, in: WiWo 14, 1.4.2021, S. 14ff. Angesichts der Immobilienpreise mahnt die Bafin Anfang 2022 die Banken zu zu mehr Vorsicht. Banken sollten sich mit höheren Rücklagen absichern.  2023 haben die hohe Inflation und der Zinsanstieg dem langen Immobilienboom ein jähes Ende gesetzt. Die SPD will die Erhöhung der Mieten stärker begrenzen. Wohnen dürfte die soziale Frage des nächsten Jahrzehnts werden. Im September 2023 plant man mehr staatliche Hilfen im Wohnungsbau. Es findet auch ein Wohnungsbaugipfel am 26.9.23 im Kanzleramt statt (mit 30 Verbänden und Vereinen). Man findet 14 Punkte gegen die Wohnungsnot: Bauen soll einfacher und billiger werden. Ein Schlüsselpunkt ist serielles Bauen. Die Umsetzung des Maßnahmenkatalogs wird schwierig. Maßnahmen: Eigentumsförderung attraktiver. Jung kauf Alt. Wohnung statt Büro. Degressive Gebäudeabschreibung. Energiestandards lockern. Höherer "Speed-Bonus" beim Heizungseinbau. Beschleunigungen. Wohngemeinnützigkeit. Doch die Grundprobleme bleiben: Bauen in Deutschland ist bürokratisch, langsam und teuer. Vgl. Die Zeit 41/ 28.9.23, S. 23.  2022 legt die Bauministerin einen Gesetzentwurf zum kommunalen Vorkaufsrecht vor. Er wird vom deutschen Städtetag begrüßt. Gemeinden sollen in so genannten Milieuschutzgebieten ein Vorkaufsrecht erhalten (Verdrängung durch private Investoren, Leerstand oder Verfall). Vgl. auch: Löhr, Dirk: Wohnungspolitik: das Paradoxon regulierungsbedingter Konsumentenrenten, in: Wirtschaftsdienst 9/ 2023, S. 624-629.

Steuerpolitik als eine Ursache für hohe Mieten: Wer in Europa in Immobilien investiert, den fördern viele Staaten mit Steuernachlässen. Allein in Deutschland heizt das den Markt jedes Jahr mit bis zu 110 Mrd. Euro zusätzlich auf. Folge: Die Mieten steigen für Millionen. Im Mittelpunkt in Deutschland steht die Steuerfreiheit für den Veräußerungsgewinn nach zehn Jahren Haltefrist. Nicht minder widersinnig ist die Besteuerung von geerbten Immobilien. Die Erbschaftssteuer ist eigentlich progressiv. Als Teil eines Immobilienunternehmens ist sie steuerfrei. Share-Deals erlaubt dei Grunderwerbssteuer. Die Schwelle ist auf 90% gesenkt. Vonovia zahlte so für die Übernahme von Deutsche Wohnen unter 90% keine Grunderwerbssteuer. Steuerpolitik ist vermutlich insgesamt ungeeignet, Wohnkosten in bezahlbaren Grenzen zu halten. Das belegt die Entwicklung in Wien und Berlin. Dort investierte die Kommune schon seit den 1920er-Jahre im großen Stil in den sozialen Wohnungsbau. Die Gemeinde Wien hat ihre Wohnungen nie verkauft. dort müssen nur 18% der HH mehr als 40% ihres Einkommens für Wohnkosten zahlen. Vgl. Investigate Europe: Nach oben offen, in Rheinpfalz am Sonntag 7./8. Januar 2023, S. 23.  Altverträge sind das neue Eigentum. Mieter beuten ihre Untermieter aus.

Gewerbeimmobilien: Die Corona-Krise führt zu einer starken Expansion von Homeoffice. Investoren und Banken haben vorher Milliarden in Gewerbeimmobilien gepumpt (Betongold). Nun aber sind Büros , Läden und Hotels verwaist. Es droht eine Pleitewelle. Die Preise (sowohl Kaufpreise als auch Mietpreise) waren vorher explodiert. 2020 bricht der Wert der Transaktionen bei Gewerbeimmobilien gegenüber 2019 um 22% ein (schätzungsweise 55 Mrd. € 2020). Vgl. Littmann, Saskia u. a.: Leider leer, in: WiWo 44, 23.10.20, S. 15ff.

Ideen und Pläne gegen den Wohnungsmangel: 1. Steuererleichterungen für Neubau. 2. Umwandlung von Nicht-Wohngebäuden. 3. Förderung von energetischem Bauen neu aufsetzen. 4. Mehr Möglichkeiten für Nachverdichtung. 5. Mehr Maßnahmen für Sozialwohnungen. 6. Neue Fachkräfte-Initiative. 7. Digitalisierung der Verwaltung. Vgl. HB Nr. 35, 18.19.20.2.22, S. 14f. Sieben-Punkte-Plan: 1. Lego - Prinzip, Serielles Bauen. 2. Aus Alt mach Neu, um- und Aufstockung. 3. Vergesst den Klimaschutz, neue energetische Agenda. 4. Neues Hilfskonzept. 5. Locken mit Steuervorteil. 6. Steuerbefreiung. 7. Sinnvolle Nutzung des Wohnungsbestandes. Vgl. Biederbeck, Max u. a.: Schöner wohnen, in: WiWo 39/ 22.9.2023, S. 14ff. Vgl auch: Der Spiegel 41/ 7.10.23, S. 16f. (Interview mit Beckert, Direktor des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln)

Panik am Immobilienmarkt: Im Jahre 2022 kommen vier Gründe zusammen, die im Moment keinen Ausweg erkennen lassen. 1. Die Kaufpreise (2012 -2022: +13,7% bei Häuser, +11,5% bei Eigentumswohnungen). 2. Preise bei Baustoffen (2021: Vollholz +77%, Betonstahl +53%). 3. Energiewende/ Kampf gegen den Klimawandel (10,5 Mio. Gas- und 6 Mio. Ölkessel müssen bis Ende des Jahrzehnts saniert werden). 4. Explosion der Kreditzinsen (Zinserhöhungen der EZB bzw. Antizipation; Mitte Juni 2022 für zehnjährige Immobilien +2,98%). Lösungen könnten ganz neue Formen sein: Dorfgenossenschaften, Leasing, Steuererleichterungen. Vgl. Book, S./ Jauernig, H.: Haus. Schluss. Panik, in: Der Spiegel Nr. 25/ 18.6.22, S. 10ff. Jahrelang ging es für die Immobilienkonzerne steil bergauf. Sie verkauften Wohnungen, profitierten von stetig steigenden Preisen. 2022 ziehen die Zinsen an. Es kommt ein Abschwung. Die Eigenkapitalquote der Konzerne ist recht niedrig. Vgl. Bergermann, Melanie: Betongold war gestern, in: WiWo 34/ 15.8.22, S. 14ff. Im Jahre 2022 fallen erstmals seit Jahren die Preise für Immobilien - und die Zinsen steigen. Käufer, Makler und Baufirmen haben unsichere Zeiten. 2023 sinken die Immobilienpreise noch deutlicher. Das Thema Wohnen frustriert die Deutschen. Zu viele sind Verlierer des Monopoly-Spiels. Empirische Grundprobleme: 1. Seit 2020 sind die Preise für Haushaltsenergie um 56% gestiegen, die Wohnnebenkosten um 10%. 2. Es werden Investitionen in hohem Ausmaß benötigt. 3. Die Prozesse im mietrecht häufen sich (30% Vertragsverletzungen). 4. Mietpreise steigen. 5. Sozialwohnungen fehlen. Vgl. der Spiegel 41/ 7.10.23, S. 8ff.

Versicherungsmarkt: Disruptive Plattformen können besser Schutz vor Risiken zu einem geringeren Preis anbieten. Die Daten kommen von stationären Sensoren und beweglichen Sonden. Damit kann Versicherungsbetrug fast ausgeschlossen werden. Wegen der Minimalzinsen 2016 stehen Versicherer unter einem gewaltigen Druck. Sie erweitern die Spielräume ihrer Geldverwalter. Die Bereitschaft zum Risiko steigt.

Batteriezellenmarkt: Dank besserer Produktionsmethoden und der beginnenden Massenfertigung werden Lithium-Ionen-Akkus immer günstiger. Der Weltmarkt wird von folgenden Anbietern dominiert: Panasonic/ Japan (38%), BYD/ China (18%), LG/ Südkorea (11%) und AESC (8%). Quelle: McKinsey, IHS Automotive, Strategy Analytics, 2017.

Cleantech-Markt: Er umfasst grüne Technologien, Produkte und Dienstleistungen, die helfen, Ressourcen zu schonen, Schadstoffe zu minimieren. Es geht um Energieeffizienz, Umweltfreundliche Speicherung und Verteilung von Energien, nachhaltige Mobilität, nachhaltige Wasserwirtschaft, Materialeffizienz, Kreislaufwirtschaft. Der Markt steht im globalen Wettbewerb.

Energiemarkt: Über den Energiemarkt kann man Einfluss nehmen auf die Energiewende. Im Zuge von Energie 4.0 (Smart, Speicher) kommen die börsennotierten Tarife,  das Intraday - Trading und die Regelung über Plattformen. Lieferant und Kunde sowie Kunde zu Kunde können kurzfristig zu Vereinbarungen kommen. Märkte können regionalisiert werden. Geprägt wird der Markt vom EEG-Gesetz. Alternativen wären die Abschaffung, ein einheitlicher Einspeisetarif, ein Auslagerungsmodell oder eine Quotenregelung. Schwierig sind die verschiedenen Ziele unter einen Hut zu bringen (Klima, Nachfragegerechtigkeit/ Versorgung, Ordnungspolitik). Extrem problematisch ist die Einschätzung von Effizienz und Effektivität. Beim Marktdesign sollte man nicht ausschließlich mit Rationalität agieren. In vielen Techniken hat Deutschland die Lernkurven der Welt finanziert (Solar, Windkraft). 2013 prüfen Deutschlands Energiekonzerne und Stadtwerke das Stilllegen Dutzender konventioneller Kraftwerke. Dazu muss ein Antrag bei der Bundesnetzagentur gestellt werden. In Deutschland gibt es drei große Energieversorger: RWE, EnBW, E.on. Vattenfall hat seinen Sitz in Schweden. 2014 brechen die Gewinne ein und die Nettoschulden steigen an. Die großen Versorger kämpfen ums Überleben. Es gibt viele Grüne dafür: Der Ausstieg aus der Atomenergie, der geplante Ausstieg aus der Kohlestromversorgung, der Umstieg auf alternative Energien, das europäische  Handelssystem für CO2-Zertifikate. Eon verabschiedet sich als erstes dieser Unternehmen von Atom, Gas und Kohle. Es gibt eine Aufspaltung des Unternehmens in alternative Energien und fossile. Viele haben Angst, dass so eine Art "Bad Firm" entsteht, die ihren Entsorgungsverpflichtungen (Atomkraftwerke) nicht nach kommt. Die Frage ist, ob die Rücklagen ausreichen. RWE und EON spalten sich in zwei Teile auf. Hauptgrund ist, dass man Investoren für die Teile sucht, die den erneuerbaren Energien zuzurechnen sind. 2017 sind der Aktienkurs von E.ON um 50% und der der RWE-Tochter Innogy auch zweistellig gestiegen. Ende 2017 gibt es Gewinnwarnungen (Stilllegung fossiler Kraftwerke). Im März 2018 wird ein Mega-Deal im Energiemarkt eingeleitet. RWE verkauft die grüne Tochter Innogy an Konkurrent Eon. Damit wird Innogy zerschlagen (der Neustarter verschwindet). Im Gegenzug verabschiedet sich Eon vom Geschäft mit erneuerbaren Energien. die großen Windparks und Wasserkraftwerke gehen an RWE. Zudem wird RWE mit 16,7% an Eon beteiligt. 20 Milliarden Euro beträgt der Wert des Geschäftsvolumens. 2022 funktioniert der Energiemarkt nicht mehr. Deshalb überlegt die EU, Strom- und Gaspreise zu trennen. Der Preisdeckel für russische sGas ist umstritten.   Die OPEC will die Fördermenge von Öl erhöhen (allerdings in zu geringem Ausmaß). In einer koordinierten Aktion zapfen die USA, China, Indien und weitere Länder im November 21 ihre Reserven an. Sofort fallen die Preise. EZB-Präsidentin vermutet, dass das Fallen des Ölpreise 2020 die Inflation drücken kann. Anfang Dezember 21 erhöht die Opec die Produktion, obwohl die Preise fallen. Am 18. Januar steigt der Ölpreis auf den höchsten Stand seit sieben Jahren: 88 $ je Barrel Brent. Bei der Kriegsangst um die Ukraine liegt der Preis sogar über 90 US-$ (95$). Beim Einmarsch der russischen Armee steigt der Preis sogar über 100 $. Er sinkt dann wieder darunter, bleibt aber hoch. Der Benzinpreis kennt nur noch den Weg hoch. Am 7.3.22 überspringt er die 2 - € - Marke. Er löst sich vom Rohölpreis. Preiserwartungen dominieren.  Vgl. Ockenfels, Axel/ Wambach, Achim: Was tun, wenn der (Gas-) Markt kollabiert? in: Wirtschaftsdienst 1/ 2023.

Strommarkt: Ende 2017 plant die abgewählte Bundesregierung noch eine Blitzreform. Es droht nämlich eine Spaltung in eine nördliche und südliche Preiszone. Auf Höhe des Mains würde die Grenze verlaufen. Im Norden, wo das Angebot groß ist, würde der Strompreis sinken. Im Süden, wo die Nachfrage groß ist, würde der Preis steigen. Die EU wirbt sogar für Preiszonen. Vgl. Ockenfels, Axel: Optionen und Herausforderungen für ein neues Strommarktdesign in der Krise, in: Wirtschaftsdienst H. 10/ 2022, S. 766-769. Spanien und Frankreich wollen den Strommarkt reformieren. Unter Fachleuten gilt das als heikles Projekt. Man verspricht den Bürgern schon mal niedrigere Strompreise. Eine Politik gegen diei Märkte kann teuer, schwierig und nicht nachhaltig sein. Vgl. HB Nr. 16/ 23.1.23, S. 13.

Kunstmarkt: 1. Signatur: Der gute Namen bestimmt den Preis. 2. Wissenschaft: Die Kunstwissenschaft erforscht den Urheber eines anonymen Bildes bzw. die Echtheit. Sie trifft wichtige Entscheidungen. 3. Auktionskataloge beeinflussen die Preise. 4. Es gibt ständig Zu- und Abschreibungen. Dahinter stecken auch Interessen. Ein Großteil des Kunstmarktes ist unsichtbar (Geschäfte im Geheimen). Das fördert illegale Geschäfte (Kunstwerke durch Raub, Diebstahl, illegale Einfuhr, Raubgrabungen). Die Zollfreilager begünstigen dies. Extrem hoch sind die Nebenkosten bei einer Investition in Kunstwerke (Aufgeld des Auktionators, Steuern und Abgaben, Kosten für Versicherung und Transport bzw. Aufbewahrung). Auf dem Kunstmarkt gibt interessante Geschäftsvarianten. so etwa "Third-Party Guarantee": 1. Intransparentes Geschäft (Verkaufsgewissheit). 2. Ein geteilter Preis (Mindestpreis). 3. Verstecktes Symbol (Katalogvermerk). 4. Gewinner ohne Gewinn (risk sharing arrangement). Preistreiber auf dem Kunstmarkt wechseln: Russen, Chinesen, Araber. Eine große Bedeutung für den Kunstmarkt hat die Vernissage. Hier lernt man Künstler und Kunstwerke ungezwungen kennen.   2017 explodieren die Preise auf dem Kunstmarkt. Ein Beispiel ist "Salvador Mundi", angeblich von Leonard Da Vinci. 450 Millionen Dollar bringt das Bild, das heute im Louvre in Abu Dhabi hängt. Das Museum allein zeigt schon die Perversion des Kunstmarktes (100 Mio. € für den Namen Louvre).

Sportwettenmarkt: Er zeichnet sich durch eine hohe Regulierung aus in Deutschland. Außerdem wird er hoch besteuert. Davon profitieren insbesondere die Bundesländer. Groß ist der Anteil des grauen und schwarzen Marktes. Auf diesem Markt fehlt der Jugend- und Spielerschutz. Daraus resultieren hohe soziale Kosten. Vgl. Rebeggiani, L./ Breuer, M: Neue Ordnung, neues Glück? in: Wirtschaftsdienst 2017/9, S. 655ff.

Unterhaltungsmarkt: Die Unterhaltungskonzerne verändern den Markt radikal.: Netflix, Amazon und Disney bestimmen immer mehr die Regeln und verändern die Branche. Netflix hat Ende 2019 167 Mio. Abonnenten. Die Anzahl der Eigenproduktionen liegt bei 268. Amazon Prime hat 150 Mio. Abonnenten und 141 Eigenproduktionen. Dann kommt Disney mit 29 Mio. und 25 Eigenproduktionen. Hinzu kommen Maxdome und Sky. Das wird den Markt und auch das Fernsehen grundlegend verändern (ARD und ZDF sind die Verlierer).

Konzertmarkt: Die Megastars Taylor Swift und Beyonce machen 2023 die finanzstärksten Tourneen der Geschichte. Fans zahlen bis zu 1859 $ pro Ticket. Daran verdient der Staat Milliarden. Die US-Notenbank beobachtet die Entwicklung. Die Tourneeorte erarten viel Geld für dei lokale Wirtschaft (Los Angeles 320 Mio. $).

Lebensmittel-Einzelhandelsmarkt: Hier herrscht in Deutschland und der EU eine große Konzentration. 2015 hat Die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) den höchsten Marktanteil in der EU, vor Tesco, Carrefour, Aldi, Edeka und Rewe. In Deutschland hat Edeka den höchsten Marktanteil (25,3%), vor Rewe (15,1%) und Schwarz (15,0%). Die große Ketten können den Landwirten, Kleinfabrikanten und auch Markenherstellern die Preise diktieren.

Cannabismarkt: Die Ampelparteien setzen 2022 auf einen legalen Markt für Cannabis. Diese Entscheidung ist umstritten. Minderjährige dürften keinen Zugang haben. Damit werden sie aber für das organisierte Verbrechen interessant. Negativ sind die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem, die Ausgaben dürften steigen (Störungen bis zu Abhängigkeit). Eine Erprobung am Modell ist nicht beabsichtigt. Der Staat hofft auf zusätzliche Steuereinnahmen (analog Tabak).

Duty Free: Vor der Pandemie war Zollfreishopping das wachstumsstärkste Segment im Einzelhandel. Lockdowns und der Stillstand im Reiseverkehr brachten es nahezu zum Erliegen. Jetzt bricht wieder eine neue Phase mit hohem Wachstum an. Das weltweite Passagieraufkommen wird voraussichtlich 2024 wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Bis 2040 könnte es dann zu einer Verdopplung kommen. 2019 wurden 86,4 Mrd. $ umgesetzt, 2022 waren es 69,1 Mrd. $. Asien-Pazifik hat mit 68,2% den weitaus größten Anteil. Bei den Firmen führen CDFG (China), Lotte duty Free (Südkorea) und the Shilla Duty Free (Südkorea).

Digitaler Kapitalismus und Wettbewerb (Netzwerkökonomie): Monopole werden begünstigt. Die Zerschlagung durch die Politik scheitert in der Regel (auch durch Antizipation wie bei Google). Die Konzerne sollten gezwungen werden, ihre Datensätze mit anderen zu teilen, damit der Wettbewerb erhalten bleibt. Vgl. Prange, Sven: Wer ist der Größte, in : Wirtschaftswoche 2/ 8.1.2016, S. 60ff.

Vertikale und horizontale Integration: Wachsen von Unternehmen durch Fusion oder Übernahme.

Marktwirtschaft: "Die Marktwirtschaft beruht auf der Wiederholung immergleicher Tauschakte, deren Wiederholbarkeit von einem Rechtssystem abhängt, auf das sich die Marktteilnehmer verlassen können müssen". Siehe Werner plumpe: Der Kapitalismus bedingt die Demokratie..., in: WiWo 33/ 11.8.23. Die Etablierung moderner Marktwirtschafen ist eng verbunden mit der Entwicklung der Rechtsgleichheit, Vertragsfreiheit sowie Schutz vor Betrug und Korruption.

 

Preise (auch Preispolitik im Staat und im Marketing; Personalisierung der Preise)

Preis: Der Preis eines Gutes oder einer Dienstleistung ist das, was im Tausch bezahlt wird. Der Marktpreis ist der auf einem Wettbewerbsmarkt herrschende Preis. Bestimmte Preise explodieren (für Kunst, Bauen, Fußballer), während andere so gut wie gar nicht nach oben gehen (Milch, Kaffee). Es scheint zwei "Preiswelten" zu geben. "Alles im Leben hat seinen Preis, auch die Dinge, von denen man sich einbildet, man kriegt sie geschenkt!" Theodor Fontane (1819-1898). "Preis ist, was du bezahlst. Der Wert ist, was du bekommst", Warren Buffett/ Berkshire Hathaway. Vgl. auch als grundlegendes Werk: Auspitz, Rudolf/ Lieben, Richard: Untersuchungen übe rdie Theorie des Preises, Leipzig 1889.

Preis im Sinne von Preisung:  Der eine wird gezahlt, der andere wird verliehen. Sie heißen beide gleich. Es ist eher Wertschätzung. Vgl. Krüger, Anne: Soziologie des Wertens und Bewertens, Stuttgart 2022.

Wirtschaften: Bezieht sich auf knappe Güter. Knappe Güter werden über den Preis rationiert. Nur wer bereit ist, den Preis zu zahlen, erhält das Gut. Vgl. Hubert: VWL für BWLer, Herne 2019 (2. Auflage), S. 329.

Reale und nominale Preise: Der nominale Preis ist der absolute, nicht inflationsbereinigte Preis. Der reale Preis eines Gutes im Vergleich zum Gesamtmaß der Preise das Maß des Gesamtpreises ist der Verbraucherpreisindex) ,inflationsbereinigter Preis. Vgl. R.S. Pindyck/ Daniel L. Rubinfeld: Mikroökonomie, München u. a. 2005, S. 35f.

Individuelle Preise: Sie kommen in steigendem Maße im Internet vor. Eigentlich ist dies verboten, weil es den Sachverhalt der Preisdiskriminierung erfüllt. So gibt es Preiszuschläge für Benutzer bestimmter Geräte. Finanziell besser gestellte Kunden werden abgeschöpft. Big Data macht es in Zukunft prinzipiell möglich, Preise je nach Vermögen, Kontostand und Konsumverhalten zu kalkulieren. Insbesondere problematisch ist, dass wer mehr zu zahlen bereit ist, durch persönliche Preise zur Ader gelassen wird (wer z.B. mit Apple-Geräten surft, zahlt bei den meisten Buchungsportalen mehr). Damit können klassische Märkte entfallen, an dem sich für jedes Produkt ein verbindlicher Preis bildet. "Bei genauer Betrachtung steigt mit dem Preise auch die Achtung", Wilhelm Busch, deutscher Humorist.

"Gerechter" Preis: Thomas von Aquin (1225 bis 1274): "Also darf keiner dem anderen ein Ding teurer verkaufen, als es wert ist". Der Markt braucht Güter. Händler liefern die Waren nur, wenn sie einen Profit haben. Aber auch die Moral sollte eine Rolle spielen. Der Profit sollte nicht übermäßig sein, es sollte kein Betrug vorliegen und der Käufer muss aus freien Stücken handeln. Vgl. Das Wirtschaftsbuch, München 2013, S. 22,23. Ein wichtiges Kriterium für einen gerechten Preis ist auch das wirtschaftliche Überleben der Erzeuger von Produkten. Ums Überleben geht es immer wieder in der Landwirtschaft. 2015 kämpfen Frankreichs Bauern mit martialischen Methoden ums Überleben. Die Preise für Fleisch und Milchprodukte sind so stark gesunken, dass sie von der Zucht kaum noch leben können. Mit Traktoren blockieren Sie die Grenze nach Deutschland und zerstören aus dem Ausland importierte Lebensmittel.

Umweltpreis als gerechter Preis: Die Umwelt muss einen angemessenen Preis bekommen. Biologische Wertschöpfung müsste eingerechnet werden (z.B. Wert der Bienen bei der Befruchtung). Versteckte Kosten und regenerative Prozesse müssen hinzugefügt werden. Vgl. Maja Göpel: Unsere Welt neu denken, 2020 (Generalsekretärin des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen). die Idee eines gerechten Umweltpreises ist über 40 Jahre alt. Wir haben uns schon im Studium damit beschäftigt. Die entscheidende Frage ist, wie man einen solchen Preis in der Praxis umsetzen könnte.

Gleichgewichtspreis: Er bringt angebotene und nachgefragte Menge zum Ausgleich. Genauso gibt es eine Gleichgewichtsmenge.

Prohibitivpreis: Der Schnittpunkt der Nachfragekurve mit der y-Achse. Es ist der Preis, ab dem es keine Nachfrage mehr gibt.

Klebrige Preise: Gleich unelastische Preise. Sie passen sich nur langsam an, wenn sich Angebot und Nachfrage ändern.

Ramschpreise: Meist sind damit die Preise für Lebensmittel gemeint. Weil die Preise in dem Bereich ganz unten sind, werden Bauernhöfe in den Ruin getrieben. sie verhindern auch mehr Tierwohl, fördern das Artensterben und belasten das Klima. Der neue Landwirtschaftminister Özdemir will errechen, dass der Preis stärker die ökologische Wahrheit ausdrückt. Konkret plant er strengere Vorgaben für Fertigprodukte, eine Ausweitung ökologisch bestellter Felder und den Einsatz der staatlichen Nachfragemacht. Das Gegenstück zu Ramschpreisen sind faire Preise. Hierzu müssten sich Bauern, Lebensmittelfirmen und Supermärkte an einen Tisch setzen und nicht ständig nach einem Schuldigen suchen. Auch die Politik könnte helfen: Mehrwertsteuer streuen (Greenpeace), Deutschland liegt genau im Durchschnitt der EU (Konzentration bekämpfen), Verhaltenskodex für die großen Player.

Lebensmittelpreise: Sie steigen 2022 wie lange nicht mehr (über +20%). Die Preisverhandlungen werden härter. Alle machen Druck: Die Hersteller, die die Lieferketten schlank sparen (und sich von wenigen Lieferanten abhängig machen), die Händler. Der Preisbildungsprozess ist intransparent (darauf weisen auch die Verbraucherverbände hin). Er müsste auch wissenschaftlich stärker analysiert werden. Viele Familien sind durch den Anstieg der Lebensmittelpreise in Existenznot. Die Lebensmittelpreise sind auch 2023 massiv gestiegen. Der Anstieg lag in den letzten Jahren (21, 22, 23) über der Inflationsrate. Wer am meisten davon profitiert, ist zwischen Erzeugern, Verarbeitern und Handel strittig. Dei Ernährungsindustrie jedenfalls beklagt Stagnation und verschlechterte Bedingungen am Standort Deutschland. Dei hiesige Ernährungsindustrie verarbeitet nach eigenen Angaben rund 80% der von Landwirten erzeugten Rohprodukte. Im Einzelnen verteuerten sich die Produkte 2023 wie folgt (Statistisches Bundesamt): Brot und Getreide 16,4%; Molkereiprodukte, Eier, Honig 15,7%;  Fisch, Fischwaren, Meeresfrüchte 14,7%; Gemüse 13,3%.

Eckpreis: Es gibt Eckpreisartikel im Konsum, an dem sich die Kunden bei der Preiswahrnehmung orientieren. Dazu gehören etwa Kaffee und Butter. Diese Produkte setzen die Handelsketten in diesem Wissen gezielt mit ihren Preisen ein, um Spielräume zu erkunden.

Verrechnungspreise: Interne Preise, zu denen Teile und Komponenten innerhalb eines Unternehmens von vor gelagerten an nach gelagerte Abteilungen "verkauft" werden. Sie werden in der Regel bei multinationalen Unternehmen zum Steuersparen eingesetzt.

Indexierung: Koppeln der Preise an bestimmte Steigerungsraten. Im Ausland nimmt man die Lebenshaltungskosten für Löhne. Mieten werden an die Preissteigerung angelehnt. Indexmieten werden immer beliebter. Deshalb wird über Deckelung diskutiert.

Werttheorien: Ausgangspunkt ist die Frage, warum Gold oder Diamanten mehr kosten als Wasser. Dies ist das klassische Wertparadoxon. Diamanten sind mehr wert als Wasser, weil jeder einzelne wertvoll ist, unabhängig davon, wie viele man hat. Wasser verliert an Wert pro Einheit, wenn die Gesamtmenge steigt. 1889 entwickelt der österreichische Ökonom Eugen von Böhm-Bawerk die subjektive Werttheorie mit dem Begriff des Grenznutzens. Der Wert eines Objektes hängt nicht so sehr von ihm selbst, sondern vielmehr von den Bedürfnissen der Personen ab, die es verwenden wollen.

Tauschwert und Gebrauchswert: Der theoretische Wert für ein Produkt oder einer Dienstleistung kann gehandelt werden, im Gegensatz dazu ist der Preis der tatsächliche Wert, für den gehandelt wird. Der Tauschwert ist der quantitative Wert einer Ware, der Gebrauchswert ihr qualitativer Wert. Vgl. Donald Marron: Wirtschaft, Librero/ Niederlande, 2018, S. 11.

Arbeitswerttheorie: Der Wert eines Produktes beruht auf dem Aufwand seiner Herstellung mit Arbeit. Ideen dazu stammen von David Ricardo, William Petty und Karl Marx.

Mehrwerttheorie: Waren sind zugleich Träger von Gebrauchs- und Tauschwert. Marx sieht in diesem doppelten Charakter eine Quelle dialektischer Widersprüche. Marx sieht ein Problem darin, dass die menschliche Arbeitskraft zur Ware wird. Er geht davon aus, dass die Entlohnung das Subsidenzniveau nicht dauerhaft übersteigen kann (Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt). So entsteht ein Teil unbezahlte Arbeit, die Mehrwert schafft. Bei freier Konkurrenz können die Produktpreise im allgemeinen von den Arbeitswerten abweichen.

Schwellenpreise: 0,99€; 1,59€. Die Lebensmittelpreise entwickeln sich nicht centweise, sondern in Stufen von 10 oder 50 Cent. Dadurch werden, vor allem für die Supermärkte, Preisabsprachen erleichtert. Deshalb gedeihen bei den Konsumgütern Kartelle besonders gut (z. b. bei Wurst).

Best-Preis-Garantie: Häufig bei Optikerketten, Möbel- und Elektronikhändlern. Wer das gleiche Produkt nach dem Kauf woanders billiger sieht, kann es umtauschen oder bekommt die Preisdifferenz ersetzt. Experten raten, dies nicht besonders ernst zu nehmen. Das Kartellverbot greift nicht. Es wird ein Eindruck besonders günstiger Angebote und intensivem Wettbewerb vermittelt. Aber in Wirklichkeit ermöglicht eine Preisgarantie dem Unternehmen, vergleichsweise gefahrlos die Preise zu erhöhen. Erstmals untersagt das Bundeskartellamt die Bestpreisklausel bei dem Hotel-Online-Portal HRS Ende 2013 (ab 1.3.14 gültig).

Mogelpackung/ Shrinklation: Versteckte Preiserhöhung durch Verkleinerung des Verpackungsinhaltes. Eine besondere Erscheinung der Inflation ist diese "Mogelpackung". Man spricht auch auf Denglisch von "Shrinklation". Bei steigenden Kosten und steigender Nachfrage 2022 könnte das Phänomen zunehmen. Mengen und Packungen werden kleiner bei gleichem oder höheren Preis. Das funktioniert, weil viele Kunden die Waren nur oberflächlich prüfen. Vgl. Levy, Danie/ Snir, Avichai: "Shrinking Googs", Working Paper, Emory University, Januar 2013.  Mogelpackung des Jahres 2017 ist das Vitalis Früchtemüsli von Dr. Oetker (Inhalt von 600 auf 500 Gramm reduziert, bei gleichem Preis, Preiserhöhung von 20%; Verbraucherzentrale).

Rabattindex: In einzelnen Produktbereichen (z. B. bei Autos) ermittelt, um Preisnachlässe beim Neukauf zu indizieren. Bei hohen Preisnachlässen kann es zu Rabatt-Gewöhnungseffekten kommen (ebenso zu langfristig schlechteren Margen und Reaktionen der Wettbewerber). Rabatte werden immer wieder mit bestimmten Tagen verknüpft. So hat sich der Black Friday etabliert (23. November 2018). Mittlerweile gibt es auch den Cyber Monday (2018 26. November). Die Online-Händler machen auch mit. Die Preise schwanken häufig und stark.

Spitzenlast-Preisbildung (Peak-Load): Berechnung höherer Preise in Spitzenzeiten, wenn Kapazitätsengpässe die Grenzkosten ansteigen lassen.

Funktionen des Preismechanismus:  Zentral soll er Angebot und Nachfrage zum Ausgleich bringen (Ausgleichsfunktion). Er erfüllt auch eine Informationsfunktion und eine Lenkungsfunktion. Andererseits steuert er auch die Nachfrage.

Freie Preise: Wirtschaftliche Schocks können Katalysatoren für technische und ökonomische Innovationen sein. Das gilt aber nur, wenn man die Marktkräfte wirken lässt. In vielen Krisen greift aber der Staat ein (Beispiel Energiekrise 2022). Vgl. Fischer, Malte: "Freie Preise sind extrem wichtig", Interview mit Harold James, in: WiWo 48/  25.11.22, S. 38ff.

Preisnehmer (Price-taker): in einem vollkommenen Wettbewerb sind Firmen Preisnehmer und nicht Preismacher (Alfred Marshall). Die Produkte sind sehr ähnlich bzw. identisch. Der branchenübliche Preis wird von den Nachfragern bestimmt. Eine Firma muss über den Preis verkaufen. Sie muss den Marktpreis akzeptieren.

Preisführerschaft: Ein Preisbildungsmuster, bei dem ein Unternehmen Preisänderungen verkündet, die dann von den Konkurrenten übernommen werden.

Slutsky-Gleichung: Formel für die Aufteilung der Auswirkungen einer Preisänderung in einen Substitutions- und einen Einkommenseffekt. Vgl. Pindyck/ Rubinfeld: Mikroökonomie, München 2005, S. 905.

Preispolitik: Staatliche Festpreise, staatliche Höchstpreise, staatliche Mindestpreise. Beispiele sind der EU-Agrarmarkt, der Arbeitsmarkt, der Wohnungsmarkt und der Devisenmarkt. Staatlich verordnete Mindestpreise führen theoretisch zu Produktionsverzerrungen, Wohlfahrtseffekten und Verteilungswirkungen. Sie können durch staatlichen Ankauf oder Anbaubeschränkung gelöst werden. Höchstpreise haben vergleichbare Wirkungen. Sie können z. B. durch Warteschlangen, Qualitätsverschlechterung, Diskriminierung, administrative Rationierung und  Schwarzmärkte gelöst werden. Die Wohlfahrtswirkungen werden normalerweise im Marshall-Diagramm dargestellt (Konsumentenrente, Produzentenrente, Gesamtwohlfahrt). Vgl. Vogt, G.: Faszinierende Mikroökonomie, München/ Wien 2007, S. 248 ff. Wenn die Preispolitik das Gesetz von Angebot und Nachfrage weiter gelten lässt, spricht man von marktkonformen Maßnahmen bzw. Eingriffen. Der reale Preis ist ein inflationsbereinigter Preis. Der Reservationspreis ist der Preis, den der Kunde maximal zu zahlen bereit ist. "Preisforscher müssen zwischen Sonderangeboten und dauerhaften Preisänderungen unterscheiden", Emi Nakamura, Columbia-Universität. Ein gutes Beispiel für eine Analyse der Auswirkungen von Preispolitik ist Venezuela. Dort haben festgesetzte Preise und festgesetzte  Wechselkurse zu einer Mangelwirtschaft geführt. Obwohl des Land gigantische Ölreserven und eine gute geographische Lage hat, herrscht galoppierende Inflation und Mangel an Lebensmitteln und Artikeln des täglichen Bedarfs. Preispolitik kann auch indirekt über Mengenquoten gemacht werden. Ein gutes Beispiel ist die Milchquote in der Landwirtschaft. Sie zeigt allerdings auch die Umgehungsmöglichkeiten und Ineffizienzen. Sie wird am 1.4. 2015 abgeschafft. Wegen der fehlenden Nachfrage aus Russland (Sanktionen) und China (Konjunktur) sinkt der Preis dramatisch. Ein "Milchgipfel" am 31.5.16 soll Hilfe aus Berlin oder Brüssel bringen. 100 Mio. Euro Finanzhilfe kommen in Form von Bürgschaften und Steuererleichterungen. Kartellabsprachen sollen ermöglicht werden. Eingriffe in den Markt sollen nicht vorgenommen werden (Bauern, Molkereien und Handel sollen sich einigen). Die EU gibt Landwirten 500 Mio. €. Knapp 58 Mio. € gehen an deutsche Landwirte. Ende 2016 steigt der Milchpreis wieder an (Mengenreduzierung). 2016 plant die Regierung eine Preisbremse bei Arzneimitteln (bei neuen Arzneimitteln Umsatzschwelle von 250 Mio. Euro). Die eingefrorenen Preise älterer Arzneimittel sollen verlängert werden bis 2022. Die Preisbindung bei Arzneimitteln wird im Herbst 2016 von EU-Gericht für unzulässig erklärt (es geht um DocMorris aus den Niederlanden, das im Internetversand günstigere Preise nimmt). Die Bundesregierung muss neue Lösungen suchen. Die Preisbindung soll die Versorgung mit Apotheken an möglichst vielen Orten sicher stellen. Es wird ein Gesetz geplant, dass den Versandhandel aus dem Ausland bei verschreibungspflichtigen Medikamenten verbieten soll. Im August 2017 erklärt Merkel die Mietpreisbremse für gescheitert (Einführung 2015, um Anstieg der Wohnungsmieten in Ballungsgebieten zu bremsen). Das Berliner Landgericht erklärt die Mietpreisbremse im September 2017 für verfassungswidrig (Vermieter werden nicht gleich behandelt). Die Koalition beschließt im  August 2019, die Mietpreisbremse bis 2025 zu verlängern. Die Verfassungsrichter billigen im August 2019 die Mietpreisbremse. Erwogen wird in Berlin auch ein Mietendeckel. Der kommt auch. Er scheint aber schädliche Nebenwirkungen zu haben: das Angebot an freien Wohnungen ist gesunken. In San Francisco hatte diese Regelung langfristig unangenehme Nebenwirkungen. Das Bundesverfassungsgericht verbietet im April 2021 den Mietendeckel und erklärt ihn für verfassungswidrig.

Staats - Interventionismus und Manipulation der Preise: Preise sind Informationssystem und Koordinationssystem in einer Marktwirtschaft.  Sie spiegeln Knappheiten wider. Wer die Preise über Mehrheitsentscheidung demokratisch festlegt oder sie bürokratisch durch Beamten bildet (eine Variante der Preispolitik) folgt anderen Kriterien wie Zwang, Zufall, Schutz oder Privilegien. Beispiele sind die Mietpreisbremse und der Mindestlohn. Es wird interessant sein, die Folgen in diesem Realexperiment zu beobachten. Staatliche Eingriffe sind extrem schwierig zu identifizieren.  Das beste Beispiel ist der Weltrohölpreis 2014. Senkt Saudi-Arabien die Fördermenge im Rahmen der OPEC nicht, um das Fracking der USA zu bekämpfen? Wollen die USA Russland als starken Öl- und Gaslieferanten in die Knie zwingen?

Preisbindung: In Deutschland sind vor allem zwei Preisbindungen umstritten. Einmal die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Medikamenten. Der EuGH kippt diese Preisbindung im Jahr 2016. Argument der Bundesregierung war die breite Versorgung, auch auf dem Lande. Die zweite umstrittene Preisbindung ist die Buchpreisbindung. Argument ist hier das Schutzziel "Kulturgut Buch". Die Monopolkommission spricht sich 2018 gegen eine Buchpreisbindung aus: Hierdurch würden Wettbewerb und Weiterentwicklung der Buchhändler beeinträchtigt.

Mindestpreisforderung für Lebensmittel bzw. Agrarprodukte: Sie wird 2020 diskutiert. Die Bundeskanzlerin trifft sich im Februar 2020 mit den Handelsriesen in Deutschland (Aldi, Lidl, Rewe, Edeka). Es geht um die schwache Position der Erzeuger ("David gegen Goliath"). Der Handel verbittet sich jede Einmischung in die Preissetzungsfreiheit. Ihm werden aber unfaire Handelspraktiken vorgeworfen. Die Preise werden auch vom Verbraucher und dem Weltmarkt (Preise werden aufgrund des hohen Exportanteils auch im Ausland gemacht) beeinflusst. Mindestpreise für Agrarprodukte könnten zu einem Überangebot führen. Verbraucher, vor allem Geringverdiener, könnten als Verlierer dastehen.

Preise für Lebensmittel: In der Corona-Krise steigen die Preise für frische Lebensmittel relativ stark an. Ein Grund sind die fehlenden Erntehelfer aus Osteuropa.

Kaffeepreis:  2023 werden die meisten Lebensmittel immer teurer (das hält sogar die Inflationsrate hoch). Die Kaffeepreise dagegen sinken deutlich. Was steckt dahinter?  2022 war die Kaffeeernte schlecht ausgefallen. Gründe waren Dürre, Frost und extreme Regenfälle, vor allem im Hauptanbauland Brasilien. Dadurch war das Angebot knapp geworden. Es hat sich in den vergangenen Monaten stabilisiert. Davon profitiert jetzt der verbraucher. Vgl. Die Zeit 10/ 2023, S. 21.

Fleischpreise/ Billigfleisch: In der Corona-Krise sind Fleischfabriken besonders betroffen. Sie haben große Corona-Ausbrüche. Am stärksten ist der größte deutsche Fleischbetrieb betroffen, die im Landkreis Gütersloh (Rheda-Wiedenbrück) liegt: Tönnies. Es gibt viele Ursachen für diese Ausbrüche. Die Firmen beschäftigen hauptsächlich billige Arbeitskräfte aus Osteuropa. Dei könnten das Virus bei Heimatbesuchen mitgebracht haben. Die Arbeiter wohnen auf engstem Raum in Sammelunterkünften. Sie essen auf engstem Raum in Kantinen. Forschungsprojekte sollen die schnelle Verbreitung noch klären. Nun wächst der Druck auf die Branche, den massiven Preiskampf zu unterbinden. Fleisch soll weder Luxusprodukt, noch Alltagsware werden. Werkverträge in der Branche sollen verboten werden. Die Praxis, komplette Ausführung von Schlachtarbeiten von Subunternehmern machen zu lassen, soll verboten werden. Die deutsche Fleischindustrie ist in der EU führend und auch weltweit mit an der 'Sitze. Sie produziert jährlich 8,6 Mio. Tonnen Fleisch. 4,1 Mio. Tonnen davon gehen in den Export. Es sollen schärfere Gesetze kommen. Eine Tierwohlabgabe soll das Fleisch teurer machen. Ende 2021 ist der Schweinepreis in Deutschland im Keller. Wegen der Schweinepest sind die Exporte nur begrenz möglich und die Nachfrage in Deutschland sinkt. 

Deckelung der Preise für Energie: 2021 sind die Energiepreise drastisch gestiegen: Strom +64%, Gas +63%, Benzin +28%. Das führt zu einer Diskussion. Sollte der Staat den Bürgern helfen, damit er den Rückhalt für den Klimaschutz behält? Er könnte etwa die Preise deckeln. Das führte aber zu einer künstlichen Verbilligung fossiler Energie, was ein gefährliches Signal sein könnte. Vgl. Tatje/ Kerbusk: Sollte der Staat die Preise deckeln? in: Die Zeit Nr. 3/ 13.1.22, S. 21. 2022 kommt die Forderung wieder auf im Ukrainekrieg im Zusammenhang mit einem Gas-Embargo gegen Russland oder einem Lieferstopp von Russland. Die EU-Kommission schlägt eine staatliche Preis - Deckelung gegen hohe Energiepreise vor. Es könnte durch eine Preisobergrenze an den europäischen Gasbörsen in einem Störungsszenario geregelt werden. Beim letzten Mal lehnten Deutschland und die Niederlande einen Markteingriff ab.

Gaspreisbremse: Die Gasumlage wird gekippt. Große Gasimporteure werden unter staatliche Treuhand gestellt oder verstaatlicht, um die Energieversorgungssicherheit zu gewährleisten. Die genaue Funktionsweise der Gaspreisbremse ist noch unklar (Expertenkommission, Veronika Grimm). Bis Mitte Oktober soll ein Gesetz fertig sein. Die Bremse wird über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds finanziert (200 Mrd. €, ursprünglich Schutzschild gegen Corona). Das Geld soll auch für eine Strompreisbremse verwendet werden. Da ein Schattenhaushalt bereit steht, soll die Schuldenbremse eingehalten werden. Hinzu kommt eine Mehrwertsteuersenkung auf Gas (vom 1.10.22 bis 31.3.24  7%). Ab 1. Januar 2024 fällt die Gaspreisbremse weg wegen des Urteils aus Karlsruhe zum Haushalt.

Industriestrompreis: Wenige Betriebe sollen Stromsubventionen erhalten. Das verzerrt den Wettbewerb. Eigentlich müssten für alle Betriebe die Stromsteuer gesenkt werden. Vgl. Holstein, Michael: Der geplante Industriestrompreis ist ein Irrweg, in: WiWo 26/ 23.6.23, S. 37.

Strompreis: Der Strompreis für Privathaushalte setzt sich im ersten Halbjahr 2023 wir folgt zusammen: Beschaffung, Vertrieb und Marge 0,22 € + Strom- und mehrwertsteuer 0,09 € + Netzentgelt und Messstellenbetrieb 0,08 € + Umlagen und Abgaben 0,03 € = 0,42 €. Quelle: Stromreport, Statistisches Bundesamt 2023.

CO2-Preis: 2024 ist der CO2-Preis in der EU binnen eines Jahres um die Hälfte gefallen. Dabei sollte er doch steigen. Funktionieret der Handel mit dem Klimakiller? Ursachen sind die schlechte Wirtschaftslage und die wieder sinkenden fossilen Energiepreise. Der Emissionsmarkt ist flexibel. Vgl. Waak, Jonas: CO2 zum Schnäppchenpreis, in: Die Zeit 12/ 14.3.24, S. 21. Der Preisverfall erschwert den Kampf gegen die Erderwärmung und verteuert grüne Investitionen. Vgl. Müller-Arnold, B./ Sauga, M.: Verschmutzen lohnt sich wieder, in: Der Spiegel 12/ 16.3.24, S. 57.

Mieten: In den Preis greift der Staat immer wieder ein. In Ballungsgebieten können Geringverdiener die Mieten nicht mehr bezahlen. Man überlegt, eine stärkere Begrenzung von Mieterhöhungen.

Preise für Wohnungen: 2023 sinken die Preise für Häuser und Wohnungen in Deutschland deutlich. Gründe sind die riesige Verunsicherung, die Energiegesetze, die steigenden Zinsen. Viele Menschen können sich den Kauf nicht mehr leisten.

Preismoratorium: Die beteiligten Parteien (oft Staat und Unternehmen) vereinbaren, für eine bestimmte Zeit die Preise einzufrieren.

Preisstrategie: Der Preis kann Aktionsparameter (Monopol) oder Reaktionsparameter (vollständiger Wettbewerb) sein. Bei letzterem spricht man auch von Preisnehmer (Price Taker), weil ein kleiner Käufer wenig Einfluss auf den Markt als Ganzes hat. Bei der Bündelung werden zwei oder mehr Produkte als Paket verkauft.

Preisabsprache: Das berühmteste und reale Beispiel ist das amerikanische Zuckerkartell. Der Preis lag höher als im freien Wettbewerb. Die Kosten trugen der Verbraucher. solche Absprachen sind heute gesetzeswidrig, aber nicht leicht zu erkennen. wichtig ist die Rolle der Kommunikation. Vgl. Friedrichsen, Jana: Preise absprechen, in: WZB Mitteilungen 181/ September 2023, S. 23ff.

Preisdifferenzierung: Preispolitik durch Spaltung des Absatzmarktes in Teilmärkte. Insbesondere eine Strategie des Angebotsmonopolisten. Der Markt kann räumlich, zeitlich, sachlich oder personell differenziert werden. Bei einer Marktagglomeration sind die Teilmärkte bereits vorgegeben. Vgl. Puhani, J.: Volkswirtschaftslehre für Betriebswirte, München 2009, S. 58ff. Ausgangspunkt der Preisdifferenzierung ist die Maximierung des Profites. Gründe können außer unterschiedlichen Märkten auch saisonbedingte Preise sein (Winter, Sommer), die Absatzmenge (verschiedene Rabatte) oder die Zielgruppe.  "Preisdifferenzierung liegt dann vor, wenn der gleiche Artikel des gleichen Herstellers zu verschiedenen Preisen an verschiedene Leute verkauft wird", Joan Robinson (1903-1983; The Economics of Imperfect Competition).

Dumping: Sonderform der räumlichen Preisdifferenzierung. Ein Gut wird im Ausland zu einem Preis angeboten, der die Herstellungskosten im Inland nicht deckt. Damit liegt er auch unter dem Inlandspreis des Gutes. Mit der Strategie des Dumpings wird oft gearbeitet, wenn es um eine langfristige Eroberung eines Marktes geht. Vor allem Japan mit seiner kooperativen Industriepolitik ist oft in Verdacht geraten.

Preisdynamik: Unter bestimmten Rahmenbedingungen kann ein kartellähnliches Verhalten der Verkäufer entstehen, ohne dass diese sich explizit absprechen. Dies kann vor allem vorliegen, wenn bestimmte Marktteilnehmer sich schnell auf aktuelle Lagen einstellen. Man spricht von "selbst organisierter Kartellbildung".

Preistreiberei: Merkliches Anheben der Preise, in der Regel aufgrund einer besseren Marktsituation. Als Musterbeispiel gilt die durchschnittliche Preissteigerung bei der Lufthansa bei Inlandsflügen nach Übernahme von Air Berlin.

Experimente: Mittlerweile wird die Preisbildung auf Märkten zunehmend mit Feld- und Laborexperimenten erforscht. Die Anfänge liegen in den USA (Vernon Smith 1956, Nobelpreis 2002). Bei Laborexperimenten, mit denen in der experimentellen Wirtschaftsforschung meist gearbeitet wird, ist die Übertragbarkeit auf das reale Leben umstritten. "Pricing" ist zu einem Forschungsgebiet geworden.

Effiziente Märkte, auf denen Preise alles sagen: Alle Investoren haben Zugang zu den gleichen Informationen. Deshalb ist es fast unmöglich, einen Profit zu machen Es sei denn, man verfügt über Sonderinformationen (wie beim Insiderhandel auf dem Aktienmarkt). Effiziente Märkte haben aber zahlreiche Annahmen (Gerard Debreu).  "Auf einem effizienten Markt ist der tatsächliche Preis eines Wertpapiers zu jedem Zeitpunkt ein guter Schätzwert für seinen intrinsischen Wert", Eugene Fama (Wirtschaftsnobelpreisträger).

Preisblase: Die Spekulation kann Vermögenswerte für eine gewisse Zeit verteuern. Wenn es sonst keine handfesten Gründe für Preissteigerung gibt, hat die Erwartung, dass eine einmal begonnene Verteuerung für Immobilien, Gold, Aktien sich fortsetzen wird, einen entscheidenden Einfluss. So können Anlageentscheidungen die Preise eine zeitlang wie eine Seifenblasen aufblähen. Eine Blasenbildung beginnt meist in guten Jahren. Wenn die Träume platzen, kann dies erhebliche Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben (Aktienblase, Immobilienblase). Preisblasen entstehen durch kollektiven Wahnsinn. Menschenmengen folgen viel zu hohen Preisen z. B. der Aktien.

Spekulation: Preiserwartungen in der Zukunft. Spekuliert wird mit allen Preisen (Güter, Rohstoffe, Zinsen, Aktien u. a.). Es ist eine Art Glücksspiel. Überwiegend werden Spekulanten negativ gesehen ("Kasinokapitalismus"). Es gibt aber auch positive Wirkungen auf Wohlstand und Wachstum. Spekulationen bündeln Erwartungen, häufig sind sie eher mit Unvernunft verbunden. Die Tulpenmanie 1630 in Holland gilt als eines der großen historischen Beispiele. Im 21-Jahrhundert ist die Dotcom-Blase bekannt geworden. Als Vordenker kann Charles Mackay (1814-1889) gesehen werden. Heute ist Robert Shiller einer der führenden Forscher auf diesem Gebiet (Irrationaler Überschwang, 2000).

Relative Preise: Es besteht ein Zusammenhang zur Einkommensverteilung. Das klassische Problem des Wertes wird durch die Theorie der "technischen Kosten" gelöst, die sowohl relative Preise als auch die Verteilungsvariablen  - Lohn oder Profitrate - festsetzt. Vgl. Sraffa, Piero: Production of Comodities by Means of Commodities, Cambridge 1960. Sraffa gehörte zum Kreis der Ökonomen um Keynes wie auch J. Robinson.

Preissteigerungen: Sie werden in der Regel als Inflation bezeichnet. Sie sind schwerpunktmäßig bei Geld/ Geldpolitik (Makroökonomik) abgehandelt. 2021 steigen die Preise. Das Leben wird teurer. Die Notenbanken drucken aber weiterhin Geld, weil dei hoch verschuldeten Staaten darauf angewiesen sind. Der Welt droht eine längere Phase mit höherer Inflation.

Preisgarantie: Höhere Energie-, Transport- und Peronalkosten nagen am Gewinn der Unternehmen. Trotzdem wollen einige Firmen die Preissteigerungen nicht eins zu eins an den Kunden weitergeben. Die Preisgarantie ist auch eine Werbestrategie.

Preis-Paradoxon: Gibt es häufiger bei Rohstoffen und Lebensmitteln. Etwa bei Kaffee: Obwohl der Preis 2015 auf dem Weltmarkt so günstig wie seit einem Jahr nicht ist, zahlen Kunden bei Tschibo und Aldi mehr. Das könnte am schwachen Euro oder auch an Spekulationen liegen.

Balassa-Samuelson-Effekt: Das Phänomen, das Preise (besonders von nicht handelbaren Gütern) in wohlhabenden Ländern mit hoher Produktivität höher sind als anderswo.

Preisbildung beim Gas: Früher entwickelte sich der Gaspreis parallel zum Ölpreis. Heute ist die Wechselwirkung komplizierter. Die Handelsströme sind stabil. Der Transport erfolgt über Pipelines oder Flüssiggas. Leitungen sind sehr teuer. So ist Flüssiggas in Japan doppelt so teuer wie in Europa. Seit 2005 werden immer größere Anteile auf Spot-Märkten angeboten (z. B. belgische Zeebrügge). Allerdings gibt es viele alte Lieferverträge in Europa, die einen gewissen Schutz bieten. Gerade die russische Erdgasindustrie muss liefern, weil Zukunftsprojekte mit China und Japan schwer finanzierbar sind. Die Stadtwerke geben in Deutschland meist Preissenkungen nicht weiter. Das Merrit - Order Prinzip führt dazu, dass die hohen Strompreise bei Gaskraftwerken, die zuletzt als Ausgleich einspringen, für Preissteigerungen verantwortlich sind. Die Gasspeicher sind im September 2022 zu 88% gefüllt. Die Industrie braucht weniger Gas. Beides könnte Preiseffekte nach unten auslösen. Im September 2022 geht der Preis auch nach unten. Die Gasumlage wird fallengelassen. Dafür kommt ein Gaspreisdeckel. Über die Finanzierung gibt es Streit. Schließlich greift man auf den Wirtschaftsstabilisierungsfonds für Corona zurück. 200 Mrd. E sollen zur Verfügung stehen. Die genaue Ausgestaltung wird bis Mitte Oktober 2022 geregelt.

Preistransparenz (bei Benzin): Wird gesetzlich beim Benzinmarkt eingeführt. Tankstellen müssen ihre Preise topaktuell melden. Die Daten wenn von der Markttransparenzstelle für Kraftstoffe verarbeitet (2013 eingerichtet). Das ist technisch mithilfe von Apps auf dem Handy möglich. Die Autofahrer können so die aktuellen Preise vergleichen. Die tanken dann auch vermehrt in "Preistälern". Vgl. Haucamp, J./ Heimeshoff/ Kehder/ Odenkirchen/ Thorwarth: Auswirkungen der Markttransparenzstelle für Kraftstoffe, in: Wirtschaftsdienst 2017/10, S. 721ff. .

Transparenz und Preise: Es gibt die Hypothese, dass Transparenz immer gut ist. Totale Transparenz kann aber auch negative Auswirkungen haben. Die EU-Kommission will die Erzeugerpreise transparent machen, um die Verhandlungsmacht der Landwirte zu stärken. Nebeneffekte könnten unerlaubte Preisabsprachen, Nivellierungen oder Verzögerungen.

Matching: Regelung auf Märkten, die sich kaum oder gar nicht über Preise regeln lassen. Hier findet ein Abgleich von Interessen , das optimale Verkuppeln von Wünschen statt (Partnervermittlung, Organspende, Parkplatzsuche). Vgl. Alvin E. Roth: Wer kriegt was und warum? München 2017.

CO2-Preis: Einer der wichtigsten Parameter für den Klimawandel. Die Steuerung erfolgt indirekt über die Mengenbeschränkung.

E-Pricing: 1. Elektronische Preispolitik. 2. Strukturrahmen (Komplexität). 3. Aktionsparameter (Preisdifferenzierung, nichtlineare Preissetzung, Preisbündelung, dynamic Pricing). 4. Potentiale (Erfolgspotentiale, Risiken). 5. Implementierung (Implementierungsstrategien). Vgl. Wirtz, Bernd W.: Electronic Business, Wiesbaden 2020 (7. Auflage), S. 647.

"Dynamic Pricing" (Dynamische Preissetzung): Dynamische Preise sind so alt wie der Handel selbst (Stammkunden, Gruppenpreise; räumlich, zeitliche und individuelle Differenzierung). Im Zuge des Online-Handels aber auch neuer technischer Möglichkeiten im stationären Handel werden die Preise zunehmend dynamisiert. Kriterien zur Beurteilung können sein: Gleichbehandlungsgebot, Transparenzgebot, Diskriminierungsfreiheit. Es könnte eine "Price Confusion" verbunden mit "Customer Confusion" entstehen. Vgl. Dynamische Preissetzung - Wer profitiert? in: Wirtschaftsdienst 2016/12, S. 863ff.

"Surge Pricing": Mechanismen zur automatischen Preissetzung von Unternehmen nach der jeweiligen Marktsituation. Bei Uber ist dies auch als Ubernomics bekannt. Bei mehr Fahrgästen steigen automatisch die Preise. Bei Facebook, Ebay und Airbnb sind auch Ökonomen im Einsatz, die solche Mechanismen konstruieren.

Preise und Algorithmen: Algorithmen werden für die Preisbildung im Internet immer wichtiger: Es könnte zu einer digitalen Paktiererei kommen. Das Verbot von Absprachen bei Kartellen ist auf Menschen bezogen. Was aber ist, wenn sich Algorithmen im digitalen Raum treffen?

Daten ersetzen den Preis? Im Datenkapitalismus könnte der Preis eines Produktes an Bedeutung verlieren. Daten könnten zum neuen Geld werden.

Preisbündelung: Reine Preisbündelung (nur im Bündel). Gemischte Bündelung (sowohl im Bündel als auch einzeln). Entbündelung.

Preis des Lebens: Der Wert eines Menschenlebens wird von Ökonomen versucht zu ermitteln. Das ist ein ethisch ganz schwieriges Thema. Man wendet verschiedene Messmethoden an. 1. Man berechnet zusätzliche Lebensjahre. 2. Value of statistical life: Wie viel Geld würde man ausgeben, um eine Todesgefahr abzuwenden. 3. Wert eines gewonnen Lebensjahres: QALY, Quality Adjusted Life Years. 4. Erfolgsaussicht: DIVI. Wer kommt an Beatmungsgeräte bei Engpass.

Trinkgeldkultur: Ein faszinierendes Gebiet. Es hängt eng mit der Kultur eines Landes zusammen. In bestimmenden Ländern ist das Trinkgeld Teil des Gehaltes, das einberechnet wird. Es wird somit auch eingefordert. So zahlen 2023 Kunden in den USA oft ein Trinkgeld von bis zu 30% und obendrauf oft noch eine Service-Gebühr. Man spricht schon von "Tipflation". Die Gastronomen sprechen von "Wohlfühl-Gebühr", die der Profitabilität des Geschäfts dient.

Greedflation bzw. Gierflation: In den USA wird schon länger über Greedflation diskutiert. In Deutsch spricht man von Gierflation. Gemeint ist, dass die Preissteigerungen zum großen Teil auf den "Profit-Hunger" der Hersteller zurückgehen. Viele Ökonomen in Deutschland halten die These für gerechtfertigt. Andere sprechen von einem Mythos. So hätten von den 32 in der Produktion tätigen Dax-Konzerne nur sechs ihre Rohertragsmarge verbessert (Eon, Infineon, Porsche AG, Daimler Truck, Qiagen). Bei den MDax-Konzernen sind es 14. Rohertrag=Umsatz abzüglich Materialaufwendungen. Quelle: Geschäftsberichte, HB 2.5.23, S. 4f.. Die Gewinnmargen sind insgesamt deutlich gestiegen. Die Entwicklung war in den Branchen aber sehr unterschiedlich. Der Preiskampf der Discounter wirkt bei Lebensmitteln sicher dagegen.

 

Wettbewerbspolitik (Staat/ Institutionen EU, Welt; Government Regulation of Industry; Wettbewerbspolitik in der Digitalisierung vgl. Digitalisierung und Wettbewerbspolitik auf der Page "Mercator/ digital")

Wettbewerb (Spiel auf Sieg):  Wettbewerb ist der Prozess, bei dem Unternehmen Umsätze erzielen und Gewinne steigern wollen. Welche Art von Wettbewerb herrscht, ist von mehreren Faktoren abhängig, darunter den Kosten für den Markteintritt, der Grad der Produktdifferenzierung, Skaleneffekte, der Umfang der verfügbaren Informationen  und das Verhalten der Unternehmen auf dem Markt. Vgl. Simply Wirtschaft, München 2022, S. 92.

Moral und Markt: Der Markt als Lenkungsmechanismus kann nur mit Moral, insbesondere dem Vertrauen zwischen Kunden und Lieferanten oder zwischen Gläubigern und Schuldnern, funktionieren. Allerdings sind dem Markt Bedingungen implizit vorgegeben, die es dem Menschen sehr leicht machen, die Moral beiseite zuschieben. Ein gutes Beispiel ist der Umgang mit Produkten, die mit Lohndumping und Ausbeutung in Entwicklungsländern im Auftrag westlicher Firmen hergestellt werden. Die Entfernung und das Ausblenden der Realität begünstigen den Kauf ohne moralische Skrupel. Jeder Mensch hat andere moralische Standards. Aber ohne einen Funken von Moral scheitern Märkte in ihren Ergebnissen. Dieser Mechanismus kann mit Experimenten belegt werden (z. B. von Armin Falk und Nora Szech; vgl. Die Zeit Nr. 21, 16.05.13, S. 21; auch K. I. Horn: Moral und Wirtschaft, München u. a. 1996).

Wirtschaftsordnungen: Walter Eucken (1891-1950, Grundsätze der Wirtschaftspolitik 1952; auch Grundlagen der Nationalökonomie, 1940) unterschied die Marktwirtschaft und die Planwirtschaft als Idealtypen. In der konkreten Ausgestaltung gibt es ein breites Spektrum von Differenzierungsmöglichkeiten. Wirtschaftsordnungen können transformiert werden (Transformation). Hier ist auf die Konsistenz von Einzelbereichen, die inhaltliche und zeitliche Koordinierung und die Kultur zu achten. Eucken war auch Mitbegründer des Ordoliberalismus. Diese zeigt auf, wie eine marktwirtschaftliche Ordnung beschaffen sein muss, damit sie Wachstum schafft und den Menschen dient. "Der Staat muss durch einen entsprechenden Rechtsrahmen die Marktform - das heißt die Spielregeln, in denen gewirtschaftet wird - vorgeben", Walter Eucken, Mitbegründer der "Freiburger Schule".

Leitbilder der Wettbewerbspolitik: Vollständige Konkurrenz, Funktionsfähiger Wettbewerb, Optimale Wettbewerbsintensität. Die Wirtschaftsordnung Deutschlands ist die Soziale Marktwirtschaft. Grundgedanke ist ein freier Markt, eingebettet in einem stabilen Ordnungsrahmen. Akteure, die am Markt nicht mithalten können, bekommen durch Umverteilung eine Zuteilung vom Ergebnis.

Wirtschaftsinstitutionen: Dazu gehören Gesetze, Sitten, Traditionen und Gewohnheiten. Innerhalb dieser Institutionen bewegen sich die Wirtschaftssubjekte. Gute Institutionen befördern die wirtschaftliche Entwicklung, schlechte behindern sie. Also sollte alles für gute Institutionen getan werden (Douglas North, Daron Acemoglu). "Institutionen sind die Motivationsstruktur einer Wirtschaft", Douglas North. Vgl. auch: Daron Acemoglu/ James A. Robinson: Warum Nationen scheitern. Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut, Frankfurt a. M./S. Fischer 2013. "Extraktive Institutionen kommen in der Geschichte so häufig vor, weil ihnen eine machtvolle Logik innewohnt: Sie können einen begrenzten Wohlstand hervorbringen und ihn einer kleinen Elite zuführen", Diess., ebenda, S. 193.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB): Grundlage der deutschen Wettbewerbspolitik. Es trat 1958 in Kraft (von Ludwig Erhardt gegen den erbitterten Widerstand der Industrie durchgesetzt). Zentrale Bereiche sind das Kartellverbot, die Missbrauchsaufsicht sowie die Fusionskontrolle. Institutionalisiert werden das Bundeskartellamt und die Monopolkommission. Auf europäischer Ebene ist der Wettbewerbskommissar (Joachim Almunia bis 2014, danach Margrethe Vestager, Dänemark) zuständig. 2009 soll das Kartellrecht in der EU verschärft werden: Schadensersatzklagen nach US-Vorbild. Ähnlich wie im deutschen GWB existieren im Wettbewerbsrecht der EU die gleichen drei Säulen. 2012 macht die EU massiv Druck gegen Google. Es wird Missbrauch der Marktmacht vorgeworfen. Die Klage der EU Kommission gegen das VW-Gesetz (Vetorecht des Landes) wird vom Europäischen Gerichtshof abgewiesen. 2013 beginnt eine Überprüfung des deutschen Ökostrom-Gesetzes. 2014 werden europäische Autzuliferer überprüft, die ihre Preise manipuliert haben sollen.  Die Bundesregierung will 2010 erstmals dem Bundeskartellamt Mittel in die Hand geben, mächtige Konzerne zu entflechten. Das amerikanische Anti-Trust-Recht enthält diese Mittel. Damit soll eine Gesetzeslücke geschlossen werden (Bekämpfung von "Frühstückskartellen"). 2013 kommt eine Novelle (Wasserpreise vs. Wassergebühren, Bahnregulierungsgesetz, Postgesetz). Im März 2017 wird die 9. Novelle des GWB verabschiedet. Sie soll insbesondere der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft Rechnung tragen. 2023 liegt die 11. Novelle im Entwurf vor. Es findet eine Anhörung und Stellungnahmen statt. die Eingriffsrechte sollen verstärkt werden. Das Regelwerk könnte die Gerichte beschäftigen. Konzerne können leichter entflochten werden (mit veränderten Entschädigungsregeln). Es gibt Rechtsunsicherheiten und kann ein destruktives Signal für Investoren sein. Der Grüne Sven Giegold könnte Nachfolger von Mundt werden.  "Die freie Marktwirtschaft ist ein wunderbares Instrument , um Wohlstand zu schaffen. Aber sie ist werteblind. Deshalb wird der Staat als Hüter der Ordnung gebraucht", Angela Merkel, Bundeskanzlerin. 2015 will Bundesjustizminister Maas das Gesetz verschärfen, um Schlupflöcher zu schließen. Konzerne sollen sich durch Umstrukturierung nicht mehr Kartellstrafen entziehen können.

Kartell: Für Unternehmer ist es oft vorteilhaft, Bündnisse zu schließen. Wenn nur wenige Lieferanten auf dem Markt sind, ist es sinnvoll, sich heimlich zu verbünden. Angehörige des Kartells können hohe Preise verlangen und bilden so ein virtuelles Monopol. Schon Adam Smith erkannte dies. Schon in den 1290er Jahren erließ der Herzog von Böhmen ein Gesetz gegen die Preisabsprache unter Erzhändlern. 1864 veröffentlicht der US-Ökonom George Stigler ein Buch darüber, wie man Kartelle aufrecht erhält (A Theory of Oligopoly). 1890 kommt in den USA das erste Antitrustgesetz. Vgl. Das Wirtschaftsbuch, London u. a. 2013, S. 70f.  Ende 2014 kommt es in den USA zu einer Klage gegen die BASF und Banken wegen Preismanipulation bei Platin und Palladium. "Wenn selbstlernende Algorithmen bemerken, dass Kartellpreise besonders profitabel sind, könnten Kartelle fast ohne menschliches Zutun entstehen - zum Schaden der Verbraucher", Wettbewerbsökonom Justus Haucap.

OPEC: Organisation Erdöl exportierender Länder. Es handelt sich um ein Kartell von zwölf Mitgliedsländern. Die Opec wurde 1960 in Bagdad von Saudi-Arabien, Iran, Irak, Kuwait und Venezuela gegründet. Sitz ist seit 1965 Wien. Ziel ist es, durch staatliche Kontrolle der Ölquellen und durch Förderabsprachen Gewinne zu sichern. 2014 fördert die Opec noch ein Drittel des weltweiten Erdöls und besitzt drei Viertel der Reserven. Ende 2014 scheitert eine Reduzierung der Fördermenge an Saudi-Arabien. Im April 2016 scheitert die Reduzierung der Menge zur Anhebung des Preises am Iran. Danach bricht der Ölpreis zunächst ein. Vorerst dürfte der Erdölpreis nicht stark steigen. Die OPEC befindet sich 2016 in einer Identitätskrise. Saudi-Arabien muss das Ziel der Preiskontrolle aufgeben. Der Iran hält dagegen und im Haushalt klafft eine große Lücke. Auch nach langen Verhandlungen kann man sich nicht auf eine Förderquote einigen. Der Nigerianer Barkindo wird neuer Generalsekretär. Ende 2016 will das Kartell weniger Erdöl fördern, um den Ölpreis zu stützen. Doch wichtige Förderländer wollen das nicht umsetzen (Russland, Saudi-Arabien). Trotzdem soll die Ölfördermenge runtergesetzt werden. Die OPEC verliert 2017 die Kontrolle über den Ölpreis. Die amerikanische Fracking - Industrie profitiert. Das Kartell zerfällt langsam. Viele Länder halten sich nicht an Absprachen (Brasilien, Kasachstan, Venezuela). Ende 2018 beschließt das Kartell eine Senkung der Fördermenge, weil die Preise abgesackt sind. Immer öfter entscheiden Russland und Saudi-Arabien. Sie einigen sich über Förderquoten. Russland dominiert. 2020 kommt es in der Corona - Krise zu einem Konflikt in der Opec. Der Preis geht in den Keller (27,6 US-$ 15.0420).Hinzu kommt die Ausweitung der Fördermenge in Russland, um den US - Fracking - Unternehmen zu schaden (Revanche  für Sanktionen der USA wegen North Stream 2). Schließlich einigt man sich auf eine Reduktion von -10% (Sonderegel für Mexiko). Ende 2020 geht es um die Fördermengen für das Jahr 2021. Die Fliehkräfte im Kartell werden immer größer. Bricht es auseinander? 2022 im Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine hält sich die Opec zurück. Sie erhöht nicht merklich die Fördermenge. 2023 reduziert Saudi-Arabien die Förder-Menge. Die Opec setzt auf steigende Preise.  Ende 2014 ist der Ölpreis im Keller (Überangebot von 30%). Eigentlich müsste die Fördermenge reduziert werden. Saudi-Arabien stößt mit deiner Preispolitik die ärmeren Mitgliedsländer vor den Kopf. Das Ölkartell steht 2015 vor der Zerreißprobe. Dies setzt sich 2016 fort. Ende 2018 verlässt Katar die Opec. Mit der Abwahl von Trump und der Wahl von Biden könnte der Iran zurückkehren. Das könnte einen Preiskrieg auslösen. Am 18.7.21 einigt man sich dann doch auf eine höhere Ölproduktion. Die Erholung der Weltkonjunktur macht dies möglich.

Nicht - Opec - Ölförderländer: Russland, Mexiko, Kasachstan, Oman, Aserbaidschan, Malaysia, Südsudan, Brunei, Sudan, Bahrain.

Kartelle: Mit dem Kartellrecht soll unlauteres Verhalten verhindert werden. Für die Überwachung des Kartellsverbots in Deutschland ist das Bundeskartellamt in Bonn zuständig. Für den europäischen Binnenmarkt ist der EU - Wettbewerbskommissar (ehemals Neelie Kroes, jetzt Joaquin Almunia) verantwortlich. Eine Weltkartellbehörde gibt es noch nicht (im Moment die WTO). Schwierig ist die Abgrenzung des relevanten Marktes. Absprachen gibt es vor allem bei relativ  homogenen Gütern. Es gibt eine Kronzeugenregelung (seit 1996) und Bußen. Meistens werden heute die Verfahren durch Selbstanzeige ausgelöst. In Zukunft sind auch Schadensersatzforderungen der Kunden möglich, die Kartelle noch unattraktiver machen. Geldbußen auf europäischer Ebene wurden verhängt u. a. gegen Eon und Gaz de France Suez 2009 (Marktabsprache beim Gas), gegen das Wachskartell 2008 und gegen das Fensterglaskartell 2007. 2013 verhängt die EU gegen Microsoft eine Strafe von 561 Mio. € (keine Auswahl des Internetbrowsers). Kartellstrafen treffen immer wieder die Zementindustrie, Pharmaindustrie (Vitamine) und Stahlindustrie. Ende 2009 z.B. wird Heidelberger Cement von der polnischen Kartellbehörde bestraft; die Kaffeeröster Tschibo, Melitta und Dallmayr müssen auch eine hohe Strafe zahlen (jahrelang Preise auf Kosten der Verbraucher künstlich hochgehalten). 2010 werden Preisabsprachen im Handel (Metro, Rewe, Edeka, Lidl, Rossmann) aufgedeckt, ebenso ein Brillenglas-Kartell und ein Tapetenkartell. Bekannt wurde 2010 auch die Kartellstrafe gegen die Schokoladenfabrik Ritter, die die Existenz des Unternehmens gefährden könnte. 2013 wird gegen ein Sanitärgroßhändlerkartell ermittelt. Das Bundeskartellamt prüft auch Fusionen. So etwa die Übernahme von Karmann durch Magna 2010, die abgelehnt wird. Auch die EU - Kommission kann Kartellstrafen verhängen. So 2010 622 Mio. € gegen ein Kartell von 17 Bad-Einrichtern und gegen ein Stahlkartell (Spann-Stahl, 500 Mio. €). Ende 2010 wird auch wieder mal gegen ein Zementkartell ermittelt. Unter den acht verdächtigen Firmen ist  auch Heidelberg Cement. 2011 rücken die E-Books-Verlage ins Visier der EU-Wettbewerbsbehörde. 37 Mrd. € soll der Schaden betragen, den Europas Konsumenten und Unternehmen jährlich durch Kartelle erleiden. 2011 bescheinigt das Kartellamt den fünf marktbeherrschenden Tankstellenbetreibern (Aral/BP, Shell, Total, Esso, Jet) für zu hohe Kraftstoffpreise gesorgt zu haben. 2011 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ein Stahlkartell, das in Europa der Bahn überhöhte Preise für Bahnschienen abgenommen hat. Sie nennen sich "Schienenfreunde". Im Herbst 2011 geraten die Kugellagerhersteller (Schaeffler, SKF) ins Visier der EU. Im November 2011 "outet" Henkel (Somat) Benckiser (Calgonit) bei Spültabs. Am bekanntesten waren folgende Fälle der EU-Wettbewerbsbehörde aus deutscher Sicht: 1994 wurde der Zusammenschluss von Bertelsmann und Kirch untersagt; 1996 erhielten Saint-Gobain und Wacker Chemie eine Absage; 1998 durfte die Deutsche Telekom Beta Research nicht übernehmen. 2012 verhängt das Kartellamt Millionenstrafen gegen die Stahlindustrie (Schienenlieferungen an die Bahn, "Schienenfreunde"). Ab 2013 will die Bahn ein Frühwarnsystem gegen Schäden durch Kartelle einrichten. Ende 2012 wird eine sehr hohe Strafe gegen ein Bildröhren-Kartell verhängt. 2013 verhängt das Bundeskartellamt Millionenstrafen für die Mühlenkonzerne. Im gleichen Jahr gerät Amazon ins Blickfeld der Ermittler (Klauseln für Drittanbieter). 2012 will die Bundesregierung eine Markttransparenzstelle beim Bundeskartellamt einrichten, um die Ein- und Verkaufpreise von Benzin und Diesel zu erheben und auszuwerten. Eine Reform des Kartellrechts ist 2012 in parlamentarischer  Beratung. So sollen z. B. auch die gesetzlichen Krankenkassen kontrolliert werden. Im November ermittelt das Kartellamt gegen die Post wegen Dumping bei Großkunden. Im November 2012 wird beschlossen, einen Spritpreis-Wegweiser einzuführen. Diese neue Meldestelle soll Autofahrer in Echtzeit über günstige Tankstellen in der Nähe informieren (App; "Unruhe ins Oligopol bringen"; die Internetportale nehmen im Herbst 2013 ihre Arbeit auf). Es soll eine Meldepflicht für Preisbewegungen an den Zapfsäulen innerhalb von fünf Minuten eingeführt werden. 2013 wird ein Kartoffelkartell aufgedeckt (Preisabsprachen der Kartoffelverarbeitungsbetriebe über Jahre zum Schaden der Bauern und Verbraucher, 100 Mio. € Schaden). Zwei Kartoffelzüchter beherrschen fast die Hälfte des Marktes (Kartoffelzucht Böhm, Lüneburg; Nordkartoffel Zuchtgesellschaft, Ebstorf). Im Mai 2013 werden Zuckerbetriebe durchsucht, um verbotene Preisabsprachen zu eruieren. Anfang 2014 verhängt das Bundeskartellamt eine Strafe von 106 Mio. € gegen deutsche Brauereien (Bitburger, Krombacher, Veltins, Barre). Auslöser des Verfahrens waren Informationen des Beck´s Herstellers Anheuser-Busch InBev. Es sind sowohl Fass- als auch Flaschenbier betroffen. Der deutsche Biermarkt ist seit Jahren rückläufig; es gibt einen harten Konkurrenzkampf. 2014 werden auch Strafen gegen Radeberger und Karlsberg erlassen. 2014 nimmt das Kartellamt die Bahn ins Visier: beim Fahrkartenverkauf die Konkurrenz benachteiligt? Südzucker akzeptiert fast 200 Mio. Euro Bußgeld (Verfahren nach fünf Jahren abgeschlossen). 2014 wird ein Verfahren gegen 25 Hersteller von Wurst- und Fleischwaren abgeschlossen (läuft seit 5 Jahren; Strafen von insgesamt 338 Mio. € gegen 21 Hersteller). Im Herbst 2014 folgen Millionenbußen (6,2 Mio. €) gegen ein Kartell von 14 Herstellern von Betonpflastersteinen. 2015 bestätigt ein Oberlandesgericht das Verbot des Kartellamts von Bestpreisklauseln beim Hotelportal HRS. Den deutschen Zuckerherstellern (Nordzucker, Südzucker, Pfeifer&Langen) steht eine Welle von Schadensersatzklagen ins Haus. Süßwarenindustrie und Einzelhändler sind durch Kartellabsprachen um Milliardenbeträge (3 Mrd.?) betrogen worden. Mitte 2015 verhängt das Bundeskartellamt eine 152 Mio. € - Buße gegen Edeka, Rewe, Kaufland, Metro und Aldi. Im Juli 2017 entsteht ein Kartellverdacht gegen die großen deutschen Automobilhersteller. Es geht um Absprachen bei der Technologie ("Thermofenster"). Daimler zeigt sich an. Der Sachverhalt ist sehr komplex und wird untersucht (z. B. Preisvergleich, Vergleichsmärkte). Jahrelang scheinen aber Politiker der Autoindustrie geholfen zu haben, möglichst wenig reguliert zu werden. Entscheidend ist, ob es sich um ein Kartell im Sinne des GWB handelt. 2023 wird ein LKW-Kartell angeprangert: Da sist zwischen Daimler, Volvo, MAN, Iveco und DAF. Es bildete sich von 1997 bis 2011. Der Bundesgerichtshof fällt Ende 23 ein Urteil gegen Daimler. Das kann zu hohen Schadensersatzforderungen führen.  "Die Unternehmen verstehen sich ohne Worte. Das führt zu überhöhten Preise", Andreas Mundt, Kartellamts-Präsident). Oliver Williamson, der die Arbeit von Kartellbehörden stark verändert hat, stirbt 2020. Er hatte auch den Nobel-Preis mit E. Ostrom 2009 bekommen. Er zeigte wie bedeutsam Transaktionskosten sind, die Märkte in hohem Maße mit sich bringen. Entweder spart man diese über Planwirtschaft im Unternehmen ein oder durch Absprachen zwischen Unternehmen.

Nutzen von Kartellen: Kartelle lohnen sich für Manager, Aktionäre und Unternehmen. Die Gewinne aus Kartellen übersteigen die Strafen bei Weitem. Insofern könnte man betriebswirtschaftlich sagen: Preise manipulieren, Karriere machen. Vgl. Schmid, Markus:  Preise manipulieren, Karriere machen, in: HBM April 2020, S. 16f.

Bundeskartellamt ( www.bundeskartellamt.de ): Es hat die Aufgabe, den Wettbewerb in Deutschland zu schützen und das GWB umzusetzen. Es ist eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums. Sitz ist Bonn. Dort arbeiten ca. 400 Menschen. In jedem Bundesland gibt es auch eine Landeskartellbehörde, die bei den Wirtschaftsministerien angesiedelt sind. 2013 prüft das Amt den Zusammenschluss von E-Mobile und O2. 2014 gerät das Kartellamt unter große Kritik: Die Geschäftsleute, insbesondere die Fachhändler, wehren sich gegen die Konkurrenz aus dem Internet. Doch das Bundeskartellamt unterbindet diese Maßnahmen und begünstigt die Onlinemärkte. Ein Grundproblem besteht darin, dass ein Großteil der deutschen Wirtschaft global agiert, die Behörde aber sich in erster Linie an lokalen Märkten orientiert. Aufgrund von Gesetzeslücken können Konzerne durch geschickte Umstrukturierung ihrer Tochtergesellschaften Bußgelder umgehen. Die Spritpreisstelle (Markttransparenzstelle für Kraftstoffe), die das Bundeskartellamt eingerichtet hat, scheint zu wirken. Viele Märkte sind immer noch national, so dass das Bundeskartellamt noch seine Berechtigung hat. Die meisten Kartelle werden aus Angst verraten. Bisher ignorieren die Kartellbehörden die Macht des Datenbesitzes. Damit werden die Internetgiganten zu wenig kontrolliert. Ende 2017 wagt sich das Amt an die Untersuchung von Vergleichsportalen. 2018 sollen verstärkt Internetdienste auf Verstöße überprüft werden. Die Unternehmen von Toll Collect haben den Steuerzahler betrogen (kommt 2018 raus). Toll Collect hat dem Staat jahrelang Millionen Euro zu viel in Rechnung gestellt. Die Regierung (Verkehrsministerium) stört das nicht. Die SPD und die Verbraucherverbände wollen 2019 dem Kartellamt mehr Kompetenzen im Kampf gegen die verbraucherunfreundlichen Vergleichsportale geben. Das Kartellamt soll zusätzlich mehr Befugnisse bekommen bei der Kontrolle der großen Digitalkonzerne (Google, Facebook, Amazon). Keine Bevorzugung von eigenen Produkten auf den eigenen Plattformen. Die Befugnisse des Kartellamtes sollen auch angesichts der Preisexplosion an den Energie- und Rohstoffmärkten 2022 erweitert werden. Das Bundeswirtschaftsministerium will verstärkt gegen unfairen Wettbewerb vorgehen. Ein besonderes Problem stellt die Regulierung der großen Tech - Konzerne dar. Weiterhin wird die Wettbewerbskontrolle durch politisch übergeordnete Gründe wie den Klimaschutz erodiert. Vgl. Interview mit Andreas Mundt, WiWo 20/13.5.22, S. 38f. Wirtschaftsminister Habeck will 2022 das Kartellrecht verschärfen. Auslöser sind die Mineralölkonzerne, die den Tankrabatt nicht weitergeben (behalten die Konzerne den Tankrabatt ein?). Unrechtmäßige Gewinne sollen leichter abgeschöpft werden können und Unternehmen sollen leichter zerschlagbar sein ("missbrauchsunabhängige Entflechtungsmöglichkeit"). Als "Ultima Ratio" können Konzerne präventiv zerschlagen werden. Die Erleichterung der Gewinnabschöpfung wird nicht einfach umzusetzen. Absprachen bei Oligopolisten sind schwer nachzuweisen ("Parallelverhalten" als implizite Absprache, weil die Preise offen sind). 2023 sollen mehrere Versorger bei der Gaspreisbremse abkassiert haben.   2014 widmet sich das Kartellamt der Forstverwaltung. Es spricht von einem Vertriebskartell. 2015 droht dem Kartellamt eine Niederlage gegen das Wurstkonglomerat. Böklunder (Tönnies) will sich durch einen Konzernumbau dem Bußgeld entziehen. 2015 verhängt das Kartellamt Bußgelder gegen Matratzenhersteller. Im Fall der geplanten Fusion von Tengelmann und Edeka hat das Bundeskartellamt Einwände (Fristverlängerung?). Die Unternehmen beantragen eine Ministererlaubnis. 2016 will Bundeswirtschaftsminister Gabriel die Fusion genehmigen unter harten Auflagen (Beschäftigungszusagen). Die 16.000 Arbeitsplätze müssen erhalten bleiben. Der Vorsitzende der Monopolkommission Daniel Zimmer tritt daraufhin aus Protest zurück.  Das Oberlandesgericht stoppt  den Zusammenschluss (mögliche Befangenheit von Gabriel). Der Bundeswirtschaftsminister will Rechtsmittel einlegen. Der BGH muss nun urteilen. Alle Beteiligten wollen eine Lösung finden. Es gibt eine Fristverlängerung für den Verkauf der Supermarktkette Kaiser`s Tengelmann bis 17.10.16. Am gleichen Tag beginnt der Verkauf der einzelnen Filialen (Zerschlagung). Der frühere Bundeskanzler Schröder wird Mediator in einer letzten Schlichtungsrunde. Rewe und Edeka können sich in vielen Regionen einigen. Schließlich einigt am sich Ende 2016 ganz. 2015 gerät der die Ticket-Plattform "Eventim" ins Visier des Kartellamtes (Prüfverfahren). Sie soll ihre Marktmacht missbraucht haben. 2015 wird auch gegen Verpackungsfirmen ermittelt (Verdacht auf Absprache). Es wird ein Bußgeld in Höhe von 115 Mio. € fällig (acht Hersteller und zwei Händler). 2015 werden auch Preisabsprachen zwischen Autozulieferern aufgedeckt. Vier deutsche und ein österreichischer Autozulieferer sollen wegen illegaler Preisabsprachen 75 Mio. € zahlen. 2014 verhängte das Bundeskartellamt Bußgelder in Höhe von 1120 Mio. € (neuer Rekord). Im Jahre 2015 verbietet das Bundeskartellamt Bestpreisklauseln bei Hotelportalen (HRS, Booking.com). Die Klauseln müssen bis Ende 2016 verschwinden, weil sie den Wettbewerb einschränken. 2016 rückt Facebook in das Visier des Bundeskartellamtes: Bei den Vertragsbestimmungen zur Verwendung von Nutzerdaten soll die marktbeherrschende Stellung ausgenutzt werden. Im Mai 2016 spricht das Kartellamt Strafen gegen die Handelsketten (Edeka, Netto, Kaufland, Lidl, Metro, Rossmann) aus wegen Preisabsprachen  bei Bier , Süßigkeiten und Kaffee. Das Kartellamt kritisiert die Konzentration im Lebensmittelhandel. Im März 2017 wird der deutsche Milchmarkt kritisiert (übliche langjährige Verträge mit Ausschließlichkeitsklauseln). 2017 müssen einige Batteriehersteller Bußgeld bezahlen (28 Mio. €; Zuschlag für Preisschwankungen). 2017 gerät wieder mal die Stahlbranche unter Kartellverdacht. Anfang 2018 droht das Kartellamt Facebook mit Sanktionen (Missbrauch von Marktmacht). Wursthersteller "Rügenwalder" muss 2018 wegen verbotener Preisabsprachen eine Geldbuße in Höhe von 5,5 Mio. € zahlen. Anfang 2018 geraten wieder mal die deutschen Autobauer unter Kartellverdacht: Sie sollen sich bei beim Einkaufspreis von Stahl abgestimmt haben. Im September 2018 schließen sich Kaufhof (Eigentümer HBC) und Karstadt (Eigentümer Signa) zusammen. Es sind 243 Standorte und 32.000 Mitarbeiter betroffen. Nötig ist noch die Zustimmung der Kartellämter. Im November 2018 billigt das Bundeskartellamt die Fusion. Im November 2018 kritisiert das Amt den Ablesemarkt in Deutschland (nur wenige Ablesefirmen). Dominant sind Ista und Techem, die Finanzfirmen gehören und traumhafte Renditen erwirtschaften. Bis März 2019 will das Kartellamt über Facebook entscheiden (Missbrauch von Marktmacht, Sammeln von Nutzerdaten aus Drittquellen, z. B. WhatsApp). 2019 will das Kartellamt die Vergleichsportale überprüfen. Das Verfahren gegen elf Brauereien, das 2014 eröffnet wurde, läuft 2019 noch weiter. Es geht um Preisabsprachen. Mitte 2019 knickt Amazon vor dem Bundeskartellamt ein: Änderung der Geschäftsbedingungen: Umgang mit Händlern. 2019 müssen die deutschen Autobauer VW, Daimler und BMW eine Kartellstrafe zahlen wegen Absprachen  bei Stahl (100 Mio. €).  Ein Stahlkartell muss im Dezember 2019 646 Mio. Euro Bußgelder zahlen (ThyssenKrupp, Voestalpin, Salzgitter). Im Januar 2020 verhängt das amt Millionenbußen gegen Großhändler von Pflanzenschutzmitteln (155 Mio. €). Die Raiffeisengenossenschaft Karlsruhe (Raiffeisenmarkt; Absprachen bei Preisen) zahlt eine Buße und das Kartellverfahren wird eingestellt. 2020 kommt raus, dass ein LKW-Kartell die Bundeswehr geschädigt hat. 2021 wird ein Kartell von Stahlschmieden aufgedeckt (Kronzeugenantrag der Hirschvogel-Schmiede in Denklingen). Sie müssen 35 Mio. € zahlen.  "Auf unserer Agenda stehen die digitale Wirtschaft, die Wasserkosten und die Entsorgungsbranche", Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, im März 2017. "Das Bundeskartellamt hat in den vergangenen Jahren immer mehr Kompetenzen gewonnen. Sein Einfluss auf die Wirtschaft ist dadurch gewachsen. Man muss aufpassen, dass das Amt nicht zu einer allumfassenden Wirtschaftskontrollbehörde wird", Justus Haukamp, Uni Düsseldorf, ehemaliger Vorsitzender der Monopolkommission. Quelle: WiWo 9, 26.2.2021, S, 26. Im September 2023 schaltet Edeka Das Bundeskartellamt im Streit mit Kellogg ´s ein.

Monopolkommission: Sie ist im GWB institutionalisiert als unabhängiges Beratergremium. Sie beobachtet regelmäßig die Wettbewerbssituation und fertigt darüber Gutachten (Hauptgutachten) an. Zu speziellen Problemen des Wettbewerbs kann es Sondergutachten geben (TKG, PostG, AEG, EnWh). Die Geschäftsstelle ist in Bonn. Dort sind 15 Leute beschäftigt. 12 davon sind Wissenschaftler. Mitglieder der Kommission sind fünf Personen: 3 Personen müssen aus der Wirtschaft sein. Seit 2012 ist Daniel Zimmer (Uni Bonn) der Vorsitzende. Seit 2016 ist Achim Wambach an Spitze. Schwerwiegende Verstöße gegen das Kartellrecht sollen zukünftig mit Bußgeldern und Freiheitsstrafe geahndet werden können. Vgl. Daniel Zimmer: Weniger Politik! Plädoyer für eine freiheitsorientierte Konzeption von Staat und Recht, 2013. Im Jahre 2015 kommt ein Sondergutachten zu den Herausforderungen digitaler Märkte. Im Jahre 2016 trägt das Hauptgutachten den Titel "Sharing Economy und FinTechs" (Neunte Novelle des GWB).2024 ist Jürgen Kühling Chef der Monopolkommission (seit 2020). Der Jurist lehrt an der Uni Regensburg. Er rügt 2024 den politischen Dirigismus bei der industriellen Transformation. Er nimmt den Fernwärmemarkt ins Visier. Vgl. Lutz, Jan: "nicht im Klein-Klein verlieren", in: WiWo 6/ 2024, 2.2.24, S. 40f.  "Ich wäre vorsichtig mit strukturellen Eingriffen. Google hat sich seine Marktstellung nicht "gestohlen" - sondern bekommen, weil die Google-Suche für viele Bürger Mehrwert bedeutet", Daniel Zimmer, in: Handelsblatt, Nr. 220, 14. November 2014, S. 85. Mitte 2015 fordert die Monopolkommission die Zerschlagung der Bahn. Im August 2015 spricht sich auch die Monopolkommission gegen die Übernahme von Tengelmann durch Edeka aus (Gutachten gegen Ministererlaubnis). Nach der Ministererlaubnis 2016 tritt der Vorsitzende Zimmer zurück. Nachfolger wird Achim Wambach (auch Präsident des ZEW). Die Monopolkommission kommt in ihrem Gutachten 2018 zu folgenden Ergebnissen: Die Umsatzkonzentration in Deutschland hat sich zuletzt relativ konstant entwickelt, die Preisaufschläge von Unternehmen nach der Wirtschafts- und Finanzkrise sind deutlich angestiegen. Indirekte Unternehmensverflechtungen über institutionelle Investoren stellen ein potentielles Wettbewerbsproblem dar.Monopolkommission: XXII. Hauptgutachten, Wettbewerb 2018, Baden-Baden 2018.

Wettbewerbszentrale: Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e. V.: Eine Selbstkontrollstelle der Wirtschaft in Bad Homburg, die unfaire und unlautere Geschäftspraktiken bekämpfen soll. Sie wird unabhängig tätig bei Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). eine erste Gründung gab es bereits 1912, dann wieder 1949. Es gibt auch einen Prozesskostenfonds.

Bundeswirtschaftsminister: Bei ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland muss das Ministerium eine Unbedenklichkeitserklärung abgeben. Die Regelung beruht auf dem Außenwirtschaftsgesetz. 2016 sollen die Verbotsrechte gegen Nicht-EU-Investoren erweitert werden. Vor allem China werden unfaire Übernahmepraktiken vorgeworfen. So stoppt der Minister den Aixtron-Verkauf (Chiphersteller), weil staatlich kontrollierte Fonds hinter den Käufern stehen. Bedenken gab es schon beim Roboterhersteller Kuka. Osram wollen die Chinesen auch kaufen. Die Bundesregierung arbeitet daran, explizit ein Veto gegen Übernahmen von Firmen außerhalb der EU zu haben. Es geht insbesondere um mehr Zeit für die Prüfung. Es werden Zusatzkriterien eingeführt (bisher: öffentliche Ordnung, Sicherheit; neu: Wasser-, Gesundheits- und Stromversorgung).Auch die EU will sich gegen den Ausverkauf wichtigen Technologie-Know-hows schützen. Das europäische Recht soll noch 2017 geändert werden.

EU-Wettbewerbskommissar: Die EU kann auch Kartellstrafen verhängen. Die höchste Strafe wurde 2012 gegen Produzenten von TV- und PC-Monitoren verhängt (1,47 Mrd. €). Betroffen waren auch folgende Brachen: Autoglas, Euro-Zinsderivate, Aufzüge, Luftfracht, Vitamine, Kerzenwachs, Yen-Zinsderivate und Flüssiggaskristalle. 2014 gibt es eine Strafe von über 900 Mio.€ gegen ein Autozulieferer-Kartell (KFZ - Wälzlager). Allein Schaeffler in Deutschland muss über 370 Mio. € zahlen. 2014 will Siemens einen Teil von Alstom übernehmen (Energie, Gasturbinen). Miitsubishi aus Japan soll die Dampfturbinen haben. Alstom kann mit Wind und Solar eigenständig bleiben. Über das Zuggeschäft soll später entschieden werden. GE dürfte sein Übernahmeangebot des gesamten Konzerns erhöhen. Die französische Industriepolitik entscheidet sich für GE: Der Staat übernimmt selbst auch 20% von Alstom. In der neuen EU-Kommission nach den EU-Wahlen 2014 ist die Dänin Margarethe Vestager für Wettbewerb zuständig (eine der mächtigsten Personen in Brüssel). Sie ist Ökonomin. Sie legt sich mit Weltkonzernen an (Google, Gazprom, Amazon). Der starke Anstieg von Firmenkäufen durch Investoren aus Fernost führt zu der Forderung, eine EU-Kontrolle für Käufer aus China einzuführen. Politiker fordern eine Aufsichtsbehörde (ausländische Investoren auf Motive prüfen). Durch die Verfahren gegen Google wird Vestager zum Star. Im Juli 2018 muss Goggle in der EU eine Strafe von 4,34 Mrd. Euro zahlen. Die EU-Kommission (EU-Wettbewerbskommissarin Vestager) rügt damit die beherrschende Marktstellung des Betriebssystems Android (Pflicht für Google Play und Google-Suchmaschine). Google will Widerspruch einlegen. Die EU durchkreuzt Googles Geschäftsmodell. 2020 legt die EU-Vizepräsidentin Vestager ein Weißbuch zur Wettbewerbspolitik vor: Die EU will sich gegen chinesische Subventionen wehren. Es könnte Verhandlungsmasse für die EU sein. Unklar ist, wie die Thesen in konkrete Politik einfließen. 2021 schafft die EU 144 neue Stellen. Sie sollen Wettbewerbsverzerrung bekämpfen und  die  Vizepräsidentin Vestager unterstützen. Es geht um Subventionen aus Drittstaaten.  2014 verhängt die EU-Kommission eine Millionenstrafe gegen ein Pilzkonservenkartell. Ende 2014 geraten die Lastwagenhersteller unter Kartellverdacht (Daimler, MAN, Volvo, Scania, Iveco). Nach der Financial Times soll die Zusammenarbeit schon seit 14 Jahren bestehen. Die EU-Wettbewerbskommissarin muss auch noch über Beschwerden mehrer US-Konzerne zum Nürburgringverkauf entscheiden. Nach der Strafe gesehen das größte Kartellverfahren der EU war 2012 gegen Philips, LG u. a. für Absprachen bei Fernseher, Computerbildschirme (1,47 Mrd. €). 2015 wird das bisher größte europäische Verfahren gegen Google eingeleitet. Es geht um den Vorwurf, dass die Suchmaschine Google - Unternehmen massiv bevorzugt (besonders bei Preisvergleichen). In Europa laufen über 80% aller Suchvorgänge über Google (in Deutschland sogar über 90%). Das Verfahren bezieht sich auch auf das Betriebssystem Android (insgesamt 6 Mrd. €). 2016 wird das Verfahren erweitert: Es geht um unfairen Wettbewerb bei Werbung. Eberspächer und Websto müssen eine EU-Kartellstrafe zahlen, weil sie die Preise bei Auto-Standheizungen abgesprochen haben. Der deutsche Rüstungskonzern KMW und der französische Rüstungskonzern Nexter wollen fusionieren. Hier muss der EU-Kommissar entscheiden (die Trümpfe aus der Fusion liegen auf französischer Seite). Im Juli 2016 wird eine Strafe gegen ein LKW-Kartell verhängt (Verkaufs-Preisabsprachen, Zeitplan für Einführung neuer Technologien, 14 Jahre). Es handelt sich um drei Mrd. Euro gegen vier LKW-Produzenten (Daimler, Volvo/Renault, Iveco, DAF). Die Münchener VW-Tochter MAN muss nicht zahlen, weil es das Kartell als Hinweisgeber aufgedeckt hat. 2016 verdächtigt die EU-Kommissarin Margarethe Vestager das russische Gasunternehmen Gazprom, in fünf osteuropäischen Ländern unfaire Preise zu diktieren. 2016 stellt die Wettbewerbskommisarin fest, dass Apple in Irland Steuererleichterungen in Höhe von 13 Mrd. € gewährt wurden, die wettbewerbswidrig waren ("unzulässige rechtliche Konstruktionen"). Das Land, die USA und der Konzern wehren sich. Apple muss die Steuern nachzahlen auf ein Sperrkonto, Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. 2016 untersucht die EU-Wettbewerbsbehörde die Übernahme der kroatischen Tochter von Cemex durch Heidelberg Cement. Der französische Autobauer PSA (Peugeot/ Citroen) will 2017 Opel von GM übernehmen oder zumindest eine Kooperation mit GM eingehen. Im März 2017 wird der Kaufvertrag (Memorandum of Understanding) abgeschlossen (1,3 Mrd. €; 900 Mio. € für Bank; Patente können gegen Lizenzerwerb genutzt werden; 88 Jahre bei GM). Die EU-Kommission genehmigt für die EU den Zusammenschluss der US-Chemie-Riesen Dow und Dupon unter Auflagen. Im April 2017 genehmigt die EU-Kommission die Fusion von Fox und Sky. Die Fusion der niederländischen Fahrradbauer Accell und Pon zum größten Fahrradhersteller der Welt platzt. Facebook muss 110 Mio. € Strafe zahlen, wegen falscher Angaben zu Whats App (Adressenweitergabe). 2017 droht Google in einem Verfahren der EU-Wettbewerbsbehörde zur Shopping-Suche eine Milliardenstrafe (10% vom Umsatz). Eigene Dienste sollen bevorzugt worden sein. Das Verfahren ist nur eines von dreien. Die EU verhängt ein Rekord-Bußgeld (2,42 Mrd. €). Im August 2017 beschwert sich der irische Fluganbieter Ryan Air bei der EU und beim Bundeskartellamt über die Hilfe der Bundesregierung für die insolvente Air Berlin (Überbrückungskredit über die KfW; unerlaubte Wettbewerbsunterstützung für die Lufthansa). Die Wettbewerbs-Beschwerde dürfte wenig Aussicht auf Erfolg haben, weil die Bundesregierung damit argumentiert, dass sie das Interesse der Bürger schützt, die Flüge gebucht haben.  Es gibt aber Bedenken des Bundeskartellamtes und der Monopolkommission gegen die ungeprüfte Übernahme großer Teile von Air Berlin durch die Lufthansa. Es entsteht der Anschein einer professionell geplanten Subvention.2017 geben Siemens und Alstom aus Frankreich bekannt, dass sie bei der Bahntechnik fusionieren wollen. So würde 2018 der zweitgrößte Bahntechnikkonzern der Welt entstehen (Sitz Paris; Weltmarktführer ist CRRC in China). Man will auf dem Weltmarkt bestehen können. Die Fusion stockt. Die Politik soll helfen. Die Firmen wollen 2019 Konzessionen machen gegenüber den EU-Kartellwächtern. Doch die EU-Wettbewerbskommissarin lehnt den Zusammenschluss am 06.02.19 ab (Monopol in der EU, Preissteigerungen). Im Oktober 2017 beantragt Daimler den Kronzeugen-Status bei den EU Behörden. Es geht um Absprachen von Daimler, BMW, VW (auch Töchter Audi und Porsche) über ihre Autos, Kosten und Zulieferer. Kern ist, dass man umweltfreundlichere Technologien nicht in vollem Umfang genutzt hat (Abgastechnik). Die Firmen müssen mit Bußgeldern der EU in Milliardenhöhe rechnen. Brüssel strebt eine gütliche Einigung an. BMW will aber nicht mitmachen. Im Januar 2018 verhängt die EU-Kommission (Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager) eine Kartellbuße gegen den US-Chiphersteller Qualcomm (Zahlung an Apple, um Konkurrenten zu beihindern). Der EU-Wettbewerbskommissar stimmt der Übernahme von Monsanto durch Bayer zu, bei strengen Auflagen. Mastercard muss 2019 571 Millionen Euro Kartell-Strafe zahlen wegen zu hoher Gebühren. 2019 hegt die EU den Verdacht auf ein Anleihenkartell. Acht Banken könnten beteiligt sein. Die verbotenen Aktionen wurden mutmaßlich zwischen 2007 und 2012 durchgeführt. Die EU straft Google im März 2019 mit 1,49 Mrd. Euro ab (marktbeherrschende Stellung bei Online-Werbung ausgenutzt). Fiat - Chrysler und Renault verhandeln 2019 über eine Fusion. Damit würde einer der größten Autohersteller der Welt entstehen. Die Fusion scheitert (Beteiligung des französischen Staates an Renault). 2019 will die EU den Deal von E.on und RWE durchwinken - trotz Bedenken von Wettbewerbern und Verbrauchern. Das geschieht auch im September. RWE wird zum Produzenten und Großhändler von Strom. Eon konzentriert sich auf den Transport und Verkauf von Strom. Im November 2019 einigen sich Fiat/ Italien und PSA/ Frankreich auf eine Fusion. Vorerst sind keine Werksschließungen geplant.  Sie kommt im Dezember 2019 tatsächlich zustande. Damit bildet sich der viertgrößte Autokonzern der Welt. Die Übernahme von Condor durch die polnische Fluggesellschaft Lot scheitert, das Lot in der Corona-Krise selbst in Schwierigkeiten gerät. Wahrscheinlich muss der Staat wieder Condor helfen. Ende Mai 2020 genehmigt die EU-Kommission die Beteiligung des deutschen Staates an der Lufthansa. Diese verzichtet dafür auf Landerechte in Frankfurt und München. Sie können an Fluggesellschaften versteigert werden, die nicht staatlich subventioniert werden. Gegen VW und BMW verhängt die EU-Kommission eine Kartellstrafe in Höhe von 875 Mio. € (Wettbewerbseinschränkung, Austausch von Infos über Abgase, Vergleich). Daimler muss nicht zahlen, weil es den Fall gemeldet hatte. 2022 droht Apple  eine hohe Strafe in der EU. Der US-Konzern verstößt gegen Wettbewerbsvorschriften: Der Zugang zu einer Standardtechnologie für kontaktlose Zahlungen mit mobilen Geräten sei beschränkt. 2023 erhält Intel eine hohe Strafe der EU: 376 Mio. € wegen rechtswidriger Marktverdrängung von AMD bei Prozessoren.

EU-Gericht für Wettbewerb, Luxemburg: Es entscheidet in der EU über Wettbewerbsstreitigkeiten. 2018 verklagt die Lufthansa Ryanair und die EU (hatte 2014 die Beihilfen für legal erklärt), weil sie Subventionen am Flughafen Hahn bekommen habe. Die günstigen Konditionen für die irische Fluggesellschaft sollten als illegale Beihilfe gewertet werden. Die Richter folgten 2019 dieser Argumentation nicht. Für jede Fluggesellschaft am Hahn hätten die gleichen Konditionen gegolten. In den Genuss der Subventionen kam auch Fraport, die Mehrheitseigentümerin am Hahn war. Ab 2024 muss der Hahn ohne Subventionen auskommen.

EU-Kartellrecht: Die EU-Kommission will das Recht ab 2020 modernisieren. Damit will sich Europa auch gegen die US-Digitalkonzerne und die chinesischen Staatsunternehmen schützen. Die Industriepolitik soll aber auch verstärkt werden. Damit ist die Wettbewerbspolitik an einer Wegscheide: Sollen Wettbewerb und Markt im Mittelpunkt stehen oder mehr industriepolitische Interessen. Hinter der ersten Position steht Deutschland, hinter der zweiten Frankreich. Die Fusionskontrolle muss auf jeden Fall verbessert werden (Einbeziehung der Akquisitionshistorie). Die Wettbewerbshüter müssten auch schneller arbeiten.

Schwächen in der EU-Kartellprüfung: Es gibt Personalbewegungen bzw. Peronaltausch  zwischen der Prüfung von Fusionen und den Unternehmen der Gegenseite. Die EU scheint nichts dabei zu finden, dass Prüfer und Berater munter hin und her wechseln. Die Beratungsunternehmen verdienen damit eine Menge Geld. Zu ihnen gehören Compass Lexecon, RBB Economics, Charles River Associates, Oxera. Die Konzentration auf den Märkten nimmt unaufhaltsam zu. Die Kartellbehörden sind gegenüber ihren privaten Widersachern mittlerweile in der Defensive. Vgl. Sauga, Michael: Karusell der Lobbyisten, in: Der Spiegel 9/ 24.2.24, S. 66f.

Für den Klimaschutz sollen strenge Wettbewerbsregeln gelockert werden. Grüne Kooperationen und Absprachen von Unternehmen sollen erleichtert werden. Das könnte die Preise nach oben treiben. Ökonomen warnen vor einem Dominoeffekt. Vgl. Wettlach, Silke: Kartelle für das Klima, in: WiWo 32/ 5.8.22, S. 38f.

Relevanter Markt für globale Wettbewerbsfähigkeit: Konzerne kommen immer wieder mit dem Argument, Fusionen wären notwendig im Hinblick auf den Weltmarkt und die globale Wettbewerbsfähigkeit. Genauso wie sie vorher Monopol-Argumente auf dem deutschen Markt mit dem Hinweis auf den Binnenmarkt begründet haben. Manche plädieren deshalb dafür, die Wettbewerbskontrolle aus der EU-Kommission herauszunehmen und sie einer unabhängigen Behörde zu übertragen. Damit wäre die politische Macht der großen Konzerne vielleicht besser unter Kontrolle. Die Definition eines relevanten Marktes ist aber außerordentlich schwierig. So könnte China etwa seinen Anteil an der Weltbevölkerung als Maßstab nehmen. Dann wäre sein Marktanteil noch erheblich ausdehnbar. Dieser Aspekt spielt eine Rolle bei der beabsichtigten Fusion von Siemens und Alstom in der Bahntechnik. Beide begründen dies mit der Wettbewerbssituation gegen CRRC aus China (70% des Weltmarktes). Doch die EU-Wettbewerbskommissarin lehnt ab wegen möglicher Preissteigerungen auf dem EU-Markt wegen Monopol-Situation. Deutschland und Frankreich erwägen, dass europäische Wettbewerbsrecht zu ändewrn, um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Großkonzerne auf dem Weltmarkt zu gewährleisten. 

Eine Weltkartellbehörde gibt es noch nicht (im Moment ersatzweise das International Competition Network, ICN und die World Trade Organization, WTO). Die Staaten handeln nach dem Auswirkungsprinzip (Effects Doctrine) und streben bilaterale Abkommen an. Kapitel V der Havanna-Charta von 1948 nicht ratifiziert. Kartelle gibt es vor allem bei relativ homogenen Gütern. Das ICN wurde 2001 von den Wettbewerbsbehörden in der EU, in Australien, Frankreich, Deutschland, Israel, Italien, Japan, Mexiko, Südafrika, Sambia, Südkorea, Großbritannien und der USA gegründet. Mittlerweile gibt es 90 Teilnehmerstaaten. Es handelt sich um ein loses globales Netzwerk (Arbeitsgruppen, Jahresversammlungen). Zu diesem Thema habe ich einen Vortrag gehalten. 2013 fliegt in Kanada ein Schoko-Kartell auf. Es sind die Firmen Nestle, Mars und eine kanadische Vertriebsfirma in Verdacht. Mehrere Klagen gibt es mittlerweile (2015) gegen ein Weltluftfracht-Kartell. Die Klagen werden  jeweils gegen die national Beteiligten erhoben. In Deutschland gegen die Lufthansa (von Bahn, BMW, Bosch). Der US-Saatgut- und Genpflanzen-Produzent Monsanto will 2015 das US-Saatgutgeschäft des Schweizer Agrarchemiekonzerns Syngenta übernehmen.  Dazu sollen milliardenschwere Geschäftsverkäufe gemacht werden, um die Zustimmung der US-Wettbewerbshüter zu erhalten. In den USA wollen sich Dow Chemical und Dupont zum weltgrößten Chemieunternehmen zusammenschließen. Die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden steht noch aus (auch ob sie überhaupt notwendig ist). Davon wäre auch die BASF massiv betroffen. 2016 will ein chinesisches Investorenkonsortium die Hotelkette Starwood (Sheraton) kaufen. Ein Rückzieher gibt Marriot freie Bahn zur Übernahme. 2016 gibt es auch Spekulationen über eine Allianz der Stahlsparten von Thyssen-Krupp und Tata (GB, Indien). Dann würde ein neuer Stahlgigant beben Arcelor/ Mittal entstehen. Man könnte Synergien nutzen.  Im Mai 2016 will Bayer den US-Saatgutriesen Monsanto übernehmen. Die beiden Unternehmen ergänzen sich gut bei Pflanzenschutz und Saatgut. Monsanto zögert. US-Anleger glauben noch nicht an eine Übernahme. Sie warten auf eine Erhöhung der Leverkusener Offerte (130 $ pro Aktie?). Im September 2016 erhöht Bayer sein Übernahmeangebot auf über 65 Mrd. Dollar. Schließlich kann Bayer im September 2016 Monsanto übernehmen für knapp 58,7 Mrd. € (66 Mrd. ). Kartellbehörden rund um den Globus müssen zustimmen (30; 5 Banken finanzieren). Ohne Auflagen wird der Deal kaum durchgehen. Bayer wird Teile des Geschäfts verkaufen müssen. Bayer musste sich gegen drei Wettbewerber durchsetzen, unter anderem auch gegen die BASF. Bei der Übernahme droht auch Ärger mit der EU. Bayer und Monsanto planen 2017 Verkäufe. Einen Teil kauft die BASF. 2018 kann die Übernahme abgeschlossen werden (Zustimmung von Mexiko, Kanada steht noch aus). Im September 2016 kauft das Kölner Lanxess den US-Konkurrenten Chemtura für 2,4 Mrd. Euro. 2016 verhandeln Linde, München und Praxair, USA über eine Fusion. Vorerst stellt sich 2018 die US-Kartellbehörde quer. Die Brauereiriesen AB Inbev und SAB Miller können im Herbst 2016 ihre Fusion abschließen. Mehrere Brauerein mussten verkauft werden (Grolsch, Peroni u. a.). Der britische Zigarettenhersteller BAT (Lucky Strike) will für 47 Mrd. $ 2016 den US-Rivalen Reynolds (Camel) übernehmen. 2016 steht die Medienbranche in den USA vor einer Megafusion: Der Telekommkonzern AT&T will für 85 Mio. $ Time Warner übernehmen. 2017 will der britische Konsumgüterkonzern Reckit Benckiser für 16,7 Mrd. Dollar einen amerikanischen Hersteller für Babynahrung übernehmen (Mead Johnson Nutrition). 2017 will Kraft Hein aus den USA Unilever aus Niederlanden/ GB übernehmen. Die Pläne werden aufgegeben. Das indische Unternehmen Tata Steel und Thyssen-Krupp wollen der Stahlsparte fusionieren. Eine Hürde wurde schon genommen: Tata einigt sich mit der britischen Regulierungsbehörde über eine Auslagerung der milliardenschweren Pensionsverpflichtungen seiner Stahltochter in GB. Die Fusion soll Anfang 2018 abgeschlossen sein. Sitz der Holding soll Amsterdam werden (weniger Steuern, weniger Mitbestimmung). Insgesamt geht es auch um die Lösung von Kapazitätsproblemen (2017 weltweit nur zu 705 ausgelastet). 2017 will der chinesische Autobauer Great Wall Fiat-Chrysler übernehmen. Der Halbleiterkonzern Broadcom will den Wettbewerber Qualcomm übernehmen (Fusionsfieber wegen hoher Entwicklungskosten). Die australische Wettbewerbsaufsicht ACCC verklagt 2018 die Deutsche Bank.

US-Wettbewerbsbehörde FTC: Federal Trade Commission. Geht immer öfter gegen die Sharing Economy vor. Der Google - Kauf von Double klick wird untersucht. 2016 wird die Datenverarbeitung von Uber und Airbnb geprüft. Deutsche Unternehmen stehen auch immer wieder im Blickpunkt: Die Behörde schließt sich 2015 dem Vorgehen gegen VW in den USA an. Für den Vergleich, der Mitte 2016 zustande kommt, ist aber ein Gericht zuständig. Heidelberger Cement muss sich aus Wettbewerbsgründen eine Zementfabrik in Martinsburg verkaufen. 2019 will sich die FTC verstärkt um die großen Plattformen wie Google, Facebook und Amazon kümmern. Es geht um die Prüfung von Monopolmacht und deren Missbrauch. https://www.ftc.com. 2021 wird Lina Khan neue Chefin. Sie ist erst 32 Jahre alt. Sie will den Machtmissbrauch der großen Digital-Unternehmen stoppen. Khan wurde von den Ökonomen der Chicagoer Schule geprägt. 2023 geht sie vor allem gegen Amzaon vor, dass ihrer Ansicht nach zu viele Preise diktiert.  In den USA wollen sich Dow Chemical und Dupont zum weltgrößten Chemieunternehmen zusammenschließen. Die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden steht noch aus (auch ob sie überhaupt notwendig ist). Die US-Wettbewerbsbehörden stimmen unter Auflagen zu (Verkauf von Unternehmensteilen). Ende 2017 übernimmt der Disney-Konzern die meisten Sparten des Rivalen Fox (Simpsons). Die FTC muss zustimmen. Die Genehmigung der Monsanto-Übernahme durch Bayer steht noch aus und wird unter Auflagen gegeben. Dei Zustimmung erfolgt dann. Im Herbst 2023 beginnt das größte Kartellverfahren seit 25 Jahren: Der Staat verklagt Google. Es geht insbesondere um Googles Suchmaschine.  Der Präsidentenwahlkampf könnte noch eine Rolle spielen.

International Competition Network (ICN): Globaler Zusammenschluss nationaler Wettbewerbsbehörden. Chef 2021 Andreas Mundt.

Telekommunikationsbehörde FCC der USA: Sie schafft Ende 2017 die US-Netzneutralität ab. Interessant werden die Folgen sein. Können die Internet-Servive-Provider nach Belieben bestimmte Dienste bevorzugen oder benachteiligen? Möglicherweise werden Start-ups eingeschränkt. Verbraucherschutzgruppen wollen klagen. Der Kampf ist noch nicht ganz entschieden.

BaFin: Prüft Wettbewerbsverstöße im Bankenbereich und auf den Finanzmärkten (Aktienmarkt). Deutsche Finanzaufsicht. Ein Teil der Aufsichtspflicht wurde an die EZB abgegeben. Sie will sich künftig mehr um den Verbraucherschutz kümmern. Die Übertragung der Bankenaufsicht bei Großbanken auf die EZB führt zu Zielkonflikten bei der Geldpolitik: Geld- und Finanzstabilität bleiben vielleicht auf der Strecke. Besser wäre eine Trennung gewesen. Im Juni 2016 wird ein Verfahren gegen VW-Manager eingeleitet wegen Marktmanipulationen. Informationen sollen zurückgehalten worden sein. Die Insolvenz von Wirecard bringt die BaFin in die Kritik. Sie hatte geprüft und das Nichtvorhandensein von 1,9 Mrd. € nicht bemerkt.

Bundesnetzagentur, Bonn: Sie hat die Aufgabe, durch Deregulierung und Liberalisierung den Markt für Telekommunikation, Energie (Gas, Elektrizität), Post und Eisenbahninfrastruktur zu entwickeln. Im Energiebereich werden die Netzbetreiber überwacht und Netzentgelte genehmigt.  Die Organisation besteht seit 2005 in Bonn. 2013 gerät sie wegen Passivität und Ämterpatronage in die Kritik. Präsident ist Jochen Homann. 2016 will die Bundesnetzagentur den Strombetreibern die Durchleitungsgebühren drastisch kürzen. Regionalversorger fürchten um ihre Investitionsfähigkeit. 2022 ist Klaus Müller der Chef. Vorher war er Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband und Umwelt-Minister in Schleswig-Holstein. Er ist Mitglied der Grünen. 2022 muss er mit de Gasknappheit umgehen. Er ist auch vorübergehend Chef der Gazprom Germania. Die Tochter der Gazprom Gazprom Germania wird 2022 unter seine Treuhandverwaltung gestellt.

Konzentration: Auf den Märkten kann der Wettbewerb in seiner negativen Form durch Konzentration gemessen werden. Statistisch geschieht dies mit der Lorenzkurve und den mathematischen Maßen von Gini und Herfingdal. Bei den Märkten gibt es drei Ebenen: Deutschland, die EU und der globale Markt (Weltmarkt). Auf den drei Ebenen gibt es jeweils eigne Wettbewerbsbehörden. Die Konzentration nimmt weltweit stark zu. Die Macht der Konzerne wächst im Eiltempo. Gerade in der Internetökonomie gehn Nutzer dorthin, wo schon viele Nutzer sind. Mittlerweile droht die größte Gefahr von den Multis aus den USA und China.  Zum Beispiel ist die Konzentration auf dem Weltmarkt für Bier sehr hoch. 61 Prozent des weltweit gebrauten Bieres stammt von den zehn größten Brauereien der Welt. Weltmarktführer ist der belgisch-brasilianische Konzern Annheuser-Busch.

Deregulierung: Abbau von Kontrollen, Gesetzen oder Vorschriften auf einem bestimmten Markt, mit dem Ziel, die Effizienz dieses Marktes zu verbessern. Als Beispiele seien der Arbeitsmarkt oder der Finanzmarkt genannt.

Deutschland AG: Bekannter noch ist das Konstrukt für Japan. Gemeint ist, dass die Industrie gut vernetzt ist und auch entsprechende Beziehungen zur Politik hat. Früher beherrschte dieses Netzwerk die Schwerindustrie zusammen mit den Großbanken (Krupp, Deutsche Bank; Abs, Cromme). Heute ist die SAP das wichtigste Unternehmen und nach dem Aktienwert auch das wertvollste. Die Großaktionäre der SAP (Plattner, Hopp) und ehemalige Führungskräfte (Kagermann, Apotheker, Brandt) haben großen Einfluss in Berlin.

Staatsbeteiligungen an Unternehmen: Der bekannteste Fall in Deutschland ist VW mit dem Land Niedersachsen. Der Staat ist auch an der Lufthansa, RWE, Deutschen Bahn, Telekom, Post sowie an der Commerzbank beteiligt. Es handelt sich hier nur um eine Auswahl. Weitere Beispiel sind die Brauerei Rothaus (Land B.- W.), Beiersdorf, Hapag-Lloyd (Hamburg), Fraport, Kloster Eberbach (Hessen), Weihenstephan, Münchener Hofbräuhaus (Bayern). Ordnungspolitisch hat dies Vor- und Nachteile. Durch die Corona-Krise 2020 könnte die Zahl der Staatsbeteiligungen zunehmen (Erweiterung bei der Lufthansa?). Der Staat steigt zuerst bei der Lufthansa ein (9 Mrd. €, 15%). Dann kauft er für 300 Mio. € Anteile an Curevac, einer Impfstofffirma aus Tübingen.

VW-Gesetz: Bei Volkswagen gilt, dass für wichtige Beschlüsse wie etwa Kapitalerhöhungen auf Haupotversammlungen 80 Prozent der Stimmen notwenig sind (Aktiengesetz 75%). Damit hat Niedersachsen immer Vetorecht (hält 20%). Werksschließungen muss der Aufsichtsrat mit Zweidrittelmehrheit beschließen. Die zehn Arbeitnehmervertreter können damit die Schließung jeder Fabrik stoppen.

Wettbewerbspolitik in der digitalen Wirtschaft:  Bei sozialen Netzwerken, Suchmaschinen und dem Online-Handel beherrschen große Unternehmen den Markt (fast Monopolisten, Quasimonopolisten). Die entscheidende Frage ist aber, ob dies zu Wettbewerbsbeschränkungen führt. Das zu beurteilen hängt davon ab, wie digitale Märkte abgegrenzt werden können und was faire Marktbedingungen bedeuten. Geklärt werden muss auch, ob das geltende Wettbewerbsrecht ausreicht. Sonst bedürfte es sektorspezifischer Regulierungen. Der Missbrauch von Datenmonopolen muss verhindert werden. Marktbeherrschende Plattformen müssen angemessen reguliert werden. Kunden brauchen echte Wahlfreiheit. Aber auch die Infrastruktur durch Gigabyte - Netze muss wettbewerbspolitisch ermöglicht werden. Die Auswirkungen sind auch umfassender: Innenstädte veröden. Einzelhändler werden an die Wand gedrückt.  In der digitalen Wirtschaft werden marktbeherrschende Unternehmen begünstigt.  Verantwortlich dafür sind Skaleneffekte (Vorteile gegenüber kleinen Anbietern) auf der Angebotsseite, Netzwerkeffekte (mehrseitige Märkte, verschiedene Gruppen treffen sich) und Lock - in - Effekte (Wechselkosten für den Kunden).  Das Datenschutzrecht müsste dringend an die digitale Wirtschaft angepasst werden. Es muss Transparenz darüber hergestellt werden, wie die Plattformen die erhobenen Daten verwenden und auch welche überhaupt gesammelt werden. Vgl. auch: Big Data aus wettbewerblicher Sicht, in: Wirtschaftsdienst 2016/9, S. 648ff. Der Mittelstand in Deutschland wird sicher in Zukunft von Wettbewerbern angegriffen werden, an die wir gar nicht denken. Wettbewerbsprobleme können auch durch die Blockchain begünstigt werden. Wenn alle Vergabedokumente im Internet kostenfrei zugänglich sind für jedermann und jeder Zeit, könnte totale Transparenz kontraproduktiv sein und die Kartellbildung begünstigen. Das neue, geplante EU - Vergaberegister könnte hier ein erster Test sein. Grundsätzlich gibt es folgende kartellrechtliche Herausforderungen: Abgrenzungskriterien der Fusionskontrolle. Dauer der Missbrauchsverfahren. Vorschläge der Moko in SG 68. Marktabgrenzung. Offen ist noch das Problem inwieweit Algorithmen Kartelle bilden können. Was ist, wenn zwei Anbieter sich aufeinander beziehen (durch Algorithmen), ohne sich dabei abgesprochen zu haben. Die Missbrauchsaufsicht des Kartellamtes wird in der Digitalisierung immer wichtiger: Es muss etwa darauf achten, dass Preisvergleichsportale ihre Informationen nicht manipulieren. Insgesamt muss die Plattformökonomie in einzelnen Bereichen reguliert werden. Insbesondere müssen Handelsplattformen und App Stores in den Provisionen gedeckelt werden. Im Jahre 2016 taucht der Verdacht auf, dass sich die USA und die EU in einem Wirtschaftskrieg befinden ("transatlantische Feindschaft"). Die USA gehen hart gegen VW und die die Deutsche Bank vor. Die EU bekämpft Google und Apple. Das Bundeswirtschaftsministerium plant eine Digitalbehörde, die die Dominanz der Internetgiganten brechen soll und mehr Verbraucherrechte durchsetzen kann. Schon jetzt ist Europa bei den größten Unternehmen mit Plattform-Geschäftsmodellen abgehängt. Es gibt in Europa 27 große, in Asien 82 und in Nordamerika 64. Bei der Marktkapitalisierung dieser Unternehmen fällt Europa noch mehr zurück. Das Bundeswirtschaftsministerium plant 2018 neue Kartellregeln, um die Internetkonzerne zu zähmen. Die Prüfung soll schon einsetzen, wenn unfaire Mittel auf dem Weg zur Marktbeherrschung eingesetzt werden. Das Bundeskartellamt will 2019 Nutzern des sozialen Netzwerks Facebook mehr Kontrolle über Informationen geben, die gespeichert werden (nicht automatische Zusammenführung von Facebook, Whats app und Instagram). "Eine Zerschlagung großer Techkonzerne ist nur die Ultima Ratio. Ein solcher Schuss kann nach hinten losgehen. Besser als radikale Maßnahmen ist in der digitalen Wirtschaft eine funktionierende Missbrauchsaufsicht", Achim Wambach, Chef der Monopolkommission, des ZEW und des Vereins für Socialpolitik 2018.

Zugriff auf die Digitalökonomie (Bundeskartellamt, Digitalregister für öffentliche Aufträge): Mit der am 19. Januar 2021 in Kraft getretenen Novelle des GWB erhält das Bundeskartellamt besseren Zugriff auf dei Digitalwirtschaft. Unter anderem ist der Rechtsweg verkürzt, Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundeskartellamtes landen direkt vor dem Bundesgerichtshof. Das Bundeskartellamt hat direkt die Regulierungsfunktion für die Digitalwirtschaft. Vgl. Losse, Bert: Bonn gegen Böse, in: WiWo 9, 26.2.2021, S. 40f.

Indirekte Unternehmensverflechtungen über institutionelle Anleger und Wettbewerb bzw. Wettbewerbspolitik:  Das Risikopotential ergibt sich daraus, dass aus Sicht eines Miteigentümers ein Wettbewerb auf Kosten eines Konkurrenten unattraktiver wird, falls der Miteigentümer auch bei diesem Konkurrenten beteiligt ist. Die erwogenen Maßnahmen zur Eindämmung dieses Risikopotentials mögen bislang hinsichtlich ihrer Effektivität und Umsetzbarkeit unausgereift sein, die Diskussion über die Maßnahmen sind dennoch notwendig. Folgende Maßnahmen sind in der Diskussion: 1. Berücksichtigung von Common-Ownership-Verflechtungen im Rahmen der Fusionskontrolle. 2. Regulatorische Ansätze zur allgemeinen Begrenzung indirekter Verflechtungen. 3. Verschärfung von Corporate Governance-Regeln.Vgl. Wambach, Achim/ Weche, John P.: Das wettbewerbliche Risikopotential institutioneller Anleger, in: Wirtschaftsdienst 2019/ 8, S. 575ff.

Industriepolitik: Unterstützung der Unternehmen durch die Wirtschaft. Schlüssel- und Zukunftstechnologien sollen wachsen. Die Unternehmen wollen allerdings keine Dauerintervention des Staates. Die Industriepolitik für KMU wird zur Mittelstandspolitik gerechnet. Im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher KMU ist sie im Auge zu behalten. In den asiatischen Ländern ist die Mittelstandspolitik (SME-Policy) in die Industriepolitik eingebunden. So versuchen China und Japan, längerfristig ihre Wirtschaftsstrukturen zu beeinflussen. In der EU muss sich erstmal eine klare Arbeitsteilung zwischen EU-Mittelstandspolitik und den Politiken der Länder herausbilden (dazu habe ich 2012 einen Artikel geschrieben, vgl. Working Paper 1/ 2012 der HS LU). In Deutschland bewegt sich die Industriepolitik zwischen "Rheinischem Kapitalismus" und Beschränkung der freien Kräfte des Marktes durch Gesetze. Mittlerweile ist China die größte Herausforderung für eine moderne Industriepolitik. Die Erfolge der Chinesen erklären sich aus der Mischung von plan- und marktwirtschaftlichen Strategien. Sie wurden aber auch durch die schiere Größe des Marktes und die Abschottung begünstigt. Vor allem auf dem Feld der Digitalisierung arbeitet China mit einem Tempo, das unheimlich ist. "Die heimische Wirtschaftspolitik verunsichert die Unternehmen zunehmend, vor allem den Mittelstand", Martin Wansleben, DIHK. Die Übernahme von Kaiser´s Tengelmann durch Edeka und die damit verbundenen Schwierigkeiten zeigen die Schwachpunkte der Industriepolitik in Deutschland. Am 26.02.19 trifft sich der Asien-Pazifik-Ausschuss in Berlin. Merkel warnt vor einer Dominanz Asiens und fordert eine Neuordnung der Industriepolitik der EU und Deutschlands. Im November 2019 legt der Bundeswirtschaftsminister die Industriestrategie bis 2030 vor: Es werden Strukturen gefordert, mit denen Entscheidungen rascher und effizienter getroffen werden können. Es geht auch um einen Schutzschirm für die Industrie.

Geistiges Eigentum und Patente: "Monopol der Geistesblitze". Was ist der Sinn von Patenten. Es entsteht eine intensive Diskussion in der Corona-Krise 2020. Muss der Staat z. B. einen Impfstoff schützen. Sinn ist es , dass der Staat Ideen als geistiges Eigentum schützt, weil sonst Innovationen unterbleiben. Gibt es also ein Recht auf geistiges Eigentum. Das Patentrecht gewährt in der Regel dem Erfinder eines neuen Produktes eine bestimmte Zeit das Recht exklusiv zu nutzen (meist 20 Jahre). Kriker halten dem entgegen, dass Patente Forschungsanstrengungen erlahmen lassen (Murray Rothband, US-Ökonom). Das Patentrecht ist heute sehr kompliziert. Andere Ökonomen (Nobelpreisträger Michael Kremer, USA) plädieren eher für eine staatliche Abnahmegarantie zu einem festen Preis (Medikamente, Impfstoffe).

Transparenzregister: Ist als Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung im Gespräch. Die Familienunternehmen fürchten die Einführung (Erpressungsmöglichkeit).

Chinastrategie Deutschlands: Zur Zeit fällt es chinesischen Investoren leichter, sich in Deutschland an Unternehmen zu beteiligen als umgekehrt. Das ist ein Mangel an Reziprozität. Das Prinzip meint, was der eine darf in Deutschland, darf auch der andere in China. Das Prinzip steht für Fairness und Gleichgewicht. Es sollte auch ein Gleichgewicht der Abhängigkeit sein: Beide Länder sollten gleich stark voneinander abhängig sein. Der Einfluss Chinas soll begrenzt werden. Das Außenwirtschaftsrecht soll verändert werden ("Lex China"). 

Erschwerung von Firmenübernahmen: In der Corona-Krise 2020 soll ein Schutzwall gegen ausländische Investoren errichtet werden. Es soll ein Gesetzentwurf zur Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes eingebracht werden. Wirtschaftliche Schwächeperioden sollen nicht von Schnäppchenjägern genutzt werden können. Der Erwerb durch Investoren außerhalb der EU soll bereits bei "voraussichtlicher Beeinträchtigung" der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verhindert werden. Bisher muss eine Gefährdung vorliegen. Das entspricht einer Neuausrichtung der Industriepolitik. Es wird auch eine Meldepflicht eingeführt, wenn Investoren aus Ländern der Nicht-EU Anteile von mehr als 10% übernehmen wollen. Teil soll eine spezielle "Corona-Novelle" werden. Sie soll in der Außenwirtschaftsverordnung verhindern, dass ausländische Investoren deutsche Firmen im Gesundheitssektor kaufen. 2021 rechnet man in Deutschland mit einem Angriff der Firmenjäger. Finanzinvestoren und Hedgefonds suchen verstärkt nach Einstiegsmöglichkeiten bei deutschen Unternehmen. Experten erwarten Megadeals. Als Ziele der Aktivitäten gelten Bayer, Hugo Boss, Manz. Quelle: Boston Consulting Group.

Corona-Krise und Wettbewerb: Es wird befürchtet, dass die Pandemie die Konzentration der Konzerne begünstigt und den Staatseinfluss auf die Wirtschaft spürbar erhöht. Die Gründung von Start-ups könnte verhindert werden. Die Monopolkommission will sich in ihrem Hauptgutachten im Juli 2020 mit den Corona-Folgen für die Wettbewerbspolitik beschäftigen. Es könnte künftig weniger KMU in Deutschland geben (höhere Insolvenzrate). eine Machtverlagerung zu größeren Unternehmen könnte eintreten. Es wird auch nachhaltige Struktur - Veränderungen geben: Das wird vor allem den Dienstleistungsbereich und den Handel betreffen. Vgl. Losse, Bert: Tötet das Virus den Wettbewerb? in: WiWo 21 15.5.2020, S. 36f. "Zahlreiche Märkte sind durch die Coronavirus-Pandemie von Unternehmensaufgaben und Insolvenzen, Unternehmenszusammenschlüssen und verminderten Gründungsanreizen betroffen. Durch den Digitalisierungsschub infolge der Kontaktbeschränkungen ist zudem zu erwarten, dass Digitalmärkte mit Konzentrationstendenzen an Bedeutung gewinnen. Nachhaltige Strukturveränderungen mit wettbewerbsbeeinträchtigender Auswirkung sind also zu befürchten, und dies angesichts ohnehin bestehender Trends zu ansteigender Marktmacht und Konzentration in Teilbereichen der Wirtschaft. Bei den wirtschaftspolitischen Reaktionen auf die krisenbedingten Herausforderungen sollte vor diesem Hintergrund angestrebt werden, den Wettbewerb langfristig funktionsfähig zu erhalten. Wenn die Fusions- und Beihilfenkontrolle ohne materiell-rechtliche Abstriche angewendet würde und staatliche Unternehmensbeteiligungen durch wettbewerbsfördernde Maßnahmen flankiert würden, könnte dies gelingen." Siehe Bencek, D./ Ceni-hulek, L./ Wambach, A./ Weche, L.: Wettbewerb in Zeiten der Pandemie, in: Wirtschaftsdienst 11/2020, S. 876-884, hier S. 876.

Wettbewerbsbedingungen in der EU: Die EU will verstärkt auf vergleichbare Wettbewerbsbedingungen in der EU achten. Das EU-Parlament billigt im Juli 2020 etwa neue Regeln für Fernfahrer. Sie sehen wie folgt aus: geregelte Ruhezeiten einheitlich für die EU, nicht mehr in der Fahrerkabine schlafen,  mehr Zeit zu Hause, faire Bezahlung. 3,6 Mio. LKW-Fahrer sollen profitieren.

Große Vermögensverwalter und Wettbewerb: Große Vermögensverwalter beteiligen sich an allen wichtigen Unternehmen. Das könnte den Wettbewerb schwächen. Weltgrößter Vermögensverwalter ist Blackrock (4,6 Billionen Dollar). Im Grunde genommen muss zwischen drei wichtigen Werten abgewogen werden: Wettbewerb, Eigentumsrecht, Risikostreuung.

Unternehmenssanktionenrecht: Das alte Ordnungswidrigkeitsrecht wird 2020 ersetzt. Unternehmen müssen hohe Strafe zahlen, wenn sie von kriminellen Handlungen profitieren.

Außenwirtschaftsgesetz: Es ermöglicht Investitionsprüfungen bei Direktinvestitionen und Übernahmen von Unternehmen aus dem Ausland. Das gilt für Investoren außerhalb der EU, die Anteile an deutschen Unternehmen aufstocken wollen. Die Bundesregierung hat also ein Veto.

 

Institutionen und Strukturen, Strukturwandel, Arbeitsmarkt, Wohlfahrtsökonomik, Moral, Eigentum, Verträge, Industrieökonomik, Institutionen - Ökonomik; Auswahl und Folgen; vgl. auch Außenwirtschaft und Arbeitsmarkt bei Economics/ special für praktische Anwendungen, auch: digitaler Strukturwandel bei Mercator/ digital )

Strukturwandel: Veränderung der Wirtschaftsstruktur in der Zeit, insbesondere Anteil der Sektoren, gemessen an Wertschöpfung und Beschäftigtenzahl. Ursachen sind der Wandel von Nachfrage- und Angebotsstruktur, technischer Fortschritt, und internationale Arbeitsteilung. Die Folgen zeigen sich z. B. in der Arbeitsplatzstruktur und in der Rollenverteilung der Geschlechter. "Kapitalistischer Strukturwandel gestattet kaum Zuwarten oder Behäbigkeit. Versäumnisse in der Bildungs- und Infrastrukturpolitik werden gnadenlos abgestraft", Werner Plumpe, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Goethe-Universität Frankfurt. Vgl. Ders.: Das kalte Herz. Kapitalismus: die Geschichte einer andauernden Revolution, Rowohlt 2019.

Transformation: Wir leben im 21. Jahrhundert in einem Zeitalter der großen Transformation. Sie ist mit der im 19. Jahrhundert vergleichbar, die von Dampfmaschine und Aufklärung ausgelöst wurde. Als der Anfangspunkt der industriellen Arbeit gilt der Fluss Derby in Mittelengland. 1771 entsteht in Cromford (Dorf) die erste Fabrik, eine Textilfabrik. An diesem Fluss werden nach und nach weitere Textilfabriken gebaut (Waterframe). Es sind Spinnmaschinen, die mit Wasser angetrieben werden und erst viel später mit Dampfmaschinen. Die erste Fabrik in Deutschland entsteht in Ratingen und wird dann Cromford nach dem englischen Dorf genannt. Die aktuelle Transformation ist global. Die großen Treiber dieses Prozesses sind Demographie (Hauptfaktor "Migration"), Ökologie (Grenzen des Wachstums müssen akzeptiert werden), Technologie (Digitalisierung; Was man digitalisieren kann, wird man digitalisieren); Verschuldung aller öffentlichen Haushalte und auch der privaten Wirtschaftssubjekte (Haushalte, Unternehmen). Durch das Zusammenwirken dieser Faktoren ergibt sich eine hohe Komplexität. Vgl. Fredmund Malik: Navigieren in Zeiten des Umbruchs. Die Welt neu denken und gestalten, Frankfurt 2015, S. 51-72. Der Begriff "Transformation" geht auf Polanyi zurück. Vgl. Karl Polanyi: The Great Transformation, New York 1944.

Vierte Industrielle Revolution (digitale Transformation, the Second Machine Age): Sie verläuft mit exponentieller Geschwindigkeit und basiert auf der Digitalisierung. Sie verknüpft zahlreiche Technologien und betrifft alle Sektoren. Digitalisierung bedeutet auch Automatisierung. Die Wertschöpfung ist mit immer weniger Beschäftigten möglich. Besondere Sorge bereitet die zunehmende Ungleichheit in der Gesellschaft. Eine herausragende Bedeutung kommt dem Plattform-Effekt zu: Digitale Unternehmen bauen Netzwerke auf, die Käufer und Verkäufer mit einer breiten Palette von Produkten und Dienstleistungen zusammenführen. Megatrends sind selbst fahrende Kraftfahrzeuge, 3D-Druck, Robotik, neue Materialien. Vgl. Klaus Schwab, Die vierte industrielle Revolution, München 2016. Damit einhergehen eine verbesserte Verarbeitungskapazität (bessere Leistung der Hardware), erhöhte Speicherkapazität (Cloud) und Energieeffizienz zusammen mit der stärkeren Vernetzung der Daten und Informationen (Big Data). Eine Basistechnik ist die Blockchain. "Nie hat es eine Zeit gegeben, die so große Möglichkeiten und zugleich so große Gefahren bereithielt", Klaus Schwab.

Digitalisierung und Strukturwandel: Die Wirtschaftswelt wird zunehmend von Software geprägt. Hardware und Ingenieurskunst verlieren an Boden. Die Automobilindustrie ist die Schlüsselbranche in Deutschland. Elektrofahrzeuge sind technisch weniger komplex und einfacher zu bauen. Im DAX (30 Unternehmen) sind nur zwei Digitalkonzerne, SAP und Wirecard. Die künftige Wirtschaftswelt wird weniger von Ingenieuren und Maschinen geprägt als von Programmierern und Daten. Die große Gefahr besteht darin, dass die eigentlichen Produzenten nur noch Zulieferer für die großen Digitalkonzerne sind. Traditionelle Managementtechniken sind zu langsam. Möglichst viele Geschäfte sollten die Unternehmen selbst machen, damit sie nicht von Plattformen abhängig werden. Im Konsumgüterbereich und auch im Industriegeschäft schieben sich Plattformen wie Amazon und Alibaba zwischen Produzenten und Endkunden.

Megatrends des Strukturwandels als Folge der Digitalisierung: 1. Zunehmende Vernetzung von Produkten und Technologien. Daten- und Kundenzentrierte Geschäftsmodelle dominieren. Es kommt zum Boom Anbieterabhängiger Plattformen (etwa bei Mobilität). 2. Globale Wachstumsverlagerung. Die Bevölkerung nimmt vor allem in Städten zu. Konsumenten fragen mehr lokale Produkte nach. Es gibt dadurch einen Trend zur Regionalisierung.  Weil natürliche Ressourcen begrenzt sind, gewinnt das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung. 3. Gesellschaftliche Veränderungen. Die Automatisierung verändert die Arbeitsanforderungen. Es ist eine große Zuwanderung erforderlich. Fragen der Datensicherheit werden immer relevanter.

Drei-Sektoren-Hypothese: Langfristige Entwicklung der in drei Sektoren aufgeteilten Volkswirtschaft (von Fisher stammt die Idee, von Fourastie´ weiterentwickelt und bekannt gemacht, "Die große Hoffnung des 20 Jahrhunderts", 1949). Zunächst dominiert der primäre Sektor (Landwirtschaft, Forsten, Fischerei), dann kommt der sekundäre Bereich (industrielle Produktion) und schließlich der tertiäre Sektor (Dienstleistungen). Gilt für Industrieländer, nicht für alle Entwicklungsländer. Ist sehr schwierig empirisch zu messen (Nachfrage-Bias, Technischer Fortschritt). In der Regel nimmt man als Indikator die Erwerbstätigen. Berühmt ist die These von Baumol von der "Kostenkrankheit" (unbalanced growth): Mangelnder technischer Fortschritt bei vielen Dienstleistungen sowie die Anpassung der Löhne an die technisch fortschrittlichen Sektoren müssen dazu führen, dass der tertiäre Sektor die Wertschöpfung aufzehrt. 2007 hatte der Primäre Sektor in Deutschland einen Anteil von 1% (1990: auch 1%), der Sekundäre Sektor 30% (37%), der Tertiäre Sektor 69% (61%). Von den Erwerbstätigen 2010 sind 36,4% in Dienstleistungen, 12,1% im Produzierenden Gewerbe und 1% in Land- und Forstwirtschaft.  Im Februar 2016 steigt die Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter in der Industrie auf 5,4 Mio. (+ 1%; StBA; 2017 5,5 Mio.). Im August 2016 lag die Zahl der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe (bei Unternehmen über 50 Beschäftigte) sogar bei 5,5 Mio. (höchste Zahl seit Januar 2005). Im Jahresschnitt von 2017 werden die 5,5 Mio. gehalten.

Kritik am Drei-Sektoren-Modell: Generell erfasst es nicht neuere Entwicklungen. Dazu gehören die Wissensgesellschaft, der Zusammenhang zwischen Produktion und Dienstleistungen und die Innovationskraft der Industrie.

Globale Entwicklung des tertiären Sektors: Weltweit expandiert der Dienstleistungsbereich. Am besten sieht man dies am Arbeitsplatzwachstum. Von 2001 40% aller Arbeitsplätze wuchs diese Zahl auf fast 50% 2015 (Quelle: Schätzung der ILO 2016). Auch der weltweite Dienstleistungshandel hat stark zugenommen (4,76 Billionen US-Dollar, Quelle: WTO). Schwierig einzuschätzen sind die unternehmensorientierten Dienstleistungen (unterschiedliche Struktur und Abgrenzung). Gleichzeitig sind die prekären Beschäftigungsverhältnisse rapide angestiegen (2016: 46%, Quelle: ILO 2016). Dienstleistungen im Haushalt (haushaltsnahe Dienstleistungen): Diese Dienstleistungen entlasten zunehmend Haushaltsmitglieder. Es geht um Putzen und Aufräumen, Waschen, Bügeln und Nähen, Behördengänge, Lebensmittel und tägliche Bedarfsgüter, Waschen und Anziehen, Haushaltsplanung und -organisation, Kochen. Gut verdienende Deutsche beschäftigen Helfer. Oben ist, wer bestellt. Es ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts" (siehe Der Spiegel, 48/ 2017, S. 54). Es entsteht ein Heer neuer Diener. Die Beschäftigung ist legal, schwer einschätzbar (Nachbarschaftshilfe, Freundschaftsdienste) oder illegal. Vieles läuft über Plattformen. Die Kunden wollen den Service, keine Person. Teil dieser Dienstleistungen ist die globale Migration. Aus den USA kommt der Begriff "Global Care Chain" (Mexikaner, Kubaner u. a.). Entscheidend ist die Ausgestaltung der Jobs.

Lewis Turning Point: Benannt nach dem britischen Ökonomen W. Arthur Lewis. Es ist ein Modell der ökonomischen Entwicklung. Es geht darum, wie die Not der 3. Welt bekämpft werden kann. Lewis betrachtet zwei Sektoren: 1. Den traditionellen Agrarsektor mit niedrigen Löhnen und niedriger Produktivität. 2. Den modernen Industriesektor mit hohen Löhnen, kapitalintensiv, Investitionen. Es geht nun um den Arbeitskräfteübergang vom Agrar- zum Industriesektor. Das Lewis-Modell wird heute gerne auf China angewendet. Besonders das Schicksal der Wanderarbeiter steht hier im Mittelpunkt.

Baumol´sche Kostenkrankheit: Der Ökonom William J. Baumol begründete eine Beobachtung auch theoretisch, nämlich dass Dienstleistungen sich rascher verteuern als materielle Güter. Vgl. W. J. Baumol: Macroeconomics of unbalanced growth. The anatomy of urban crisis, in: AER, 57. Jg. (1967), H. 3, S. 415-426. Die Kostenkrankheit impliziert, dass Steuern steigen müssen, um die vorhandenen öffentlichen Dienste wie Gesundheits- und Bildungswesen aufrechterhalten zu können.

Technischer Fortschritt: Die Herstellung neuer, verbesserter Produkte (Produktinnovation). Einführung verbesserter Produktionsverfahren (Prozessinnovation). Heute treten neue Formen des technischen Fortschritts auf: Insbesondere ist er disruptiv. Er erfasst in kurzer Zeit und mit großer Wucht das gesamte System der Produktion und Konsumption. Man spricht auch von General Purpose Technologies (GPT, Bresnahan/ Trajtenberg; drei Merkmale: großes Anwendungsfeld, bedeutendes Potential für weitere Verbesserungen, leichte Kombinierbarkeit). 2018 bekommt Paul M. Romer den Wirtschaftsnobelpreis. Er hat einen neue Wachstumstheorie (endogen) entwickelt, in der der technische Fortschritt dominiert. Die Akteure, die Marktformen, der Wettbewerb sowie der Staat bestimmen zusammen das Wachstumstempo. Vgl. P.M. Romer: Endogenous Technological Change, in: Journal of Political Economy, 98. Jg. (1990), S. 71-102. "Wir dürfen den technologischen Fortschritt niemals als monströses Naturereignis ansehen", Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, 2019. "Technologischer Fortschritt gilt als sichtbarstes Zeichen menschlicher Fortentwicklung. Solange wir aber die Einbettung von Technik in Umwelt und Gesellschaft nicht mitdenken, fehlt uns der Blick dafür, wo sie uns hintreibt. Um in der neuen Realität gut zusammenleben zu können, müssen wir auch unsere Vorstellung von Fortschritt ändern, sonst verschieben wir die Probleme einfach weiter in die Zukunft", Maja Göpel, in: Dieselbe: Unsere Welt neu denken, Berlin 2020, S. 117.

Demographische Effekte: Einflüsse, die von Veränderungen in Bevölkerungscharakteristiken kommen. Dazu gehören unter anderem Geburtenrate, Alter und Wohnort.

Auf dem (fiktiven) Arbeitsmarkt tauschen die Anbieter der Arbeit (Arbeitskräfte, Haushalte) ihre Arbeitskraft (Zeit, Fähigkeiten, Kenntnisse, Erfahrungen) gegen das Arbeitsentgelt der Nachfrager nach Arbeit (Arbeitgeber, Unternehmen). Auf dem Arbeitsmarkt werden also die Dienste der Arbeiter gekauft und verkauft. Das Arbeitsangebot wird vom Lohnsatz, den Präferenzen, den Lohnersatzeinkommen, den Sozialversicherungsbeiträgen, Nichtarbeitseinkommen (mikroökonomisch) und von der Bevölkerungs- und Erwerbspersonenentwicklung (makroökonomisch) beeinflusst; die Arbeitsnachfrage vom Lohnsatz, den Lohnnebenkosten, der Produktivität der Arbeitnehmer, den Arbeitschutzbestimmungen, den Kündigungsschutzgesetzen (mikroökonomisch) und der Konjunkturlage, Nachfrage nach Gütern (makroökonomisch) bestimmt. "Die Angst, arbeitslos zu werden, frisst sich durch die Gesellschaft", Wilhelm Heitmeyer, Soziologe Uni Bielefeld.

Arbeitsmarkttheorie: Die neoklassische Theorie sieht den Lohn als Ursache. Löhne über dem Gleichgewichtslohn werden auf Deregulierung, Lohnnebenkosten, Effizienzlohn und bilaterales Monopol zurückgeführt. Keynes bezieht auch Lohnstarrheiten nach unten in die Betrachtung ein, sieht die Ursache aber mehr in fehlender Nachfrage, die durch Staatsnachfrage stabilisiert werden sollte. Zusätzlich analysiert er die Liquiditätsfalle, in der die Geldpolitik wegen der Zinsen auf unterstem Niveau wirkungslos ist. "Es gibt weltweit nicht ein einziges Beispiel dafür, dass Kürzungen von Löhnen, Renten und Sozialleistungen ein krankes Land gesunden ließen", Joseph Stiglitz, US-Ökonom, Nobelpreisträger. Vgl. zu mehr Stoff zum Arbeitsmarkt die Seite Economics/special/Arbeitsökonomik.

Strukturelle Arbeitslosigkeit (und andere Arten):  Längerfristige Arbeitslosigkeit, die aus strukturellen Faktoren (auch Löhnen) in der Wirtschaft resultiert. Dazu gehören ein Missverhältnis von Fähigkeiten und Jobs (entsteht häufig bei rückläufigen Industrien wie z. B. Bergbau). Viele Faktoren tragen zur strukturellen Arbeitslosigkeit bei. Genannt seien z. B. Mindestlöhne, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, Effizienzlöhne, Nebenwirkungen der Wirtschaftspolitik. Unfreiwillige (lohninduzierte) Arbeitslosigkeit entsteht aus neoklassischer Sicht (siehe oben) immer dann, wenn der Preismechanismus am Arbeitsmarkt durch Markteingriffe gestört wird. Freiwillige Arbeitslosigkeit kann  auf Sozialleistungen zurückgehen, die ein Arbeiten nicht lohnen. Die Arbeitslosigkeit bei der Stellensuche führt zu friktioneller Arbeitslosigkeit. Beide zusammen führen zur natürlichen Arbeitslosenquote. Daneben gibt es noch konjunkturelle und saisonale Arbeitslosigkeit. "Verdeckte Arbeitslosigkeit" entspricht in etwa der "Stillen Reserve". Dies sind 2011 in Deutschland ca. 1,4 Mio. Versteckte Arbeitslosigkeit gab es in Planwirtschaften (geringe Arbeitsproduktivität).  2010 scheint die Wende am Arbeitsmarkt in Deutschland geschafft. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel rechnet für 2011 mit weniger als 3 Mio. Arbeitslosen (zuletzt 1992). Dies tritt schon im Mai 2011 ein (2,96 Mio.). Anfang 2012 steigt die Arbeitslosenquote in Deutschland saisonbedingt wieder auf 7,4% (3,11 Mio.). Das Risiko arbeitslos zu werden, wenn man einen Job hat,  ist in den in den vergangenen Jahren auf 0,84% monatlich gesunken (RWI-Essen). Im Juni 2016 erreicht die ALQ einen Rekordwert (niedrigster Wert seit der Vereinigung, 5,9%).

Technologische Arbeitslosigkeit: Arbeitsplatzverluste durch neue Technologien. Aktuell vor allem durch die "Vierte industrielle Revolution". Prognosen dazu sind extrem schwierig (Gefährdungspotentiale, Profitabilität, Lohnspreizung, Kompensationseffekte). Neue Technologien vernichten nicht nur Arbeitsplätze, sie schaffen auch neue.

Freiwillig Arbeitslose: Menschen, die ihre Arbeitskraft nicht anbieten wollen, weil sie durch die soziale Unterstützung (Arbeitslosengeld II + Kindergeld + andere Leistungen) ein höheres Einkommen beziehen. Diese Situation kann für Familien mit Kindern gegeben sein, wo die Erwachsenen eine geringe Qualifikation haben. Ihnen wird oft nur prekäre Arbeit angeboten. Bei der Berechnung der Arbeitslosenquote müssten die freiwillig Arbeitslosen im Zähler eigentlich abgezogen werden. Die statische Häufigkeit lässt sich aber schwer ermitteln. In Deutschland dürfte die Zahl nicht höher als bei 100.000 Haushalten liegen. Schwierig sind die Chancen für die Kinder dieser Familien, die oft die gleiche Karriere anstreben, weil sie in der Grundschule den Anschluss aus familiären Gründen verpassen.

Statistische Methode der Arbeitslosenquote (ALQ): Man unterscheidet die Umfrage- und die Registrations - Methode. In Deutschland wird nach der Registrationsmethode gemessen (zu den Schwächen vgl. oben). Die USA arbeiten mit der Umfragemethode: Grundlage ist die Befragung privater Haushalte. Gezählt werden nur die Arbeitslosen, die sich tatsächlich um eine Stelle bemühen. Auch die Zahl der potentiell Erwerbstätigen und der neu geschaffenen Jobs wird durch Befragungen ermittelt. In der Europäischen Union wird die Arbeitslosenquote nach einer etwas anderen Methode als in Deutschland berechnet. Mit 4,7% erreicht Deutschland nach dem EU-Berechnungsschlüssel im Juli 2015 die geringste Arbeitslosenquote in der EU.

Natürliche Arbeitslosenquote: Die normale (gleichgewichtige) ALQ, um die herum die ALQ zyklisch schwanken (auch Hypothese). Diese begründet nach M. Friedman und E. Phelps langfristig eine senkrechte Phillips-Kurve. Es besteht eine enge Beziehung zur friktionellen Arbeitslosigkeit, die daraus resultiert, dass Arbeitnehmer Zeit brauchen, um einen Arbeitsplatz zu suchen (vgl. auch Aktuelles, Namen). Daneben gibt es noch Keynesianische bzw. konjunkturelle , strukturelle und wachstumsdefizitäre Arbeitslosigkeit. "Eine der schauerlichsten Folgen der Arbeitslosigkeit ist wohl die, dass Arbeit als Gnade vergeben wird. Es ist wie im Kriege: Wer die Butter hat, wird frech", Kurt Tucholsky.

Kosten der Arbeitslosigkeit: 1. Individuelle Kosten (Einkommensverlust, Verringerung des Selbstwertgefühls, Abbau der beruflichen Fähigkeiten). 2. Kollektive Kosten (Politische Kosten, Fiskalische Kosten). Vgl. Beeker, Detlef: VWL für dummies, Weinheim 2017, S. 238f.

Tradeoffs: Wie kann man das meiste aus knappen Ressourcen machen. Es geht um die Verwendung von knappen Mitteln. Konsumenten, Arbeitnehmer und Unternehmen werden mit Tradeoffs konfrontiert und müssen zwischen alternativen Wahlmöglichkeiten am besten abwägen. Das ist der eigentliche Kern der Mikroökonomik.

Eigentum: Aristoteles plädierte dafür, dass Eigentum Privatbesitz sein sollte. "Es ist also offenbar besser, dass der Besitz privat bleibt, aber durch die Benutzung gemeinsam wird. Dass aber die Bürger sich dementsprechend verhalten, ist die besondere Aufgabe des Gesetzgebers", Aristoteles (384-322 v. Chr.). Thomas von Aquin (1265-1274 n. Chr.) hält es, anknüpfend an römisches Recht, für nützlich, Eigentum zu besitzen. John Locke unterstützt ebenfalls persönliches Eigentum, das man durch eigene Hände Arbeit schaffe (1632-1704). Heute wird Eigentum pragmatisch gerechtfertigt, weil sonst Märkte nicht funktionieren. Ursprünglich überwog die moralische Rechtfertigung. 2019 startet in Berlin ein Volksbegehren zur Enteignung privater Wohnungsbauunternehmen. Heute scheint der Kapitalismus die Fundamente des Eigentumsbegriffs zu erschüttern. Vgl. auch: Lotz, Carsten: Die Aufhebung des Eigentums, in: WiWo 10/ 3.3.23, S. 40f.

Ethik: "Den griechischen Philosophen ging es um ethische Fragen des "guten Lebens", nicht um effizientes oder rationales Wirtschaften", Mikl-Horke, G.: Sozialwissenschaftliche Perspektiven der Wirtschaft, München/ Wien 2008, S. 8.  Aristoteles unterschied zwischen "oikonomia" (Hauswirtschaft, daher kommt der Begriff "Ökonomie"), "chresmatia" (Erwerb von Geld, Bereicherung) und "katallage" (Austausch, Ausgleich). Dieser Gedanke findet sich auch in der chinesischen Philosophie. Im Jahre 1759 entstand "Die Theorie der ethischen Gefühle" von Adam Smith. Der schottische Moralphilosoph  beobachtete die Prinzipien hinter dem menschlichen Verhalten (Einfühlungsvermögen, Wohlwollen, Fairness, Gewissen). Empirische Studien deuten darauf hin, dass sich Ökonomen eher von Effizienzkriterien und Laien eher von Fairness und Moral leiten lassen. Ende 2010 starten in Deutschland Spitzenmanager die Initiative "für verantwortliches Handel". Die Unterzeichner verpflichten sich zu fairem Wettbewerb, Sozialpartnerschaft, Leistungsprinzip und Nachhaltigkeit. Der tschechische Ökonom Tomas Sedlacek landet mit dem Buch "Die Ökonomie von Gut und Böse" einen großen Erfolg. Er fundiert die ethische Bindung der Ökonomie in der Ideengeschichte, die auch eine Geschichte der Menschheit ist. David Graeber, einer der führenden Köpfe der "Occupy Wall Street" - Bewegung sieht eine feste Verbindung zum Markt: "These I  Weder der Egoismus noch der Altruismus stellen natürliche Triebe dar; sie erwachsen vielmehr aus der wechselseitigen Beziehung zueinander und wären ohne den Markt undenkbar" (Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus, München 2012, S. 120). Ein früher Vertreter dieser Schule (Ethik als Basis) war auch Wilhelm Röpke (1899-1966). Sein Ideal war eine mittelständische Gesellschaft mit vielen Selbständigen. Marktwirtschaft statt Kapitalismus, Subsidiarität statt Zentralismus. Familiäre, nachbarschaftliche, private Solidaritätsnetzwerke statt Wohlfahrtsstaat. Er hatte auch stets die sozialen und ethischen Wertefundamente im Blick. Vgl. W. Röpke: Jenseits von Angebot und Nachfrage, 1958. "Wenn die Sittenlehre nur eine Glückseligkeitslehre wäre, so würde es ungereimt sein, zum Behuf derselben sich nach Prinzipien a priori umzusehen", Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Stuttgart 1986. "Die moderne Ökonomie ist um ein Vielfaches ärmer geworden durch die Distanz zur Ethik", Amartya Sen (Harvard, geb. 1933 in Indien, 1998 Nobelpreis, Ökonomie für den Menschen). "Moral ist, wenn man moralisch ist", Georg Büchner, Woyzeck. "Der Weise hat keine unumstößlichen Grundsätze, er passt sich anderen an", Laotse. Vgl. zum Thema: Lütge, C./ Uhl, M.: Wirtschaftsethik, München 2018.

Ethik-Kodex der deutschsprachigen Ökonomen im Verein für Sozialpolitik (VfS): Der Kodex wurde 2012 von den Mitgliedern des VfS beschlossen. Vor allem Transparenz und Unabhängigkeit sollen gewahrt bleiben. ES gibt die Institution einer Vertrauensperson. Das brennende Thema "Sponsoring" wird allerdings ausgeklammert. "Act the way you´d like to be and soon you´ll be the way you act", Leonard Cohen, born 1934, Canadian singer, songwriter and poet.

Moral: Moral und Fairnessregeln beeinflussen ökonomische Entscheidungen. Moralische Normen sind aber nicht unabänderlich, sondern werden situationsbedingt interpretiert. Vg. F. Heinemann: Zurück durch die Hintertür, Wirtschaftswoche, Nr. 31, 28.07.14, S. 38. Damit kann das Konzept des Homo oeconomicus immer noch gerettet werden. Auch die Anbieter moralischer Normen (religiöse Gemeinschaften, säkulare Organisationen) verfolgen oft ein Eigeninteresse. "Also darf keiner dem anderen ein Ding teurer verkaufen als es wert ist", Thomas von Aquin, 1265. "Die Moral ist immer die letzte Zuflucht der Leute, die die Schönheit nicht begreifen", Oscar Wilde, irischer Schriftsteller.

Amoralische Märkte und Neid: Märkte sind in der Regel nie gerecht. Es geht um ihr Funktionieren und die Lösung von Knappheitsproblemen. Wenn die materiellen Unterschiede in einer Bevölkerung zu groß werden, entsteht Neid. In demokratischen Gesellschaften kann sich dieser politisch entladen. die Umverteilungspolitik in einem Land hat also eine große Bedeutung. Vgl. Hans-Werner Sinn: Auf der Suche nach der Wahrheit, München (Herder) 2018; Vorabdruck in Die Zeit, Nr. 8, 15.02.2018, S. 29.

Zielkonflikt zwischen Eigennutz und Moral: Er ist fundamental. Es ist eine Abwägung zwischen Eigen- und Fremdinteressen. Es entscheiden Kosten und Nutzen. Hohe kosten, geringer Nutzen: schlecht für die Moral. Vgl. Falk, Armin: Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein, München 2022, S. 21ff.

Kapitalismus und Reformation: Martin Luther wetterte gegen die "Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse". Er hatte Vorbehalte gegen Geld und unternehmerische Freiheit. Als Beispiel hatte er besonders die Familien Fugger, Tucher und Welser vor Augen, die ihr Geld in Übersee scheffelten (Venezuela, Indien). Sogar die Kaiser waren von ihnen finanziell abhängig. Es gab Staatsschulden, Spekulanten, Globalisierung, Konzentration von Finanzkapital - genau wie heute. Luther stand in seiner Einstellung zur Wirtschaft in der Tradition von Aristoteles und Thomas von Aquin. Konkret störte Luther besonders die kirchliche Sündenverwaltung über Ablass. Er sprach von Mammonismus. Insofern ist die Max Weber-These kurios. Er behauptet ja, dass die protestantische Ethik zur Wirtschaftsgesinnung und damit Entwicklung des Kapitalismus geführt habe.

Dienstleistungen können nicht gelagert werden und sind in der Regel nicht übertragbar. Außerdem finden Erstellung und Konsum gleichzeitig statt und es kommt zu einer Interaktion zwischen Kunde und Anbieter. Das größte Problem ist die Beurteilung der Qualität. Auch staatliche Eingriffe (siehe Preispolitik) helfen nicht zwangsläufig. Im Jahr 2007 machten Dienstleistungen einen Anteil von 74% des Bruttoinlandsprodukts von hoch entwickelten OECD-Ländern aus. Vgl. J. Francois B. Hoekman: Services Trade and Policy, in: Journal of Economic Literature, 48. Jg. (2010), H. 3, S. 642-692. Einige Ökonomen empfehlen, zum Abbau des deutschen Außenhandelsüberschusses den Dienstleistungsbereich zu deregulieren (Truger, Felbermayr). Vgl. auch R. Clement: Dienstleistung im Spannungsfeld von Preis- und Qualitätswettbewerb, in: WISU 3/2008, S. 384-390.

Arrow-Paradoxon: Ergebnis einer Mehrheitswahl ist im Falle mehrgipfliger Präferenzfunktionen von der Reihenfolge und der Anzahl der Abstimmungen abhängig. Kenneth J. Arrow (1921 geboren, Nobelpreis 1983), bekannter Wohlfahrtsökonom (Social Choice and Individual Values, New York 1964). Nicht zu verwechseln mit dem Unmöglichkeitstheorem: kein Verfahren zur Aggregation individueller Präferenzen, das transitiv ist und alle Bedingungen erfüllt. Wichtigster Aufsatz von Kenneth Arrow: Uncertainty and the Welfare Economics of Medical Care, in: AER, 1963. Berühmt ist auch der mathematische Beweis von Arrow und Debreu (Gerard, 1921 bis 2004), dass die Überlegungen von Adam Smith mit der unsichtbaren Hand tatsächlich korrekt sind. Vgl. Existence of an Equilibrium for a Competitive Economy, 1954. Das Unmöglichkeitstheorem ist oft in falsche Richtung interpretiert worden. Man hat es dafür benutzt, den Markt gegen den Staat auszuspielen: Der Staat wird dann als Gegner gesehen. Vgl. Aldred, J.: Der Korrumpierte Mensch, Stuttgart 2020, S. 115ff. "Eine Verteilung der Ressourcen kann pareto-effizient sein und dennoch einigen Menschen großen Reichtum und anderen großen Schaden bescheren", Kenneth Arrow.

Wohlfahrtsökonomie: Sie geht auf Alfred Marshall (1842-1924) zurück. Er entwickelte Methoden, Produktion und Konsum zu quantifizieren. Er unterschied scharf bei der Angebots- und Nachfragemethode zwischen Bewegungen auf und Verschiebungen der Kurven. Vgl. Marshall, Alfred: Principles of Economics, London/ New York 1890. Vgl. auch als gute Quelle: Tinbergen, Jan: Economic Policy, Amsterdam 1956. Tinbergen lebte von 1903 bis 1994 in den Niederlanden. Zusammen mit Ragnar Frisch erhielt er 1969 den ersten Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaft.

Soziale Wohlfahrt: Eine soziale Wohlfahrtsfunktion ordnet jedem Güterbündel eine reelle Zahl, den Nutzen zu (Nutzenindex), den die Gesellschaft aus dem Konsum dieses Güterbündels zieht.

Pareto - Optimum: Eine Ressourcenzuteilung wird als pareto-optimal (pareto-effizient) bezeichnet, wenn keine andere Möglichkeit der Aufteilung besteht, die jemanden besser stellt, ohne das ein anderer schlechter gestellt wird. Oder anders ausgedrückt: Ein Zustand, in dem es nicht möglich ist, eine Eigenschaft zu verbessern, ohne zugleich eine andere zu verschlechtern. Das Kriterium spielt auch heute noch in der praktischen Wirtschaftspolitik (in etwas abgewandelter Form) eine Rolle. Als Beispiel kann das neue Teilhabegesetz von2016 genannt werden. Niemand soll schlechter gestellt werden. Einigen geht es besser. Es ist benannt nach seinem Schöpfer, dem italienischen Ökonomen und Soziologen Vilfredo Pareto (1848 - 1923).

Public Choice: Politiker sind oft mehr um ihre Wiederwahl als um das Gemeinwohl besorgt; Wähler sorgen sich mehr um ihre Brieftaschen. Die Theorie geht auf James Buchanan (geb. 1919) und Gordon Tullock (geb. 1922) zurück. "Wollen sie die Politik verbessern, verbessern sie Regeln und Struktur. Erwarten sie nicht, dass sich Politiker anders als sie verhalten. Sie verhalten sich ihren Interessen entsprechend", James Buchanan.

"Homo oeconomicus": utilitaristisches Menschenbild der Mikroökonomik, nach dem rational handelnde Menschen durch Eigennutz motiviert ihren Nutzen immer maximieren wollen. Neuere empirische Forschungen (Laborexperimente) zeigen jedoch: Menschen verhalten sich in der Realität nicht so streng egoistisch, wie es der "Homo oeconomicus" in den traditionellen Modellen tut. Dies wird mit dem ERC-Modell erklärt (Equity, Reciprocity, Competition, G. Bolton/ A. Ockenfels, in:  American Economic Review, 2000. Vgl. auch: Fehr/ Schmidt: A Theory of Fairness, Competition, and Cooperation, in: Quaterly Journal of Economics, 1999. Das Menschenbild des "homo oeconomicus" hat auch zu einer Ausblendung der Kultur in der VWL geführt. Mittlerweile hat die Psychologie mit ihrer empirischen Forschung bewiesen, dass Menschen soziale Wesen sind, die ohne Gefühle nicht entscheiden können (G. Gigerenzer, MPI für Bildungsforschung, Berlin). Immaterielle Werte wie Fairness und Vertrauen können auch die Effizienz der Wirtschaft steigern. Viele Experimente und Befragungen zeigen, dass Menschen beschränkt rational sind und soziale Motive eine wichtige Rolle spielen. Die jüngste Finanz- und Weltwirtschaftskrise hat mit dazu geführt, dass immer mehr Ökonomen den "Homo oeconomicus" zu Grabe tragen. Doch einzuwenden ist dagegen, dass kein neues, alternatives Paradigma vorliegt. In Experimenten werden neuerdings deshalb dem Menschen/homo oeconomicus einfach "soziale Präferenzen" zusätzlich zugeordnet. Damit kehrt man nur zum Urvater Adam Smith zurück (moral sentiments). Vgl. auch Frank Schirrmacher: Ego - Das Spiel des Lebens, München 2013. "Die neue Ökonomie bedient sich der Maschine, und sie erfasst den Menschen mit der Mathematik". Auch die Psychologie hat nachgewiesen, dass nicht Egoisten im Wirtschaftsleben gewinnen, sondern hilfsbereite Menschen (Großzügigkeit zahlt sich aus). Menschen, die sich engagieren, gewinnen auch schnell an Lebensfreude und Selbstachtung (Adam Grant: "Geben und Nehmen", München 2013). Die Finanzkrise 2008 hat auch an den Tag gebracht, dass die Mehrzahl der ökonomischen Akteure nach alltagsökonomischen Faustregeln handeln. In Situationen der Unsicherheit folgen Menschen auch gerne der "Herde".  "Die Ökonomen, die ich unterrichte, gehen dorthin, wo die Macht ist und wo das Geld ist. Ich kenne eine Menge, die Millionäre geworden sind. Ihr Eigennutz motiviert sie", Paul A. Samuelson, in: DIE ZEIT, Nr.29, 19.07. 2008, S. 21. Er starb 2009. "Die Vereinfachung hat den Vorteil, dass man nichts darüber wissen muss, was ein Individuum für subjektiv wertvoll hält, um dennoch Aussagen über sein Verhalten treffen zu müssen", Kohlstruck, Tobias: Der Homo oeconomicus ist nicht tot - und das ist auch gut so! in: WiWo 3/ 14.1.22, S. 44f. 2018 trugen Studenten der Uni Wien den homo oeconomicus symbolisch zu Grabe. Doch insgesamt hält die Wirtschaftswissenschaft noch immer überwiegend am Paradigma fest. Vgl. Schäfer, Helena: Ein Paradigma verteidigt sich, in: FAZ 29.3.23, S. N 4.

Das Menschenbild in der Ökonomie: Immer noch vorherrschend ist der Homo oeconomicus (siehe oben). Er wird allerdings in der modernen Wirtschaftswissenschaft erweitert und modifiziert. Einerseits ist er immer ein Idealtypus gewesen. Erweitert wird das Menschenbild sachlich (offenerer Vorteilsbegriff), zeitlich (Nachhaltigkeit), institutionell (Vertragstheorie) und personell (Verhaltensökonomik: Präferenzen, Beliefs, Entscheidungen). Wichtig sind die ordnungspolitischen Konsequenzen für die Wirtschaftpolitik (Freiheit, Verantwortung).  Es stellt sich die Frage, ob das Konzept nicht zu ethnozentrisch ist. Sehr erfolgreiche Volkswirtschaften (z. B. China) haben eine andere Basis.  "Die Mehrheit in den Wirtschaftswissenschaften denkt den Menschen immer noch als eine egoistische Kreatur, der es nur um den eigenen Vorteil geht und die dadurch auf wundersame Weise für alle Wohlstand schafft. Dieses Menschenbild ist falsch und muss dringend einem Update unterzogen werden. Ein System, das Egoismus belohnt, erzieht zum Egoismus. wir brauchen eine Neubetrachtung der Werte, die Menschen in ihrer kooperativen Lebendigkeit zeigen", in: Maja Göpel: Unsere Welt neu denken, Berlin 2020, S. 72f.

Egoismus: Egoismus ist nicht nur schlecht. Er nutzt auch den anderen. Dies erkannte schon sehr früh der Militärexperte Leonard Fronsperger aus Ulm (1525-1575). Er schrieb ein Buch mit dem Titel "Von dem Lob des Eigen Nutzen". Die Idee findet sich später in anderen Werken wieder: Bernhard Mandeville Bienenfabel oder bei Adam Smith Wohlstand der Nationen. Es geht um Analysen über die Auswirkungen des individuell eigennutzgetriebenen Handelns auf das menschliche Zusammenlebens und die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft. Auch Max Weber griff später auf diese Idee  in seiner "Protestantischen Ethik" zurück. Vgl. Rainer Klump/ Lars Pilz: Die Entdeckung des Egoismus, in: FAZ Sonntagszeitung 7.10.2018, S. 24. 

Rationale Wahl: Nach Gary Becker geht jeder Entscheidung, ob nun altruistisch, kriminell, diskriminierend, in Familie und Haushalt, bestrafend oder anders begründet, stets eine Kosten-Nutzen-Analyse voraus. Alle Entscheidungen in unserem Leben, ob Autokauf oder Heirat, basieren auf dem Abwägen der Vor- und Nachteile sämtlicher Optionen unter Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen.  "Jeder maximiert seine Wohlfahrt, so wie er sie sieht - ob er nun egoistisch, altruistisch, loyal, boshaft oder masochistisch ist", Gary Becker. Vgl. Marron, D.: Wirtschaft in 30 Sekunden, Librero 2018, S. 106.

Soziale Netzwerke als Kapital: Beziehungen sind wichtig. "Eine Gesellschaft aus vielen tugendhaften Individuen ist nicht unbedingt reich an Sozialkapital", Robert Putnam. Soziale Netzwerke sind wichtig für die Wirtschaftsleistung. Man spricht auch von sozialkapital. Soziale Netzwerke fördern die Kooperation und die Verbreitung von Informationen, sowie die Produktivität. 

Fairness: ist im Sinne von Akerlof und Shiller (animal spirits, Frankfurt/ New York 2009, S 29 ff.) ein wichtiger Erklärungsfaktor und ökonomisches Handlungsmotiv, das auf Albert Rees zurückgeht. Entsprechendes Verhalten kann in Experimenten nachgewiesen werden. Fairness wirkt positiv beim Tauschen und beim Beraten. Gegenpart ist die Arglist, die in der Regel zu Korruption führt. Besonders wichtig ist auch Vertrauen (Vgl. den gleichnamigen Band von Niklas Luhmann dazu). Es ist eine Art riskante Vorleistung und spielt bei allen Transaktionen eine Rolle. George A. Akerlof und Robert J. Shiller setzen sich in dem Buch "animal spirits" (Frankfurt/ New York: Campus, 2009) für mehr psychologische Ansätze in der Wirtschaftstheorie ein. Sie weisen auf die Bedeutung von Vertrauen, Fairness, Arglist und Geldillusion hin.

Prinzipal Agent: Ein Agent ist jemand, der für einen anderen (Prinzipal) tätig ist. Folglich ist ein Prinzipal jemand, für den ein anderer (Agent) agiert. Die Theorie ist geeignet für die Erklärung der Unternehmensführung in Kapitalgesellschaften moderner Industriegesellschaften. Sie gilt auch für die Beziehung Wähler - Politiker - Ministerialbeamte. Sie spielt auch eine große Rolle bei Problemen der Finanzierung. Die Präferenzen der Bürger kommen nicht direkt zur Geltung. Normalerweise beauftragt der Bürger als Wähler Politiker damit, seine Interessen wahrzunehmen. Es entsteht ein Delegationsverhältnis, das sowohl zwischen Bürger und Politikern als auch zwischen Politikern und Beamten der Bürokratie in der Verlässlichkeit Fehler und Missverständnisse haben kann. Vgl. als wichtigsten Aufsatz: Stephen Ross, The Economic Theory of Agency: The Principal`s Problem, in: AER, 1973. Der Principal-Agent-Ansatz ist Teil der folgenden Theorierichtung.

Neue Institutionenökonomik: Die Neue Institutionenökonomik wird meist auf den 1937 erschienenen Aufsatz "The Nature of the Firm" (Economica 4, 1937, S. 386 -405) von Ronald Coase zurückgeführt. Diese Arbeit gilt  als "Ursprung" der Transaktionskosten in der Ökonomie. Die Transaktionskosten sind ein zentraler Untersuchungsgegenstand der Neuen Institutionenökonomik, weil ihre Existenz die Bedeutung von Institutionen für erfolgreiche Transaktionen erklärt (vgl. Wikipedia - Artikel). Der Begriff „Neue Institutionenökonomik“ wurde aber erst 1975 von Oliver Williamson geprägt. Die Neue Institutionenökonomik hat spätestens seit der Mitte des 20. Jahrhunderts große Anerkennung in der Volkswirtschaftslehre gefunden. Einen großen Anteil hatte daran auch der Nobelpreisträger Douglass North (Institutions, Insttutional Change and Economic Performance, Cambridge u. a. 1990). Es werden Spielräume bei Preisen, Marktmacht, anhaltende Ungleichgewichte des Marktes, unvollständige Verträge, asymmetrische Informationen, veränderbares Wissen, beschränkte Rationalität, Opportunismus, Moral Hazard und die aus all diesen Aspekten entstehenden Transaktionskosten explizit berücksichtigt (vgl. Wikipedia - Artikel). Die zentrale Annahme der neoklassischen Mikroökonomik "homo oeconomicus" wird so fallen gelassen. Ein weiterer Ursprung dieser Richtung ist: Hirschman, Albert Otto: Exit, Voice, and Loyality. Responses in Decline in Firms, Organizations, and States, Cambridge, Harvard 1970.

Moral Hazard (Moralische Wagnisse): Möglichkeit unehrlichen Verhaltens in Situationen, in denen das Verhalten nur unvollkommen kontrolliert wird. Die am Markt orientierte Umweltpolitik setzt bei ökonomischen Anreizen an, um sie gezielt zu instrumentalisieren: Umweltschutz durch Eigennutz. "Der Großteil der Ökonomie kann in vier Worten zusammengefasst werden: Menschen reagieren auf Anreize. Der Rest ist Kommentar", Steven Landsberg, US-Ökonom. Moral Hazard gibt es auch in anderen Bereichen, z. B. auf den Finanzmärkten: die Notenbanken können nicht suggerieren, dass sie nicht eingreifen. Also planen die Akteure dies ein, vgl. F. S. Mishkin: Housing and the Monetary Transmission Mechanism, Fed, Series, 40/ August 2007. Entscheidend für Moral Hazard ist nach jüngsten Forschungsergebnissen (Torgler, Levitt) das soziale Umfeld. auch die Angst vor Überführung (Kontrolle) hat einen Einfluss.

Risiko und Unsicherheit: Beides muss unterschieden werden. Unsicherheit ist die Ursache des Gewinns. Vgl. Knight, Frank Hyneman: Risk, Uncertainty, and Profit, Boston/ New York 1921.

Asymmetrische Information: Situation, in der einer der Akteure systematisch besser informiert ist als der andere. Sie kann sowohl als versteckte Information, versteckte Absichten und versteckte Handlungsmöglichkeiten (hidden characteristics, hidden intentions, hidden actions) als auch als negative Auslese (adverse selection) auftreten. Informationsmängel und Unsicherheit sind auch Ursachen der Umweltverschmutzung. Als Marktlösungen bieten sich nach der Prinzipal-Agent-Theorie hier Screening, Signaling und Interessenharmonisierung an. Vgl. Neubäumer/ Hewel (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, Wiesbaden 2001, S. 636ff. . Colin Crouch hält in seinem Buch "Die bezifferte Welt" (Berlin 2017) das Problem "asymmetrischer Information" als fundamental für den Neoliberalismus an. "Die klassische marktwirtschaftliche Theorie ging davon aus, dass sich die Mehrzahl der Marktteilnehmer moralisch integer verhält. Die gegenwärtig dominierende Rational-choice-Theorie prämiert hingegen Verhaltensweisen, die sich der Verfälschung und Verzerrung von Informationen und Wissen bedienen", ebenda, S. 196.

Signaling und Screening von Informationen: Eine Aktion, von unterrichteter Seite unternommen, um private Informationen gegenüber einer unwissenden Partei aufzudecken. Beim Screening geht es um das Vorgehen einer uninformierten Partei, die informierte Seite zur Preisgabe der Informationen zu veranlassen. Bei einer Preissignalisierung besteht eine stillschweigende Übereinkunft, so dass ein Unternehmen eine Preiserhöhung verkündet und dabei hofft, dass der Konkurrent das gleiche tut.

Ökonomische Vertragstheorie: Sie beschäftigt sich mit der Ordnung und Institutionalisierung von Beziehungen zwischen Menschen in Dokumenten, die Verhalten begrenzen und regeln. Man unterscheidet vollständige und unvollständige Verträge. Ein weiteres Thema ist die Begrenzung des Vertragsrisikos. Verträge haben große praktische Bedeutung für menschliches Verhalten. Der Nobelpreisträger für Wirtschaft 2016 zeigt dies in seinem Buch anhand eines privaten Immobiliengeschäftes (vgl. Hart, O.: Firms, Contracts and Financial Structure, Oxford 1995). Verträge können so gestaltet werden, dass sie zu einem optimalen Ergebnis führen. Verträge können sein Vergütungs- und Arbeitsverträge, Versicherungsverträge, Vereinbarungen zwischen Investoren, Verträge zwischen öffentlicher Hand und privaten Dienstleistern und andere. Ohne Verträge sind soziale Interaktionen in einer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft nicht möglich. Vom Typ her gibt es eine Vereinbarung zwischen einem Auftraggeber (Prinzipal) und einem Auftragnehmer (Agent) zum beiderseitigen Vorteil (siehe oben). Weil man die Zukunft nicht kennt, können nicht alle Eventualitäten in Verträgen berücksichtigt werden (wichtig ist, wer in Streitfällen das Sagen hat).

Industrieökonomik: Sammelbegriff für verschiedene volkswirtschaftliche Ansätze zur  Erklärung der Ergebnisse wirtschaftlichen Handelns von Unternehmen auf unvollkommenen Märkten mit dem Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma als gemeinsamen Ausgangspunkt (s. Gablers Wirtschaftslexikon). Sehr bekannt sind die Ansätze von Bain 1968, Caves 1972, Sheppard 1979 (Wissenschaftsgeschichte). Heute ist Industrieökonomik mehr ein interdisziplinäres Gebiet zwischen VWL und BWL. Ich selbst bevorzuge eher die Begriffe "Managerial Economics" oder "Entrepreneurial Economics", weil sie explizit den hohen Anteil der BWL voraussetzen und in der Theorie flexibler sind. Theoretische Grundlage ist die psychologische und empirische Verhaltensökonomie. Man versteht diese Auffassung z. B., wenn man sich das Lehrbuch von Helmut Bester ansieht (Theorie der Industrieökonomik, Berlin, Heidelberg, New York 2004): Es ist eher reine Mikroökonomik, die sehr formal und mathematisch ausgerichtet ist und kaum Bezug zur Praxis hat. Sie eignet sich nicht zur Operationalisierung und damit empirischen Forschung (und kann so kaum praktische Ratschläge geben).

Industriepolitik: Unterstützung der Unternehmen durch die Wirtschaft. Schlüssel- und Zukunftstechnologien sollen wachsen. Die Unternehmen wollen allerdings keine Dauerintervention des Staates. Die Industriepolitik für KMU wird zur Mittelstandspolitik gerechnet. Im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher KMU ist sie im Auge zu behalten. In den asiatischen Ländern ist die Mittelstandspolitik (SME-Policy) in die Industriepolitik eingebunden. So versuchen China und Japan, längerfristig ihre Wirtschaftsstrukturen zu beeinflussen. In der EU muss sich erstmal eine klare Arbeitsteilung zwischen EU-Mittelstandspolitik und den Politiken der Länder herausbilden (dazu habe ich 2012 einen Artikel geschrieben, vgl. Working Paper 1/ 2012 der HS LU). In Deutschland bewegt sich die Industriepolitik zwischen "Rheinischem Kapitalismus" und Beschränkung der freien Kräfte des Marktes durch Gesetze. Mittlerweile ist China die größte Herausforderung für eine moderne Industriepolitik. Die Erfolge der Chinesen erklären sich aus der Mischung von plan- und marktwirtschaftlichen Strategien. Sie wurden aber auch durch die schiere Größe des Marktes und die Abschottung begünstigt. Vor allem auf dem Feld der Digitalisierung arbeitet China mit einem Tempo, das unheimlich ist. "Die heimische Wirtschaftspolitik verunsichert die Unternehmen zunehmend, vor allem den Mittelstand", Martin Wansleben, DIHK. Die Übernahme von Kaiser´s Tengelmann durch Edeka und die damit verbundenen Schwierigkeiten zeigen die Schwachpunkte der Industriepolitik in Deutschland. Am 26.02.19 trifft sich der Asien-Pazifik-Ausschuss in Berlin. Merkel warnt vor einer Dominanz Asiens und fordert eine Neuordnung der Industriepolitik der EU und Deutschlands.  Vgl. zur generellen Kritik an staatlicher Industriepolitik: Kooths, Stefan: Warum staatliche Industriepolitik ein Irrweg ist, in: WiWo 157 6.4.23, S. 41.

 

Digitalisierung (Internetökonomie): Vgl. auch den vorherigen Abschnitt und Markt, Wettbewerbspolitik; die Veränderungen im Unternehmen sind bei Mittelstandökonomik/ Digitalisierung dargestellt; wichtig ist auch das digitale Marketing bei Marketing sowie die Produktion 4.0 bei Produktion. Ein geschlossener Artikel zur Digitalisierung findet sich auf der Seite "Fallstudie/ Case". Es gibt auch eine ganze Seite nur mit Digitalem (Mercator/ Digital).

Digitalisierung: Der Prozess umfasst vier Teile: Die digitale Infrastruktur (Netzausbau), die Digitale Verwaltung (E-Government), die Digitalisierung der Wirtschaft und die Digitalisierung aller Wirtschaftssubjekte (private Haushalte, Smart Home). In der neuen Bundesregierung ab 2018 hat man noch kein schlüssiges Konzept für die Digitalisierung gefunden. Die Digital-Staatsministerin Bär hat weder Etat noch Personal. Der Kern ist im Verkehrsministerium angesiedelt. Unklar bleibt, ob und wie Deutschland zur Digital-Nation aufsteigen will. Am 16.11.18 gibt es einen Digital-Gipfel der Bundesregierung in Potsdam. Auch hier bleibt Vieles im Nebel.

Inhalte der Digitalisierung ("Software is eating the world", Leben und Digitalsphäre) : 1. Social Networking. Digital Connection. 2. Verkettung und Automatisierung einfacher Prozesse, Verknüpfung. Beliebig kombinierbare Elemente. 3. Frage der Teilhabe. Mensch - Maschinen - Dienst - Cyborgs. Maschinenkompatibilität. 4. Plattformen, die auch für alles eingesetzt werden können (z. B. Wechat in China).

Homo Digitalis: Der Mensch wird die biologische Form behalten, die aber mit digitalen Assistenten erweitert wird. Können wir unsere Gehirne in der Cloud hoch laden (können wir nur noch als Bachup in der Cloud leben)? Wird der Homo Digitalis teils biologisch, teils digital sein? Wir werden auch digitale Avatare haben, die wie wir aussehen und in einer digitalen Welt handeln. Das menschliche Leben ist durch seine Kürze definiert. Wenn der Homo Digitalis das hinter sich lässt, brauchen wir möglicherweise neue Überzeugungen, um unserem Leben einen Sinn zu geben. Die menschliche Existenz könnte sich ändern. Wenn eine gewisse Unsterblichkeit nur den Reichen vorbehalten ist, wird sich unsere Gesellschaft weiter spalten. Reiche haben ohnehin eine höhere Lebenserwartung. Vgl. Toby Walsh: The World that AI Made, Black 2018. Ders.: Kommt der Homo Digitalis? in: digital pioneers 54, 1/2019, S. 42f. Für ihn ist die entscheidende Frage, was Bewusstsein ist.

Postdigital: Am besten hat das der ehemalige Chef des MIT Media Labs Nicholas Negroponte beschrieben (Beyond Digital 1998): "Wie die Luft und das Wassertrinken wird Digitales nur durch seine Ab- und Anwesenheit bemerkt werden. Computer werden ein umfassender, wenn auch unsichtbarer Teil unseres Alltags sein: Wir werden in ihnen wohnen, sie tragen, sie sogar essen". Entscheiden wird der Unterschied vom Menschen zum Computer werden: die Fähigkeit Fragen zu stellen. Warum ist das so? Kann das nicht auch anders sein? Pablo Picasso.

Digitalisierungsstrategie: Politik der Bundesregierung, die digitale Transformation in Deutschland voranzutreiben. Erkennbar sind folgende Elemente: Digitale Kompetenz (DigtalPakt Schule). Künstliche Intelligenz (KI; EXIST, Arbeitswelt und Arbeitsmarkt). Vgl. Bertschek, Irene: Digitalisierungsstrategie - das Matrjoschka-Prinzip, in: Wirtschaftsdienst 2018/12, S. 834ff. Die Bundesregierung hat einen Reihe von Gremien eingesetzt, die die Strategie vorantreiben und umsetzen sollen: 1. Digitalkabinett (Vorsitz D. Bär). 2. Digitalrat (Vorsitz K. Suder). 3. Datenethikkommission (ethische Leitlinien). 4. IT - Rat (H. Braun). 5. IT - Planungsrat (Bund, Länder, Kommunen).

Digitalisierung der Verwaltung: Deutschland hinkt hier hinterher. Am weitesten in Europa sind 2018 Finnland, Estland, Dänemark, Frankreich, Großbritannien und Italien.  Das hat auch Gründe: 1. Die Größe Deutschlands. 2. Suche nach perfekter Lösung. 3. Preußen als Erfolgsmodell. 4. Angst vor Datenmissbrauch. 5. Risikoscheue des Staates. Vgl. Der Spiegel Nr. 48/24.11.18: Im Ja-aber-Land, S. 66ff. Hessen erhält nach der Wahl 2018 ein Ministerium für Digitales.

Digitaler Markt, Eigenschaften: Digitale Märkte haben besondere Merkmale: 1. Hohe Dynamik und Innovationskraft. 2. Hohe Fixkosten und geringe marginale Kosten (kaum Kapazitätsgrenzen, Log-in-Effekte). 3. Hohe Transparenz und geringe Transaktionskosten. 4. Große Bedeutung von (personenbezogenen) Daten (Abschöpfung der Zahlungsbereitschaft?). 5. Internet-Plattformen und mehrseitige Märkte (Matching). 6. Fehlende unmittelbare monetäre Gegenleistung auf Plattformen (Finanzierung nur durch eine Marktseite). Marktteilnehmer treten individuell in Kontakt in einem Netzwerk. Eine solche Blockchain besteht aus vier Teilen: 1. Einem Wallet und Schlüssel. Ein Wallet ist eine digitale Geldbörse, bestehend aus einem öffentlichen und privaten Schlüssel. Mit dem privaten Schlüssel wird die Identität als berechtigter Besitzer der Wallet bestätigt. Der öffentliche Schlüssel entspricht etwa einer gewöhnlichen Kontonummer. 2. Verteiltes System. Die Transaktionsabwicklung läuft in einem Netzwerk auf spezieller autorisierter Hardware. Geschäftsabschlüsse werden kryptographisch abgesichert. 3. Kassenbuch. Transaktionen werden chronologisch aufgezeichnet. 4. Peer-to-Peer. Direkter Austausch von Werten zwischen einzelnen Marktteilnehmern. Vgl. com professional 11/16, S. 14ff. Auch: Brynjolfsson, E. / McAfee, A.: The Second Machine Age, Kulmbach 2015. Weiterhin spielt in den digitalen Märkten das Eigentum nicht mehr die große Rolle. Menschen sind mehr bereit, nur zu teilen. Zugleich verliert der Preis als Steuerungsmechanismus an Bedeutung. Von der Größe von Internetgiganten profitieren auch die Kunden massiv. Auf den digitalen Märkten gelten auch andere Regeln als früher. Der Tendenz nach sieht dies wie folgt aus: 1. Monopole statt Wettbewerb. 2. Daten statt Preise. 3. Clickworkertum statt Sozialpartnerschaft. 4. Sharing statt Eigentum. Vgl. A. Wambach/ H.-C. Müller: Digitaler Wohlstand für Alle, New York/ Frankfurt 2018, S. 24ff.

Zweiseitige Märkte: Preisstruktur und die Interaktion von mindestens zwei Nutzergruppen sind ausschlaggebend. Die Nutzergruppen sind indirekt miteinander verbunden (der Nutzen der Mitglieder der einen Gruppe ändern sich mit der Größe der anderen Gruppe). Dazu gehört ein Intermediär, der in der Regel die Plattform einrichtet (bringt beide Nutzergruppen zusammen).  Beispiele sind Suchmaschinen, Bezahldienste, Immobilienportale. Vgl. Reiner Clement: Zweiseitige Märkte, in: WISU 1/2016, S. 102ff.

Konvergierende Märkte: Die einzelnen Märkte wie Telekommunikation, Information, Media und Entertainment wachsen immer mehr zusammen. Private Güter können eingerichtet werden. Personen können ausgeschlossen werden. Die Nutzung kann genau festgelegt werden.

Weitere Marktmerkmale: Der Markteintrittskosten sind in der Regel sehr niedrig,. Dafür ist der Wettbewerb härter. Die Preisfindungsmechanismen können sehr schnell individualisiert werden. Das Internet ist weltweit standardisiert. Suchmaschinen haben eine große Bedeutung. Beziehungsmanagement ist idealerweise möglich.

Digitalisierung und Strukturwandel: Die Wirtschaftswelt wird zunehmend von Software geprägt. Hardware und Ingenieurskunst verlieren an Boden. Die Automobilindustrie ist die Schlüsselbranche in Deutschland. Elektrofahrzeuge sind technisch weniger komplex und einfacher zu bauen. Im DAX (30 Unternehmen) sind nur zwei Digitalkonzerne, SAP und Wirecard. Die künftige Wirtschaftswelt wird weniger von Ingenieuren und Maschinen geprägt als von Programmierern und Daten. Die große Gefahr besteht darin, dass die eigentlichen Produzenten nur noch Zulieferer für die großen Digitalkonzerne sind. Traditionelle Managementtechniken sind zu langsam. Möglichst viele Geschäfte sollten die Unternehmen selbst machen, damit sie nicht von Plattformen abhängig werden. Im Konsumgüterbereich und auch im Industriegeschäft schieben sich Plattformen wie Amazon und Alibaba zwischen Produzenten und Endkunden. Die Grenzen zwischen klassischen Branchen verändern sich oder lösen sich auf. Vgl. auch: Krämer, Hagen: Digitalisierung, Monopolpreisbildung und wirtschaftliche Ungleichheit, in: Wirtschaftsdienst 2019/1, S. 47ff.

Digitale Transformation: Umsetzung der Digitalisierung im Unternehmen. Die Unternehmen werden dabei in fünf Gruppen eingeteilt: 1. Digital Leaders, 2. Digital Adapters, 3. Digital Evaluators, 4. Digtal Followers, Digital Laggards. Nach einer Erhebung von Dell 2018 (4600 Entscheider in 42 Ländern) liegen die meisten Unternehmen in den Gruppen 3 und 4.

Volkswirtschaftslehre 4.0: Die Volkswirtschaftslehre steigt in ihrer Bedeutung mit der Digitalisierung und Globalisierung stark an. Das zeigt sich auch konkret darin, dass die großen Tech - Firmen, insbesondere im Silicon Valley, ihre volkswirtschaftlichen Abteilungen massiv ausbauen. Sie sollen bei der Suche nach neuen Geschäftsmodellen helfen. Auf der anderen Seite bieten die Datenflut und die Plattformen Ökonomen neue Möglichkeiten, Theorien und Hypothesen zu testen. Die vorrangigsten Aufgabe der Volkswirte ist aber, Muster zu erkennen (Algorithmen), Szenarien durchzuspielen und neue Start - ups in ihren Strategien auszurichten. Daten können die Märkte und die Wirtschaft besser koordinieren. Die angewandten Hochschulen in Deutschland (frühere Fachhochschulen, oder die dualen Hochschulen) haben auf diesen Trend noch nicht reagiert. Sie handeln azyklisch. Die Mechanismen der Selbstverwaltung sind zu stark politisch (durch Finanzen) gegängelt und zu stark an den eigenen Berufszielen (oft Lebensqualität) ausgerichtet. Vgl. Buhse, Malte: VWL 4.0: Wie Wissenschaft und Tech - Unternehmen voneinander lernen, in: Wirtschaftswoche, 50/ 2.12.16, S. 40f. Im Zeitalter der Digitalisierung nehmen Verteilungsfragen stark zu in allen Ländern. Wenn es nicht gelingt, Lohn und Arbeit zu entkoppeln, werden viele Menschen in Zukunft keinen Arbeitsplatz mehr finden (vgl. Mayer-Schönberger/ Ramge: Das Digital, Berlin 2017). Weiterhin könnte aber die Blockchain - Technologie  mehr möglich machen als nur Handel mit Krypto - Währungen. Es könnte eine neue Weltwirtschaftsordnung entstehen. "Die Digitalisierung vernichtet in Summe keine Jobs. Sie verändert Berufsbilder und die Ausbildung", SAP-Vorstand Bernd Leukert 2017 (s. Handelsblatt 24.01.17, S. 17).

Peer Production: Wer Google oder Facebook nutzt, schafft damit Werte. Es gibt immer mehr Ökonomen, die fordern, dass die Nutzer dafür bezahlt werden müssen (z. B. Glen Weyl, der selbst für Microsoft arbeitet). Peer Production verlagert in vielen Bereichen immer mehr Kosten auf den Konsumenten (Flughäfen, Bahnhöfe u. a.). Wo liegt die Grenze für kostenlose Leistung der Konsumenten?

Neue Produktionsfunktion: Durch Künstliche Intelligenz entsteht einen neue Produktionsfunktion. Der Output als abhängige Variable ist eine Funktion der unabhängigen Variablen Daten, Kapital, Arbeit. KI macht Daten zum dritten Produktionsfaktor. Die Daten sind rückgekoppelt mit Kapital und Arbeit. Der Output hat eine Interdependenz mit Daten, arbeit und Kapital. KI kombiniert Kapital und Arbeit, KI definiert das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit neu. Die industrielle Ordnung (vertikale Wertschöpfungsketten) wird durch die digitale Ordnung ersetzt (hybride Unternehmen mit Kollaboration und Integration). Vgl. Vöpel, Henning: Wie künstliche Intelligenz die Ordnung der Wirtschaft revolutioniert, in: Wirtschaftsdienst 2018/11, S. 828ff.

Neo-Dataismus: Eine Wirtschaft, in der Daten ihren Verursachern gehören, nicht Konzernen.

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Preisbildung:  Die Digitalisierung kann dazu führen, dass man dem Ideal der vollständigen Konkurrenz immer näher kommt. Damit würde sich dann auch die Wohlfahrt erhöhen. Bisher ist aber offen, welche Hypothese eher zutrifft: 1. Durch eine höhere Markttransparenz und verringerte Transaktionskosten ist eine generelle Preissenkung möglich. 2. Die Digitalisierung führt zu Monopolen und neuen Informationsasymmetrien. Das führt zu Angebotskurven mit Null-Grenzkosten, Kundenbindung durch Umstellungskosten und Preisdifferenzierung. Vgl. Thieß Petersen: Auswirkungen der Digitalisierung auf Preisbildung und Wohlfahrt, in: Wirtschaftsdienst 2018/5, S. 340ff.

Kurve komplementärer Güter: Wenn zwei Güter miteinander verknüpft sind, also zwei Produkte in Kombination verkauft werden, kann sich der Preis des einen Produktes auf die Nachfrage des anderen auswirken. Lange sprach man in der Umgangssprache von Burgerbrötchen-Kurve. Wenn ein Supermarkt günstiges Rindfleisch anbietet, steigt auch die Nachfrage nach Burgerbrötchen. Die Industrie macht sich diesen Zusammenhang immer wieder zu Nutzen: So sind bei Nassrasierern  die Rasierklingen oft teurer als der Rasierer. Oder Druckerpatronen sind relativ teuer im Vergleich zum Drucker. Am deutlichsten zeigt sich heute der Zusammenhang bei Smartphones. Erst die Entwicklung von Apps in großem Ausmaß konnte die Nachfrage nach den Handys so ansteigen lassen. Heute sind Plattformen in vielen Bereichen wichtiger als die Produkte.

Digitalisierung und Besteuerung: Die "Bepreisung" von Daten, insbesondere die der Konsumenten, ist ein Gerechtigkeitsproblem jetzt und in der Zukunft. Die Menschen liefern kostenlos Daten und andere verdienen damit viel Geld. Die Menschen als Datenlieferanten sind doppelt benachteiligt. Weil das Steuersystem an realen Gütern orientiert ist, müssen die Bürger die Steuern aufbringen. Andererseits werden die Daten-Unternehmen nicht ausreichend besteuert. Die Digitalsteuer wird von der eU ins Auge gefasst. Was würde aber passieren, wenn die USA und China auch diese Steuern einführten?

Beschleunigungsgesellschaft: Die Begriffe Beschleunigungsregime oder auch Beschleunigungstotalitarismus stammen von dem deutschen Soziologen Hartmut Rosa (Uni Jena). Unsere Welt wird durch die wachsende Mobilität und das Internet immer weiter beschleunigt. Wie viel Beschleunigung verträgt aber der Einzelne? Vgl. H. Rosa: Beschleunigung und Entfremdung, Berlin 2013.

Digitalisierung und gesellschaftliche Ungleichheit: Die Fortschritte in der Informationstechnologie führen zu immer größeren Ungleichheiten in den Industriegesellschaften (sie ersetzen das Gehirn und machen die Arbeit von vielen Menschen überflüssig). Produktivitätsgewinne verteilen sich immer mehr zu Gunsten der oberen Klassen (in US-Unternehmen ist dieser Effekt am stärksten, weil sie mehr aus der IT-Technologie herausholen). Notwendig wäre ein "Gleichheitsindex" im Steuersystem ("Steigende- Flut-Steuersystem"), der sich der Ungleichheit mit den Steuersätzen anpasst (Robert Shiller, Yale, Irrational Exuberance, Princeton 2000; New Financial Order, Princeton 2003). Shiller fordert  eine Globalisierungsversicherung für jedermann. Er untersucht auch, wann Spekulationsblasen auf Immobilienmärkten platzen ("Historic Turning Points in Real Estate", Working Paper, Juni 2007). In Deutschland arbeiten 2007  61% aller Erwerbstätigen mit dem PC. Als wichtigster Aufsatz des Autors gilt: Do Stock Prices Move Too much to Be Justified by Subsequent Changes in Dividents, in: AER, 1981. R. Shiller hat auch ein Unternehmen gegründet, das erstmals Handel mit ökonomischen Risiken aller Art betreibt (Rezession, fallende Immobilienpreise, Arbeitslosigkeit). Der Name ist Makro Market. Es gibt einen weiteren Faktor, der die Ungleichheit durch Informationstechnologie beeinflusst: menschliche Faulheit. Einige Experten sprechen von einer "Winner takes all"- Welt: Wenige profitieren übermäßig.  "Der herrschende Glaube an soziale Gerechtigkeit ist gegenwärtig vielleicht die größte Bedrohung der meisten anderen Werte einer freien Gesellschaft", Friedrich von Hayek, The Mirage of Social Justice. "Ein innovationsgetriebenes Wachstum kann auch Ungleichheit verschlimmern", Christine Lagarde, IWF-Chefin, 2016. "Wir müssen verhindern, dass die Gewinne der Digitalisierung privatisiert werden, während die Gesellschaft die Folgekosten trägt.

Beschäftigungseffekte der Digitalisierung: Die aktuelle Entwicklungen der digitalen Technik eröffnen große Rationalisierungspotenziale. Ob der Arbeitsplatzverlust tatsächlich eintritt, ist bisher offen. Denn Digitalisierung schafft auch viele neue Arbeitsplätze, insofern ist ein Strukturwandel sicher. die Wirkungen dürften auch entscheidend von den Reaktionen der Beschäftigten abhängen: Es ist ein strukturiertes und zertifiziertes Weiterbildungssystem erforderlich. Sinnvoll ist auch ein Flexicurity-Konzept. Zur Anwendung kommen sollte auch eine integrative regionale Strukturpolitik. Vgl. Kurt Vogler-Ludwig: Beschäftigungseffekte der Digitalisierung - eine Klarstellung, in: Wirtschaftsdienst 2017/12, S. 861ff. Die Beratung PwC legt 2018 eine Studie vor. Sie macht folgende Prognosen: 37% der Arbeitsplätze in Deutschland werden bis Mitte der 2030er-Jahre mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Maschinen ersetzt. Kurzfristig werden aufgaben in Finanz- und Versicherungsunternehmen automatisiert, langfristig trifft es die Transportbranche, die Industrie und den Bau. Mehrere neue Studien schüren Zweifel, ob die Digitalisierung tatsächlich so viele Jobs vernichtet: Institut der deutschen Wirtschaft (IW), 2018. Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie, 2018.  Im April 2018 legen das IAB der BA und das BIBB eine gemeinsame Studie zu der Folgen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt vor: Fazit ist, dass die Jobs kaum weniger, aber anders werden. Regional soll sogar ein Plus an Arbeitsplätzen möglich sein. Vor allem im Bereich Information  und Kommunikation könnte es zu einem deutlichen Stellenaufbau kommen.  Eine Studie des ZEW/ Mannheim 2018 mit dem Thema "Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit" kommt zu folgenden Ergebnissen: Die jüngsten Investitionen in vernetzte Produktionstechnologien haben zwischen den Jahren 2011 und 2016 etwa 1 Prozent zusätzliche Beschäftigung geschaffen. Die Ungleichheit steigt. In erster Linie profitieren Hochlohn-Berufe. Es könnte insofern eine weitere Spaltung des Arbeitsmarktes drohen. Wenn Computer und Roboter Routineaufgaben übernehmen, können sich die Menschen kreativeren Aufgaben widmen oder solchen, die soziale Interaktionen erfordern. Doch die Bildungspolitik muss die Menschen auf die Digitalisierung vorbereiten. Auf jeden Fall sind die Auswirkungen auf den Jobmarkt 2018 noch nicht klar vorherzusagen.

Digitalisierung der Arbeitswelt (Zukunft der Arbeitswelt): 1. Maschinen können Menschen auch das Denken abnehmen. 2. Arbeitstag muss nicht mehr zwangsläufig im Büro verbracht werden. 3. Es entstehen eine Reihe neuer Berufe (Clickworker, Crowdfunder u. a.). 4. Die Digitalisierung kann die Ausbeutung der Arbeit erhöhen und führt zur Totalüberwachung (auf der anderen Seite ist sie eine Chance für Autonomie). 5. In der Internetwelt wird der Mindestlohn nicht greifen. Es wird nicht nach Zeit, sondern nach Projekten und Produkten gezahlt. Fünf Trends werden die Arbeit von morgen mit prägen: 1. Das Homeoffice (lockere Bürogemeinschaft, "Coworking-Space"). 2. Vertrauensarbeitszeit (selbst Einteilung der Arbeitszeit in einem gewissen Rahmen). 3. Familienarbeitszeit und -Pflegezeit (orientiert an den Lebensphasen der Menschen; z. B. arbeiten beide Elternteile 80%, die Lücke schließt der Staat). 4. Job-Sharing (auf Führungsebene "Top-Sharing" mit Plattform, z. B. tandemploy.de ). 5. Flexible Übergänge in die Rente ("Flexi-Rente"). Die Weltbank hat eine Studie über den Zusammenhang zwischen Digitalisierung der Wirtschaft und Arbeit weltweit 2016 machen lassen: Der Anteil der Jobs, die durch Digitalisierung und Automatisierung gefährdet sind beträgt in %: Äthiopien 85, China 77, Thailand 72, Indien 69, Argentinien und Nigeria 65, OECD-Durchschnitt 57, USA 47, Großbritannien 35. Am besten gewappnet sind die Länder, die auf Complex Problem Solving, Critical Thinking und Creativity setzen (Quelle: Weltbank: World Development Report 2016). 2018 setzt die Bundesregierung eine Datenethikkommission zur Digitalisierung der Arbeitswelt ein.

Digitalisierung und Umwelt: Der digitale Wandel kann nicht notwendigerweise das Dogma des immerwährenden Wirtschaftswachstums aufrechterhalten. Es besteht immer eine Spannung zwischen einerseits lokal erzeugtem Produkt mit digitalem Service und der jeweiligen Wertschöpfungskette im globalen Markt. Man könnte argumentieren, digitale Wertschöpfung sei um vieles effizienter und Ressourcen schonender als herkömmliche. Aber man bezeichnet dies als "Achilles und die digitale Schildkröte". Das digitale Produkt ist klein und schnell, miniaturisiert und hochperformant. Aber es ist exponentielles Wachstum, egal welche Größenordnung oder Skalierung man wählt. Vgl. Peter Reichl: Achilles und die digitale Schildkröte, in: Futur zwei 5/2018, s. 18ff.

Wachstumseffekte der Digitalisierung: Nach einer Prognose der Weltbank wird die Digitalisierung das Wirtschaftswachstum beschleunigen. Die etablierten Volkswirtschaften können den Wert ihrer produzierten Güter und Dienstleistungen bis 2030 nur langsam steigern: ISA 24%, Deutschland 17%. China dagegen soll auch dank Automatisierung bis 2030 noch einmal um 85% zulegen. Damit hätte das Land dann die größte Volkswirtschaft der Welt. Der erwartete Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts bis 2030 wird wie folgt eingeschätzt: Nordamerika +3,7%, Nordeuropa +1,8%, Südeuropa +0,7%, China +7,0%. Quelle: Handelsblatt 26./27./28. Oktober 2018, S, 57. Das globale Finanzierungsvolumen von KI-Startups 2017 betrug: USA 48%, China 38%, Sonstige 14%. Quelle: PwC, WEF, CB Insights.

IT - Konzerne und Wirtschaftsstandort: Der Mangel an großen deutschen IT - Konzernen birgt erhebliche Risiken für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Zu diesem Schluss kommt auch eine Analyse der Beratungsfirma McKinsey 2019. Technologie-Konzerne mit über 100 Mrd. Dollar Börsenwert wie Google, Apple, Facebook oder Amazon hat Deutschland nicht, nur die SAP. Solche Konzerne sind aber ein zentraler Motor der globalen Wirtschaft und Gesellschaft. China hat dies strategisch genau erkannt und seit Jahrzehnten Gegenunternehmen aufgebaut, die eine vergleichbare Größe haben oder sogar größer sind (Tencent, Huawei, Alibaba). Dafür gibt es laut McKinsey Gründe: Aufstrebende Technologieunternehmen brauchen drei Schlüsselfaktoren: Talent (hochkarätige Tech-Gründer und Mitarbeiter), Kapital (um Wachstum zu finanzieren) und günstige Marktbedingungen (optimales Umfeld). https://mck.de/techtitanen .

Digitalisierung und Makroökonomik: Wichtige Rahmenbedingungen sind: 1. Eine gleichgewichtige Verhandlungsmacht zwischen den Sozialpartnern. 2. Einen handlungsstarken Staat (adäquaten Anteil am Produktivitätszuwachs über Steuern zu vereinnahmen, auskömmliches Einkommen für digitalisierungsbedingt Arbeitslose, funktionierender Wettbewerb, größeres Gewicht für Umweltschutz). Vgl. Koll, Willi: Makroökonomische Aspekte der Digitalisierung, in: Wirtschaftsdienst 2019/ 1, S. 41ff.

Digitalisierung und Handel/ Außenhandel: Kampf um Wertschöpfungsketten (Modell der Institutionenökonomik/ Jean Tirole, Toulouse, Nobelpreis 2014): Die Institutionenökonomik/ Tirole bietet ebenfalls wie Krugman eine Alternative zum Freihandelsmodell. Freihandel wird nicht als Wert an sich gesehen. Es ist eines der Verfahren, um für eine Gesellschaft Wohlstand zu erzeugen. Aktuelle Handelskonflikte (wie zum Beispiel der zwischen den USA und China 2018) ergeben sich danach aus grundlegend veränderten Risiko- und Kommunikationsstrukturen. Die Digitalisierung senkt die Transaktionskosten weiter und verändert das Risiko. Es entstehen durch reduzierte Informationsasymmetrien neue Institutionen im Kontext der Plattformökonomie. Dadurch wandeln sich Informationstransport, Informationsspeicherung und Informationsverarbeitung. Die Digitalisierung beeinflusst auch die Industriestruktur: Systemtreiber sind die Fähigkeit zur Kontrolle des Agenten und die Möglichkeit, Skaleneffekte zu realisieren. Es kommt zu einer Reintegration von Wertschöpfungsketten. Treiber sind die Finanz- und Schuldenkrise, die Störanfälligkeit von Lieferketten und die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts. In diesem Zusammenhang sind Zölle ein Mittel der politischen und wirtschaftlichen Rivalität. Unter zu erwartenden Konfliktbedingungen ist die Sicherung der Lieferkette entscheidend dafür, die Rivalität auszuhalten bzw. siegreich zu beenden. Die Staaten haben ein Dominanzproblem:  Die USA haben ein großes Leistungsbilanzdefizit (im Opiumkrieg hatte es England), China hat einen historischen Nachholbedarf (mandschurische Machtübernahme 1647, Opiumkrieg 1839). "Made in China 2025" soll die Hochtechnologie sichern aufgrund eines schuldengetriebenen Entwicklungsmodells. Im Grunde genommen will China sich weiterhin erfolgreich in der globalen Lieferverflechtung positionieren. Man kann dies in der "Crying Curve of Asia" darstellen. Freie Märkte sind nach diesem Modell auf dem Rückzug. Vgl. Ulrich Blum: Der Kampf um Wertschöpfungsketten: Krieg gegen den Freihandel? in: Wirtschaftsdienst 2018/10, S. 737ff. 

Digitalisierung und Rohstoffe bzw. Protektionismus: Seltene Erden: Sind weiche, silbergraue Metalle, deren Schmelzpunkt je nach Element zwischen 900 und 1600 Grad C liegt. Je umweltfreundlicher und innovativer ein Produkt ist, umso größer ist die Abhängigkeit bei Seltenen Erden. Sie werden in Hochtechnologiebereichen und Energiespartechnologien eingesetzt. Konkrete Anwendungsbereiche sind Leuchtstoffe und Elektronik, Metallurgie, Katalysatoren, Keramik, Permanentmagnete, Batterien. China hat eine Quasi-Monopolstellung. Das Land arbeitet mit Exportquoten, um Produktionsstätten ins Land zu holen.  Die Quoten werden 2012 erhöht. Auf Druck der WTO werden diese ab 2015 aufgehoben.  Weitere Vorkommen sind in den GUS-Staaten, Indien, Brasilien und Nordamerika. Der Klimawandel macht auch die Arktis wirtschaftlich interessant. So gibt es seltene Erden in der ostkanadischen Provinz Quebec. Eine Kooperation mit Kanada wird angestrebt (Merkel im August 2012). Deutschland schließt im Herbst 2011 ein Abkommen mit der Mongolei: Lieferung Seltener Erden, Investitionen in Bildung und Technologie in der Mongolei. Im Februar 2012 folgt ein Rohstoffabkommen mit Kasachstan. Eine Partnerschaft mit Kanada wird angestrebt. Seltene Erden gibt es auch in den USA, Australien und Russland. In der Regel haben diese Länder ihre Lagerstätten noch gar nicht angerührt. In den Industrieländern wird das Recyceln intensiviert. 2012 gibt es einen Preissturz bei Seltenen Erden. Offensichtlich ist die Nachfrage stark gesunken (Konjunkturflaute in Teilen der Welt). China will ein Fünftel der Produktionskapazitäten schließen, um den Preisverfall zu stoppen. Mittlerweile findet man Seltene Erden auch im Rhein. Langfristig bis 2030 werden folgende Länder besonders wichtig sein: Russland für Palladium. Brasilien für Tantal, Kanada für Indium, China für Neodym und Gallium, Australien für Kobalt, Mexiko für Silber. Immer wichtiger wird das Recycling, um die Abhängigkeit zu senken. In Deutschland peilt man 20% recycelte Seltene Erden an. 2013 gibt es große Funde von seltenen Erden in Grönland. Die Förderung wäre wichtig für die EU (Teilautonomie, gehört zu Dänemark). Radioaktive Substanzen sind in der Nähe, weshalb das ökologische Risiko hoch ist. Lithium, das leichteste Metall der Welt, kommt am meisten in Bolivien vor (Salzsee Salar de Uyuni). Der Bedarf an Seltenen Erden geht weltweit zurück. Es können alternative Rohstoffe hergestellt werden. Zur Gewinnung Seltener Erden ist giftige Säure erforderlich, die jede Menge giftigen Müll erzeugt. 2019 setzt China Seltene Erden im Handelsstreit mit den USA ein: Etwa 70% der Seltenen Erden, die 2019 in der Produktion eingesetzt werden, kommen aus China. Das Land erwägt einen Exportstopp bzw. eine Reduktion. 80% der exportierten Mengen gehen in die USA.

Auswirkungen der Digitalisierung auf den öffentlichen Sektor: Der öffentliche Sektor ist in vielerlei Hinsicht durch den digitalen Wandel betroffen. Der Handlungsspielraum des Staates könnte vergrößert werden, wenn zusätzliches Wachstum entsteht. Die Polarisierungsthese behauptet, dass durch die Nutzung digitaler Technologien funktionale, räumliche und personelle Ungleichheit zunehmen. Die Erosionsthese behauptet, dass digitale Technologien zu einem langfristigen Rückgang der Lohnquote und einer Erosion des Ausmaßes der voll versicherungspflichtigen Beschäftigung führt. Dann gibt es noch die steuertechnische Herausforderung bei der Besteuerung von Einkommen bzw. Gewinnen sowie Umsätzen  digitale Geschäftsmodelle nicht zu begünstigen. Vgl. Margit Schratzenstaller: Auswirkungen der Digitalisierung auf den öffentlichen Sektor - ein erster Überblick, in: Wirtschaftsdienst 2018/11, S. 799ff.

Digitalisierung und Demokratie: Die Wende war die Wahl Donald Trumps in den USA. Seitdem gelten die Digitalkonzerne als Demokratie gefährdend. Sie sorgen für den Reichtum weniger. Sie bilden Monopole. Sie bieten Technologien zur Kontrolle (Gesichtserkennung). "Wie die Digitalisierung weitergeht und welche Folgen sie haben wird, ist daher kein Naturereignis oder Verhängnis. Es gibt keine Alternativlosigkeit. Diese Einsicht ist der erste Schritt zu einem gestaltenden Blick auf die Entwicklung der digitalen Technologie", Armin Grunwald, Professor für Technikphilosophie und -Ethik am Karlsruher Institut für Technologie. Quelle: WiWo 3/ 11.1.2019, S 47.

Digitaler Humanismus (Ethik): Die Digitalisierungsindustrie  wirbt mit Transparenz, Berechenbarkeit, ökonomischem erfolg, Weltverbesserung und mäzenatischem Engagement. Sie nimmt damit humanistische Impulse als Ausgangspunkt und transformiert sie zu anti-humanistischen Utopien. Die Bedingungen der Humanität werden infrage gestellt. Die Big - Data - Ökonomie lebt von der Enteignung der Menschen, sie verlieren die Kontrolle über ihre persönlichen Daten. Vgl. Nida-Rümelin/ Weidenfeld: Digitaler Humanismus, Eine Ethik für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz, München (Piper) 2018.

Die Ethik der Algorithmen: Der Algorithmus ist so etwas wie die unsichtbare Hand der digitalen Wirtschaft. Er sollte transparent sein, verantwortlich, Gesetzen folgen und ein klares Ziel haben.

Digitalrevolution in Unternehmen: Supercomputer können selbständig lesen (z. B. alle Studien zu einem Thema, was Menschen heute nicht mehr möglich ist). Sie können unvorstellbare Datenmengen bewältigen. Sie können schon selbständig Werbung machen und Jobbewerber aussuchen. Neue Programme übersetzen live und machen damit teure Dolmetscher überflüssig. Werden die Menschen im Unternehmen davon profitieren oder eher ihren Job verlieren? Selbst in Billiglohnländern ersetzen Computer mehr Arbeitsplätze in der Fertigung (z. B. bei Foxconn in China). Die künstliche Intelligenz könnte aber auch zunehmend Arbeitsplätze im gehobenen Bereich kosten. So plädieren Experten (wie Brynjolfson vom MIT) wieder für die Idee des Grundeinkommens. Die Arbeitsmärkte werden sich weiter spalten: Die, in denen "Out-of-the-Box"-Denker und Hochqualifizierte die gut bezahlten Jobs haben, und die, in denen gering qualifizierte Arbeitskräfte unter prekären Bedingungen arbeiten müssen (ohne Aufstiegschancen mit hohem Risiko des Jobverlusts). Eine Studie der Commerzbank 2016 kommt zu dem Ergebnis, dass die Digitalisierung ein Job-Motor ist. 43 Prozent der Mittelständler brauchen mehr Personal.

Digitalisierung und Unternehmensstruktur: In klassischen Unternehmen herrschen vertikale Wertschöpfungsketten vor. Sie beruhen auf Spezialisierung und Arbeitsteilung. In der Digitalisierung kommt es nach und nach zu hybriden Unternehmen. Sie produzieren nicht nur, sondern betreiben auch Plattformen mit Daten. Kollaboration und Integration stehen im fordergrund.

 Neufassung des GWB 2017: Im März 2017 wird die 9. Novelle des GWB verabschiedet. Sie soll insbesondere der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft Rechnung tragen. Die Fusionskontrolle wird auf Unternehmen ausgeweitet, in denen nur geringe Umsätze generiert werden, die jedoch hohe Unternehmenskaufpreise gepaart mit starken Netzwerkeffekten und schädlichen Konzentrationswirkungen aufweisen.

Andere Gesetze: 2016 kommt die WLAN - Reform (Änderung des Telemediengesetzes). Wlan-Anbieter und  und Internetanbieter sollen von Haftungsrisiken befreit werden (Störerhaftung). Der Europäische Gerichtshof schränkt diese Regelung wieder etwas ein: es muss kein Schadensersatz für Urheberrechtsverletzungen geleistet werden Aber Anbieter, z. B. die Musikindustrie,  können einen Passwortschutz verlangen. Ende Juni 2017 beschließt der Bundestag ein Gesetz gegen Hasstiraden im Internet. Soziale Netzwerke müssen künftig rechtswidrige Hetzkommentare innerhalb von 24 Stunden löschen oder hohe Strafen zahlen. Das Gesetz tritt ab 06.01.2018 in Kraft. Schon nach wenigen Tagen fordern viele Experten eine Änderung (Satire wird verhindert, Überreaktion). Die EU-Verbraucherkommissarin Vera Jourova sieht in dem Gesetz kein Modell für Europa.

Europäische Copyright: Der EU-Rechtsausschuss beschließt dieses im Juni 2018. Es werden Upload-Filter eingeführt. Weiterhin ist ein europaweites Leistungsschutzrecht geplant.

EU-Urheberrecht: Es geht um den Schutz von Musikern, Autoren, Fotografen, Wissenschaftlern und Journalisten in der EU. Im Februar 2019 einigt man sich auf eine Reform. Es kommt ein EU-weites Leistungsrecht. Online-Plattformen wie Google oder Facebook sollen für die Verwendung von bereits veröffentlichten Online-Artikeln zahlen müssen. Es gibt viele Demonstrationen gegen das geplante Gesetz. Start-ups könnten in der entscheidenden Phase geschwächt werden. Den besten Internet-Filter scheint YouTube, eine Google - Tochter, zu haben, so dass der Marktführer begünstigt würde. News - Dienste könnten um ihre Existenz kämpfen müssen. Sehr umstritten sind die Uploud - Filter, die mit Algorithmen arbeiten. Die EU-Richtlinie muss in nationales Recht überführt werden. Die EU billigt sie am 26.03.2019. Im April 2019 stimmt eine qualifizierte Mehrheit der EU-Länder, darunter Deutschland, der Richtlinie zu. Jetzt haben die Mitglieder zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Disruption (aus dem Lateinischen: Zerreißung, Zerbrechung; eigentlich physikalisch-technischer Begriff, keine biologische Entwicklung). Der Begriff soll auf den US-Ökonom Clayton Christensen (Harvard Business School) zurückgehen. Genau weiß man das nicht. Gedanklich als Schöpfer gilt Joseph Schumpeter (1883 - 1950). Er wird auch "Theoretiker" der Disruption genannt. Er setzte sich in der Ökonomie für das Denken in Prozessen, nicht in Modellen ein. Disruptive Geschäftsmodelle haben folgende Merkmale: Eine digitale Strategie, die nicht nur die IT, sondern alle Geschäftsbereiche umfasst. Anstoß für innovative Projekte sollte von oben kommen. Engere Zusammenarbeit mit externen Partnern und Start-up-Initiativen. Förderung der Unternehmenskultur. Ausbau der technischen Kompetenzen. Schnelligkeit. Kundenbedürfnisse und Kundennutzen als Ausgangspunkte. Vgl. com!professional 8/2017, S. 20ff. Vgl. auch Interview mit Wolf Dieter Enkelmann in: Wirtschaftswoche 53/ 22.12.17, S. 37ff.

Staatliche Agentur für Disruption: Sie soll 2019 gegründet werden. Man sucht auch einen Chef, der Chief Innovation Officer heißen soll. Organisatorisches Vorbild ist die amerikanische Darpa (Forschungsagentur des Pentagon).

Glasfasernetze (gute Infrastruktur, Breitband): Sie sind notwendig für schnelles Internet. Das Problem ist ihre Finanzierung (Nutzer, Anbieter, Staat). Der Ausbau des Glasfasernetzes ist international am weitesten in Lettland (60% aller HH), in Schweden (51%), Spanien (50%) und Norwegen (50%). Deutschland liegt bis 2019 (Prognose) abgeschlagen mit 3%. Die Parteinen nehmen vor der Bundestagswahl 2017 unterschiedliche Positionen zum Netzausbau ein: Die CDU setzt auf strukturelle Veränderungen ("Chefsache"). Die SPD sieht das Netz als Völkerrecht. Die Linken wollen keine digitalen Tagelöhner. Die Grünen setzen auf Selbstbestimmung. Die FDP sehen darin die zentrale Herausforderung. Die AfD sieht im Internet allgemein ein Medium freier Meinungsäußerung. 2017 richtet die EU ein Förderprogramm ein, um auch abgelegenen Dörfern Internet zu bringen. Die Monopolkommission und die Bundesnetzagentur denken über Alternativen nach. In der Diskussion ist ein Gutscheinsystem. In den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD im Februar 2018 werden Milliarden für den Ausbau von "Gigabit-Netzen" zur Verfügung gestellt. Vorreiter beim Breitbandausbau sind Estland, Finnland und etliche Länder in Asien. In Deutschland sind im Sommer 2017 76,9 % aller Haushalte mit Breitbandleitungen von mindestens 50 Mbit pro Sekunde ausgestattet. Im weltweiten Vergleich liegt Deutschland beim schnellen Internet weit zurück (Platz 28 von 32 in der Rangliste der OECD-Länder). 42% aller Firmen haben in Deutschland 2018 schnelles Internet. Im Koalitionsvertrag vom Februar 2018 steht: Rechtsanspruch auf schnelles Internet bis 2025. 12% aller mobilen Verbindungen sollen 2025 über 5G-Netze laufen. Sehr umstritten ist die Flächendeckung. Bitkom hält sie vorerst für nicht erreichbar. United-Internet will bei der 5G-Versteigerung mit bieten als vierter Mobilfunkbetreiber neben Telekom, Vodafone und Telefonica. Die Versteigerung (Auktion) wird von der Bundesnetzagentur durchgeführt (Präsident seit 2012 Jochen Homann). Sie startet am 25.03.2019. 1500 Milliarden Renminbi (rund 200 Mrd. €) will China zwischen 2019 und 2025 in den Aufbau des Netzes der fünften Mobilfunkgeneration (5G) investieren. 580 Mio. Chinesen sollen dann 5G nutzen. Für Europa schätzt die Telekom die Kosten für einen flächendeckenden Ausbau auf bis zu 500 Mrd. Euro.  In RLP will das Land Kaiserslautern zu einer Modellregion bei 5G machen.

Internetknoten: Diese gibt es weltweit. Deutschland hat mit Frankfurt (DE-CIX) den weltweit größten Internetknoten. Der BND darf hier Daten abschöpfen, wie die anderen Geheimdienste auch bei den Knoten in ihrem Land.

Tiefseekabel: 382 Kabel liegen weltweit im Meer. Sie sind das Rückgrat des Internet. 97% laufen über Glasfaserkabel. Eigentümer dieser Kabel (allein oder zu mehreren) sind die Telekommunikationskonzerne (Orange, Telecom Italia, Tata-Communications, Dt. Telekom) und die Internet-Konzerne (Google, Facebook, Amazon, Microsoft). Die Kabel sind sehr kostenintensiv.

Frequenzauktionen und mobile Netztechnik: Sie werden von der öffentlichen Hand durchgeführt und spülen viel Geld in die Kassen. Der neuste Standrad ist das Echtzeitmobilfunknetz 5G. 2019 werden die 5G-Lizenzen versteigert. Es sollte ein gesunder Wettbewerb stattfinden. 5G könnte die Schlüsseltechnik für die Digitalisierung werden. Die Technik könnte dann 2020 starten. Bahn brechend ist die MIMO - Technik. Sie könnte zu Einsatzszenarien führen für: Augmented Reality, autonomes Fahren, Smart City, Robotik, Drohnen - Monitoring, Smart Farming, Medizin. Die Autoindustrie will sich an der Versteigerung der 5G-Technik beteiligen, um eine eigene Vernetzung der Autos zu ermöglichen. Ende 2018 kommt harte Kritik an den 5G-Auflagen. Die Netzbetreiber beklagen hohe Kosten. 5G bietet mehr als Standard: Schnelle Standleitung. Neue Anwendungen. Eigene Netze. In der Schweiz gibt es bereits startet bereits der schnelle 5G-Mobilfunk zu Beginn 2019. Die Politik hatte sich vollkommen raus gehalten. Ein Geschäftsmodell für die EU fehlt.  Im Juni 2019 endet die 5G-Mobilfunk-Auktion. Sie bringt dem Staat 6,6 Mrd. Euro, mehr als erwartet.  In RLP will das Land Kaiserslautern zu einer Modellregion bei 5G machen.

Cyber-Security (Security Nudges): Eine wesentliche Ursache sind fehlgeleitete Anreize. Marktakteure müssen nicht die vollen Kosten ihren informationstechnologischen Handelns tragen. So entstehen ineffiziente Märkte. Es fehlen ausreichende Verfügungsrechte an den eigenen Daten im Internet. Notwendig wäre eine Ausweitung des Wettbewerbsrechts, um die Machtkonzentration auf der Anbieterseite zu verhindern. Vgl. Dold, M./ Krieger, T.: Cyber Security aus ordnungspolitischer Sicht: Verfügungsrechte, Wettbewerb und Nudges, in: Wirtschaftsdienst 2017/ 8, S. 559ff. Bei der Cyber-Security müssen die Kompetenzen von Bund und EU festgelegt werden. Die EU hat dafür einen eigenen Kommissar. 2017 wird erwogen, in der EU eine neue Behörde für Cybersicherheit einzurichten (Verfünffachung von 2013 bis 2017). Sicherheitslücken gibt es nicht nur bei der Software. 2018 werden Lücken im Kern der Hardware publik: Betroffen sind die Chips/ Mikroprozessoren vieler Hersteller (Intel, AMD, Apple). Sicherheitssoftware könnte die Rechenleistung reduzieren. Besonders Intel scheint betroffen. Die Prozessoren sind besonders anfällig für Angriffe (besonders Passwörter). Der Aktienkurs sinkt. Es geht immer um eine Abwägung zwischen Schnelligkeit und Sicherheit. Viele Unternehmen der IT - Branche arbeiten mit Bug-Bounties (Prämien für Hacker), um ihre Sicherheit zu testen. Der Mitarbeiter Daniel Gruss von der Uni Graz entdeckte die schweren Sicherheitslücken bei den Computerchips. Generell brauchen wir neue Regeln, Gesetze, die die Digitalisierung, die Vernetzung und das Internet der Dinge absichern. Der Staat steckt in einem Dilemma: Kriminelle nutzen Schwachstellen in Soft- und Hardware. Der Staat will die Lücken schließen. Zugleich braucht er sie, um zurückzuschlagen. Große Konzerne machen eine Charta für Internet-Sicherheit. Als eines der ersten Unternehmen prescht Siemens vor. Die Charta umfasst 10 Handlungsfelder. 2017 dringen Hacker in das Datennetz der Bundesverwaltung ein (IVBB), was erst 2018 bekannt wird. Die Hacker sollen einen russischen Hintergrund haben (APT28). Es handelt sich um Hacker, die weltweit in Regierungen und Geheimdienste eingedrungen sind. Deutsche Unternehmen, die mit Kuka zusammenarbeiten geben keine geheimen Infos mehr raus. Man hat Angst vor Industriespionage durch den chinesischen  Mehrheitsaktionär. 2018 will die NRW-Datenschutzbehörde klären, ob des Adresshandel der Post im Einklang mit den Datenschutzgesetzen steht. In der Bundesregierung wird 2018 überlegt, eine Meldepflicht für IT - Sicherheitsvorfälle einzurichten. Das Innenministerium veranstaltet 2018 eine zentrale Wirtschaftsschutzkonferenz. Der DIHK will nicht teilnehmen. 2018 gibt es Hackerattacken der Russen. So soll die Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen in Den Haag angegriffen worden sein. Bloomberg meldet im Oktober 2018, dass man chinesische Spionagechips bei Amazon und Apple entdeckt habe. Der Aktienwert reagiert sofort. Die Konzerne dementieren. Auf die Bundesregierung gibt es immer mehr Cyberangriffe (Schadstoffsoftware, IT - Spionage).  Der russische Computerviren-Jäger Kaspersky wird beschuldigt, für Russland spioniert zu haben. Deshalb zieht er mit Teilen seiner Firma in die Schweiz. Anfang 2019 werden private Daten von Politikern und Journalisten im Netz veröffentlicht. Man vermutet einen rechtsradikalen Hintergrund. Tatsächlich handelt es sich bei dem Datendieb um einen 20-jährigen Einzeltäter. Hinweise auf politische Beweggründe gibt es keine. Ein Frühwarnsystem ist geplant.  2019 im April gibt es eine Cyber-Attake auf Bayer, wahrscheinlich aus China.

Strategische Partnerschaft zur Datensicherheit: Die EU und Japan arbeiten 2019 an einer solchen Partnerschaft zur Datensicherheit. Sie soll beim G20-Treffen in Osaka Ende Juni vorgestellt werden. Es soll Bürgern ein hohes Niveau an Datensicherheit garantieren. Beide wollen weltweit einen Standard setzen. Das Konzept lautet "Data Free Flow and Trust" (DFFT). Es gilt als Gegenmodell zu Chinas freizügigem Umgang mit Daten.

Cyberkriminelle Machine Learning (Missbrauch von KI): Mit Hilfe von KI lassen sich Angriffe besser skalieren und profitabler durchführen. Man kann falsche URLs und Bot-Netze nutzen. Dazu gibt es spezielle Instrumente wie Convolutional Neural Network (CNN) , Deep Residual Network, Hidden-Markow Model (HMM) oder Random Forest. KI kann auch leicht Infos aus Facebook, Twitter, Instagram und anderen Social-Media-Kanälen analysieren, lohnende ziel identifizieren und eine an das Opfer angepasste Angriffsstrategie generieren.

Whistleblower: Mitarbeiter oder Experten im Netz decken Betrug und illegale sowie unangenehme Fakten eines Unternehmens auf. Meist handelt es sich um interne Tippgeber. Manche sind auch ökonomisch sehr erfolgreich mit ihren Tipps. In Deutschland werden Whistleblower relativ schlecht geschützt.

Regeln für Livestreams: Nach den Vorgängen in Christchurch in Neuseeland, wo der Attentäter Life-Bilder seines Anschlags ins Internet bei Facebook stellte, sollen die Regeln verschärft werden. Auf einer Konferenz am 15.05.19 einigt man sich auf schärfere Regeln bei Terrorvideos. Facebook und Google ziehen mit.

Künstliche Intelligenz (engl. Artifical Intelligence): Computer können viele Aufgaben vereinfachen. Für die Menschen ergeben sich viele Konsequenzen. Denken, Führen, Einordnen, Erfinden werden Fähigkeiten bleiben, die Menschen und Mitarbeiter verstärkt einsetzen. Insofern werden Wissensarbeiter immer wichtiger. Damit steigt auch die Bedeutung des Denkens. Wer das nicht mehr in ausreichendem Maße schafft, wird auf der Seite der Verlierer stehen. Vgl. E. Brynjolfsson und A. McAffee: Von Managern und Maschinen, in: Harvard Business Manager, November 2017, S. 22ff. Der Begriff geht auf den Mathematikprofessor John McCarthy vom Dartmouth College und das Jahr 1956 zurück. Ein weiterer Vertreter der ersten Stunde war der Ökonom Herbert Simon (1957). Mittlerweile halten KI-Techniken in vielen Systemen Einzug (Auto, Produktionsanlage). KI leitet ein Kooperationszeitalter ein. Konkurrenz kann sich auflösen, die Grenzen zwischen Branchen lösen sich auf. Ab 2018 bis 2025 will die Bundesregierung KI sehr stark fördern (Klausur in Potsdam; +3 Mrd. €; 100 neue Professuren; Forschung besser vernetzen). Deutschland will bei der KI stärker mit Japan zusammenarbeiten. Es soll ein Gegengewicht zu China entstehen. Auf der Hannovermesse 2019 steht die KI im Mittelpunkt. Der Oxford-Professor Nick Bostrom rechnet mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit damit, dass bis 2075 eine intelligente Maschine entwickelt wird, die den Menschen in allen kognitiven Fähigkeiten mindestens gleichkommt.

Geschichte der künstlichen Intelligenz: 1950: Turing Test, ob Computer denken können. 1956: Der Begriff entsteht auf der Dartmouth Conference. 1963-1965: Ein Computer besteht am MIT einen IQ-Test. 1970-1980: Stillstand. 1989: Selbstfahrende Autos. 1997: Deep Blue, Supercomputer von IBM. 1997: Suchmaschine von Google live. 2005: Prognose: 2045 soll Rechenleistung von Computern Gehirne übertreffen. 2014: Google Car. 2017: Reproduktive KI (kann Software schreiben, Google). Vgl. Wirtschaftswoche 50/01.12.2017, S. 52ff.

Künstliche Intelligenz (KI) als Produktionsfaktor: Um 16,7% soll die deutsche Wirtschaft durch Einsatz von KI bis 2030 wachsen. KI verändert Geschäftsmodelle und ist Treiber einer neuen industriellen Revolution. KI basiert auf einer Vielzahl von Teildisziplinen. Dazu gehören etwa Textmining, Clustering und maschinelles Sehen.  Die Wertschöpfung wird sich verändern. Einige Beispiele seien genannt: Operative Effizienz, Einkauf, Service, Vertragswesen, Selbstlernende Robotik, Personalisierung, Bilderkennung, Objektwahrnehmung, Betrugsbekämpfung, Materialwirtschaft und Werkstofftechnik. Vgl. O. V.: Künstliche Intelligenz als Produktionsfaktor, in: com! professional 1/2019, S. 22ff.

Artifical Morality: Durch die Fortschritte der Technik wird die künstliche Intelligenz in Zukunft mehr moralische Entscheidungen fällen. Dabei sollten Entscheidungen über Leben und Tod immer beim Menschen bleiben. Menschliche Verantwortung und Selbstbestimmung haben Priorität. So muss also der Mensch folgende Kriterien auf sich nehmen: 1. Verantwortungsübernahme. 2. Mensch muss Infos der Maschine überprüfen. 3. Qualitätssicherungsprozesse müssen installiert sein.

Weiteres Glossar der KI: 1. Maschinelles Lernen: Software erlernt automatisch Regeln für Datensätze. 2. Supervised Learning: Die KI wird mit Daten angefüttert, die jenen gleichen, die sie vorauszusagen lernen soll. 3. Unsupervised Learning: Keine Labels, eigene Methodik. 4. Deep Learning: Basiert auf neuronalen Netzen. Viele verbundene mathematischen Funktionen. Beispiel: Das Essentielle an einem Gesicht.

Schweizer Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (IDSIA, wissenschaftlicher Direktor seit 1995: Jürgen Schmidhuber): Die neuronalen Netzwerke sind vielfach preisgekrönt. Bekannt sind die LSTM (Long-Short-Term-Memory-Netzwerke). Smartphones hören auf Befehle, die dort entwickelt wurden. Schmidhuber gründete auch 2014 das Start-up Nnaisense. Schmidhuber weist immer wieder darauf hin, dass europäische Ideen Maschinen das Denken gelehrt haben. Hier liegt die Wiege der künstlichen Intelligenz.

Deutsches Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (DFKI; in Saarbrücken, Bremen, Kaiserslautern): Erforscht 2018 seit 30 Jahren die Technologie der Künstlichen Intelligenz. Zuletzt arbeiteten 900 Mitarbeiter in dem Institut. Es ist die weltgrößte Einrichtung ihrer Art. 2019 kommt eine neue Chefin: Jana Köhler (auch langjährige IBM-Forscherin). www.dfki.de

Digitale Innovationszentrum (DIZ), Karlsruhe: Unabhängige und neutrale Anlaufstelle für Unternehmen in Baden-Württemberg, die Unterstützung bei einem Digitalisierungsvorhaben benötigen. Sie soll die digitale Transformation voranbringen.

Frameworks und Künstliche Intelligenz: Frameworks erleichtern den KI-Einstieg. Diese Werkzeuge sind in der Regel in der Cloud oder auch On-Premise. Führende Anbieter sind Amazon, Microsoft, Apache u. a. 

Digitale Assistenten: Home (Google), Siri (Apple), Alexa (Amazon), Cortana (Microsoft). Google hat den Vorteil einer eigenen Suchmaschine.

Smarte Sprachanwendungen: Amazon, Google, IBM Watson, Microsoft arbeiten mit KI-Tools. Im Zentrum stehen Chatbots. NLP ist das Rückgrad. Mit Deep Learning könnte der Durchbruch gelingen.

Parallelwirklichkeit: Mithilfe algorithmischer Fakes entstehen Parallelwirklichkeiten. Der Markt für Meinungen muss anders organisiert werden. KI kann Identitätsklau möglich machen. Was ist Wirklichkeit? Eine Frage des technisch möglichen, eine Frage der Wahrnehmung oder der Wiederholung.

KI-Start-ups: 2018 führen die USA mit 2594. Die EU hat 1096. Davon sind 175 in Deutschland. Inder Statistik nicht enthalten ist China, das an der Spitze liegen dürfte. Quelle: Crunchbase. Die USA und China betreiben eine rigide IT-Industriepolitik. Einerseits lassen sie führende Unternehmen des Konkurrenten nicht ins Land (Facebook in China, Tencent in den USA). Die USA arbeiten mit einem versteckten Wagniskapital-Fonds: das Pentagon vergibt große Aufträge. Viele Aufträge laufen über Darpa. Das ist eine kleine Behörde in Virginia, die technische Innovationen fördert. China steckt Milliarden in Industrieparks, auch einen KI-Industriepark. Deutschland und die EU müssten daraus lernen.

Blockchain: 1994 definiert Nick Szabo ein Konzept für einen Smart Contract (Geburtsstunde). Unter dem Pseudonym Satoshi Nakatomo wird ein Artikel über Bitcoin veröffentlicht. David Rutter gründet R3CEV für einen technischen Standard. Das waren die Anfänge. Sie stellt eine Art digitales Grundbuch dar (dezentrale, verteilte Datenbank). Sie ist auf viele tausend Computer verteilt und kann daher nicht von Hackern angegriffen werden. Änderungen an Blocks kann nur die Mehrheit der Beteiligten beschließen (unendlich großer Ordner, jeden Tag mit neuen Überweisungen gefüttert wird). Die Funktionsweise ist wie folgt: X will Y Geld schicken. Statt Überweisung wird die Blockchain genutzt. Die Transaktion wird als Block hinterlegt (Daten wie Leistung und Gegenleistung wird aufgeschrieben). Alle Parteien im Netz erhalten den Block. Die Parteien bestätigen die Transaktion. Der Block wird an eine Kette von Transaktionen angehängt. X transferiert das Geld sicher an Y. Im Grunde genommen ist die Blockchain ein dezentrales öffentliches Protokoll. Alle Telnehmer kontrollieren im Netzwerk. Nutzer müssen weder dem Staat noch der Zentralbank vertrauen. Die Teilnehmer erhalten Zugang zu einem Netzwerk, auf dem sie Informationen austauschen. Jeder erhält eine Kopie des Registers mit sämtlichen Transaktionen. Neue Eintragungen müssen gemeinsam verifiziert werden. Versucht ein Teilnehmer, Einträge zu manipulieren, fällt das bei einem automatischen Abgleich auf. Insgesamt muss eine Blockchain also fünf Merkmale haben: 1. Kryptographisch verschlüsselt. 2. Konsensverfahren. 3. Verteiltes Kassenbuch. 4. Logbuch der Transaktionen. 5. Automatischer Ablauf. Die Technologie wird bleiben, auch wenn die Krypto-Währungen verschwinden sollten. Die entscheidende Rolle der Blockchain liegt darin, eine regelmäßige, manipulationssichere Aufzeichnung von Informationen zu gewährleisten. Die Unternehmensberatung McKinsey zweifelt 2019 in einer Studie am Erfolg der Technologie in der Praxis. Konkrete Anwendungsbeispiele: Schwedens Liegenschaftsverwaltung will Grundbucheinträge digitalisieren. Haushaltsgeräte könnten eigenhändig nachbestellen (z. B. Waschmaschinen Spülmittel), überschüssige Energie  könnte privat verkauft werden, das Laden von Elektroautos könnte so einfacher werden, der US-Versandhändler Overstock vertreibt Anleihen und Aktien über eine digitale Handelsplattform.

Blockchain - Glossar: 1. Distributed Ledger: Zentral gesteuerte und weltweit verteilte Datenbanksysteme (dezentraliisert). Die Blockchain gehört dazu. 2. Tangle: Transaktionsdaten werden nicht - wie bei der Blockchain - chronologisch hintereinander angeordnet, sondern in einem netzwerkartigen Gewirr (Tangle) mit vielfältigen Knotenpunkten (Nodes). "Miner" fallen hier weg. 3. Smart Contracts: Eine beliebige Transaktion wird automatisch unter der Voraussetzung abgewickelt, dass alle beteiligten Parteien die zuvor in der Blockchain niedergelegten Konditionen erfüllt haben. 4. DApps: dezentralisierte, automatische Apps. Open Source, öffentlich in einer Blockchain gespeichert. 5. DAO (Decentralised Autonomous Organization): Ein eneue Form der Organisation, deren Geschäftsordnung, Gesellschaftsvertrag oder Satzung durch einen Smart Contract festgelegt und automatisch ausgeführt wird. 6. ICO: Bei einem Initial Coin Offering (ICO) werden quasi digitale Wertpapiere aufgelegt. 7. Kryptokatze: Eine der erfolgreichsten Anwendungen auf der Blockchain - Plattform Ethereum. Anwender können virtuelle Kätzchen (Cryptokities) züchten und mit ihnen handeln. Vgl. Sommer, Sarah: Vertraut den Daten, in: brand eins 06/18, S. 20ff. Weiterhin ist die Blockchain konsensbasiert, dezentralisiert, sie nutzt Kryptographie, jeder Datensatz ist mit dem vorhergehenden verbunden, Datensätze können nur schwer manipuliert werden, es kann nahezu in Echtzeit aktualisiert und reproduziert werden. 8. Token: Digitale Münze bzw. Schlüssel. Sie wird mithilfe eines Smart Contract erstellt. Bei Ethereum heißen die Münzen ERC20-Token. Ein Token kann verschiedene Funktionen haben: Sollen Eigentümer ihn einsetzen, um Dienstleistungen eines Start-ups zu nutzen, handelt es sich um einen Utility-Token. Soll er Anteile an einem Unternehmen repräsentieren, also einer Aktie gleichkommen, heißt er Equtiy- oder Security-Token und fällt unter die Kontrolle der Finanzaufsicht. 9. Whitepaper: Projektbeschreibung des Start-ups zum ICO. Verbindliche Zahlen fehlen fast immer. Es ist kein Börsenprospekt.

Vorteile und Nachteile der Blockchain und Zukunft: Die Blockchain bietet Chancen für neue Geschäftsmodelle. Sie erhöht die Sicherheit von Transaktionen. Sie führt zu mehr Dokumentensicherheit. Die Blockchain macht aber vor keiner Branche halt. Sie wird Auswirkungen auf Lieferketten haben. Sie wird einen Peer-to-Peer-Handel begünstigen und zu Börsen führen. Die Blockchain hat auch viele Nachteile: De Rechenaufwand ist riesig und damit auch der Energieverbrauch. Der Stromverbrauch soll 2018 so hoch sein wie der von ganz Österreich. Der US-Ökonom nennt die Blockchain in einem Gutachten für den US-Senat 2018 "die am stärksten überschätzte Technik aller Zeiten". Neue Anwendungen 2018 waren Plattform für Online-Wahlen, Flugschreiber für Drohnen, virtuelle Kryptoschweine für Kinder (Pigzbe), Verwaltung von Lieferketten in der Logistik, Patientendaten in der Medizin.  80% der Projekte sollen aber Betrug sein (Beratungsfirma Satis Group). IBM bastelt an Blockchain namens Hyperledger. Man muss den Institutionen vertrauen, die die Datenbank betrieben. Vor allem bei einer Bedingung für die Blockchain gibt es immer wieder Probleme: Je mehr Teilnehmer sich dem Netzwerk anschließen, desto schwieriger wird der Prozess. Die Abwicklung von Transaktionen lässt sich nicht mehr beschleunigen. Dezentral und sicher alleine reichen nicht.

Blockchain in der Praxis: 1. LAMP - Stromnetz der Zukunft (Landau). 2. Fizzy - Verspätungsabsicherung (Axa). 3. Winding Tree - Verreisen (direkt in Kontakt treten zu Hotels u. a.). 4. Zug - wählen per Blockchain. 5. KodakOne - gesicherte Bildrechte. 6. Metro - Blockchain als Archiv. 7. GAMB - Marktplatz. 8. TradeLens - papierloser Handel. 9. BlockCharge - mobile Steckdose.

Blockchain-Frameworks für den Mittelstand: Offene Blockchains stärken KMU gegen die Konzerne. Viele KMU zögern aber noch. Die bekanntesten Frameworks sind Ethereum, MultiChain, Hyperledger Fabric.

Allianzen: Es geht um Standards für Blockchain - Anwendungen. Sie werden geschlossen zwischen internationalen Organisationen, Unternehmen und Softwarespezialisten. 2018 sind die wichtigsten folgende Allianzen: 1. Enterprise Ethereum Alliance (EEA). Sie ist sehr beliebt bei Entwicklern. 2. Hyperledger Netzwerk: Dachorganisation. 3. Trusted IoT Alliance: Bosch und Cisco mit dem Finanzdienstleister BNY Mellon. 4. Deutsche Telekom Blockchain Group: Zusammen mit der Tochter T-Labs. 5. EU-Blockchain. 6. UN-Blockchain.

Shiftschool: Akademie für digitale Transformation und "digital Leadership". Sitz ist Nürnberg. Erste Schule dieser Art in Deutschland.

Machine Learning: Vorreiter in Deutschland beim Einsatz sind die Auto- und Konsumgüterindustrie, die Medienbranche und der IT - Sektor. Die Technik nimmt zu, weil die Datenmengen steigen, die Computer leistungsfähiger werden und die Algorithmen komplexer. Das Hauptproblem bleibt die Datenqualität, wichtig bleibt auch der Datenschutz. Es gibt immer mehr Anbieter von Lösungen (Amazon, Google, Facebook, IBM, Microsoft, Oracle, SAP). 

Big Data: Analytics-Lösungen. In allen Branchen und Unternehmen ein wichtiger Trend. Die Vorteile sind: Effizientere Unternehmensführung. Massenindividualisierung. Intelligentere Produkte. Der Einsatz heute ist bereits bei Versicherungen, im Handel, im Gesundheitswesen.

Wichtige Messen in der Welt: Am wichtigsten ist die Weltkonferenz für künstliche Intelligenz. Sie findet 2018 in Shanghai statt. China und die USA machen hier die Zukunft unter sich aus. Bis 2030 will China zur globalen  Nummer eins in dem Milliardenmarkt aufsteigen. Die Volksrepublik hat den größten Markt, das Silicon Valley die klügsten Köpfe. Europa ist abgemeldet. Wichtig ist auch die CES: Es ist die Consumer Electronics Show in Las Vegas. Sie wird von der Consumer Technology Association veranstaltet. Der Start 2019 ist am 08.01.2019.

Wichtige Messen in Deutschland: In Deutschland gibt es drei wichtige Messen, die weltweit den Stand der Digitalisierung anzeigen: Die IDA in Berlin, die Cebit in Hannover und die Digital Life Design-Messe in München. Wichtig ist auch die IFA in Berlin. Sie zeigt die neuesten Elektronik-Innovationen. Wichtig ist auch die Sicherheitsfachmesse it-sa in Nürnberg. Sie findet im Oktober statt. Im November ist in Frankfurt die Techweek mit Cloud Expo und B2B Events.

Politische Initiativen: Es finden immer wieder Digital - Gipfel statt. Der letzte in Nürnberg am 03.12.2018.

Share Economy (auch Shareconomy oder Sharing Economy): In der Wirtschaft bedeutet dies, dass Gebrauchsgüter nicht mehr nur gekauft und genutzt werden sondern gemeinsam gekauft oder gemeinsam benutzt oder verliehen werden . Das betrifft z. B. Formen der Mobilität (Carsharing) oder das Teilen von Land (Gardensharing), aber auch das Teilen von Musikstücken. Auch bei Software (wo es von umfassenden Paketen zu Teillösungen aus der Cloud geht) gibt es solche Lösungen. Offen ist die Diskussion um ein internationales Nutzungsrecht. Bisher gibt es überwiegend nationale Teillösungen, die für die globalisierte Wirtschaft nicht förderlich sind. Die CeBIT machte „Shareconomy“ 2013 zu ihrem Leitthema und unterstreicht die Zunahme der Bedeutung von Sharing, das sich über Internetplattformen organisiert. Mittlerweile gibt es weiterhin Wohnungssharing, Booksharing, Sharing von Finanzen, Tauschbörsen und Verschenkbörsen. Sharing entwickelt sich zu einem Spezialgebiet in der Ökonomie. Beim Carsharing führt in Deutschland die Stadt Karlsruhe. Sie hat die meisten Carsharing Autos pro Einwohner. Es folgen Stuttgart, Hannover und Frankfurt. Ursprünglich war die Sharing-Economy als Alternative zum Kapitalismus gedacht. Vgl. als eines der ersten Werke "Weitzman, M.: The share economy. Conquering stagflation, Cambridge 1984".  Doch es kommen allmählich die Investoren in dieses Modell: 1. Unternehmen unterlaufen Arbeitsstandards und Rechtsvorschriften (Beispiel "Privatchauffeure über Taxi-App", Uber; wird 2014 aber verboten wegen Verstoß gegen Personenbeförderungsgesetz). 2. Firmen bereichern sich an dem, was andere anbieten (Uber verlangt hohe Vermittlungsgebühr). 3. Es entsteht ein neues Prekariat aus Taglöhnern (Versteigerungsplattforen für Online-Jobs wie TaskRabbit oder oDesk). 4. Die Tauschwirtschaft nützt vor allem denen, die selbst haben und besitzen (Wohnungsvermittlung Airbnb). 5. Aus idealistischen Ideen werden renditeorientierte Geschäftsmodelle (Google). 6. Vertrauen wird ersetzt durch Kontrolle. 7. Menschliche Beziehungen werden zur Ware (vgl. moderne Sklaverei in der Share Economy bei Neue Arbeitsformen/ Arbeitsökonomik). Siehe "Die Zeit", Nr. 27, 26. Juni 2014, S. 212-22. Man muss allerdings sehr genau verfolgen, welche Unternehmen in der Share Economy ein knallhartes Geschäft verfolgen. Airbnb und Uber zum Beispiel wollen Wirtschaftszweige dominieren und auch irgendwann Profit machen ("Teilen und Herrschen"; an Uber sind Großinvestoren wie Goldman Sachs, Benchmark Capital, Google beteiligt). Gegen das Verbot erzwingt Uber (Verstoß gegen das Beförderungsgesetz) eine einstweilige Verfügung. 2015 steht Uber in Deutschland vor dem aus. Der legale Dienst UberX soll gegründet werden. Uber ist 2014 auch in den indischen Markt eingestiegen. Jetzt müssen die traditionellen Rikschas gegen die neuen Taxidienste konkurrieren (in Kalkutta gibt es noch 6000 Rikschas). Uber will auch 2015 in China investieren (1 Mrd. $). Eine abschließende Einschätzung kann es noch nicht geben: Die beiden Extreme lauten letzte Chance  zur Herrschaft über die Produktionsmittel oder gibt sie der solidarischen Gesellschaft den Rest, Vgl. Dieter Schnaas, Teile und habe!, Wirtschaftswoche Nr. 49, 1.12.2014, S. 118). Staat, Gewerkschaften und Verbände verlieren an Macht. Regeln werden als Störfaktor wahrgenommen. Die digitale Sharing Economy beutet Produzenten und Mitarbeiter aus ("besessen vom Kunden"). Der Konsum wird radikal verbilligt (durch die Verbilligung der Arbeit, Arbeit wird ganz schnell prekär, an der Provisionsschraube wird gedreht). Damit könnte ein Niedriglohnbereich bei Akademikern kommen. Es gibt so Ich-Unternehmer (Mikrounternehmer), die nur noch die Sorge um den nächsten Auftrag haben. Der Mikrounternehmer muss ein Gewerbe anmelden, sich selbst versichern (einschließlich Haftpflicht) und alle Verantwortung übernehmen. In den USA gibt es eine beachtliche Dynamik des "clickworking" (Internetnutzer erledigen freiberuflich bestimmte Arbeiten für Unternehmen). Kollaborative Ökonomie im engeren Sinne ist die Vernetzung von Firmen und Einzelpersonen über Internet-Plattformen. Vgl. auch: Eichhorst, W./ Spermann, A.: Sharing Economy: Mehr Chancen als Risiken? in: Wirtschaftsdienst 2016/6, S. 433ff. In diesem Aufsatz geht es um die Frage, ob die Chancen oder  Risiken überwiegen. Im Mittelpunkt stehen Wachstum und Beschäftigung. Behandelt wird auch der Aspekt, ob und wie der Staat regulieren sollte. 2014 bereitet Daimler ein Carsharing-Angebot in China vor. Mitfahrzentralen, deren Idee schon alt ist, gehören auch in diesen Bereich (vgl. etwa: www.blablacar.de, weltgrößter Vermittler von Mitfahrgelegenheiten will in Deutschland Provisionen nehmen, www.mitfahrzentrale.de ).  Marktführer in Deutschland ist Carpooling (will 2015 auch in die USA). 2015 startet Opel eine Carsharing-App für private Autobesitzer. 20.000 Mitarbeiter stellen ihre Autos für Car-Unity bereit. Es gibt immer verrücktere Share-Ideen: Hund teilen, Abendessen teilen, Bett für die Nacht finden. Aber auch durchaus Erfolg versprechende Modelle: Babysachen teilen. Die Bewertung der Share -Unternehmen an der Börse ist eher abenteuerlich: Airbnb soll 20 Mrd. $ wert sein; Uber 40 Mrd. $. Das deutet doch stark auf Blase und Crash hin (zuviel Geld gedruckt!). Den Deutschland gibt es bei Taxis noch den Internet - Dienstleister "Mytaxi". Er gehört mittlerweile zu Daimler. Er darf 2016 keine Rabatte mehr anbieten. "Ich bin mit Leib und Seele Unternehmer. Ich will Ideen verwirklichen. Es geht nicht ums Geld", Travis Kalanick, Chef des Taxidienstes Uber 2015.

Ökonomie des Teilens (teilen statt haben, nutzen statt besitzen; teile und leide): Eigentlich nur deutsche Übersetzung des vorherigen Abschnitts. Aber es soll auf einige Spezialaspekte eingegangen werden. Die Hoffnungen dieser Ökonomie sind damit verbunden, bestehende Kapazitäten besser auszunutzen (Autos, Wohnungen, Werkzeuge, Haushaltsgeräte) und entsprechend Ressourcen schonend zu wirken (Fixkosten können umgelegt werden bei geringen variablen Kosten; im Extremfall Grenzkosten gleich Null). Die Konzeption insgesamt umfasst Reparieren statt Verwenden, Leihen, Tauschen statt Teilen, Tauschringe, Verschenken. Die Organisation der Transaktionen erfolgt mittels Informationstechnologie (Plattformunternehmer). Investoren können Organisationsrenten nutzen (allokative und distributive Eigentumswirkungen werden vernachlässigt). Stark diskutiert wird die Frage, ob hinter dem Modell mehr Markt oder mehr Gemeinschaft (z. B. Genossenschaft) steckt. Geteilt werden kann auch zwischen Unternehmen, nicht nur zwischen Privatpersonen. Offen ist noch, wann eine Regulierung notwendig ist. Das Teilen kann kostenlos oder kostenpflichtig sein (dann ist noch mieten möglich). Interessant ist, welche Motive und Struktur die Nachfrager haben (grün?, urban?). Gesamtwirtschaftlich erhoffen sich Viele, dass so das Wachstumsparadigma gerettet werden kann.  Vgl. Ökonomie des Teilens - nachhaltig und innovativ?, in: Wirtschaftsdienst 2015/ 2, S. 87ff. Einige Formen der Sharing Economy täuschen auch einen Mythos vor: Uber (Taxivermittlung) und Airbnb (Vermietung) und einige andere bekannte Firmen sind keine IT-Firmen. Sie stützen nur  ihr Kerngeschäft über Web und App (Plattformunternehmer; hohe Provision für die Vermittlung, keine Verantwortung). In gewisser Weise ist das eine spezielle neue Form der Sharing Economy. Bei der Vermietung unterlaufen professionelle Vermieter das Modell, indem sie reihenweise Wohnungen aufkaufen. Uber bekämpft im Grunde genommen regionale Monopolisten. Also liegt das Gegenteil von dem vor, was das Marketing suggeriert. Die "Old Economy" kehrt in anderem Gewand zurück (Hartmut Wies: Uber, Airbnb & Co als New Economy, in: com!professional, 3/ 2015, S. 12). Die Netzriesen drohen die Spielregeln der Sharing-Economy zu bestimmen, weil sich Netzgemeinde, Ökologiebewegung und andere damit zurückhalten. Vgl. als grundlegende Literatur: Botsman, R./ Rochers, R., What´s mine is yours: the rise of Collaborative Consumption, New York (2010, London 2011; sie sprechen von vier Gebieten: kollaborativer Konsum, kollaborative Finanzwirtschaft, kollaborative Produktion, kollaborative Bildung); Gansky, L. The Mesh, New York 2010.   "Auch in der digitalen Welt wollen Menschen Geld verdienen", Margarethe Vestager, Dänemark, EU-Wettbewerbskommissarin. Vgl. Quishare.de ; lets-share.de ; tauschring.de . Sehr stark auf Teilen setzt die Regierung in China. Weil die Städte im Smog versinken, werden neue Mobilitätskonzepte und E-Autos weiterentwickelt. Diese Ideen werden mit Teilen verbunden. Sehr stark expandiert (mit auch negativen Folgen) ist das Sharing bei Fahrrädern.

Peer-to-Peer-Ansatz: Im Internet der Dinge werden Millionen Transaktionen generiert. Verteilte Sensoren tragen die Informationen zusammen. Das können zentralisierte Transaktionsmodelle nicht schaffen. Man benötigt dafür die Blockchain.

Digitale Ökonomie: Machtkonzentration und Totalitarismus durch die Digitalisierung: In der Internetökonomie liegt eine große Gefahr, das Private abzuschaffen und Menschen effektiv zu kontrollieren. Am Anfang steht oft Freiwilligkeit (wie in der Share Economy), dann kommt Profit in der Regel durch Werbung und am Ende Machtakkumulation (alle Informationen über das soziale Leben). Teilweise erhöhen Unternehmen mit diesen Informationen den Druck auf die Menschen (z. B. wenn Versicherungen einen Bonus zahlen, wenn man sein Verhalten kontrollieren lässt). Die Internetunternehmen versuchen auch, an immer jüngere Nutzer heranzukommen. Ein Beispiel ist die Streaming-Plattform "YouNow". Danach muss sich auch die Wettbewerbspolitik neu ausrichten. Sicher gilt in der digitalen Ökonomie zwei Gesetzmäßigkeiten: 1. Information entwickelt sich zum wichtigsten Rohstoff zur Welterschließung ("Informationskapitalismus" löst den "Finanzkapitalismus" ab). 2. Der Mensch selbst wird zur Information und zum Rohstoff. Die Rolle de Menschen verändert sich: Er ist gleichzeitig Datenkonsument und Datenproduzent (große Gefahr der modernen Sklaverei). Er lässt sich aber auch zurichten (Empfehlungen von Streaming - Diensten, Follower). Monopole, insbesondere die aus dem Silicon Valley, gewinnen an Bedeutung (sie werden als Garant des Fortschritts beworben). In der Preisbildung wird das Image immer wichtiger (Beispiel Apple: macht den Preis nicht der Markt). Informationsdienste - etwa Google - streben eigentlich die Integration aller Marktzugänge an. Digital-industrielle Komplexe ersetzen die Gesetze von Angebot und Nachfrage. Vgl. Douglas Rushkoff, Present Shock, Orange Press, 2015; Yvonne Hofstetter, Sie wissen alles, 2015. Deutschland und Europa haben fast kein Internetunternehmen unter den Top 20 der Welt (SAP Ausnahme). Damit fehlt die Schnittstelle in der Wertschöpfung. Die digitale Ökonomie besteht aus mindestens folgenden Bausteinen: Produktion 4.0, Internet der Dinge (kommunizierende Geräte), digitale Transformation (vor allem Dienstleister mit Plattformen), Breitbandausbau. Sie beeinflusst insbesondere folgende Branchen (Rangfolge): Technologie, Medien/ Unterhaltung, Handel, Finanzen, Telekom, Bildung, Gastgewerbe, Fertigung, Gesundheit. Eigentum geht auch in der digitalen Ökonomie nicht verloren. Es bleibt vor allem als eine mentale Ressource. Teile des Wirtschaftslebens wandern von den Märkten ab: Der Konsument ist zugleich Produzent ("Prosument"). Vielleicht lässt sich erst viel später erkennen (50 Jahre), wohin die Basistechnologie Internet führt. Bis der Massenmarkt erreicht ist, dauert es etwa so lange (Anfang des Digitalzeitalters?).  Im internationalen Vergleich ist die deutsche Digital-Wirtschaft nur Mittelmaß. Sie hat großen Nachholbedarf (Studie von TNS Infratest und ZEW 2015). "Wir wissen, wo du bist. Wir wissen, wo du warst. Wir wissen, was du denkst", Alphabet-Chairman Eric Schmidt (Google). "Wir erfüllen eine soziale Mission, indem wir die Welt offener, vernetzter und transparenter machen", Facebook-Chef Mark Zuckerberg 2015. Mehrere IT-Größen gründen 2016 eine Stiftung für Digitalisierung (Internet Economy Foundation). Digitale Stadt wird 2017 Darmstadt. Es handelt sich um einen Wettbewerb des Brachenverbandes Bitcom. Unternehmen sponsern den Sieger. In Ludwigshafen findet am 12. und 13.06.2017 der Digitalgipfel statt. Es handelt sich um ein Forum aller Beteiligten (Unternehmen, Regierung, Kommunen, Verbände).

Plattform - Kapitalismus (als neues Geschäftsmodell): Dies ist eine weitere Bezeichnung für die Sharing Economy oder die digitale Ökonomie. Hier geht es speziell um Online-Plattformen. Sie ändern rapide den Büroalltag. Einerseits schaffen sie große Freiheiten, andererseits führen sie zu neuen Abhängigkeiten. Sie revolutionieren Märkte wie z. B. den Wohnungsmarkt (Airbnb) oder Taximarkt (Uber). Sie bringen auf dem Arbeitsmarkt direkt Arbeitnehmer und Auftraggeber zusammen (Upwork in den USA, Freelancer in Australien). Arbeitnehmer werden so von angestellten zu Freiberuflern. Wer via Plattform arbeitet konkurriert mit Millionen anderer Anbieter. Das dereguliert radikal den Arbeitsmarkt. Scheinbar hohe Stundenlöhne relativieren sich dadurch, dass man sich selbst für Alle versichern muss und oft noch die Ausrüstung stellt. Die Ratings geben den Plattformen noch mehr Macht. Vgl. O. V. : Immer auf Abruf, in: Wirtschaftswoche 29.7.16, S. 87ff. Die meisten Plattformfirmen kommen aus den USA. Sie dominieren die Weltwirtschaft. Es werden zunehmend Klagen laut, dass die ganz großen Plattformen ihre Marktmacht missbrauchen und Wettbewerber mit unlauteren Methoden zurückdrängen. Der Konsument wird zum User degradiert (nicht mehr Besitzer). Bei der Software wird er nur zum Lizenznehmer. Damit werden Eigentumsrechte reduziert. Viele Plattformen arbeiten nach dem Prinzip "The winner takes it all". Das Bundeswirtschaftsministerium hat zwei interessante und wichtige Unterlagen zu Plattformen herausgegeben: Das Grünbuch Digitale Plattformen. Das Weißbuch "Digitale Plattformen: digitale Ordnungspolitik für Wachstum, Innovation, Wettbewerb und Teilhabe".

Vergleichsportale: Bewertungen in Vergleichsportalen sind in vielen Fällen manipuliert. Verbraucherschützer fordern schon lange Mindeststandards. Dabei müsste es eine staatliche Regulierung geben. Ein Problem besteht darin, das Algorithmen geheim bleiben sollen. So kommt es zu einer paradoxen Folge: Die Markttransparenz nimmt durch Vergleichsportale ab. Sie haben auch eine wachsende Macht. Bekannte Vergleichsportale sind Check24 und Verivox. Verschiedene Fallen sollte man bedanken: 1. Listenplätze sind käuflich. 2. Es gibt versteckte Werbung. 3. Bestimmte Anbieter fehlen. 4. Wer gehört zu wem? 5. Falsche Angaben (die nicht geprüft werden). 6. Verbraucherschutz ist nicht gewährleistet.

Verbesserungen in Europa, um Technologieplattformen aufzubauen: 1. Die EU muss einheitlicher werden. Verschiedene Sprachen, viele Verbraucherschutzbestimmungen, unterschiedliches Steuerrecht wirken als Barriere. Da haben es die USA und China einfacher. 2. Die Finanzierungsmöglichkeiten müssen verbessert werden. Es fehlt vor allem Venture Capital. 3. Die einzigen Computer - Science - Fakultäten in der EU sind in GB, das aber evtl. die EU verlässt.

Wettlauf der Weltmächte bei der Künstlichen Intelligenz: Wer bei dieser Zukunftstechnologie vorne liegt, kann Standards festlegen und die Entwicklungen der nächsten Jahre bestimmen. Die USA sind noch der Spitzenreiter, insbesondere das Silicon Valley. China hat einen Masterplan, der bis 2030 China an die Spitze bringen soll. Europa baut auf seine Forschungszentren. Weiterhin mischen Japan, Indien, Süd-Korea und Israel mit. "I believe there is something out there watching us. Unfortunatly, it`s the government", Woody Allen.

Flixmobility als gutes Beispiel: Das ist die Dachgesellschaft von Flixbus mit Sitz in München. Es ist einige der wenigen deutschen Plattformen, die konkurrenzfähig sind. Sie können so zu niedrigsten Kosten ihr Unternehmen ausdehnen. Das Unternehmen ist sehr erfolgreich in Europa und will auch in die USA expandieren. Gründer waren Krauss, Engert und Schwämmlein. Seit Ende 2016 ist Silver Lake Partners als Investor mit an Bord.

Datenökonomie: Wie kann man gute Daten von schlechten Daten unterscheiden? Im Netz gibt es vieles umsonst - aber nur gegen Informationen. Daten sind zum entscheidenden Produktionsmittel geworden. Ohne Vertrauen in Datenschutz funktioniert diese Ökonomie nicht. Chancen dieser Ökonomie sind, wenn Produkte besser, individueller und passender werden. Die Risiken liegen darin, dass Dinge ohne Plan und System entstehen und die Gefahren zu spät sichtbar werden. Vgl. A. Wambach/ H.-C- Müller: Digitaler Wohlstand, New York/ Frankfurt 2018, S. 77ff.

Netzwerkeffekte digitaler Monopole: Daraus resultiert die Monopolstellung, die relativ schnell erlangt werden kann. Das ist auch vom Kunden ausdrücklich erwünscht. Je mehr Kunden ein Internetportal hat, desto besser ist meist die Qualität (Beispiel Suchmaschine von Google). Portale, die kaum Kunden haben, will der Konsument nicht. Mit der Zahl der Nutzer steigen auch die Werbemöglichkeit und die Einnahmen. Diese Monopole sind allerdings auch latent instabil, weil die Technik rapide voran geht. Die geringere Kapitalintensität erhöht die Angreifbarkeit. Andererseits erlaubt die Marktdominanz immer höhere Gewinne (vgl. Uni Harvard: The Fall of the Labor Share and the Rise of Superstar Firms, 2017). Es steigt auch die Intransparenz (die Firmen hüten ihre Big Data wie Augäpfel). Die Marktmacht der digitalen Monopole ist so lange keine Bedrohung, wenn sie immer noch angreifbar sind. Ein Wandel kündigt sich bei der Verantwortung für die Inhalte an. Hier lernen Staaten und die Digitalkonzerne.

Die Facebook-Kurve: Hier wird nach dem Konzern ein Phänomen der Internetwirtschaft benannt. Ist ein Digitalkonzern erst mal in Führung, wächst sein Geschäft immer schneller. Je mehr Nutzer in einem sozialen Netzwerk unterwegs sind, desto interessanter wird es für andere Nutzer. So explodiert der Wert von Internetnetzwerken (als erstens vom MIT-Forscher Robert Metcalfe entdeckt; von Brian Athur weiterentwickelt). Wachstum schafft immer mehr Wachstum.

Ökonomische Theorie sozialer Medien: Likes, Retweeds und Followerzahlen von Facebook, Twitter und Instagram prägen die Kommunikation moderner Gesellschaften. Diese Größen stehen auch für Wert, der produziert wurde. Passmann vertritt die These, dass die Social-Media-Plattformen Kopf und Zahl einer Person symbolisieren. Anerkannt würde nicht bloß der Wert einer Währung, sondern anerkannt wird mein Post oder mein Account von der spezifischen Person, die mich und meine Postings likt. Die Anerkennung ist der Kopf, die Zahl der Verkehrswert. Wenn man aber nur schreibt, um Likes abzusahnen, ist man fremd gesteuert. Ab einem bestimmten Punkt ist es deshalb sinnvoll, seine Position durchzuhalten. Man muss natürlich auch fragen, was sind das für Medien und was ist ihre Funktion.  Vgl. Passmann, Johannes: Die soziale Logik des Likes, Frankfurt/ New York 2018.

Negative Folgen sozialer Medien: 1. Stammesdenken oder Gang-Mentalität: Rückzug in die digitale Filterblase, in die moralisch homogene Gruppe, die sich gegenüber dem Feind abgrenzt. 2. Einfluss auf die Psyche: Junge Männe werden durch die sozialen Medien aggressiver, junge Frauen eher depressiver. 3. Wenn die Plattformen zivilisiert werden (Desinformationen abwehren) steigt gleichzeitig ihre Macht weiter. 4. Die sozialen Medien wirken wie eine Manipulationsmaschine: Sie verkaufen die Aufmerksamkeit und die Daten ihrer Nutzer an Werbetreibende und andere Propagandisten (Jaron Lanier).

Monopoleigenschaften, die den Markteintritt neuer Unternehmen verhindern: Apple, Google und Facebook verfügen über riesige Datenmengen. Feedback-Effekte verbessern ständig die Systeme. Damit können sie ihre Service-Qualität auf einem hohen Niveau halten und verhindern Konkurrenten. Ein neues Kartellrecht müsste weltweit gelten. Es müsste eine "progressive Daten - Sharing - Pflicht" enthalten. Die Bundesregierung will 218 des Kartellrecht für Internetkonzerne verschärfen: Firmenkäufe verbieten, Aufkaufen von Start-ups schwieriger, Datenzugang für andere verbessern, Prüfung bereits auf dem Weg zur Marktbeherrschung.

Neurokapitalismus (Gehirn-Maschine-Schnittstelle): Technische Updates fürs Gehirn. Gehirnfähigkeiten, die den Fähigkeiten von Computern ähneln. Die Frage ist, wenn das Gehirn irgendwann in seiner gesamten Komplexität simuliert werden kann. Erste Geschäftsmodelle gehen in die Medizin. Bei Konsumenten allgemein dürfte es noch lange dauern, erste Ansätze gibt es bei Gedächnisstörungen. Man spricht bei Menschen, die mit Chips verbunden sind, von Cyborgs.  Facebook will etwa erreichen, dass man Nachrichten in Smartphone denken kann. Querschnittsgelähmte Patienten haben implantierte Chips im Gehirn, Körperteile lenken sollen.

Homo ludens: Der durch das Spiel sich entwickelnde Mensch. Diese Sichtweise ist nicht neu (Schiller: "der Mensch ist nur ganz Mensch, wo er spielt"). Die Digitalisierung fördert dieses Menschenbild wieder. Dahinter steckt die Vorstellung, das Spielen die primäre Kulturtechnik ist und er wichtigste Grund für Gesellschaften (das wusste schon Niklas Luhmann:  Art der Kommunikation). Heute spricht man von einer Weltgesellschaft, die in ihrer Komplexität noch nicht ausreichend erforscht ist. Das Spielerische in der digitalen Welt kann motivieren. Man spricht auch von einem Trend zur "Gamifizierung". Vgl. Manouchehr Shamsrizi, Interview in: bdvb aktuell, Nr. 137, S. 6f.

Wertschöpfungsketten: Es entstehen neue Ketten und Werte. Ebenso integrierte Geschäftsprozesse. Beschränkungen hängen von den finanziellen Ressourcen der Nutzer ab, von den Zeitressourcen und der Akzeptanz des Mediums. Der Nutzen der einzelnen Kunden hängt zusammen (positive Rückkopplung). Weitere Merkmale der Internetökonomie: Neuartige Kostenfunktionen (niedrige Grenzkosten) kommen hinzu. Dazu gehören auch spezielle Zahlungsmittel wie etwa Bitcoin (vgl. den Abschnitt "Geldpolitik"). Vgl. Harald Meisner: Finanzwirtschaft in der Internetökonomie, Wiesbaden 2017, S. 9ff.

Virtuelle Betriebsstätte und die "Konsumentenorientierung" der internationalen Besteuerung: Das internationale Steuerrecht muss an Herausforderungen der digitalen Ökonomie angepasst werden. Die EU hat etwa 2017 eine umsatzbasierte Ausgleichssteuer vorgeschlagen. Damit wird der Betriebsstättenbegriff in Richtung "digitale Betriebstätte" weiterentwickelt. Weiterhin müsste die Besteuerung der Unternehmen künftig stärker am Standort des Konsums orientiert sein (Bestimmungslandprinzip).

E-Business: E-Communication, E-Entertainment, E-Education, E-Commerce, E-Collaboration.

Smart City: Entwicklungskonzepte, die die Stadt effizienter, fortschrittlicher, ökologischer und sozial inklusiver gestalten. Dazu gehören als Bausteine bzw. Ebenen  Smart Ecomomy, Smart People, Smart Governance, Smart Mobility, Smart Governance,  Smart Environment, Smart Living. Akteure der Wirtschaft wie IBM, Siemens, Cisco Systems, Vattenfall sind an internationalen Projekten beteiligt. Es werden Netzwerke gebildet ("Internet of Everything"), die den Sektor Wirtschaft in den Städten produktiver machen sollen. Im Bereich von Governance (Politik, Verwaltung) gibt es Fördermittel im EU-Programm Horizont 2020. Geförderte Städte sind Kopenhagen, Amsterdam, Wien und Berlin. Häufig sind Hochschulen mit eingebunden (z. B. Barcelona). Häufig ist der Sharing - Gedanke enthalten. Man spricht von Urban Commons" (E. Oström). Ideen der Kreislaufwirtschaft (Thünen) sollen die Nachhaltigkeit erhöhen. Mobile Verkehrskonzepte (Mobile App) sollen Umwelt und Energie schonen. Die Kritik geht Richtung Social Scoring und Manipulierung der Menschen durch perfektes Marketing. Vgl. Wikipedia - Artikel.

Intelligente Kameras: Sie arbeiten auch mit Algorithmen. Sie können automatisch bestimmte Konfliktfälle erkennen, bei denen die Polizei eingreifen sollte. Ein Versuch findet vor dem Hauptbahnhof in Mannheim statt.

Digitaler Behördengang: Die Behörden schaffen ein Dienstleistungsangebot (ab 2022).  Es soll drei Portale geben: Portal des Bundes, Portale der Länder, Portale der Kommunen. Sie sollen intelligent verknüpft werden. Später sollen Konten für Bürger und Unternehmen geschaffen werden. Sie sollen eine sichere Authentifizierung erlauben.

Peter Thiel, Investor, Unternehmer: Geboren in Frankfurt. Eltern wanderten aus nach Foster City/ Silicon Valley. Er studierte an der Stanfort University Philosophie und Jura. Er gründete einen Risikokapitalfonds 1996. Milliardär. Er hat das Silicon Valley mit geprägt. Er gründete PayPal (zusammen mit Elon Musk), den ersten Internet-Bezahldienst. Er war der erste Investor bei Facebook 2004. Thiel unterstützte früh Präsident Trump und ist nach der Wahl in seinem Übergangsteam.

GAFA und BAT als Quasi-Monopole: Mit GAFA sind Google, Amazon, Facebook und Apple gemeint. Sie machen die wertvollsten Unternehmen der Welt aus und sind ie mächtigsten Unternehmen in der westlichen Internetökonomie. Mit BAT sind die chinesischen Technologieriesen Baudu (Suchmaschine), Alibaba (Internethändler) und Tencent (Soziale Netzwerke und Messenger WeChat). Sie versuchen, ihre Monopolstellung und Marktmacht, die sie aufgrund von Netzwerkeffekten haben, weiter auszubauen und zu verteidigen. Dazu setzen sie generell drei Methoden ein: 1. Bestpreismethode (Preissteuerung und Verhinderung von Wettbewerb). 2. Exklusivmethode (Ausschließlichkeitsvereinbarung). 3. Knebelmethode (Marktplatz und gleichzeitig Händler). Vgl. Witte-Petit, Kerstin: Methode Platzhirsch, in: Rheinpfalz am Sonntag, 14. April 2019, S. 6.

Google/ Alphabet (nach einer ungeheuer großen Zahl mit 100 Nullen, die "googol" heißt): Das Unternehmen steht symbolisch für die Mission und die Möglichkeiten der digitalen Ökonomie. Kern des Unternehmens ist die Suchmaschine (geht auf einen Algorithmus von Larry Page zurück, Page-Rank; Partner und Mitgründer ist Sergey Brin), die vor allem dank Werbung im Internet große Gewinne abwirft (ebenso wie Maps und You Tube). Mittlerweile ist Alphabet ein riesiger Konzern (Calico, Google Fiber, Google, Verily, Waymo, Forschungsabteilung, nest, android, Suchmaschine, Youtube). Hauptgründer und Eigentümer ist Larry Page (zusammen mit Sergey Brin), der als einflussreichster Unternehmer der Welt gilt. Das Unternehmen wurde 1998 gegründet (im September dann Suchmaschine und viel später Browser Chrome). Page will mit seinen Milliarden die großen Menschheitsprobleme lösen. In Zukunft will er sich um selbst fahrende Autos und digitale Brillen ebenso kümmern wie um die Wege für digitalen Journalismus. Auch ein elektronisches Bezahlsystem startet bald. Mit 350 Mrd. $ Börsewert 2015 ist Google eines der teuersten Unternehmen der Welt.  Graue Eminenz als Chef-Ökonom bei Google ist Hal Varian. Er arbeitet an Markt- und Werbeanalysen für den Vorstand (Verwaltungsratschef Eric Schmidt, der Ende 2017 zurücktritt) zusammen mit 1000 Statistikern. Vorher war er Professor für Volkswirtschaftslehre (Spezialgebiet: Mikroökonomie) in Berkeley. Gerade an Google kann man sehen, wie Geschäftsmodelle lange intransparent gehalten werden, um den Spiel- und Nachahmungstrieb der Menschen besser ausnutzen zu können. Im August 2015 ändert Google seine Konzernstruktur. Sie soll klarer werden. Die Holding (Sammlung von Unternehmen) heißt "Alphabet" (mit Töchtern wie Kerngeschäft: Suchmaschine/ Internetwerbung/ Android, Youtube/ Maps; weiter: Drohnen; selbst fahrende Autos). Der Name ist sehr gut, denn das Alphabet ist eine der wichtigsten Innovationen der Menschheit (außerdem umfasst es von A bis Z alles). Damit wird Google zu einem Konglomerat für die Zukunft im digitalen Kapitalismus. Flexibel steuerbare Einheiten können neue Technologien entwickeln, innovativ bleiben, Wertzuwächse gezielt generieren und künftig im Wettbewerb schnell reagieren. Google handelt nach dem Prinzip "Think big". Dadurch wird verhindert, dass im Ausland andere Unternehmen mit der Idee eine Chance haben  (z. B. bei Suchmaschinen). In Deutschland baut Google München zum größten deutschen Standort aus. 2016 weitet der Konzern weiter die personalisierte Werbung aus. Die Nutzer werden um Erlaubnis gefragt. Es wird damit argumentiert, dass die Werbeeinnahmen dazu dienen, die Suchdienste weiterhin kostenlos zur Verfügung zu stellen. Google soll auch national kartellrechtlich stärker unter die Lupe genommen werden. Die Internetfirmen sollen auch für Hass - Postings belangt werden. In Googles Vision wird das Netz eine natürliche Erweiterung des Menschen sein. Mittlerweile hat Android, das Betriebssystem für Smartphones, 2016 einen Marktanteil von 90%. Das gleiche Ziel setzt sich Google mit Android Things. Google Home kommt 2017. Das Innovationslabor von Alphabet heißt X. Es ist besonders stark bei vermarktbaren Produkten. 2017 macht Alphabet Milliarden Minus. Der Google - Konzern legt aber beim Umsatz zu. 2018 plant Google einen Werbefilter für seinen Internetbrowser. Damit könnte der Konzern seine Werbung weiter ausbauen. Es soll vor allem mehr Geld mit der Produktsuche verdient werden. Alphabet führt 2016  klar bei den Werbeeinnahmen (79,4 Mrd. $ vor Facebook 26,9). Google beendet nach Protesten eigner Entwickler ein Rüstungsprogramm mit der US-Regierung. Im Juli 2018 muss Goggle in der EU eine Strafe von 4,34 Mrd. Euro zahlen. Die EU-Kommission rügt damit die beherrschende Marktstellung des Betriebssystems Android (Pflicht für Google Play und Google-Suchmaschine). Google will Widerspruch einlegen. Google will ab 2018 in großem Stil in die Außenwerbung einsteigen (mithilfe von Begegnungsdaten). 2018 bildet Google eine Allianz mit Paypal bei Handy-Zahlungen. Google Plus wird 2018 eingestellt und war vorher gehackt worden. Im Oktober 2018 erhebt Google Lizenzgebühren für seine Apps. Das wird regional gestaffelt. Damit sollen in der EU die Wettbewerbsstrafen ausgeglichen werden. 2018 erschüttert eine Belästigungsaffäre Google. In den letzten zwei Jahren wurden aus diesem Grund 48 Mitarbeiter entlassen. Betroffen ist auch der Android - Schöpfer Rubin. Börsenwert Ende Oktober 2018 733 Mrd. Dollar. Wenn die Macht von Alphabet weiter so wächst, dürfte eine Aufspaltung unumgänglich sein. Der Aktienwert bricht Ende 2018 ein. Google - Tochter Waymo liegt 2019 beim autonomen Fahren noch vorne. 2019 gibt es eine Millionenstrafe gegen Google in Frankreich. Im gesamten Geschäftsjahr 2018 wuchs der Umsatz um 23% auf 136,8 Mrd. Dollar und der Gewinn stieg auf 30,7 Mrd. Dollar. Mein ganzes Streben geht dahin, herauszufinden, wie die Zukunft aussieht - und sie dann zu erschaffen", Alphabet-Chef Larry Page. Februar 2016 überflügelt Alphabet Apple im Börsenwert und ist damit das teuerste Unternehmen der Welt (2015 +40%, Wette auf die digitale Zukunft). 2016 klettern Umsatz und Gewinn weiter. Chef von Google ist seit 2015 Sundar Pichai (Motto: "Respekt aus Vernunft"). Neuer Unternehmensgrundsatz: "Künstliche Intelligenz zuerst". 2016 eröffnet Google einen Campus in Berlin. Es geht um die Förderung der lokalen Start-ups. Ökosysteme sollen eingerichtet werden. 2017 droht Google in einem Verfahren der EU-Wettbewerbsbehörde zur Shopping-Suche eine Milliardenstrafe (10% vom Umsatz). Eigene Dienste sollen bevorzugt worden sein. Das Verfahren ist nur eines von dreien. Der Börsenwert von Alphabet steigt 2017 um 21,2%. Ein Urteil des Bundesgerichtshofes Ende Februar 2018 besagt, dass keine allgemeine Kontrollpflicht für Suchmaschinen, also insbesondere Google, besteht. Die EU straft Google im März 2019 mit 1,49 Mrd. Euro ab (marktbeherrschende Stellung bei Online-Werbung ausgenutzt). "Google kann es nicht allen recht machen, besonders, da sich Moral so schwer definieren lässt", Gregory La Blanc, University of Berkeley.

Baidu: Chinesische Suchmaschine. Auch E-Mail-Service, Kartendienst uns Cloud-Storage. Wert 88,4 Mrd. US-Dollar 2018. Jährliches Wachstum 24%. Am ehesten mit der Suchmaschine von Google vergleichbar. Robin Li gründete im Jahr 2000 die Suchmaschine. Der Marktanteil in China liegt bei ca. 80%. Es gibt noch Baidu Maps und Baidu Baike (chinesische Wikipedia). Baidu hatte 2017 einen Umsatz von 12,6 Mrd. US-Dollar. Der Gewinn lag bei 2,7 Mrd. Dollar. Das Unternehmen investiert massiv in künstliche Intelligenz. Börsenwert Ende Oktober 2018 65 Mrd. $. 3,3 Mrd. Suchanfragen täglich. Ab Ende 2018 kooperiert Baidu mit VW in China beim autonomen Fahren. VW und Baidu entwickeln ein Mobilitätskonzept.

Apple: Gründer: Steve Jobs, Steve Wozniak 1976. Apple hat in der Vergangenheit Maßstäbe gesetzt in Sachen Technik, Handhabbarkeit und Design. Apple erobert 2016 die Position als wertvollstes Unternehmen der Welt zurück (Ende 2016 Aktienwert von 617,6 Mrd. $; 2007 173,4 Mrd. $). 2007 wurde das iPhone präsentiert, eine Revolution unserer Zeit.  Der dabei auftretende Mechanismus sagt viel über die Grundzüge der digitalen Ökonomie aus: Apple macht wegen der niedrigen weltweiten Zinsen Schulden (obwohl 200 Mrd. Dollar Cash da sind). Apple kauft mit dem billig aufgenommenen Geld Apple-Aktien. Dadurch steigt der Aktienkurs und Apple erreicht wieder seine Spitzenposition. Das neue iPhone enthält so gut wie keine Innovationen und wird trotzdem mit viel zu hohem Preis gekauft (Snob-Effekt). Verbraucher lassen sich verdummen und die chinesischen Arbeiter kassieren weiterhin Dumping-Löhne. 231 Milliarden Dollar hat Apple 2016 an Finanzmitteln angehäuft. Davon 93% im Ausland. Grund von letzterem sind die hohen Steuern in den USA. Das Unternehmen hat zunehmend Schwierigkeiten. Investoren entziehen ihm das Vertrauen. 2016 stellt die Wettbewerbskommisarin fest, dass Apple in Irland Steuererleichterungen in Höhe von 13 Mrd. € gewährt wurden, die wettbewerbswidrig waren ("unzulässige rechtliche Konstruktionen"). Das Land, die USA und der Konzern wehren sich. Apple muss die Steuern nachzahlen auf ein Sperrkonto, Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. 2017 führt Apple einen Rechtsstreit mit Qualcomm. Das Unternehmen hält einige Lizenzen, für die Apple nicht mehr zahlen will. Apple tut sich nicht dadurch hervorgetan, Daten mit anderen zu teilen. Daten werden auch nicht so vermarktet wie bei Facebook und Google. Steuern werden in Europa aber fleißig gespart. 2018 kauft Apple die Musikerkennungs-App Shazam. Ab 2018 entwickelt Apple eigene Displays. Es gibt bereits eine kleine Produktionsstätte in Kalifornien für Micro-LED-Technologie. Apple plant 2018 den Einsatz eigener Prozessoren in Macs. 2018 stockt die Beteiligungsgesellschaft von Warren Buffet Berkshire Hathaway den Aktienanteil auf. Mit Attacken auf Facebook 2018 will Apple-Chef Tim Cook sich als verantwortungsvolles Unternehmen profilieren. Apple fährt eine außergewöhnliche China-Strategie: Es betreibt Datenzentren mit Dienstleistern, die der Staatsführung nahe stehen. Liberale Angebote (New York Times) werden verschleiert oder aus dem Store genommen. Da ist also eine klassische Doppelmoral. Zu viel Umsatz hängt am iPhone. Wenn das nicht so läuft wie erwartet - wie Ende 2018 . bricht der Akteinwert ein. Ende 2018 startet Apple seinen Bezahldienst in Deutschland. Apple erzielt weniger Umsatz, weil die Partnerschaft zwischen den USA und China bröckelt. Das China-Geschäft mit iPhones schwächelt massiv. Anfang 2019 hat Apple einen Klageerfolg gegen Qualcomm (Patentstreit). 2019 kommt ein Fehler bei Facetime ans Licht. Dies ist eine Funktion, die Audio- und Videotelefonate ermöglicht. Dadurch kann das iPhone zum Spion in den eigenen vier Wänden werden. Dieser technische Fehler ist ein Desaster für die Glaubwürdigkeit von Apple. Man hat ja gerade mit der höheren Sicherheit geworben. Ab 2019 will Apple einen Streaming - Dienst aufbauen analog zu Netflix. 2022 droht Apple  eine hohe Strafe in der EU. Der US-Konzern verstößt gegen Wettbewerbsvorschriften: Der Zugang zu einer Standardtechnologie für kontaktlose Zahlungen mit mobilen Geräten sei beschränkt.  Anfang 2017 übernimmt das iPhone wieder die Spitze im Smartphone-Markt und überholt Samsung (Durchbruch im Weihnachtsgeschäft). Apple hat wohl das Thema künstliche Intelligenz verschlafen. Jetzt, 2017, will Tim Cook das Versäumte nachholen. Ende Juni 2017 führt Apple das weltweite Börsenwert-Ranking (Anstieg 2017 +40,3%) an vor Alphabet und Microsoft. Im August 2017 wird der Apple-Campus in der Nähe von San Francisco bezogen (Cupertino, Raumschiffarchitektur, 12.000 Angestellte). Einer der Gründer von Apple war Steve Wozniak. Er galt Anfang der 70er als technisches Genie im Silicon Valley. Er machte sich einen Namen als Hacker. Er gründete nachher noch mehrere Firmen. Im Dezember 2017 einigt sich Apple mit Irland über die Steuerschuld (af Druck der EU). Es geht um 13 Mrd. €, die bis zu einem Gerichtsentscheid auf ein Treuhandkonto kommen. Bei der Marktkapitalisierung führt Apple auch 2016 (735 Mrd. Dollar, Gewinn 19,5). 2018 nach der US-Steuerreform holt Apple 252 Mrd. $ aus geparkten Gewinnen in die USA zurück und zahlt 38 Mrd. $ Steuern. Die entscheidende Frage ist, ob wirklich die Steuerreform die Ursache ist. Es könnte ja auch sein, dass Apple das Geld an die Aktionäre ausschüttet. Werden also wirklich Jobs verlagert oder wird nur Geld verschoben? 2017 erwirtschaftet Apple einen Unsatz und Gewinn auf Rekordniveau. 2018 ist Apple das erste Unternehmen der Welt, dass mehr als eine Billion $ wert ist (1039 Mrd. $ Ende Oktober 2018). Auch die anderen Digitalriesen der USA stehen an der Schwelle (Amazon, Microsoft, Alphabet). "Unser Ziel ist es, die Welt besser zurückzulassen, als wir sie vorgefunden haben", Tim Cook, 2017, Apple-CEO.

Xiaomi: Peking (seit 2010; wichtigster Smartphone-Hersteller, innerhalb kürzester Zeit vom Start up zum Großkonzern; auch Luftfilter, Sportgeräte u. a.; will sich ab 2016 in deutsche Firmen einkaufen. 2014 schon weltweit drittgrößter Smartphone Hersteller; Lei Jun gilt als neuer Steve Jobs; will die ganz Großen angreifen; Führungsmanager Barra wechselt 2013 von Google zu Xiaomi, mit ihm beginnt der Aufstieg, 2017 verlässt er das Unternehmen). 2018 kommt ein großer Börsengang. Damit soll der Aufbau einer Ladenkette finanziert werden. 2015 Grünung eines Parteikomitees, 104 KPC-Mitglieder 2018; das Geschäft mit vernetzter Elektronik wird 2018 deutlich ausgebaut. 2018 viertgrößter Smartphone - Hersteller der Welt. Auch Produzent von Laptops und Heimelektronik.

Huawei, Shenzhen: Elektronik, Netzwerkbetreiber, Netzausrüster, 1988 gegründet; 2010  3000 Mitarbeiter in Europa, weltweit 180.000. Umsatz im Jahr 2017 78 Mrd. Euro; Gewinn 6,15 Mrd. Euro. Huawei arbeitet in 170 Ländern. Hauptquartier in Deutschland Düsseldorf; größter Konkurrent von Cisco; jahrelang von der NSA ausspioniert. Chairman ist Eric Xu 2018. Will sich durch Innovationen stark verbessern. Zunehmend bei Grundlagenforschung. Mehr als 80.000 Mitarbeiter sind am Unternehmen beteiligt (Shareholder). 2017 führt das Unternehmen bei der Zahl der Patente: 4024. Gründer Ren Zhengfei, Ingenieur, 1987; Deutschland-Chef 2018 Yang Tao; Huawei ist 2018 der einzige chinesische Konzern von Weltrang (außerhalb Chinas sehr erfolgreich); die Kooperation mit der Telekom verleiht dem Konzern große Macht in Deutschland (mit dem 5G-Standard dürfte der Einfluss noch wachsen). Huawei überholt 2018 Apple beim Handy-Verkauf. Noch ist Samsung vorne. Die USA haben das Unternehmen unter einen Bann gestellt, ebenso Australien, Neuseeland und GB (Einflussnahme der chinesischen Regierung, Spionage, Störung der Netze). Es ist direkter Konkurrent von Apple. Die Marke Honor gehört auch zum Unternehmen. 2018 setzt das Unternehmen voraussichtlich 100 Mrd. Dollar um. Im Dezember 2018 wird die Finanzchefin von Huawei Meng Wanzhou in Kanada festgenommen. Sie ist auch die Tochter vom Firmengründer Ren Zhengfei (ältestes von 7 Kindern, Vater Opfer der Kulturrevolution, deutschlandfreundlich, fährt BMW). Die USA verlangen die Auslieferung. Es geht um Verstöße gegen die US-Sanktionen gegen den Iran. Die Verhaftung könnte die Handelsgespräche zwischen den USA und China platzen lassen. Die USA verstärken am 29.01.19 kurz vor der nächsten Runde der Handelsgespräche in Washington den Druck: Huawei wird nun auch der Spionage und des Betrugs beschuldigt (bis zu 10 Jahre zurück). Die Nähe zur Staatsführung in China wird recht eng eingestuft. Huawei ist mittlerweile der der größte Telekom-Ausrüster der Welt. Auch in Deutschland wird 2019 diskutiert, ob es sinnvoll ist, den bevorstehenden Ausbau des Mobilfunknetzes (5G) mit Huawei zu planen. Bundeskanzlerin Merkel fordert Garantien, dass Daten nicht an die chinesische Regierung weitergegeben werden. Man könnte natürlich auch testen. Beim Bau mobiler Mobilfunknetze führt Huawei (31% Marktanteil) vor Ericsson/ Schweden, Nokia/ Finnland, ZTE/ China und Samsung/ Südkorea. Weltweit gibt es immer mehr Kritik am Smartphone - Produzenten und Netzwerkausrüster Huawei. 2001 wurde die Niederlassung in den USA eröffnet. Es gab immer wieder Geheimdienstoperationen gegen Huawei in den USA. Der erste Angriff war 2006 von der NSA ("Parody Blowup", G. W. Bush) 2009 gab es eine zweite Operation ("Shotgiant"). Die Sorgen gründen sich vor allem darauf, dass Gründer Ren Zhengfei früher als Offizier der nationalen Volksarmee gedient habe. Die Bundesregierung plant 2019 ein Antispionageabkommen mit China. Im Gegenzug soll Huawei in Deutschland weiter aktiv sein dürfen. Allerdings war ein "No-Spy-Abkommen" zwischen den USA und China schon einmal wirkungslos geblieben. Trump ruft 2019 den nationalen Notstand für den Telekom-Sektor aus. Damit kann er Huawei auf eine schwarze Liste setzen. Im Mai 2019 setzen die USA Huawei auf eine "schwarze Liste". Daraufhin will Google das Unternehmen nicht mehr mit dem Betriebssystem "Android" versorgen. Das könnte Huawei schwer schaden. Die Sanktion wird dann auf 90 Tage ausgesetzt.  In Shenzhen unterhält Huawei einen Firmencampus mit ca. 40.000 Mitarbeitern. Huawei betreibt seit 2018 in Bonn ein Labor (war mit dem BSI vereinbart) . Das BSI hat unangemeldet Zugang jederzeit. Die Briten haben ein ähnliches Labor bei Oxford. Allerdings gibt es in China ein Gesetz, dass heimische Organisationen verpflichtet, bei Bedarf den Geheimdiensten zuzuarbeiten. Deshalb misstrauen alle Länder. Frankreich gibt nur Teile des Netzes an Huawei. Nach den Snowden - Dokumenten haben bisher nur US-Firmen weltweit Schläfer-Software eingebaut, nicht China.

Microsoft Corporation, Redmond/ Washington: Das Unternehmen hat fast ein Monopol bei PC - Betriebssystemen. Latente Konkurrenten sind das freie System Linux und Android bei Handys. Versuche der Monopolisierung - etwa bei Browsern - werden von den Kartellämtern unterbunden. Überzeugt 2017 mit starken Quartalszahlen. Profitiert vom Cloudcomputing. Microsoft wurde 1975 von Bill Gates und Paul Allen gegründet. Das Unternehmen hat 2017 114.000 Beschäftigte und ist der größte Softwarehersteller der Welt. 2018 bricht das Unternehmen mit der Windows-Ära. KI und Quantencomputer sollen das Cloud-Geschäft expandieren, um mit Amazon mithalten zu können. Microsoft unterstützt mittlerweile auch Linux (mit Azure). 2018 überholt Microsoft Google (Alphabet) wieder im Aktienwert.  Es führt Apple und Facebook liegt an vierter Stelle bei den großen US-Digitalfirmen. 2018 stirbt Mitbegründer Paul Allen mit 65 Jahren (Erfinder des Firmennamens; trieb auch MS-DOS und Word voran). 2018 gibt es einen Gewinnsprung. Im dritten Quartal floriert die Cloud-Sparte und die Büro-Software. Im April 2019 steigt der Börsenwert auf über 1 Billion Dollar.  Bill Gates leitet mittlerweile eine der größten Stiftungen weltweit. Anfang 2019 wird die Suchmaschine Bing von der chinesischen Regierung gesperrt. Betroffen sind auch einzelne VPN-Verbindungen.

Facebook (mit Instagram und Whats App): Facebook ist der unangefochtene Marktführer für geschlossene soziale Netzwerke. Die drei Unternehmen haben auch den Sitz im Sillicon Valley (Menlo Park). Facebook: Zuckerberg startet die erste Website 2004. Es ist ein Netzwerk für Studenten. Die Idee geht auf die Winklevoss - Brüder zurück, die Zuckerburg als Programmierer engagieren. Später gibt es Gerichtsverfahren (Zuckerberg wird als komplett skrupellos geschildert). 2018 kommt der Einstieg in die Partnervermittlung. Nach einer Datenpanne Ende 2018 ermittelt Irland gegen Facebook. Die Vizechefin von Facebook Sheryl Sandberg will 2019 Vertrauen zurückgewinnen: Manipulationen bei der Europawahl sollen verhindert werden. Russland leitet Anfang 2019 ein Verfahren gegen Facebook ein. 2019 kauft Facebook für über 6 Mio. € ein Institut für Wirtschafts-Ethik an der TH München. Ende 2018 hat Facebook weltweit 2,3 Milliarden Nutzer (hinzu kommen: WhatsApp 1,5; Messenger 1,3; Instagram 0,8). Aus den Forderungen der EU werden Konsequenzen gezogen. Es gibt mehr Transparenz beid er Datennutzung. Instagram ist die weltweit führende Plattform zum Teilen von Fotos. Mehr als 500 Jahre war das geschriebene Wort am wichtigsten. Durch Internet und Smartphones werden Wörter langsam durch Bilder verdrängt. Täglich werden in Instagram 80 Mio. Momente festgehalten. Im dritten Quartal macht das Unternehmen einen Gewinnsprung (+166% im Vergleich zum Vorjahreswert).  Ursache sind die Werbeeinahmen. 2016 boomt der Konkurrent Snapchat. Er hat schon 235 Mio. aktive Nutzer (Ende 2016).  Der Aktienwert beträgt Ende 2016 25 Mrd. $. 2015 hat Facebook eine neue Firmenzentrale mit Blick auf die Bucht von San Francisco bezogen. Das ganze Dach ist ein enormes Biohabitat. 2017 hat Facebook fast zwei Milliarden Nutzer (2018 über 2 Mrd.), dazu kommen Whats App und Instagram. Zuckerberg definiert Facebook als Technologieunternehmen. Mit dem Wahlsieg von Trump entsteht eine Diskussion über die politischen Einflüsse. Facebook zeichne eine neue Welt, nämlich wie man sich mit Freunden umgebe und Medien konsumiere. Es geht um Facebook als Quelle der Wahrheit. Mittlerweile gibt es Steigerungen bei den Quartalsgewinnen um 77% (Smartphone-Werbung). Am 18.05.2012 ging das Unternehmen an die Börse. Bundesjustizminister H. Maas bringt im Mai 2017 einen Gesetzentwurf, der Firmen wie Facebook zwingen will, rechtswidrige Inhalte aus ihren Angeboten zu entfernen ("Löschgesetz" mit hohem Bußgeld bei Verstoß). Gegner dieses Gesetzes sehen die Meinungsfreiheit gefährdet. Facebook richtet in Deutschland zwei "Löschzentren" ein (Berlin, Essen). Man arbeitet zusätzlich mit mit selbst lernender Filtersoftware. Facebook liegt auf Platz drei der Digitalkonzerne (2016: 516 Mrd. Dollar Marktwert, Gewinn 10,2). Der gewinn ist 2017 um 56 Prozent gestiegen. 2018 macht Instagram einen Test mit einem "Stand-alone-Messenger". Facebook will 2018 wieder mehr das Private betonen. Der Konzern erleidet 2018 eine Schlappe vor dem deutschen Gericht: Voreinstellungen für seine Dienste müssen verändert werden. Im Februar 2018 kritisiert die EU-Kommission Facebook, weil es EU-Regeln nicht beachte. Im April 2018 warnt auch der Kartellamtschef Facebook. Er sieht aber auch Gefahren durch die Internetfirmen aus China. Im November 2018 wird über Facebook ein 16-jähriges Mädchen im Süd-Sudan versteigert. Wenn das so weiter geht, ist Facebook zum Scheitern verurteilt. Whats App wird täglich von mehr als 1 Milliarde Menschen genutzt. Es enthält keine Werbung. 2018 verlässt Mitbegründer Jan Koum das Unternehmen. Facebook versucht zunehmend, mit Whats App seinen Umsatz zu steigern. 2019 fällt das auf fünf Jahre gegebene Werbeverbot. In irgendeiner Weise wird Werbung eingebaut werden. Im Juni 2018 muss Facebook zugeben, dass Daten mit chinesischen Firmen geteilt wurden (Huawei, Lenovo, TCL). Es gibt im gleichen Monat eine erneute Datenpanne (private Mitteilungen öffentlich sichtbar, 14 Mio. Nutzer). Im Juni 2018 muss der Chef-Stratege und PR-Chef Elliot Schrage gehen (berät den Konzern aber weiter). 2019 schränkt Whatsapp die Weiterleitung ein. 2019 muss Whatsapp eine schwerwiegende Sicherheitslücke eingestehen: die israelische Firma NSO konnte zugreifen. Der Börsenwert beträgt Ende Oktober 2018 422 Mrd. $. Facebook steckt in der größten Krise seiner Geschichte. Die Nutzerzahlen stagnieren. Politiker wollen den Konzern zerschlagen. Wachstum bringt vor allem Instagram. 2019 will Facebook seine verschiedenen sozialen Netze miteinander verknüpfen. Das erzeugt viel Argwohn. Das Bundeskartellamt will 2019 Nutzern des sozialen Netzwerks Facebook mehr Kontrolle über Informationen geben, die gespeichert werden (nicht automatische Zusammenführung von Facebook, Whats app und Instagram). Roger McNamee, einer der größten Investoren und Mentoren, rechnet in einem Buch 2019 mit Facebook ab: Das Buch heißt "Zucked" und meint, dass Facebook zu mächtig sei und sich nicht um den Schaden kümmere, den es weltweit anrichte. Mitte März 2019 verlässt die Nummer drei von Facebook den Konzern (Chris Cox hinter Mark Zuckerberg und Sheril Sandberg). Er hält nichts von dem Strategiewechsel  (Kommunikation in verschlüsselten Chatdiensten und strikterer Schutz der Privatsphäre. Zuckerberg fordert eine stärkere Regulierung des Internet mit weltweit einheitlichen Bestimmungen. "Ich denke, die Zukunft der Kommunikation verschiebt sich hin zu privaten, verschlüsselten Diensten", Mark Zuckerberg, 2019).  "Move fast and break things" war einst das Firmenmotto. Ein großer Teil der russischen Propaganda im Trump - Wahlkampf lief über Facebook. Das wurde nicht erkannt, obwohl die Russen in Rubel bezahlten. 2017 werden in einer Minute 56.000 Bilder auf Instagram gepostet. Im Frühjahr 2018 soll die Datenplattform Verimi an den Start gehen. Große deutsche Firmen wie Allianz, Springer, Daimler , Deutsche Bank planen eine Konkurrenz zu Facebook. Auch Giesecke + Devrient tritt bei. Anfang 2018 droht das Kartellamt Facebook mit Sanktionen (Missbrauch von Marktmacht). Im März 2018 kommt heraus, dass die britische Firma "Cambridge Analytica" millionenfach (ca. 50 Mio.) auf unzulässige Weise Facebook - Profile benutzt hat, um in Wahlkämpfe einzugreifen, auch in den US-Wahlkampf. Wegen des gigantischen Datenmissbrauchs gerät Facebook unter politischen Druck. Investoren ziehen sich zurück. Eine Klagewelle droht. Der Aktienkurs bricht ein. Die Existenz des Unternehmens, zumindest das Geschäftsmodell, steht auf dem Spiel. Zuckerberg entschuldigt sich in einem Interview mit CNN. Die Aufsichtsbehörden in GB und den USA untersuchen den Fall. Der Chef von Cambridge Analytica Alexander Nix wird suspendiert. "Move fast and break things", Facebook. Der Film zu Facebook heißt "The Social Network" (2010). Die Hälfte aller deutschen Nutzer erwägen einen Austritt. Konkret verlässt Tesla die Plattform. Im April 2018 stellt sich heraus, dass der Datenskandal größere Dimensionen hat. Die Daten von 87 Mio. Nutzern seien unzulässig verwendet worden. 2018 dürfte der Anteil von Facebook am digitalen Werbemarkt erstmals sinken. Im April 2018 muss sich Zuckerberg Anhörungen im Senat und Kongress der USA stellen. Er entschuldigt sich mehrmals, räumte Fehler ein und gelobte Besserung. trotz der Krise steigt die Anzahl der Nutzer auf 2,2 Milliarden. Der Gewinn stieg im ersten Quartal 2018 sogar um 63%. Zuckerberg will 2018 zu einer Anhörung vor dem EU-Parlament kommen. Es geht um den Datenmissbrauch in seinem Unternehmen. Im Sommer 2018 verliert Zuckerberg viele Milliarden durch einen Einbruch der Facebook-Aktie. Am 28.09.18 gibt es einen großen Hacker-Angriff auf Facebook. 50 Mio. Konten des sozialen Netzwerks sind betroffen. Es wurden auch digitale Schlüssel gestohlen (Token). Die Sicherheitslücke konnte einen Tag später geschlossen werden. In Deutschland häufen sich Vorschläge, den Konzern wegen zu großer Marktmacht zu zerschlagen. Der Aktienwert sinkt Ende 2018. Im März 2019 kommt heraus, dass Millionen Passwörter für Mitarbeiter lesbar waren.

Alternativen zu Facebook:1. Die beruflichen Netzwerke (Xing, LnikedIN). 2. Human Connection (ohne Werbung, Plattform für gute Zwecke, lebt von Spenden, gemeinnützig). 3. Ello (Künstlernetzwerk). 4. Vero (Alternative zu Instagram). 5. Diaspora (verteiltes System, Vielzahl von Server). Der Markt der Messenger-Dienste ist in Bewegung. Hinzu kommen noch Threema, Viber und Skype. In China ist Facebook gesperrt.

Fünf Thesen von Mark Zuckerberg zum Internet (von 2019): 1. Nutzer müssen jederzeit die Hoheit über ihre Daten behalten. 2. Jede Kommunikation muss verschlüsselt und nachweisbar sein. 3. Alle Teilnehmer unterstehen der gleichen zentralen Autorität. 4. Wer Geld verdient, muss angemessen besteuert werden. 5. Wer es an Anstand mangeln lässt, darf sich nicht hinter Anonymität verstecken. Quelle: Wirtschaftswoche 15, 5.4.2019, S. 42f.

Tencent: Shenzhen. Wertvollster Konzern in China 2016; IT-Riese; Internet, soziale Netzwerke; WeChat; E-Commerce; Bezahlsysteme; Online-Spiele; seit 1998; Gründer M. Huateng; Chef heute Pony Ma (auch einer der Gründer); steigt 2017 mit 5% bei Tesla/ USA ein; strebt 2017 auf den deutschen Markt. Im Februar 2018 504 Mrd. $ Marktkapitalisierung. Am ehesten mit Facebook vergleichbar. Nach einer Studie von Amnesty International liegt Tencent beim Schutz der Privatsphäre auf dem letzten Platz. Das verschafft dem Unternehmen Vorteile in China, vor allem gegenüber der Regierung, aber Nachteile bei globalen Ambitionen. Niemand wird dem Unternehmen vertrauen. Das Maskottchen von Tencent ist der Pinguin. China hat 2018 750 Millionen Internetnutzer. Tencent hatte 2017 einen Umsatz von 22,9 Mrd. US-Dollar, einen Gewinn von 6,2 und gibt 1,8 für Forschung aus. WeChat ist das wichtigste Produkt (App, mit der 1 Mrd. Menschen telefonieren, Nachrichten senden, Essen bestellen, Stromrechnungen zahlen, Behördengänge erledigen, Bewerbungen). Baut ab 2018 seine Datenspeicher in der Provinz Guizhou, geschützt im Gestein. 6,1 Milliarden Sprachnachrichten verarbeitet WeChat täglich. Der Börsenwert beträgt Ende Oktober 2018 335 Mrd. $.

Twitter: Kurznachrichtendienst. Gerät 2017 und 2018 in die Schlagzeilen, weil der US-Präsident regelmäßig seine Nachrichten über Twitter verkündet. 2018 sinkt die Nutzerzahl stark. In der Folge stürzt die Aktie ein. Der Gewinn ist relativ niedrig oder gar nicht da. Chef ist 2018 Jack Dorsey. Russland leitet 2019 ein Verfahren gegen Twitter ein. China sperrt Twitter. 2018 gibt es ein Umsatzplus trotz Nutzerschwund.

Weibu: Chinesischer Kurznachrichtendienst. 2018 sollen homosexuelle Inhalte verbannt werden. Seit 1997 ist Homosexualität in China straffrei.

slack: Messenger-Dienste für Firmen. Konkurrenz zu Emails. Gründer und Chef ist Steward Butterfield. Geschätzter Wert 10 Milliarden Dollar.

NetEase: 1999 von William Ding gegründet. Bietet hauptsächlich Internetspiele an.

WE, WeCompany: Büros für Start-ups. Weltweit 2019 930.000 Quadratmeter. Geschätzter Wert 47 Milliarden Dollar. Mitbegründer und Chef ist Adam Neumann.

Uber: Ist 2016 das wertvollste Start-up der Welt.  Es ist eine Plattform für Mobilität, die von Daten statt Benzin angetrieben wird. Es ist eine Revolution auf dem Taximarkt. Mittlerweile ist Uber auch ein  Global Player, der stark in Indien und China expandiert. 2016 beträgt der Marktwert 62,5 Mrd. $ (Chinesische Konzerne, Staatsfond Saudi-Arabien, Toyota). Uber transportiert Personen, Essen und Güter. In Pittsburgh hat das Unternehmen 50 Robotterspezialisten angeheuert, die an selbst fahrenden Taxis und Lieferwagen forschen. Noch wichtigstes Feld ist der Taxiservice. 2017 kriselt das Unternehmen an allen Ecken. Das Geschäftsmodell stimmt nicht mehr. Besonders ein "moralischer Kompass" wird vermisst (sexuelle Belästigungen, aggressive Firmenkultur). Uber - Chef Travis Kalanick nimmt eine Auszeit (hält nur noch 10% Anteile). Die Investoren streiten, auch über den neuen Chef. Im November 2017 kommt raus, dass Uber 2016 einen Datendiebstahl verheimlicht hat (57 Mio. Kunden betroffen). Ende 2017 steigt der japanische Technologie-Konzern Softbank bei Uber ein. Uber-Chef Dara Khosrowshahi will bis 2020 Prototypen von Flugtaxis einsetzen. Der Börsenwert liegt Mitte 2018 bei 72 Milliarden Dollar, Ende Oktober 2018 bei 76 Mrd. $. Toyota entwickelt ab 2018 zusammen mit Uber Roboterautos. Uber will ab 2019 wieder autonom fahrende Autos testen (Antrag in Pennsylvania). Bundesverkehrsminister Scheuer will Ende 2018 Uber fürs flache Land, wo Taxis fehlen, öffnen. In Spanien, insbesondere in den Großstädten Madrid und Barcelona, kommt es 2019 zu einem Taxikrieg wegen der Konkurrenz von Uber.  2016 hat das Unternehmen einen Verlust von 2,8 Mrd. Dollar eingefahren. Ende 2017 verbietet der EuGH private Uber-Fahrer. 2018 findet ein Krieg auf Istanbuls Straßen statt zwischen Uber-Fahrern und Taxifahrern. Im August 2018 deckelt New York die Anzahl der Lizenzen für Fahrdienste von Uber (Verkehrskollaps, Lohndumping). 2018 gerät Uber immer tiefer in die Verlustzone. Das US-Unternehmen will 2019 an die Börse gehen. Der Marktwert dürfte bei 70 Mrd. Dollar liegen (andere schätzen auf 120 Mrd. $). Der Börsengang des Jahres bringt 82 Milliarden Dollar.

Lyft: Fahrdienstleister. Er will 2019 an die Börse. 2018 hat sich der Umsatz auf 2 Milliarden Dollar verdoppelt. Aber auch der Verlust liegt bei 911 Millionen.

Didi Chuxing, (Uber von China; Geldgeber sind Alibaba und Tencent; hat 2016 Uber China übernommen; weitere Investoren sind Apple, Softbank und Uber). Das Unternehmen ist Nummer eins unter den Ride-Sharing-Plattformen in China. 2017 vermittelte Didi 7,43 Milliarden Fahrten (30 Mio. Fahrten täglich). Nach dem Mord an einer Passagierin verschärft das Verkehrsministerium die Aufsicht.

Airbnb: Onlineplattform für Übernachtungen. Mitbegründer und Chef Brian Chesky. Vermittlungen für Privatunterkünfte. "Belong anywhere". 2017 bietet Airbnb schon weltweit drei Millionen Übernachtungsmöglichkeiten an. Es gab erstmals einen Gewinn. 2028 sind eine Milliarde Übernachtungen pro Jahr angestrebt. Es entwickelt sich zu einem Tourismusriesen. Der Co-Gründer Nathan Blecharcyk will das Unternehmen eventuell an die Börse bringen (ab 2019?). Es soll auch Angebote für Geschäftsreisende geben. Die Hälfte seines Privatvermögens will er ab 2018 spenden (über die Kampagne "The Giving Pledge"). In Deutschland ist die Vermietung oft illegal, weil Steuerhinterziehung. Der Staat will gegen die Boombranche vorgehen. Am meisten nehmen die Vermieter 2017 in Berlin (143 Mio. €), München (60,9 Mio. €) und Hamburg (54,4) ein. 2018 erweitert Airbnb sein Angebot. Das Portal bietet auch Kurse und Entdeckungen an. Die Städte Berlin und Hamburg wollen gegen Airbnb-Vermieter vorgehen, die ihre Einkünfte nicht versteuern. Der Börsenwert beträgt Ende Oktober 2018 31 Mrd. $.Im Dezember 2018 siegt die Stadt München vor Gericht gegen Airbnb. Die Stadt muss informiert werden, wenn Wohnräume länger als acht Wochen über die Plattform vermietet werden. Das Urteil könnte Signalwirkung für andere Städte haben. 2019 beträgt der geschätzte Wert 31 Milliarden Dollar. Das Unternehmen will 2019 an die Börse.   "Airbnb muss verpflichtet werden, Daten an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln", Fabio De Masi, Finanzpolitischer Sprecher Die Linke.

Dropbox: Cloud-Service. 2007 von Drew Houston gegründet. 2016 10 Mrd. US-Dollar wert. Jetzt steht mehr die Kollaborationsplattform im Vordergrund. Mittlerweile hat das Unternehmen eine Private Cloud. Die Schaltzentrale ist in San Francisco (gegründet wurde das Unternehmen im Silicon Valley). 2018 ist der Börsengang geplant. Es werden 18 bis 20 Dollar pro Anteilsschein erwartet (Quelle: US-Börsenaufsicht SEC). 

Palantir: Das Unternehmen wertet große Datenmengen aus. Es arbeitet mit Regierungen zusammen. Vorstandschef 2019 ist Alex Karp (promovierte Philosoph und Jurist; ist im Aufsichtsrat von Axel Springer). Investor ist auch der Deutsche Peter Thiel. Geschätzter Wert 41 Milliarden Dollar.

Amazon, Seattle: Gründer und Chef ist Jeff Bezos (1994 in einer Garage als Online-Buchversand). Er führt das Unternehmen in permanenter Revolution. Er strebt die Alleinherrschaft als Online-Handelsplattform an. Er will möglichst viel selber machen. Motto ist: Der Kunde ist König. Der Mitarbeiter Diener. Im Backoffice sind ungeheuer viele Daten, die ausgewertet werden. Heute versteht sich Amazon als Innovationsunternehmen mit vielen verschiedenen Geschäftsfeldern. Deutschland ist nach den USA der zweitwichtigste Markt (seit 1998). 2016 hat das Unternehmen 230.000 Beschäftigte mit 100 Mrd. € Jahresumsatz. 2015 verkauft das Unternehmen über seine Plattform in Deutschland Waren im Wert von 19,4 Mrd. € (22% mehr als ein Jahr zuvor). Damit führt Amazon deutlich im Online-Handel. 2016 meldet Amazon ein Patent auf fliegende Warenhäuser an (Luftschiffe, von denen Drohnen für die Lieferung vom Himmel schweben). 2017 steigt Amazon in den USA in den stationären Handel ein. Es kommt im April 2017 Amazon Fresh (frische Lebensmittel). Zunehmend führt Amazon Eigenlabel ein (z. B. Damenunterwäsche). 2018 ist eine Krankenversicherung geplant. Zu Beginn 2018 sind 566.000 Mitarbeiter weltweit beschäftigt. MBA-Absolventen erhalten im ersten Jahr schon 173.000 Euro. Massenhaft werden 2018 MBA-Absolventen eingestellt. Amazon ist mittlerweile der führende Cloud-Anbieter. Die Cloud-Nutzung ist relativ einfach, der Wechsel schwer. Bei den Kunden herrscht Angst vor der NSA. Amazon erhöht 2018 die Zahl der Abholstationen stark (auf rund 400, Amazon Locker). Nachdem Amazon stark den Handel beherrscht ("everything store"), dringt der Konzern ab 2018 in das Geschäftsfeld der Post ein. Im Englischen gibt es die Redewendung "to be amazoned" (amazonisiert). Zunehmend gibt es Konflikte zwischen Markenherstellern und Amazon (DM, basic, Birkenstock, NewYorker). EU-Wettbewerbskommissarin Vestager hat Amazon im Visier. Amazon zeigt Schwächen: Mangelhafte Markenbindung, Premiumflaute, Konkurrenz aus China, Regulatorische Risiken, Image. Der Börsenwert beträgt Ende Oktober 2018 812 Mrd. $. Im November 2018 gibt Amazon bekannt, weiter stark wachsen zu wollen. Es werden zwei neue Sitze eingerichtet: New York und Virginia. Die Kartellbehörden beäugen Amazon argwöhnisch; Ende 2018 geht es mit dem Aktienwert nach unten. Weltweit arbeiten Ende 2018 613.000 Menschen für das Unternehmen. Die Scheidung von Jeff Bezos von MacKenzie nach 25 Jahren macht die Amazon-Investoren nervös. Zum Vermögen gehört auch eine 16%-Beteiligung. Nach der Scheidung wird McKenzie mit 36 Milliarden Dollar die viertreichste Frau der Welt. Anfang 2019 ist Amazon die wertvollste Marke der Welt (188 Mrd. Dollar) vor Apple und Google (Quelle: Brand Finance Ranking). Es kommt zu einem Krieg zwischen Jeff Bezos und dem US-Klatschblatt "National Enquirer" (Chef Pecker ist einglühender Anhänger von Trump). Es geht um Nackfotos von Bezos mit seiner Geliebten. Man vermutet Saudi-Arabien dahinter (Bezos gehört die Washington Post). Die New Yorker wollen 2019 nicht, dass Amazon ein Hauptquartier in ihrer Stadt baut. Das Auftreten des Konzerns erzeugt Ärger. 2019 im Herbst will Amazon mit Drohnenlieferungen beginnen (Prime Air Service). Wahrscheinlich startet der Service in GB. Parallel werden in Seattle kleine Lieferroboter getestet, die auf Gehwegen fahren.   Im Mai 1997 ging Amazon an die Börse. Wer damals Aktien im Werte von 1000,- $ kaufte ist heute im Mai 2017, also 20 Jahre später, um 640.000 $ reicher. 2016 ist Amazon 570 Mrd. Dollar wert (Gewinn 2,4). Mitt Amazon Alexa for Business hat die Firma ein Assistenzsystem für Telefonanlagen in Firmen entwickelt, was ab 2018 auch in Deutschland eingeführt werden soll (bisher nur USA). Amazon hat 2018 einen Anteil von 46% am Online-Handel in Deutschland. Im ersten Quartal 2018 steigt der Umsatz um 43%, der Gewinn verdoppelt sich (1,63 Milliarden Dollar). Jeff Bezos ist 2018 der reichste Mann der Welt. Internethandel und IT - Dienste florieren. Bloomberg meldet im Oktober 2018, dass man chinesische Spionagechips bei Amazon (und auch Apple) entdeckt habe. Der Aktienwert reagiert sofort. Die Firmen dementieren. Die Anleger sind wohl auch über den Gewinn enttäuscht. Eine Verzehnfachung im Quartal ist einigen noch zu wenig?! Ende 2018 gerät Anazon ins Visier des deutschen Kartellamtes. Nach Händlerbeschwerden wird ein Missbrauchsverfahren eingeleitet. Ende 2018 im Weihnachtsgeschäft ruft Verdi zum Streik bei Amazon in Deutschland auf (Streitpunkt: Amazon bezahlt nach Logistiklöhnen, nicht nach Einzelhandel).

Ebay: Zweiter US-Online-Handelskonzern. Das Grundprinzip sind Auktionen. Im Oktober 2018 verklagt Ebay Amazon wegen illegalen Abwerbens von Verkäufern. Illegal sollten hunderte von Top-Verkäufern abgeworben werden. Ebay kaufte 2002 PayPal für 1,5 Milliarden Dollar.

Alibaba: China; Jack Ma, Börsengang in Hongkong im Nov. 2007; 25,6 Mrd. $; Börsengang in New York September 2014: höchstes Emissionsvolumen mit 25 Mrd. US-$; besteht aus 25 Sparten: z.B. Taobao,Tmall, Juhuasuan, AliFinance, AliExpress; begann als Kontaktbörse zwischen KMU aus China und dem Westen; Yahoo hat Beteiligung; 2017 beginnt eine Expansion ins Ausland, vor allem in die USA; das Bezahlsystem Alipay nun auch in Deutschland aktiv; strebt 2017 auf den deutschen Markt. 2018 ist der Konzern schon 500 Milliarden US-Dollar wert (Marktkapitalisierung an der Börse in New York). Alibaba ist eine Handelsplattform und mit Amazon vergleichbar. Konkurrent in China ist JD.com. Der Umsatz liegt 2017 bei 23,5 Mrd. US-Dollar, der Gewinn bei 6,5. Das Unternehmen gibt 2,5 Mrd. Dollar für Forschung & Entwicklung aus. Mittlerweile ist Alibaba 2018 das zweitgrößte E-Commerce-Unternehmen der Welt. Es betreibt auch die Plattformen Taobao und Tmall. 2018 regelt Jack Ma seine Nachfolge. Vorstandsvorsitzender wird Daniel Zhang. 2018 hat Alibaba einen Jahresumsatz von 40 Milliarden Dollar und 85.0000 Beschäftigte. Die versprochene eine Million Jobs kann Alibaba 2018 in den USA nicht schaffen. Die Handelspolitik der USA ist dazwischen gekommen. Ende Oktober 2018 beträgt der Börsenwert 362 Mrd. $. Die Plattform will zunehmend auch Marken anbieten. Luxusgüter kommen immer mehr ins Angebot. China ist der größte Luxusgütermarkt der Welt. Jack Ma ist Mitglied der KPC (unbekannt wie lange schon). Er ist 2018 der reichste Mann in China. Als größte Vorzüge von Amazon gelten folgende Merkmale: Kundennah, schnell, omnipräsent. Alibaba testet 2019 Roboter-Hotels. Das erste Hotel wird in Hangzhou betrieben (Gesichtserkennung, Roboter im Restaurant). 2019 baut Alibaba seine Logistik in Deutschland aus. Das EU-Zentrum ist in Belgien.   "Es ist schon komisch. Da leite ich eines der größten E-Commerce-Unternehmen in China, vielleicht sogar der Welt, aber ich verstehe nichts von Computern. Das Einzige, was ich kann, ist E-Mails senden und im Internet herumsurfen", Jack Ma. Am 11. November 2017 erzielte Alibaba an einem einzigen Tag 25 Mrd. Dollar Umsatz. Trotzdem ist der Umsatz 2018 geringer als gedacht. Alibaba hat den Tag der Singles (11.11.) aus Marketing-Gründen erfunden. Mittlerweile ist das der weltweit größte Online-Shopping-Tag. Alibaba sammelt dabei fleißig Daten über seine Kunden, wie auch Amazon. Dies e Daten verkauft Alibaba mittlerweile an Konsumgüterhersteller (z. B. Pepsi). Alibaba betreibt auch Kameras in realen Geschäften. Deutschland-Chef 2018 ist Ralf Kleber.

Ant Financial: Alibaba-Tochter, zu der das mobile Bezahlsystem Alipay gehört. Es ist das teuerste Finanztechnologie-Unternehmen der Welt 82018 höher bewertet als Goldman Sachs). Es hat 870 Mio. User jährlich.

JD.com: Alibaba - Rivale und Nummer zwei unter den B2B-Anbietern im chinesischen E-Commerce-Netz. Der Wert des Unternehmens beträgt 2018 46,84 Mrd. US-Dollar. 90 Prozent der Waren stellt JD.com noch am selben oder nächsten Tag zu. Der Chef wird 2018 verhaftet und muss einige Tage im Gefängnis verbringen (sexuelle Verfehlungen).

Meituan, Peking (Gründung 2010, von Wang Xing; Lieferservice, Konsumgüter, Einzelhandel)

ByteDance, Peking (Gründung 2012; Gründer Zhang Yiming; Content-Plattformen)

Media-Markt/ Saturn (Ceconomy): Einkauf, Datenanalyse werden mit dem französischen Wettbewerber Fnac gebündelt, um gegen Amazon und Alibaba in Europa bestehen zu können.

Otto: Holt zunehmend mit seiner Plattform auf. Könnte eine echte deutsche Alternative zum übermächtigen Amazon sein. Für 2019 wird ein Umsatzwachstum von 8% auf 3,2 Mrd. € angestrebt. Das wäre das neunte Wachstumsjahr in Folge. Otto ist Deutschlands Nummer 2 im Onlinehandel.

Netflix ("Net" von Internet und "flicks" steht umgangssprachlich für Filme): Gründung August 1997. Gründer Reed Hastings. 1999 Flatrate. 2002 Börsengang mit 15 Dollar pro Aktie. Seit 2007 Streaming (Video). Seit 2013 gibt es eigene Inhalte. 2016 ist Netflix in allen Ländern außer Nordkorea, Syrien und die Krim. Seit 2014 gibt es Netflix in Deutschland. Weltweit hat Netflix 118 Mio. Abonnenten (gewann im letzten Quartal 2017 allein 8 Mio.). Starkes Wachstum und Steigerung des Gewinns 2017. 2018 gibt es sieben Millionen neue Kunden. Das Unternehmen ist weiter auf dem Wachstumspfad. Allerdings bricht der Aktienkurs Ende 2018 ein. Es gibt immer mehr Konkurrenz (Amazon, Apple, Walt Disney). 2019 wachsen die Schulden, die Rendite ist schwach.

Pinterest: Soziales Netzwerk, 250 Mio. aktive Nutzer (2019). Pinwände mit Fotos. Verdient Geld mit Werbung und Shopping-Funktion. Mitbegründer und Chef ist Ben Silbermann. Das unternehmen wurde 2010 gegründet. Geschätzter Wert 2019 12 Milliarden Dollar. Das Unternehmen will 2019 an die Börse.

Spotify: Musikstreamingdienst aus Schweden. 2018 weltweit 70 Mio. zahlende Abonnenten. Es drohen Milliardenklagen wegen Urheberrechtsverletzung. Der Börsengang wird vorbereitet. Spotify und Tencent aus China rücken 2018 näher zusammen. Spotify geht im April 2018 an die Börse (Direct Public Offering; Referenzpreis 132 Dollar). Der Marktführer schreibt seit Jahren rote Zahlen. Die Investoren lieben aber das Milliardengrab. Mitbegründer des Streaming - Dienstes ist der Schwede Daniel Ek. Zunehmend dringen Konkurrenten auf den Markt (amazonmusic, MUSIC/ Apple, DEEZER). 2019 legt sich der Streamingdienst mit Apple an. Er bringt eine Beschwerde gegen Apple bei der EU-Kommission vor. Es geht um die Gebühren im App-Store. Die Produkte der Konkurrenz werden benachteiligt.

Wikipedia: Das größte Lexikon der Welt. Es ist im Internet frei und werbefrei zugänglich. Wikipedia gibt es in über 300 Sprachen. Das Peer-to-Peer-Netzwerk wurde 2001 von Jimmy Wales, einem ehemaligen Investment-Banker gegründet. Es gehört zu den weltweit Top - Ten der meistbesuchten Websites. Die Finanzierung erfolgt über Spenden. Darunter sind auch große Unternehmensstiftungen (Apple, Google, Microsoft). Es gibt häufiger Streitfälle.

IBM: "Dinosaurier" der IT. Das Unternehmen schrumpft sich seit Jahren gesund. Vorzeigeprojekt ist die KI-Plattform Watson. Daneben gibt es IBM Cloud, IBM Security, IBM Systems, IBM Research. Die Cloud-Dienst sorgen 2018 für einen Schub. Ende 2018 kauft IBM Red Hat. Das ist ein Softwarespezialist. Es ist der größte Zukauf in der 107-jährigen Firmengeschichte (29,8 Mrd. Euro). Red Hat wurde 1993 gegründet und bietet eine Version des offenen Betriebssystems Linux an. Damit wird IBM die Nummer eins unter den Anbietern im hybriden Cloud-Sektor. IBM zahlt 33 Mrd. Dollar. IBM will den Vorsprung von Amazon und Microsoft aufholen und vom Trend zur Hybrid-Cloud proditieren. Viele IT - Unternehmensgründer kommen von IBM. So auch die Gründer der SAP in Deutschland.

Hewlett & Packard (HP) Inc., Wilmington/ Delaware, Zentrale in Palo Alto: Von Bill Hewlett und David Packard 1939 gegründet. Technologiefirma. Computer, PC, Drucker. Seit 1959 auch in Deutschland. Ca. 50.000 Beschäftigte.

Unisys Corporation, Blue Bell/ Pennsylvania (Gründung 1986; Filiale in Hattersheim/ Main; Information Dienstleister, früher auch Hardware; Umsatz 3,015 Mrd. USD; hatte mal eine Konkurrenzprodukt zu SAP, das ursprünglich erfolgreicher war; lehnte Kooperation ab)

Dell Technologies, Round Rock/ Texas: Computer und Speichersysteme; Gründer Michael Dell 1984; noch CEO. Hat sich 2013 von der Börse zurückgezogen. Will 2018 wieder zurückkehren bzw. fusionieren. 2016 wurde schon der Speicherspezialist EMC gekauft, was zu Schulden geführt hatte. Mit einem Börsengang könnte frisches Geld beschafft werden. 

Qualcomm: US-Chipgigant. Darf 2018 nicht durch den Rivalen Broadcom aus Singapur übernommen werden. Trump begründet sein Veto mit  der nationalen Sicherheit.

Nintendo: Kyoto,Japan Computerspiele (Präsident Saturo Iwata stirbt 2015 mit 55 Jahren; prägend war das von Shigeru Miyamoto, dem wichtigsten Videospielentwickler der Geschichte,  erfundene Videospiel Super Mario Bros.; Nintendo hat in Deutschland eine Filiale in Frankfurt)

Softbank: Masayoshi Son; Minato/ Tokio (seit 1981; Telekommunikation und Kabelnetze; kauft 2016 den britischen Chiphersteller ARM/ 95% der Prozessoren für Smartphones, Mehrheitseigner  des Mobilfunkanbieters Sprint in den USA; plant eine Gegenoffensive gegen das Silicon Valley; gründet 2016 mit Saudi-Arabien einen Technologiefonds; Son ist ein guter Freund von Trump; er will Arbeitsplätze in den USA schaffen; der Konzern steigt Ende 2017 bei Uber ein). Der japanische Konzern kauft sich in hohem Tempo in Mobilitätsketten ein (automobiles Netzwerk von morgen). Das Roboterauto besteht aus den Elementen Fahrdienste, Prozessorhersteller, Navigation, Big Data, Dienstleistung. Softbank ist 2018 der größte Investor in KI: Zahl der Finanzierungen 524, davon Risikokapital 449. Das Investitionsvolumen liegt bei 175 Mrd. $. Die größten Projekte sind Uber, WeWork, Didi Chuxing.  "Man soll sich an mich erinnern als den verrückten Typen, der auf die Zukunft wettete", Masayoshi Son

Sony: Japan. Founder Masaru Ibuka und Akio Morita 1908-1997, Transistor Licence from Bell. 2017 wird ein Rekordgewinn durch das Musikgeschäft erzielt. Insgesamt findet sich der Konzern aber in einem langsamen Abstieg. Er versucht, mit alten Technologien neue Märkte zu erobern. Ein gutes Beispiel ist die Fototechnik. "Für einen etablierten Konzern wie unseren ist es nicht einfach, in den Start-up-Modus zu schalten und Märkte zu erobern, in denen wir bisher nicht mehr als ein kleiner Angreifer sind", Kenichiro Yoshida, Vorstandschef von Sony 2018.

SAP Deutschland SE & Co. KG, Walldorf Software, Betriebwirtschaftliche Lösungen; 2007 neuer Anlauf: billiges, schnelles Produkt von der Stange für KMU, auch Mietsoftware, "Business by Design"; 2014 wird für KMU die Geschäftseinheit SMB Solutions Group gegründet; die Gründer unterstützen über Stiftungen Neugründungen; 2014 Abbau von1500 Stellen weltweit; Übernahme des Reisekostenexperten Concur; Cloud-Nutzer 50 Mio.; 2016 7200 Mitarbeiter mehr, +7% Umsatz; 2017 Zorn über den Aufsichtsrat und das Gehalt des CEO; Focus kostet 1000 Jobs weltweit; im September 2017 Übernahme von Gigya in den USA: Kunden-Informationen-Software; im Herbst 2017 Korruptionsvorwürfe in Südafrika, in denen die US-Justiz ermittelt; im November 2017 verkauft Hasso Plattner ein großes Aktienpaket. SAP will 2018 profitabler werden. Marketing und Vertrieb werden gestrafft. Von den 45 Rechenzentren weltweit sollen bis Ende 2018 18 vom Netz gehen. Daten werden in die Cloud verlagert. 2018 weiten die SAP und Alibaba ihre Partnerschaft aus. 2018 kommt eine Kartellbeschwerde wegen der Lizenzpolitik (von Voice, dem Bundesverband der IT-Anwender). Ende 2018 wird die Plattform für Marktforschung in Echtzeit  Qualtrics gekauft (für 7,1 Mrd. €). Ende Januar verkündet der SAP-Chef Bill McDermott ein Restrukturierungsprogramm: 4500 Stellen sollen weltweit gestrichen werden. Deutschland trifft es überproportional: 1500 Stellen sollen wegfallen. Man plant ein Freiwilligen- und Vorruhestandsprogramm für 950 Mio. €. 2019 verliert die SAP zwei Vorstandsmitglieder: Bernd Leukert und Robert Enslin (seit 1992 in der Firma, seit 2014 im Vorstand, Cloud). Zwei Frauen steigen auf: Adaire Fox-Martin (stammt aus Irland) und Jennifer Morgan (USA). Damit liegt der Frauenanteil im Vorstand bei 25%. Der umstrittene Finanzinvestor Elliot aus den USA kauft im April 2019 Anteile für 1,2 Mrd. Euro. Plattner will 2022 als Aufsichtsratschef aufhören. 2018 soll die Google - Managerin Diane Greene, eine Cloud-Spezialistin, in den Aufsichtsrat geholt werden. 2018 macht die SAP erstmals mit dem Mietmodell (Cloud) mehr Umsatz als mit traditioneller Software.

Software AG: Zweitgrößter deutscher Software-Anbieter. Die Firma ist führend bei Plattformen für das Internet der Dinge. Sanjay Brahmawar wird 2019 neuer Vorstandschef. Man will den Abstand zur SAP verringern. Man betreibt ein Joint Venture namens Adamos mit den mittelständischen Firmen Dürr, Zeiss, ASM PT und DMG Mori. Ziel ist eine IoT - Plattform für den Maschinenbau. 2017 wurde das Start up Cumulocity übernommen. Gründer war Bernd Gross. Es handelt sich um eine cloudbasierte Plattform für das Internet der Dinge.

Siemens AG, München (seit 1847, ursprünglich in Berlin/ Telegraphenbauanstalt; drei Brüder; mit Seekabeln verbinden sie die Kontinente;  Technologie, Medizintechnik, Infrastruktur, übernimmt 2016 Mentor Graphics/ USA; will zu einem digitalen Unternehmen werden; bereits 1872 Pensions-, Witwen- und Waisenkasse; Siemens Stiftung, in der noch Familienmitglieder sind; Brüder gründeten die Geschäfte in Russland und Großbritannien; erfindet 1866 die Dynamomaschine; Start-up-Offensive "Next 47"; ab 2017 Umbaupläne bei Medizin- und Bahntechnik; 1700 Stellen sollen in Deutschland wegfallen; 2017 Embargo-Streit um Turbinen auf der Krim-Halbinsel; 2018 Fusion in der Bahntechnik mit dem französischen Konzern Alstom, es entsteht zweitgrößtes Bahntechnikunternehmen nach CRRC aus China). Aufgrund der Umstrukturierung sollen 2018 zwei Werke in Deutschland geschlossen werden. Seit 170 Jahren muss sich Siemens ständig neu erfinden; heutige Sparten: Power und Gas, Energy Management, Mobility, Digital Factory, Healthineers; bei Gasturbinen droht ein Kahlschlag bzw. eine Verlagerung in die USA; 2018 ist ein Börsengang für Healthineers geplant: 7 Mrd. € ?; Siemens gibt ende 2018 bekannt, dass in Berlin ein Innovationscampus entsteht: Siemensstadt, 600 Mio. € Investition, bis 2030 fertig, mit Technologiepark; "urbaner Stadtteil der Zukunft").   "Ich sehe im Geschäft erst in zweiter Linie ein Geldwert-Objekt", Gründer Werner von Siemens 1887.

Salesforce: Direkter Konkurrent aus den USA von SAP beim Kundenmanagement. Hat mittlerweile 2017 SAP bei den Marktanteilen überholt (auch Oracle). Die Software ist erfolgreicher und eleganter. 9,3 Milliarden Euro Umsatz erzielt Salesforce 2017.

Rocket Internet, Deutschland: Der Börsenwert steigt 2017 um +14,6%

Zalando, Deutschland: Der Börsenwert steigt 2017 um +25%. Einer der wenigen konkurrenzfähigen Internetplattformen in Deutschland.

Triwago: Deutsch Reiseplattform, die mit Booking.com und anderen in etwa mithalten kann.

Wirecard AG, Aschheim bei München (Zahlungsplattform, IT - Dienstleistungen, Software; regelt vor allem Zahlungen zwischen Firmen international; steht 2018 vor dem Sprung in den DAX, bisher im TecDax; in den DAX am 24.09.2018, löst die Commerzbank ab; das Unternehmen wurde immer wieder mit Schmuggelgeschichten verbunden; 2020 wird mit 210 Mrd. Euro Zahlungen gerechnet; ca. 5000 B.; 2005 Entstehung durch Namensänderung; Gründer und Chef ist der Österreicher Markus Braun; in der Dotcom-Blase war das Unternehmen fast tot; Pornos und Glücksspiel waren die Rettung). Das Unternehmen hat vier Geschäftsbereiche: 1. Wirecard Bank. Prepaid-Karten für Privatkunden und die Abwicklung des Zahlungsverkehrs von Kreditkarten. 2. Issuing. Technische Abwicklung von Zahlungen per Kreditkarte für die Bank, die die Karte ausgestellt hat. 3. Acquiring. Technische Abwicklung von Kartenzahlungen für stationäre und für Online-Händler. 4. Mobiles Bezahlen. Mit der App namens Boon können Kunden per Smartphone in Geschäften bezahlen. Von Singapur aus bedient das Unternehmen den asiatischen Markt. 14,7 Mrd. € beträgt der Wert Anfang März 2019 an der Börse( seit Ende Januar 2019 -28%).  Ende Januar 2019 gibt es einen verdächtigen Kurseinbruch. Die Finanzaufsicht hält eine  kriminelle Aktion von Spekulanten für möglich. Der Chef des Zahlungsdienstleisters widerspricht auch allen Vorwürfen manipulierter Bilanzen. Im Februar 2019 unterbindet die deutsche Finanzaufsicht Spekulationen mit des Aktie des DAX-Konzerns. Leerverkäufe werden gestoppt. Die Volatilitäten waren zu groß geworden (z.B. Fall der Aktie von 160 auf unter 100 €). Die Maßnahme wird auch kritiisert ("Parteinahme der Bafin für das Unternehmen").

Finanzguru/ Dwins, Bergenhausen:,  Fintec-Start-up, Der Löwe Carsten Maschmeyer steigt 2018 als Investor ein. Kostenlose App für Nutzer. Das Konzept lebt von den Spartipps. Folgt man den Tipps, erhält Dwins eine Provision. Bislang hat man schon 350.000 Verträge.

Infineon Technologies, Neubiberg bei München: Chiphersteller (Halbleiter). Umsatz 2017 über 7 Mrd. €.

Adyen, Amsterdam: 2006 gegründet; schon 2018 wertvoller als die deutsche Bank; Börsenwert 20 Mrd. €; Bezahldienst, E-Commerce, Point-of-Sale.

Bezahl-Apps: Paypal, Applepay, Cash, G Pay, Alipay, Samsung pay, WeChat.

Software-Konzerne: Nach den Marktanteilen in West-Europa führt Microsoft vor IBM, Oracle, SAP, VMware und Adobe. An der Marktkapitalisierung gemessen sind 2017 die wertvollsten Unternehmen der Digitalbranche alle Unternehmen aus den USA: 1. Apple, 2. Alphabet, 3. Microsoft, 4. Facebook, 5. Amazon. Die EU entwirft 2017 Steuerpläne, die Software-Konzerne, insbesondere Apple und Google, in Europa nicht mehr nach Gewinn, sondern nach Umsatz zu besteuern. Die Digitalkonzerne erzielen 2017 die höchsten Wertzuwächse an den internationalen Börsen.

IT-Start-ups als Motor der Digitalisierung: Die Zahl der Digital-Start-ups steigt in Deutschland. Schwerpunkt ist das B2B-Business. Die meisten sind in den Bereichen IT/ Software-Entwicklung, Software as a Service und Industrielle Technologie aktiv.

Darknet: Parallelwelt im Internet, wo Daten, Drogen, Waffen, ausgespähte Daten u. a. gehandelt wird. Man spricht auch von der digitalen Welt des Bösen. Der Schaden durch Darknet soll bei ca. 300 Milliarden US-Dollar liegen. Am bekanntesten ist die Drogenplattform "Silk Road" geworden. Über herkömmliche Suchmaschinen ist Darknet nicht zu finden. Notwendig ist eine Verschlüsselungssoftware. Die Nutzer bewegen sich anonym. Bezahlt wird mit Bitcoin. Kuroserweise ist man bei Geschäften im Darknet auch auf Vertrauen angewiesen. Deshalb geht man bei präventiven Maßnahmen dazu über, dieses Vertrauen zu zerstören (schlechte Bewertungen).

IT - Standorte/ Internettech - Nationen: Die Weltführung hat noch (2017) die USA. Zweitwichtigster Standort ist China, das Europa überholt hat. Bei mobilen Bezahlvorgängen ist China schon weit an der Spitze (790 Mrd. $ 2016 gegenüber 74 Mrd. $ in den USA). Bei der Zahl der Unicorns (Start-up mit über einer Milliarde Dollar Unternehmenswert) führen die USA noch knapp vor China (397 Mrd. $, 380 Mrd. $).

Digtal - Kommissar der EU: Zuständig für die digitale Wirtschaft in der EU (Wettbewerb, Cyber-Sicherheit, Fake News u. a.). Seit August 2017 ist die Bulgarin Marija Gabriel neue Kommissarin (Nachfolgerin von Günther Oettinger).

Big Data in der Zukunft: In China entsteht ab 2017 eine Big-Data-Diktatur. Das könnte ein Zukunftsmodell auch für andere Länder sein. Die Aktivitäten der Bürger werden lückenlos durch Datenspeicherung und Gesichtserkennung überwacht. Jeder Bürger bekommt ein Punktekonto zugewiesen. Es ist ein Sozialkreditesystem. Bewertet werden Aufrichtigkeit positiv und Gesellschaft schädigendes Verhalten negativ. Unter 555 Punkte wird es kritisch. Mit möglichst viele Punkten hat man Vorteile bei Krediten, Schulen u. a. Vgl. Assheuer, T.: Die Big-Data-Diktatur, in: FAZ, Nr. 49, 30. Nov. 2017, S. 47.

Big Data und Nudging: Nudging erfolgt immer öfter auf der Basis von Big-Data-Analysen. Differenzierte Untersuchungen fehlen bisher. Es ist eine Kombination von "Sehen" und "Lenken". Ganz gut kann man das am Beispiel intelligenter Stromzähler sehen. datengestützte Beobachtung und subtile Beeinflussung greifen ineinander. Vgl. Irgmaier, F./ Ulbricht, L: Big Data und Nudging, in: WZB Mitteilungen, H. 158, 2017, s. 15ff.

Macht sozialer Netzwerke: Nutzerdaten sind die Basis des Geschäftsmodells. Sie können aber leicht missbraucht werden. Die Frage ist, wer den Zugang bekommt. Netzwerke tragen politisch zur Polarisierung bei. Sie können die Demokratie gefährden. Netzwerkausfälle können dramatische Folgen haben. Vgl. von Niall Ferguson, The Square and the Tower, 2017 und sein Artikel bzw. Interview in Die Zeit, Nr. 53, 20.12.17, S. 24.

Social - Media: Jaron Lanier, einer der Internet-Pioniere, kritisiert 2018 die Social - Media - Konzerne massiv. Er rät dazu die Accounts zu löschen. Er spricht auch auf der Cebit 2018 in Hannover. Er argumentiert mit folgenden Punkten ( www.jasonlanier.com ; "Delete your accounts", in Deutsch bei Hoffmann und Campe): 1. Du verlierst deinen freien Willen. 2. Social Media macht dich zum Arschloch. 3.  Social Media untergräbt die Wahrheit. 4. Social Media macht das, was du sagst, bedeutungslos. 5. Social Media tötet dein Mitgefühl. 6. Social Media macht dich unglücklich. 7. Social Media fördert prekäre Arbeitsverhältnisse. 8. Social Media macht Politik schwerer. 9. Social Media hasst deine Seele. 10. "Bummer": Wahrscheinlichkeit wird zur Gewissheit.

Institute für Digitalisierung: Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft. Einstein Center Digital Future. Berlin Open Lab. Agentur "Torben, Lucie und die Gelbe Gefahr".

Nutzung des Internet: Rangfolge nach Häufigkeit (Quelle ARD/ ZDF 2016): 1. Kommunikation. 2. Medien. 3. Informationssuche. 4. Spielen. 5. Transaktionen.

 

Neuere theoretische Entwicklungen (innovative mikroökonomische und andere ökonomische Ansätze; Alternativen zum "Mainstream"; Ideen; vgl. auch noch ausführlicher "Method/ statistics")

"Das ist des Lehrers Pflicht und Schuldigkeit, daß er nicht nur seine Lehre vortrage, sondern auch fremde widerlege", Martin Luther (2017 wird das Luther-Jahr gefeiert. 500 Jahre Reformation bzw. Anschlag der Thesen an die Schlosskirche in Wittenberg).

"Wirtschaftswissenschaft ist die Analyse des menschlichen Verhaltens bei ganz alltäglichen Dingen", Alfred Marshall, britischer Ökonom.

Vorbemerkung: Trotzdem sollte auch der Ökonom immer die Grenzen seines Ansatzes und Denkens kennen. Die großen Philosophen Sokrates und Laotze wussten schon beide, dass das Bewusstsein des Nichtwissens am wichtigsten ist. Am besten hat dies Kohelet um 300 v. Chr. (besser unter Prediger bekannt) ausgedrückt: "Den Wissenden und den Unwissenden trifft dasselbe Schicksal". Die Erkenntnis des Nicht-Wissens ist die Zierde des Wissenschaftlers. Der Mensch ist im Kosmos bedingt. Insoweit hatte auch Marx mit dem Denken als Überbau recht. Kohelet drückt es so aus: "Alles ist Windhauch und Luftgespinst". Insofern ist jeder Ansatz der Ökonomie auch nur Windhauch im Lauf der Geschichte. Man sollte es als Ökonom nur zugeben.

Seit der Welt-Finanzkrise 2008 ist die Ökonomie in einem großen Umbruch. Die Finanzkrise hat eine Schlüsselrolle für die VWL gespielt. Die meisten Volkswirte haben die Krise nicht kommen sehen. Das hat das Grundvertrauen der Bevölkerung und der Politik in in Ökonomie und Märkte erschüttert. Die Ökonomie ist von der Dogmatik abgerückt (in Deutschland vor allem an den Fakultäten in Freiburg und Köln). Marktversagen ist mehr ins Blickfeld gelangt, wenn auch Marktlösungen weiterhin staatlichen Vorgaben meist überlegen sind. In der Welt haben die USA unter Trump sich von der alten Weltordnung verabschiedet. China strebt nach der ökonomischen Dominanz und wird die USA ab 2030 oder schon vorher überholen. Die stärkste Volkswirtschaft der Welt hat traditionell großen Einfluss auf den Mainstream der Ökonomie. Der dynamische Wechsel durch Globalisierung und Digitalisierung kennzeichnet heute die Entwicklung in allen drei Bereichen der Ökonomie: in Umwelt, Arbeit und Globalökonomik. Die entscheidende Frage für den Menschen dabei ist: Kann in dieser Entwicklung die Freiheit gewahrt bleiben? Diese aktuellen Trends müssen in einem ökonomischen Ansatz der Zukunft berücksichtigt werden. Ganz sicher muss der Ansatz der Zukunft ein ganzheitlicheres Verständnis von Ökonomie mit sich bringen. Die Corona-Krise 2020/21 verstärkt den Druck auf die Ökonomie, sich zu erneuern. Eine Handvoll Ökonomen aus den USA dominiert die Lehrbücher. Darin verbreiten sie ihre Ideologien und sind wenig innovativ (Mankiw, Krugman, Acemoglu). Vgl. Rudzig, Kloja/ Schieritz, Mark: Das Mainstream-Monopol, in: Die Zeit Nr. 5, 28.01.2021, S. 24. Viele führende deutsche Ökonomen sind nicht eigenständig, sondern plappern den vermeintlichen Starökonomen nach.

Das Wirtschaftsdenken war zu allen Zeiten ein Ausdruck der jeweiligen Zeit. Der Ökonom bewegt sich nicht im luftleeren Raum. Darauf hat immer das Wirtschaftslenken aufgebaut. Niemand das das besser analysiert als Marx und Engels. Die digitale Revolution hat zu sehr viel Pragmatismus geführt. Digitalisierung, Klimaschutz und Globalisierung sind nicht mit der einen ökonomischen Theorie oder Ideologie in den Griff zu bekommen, sondern verlangen Gespräche Debatten und Verhandlungen. Die Finanzkrise und die Corona-Krise werden zu Änderungen führen müssen: steuerliche Zugriffe auf die Vermögenden, gerechte Besteuerung der Digitalgiganten, viel bessere Analyse von Wohlstand. Vgl. Heuser, Jean: Keine Selbstbedienung, bitte! in: Die Zeit Nr. 26, 24. Juni 2021, S. 19. 

Ganz entscheidend wird sein, ob der Wohlstand der jetzt noch führenden Industrienationen stagniert oder schrumpfen sollte. Dann werden die Verteilungskonflikte kommen, die dann nur schwer lösbar sind. Das sieht man heute schon in den USA. Dann werden sich ganz sicher neue Ansätze durchsetzen. Wachstum auf Pump wird aber nicht funktionieren. Das Geld muss was wert sein Diese Grundregel wird bleiben. Ebenso muss die Politik ihre Kurzzeitigkeit beenden. Nur mit langfristigen Strategien wird man gegen China eine Chance haben.

Verhaltensökonomik (Behavioral Economics): Die Verhaltensökonomik befindet sich als Teilgebiet und Ansatz der Volkswirtschaftslehre an der Schnittstelle zur Psychologie. Sie arbeitet mit empirischen Methoden, nutzt Befragungen und Experimente. Sei will verstehen, warum Menschen sich so verhalten, wie sie es tun. Diesen Forschungsbereich gibt es schon sehr lange in der Volkswirtschaftslehre, vor allem wenn man die Klassiker einschließt. In Deutschland wurde diese verhaltensökonomische Forschung nach dem 2. Weltkrieg von Günther Schmölders in Köln aufgebaut. In den Neunzigerjahren wird die Forschungsrichtung in den USA wieder populärer, insbesondere nach der Finanzkrise (bekannter Vertreter Robert Shiller). Emotionen (Gefühle allgemein) und das soziale Umfeld spielen eine größere Rolle als die Rationalität. Man untersucht die Folgen von Unsicherheit und mangelnder Selbstkontrolle. Es geht um den "menschlichen Marktteilnehmer". Psychologische Faktoren werden integriert.  Gerade an den Finanzmärkten haben irrationale und ineffiziente Elemente (Herdentrieb, Überschätzung) eine große Bedeutung. Kritik an der Verhaltensökonomie kommt auf, weil sie sich zu sehr auf Experimente konzentriert und dabei Testpersonen bewusst "aufs Glatteis führt". Es fehlt sicher eine aussagefähige und konsistente Theorie (vgl. Hanno Beck: Der Mensch ist kein kognitiver Versager, in: FAZ Mo. 11.02.13, Nr. 35, S. 18; auch Ders.: Behavioral Economics, N. Y., Heidelberg, Wiesbaden 2014). Drei Verhaltensökonomen haben bis 2017 den Ökonomie-Nobelpreis bekommen: Richard Thaler 2017, Daniel Kahneman und Robert Shiller.

Bausteine der Behavioral Economics - Theorie: Sie wurden geprägt durch Simon, Schmölders (50er-Jahre), Kahneman (70er-Jahre), Gigerenzer (90er-Jahre) Thaler/ Sunstein (2000er-Jahre). Man kann analytisch in folgende Elemente unterteilen:  1. Heuristiken (Daumenregeln: Anchoring, Verfügbarkeit, Bestätigung, Repräsentativität), 2. Prospekt - Theorie (Erwartungsnutzentheorie, Eintrittswahrscheinlichkeit, Wertfunktion), 3. Zeit - Inkonsistenz (Diskontieren), 4. Soziale Präferenz (Fairness, Rache, Altruismus, Reziprozität, Ungleichheitsaversion). Vgl. Beck, Hanno: Behavior Economics, Heidelberg/ New York (Springer) 2014.

Beschränkte Rationalität und soziale Präferenzen (als weitere Elemente): Eingeschränkte kognitive Fähigkeiten (Endowment Effect, Mental Accounting). Mangelnde Selbstkontrolle (Present-Bias, Planner-Doer-Modell). Nudging. Behavioral Finance. Soziale Präferenzen: Fairness, Reziprozität. Vgl. Bruttel, L. v./ Stolley, F.: Richard H. Thaler - Wirtschaftsnobelpreisträger 2017, in: Wirtschaftsdienst 11/2017, S. 780ff.

Nudge (Nudging) als zentrales Element: Zentraler Fachbegriff aus der Verhaltensökonomik. Er wurde von R. H. Thaler and C. R. Sunstein eingeführt (vgl. Dieselben: Nudge. Wie man kluge Entscheidungen anstößt, 2009/ USA 2008; letzte Ausgabe in Deutsch 2017; ebenso D. Kahnemann: Schnelles Denken, langsames Denken, München 2012). "Nudge" ist das Gegenteil eines Verbots oder eines Befehls. Es geht um kluge, durchdachte Entscheidungshilfen und -anstöße.  Damit ist die Kraft, Menschen zu beeinflussen, größer. Beispiele bei Thaler sind eine Fliege im Urinal oder Obst in Griffnähe. Bei total freien Märkten kann Nudge zum Desaster führen, weil die Menschen keine guten Entscheider sind (Argument für die Regulierung von Gesundheitsmärkten). Der Begriff spielt heute auch in der Marketing-Kommunikation eine große Rolle. Die bekannteste Art von Nudges sind Standardvorgaben, die Defaults. Diese sollen Menschen in eine bestimmte Richtung "stupsen". Nudges können die Entscheidungen von Menschen verbessern, wie sie in Form gut aufbereiteter Informationen angeboten werden. Sie können auch die Selbstbindung verstärken (Selbstkontrollprobleme reduzieren; z. B. durch Wetten). In der Praxis kann Nudging in der Wirtschaftspolitik (Gefahr: Verwaltungsfreude, Obrigkeitsdenken), bei Konsumente (Gefahr: Manipulation), in der Alterssicherung und beim Verbraucherschutz bewusst eingesetzt werden. So gesehen ist es sanfter Paternalismus und verhaltensökonomisch fundierte Ordnungspolitik. Die Frage ist, ob unvollständige Rationalität eine hinreichende Begründung ist. Zur Kritik an Nudge werden meist die folgen Argumente angeführt: 1. Der Eigenwert irrationalen Verhaltens wird negiert. 2. Bestimmtes Menschenbild liegt zugrunde (Kahnemann: Menschen sind nicht imstande, kurzfristiges Tun mit langfristigen Interessen abzugleichen). 3. Framing ist an konkretes Ziel gebunden (auch ideologisch). 4. Sozialer Druck wird erhöht. 5. Nudging als Illusion ("optische Täuschung"). Vgl. Schnaas, Dieter: Gütiger Himmel, in: Wirtschaftswoche, Nr. 13, 23.03.15, S. 38f.  Bundesjustizminister Maas will in der Politik mehr mit "Stupsen" arbeiten. So will er Countdown-Anzeigen bei roten Ampeln einsetzen. "Get ready to change the way you think about economics", Richard H. Thaler.  "Make it easy - das ist das Geheimnis", in: WiWo 36/ 2.9.2022, S. 36f.

Der wichtigste lebende Psychologe für die Wirtschaftswissenschaften dürfte Daniel Kahneman sein (Vgl. Kahneman: Schnelles Denken, Langsames Denken, München 2012). Er ist auch Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaften. Das obige Buch ist von großer Bedeutung für den Zusammenhang von Psychologie und Wirtschaftswissenschaften gewesen. Kahneman kommt von der Wahrnehmungspsychologie. In seinem Buch behandelt erfolgende Themen: 1. Zwei Systeme (automatisch und schnell; subjektives Erleben und komplexe Berechnungen). 2. Heuristiken und kognitive Verzerrungen. 3. Selbstüberschätzung. 4. Entscheidungen. 5. Zwei Selbste.

Experimentelle Wirtschaftswissenschaft (in der Regel mikroökonomisch, häufig im Zusammenhang mit Behavioral Economics): In diesem Zweig der Ökonomie werden bestimmte Aspekte von wirtschaftlichem Verhalten in einer kontrollierten Laborsituation gemessen. Auch die Emotional Economics (siehe weiter untern) arbeitet bevorzugt mit Laborexperimenten, weil sie psychologische Hypothesen überprüft. Methodische Probleme sind: Studenten als Versuchspersonen. Messverzerrungen (Selbstbericht, Cortisol, Maße für Erregung). Aktuell 2022 erscheint ein Buch von Armin Falk (Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein, München). Es führt die Verhaltensökonomie wieder näher an Psychologie und Soziologie heran, wo auch die Ursprünge liegen.

Hirnforschung in der Ökonomie (Neuroökonomie): Sie verbindet psychologische, medizinische und ökonomische Erkenntnisse. Es geht um "Production of people and personalities" (Ernst Fehr, Uni Zürich). Im ökonomischen Leben eine wichtige Rolle spielen spielen Gefühle wie Angst und soziale Normen wie Fairness eine wichtige Rolle. Um sich diesen Phänomenen zu nähern, arbeitet man mit Gehirnscannern. Es gibt einen ausgeprägten Hang, so genannte Trittbrettfahrer zu bestrafen. Grundfragen sind die folgenden: Wie werden wir zu der Persönlichkeit, die wir sind? Wie funktionieren wir Menschen überhaupt? Warum ist jemand kooperativ und ein anderer egoistisch? Woher kommen unsere Präferenzen? Wo ist im Kopf der Knopf, mit dem der Kunde zum Kaufen und Wählen gebracht wird? Damit werden die Alternativen zum Modell des Homo oeconomicus aufgezeigt.  Mittlerweile werden Gehirne an Computer angeschlossen. Damit werden Cyborgs erschaffen. Hirnschnittstellen könnten eine ähnliche Revolution sein wie einst der Computer. Die Neurowissenschaft räumt mit vielen Vorurteilen auf: Daten und Informationen  werden am besten aufgenommen, wenn sie mit Gefühlen verbunden sind. Je größer das Wissen im Gehirn ist, desto leichter ist das Lernen.  "Wir können ethischen Verhalten ändern und haben die Möglichkeiten dafür noch längst nicht ausgeschöpft", Ernst Fehr, Uni Zürich. Auch: "In der Modellwelt der Ökonomie wird viel weggelassen, was im Leben eine wichtige Rolle spielt". (Zitiert nach: Torsten Riecke: Mit warmem Herzen und kühlem Kopf, in: Handelsblatt, Nr. 35, 19. 02.2015, S. 12,13). "Maschinen werden noch sehr lange nur einzelne Funktionen übernehmen, aber nicht den Menschen simulieren können, weil wir unseren neuronalen Code ja noch gar nicht verstehen", Tania Singer, Direktorin des Max-Planck Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, s. Handelsblatt 29./30./31. Mai 2015, S. 56, 57.

Freakonomics: ökonomische Auswertung von originellen natürlichen Experimenten am Rande der Ökonomie (Fernseh-Spielshows, Sumo-Ringen). Zuerst kommt die "sexy" Datenlage und dann wird "clever" mit einer interessanten Fragestellung das Beste daraus gemacht. Vgl. Steven Levitt/ Stephen Dubner: Freakonomics, 2005; mehr: Freakonomics Blog

Virtuelle Mikroökonomie: wird durch das Internet ermöglicht. Jeder kann z. B.  bei Google, eBay und Amazon mitspielen. Auch digitales Arbeiten mit der Ware "Aufmerksamkeit" ist leicht möglich, ebenso wie virtuelle Dienstleistungen. Kreativität wird reproduzierbar, das Schlüsselloch fällt weg. Vgl. Friebe, H./ Lobo, S.: Wir nennen es Arbeit, München 2008, S. 213 ff. "Eine transparentere Welt schafft eine besser regierte Welt und eine gerechtere Welt", Mark Zuckerberg, Gründer von Facebook.

Niedergang des Kapitalismus und Systemwechsel zur Gratis-Welt: In seinem neuen Buch von 2014 (Jeremy Rifkin, The Zero Marginal Cost Society, Verlag Palgrave Macmillan; in Deutsch: Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft, Frankfurt/ Campus-Verlag 2014) stellt Jeremy Rifkin u. a. fünf Thesen auf: 1. Arbeit verschwindet; 2. Jeder wird zum Fabrikanten; 3. Kosten für Strom und Verkehr sinken; 4. Teilen statt Besitzen; 5. Kollektive verdrängen Unternehmen (Gemeinsinn löst das Streben nach Gewinn ab). Die kapitalistische Gesellschaft entwickelt sich zu einer hybriden Wirtschaft. Der eine Teil besteht aus dem kapitalistischen Markt. Der andere Teil aus einem neuen System des Gemeinguts. Durch die Digitalisierung entwickeln sich immer neue Formen des Kollektivs als Wirtschaftsform (Teilen von Wohnungen über Airbnb; gemeinsame Nutzen von Autos; Massen-Onlinekurse). Jeremy Rifkin spricht von einem Paradigma der kollaborativen Commons. Die entscheidende Frage ist, ob der Kapitalismus ohne entscheidende Reformen überleben kann. Seine Leistung kann sich insgesamt sehen lassen (Lebenserwartung und Wohlstand sind erheblich gestiegen). Die Fähigkeit, Kapital zu akkumulieren, ist immer noch wesentliche Grundlage. Die Gleichheits- und Gerechtigkeitsfrage wird immer dringlicher (10 Prozent der Weltbevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze). Der Staat hat immer mehr Macht und das Geldwesen ist in Unordnung. Vgl. Malte Fischer: Kapitalismus, in: Wirtschaftswoche 13, 24.03.2016, S. 16ff.  Fraglich ist, ob der Sozialstaat die größeren Ungleichheiten abfangen kann. Die Bevölkerung soll glauben, dass die "vierte industrielle Revolution" die Rettung bringt. Das ist aber unklar. Viele Unternehmen haben bereits staatliche Verantwortlichkeiten übernommen. Die Technologieunternehmen sind zu groß als das man sie scheitern lassen könnte. Es läuft ein Machttransfer von Regierungen zu Technologieunternehmen. Es könnte zu spät sein, "Zeit zu kaufen", um nach Lösungen  zu suchen. Vgl. Evgeny Morosov: Legitimationskrise 2.0, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 77, 4. April 2016, S. 17. Die Informationstechnologie schafft keine neuen Märkte, keine neuen Produkte oder Institutionen, die Wert übertragen können. Die Produktion freier Informationen zusammen mit den Automatismen der Arbeitswelt führt zu einem neuen Kapitalismus, der sich in der altbekannten Weise nicht mehr anpassen kann. Arbeit und Preise sind fundamental für den Kapitalismus. Die Informationstechnologie raubt beiden die Basis. Vgl. Paul Mason: Der Kapitalismus hat keine Zukunft, in: Kölner Stadtanzeiger, Sa./So. 18./19. Juni 2016, S. 12. Der moderne Kapitalismus ist zum ersten Mal global. Er verursacht auch eine ökologische Krise. Es müssen Unterstützungslösungen für die "Working Poor" gefunden werden. "Der Kapitalismus ist zu einer Privilegienwirtschaft degeneriert", Dierdre Mc Closkey 2017, berühmte Ökonomin (von Mann zu Frau, vom Marxisten zur Libertären, vom Agnostiker zur Christin; lebt in Chicago; Universellgelehrte).

Schenkökonomie: Ökonomie ohne Geld. Alles wird gegeben und nichts wird erwartet. Es nicht nur eine theoretische Spielerei (geht zurück auf Marcel Mauss, französischer Soziologe, Essai sur le don, 1923724). 2017 wird in der Wüste von Nevada von 70.000 Menschen, die dort campen, ein Experiment durchgeführt (gibt es schon seit 30 Jahren). Es heißt Burning Man Festival. Es ist ein Leben ohne Geld fernab jeder Zivilisation. Kunst und Schauspiel sind elementare Bestandteile.

Cheesecoin: Es geht auch um alternative Formen des Wirtschaftens. So etwa um Cheesecoin. Das ist ein Tauschsystem. Es wird eine Geschenk-Ökonomie modelliert. die Nachbarschafts- und Peer-to-peer-Tauschsysteme nachempfindet. Dinge werden verschenkt, um ein komplexes Geflecht sozialer Beziehungen zu kreieren. Es  gibt auch ein "Internet des Gestanks". Schimmel.Bakterien und Pilze des Käse sind Echt-Zeit-Sensoren. Sie messen Umweltbedingungen. Wenn die Bedingungen günstig sind, werden Chese-Coins erzeugt. Die Herstellung der Cheese-Coins wird auf einem Geschenk-Holz überprüft. Es hat dei Funktion eines traditionellen Kerbholzes, das Schulden aufzeichnet. Cheesecoin wird ausführlich auf der 15. Documenta in Kassel 2022 präsentiert.

Netzwerkökonomie: Eine Vielzahl autonomer, selbständiger und an und für sich operierende Einheiten, deren Zweck nicht die Nivellierung, sondern Differenz, in der jeweilige Defizite ausgeglichen werden können.

Entrepreneurial Ökonomie (Managerial Economics): Die Rolle der Unternehmer in der Volkswirtschaft steht im Mittelpunkt. Die "unternehmerische Ökonomik" gilt als Gegenentwurf zu unrealistischen, klassischen Gleichgewichtsmodellen. Die ideengeschichtliche Schule von Joseph Schumpeter steht dabei in der Regel im Vordergrund. Es sollen aber alle ideengeschichtlichen Schulen behandelt werden (zusammen mit Kulturgeschichte, Philosophie und Soziologie). Ich selbst folge diesem Ansatz ganzheitlich und gebe die Trennung von Volks- und Betriebswirtschaftslehre auf. Die Wirtschaft muss immer als Teil der Gesellschaft gesehen werden (Vgl. zu meiner Konzeption die Seite "Dozentenprofil").  Dafür tritt auch eine große Studentengruppe an der Uni Köln ein. Sie nennt sich "Oikos". An der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin findet ab 26.11.15 eine dreitägige Konferenz mit dem Titel "Ökonomische Lehre im 21. Jahrhundert" statt. Entrepreneurial Design ist ein künstlerischer Prozess, der ökonomisch, ökologisch und sozial denken voraussetzt. Hinzu kommen die Aspekte "Sympathie, Aufmerksamkeit und Authentizität". Mit den Rahmenbedingungen Fantasie, Mehrfachnutzungen, in Komponenten denken, Ernstbedingungen testen und stimmig zum Markt schließt das Konzept. Am Ende könnte eine Citizen Entrepreneurship stehen. Die wachsenden Probleme unserer Zeit sind nur noch durch tragfähige Unternehmenskonzepte zu lösen. Vgl. Günter Faltin: Wir sind das Kapital. Erkenne den Entrepreneur in Dir. Aufbruch in eine intelligentere Ökonomie, Hamburg 2015. Ein früher Vertreter dieser Schule war auch Wilhelm Röpke (1899-1966). Sein Ideal war eine mittelständische Gesellschaft mit vielen Selbständigen. Marktwirtschaft statt Kapitalismus, Subsidiarität statt Zentralismus. Familiäre, nachbarschaftliche, private Solidaritätsnetzwerke statt Wohlfahrtsstaat. Er hatte auch stets die sozialen und ethischen Wertefundamente im Blick. Vgl. W. Röpke: Jenseits von Angebot und Nachfrage, 1958. "Wir haben eine Chance, eine bessere Welt zu bauen. Liebevoller, witziger, feinfühliger und künstlerischer, als es jemals zuvor möglich gewesen ist. Aber wir müssen selbst in den Ring steigen, es selbst in Gang bringen, es selbst unternehmen. Es nicht der bloßen Gewinnmaximierung überlassen", Günter Faltin (Text auf dem Umschlag).

Plurale Ökonomie: Netzwerk von Ökonomen. An vielen Universitäten vertreten. Gegen den Dogmatismus der VWL. Beschäftigung mit Hunger, Umweltzerstörung, Klimawandel, soziale Ungleichheit und Arbeitslosigkeit. Berücksichtigung von historischem und kulturellem Kontext. Mehr Analysen mit qualitativen Methoden. Mehr praktischen Bezug auf die Gesellschaft. Vgl. zu mehr die Homepage: https://www-plurale-oekomik.de . (auch Berliner Studenteninitiative "Was ist Ökonomie?" www.wasistoekonomie.de ). 2015 ist Lisa Großmann Vorsitzende des Netzwerks. Parallel zum Treffen des Vereins für Sozialpolitik in Münster 2015 findet in der Nachbarschaft ein eigener Kongress statt. Die pluralen Ökonomen nennen sich auch Heterodoxe. 2016 erscheint ein neues Lehrbuch des Institute for New Economic Thinking (INET), das auch bei der Tagung des Vereins für Sozialpolitik in Augsburg vorgestellt wird. Der Verein für Sozialpolitik hat das Lehrbuchprojekt CORE unterstützt, das allerdings auch von der Finanzbranche gesponsert wird. An der Uni Siegen startet zum WS 2016/17 ein Masterstudiengang Plurale Ökonomik (vor allem die Professoren Nils Goldschmidt und Helge Peukert). Die Plurale Ökonomik steht auf fünf Säulen: Theorienpluralismus, Methodenpluralismus, Historische Fundierung, Wissenschaftstheoretische und ethische Reflexion, Inter- und Transdisziplinarität. Vgl. Ehnts, Dirk/ Zeddies, Lino: Die Krise der VWL und die Vision einer Pluralen Ökonomik, in: Wirtschaftsdienst 2016/10, S. 769ff. Vgl. auch: Modulhandbuch für den Studiengang "Plurale Ökonomik" bzw. "Management und Mitweltgestaltung" an der Uni Siegen. Vgl. auch Till van Treeck, Sozialökonomie Universität Duisburg. 2017 erscheint das erste Lehrbuch der Pluralen Ökonomie: Core (Curriculum Open Access Resources Economics, kostenlos nutzbares Online-Lehrbuch der Volkswirtschaftslehre; University College London, Wendy Carlin, unterstützt von George Soros). Mittlerweile gibt es auch eine eigene Hochschule, die sich der Pluralen Ökonomie verschrieben hat. Die Hochschule heißt Cusanus und ist in Bernkastel-Kues angesiedelt. "Der Markt ist kein Etwas. hinter dem Begriff verbirgt sich eine Vielfalt sozialer Prozesse", Silja Graupe, Vizepräsidentin der Cusanus Hochschule (Quelle: WiWo 35, 25.8.17, S. 64). Vgl. : https://www.cusanus-hochschule.de . Auch in Bayreuth hat sich die Plurale Ökonomie etabliert. Vgl. auch Gesellschaft für Sozioökonomische Bildung & Wissenschaft (2016 gegründet in Tutzing, 80 Wissenschaftler aus dem deutschsprachigen Raum).

Barfuß-Ökonomie: Sie wurde von dem chilenischen Ökonom Manfred Max-Neef entwickelt. Sie stellt ein System von Thesen dar. Kern ist die Kooperation und das Motto "Small is beautifull" . Der deutschstämmige Wissenschaftler lebte lange in Slums bei Kleinbauern.

Zivilkapitalismus: "Zivilkapitalismus bedeutet, dass der verantwortungsvolle Bürger sich die Ökonomie aneignet, als Ganzes, als Gestaltungsmittel, als Instrument zur Weltverbesserung", s. Wolf Lotter, Zivilkapitalismus, Wir können auch anders, München 2013, Umschlagtext. Kapitalismus ist ein Kind der Aufklärung. Nichts hat die Lage der Welt so verbessert wie er. Es ist die einzig bekannte Methode zum Erzielen von Wachstum und Gerechtigkeit. Er hat sich in allen Kulturen durchgesetzt. Aber der Kapitalismus befindet sich in einer Krise. Deshalb sollte sich der Bürger Ökonomie als ein Mittel der Befreiung, zur Selbständigkeit und zur Wahrung der Menschenwürde aneignen. "1. Wir sind erwachsen, 2. Wir sind selbstbestimmt, 3. Wir ermöglichen Zugänge, 4. Zivilkapitalisten gehören sich selbst, 5. Zivilkapitalismus ist eine Graswurzelbewegung, 6. Zivilkapitalismus ist Realwirtschaft, 7. Zivilkapitalismus ist Interesse am anderen, 8. Zivilkapitalismus stärkt die Übersichtlichkeit, 9. Zivilkapitalisten sind fortschrittlich, 10. Was zu tun  ist; ebenda, S. 209ff.

Gemeinwohl-Ökonomie: Das Konzept wurde vom österreichischen Attac-Mitbegründer Christian Felber entwickelt. Im deutschsprachigen Raum gibt es etwa 1400 Unternehmen, überwiegend kleinere, die sich dem Konzept verpflichtet fühlen. Ein Drittel legt jährlich eine entsprechende Bilanz vor. Langfristig wird angestrebt, eine solche Bilanz gesetzlich verpflichtend zu machen. Unternehmen mit einer guten Gemeinwohlbilanz sollen von niedrigeren Steuern, günstigeren Krediten und Bevorzugung bei der Auftragsvergabe profitieren. Manche zählen auch die Sozialunternehmen dazu. So etwa "morethanshelters" (2012 von Daniel Kerber gegründet). Das Unternehmen betreut soziale Projekte, wie etwa das Flüchtlingscamp Saatari in Jordanien., das modulare Zeltsystem Domo und eine Innovations- und Planungsagentur. Hier gehen auch Crowdfunding-Gelder und Fördergelder ein. Am besten haben die Genossenschaften diese Idee berücksichtigt. Sie ist also schon viel älter. Das Credo der Genossenschaftsidee ist: Eigenverantwortung durch Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung.  Das Revolutionäre seiner Idee liegt darin, Kredite und Geschäftsanteile als soziales Bindemittel zu sehen. Kreditgeber und Kreditnehmer sind Mitglieder. Es herrscht Symmetrie der Macht. Die Mitglieder helfen sich selbst, es fließen keine Mittel an Investoren. Das Motto lautet "Hilfe zur Selbsthilfe", Mildtätigkeit reicht nicht aus. Menschen verfolgen nicht nur egoistisch wirtschaftliche Ziele, sondern können partnerschaftlich zusammenarbeiten und kooperieren bei Geschäftsprojekten. Das schont ganz erheblich Ressourcen. Die Genossenschaftsidee ist damit auch nachhaltig. Versucht man die Genossenschaftsidee auf den Punkt zu bringen, besteht sie aus drei Prinzipien: Selbstversorgung (Menschen nehmen ihre eigenen Interessen in die Hand), Selbstverwaltung (jedes Mitglied hat das gleiche Stimmrecht), Selbstverantwortung (alle Mitglieder haften für die Genossenschaft). Die Genossenschaft ist von der Finanzierung her ein Beteiligungsmodell. Jedes Mitglied zahlt in das Genossenschaftsvermögen ein und erhält Anteile. Sie bilden das Eigenkapital des Unternehmens. Jedes Mitglied hat eine Stimme unabhängig von der Höhe der Einlage (anders als bei der AG). Entscheidungen dauern länger, haben aber eine breitere Basis. Wenn man die Idee der Gemeinwohl-Ökonomie umfassend sieht, ist sie schon sehr alt und geht auf Raiffeisen zurück, wenn man sie speziell auf Felber bezieht, ist sie etwas über 10 Jahre alt. Grundwerte sind Menschenwürde, Solidarität, Mitbestimmung, soziale Gerechtigkeit, Ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz. Sehr interessant ist die Verknüpfung von Markt und Unternehmen: Das geschieht durch Gemeinwohl-Matrix und Gemeinwohlbilanz. Sie beziehen ein: Lieferanten, Geldgeber, Mitarbeiter, Kunden, gesellschaftliches Umfeld. Vgl. https://www.ecogood.org/de .

Integrale Ökonomietheorie des Gemeinwohls: Bausteine sind Degrowth in Europa, Post-Extraktivismus in Lateinamerika, Care-Ökonomie, Gemeinwohlorientierung der Anthroposophen, Gemeingutelemente (kollektivistische Landnutzung und Landformen), Treuhänderische Wirtschaft und Soziale Innovationen. Diese Form der Gemeinwohlökonomie hat ihre Wurzeln im Mittelalter in Deutschland. Es ist zum Beispiel die Niklashauser Wallfahrt von 1476. Im Mittelpunkt steht das Verhältnis von Eigennutz und Gemeinwohl im Umgang mit geistigem Eigentum, Geld, natürlichen Ressourcen, sowie das, was ein erfülltes , gutes Leben sei. Man wendet sich gegen das Menschenbild des Homo Oeconomicus, das die gesellschaftliche Wirklichkeit suggestiv verstelle. Vgl. Peper, Ines/ Kunze, Iris/ Mollenhauber-Klüber, Elisabeth: Jenseits von Wachstum und Nutzenmaximierung: Modelle für eine gemeinwohlorientierte Wirtschaft, Bielefeld (Aithesis Verlag) 2019.

Solidarische Ökonomie: Sie wurde 2008 ins Leben gerufen als Arbeitsgemeinschaft in der Stiftung Ökumene. Es geht um Alternativen zur kapitalistischen Wirtschaftsweise. Entwickelt werden Modelle einer lebensdienlichen, solidarischen und zukunftsfähigen Ökonomie. Vgl. www.akademie-solidarische-oekonomie.de . Vgl. auch: Simon, Klaus: Zwickmühle Kapitalismus. Auswüchse und Auswege, Marburg (Tectum-Verlag) 2014. Solidarische Ökonomie stellt nicht den eigenen Vorteil und das Profitstreben in den Mittelpunkt (Bedürfnisse der Mitarbeiter und Gemeinschaft; nicht konkurrieren, sondern kooperieren; eigene Initiative und Selbstorganisation). Im Brennpunkt stehen Commons (Gemeinschaft entsteht durch Gemeingüter). Entscheidenden Einfluss auf diese Richtung dürfte das Standardwerk von Elmar Altvater von 2005 gehabt haben: "Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen". Hier plädiert Altvater ("der profilierteste undogmatischer Marxist der Bundesrepublik", Der Spiegel, 19/2018, S. 133) schon für eine solare und solidarische Gesellschaft. Altvater ist 2018 gestorben.

Caring Economics/ Ökonomie der Fürsorge: Nutzenmaximierung wird abgelehnt. Menschliche Entscheidungen werden stärker in den Kontext der Sozialpsychologie gestellt.

Konzept des Zivilen Ungehorsames (Revolution ohne Gewalt):  Maßnahmen von NRO, Ökoräten und Institutionen der direkten Demokratie: 1) Steuerboykott: Möglichst auf Massenbasis. In Deutschland keine Straftat. Der Staat kann aber die Steuerschuld zwangsweise eintreiben. 2) Wahlboykott: Als Mittel zivilen Ungehorsams, weil heutige Parteien, Parlamente und Regierungen die Probleme der Umweltzerstörung, Klimawandels und geplanten Obsoleszenz sowie des Zockerkapitalismus nicht lösen. 3) Konsumverweigerung, Produktstreik und Produktumstellung: Wirkt nur organisiert als Massenphänomen. 4) Generalstreik: Wirksamstes Mittel. Vgl. Jürgen Bruhn: Die Bestie zähmen. Wege aus dem Raubtierkapitalismus in eine Neue Ökonomie, Marburg 2015.

Marxistische Ökonomie: 1. Die Niederlage des Kapitalismus ist historisch vorbestimmt. 2. Gier und Egoismus determinieren die Kulturen. 3. Von Einkünften aus Kapital profitieren nur die Reichen. 4. Kapital entsteht durch Ausbeuten der Arbeitskraft. 5. Die relative Verelendung der Arbeiter führt zu einer Revolution. 6. Die Diktatur des Proletariats schafft die Grundlagen des Kommunismus, in dem alle Menschen gleich sind. 7. Eigentumsrechte sind abgeschafft und müssen nicht mehr auf Märkten gehandelt werden (Volkseigentum). Marx sah viele Probleme des Kapitalismus voraus, die noch heute eine Rolle spielen (und von Rechtspopulisten behandelt werden). Er sah sich auch sehr genau die Arbeiterklasse und die Kapitalisten an. Managergehälter (einschließlich Pensionsfonds und Lebensversicherungen) kosten die Eigentümer von Unternehmen Abermillionen. Er beschrieb die Folgen der Ausbeutung der Arbeiter. In seiner Krisentheorie spielt das Gesetz von der tendenziell fallenden Profitrate eine große Rolle. Das Kapital vermehre sich schneller als die Arbeit. Irgendwann werde die Rendite der Unternehmen zu gering. Sie würden keine Investitionen mehr wagen. Diese These ist wieder hoch aktuell. Mit zwei Dingen hat Marx richtig gelegen: Mit der Prognose der Globalisierung und der Fragilität der Finanzmärkte (deshalb wurde er auch 2008 wieder aktuell). Im Kern ist auch die Analyse des Kapitalismus richtig: Märkte werden von Unternehmen und Geld dominiert. Unternehmen koordinieren die Produktion und schöpfen den Mehrwert ab. Dafür bieten sie der Gesellschaft Arbeitsplätze an. Preise sind zuverlässige Indikatoren für verdichtete Informationen. Big Data, Künstliche Intelligenz verändern die Spielregeln heute, sie können Angebot und Nachfrage besser zusammenbringen. So stellt sich wieder einmal die Frage, was bleibt von Marx heute (verstärkt im Marx-Jahr 2018!).  "Was könnte die kapitalistische Produktionsweise besser charakterisieren als die Notwendigkeit, ihr durch Zwangsgesetz von Staats wegen die einfachsten Reinlichkeits- und Gesundheitsvorrichtungen aufzuherrschen?", Karl Marx. "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern", Karl Marx. Schon im "Kommunistischen Manifest" von 1848 heißt es: "Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muss sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen ...". Berühmt ist auch folgendes Zitat: "Was mich betrifft, ich bin kein Marxist". 2017 ist das Jahr, in dem "Das Kapital" 150 Jahre alt wird. 2018 ist das Marx-Jahr in Deutschland (er wurde 1818 in Trier geboren, 200. Geburtstag). In der Vergangenheit habe ich immer wieder Vorträge zu Karl Marx gehalten (Bedeutung in China, Keynes meets Marx u. a). Vgl. auch folgende Biographie: Jürgen Neffe: Marx. Der Unvollendete, München 2017 (Bertelsmann). Neffe erklärt auch die ökonomischen Theorien in verständlicher Form und konfrontiert sie mit der Realität. "Sein Fazit: Marx ist nicht tot, er ist aktueller denn je" (Quelle: Ebenda, Umschlagtext). China schenkt 2018 der Geburtsstadt von Karl Marx Trier eine Statue. Die Figur ist inklusive Sockel 5,50m hoch und wird auf dem Simeonplatz aufgestellt (soll am 5. Mai 2018 enthüllt werden).

Innovative und lernende Ökonomie: Der Anstieg des Lebensstandards beruht in erster Linie auf Produktivitätserhöhungen. Wir müssen lernen, wie wir die Dinge besser machen können. Politische Eingriffe sollten darauf gerichtet sein, das Lernen in der Volkswirtschaft anzuregen. "Es kann nicht angenommen werden, dass Märkte Wissen und Lernprozesse effizient erzeugenVgl. www.kateraworth.com . Vgl. www.kateraworth.com .  und verbreiten. Im Gegenteil: Es ist anzunehmen, dass Märkte nicht effizient sind" (Joseph E. Stiglitz/ Bruce C. Greenwald: Die innovative Gesellschaft, Berlin 2015, S. 47). Die Theorie des komparativen Vorteils muss heute neu definiert werden: Heute sind Wissen und Lernfähigkeit entscheidend. So muss gelernt werden, Organisationen und Gesellschaften zu führen. Ebenso müssen die Fähigkeiten und Lernen erlernt werden. Der Prozess des Lernens umfasst "Learning by Doing", Lernen durch Lernen, Lernen von anderen, Lernen durch Handel, Technologie verbessern. Lernen hängt ab von Lernfähigkeit, Zugang zu Wissen, Katalysatoren, Kontakten, kognitivem Rahmen und Kontext. Lernen hat Spillover-Effekte. Vgl. ebenda S. 92ff.

Kontextuale Ökonomie: Sie betrachtet wirtschaftliche Prozesse im Zusammenhang mit gesellschaftlichen, kulturellen und historischen Entwicklungen. Es ist also eine sozialwissenschaftliche Ökonomie. Sie steht in einem ständigen Dialog mit Historikern, Psychologen und Soziologen. Sie deckt sich weitgehend mit der Komplexitätsökonomik.

Komplexitätsökonomik: Volkswirtschaftslehre als komplexe Systeme. Volkswirtschaften werden anhand von Mathematik und Erkenntnissen aus Physik und Biologie als große, miteinander vernetzte Systeme gesehen.

Feministische Ökonomik: Feministische Ökonomik scheitert oft schon bei der Definition. Geht es um die Interessen der Frauen oder um weiblichere Techniken und Strategien bzw. um Ökonominnen. Der Begriff ist oft ideologisch besetzt. Insofern ist die Richtung in ihrer Exklusivität nicht sinnvoll und dysfunktional. Besser wäre der Begriff "Gender Economics". Das ist auch das Leitthema 2020 bei der Jahrestagung des Vereins für Sozialpolitik. "Die Volkswirtschaftslehre ist männlich dominiert und das Zeitfenster für eine wissenschaftliche Karriere relativ klein. Je weiter es nach oben geht, umso mehr Frauen gehen verloren", Dorothea Kübler, Professorin für VWL, TU Berlin und Diversitätsbeauftragte des Vereins für Sozialpolitik. "Im VWL -Studium liegt der Frauenanteil bei 30 Prozent. In der Professorenschaft ist er noch niedriger, da zählt der Frauenanteil in Deutschland europaweit zu den niedrigsten," Nicola Fuchs-Schündeln, Professorin für VWL an der Uni Frankfurt und Vorsitzende des Vereins für Sozialpolitik, in: WiWo 39/ 20.9.2019, S. 40f. 2022 sind Frauen als VWL-Professoren in Deutschland in der Minderheit (16%, global liegt der Wert bei ca. 25%). Für den Aufstieg ist Zeit zwischen 25 und 35 Jahren entscheidend und auch große Unsicherheit.

Postwachstumsökonomie (Ökologische Ökonomik): Alternative zum Denken in Wachstumskategorien und zur neoklassischen Volkswirtschaftslehre, die die Finanzkrise 2008 nicht vorhergesehen hat.  Wachstumskritik. Vertreter z. B.: Niko Paech. Vgl. Felix Rohrbeck, Der Verstoßene, in: Die Zeit, Nr. 11, 09. März 2017, S. 28. Der Nachhaltigkeitsaspekt sollte eigentlich Bestandteil jeder Volkswirtschaftslehre sein, da jede Ökonomik eine ökologische Priorität habe muss für das Überleben der Menschheit. Insofern ist die Konzeption tautologisch. Paech will die gesamte Wirtschaft schrumpfen. Er will das sogar im Alltag vorleben. Der britisch Ökonom Tim Jackson rechnet sich auch zu der Bewegung (im Englischen "Degrowth"). Gegner dieser Bewegung verweisen immer wieder darauf, dass man Wachstum braucht, um einen Sozialstaat zu finanzieren (Umverteilung). Vgl. Katharina Matheis: Es reicht jetzt, in: Wirtschaftswoche 1/2 2018, 05.01.18, S. 62f. Paech entwirft eine Konzeption, um institutionelle Innovationen politisch zu flankieren: Bausteine sind 1. Suffizienz. 2. Subsidenz. 3. Regionale Ökonomie. 4. Globale Arbeitsteilung. Zur Postwachstumsökonomie hinzu kommen müssen eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 20 Stunden un dein entkommerzialisierter Bereich. Vgl. Paech, Niko: Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie, München 2012. Vgl. auch: Wellbeing Economy Alliance (Globales Netzwerk von Organisationen und Individuen, die zu einer Ökonomie im Dienst von Natur und Menschen forschen, experimentieren, publizieren, sich organisieren und zunehmend vernetzen): https://www.wellbeingeconomy.org .  "Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wenig braucht", Niko Paech (Umschlagsrückseite). Vgl. zur Postwachstums-Ökonomie auch: Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum, München 2017, insbesondere S. 230ff.

Economics of Diversity: Partha Dasgupta, Uni Cambridge/ GB. Er stammt aus Bagladesch, hat an der Uni in Delhi/ Indien studiert. Er plädiert dafür, die Natur als Produktionsfaktor zu sehen. Er hat mehrere Reports für die UN erstellt. Ein Bericht behandelt die "Economics of Diversity".

Faironomics: Die Welt sollte fairer und ökologischer sein. Wie kann man sie dazu machen? Dazu sollten konkrete Wege aufgezeigt werden. Da ist der Inhalt dieser ökonomischen Richtung. Eine bessere Welt sit machbar, wenn wir unsere Unternehmen, Organisationen und Initiativen so gestalten, dass eine ökosoziale Welt entsteht. Vgl. Koglin, Ilona/ Rohde, Marek: Faironomics, München (dtv) 2019

Emotional Economics: Dynamische, zeitabhängige Prozesse bei den Auswirkungen von Arbeitsbelastung. Insbesondere Folgen von psychischem Stress. Auch Zusammenhänge zwischen Emotionen und ökonomischem Verhalten, insbesondere auch im finanziellen Bereich. Vgl. www.emotional.economics.uni-mainz.de  . Auch Vertreterin an der Uni Heidelberg gibt es eine Forschungsgruppe, die dieser Richtung zuzuordnen ist (Prof. Dr. Christiane Schwieren). Im Mittelpunkt stehen hier die ökonomischen Entscheidungen unter Stress. Zusammenfassend kann man zu bisherigen Ergebnissen sagen (bis 2017): Höhere Risikoneigung unter Stress. Mehr Cortisol. "Reflection Bias".

Kate Raworth: Die Donut-Ökonomie, München (Hanser) 2018. Die englischsprachige Originalausgabe ist 2017 in London erschienen: Doughnut Ecomomics. Seven Ways to think Like a 21sr-Century Economist. "Das Wesen des Donuts: ein gesellschaftliches Fundament des Wohlergehens, unter das niemand abstürzen sollte, und eine ökologische Decke des planetarischen Drucks, über die wir nicht hinausgehen sollten. Zwischen beiden Bereichen liegt ein sicherer und gerechter Raum für alle", S. 20. Wenn das Ziel der Menschheit im 21. Jahrhundert darin besteht, in das Innere des Donuts zu gelangen, welche ökonomische Denkhaltung eröffnet uns dann die besten Chancen, dies zu erreichen?", S. 20.  "Das machtvollste Werkzeug in der Ökonomie ist nicht das Geld, auch nicht die Mathematik. Es ist der Bleistift. Denn mit einem Bleistift kann man die Welt neu zeichnen", S. III. Vgl. www.kateraworth.com . Ihr Konzept besteht aus sieben Denkansätzen: 1. Das Ziel ändern. Der Donut. 2. Das Gesamtbild erfassen. Eingebettete Ökonomie. 3. Die menschliche Natur pflegen und fördern. Sozial anpassungsfähiger Mensch. 4. Den Umgang mit Systemen lernen. Dynamische Komplexität. 5. Auf Verteilungsgerechtigkeit zielen. Von vornherein Verteilungsgerechtigkeit anstreben. 6. Eine regenerative Ausrichtung fördern. Von vornherein regenerativ ausrichten. 7. Eine agnostische Haltung zum Wachstum einnehmen. Agnostisch gegenüber  Wachstum.  Ihr Buch wurde bis 2021 in 18 Sprachen übersetzt. Sie betreibt mittlerweile auch ein Active Lab (Practice). Vgl. https://doughnuteconomics.org . Ratworth lehrt in Amsterdam und forscht in Oxford. Ihr Werk ist eng mit dem Gedankengebäude der Gemeinwohl-Ökonomie verbunden. Es gibt in Deutschland viele Regionalgruppen. Vorlesungen von ihr zu ihrer Konzeption findet man auch bei YouTube.

Volkswirtschaftslehre 4.0: Volkswirtschaftslehre steigt in ihrer Bedeutung mit der Digitalisierung und Globalisierung stark an. Das zeigt sich auch konkret darin, dass die großen Tech - Firmen, insbesondere im Silicon Valley, ihre volkswirtschaftlichen Abteilungen massiv ausbauen. Sie sollen bei der Suche nach neuen Geschäftsmodellen helfen. Auf der anderen Seite bieten die Datenflut und die Plattformen Ökonomen neue Möglichkeiten, Theorien und Hypothesen zu testen. Die vorrangigsten Aufgabe der Volkswirte ist aber, Muster zu erkennen (Algorithmen), Szenarien durchzuspielen und neue Start - ups in ihren Strategien auszurichten. Die angewandten Hochschulen in Deutschland (frühere Fachhochschulen, oder die dualen Hochschulen) haben auf diesen Trend noch nicht reagiert. Sie handeln anti-zyklisch. Die Mechanismen der Selbstverwaltung sind zu stark politisch (durch Finanzen) gegängelt und zu stark an den eigenen Berufszielen (oft Lebensqualität) ausgerichtet. Vgl. Buhse, Malte: VWL 4.0: Wie Wissenschaft und Techunternehmen voneinander lernen, in: Wirtschaftswoche, 50/ 2.12.16, S. 40f. Digitalisierung und Big Data dürften aber der VWL auf jeden Fall neue Impulse geben. In der digitalen Wirtschaft gibt es völlig neue Markt- und Preisstrukturen (siehe oben bei Internetökonomie und bei Wettbewerb)

Narrative Economics: 2019 wird das gleichnamige Buch von Robert Shiller (Yale; emeritiert; Wirtschaftsnobelpreis 2013) erscheinen. Er meint damit eine neue Erklärung für Krisen und wirtschaftlichen Erfolg gefunden zu haben. Es ginge bei der Wirtschaft um Geschichten. Narrative seien nicht nur bloße Erzählungen, sondern sie interpretieren Ereignisse und geben ihnen so eine Bedeutung. Narrative seien ansteckend und prägten so das Denken und Handeln der Menschen. Erzählungen können die Wirtschaft maßgeblich beeinflussen. Besonders einflussreich seien Geschichten mit Moral. Als Beispiele nennt er Trump und die Geschichte um Blockchain. Im Januar 2017 stellt Shiller seine Konzeption auf dem Treffen der Ökonomen in Chicago vor. Geschichten müssen nicht unbedingt wahr sein, um Wirkung zu entfalten (Beispiel: Laffer - Kurve). Vgl. Buchter, Heike: Erzähl mir was! in: Die Zeit Nr. 45, 31. Oktober 2018, S. 30. Es ist im Zuge dieser Richtung auch zu einer Veränderung von Narrativen gekommen. Die neoklassische Grundidee, dass Unternehmen nach Gewinnmaximierung streben, wurde in den Anspruch auf eine Mindesteigenkapitalrendite entsprechend dem Marktdurchschnitt transformiert. Dadurch gewannen Kapitalmärkte an Bedeutung und verzeichneten auch Wertzuwächse, die das Wachstum der Wirtschaftsleistung übersteigen. Ökonomen unterschätzen seiner Meinung nach die Bedeutung von Narrativen für die Wirtschaft. Auch die Greta-Euphorie sei eine bedeutsame "große Erzählung". 2020 im März erscheint die deutsche Übersetzung von "Narrative Economics" im Plassen-Verlag.  Die "Global Solutions Initiative", die der ehemalige Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel Dennis Snower, ins Leben gerufen hat, soll eine Gemeinschaft internationaler Thinktanks sein. Es geht um Wert und Normen und wie man diese schmieden kann. Vgl. Gespräch mit Uwe Jean Heuser in Die Zeit, Nr. 6, 31. Januar 2019, S. 24f. Vgl. auch: Neue Narrative - Magazin für neues Arbeiten: https://www.neuenarrative.de .

Pragmatischer Problemlöseansatz: Statt Modelle stehen Probleme und Projekte im Vordergrund. Es geht um Kita - Plätze, Organspenden, Rettung von Korallenriffen und ähnliches. Datenanalysen, Labor- und Feldexperimente sollen als Werkzeugkasten konkrete Probleme lösen. Ökonomen sehen sich als Marktingenieure.  Vorreiter dieser Richtung ist der Nobelpreisträger Alvin Roth (2012), der über "Matching" forschte  (Zusammenbringen von Angebot und Nachfrage auf Märkten ohne Preise). Vgl. Elke Pickartz: Plötzlich nützlich, in: Wirtschaftswoche 42/06.10.17, S. 66f.

Verschwörungstheorien: Sie beseitigen den Zufall und geben dem Einzelnen eine Chance, eine simple Erklärung für etwas zu finden, was ihn nervt oder verängstigt. Man kann sich aus der Masse hervorheben und als einziger verstehen, "wie der Hase läuft". Ursachen sind oft Verunsicherung und Marginalisierung. Seit dem Wahlsieg von Trump in den USA sind die Verschwörungstheorien wieder auf dem Vormarsch, auch in der Volkswirtschaftslehre. Häufig wird eine Verbindung eingegangen mit Populismus. Letztlich führt dies zu Fragmentierungen in der Gesellschaft, die gefährlich für die Demokratie sein können. Verschwörungstheorien spielen auch 2017 im türkischen Wahlkampf um das Verfassungsreferendum eine Rolle. In den USA kommen Umfragen zu dem Ergebnis, das 40% der Menschen an Verschwörungstheorien glauben.

Volkswirtschaftslehre für eine unsichere Welt (John Kay, Universität Oxford): Er fordert eine neue Art von Volkswirtschaftslehre, die für eine unsichere Welt geeignet ist. Er gründete auch die Denkfabrik "Institute for Fiscal Studies" in London. Er fordert einen neuen Begriff des Risikos. Vgl. Thomas Fischermann: Chance oder Risiko, in: die Zeit 31, 25. Juli 2019, S. 21. "Ich glaube, dass Unwägbarkeiten eine gute, anregende Sache sind", John Kay.

Netzwerk für ein neues Denken: 2019 bildet sich weltweit das Forum New Economy. Es ist ein Netzwerk von Ökonomen für ein neues Denken. Man knüpft bei Thomas Kuhn an, der sich mit Denkrevolutionen beschäftigte. Es geht um Alternativen zur reinen Marktlehre. Die Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis in der Ökonomie sollen verschwinden. Vgl. https://www.newforum.org. https://www.neweconomicsforum.com.

Coronomics: Das ist der Titel eines Buches von Daniel Stelter, das 2020 in der Corona-Krise entstanden ist (Frankfurt/ New York 2020, Campus). Der Untertitel des Buches zeigt deutlich, worauf sich der Begriff bezieht: Nach dem Corona-Schock: Neustart aus der Krise. Im Kern geht es also um die Logik, was zumacht, muss auch wieder aufmachen. Man könnte den Begriff auch umfassender interpretieren, wenn man ihn auf die Welt der Ökonomie nach Corona bezieht. Stelter selbst wagt folgende Prognose: Aktive Notenbanken, aktive Staaten, Abkehr von der Globalisierung. Neue Prioritäten: Investition statt Konsum. Echte Reformen von Staat und Gesellschaft.

Vgl. auch: New Economics Foundation. www.neweconomics.org . Fundierte Quellen zu alternativen Ansätzen der Ökonomie mit Analysen und innovativen Vorschlägen zu aktuellen Debatten.

Nobelpreisträger G. Akerlof, Präsident der American Economic Association (AEA), fordert 2007 eine methodische Neuausrichtung der Disziplin.  Anstelle der "positiven" solle eine "naturalistische" Ökonomie treten, die ein größeres Gewicht auf Fallstudien legen müsse und wirtschaftliche Entscheidungsträger genau beobachten müsse, um ihre Motivationen herauszufinden.

 

 

St. Malo an der französischen Bretagne-Küste (von einer Insel vor der Küste aus gesehen; der Kern ist eine große Festung mit erhaltener Mauer).  Frankreich sollte in der Ökonomie nicht vernachlässigt werden Es ist unser wichtigster Handelspartner und der größte Exportmarkt für deutsche Güter weit vor den USA und der VR China. Frankreich führte unter dem absolutistischen Regime von Ludwig IV. das Wirtschaftssystem des Merkantilismus ein (Finanzminister Colbert). Dieses prägte den preußischen Kameralismus in Deutschland und damit die Grundlage unseres heutigen Finanz- und Steuersystems.  Ludwig IV. erlaubte nur St. Malo den Korsaren-Status und damit die Legitimation zur Seeräuberei. Es war eine von den französischen Königen legalisierte Piraterie. Vor allem niederländische, spanische und englische Handelsschiffe durften gekapert und ausgeraubt werden (eine ganz spezielle Methode von Protektionismus). Zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert brachte dies der Stadt und der ganzen Region großen Reichtum. Die Bretagne war eine zeitlang selbstständig und gehörte nicht zu Frankreich. Die Beziehungen zu England und dem keltischen Raum waren eng. Das französische Wirtschaftssystem hat gewisse Ähnlichkeiten mit der japanischen Wirtschaftsordnung (eher staatslenkend), so dass sich hier Vergleichsmöglichkeiten ergeben. St. Malo war auch für Jahrhunderte Rum-Umschlagplatz. Hier wurde Rum aus der Karibik gehandelt. Der Spitzen-Rum wird direkt aus frisch gepressten Zuckerrohrsaft gewonnen.. Keuz a-raok ne vez ket, Keuz war-lerc`h ne dalv ket. Davor bedauern tut man nicht. Danach bedauern hilft nicht. Aus: Bannalec, Jean-Luc: Bretonische Spezialitäten,  Köln 2020.

Makroökonomik/ Principles of Macroeconomics (das große Ganze; Konsum, Investition, Konjunktur, Wachstum, Finanzwissenschaft/Public Finance, Geldtheorie und -politik): Gesamtwirtschaftliche Variablen (Niveau und Wachstum des Nationaleinkommens, Zinssätze, Preisniveaus, Inflation), um eine Volkswirtschaft quantitativ und qualitativ zu beschreiben und zu erklären. Die Makroökonomik misst Veränderungen von Indikatoren, die die gesamte Wirtschaft betreffen. Viele Prinzipen der Makroökonomik finden sich auch bei Economics/ special in der Arbeitsökonomik (Verteilung, Wohlstand) und der  Außenwirtschaft (Makroökonomik offener Volkswirtschaft, Internationale Finanzmärkte) Vgl. Site "economics/ special".

"Die Makroökonomik befindet sich in einem Erklärungsnotstand", Klaus Zimmermann, ehemaliger Chef des DIW/ Noch-Chef von IZA, der für 2010 keine Prognose abgeben wollte. Paul Romer (Weltbank-Chefökonom 2016) weist in seinem Aufsatz "The Trouble with Macroeconomics" darauf hin, dass die makroökonomischen Modelle zu wirklichkeitsfern sind (sie erklärten Konjunkturen über externe Schocks).

Einer der ersten Makroökonomen der Geschichte war der Deutsche Karl Marx (als Ökonom Autodidakt, von der Ausbildung her Jurist und Philosoph). Er gilt als Mitbegründer dieser Disziplin. Schon der erste Satz in seinem grundlegenden Werk "Das Kapital" zeigt einen zentralen Gedanken auf: "Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine >ungeheure Warensammlung<, die einzelne Ware als seine Elementarform", Karl Marx, MEW 23, S. 49 (Marx-Engels-Werke, Berlin, Dietz Verlag, 1956 - 1990, 43 Bände).

"Die Makroökonomie ist das Resultat einer Wechselwirkung zwischen individuellen Entscheidungen und sozialen Kräften. Ob Gesellschaften zusammenwachsen oder auseinander brechen, ist daher sehr wichtig für die Volkswirtschaft," Dennis Snower, in: Die Zeit, Nr. 6, 31. Januar 2019, S. 24f. (eine seltsam späte Erkenntnis einer Selbstverständlichkeit, die nur zeigt, wie weit die Makroökonomie hinter dem Mond lebte).

Gliederung: Nationaleinkommen/ BIP; Theorie: Konsum, Investition, Modell von Keynes/ Hicks; Konjunktur/ Wachstum; Wirtschaftspolitik; Finanzpolitik; Steuern/ Steuerpolitik; Geldpolitik (einschließlich Geldtheorie). Zu weiteren makroökonomischen Theoremen vgl. Außenwirtschaft/ Globalökonomik  und Arbeitsökonomik. Auch Umweltökonomik.

 

Nationaleinkommen, Bruttoinlandsprodukt/ BIP (Wirtschaftskraft messen; Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Verteilung; Nationaleinkommen, Volkseinkommen, Sozialstaat; vgl. auch die Seite Methode/ Statistics zur Verteilungsmessung; zur Verteilung/ Gerechtigkeit ausführlicher auch Arbeitsökonomik/ Verteilung). Messung makroökonomischer Aggregate. "Wohlstand der Nationen", Wohlstand, Glück. GDP, Gross Domestic Product, Ökonometrie.

Die Methode der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) ist beim empirischen Lerndatenraster kurz erläutert (Link zur VGR). So werden die unterschiedlichen Berechnungsarten, ihre Methoden, ihre Beziehungen und ihre Aussagekraft beschrieben. Beim Bruttoinlandsprodukt (BIP, Entstehung) findet eine Verkettung statt, weil das reale BIP immer in Preisen des jeweiligen Vorjahres ausgedrückt wird. Durch den Vergleich des BIP verschiedener Jahre wird das Wirtschaftswachstum ermittelt (z. B. 2010 gegenüber 2009 preisbereinigt 3,6% Wachstum). Die durchschnittliche Wachstumsrate mehrer Jahre wird mit dem geometrischen Mittel gemessen. Das Bruttonationaleinkommen, die Verwendung, eignet sich nur bedingt als Indikator für Wohlstand. Die Haushaltsproduktion, ökologische und soziale Aspekte, Ehrenamt, Arbeit für die Familie und Schwarzarbeit finden keine Berücksichtigung. Die Siglitz - Kommission (mit Sen) hat 2009 Empfehlungen gemacht, wie Wohlstand und Lebensqualität besser zu ermitteln sind. Diese Vorschläge greifen Ende 2010 die Wirtschaftsweisen in Deutschland und Frankreich auf. Sie schlagen keine weichen Faktoren wie "Happiness", aber die Aufnahme von "Lebensqualität" und "Nachhaltigkeit" vor. Im Januar 2011 nimmt eine Bundestagskommission zur Wohlstandsmessung ihre Arbeit auf. Sie ist mit 17 Abgeordneten und 17 Wissenschaftlern besetzt. Neben Lebensqualität sollen auch Verteilungsfragen, Verschuldung, Bildung, Gesundheit, Freiheit und Umwelt eine Rolle spielen. Im April wird der Abschlussbericht vor der Bundestagswahl vorgelegt. Resultat könnte ein jährlicher Wohlstandsbericht sein. England und Frankreich haben ähnliche Kommissionen. Die Diskussion ist in China und Indien auch sehr stark (Industrieländer als Vorreiter!). Ab 2014 gibt es grundlegende Änderungen in der Berechnung des BIP: 1. Ausgaben für Forschung und Entwicklung werden neu erfasst (jetzt Anlageinvestitionen; vorher waren sie Vorleistungen, die vom Produktionswert abgezogen wurden). 2. Militärische Waffensysteme gelten als Investitionen. 3. Der Produktionswert von Versicherungen wird neu berechnet (Differenz von Leistungen und empfangenen Prämien, Naturkatastrophen sollen nicht von Jahr zu Jahr abgebildet werden. 4. Lohnveredelungen im Ausland werden so behandelt, dass sie Import- und Exportdaten nicht beeinträchtigt. 5. Bestimmte illegale Aktivitäten wie Tabakschmuggel, Rauschgifthandel und Prostitution werden eingerechnet.   2010 sind die USA die größte Volkswirtschaft der Erde mit einem BIP von 14,8 Billionen $ (Prognose). Es folgen China (5,36), Japan (5,27) und Deutschland (3,33). Pro Kopf liegen die USA (47702 $) vor Japan (41366) und Deutschland (40679). China liegt bei 3999 $. Allerdings werden die chinesischen Zahlen immer mehr von Experten angezweifelt (falsche Zahlen der Lokalregierungen, "Zombie-Firmen", Schönen durch Statistikbüro, viele Schätzungen u. a.). Belegen können die Kritiker ihre Einwände natürlich nicht. Nach meinen eigenen Erfahrungen halte ich das Statistikbüro für seriös. "Wohlstand beginnt dort, wo der Mensch anfängt, mit dem Bauch zu denken", Norman Mailer, US-Schriftsteller. Vgl. als Grundwerk: Stone, John Richard: National Income and Expenditure, Cambridge, Oxford 1944. Stone gilt als der geistige Begründer der VGR (1913-1991).

Bruttoinlandsprodukt: Es wird mit der Methode der Entstehungsrechnung und der Verwendungsrechnung ermittelt. Die Verteilungsrechnung ist eine Residualrechnung. Bei der Entstehung wird der Beitrag der Wirtschaftszweige ermittelt. Die Verwendung gliedert sich in Konsum, Investitionen und Außenbeitrag. Zur Geschichte: William Petty trug im 17. Jahrhundert als Erster Zahlen über England zusammen. Der Brite Colin Clark schlug 1932 nach der Weltwirtschaftskrise erstmals vor, sich aus drei unterschiedlichen Perspektiven der Wirtschaft statistisch zu nähern. Das BIP von heute entstand im Zweiten Weltkrieg 1942 in den USA. Es ging darum, das Kriegspotential der US-Wirtschaft zu schätzen (Simon Kuznetz). Der US-Ökonom Galbraith berechnete auch die erste Zahl für Deutschland. Heute gibt es ein weltweit gültiges Regelwerk der UN: "The Systems of National Accounts 2008". Das Phänomen "Big Data" dürfte die Erhebungsmethoden radikal verändern. Viele Ökonomen gehen davon aus, dass Computer und Internet zu wenig in das BIP und Wachstum eingehen. Hier müssten dann die Messmethoden geändert werden. Oder das Problem löst sich dadurch, dass zukünftig alle Internetdienste ihren Preis haben.  2015 liegt das BIP in Deutschland bei 3026,6 Mrd. Euro (29% vom Eurozone - BIP, 21% vom EU-BIP). 2017 ist das BIP 3227 Mrd. € (39.600 pro Kopf). 2012 betrug das BIP in Deutschland 2666,4 Mrd. Euro: Bei Entstehung Produzierendes Gewerbe 687,9, Baugewerbe 125,3, Dienstleistungen 1831,8 und Landwirtschaft 21,3. Bei der Verwendung hatte der Konsum 2048,2 Mrd. €, die Investitionen 460,3 und der Außenbeitrag 157,9. Im 2.Quartal 2014 geht das BIP überraschend stark um 0,2% zurück. 2014 ist die deutsche Wirtschaft um 1,5% gewachsen (BIP; Lohnerhöhungen und kräftigerer Konsum). Im letzten Quartal 2014 ist die deutsche Wirtschaft mit 0,7% (BIP)  stärker gewachsen als erwartet. Dieser Aufschwung belebt auch die EU (außer Griechenland; Euroraum 4. Quartal 2014 +0,3%). 2016 wächst das BIP um 1,9%. Die niedrige Inflation treibt den privaten Konsum an. Folgende Rangfolge gibt es beim BIP in der Welt: USA, China, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Brasilien, Italien, Indien, Russland (2014; Quelle: Weltbank).  Anders sieht die Rangfolge beim BIP pro Kopf aus: Katar, Norwegen, Macau (siehe nächste Kategorie). 2015 liegen immer noch die USA an der Spitze (17.947 Mrd. US-Dollar) vor der EU (16.220), China (10.983), Japan (4.123) und Deutschland (3.358). Vgl. nächsten Abschnitt. Im ersten Quartal 2017 wuchs das BIP um 0,6% gegenüber dem gleichen Quartal des Vorjahres (Bauboom, Exportboom, Verbraucher in Kauflaune, Unternehmensinvestitionen). Nach zwei Boomjahren wächst das BIP im Jahre 2018 um 1,5%. Der Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung 2023 rechnet für 2023 mit +0,2% Wachstum des BIP. Es werden dann tatsächlich -0,3%

Bruttoinlandsprodukt pro Kopf: Das Bruttoinlandsprodukt wird durch die Bevölkerungszahl dividiert (statistisch Beziehungszahl). Dies ist eine wichtige Größe in der internationalen Statistik (Wohlstandsvergleich). Allerdings müssen die Schwächen beachtet werden (Verzerrung durch hohe oder ganz niedrige Bevölkerung, Beispiele China und Luxemburg; historischer Wandel der Rolle der Frau; Haushaltsproduktion; Agrarstruktur und Tradition in Entwicklungsländern). 2017 betrug das BIP pro Kopf in Deutschland 39.600 € (in Frankreich 34.200 € pro Kopf 2017).

BIP-Deflator: Ein impliziter Preisindex. Er zeigt uns, wie viel der Zunahme des nominalen BIP eine Folge von Preiserhöhungen ist. Formel: Nominales BIP durch Reales BIP mal 100. Vgl. Vogl/Lorberg: Volkswirtschaftslehre: Makroökonomie, Herne 2015, S. 49.

Einrechnen von Digitalem ins BIP: Die Berechnung des BIP ist in der Digitalisierung falsch. Es wird berücksichtigt, was wir für Güter zahlen. Der Konsum digitaler Güter wird nicht eingerechnet. Wir müssen die Messgröße BIP-B sehen (MIT). Darin ist enthalten, welchen Wert Güter für die Menschen haben. Vgl. Multi-Billionen-Dollar-Frage, in: Der Spiegel, Nr. 6/ 1.2.2020, S. 68ff.

Wert der digitalen Wirtschaft: Im BIP spiegeln sich nicht bis unzureichend die Online-Aktivitäten wider. Kostenlose digitale Güter und Dienstleistungen wie Google und Wikipedia kommen darin nicht vor. Das BIP misst nur, was einen Marktpreis hat. So haben einige Wissenschaftler das BIP-N entwickelt. Damit wird das traditionelle BIP ergänzt. Das geschieht dadurch, dass der Nutzen kostenloser Güter für das Wohlergehen der Verbraucher beziffert wird. Das geschieht mit Auswahlexperimenten, in denen Verbraucher Geldbeträge eingeben sollen. Das ist die Konsumentenrente, die ins BIP-N einfließt. Vgl. Brynjolfsson. Erik/ Collis, Avinash: Der Wert der digitalen Wirtschaft, in: HBM April 2020, S. 50ff.

Input-Output-Analyse: Sie wurde von Wassily Leontieff (1905-1999; Nobelpreis 1973) begründet. Die Tabellen werden von der amtlichen Statistik bereitgestellt (Abteilung III im StBA in Wiesbaden). Im Zentrum stehen rund ein Dutzend wechselseitig verknüpfte Vorleistungssektoren, die einerseits mit primären Inputs (Faktoreinsätze) und andererseits mit Sektoren der Endnachfrage verbunden sind. Die Input-Output-Analyse wurde weiterentwickelt bis zu weit gefächerten multiregionalen Tabellen. Die Ergebnisse sind heute auch wichtig für die Umweltforschung und Umweltökonomische Gesamtrechnung (Energieverbrauch, Energieeinsatz, Emissionen).

Wirtschaftssektoren: Primärsektor: Landwirtschaft, Fischerei, Forstwirtschaft. Sekundärsektor: produzierendes Gewerbe, Industrie, Handwerk, Energie- und Wasserwirtschaft, Bergbau, Baugewerbe. Tertiärsektor: Dienstleistungen (moderne wie IT und Leasing sowie traditionelle wie Versicherungen und Tourismus).

Natürliches Produktionsniveau: Produktionsniveau einer Volkswirtschaft bei Auslastung aller Produktionsfaktoren (Arbeit, Boden, Kapital) bei gegebener Technologie und natürlicher Arbeitslosenquote. Mit dem natürlichen Produktionsniveau identifiziert man das Produktionspotential als Indikator für Konjunktur (neben Entwicklung des BIP und Differenz zwischen Trend und Zyklus).

Industrie: Auch sekundärer Bereich der Wirtschaft genannt. Der Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt in Deutschland bei 26 Prozent (2012, ist zuletzt wieder leicht gestiegen). In Großbritannien, dem Ursprungsland der industriellen Revolution, ist er auf 13% gesunken. Die Anteile in anderen wichtigen Ländern sind wie folgt: Frankreich 12,5%, USA 11%, China 45%. Diese Zahlen belegen die Produktionsverlagerungen aus den traditionellen Industrieländern in die Werkbank der Welt, nämlich die VR China. Ein Erfolgsrezept in Deutschland - wie auch in Japan -  ist sicher die Bildung effizienter Netzwerke von hauptsächlich global agierenden Industriekonzernen. Die Interessen der Industrie werden in Deutschland vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vertreten. Im Februar 2016 steigt die Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter in der Industrie auf 5,4 Mio. (+ 1%; StBA).

Index der Industrieproduktion und Wertschöpfung: Die Industrieproduktion ist vom Beginn der Energiekrise bis zum vierten Quartal 2023 um 3,9% zurückgegangen. Im Vergleich zum bisherigen Höchststand im zweiten Quartal 2018 sank die Produktion um 13,6% - trotz Subventionen und technischem Fortschritt. Fachleute weisen auf den "Mercedes-Effekt" und die veränderten Vorleistungen hin. Sie halten die Wertschöpfung für den besseren Indikator. Gegenüber 2025 ist die Wertschöpfung um mehr als 7% gestiegen. 1. spielt der Mercedes-Effekt eine Rolle: In der Corona-Zeit gab es globale Lieferengpässe. Seither setzen Unternehmen in Deutschland in der Produktion lieber auf margenstärkere Produkte. Mercedes hat, als Mikrochips fehlten, die wenigen verbleibenden Chips lieber in Luxusmodelle statt in Kleinwagen genutzt. 2. außerdem wird in der Wertschöpfung die Entwicklung der Vorleistungen direkt einbezogen. Vgl. HB 12.3.24, S. 5.

Landwirtschaft: In den alten Bundesländern hat die Landwirtschaft eine mittelständische Struktur. Sie wird aus EU-Mitteln hoch subventioniert. Durch Aufgabe der Quoten durch die EU bei Milch und Fleisch gerät sie stark unter Druck. Das kommt, weil auch die Märkte in Russland (Sanktionen) und China (Konjunktur) weitgehend weg gebrochen sind. Hinzu kommt der starke Wettbewerb im Handel durch Oligopolisten. Die Bundesregierung erwägt Unterstützungsprogramme (Bürgschaften, Direkthilfen in Höhe von 60 bis 100 Mio. €)). Ein Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) dürfte große Auswirkungen auf die deutsche Landwirtschaft haben. In RLP spielt der Weinbau eine große Rolle (ca. 70% des deutschen Weins). Die Subventionen des Bundes teilen sich 2018 wie folgt auf: Direktzahlungen (4,9 Mrd. €), Alterssicherung (2,3), Nachhaltige Bewirtschaftung (1,3), Sonstige (Unfallversicherung, Krankenversicherung, Agrarschutz und Küstenschutz, Hochwasserschutz, Innovation). 2019 organisieren die Agrarverbände große Demonstrationen in Berlin und in den Ländern: Düngemittel, Pflanzenschutz u. a. Im Jahre 2022 liegt die Wertschöpfung landwirtschaftlicher Betriebe bei 24,6 Mrd. €. Die Gewinnsituation sieht 2022 wie folgt aus: Größe 50-100.000€ (Anteil 22,6%): +33500€ durchschnittlicher Gewinn.  Größe 100-250.000 € (Anteil 38,0%): +59.000 durchschnittlicher Gewinn.  Größe ab 250.000€: (Anteil 39,4%): +132.000€. Im Jahre 2022 gibt es noch 256.000 Höfe (1975 905.000). 1,2 % aller Beschäftigten arbeiten in Deutschland in der Land- und Forstwirtschaft. Quelle: BMEL, StBA.

Vorleistungen: In einer globalisierten Welt zeigen sie die außenwirtschaftliche Verflechtung an. Es sind die produzierten Teile, Halbfertigprodukte und Ressourcen, die in anderen Unternehmen erbracht wurden, in diesem Falle im Ausland. Sie werden von der Summe der Produktionswerte abgezogen, um die Bruttowertschöpfung zu ermitteln (-Abschreibungen=Nettowertschöpfung). Um das Bruttoinlandsprodukt zu berechnen, werden dann noch die nichtabziehbare Umsatzsteuer  und die Einfuhrabgaben addiert. Am Beispiel der EU lässt sich zeigen, wie hoch mittlerweile die Nachfrage der deutschen Industrie nach Vorleistungen aus der EU ist: In der Tschechischen Republik macht die Vorleistungsproduktion fast 8% der gesamten Bruttowertschöpfung aus. In Ungarn sind es 6,5%, in den Niederlanden 4,3%, in Polen fast 4%. So hängen in Polen über 600.000 Arbeitsplätze an der deutschen Vorleistungsnachfrage. In der Tschech. Rep. sind es fast 400.000 (Quelle: Prognos AG).

Haushaltsproduktion: Die Produktion privater Haushalte hat sich auf der ganzen Welt im Laufe der Jahrhunderte gewandelt. Durch die wachsende Erwerbstätigkeit von Frauen und den Wandel in der Rolle der Frau werden mehr Leistungen am Markt bezogen. Dadurch sind Zeitreihen und Vergleiche z. B. mit Entwicklungsländern ungenau. Es gibt grundsätzlich zwei Messkonzepte: Opportunitätskosten oder Marktpreise. In Deutschland folgt man Letzterem. Insgesamt handelt es sich um eine Zusatzrechnung zum BIP. In Deutschland war die DDR weiter als die BRD, so dass die Vorarbeiten übernommen wurden. 1996 analysieren Barnet Wagman und Nancy Folbre den Beitrag der Hausarbeit zum US-Volkseinkommen.

Finanzierungsrechnung: Es geht um die statistische Erfassung und adäquate Darstellung finanzieller Transaktionen in gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen. Dabei spielen auch soziale Kosten eine Rolle, die durch Finanzkrisen wie 1929 und 2007/2008 entstanden. Dabei wird das Europäische VGR - System (Systems of National Accounts)  in Sektoren eingeteilt und in eine Gliederung der Finanzinstrumente.

Berechnung des Glücks (vgl. auch oben): Über das Glück hat die Menschheit seit Jahrtausenden nachgedacht, zuerst die Philosophen, dann die Soziologen. Seit einigen Jahren auch die Ökonomen. Mittlerweile gibt es ein Journal of Happiness Studies. Einer der Pioniere der empirischen Glücksforschung ist Ruut Veenhoven von der Universität Rotterdam. Er legte eine Internet-Datenbank an, auf der Ergebnisse der Glücksforschung enthalten sind (World Database of Happiness). Seit einigen Jahren wird in Deutschland jedes Jahr ein Glücksatlas erstellt. 2013 leben die glücklichsten Menschen in Schleswig-Holstein, die unglücklichsten in Brandenburg. Mannheimer Studenten (insbesondere Gina Schöler, gründen 2013 ein "Ministerium für Glück und Wohlbefinden". Das Bruttoinlandsglück soll maximiert werden. Man kann Glück auch im Karton bestellen. Es gibt auch einen "First Aid Happiness Kit". Einladung von Kanzlerin Merkel und Besuch einer Delegation aus Thailand waren die Folge. Schöler macht heutzutage weiter als Speakerin, Autorin. Sie arbeitet im Bereich Zufriedenheit, positive Psychologie und Lebensgestaltung. www.ministeriumfuerglueck.de . Glück rückt deshalb so sehr in den Mittelpunkt, weil andere Wohlstandsindikatoren an Bedeutung verlieren (Wachstum, Handelsbilanzen, Lohnentwicklungen). Nach einer Untersuchung der London School of Economics leben die glücklichsten Menschen in Dänemark. Der Grund liegt auch bei Berücksichtigung soziokultureller Faktoren in den Genen. Es folgen Schweden und die Niederlande. Vielleicht stammt die Idee, Glück zum Maßstab des Regierens zu machen, aus dem Königreich Bhutan. Dort gibt es ein "Gross National Happiness Product". Wenn die Bundesregierung auch nicht nur eine Messung, sondern Lebensqualität als Regierungsziel anstrebt, nähert sich diese Konzeption wieder Paternalismus. "Je gebildeter die Menschen sind und je stärker sie ihr unmittelbares Umfeld frei und eigenständig gestalten können, desto glücklicher sind sie", Bruno Frey, Schweizer Ökonom. Das Earth Institute an der Columbia - University  in New York erstellt für die UNO jährlich einen World Happiness Report. 2015 führt die Schweiz im Glücksindex. Deutschland erreicht einen 26. Rang. 2018 liegt Dänemark an erster Stelle. Deutschland liegt auf Platz 9. "Wenn soziale Institutionen unzureichend sind, kann es sein, dass sie weiter bröckeln, was die Glücksverluste noch größer macht", Uno World Happiness Report 2015 (Glück ökonomisch nicht nur von Arbeitslosigkeit und Rezession beeinflusst!). Laut einer Studie der britischen Statistikbehörde ONS 2015 sind Lebenszufriedenheit und Selbstwertgefühl größer, die Ängstlichkeit dagegen geringer, wenn der Wohlstand eines Haushalts steigt. Den größten Effekt auf die Gemütslage hat das Nettovermögen. 2016 wird in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Ministerium für Glück eingerichtet. In einigen Schulen in Deutschland wird mittlerweile das Fach "Glück" unterrichtet. Lernziel: wie man vom "Erdulder zum Gestalter seines Lebens wird".  So auch in RLP in der Realschule Plus in Kandel. Auch das Gymnasium in Edenkoben hat Glücksunterricht. die erste Schule, die Glücksunterricht einführte, war in Heidelberg (heute Schubert-Institut).  "The true secret of happiness lies in taking a genuine interest in all details of daily life", William Morris (1834-1896; englischer Maler und Kunsthandwerker).

Glück/ Zufriedenheit und Nationaleinkommen bzw. verfügbares Einkommen: Grundhypothese ist, dass die Menschen eines Landes umso glücklicher sind, je höher das Nationaleinkommen ist. Ein höheres Nationaleinkommen macht demnach auch zufriedener. Empirisch konnte die Hypothese weder falsifiziert noch öfter bestätigt werden. Die Chinesen z. B. sind nicht glücklicher geworden durch die hohen Wachstumsraten des BIP. Lebensqualität dürfte nicht nur die subjektive und objektive Lebenslage sein. Der Zusammenhang zwischen verfügbarem Einkommen und Lebenszufriedenheit ist sehr differenziert zu sehen. Vgl. M. M. : Grabka/ J. Schupp: Geht´s uns wirklich so gut? in: Wirtschaftsdienst 2017/ 6, S. 448ff. "Das Glücksniveau einer Gesellschaft beeinflusst auch die Wirtschaft. Glückliche Menschen sind produktiver. Die romantische Vorstellung des armen Poeten, der erst aus seinem Unglück kreative Kraft schöpft, ist Nonsens", Bruno Frey, Ökonom und Glücksforscher, Uni Basel.

Easterlin-Paradoxon: Benannt nach dem US-Ökonomen Richard Easterlin. Danach fühlen sich Menschen in wirtschaftlich starken Ländern nur im Vergleich zu reicheren Bürgern in ihrer Umgebung unglücklicher, aber nicht länderübergreifend betrachtet. Das subjektive Wohlstandsgefühl ist von vielen Dimensionen abhängig (Friede, soziale Kontakte, sinnstiftender Beruf). Easterlin zog die Grenze bei 70.000 $. Insgesamt scheint die relative Einkommensposition wichtiger als die absolute zu sein. Einer der größten Zerstörer von Glück ist Arbeitslosigkeit.

Wohlstand: Wohlstand hat unmittelbare Ursachen wie physisches Kapital, Humankapital und Technologie. Dahinter liegen grundlegende Ursachen wie Geographie, Kultur und Institutionen. Vgl. Acemoglu, Daron u. a.: Volkswirtschaftlehre, München 2020, S. 701.

Andere Wohlfahrtskonzepte: Der Human Development Index der UN (HDI) misst auch die Größen Lebenserwartung, Bildungsniveau und Pro-Kopf-Einkommen. Der OECD Better Life Index ist ein interaktives Tool, mit dem User verschiedene Länder im Bezug auf elf Faktoren des Wohlergehens vergleichen können, darunter Umwelt, Gesundheit, Zufriedenheit. Der Social Progress Index (Porter/ Stern) misst anhand von 54 Indikatoren, inwieweit Länder die Bedürfnisse ihrer Bürger erfüllen. Dazu gehören auch menschliche Grundbedürfnisse sowie Bedürfnisse im Zusammenhang mit Chancen.

Maß für ökonomische Wohlfahrt (MEW): im Jahre 1972 von William Nordhaus und James Tobin entwickelt. Sie zogen die Ausgaben für Militär und Instandhaltung der Infrastruktur ab und addierten Werte für Freizeit und Hausarbeit. Das Maß wurde immer wieder verändert und weiterentwickelt. so unter anderem von Joseph Stiglitz und Amartya Sen.

Nationaler Wohlfahrtsindex (NWI): Einst vom Umweltbundesamt gefördert, heute vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung und er evangelischen Kirche. . Forscher sind Hans Diefenbacher, Roland Zieschank. Der Index wird seit 1991 berechnet. Der alternative Index berücksichtigt Einflüsse, die sonst vernachlässigt werden: Einkommensverteilung, Privater Konsum, Wert der Hausarbeit, Wert ehrenamtlicher Arbeit, Ausgaben für Gesundheit und Bildung, Kosten der Treibhausgas-Emissionen, Chancenverteilung, Kriminalität, Verkehrsunfälle. Vgl. Heuser, Uwe Jean/ Pletter, Roman: Maßloser Wohlstand, in: Die Zeit Nr. 34, 13. August 2020, S. 21ff.

Grüne alternative Masterpläne: Auch Unternehmensinitiativen beschäftigen sich mittlerweile mit dem Thema. Sie wollen auch eine Verbindung mit den Spielregeln an den Aktienmärkten. Wachstum soll neu vermessen werden, gesellschaftliche Faktoren und der Schutz der Umwelt sollen besser honoriert werden. So entwickelt eine Gruppe um das Vorstandsmitglied Saori Dubourg der BASF einen Value for Society: Er besteht aus den drei Faktoren Ökonomischer Wert, Sozialer Wert und Ökologischer Wert. Vgl. Niejahr, Elisabeth: Grüner Masterplan, in: WiWo 23, 31.5.19, S. 54f.

Netz des Wohlstands als Alternative: Einführung eines Netz des Wohlstands. Es soll aus vier Polen bestehen: Indexwert für Befähigung (Arbeitsmarktsicherheit, Lebenserwartung, Ausbildungsjahre). Indexwert für gesellschaftliche Solidarität (Spendenvolumen, Ehrenämter, Hilfsbereitschaft). Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (den weltweit höchsten Wert hat Luxemburg mit 106,520 US-Dollar). Indexwert für Umweltschutz (CO2-Emissionen, Artenvielfalt, Wasservorräte).  Vgl. Lima de Miranda, Katharina/ Snower, Dennis J.: Was wirklich zählt, in: Die Zeit, Nr. 9, 20 Februar 2020, S. 28.

Neuvermessung des Wohlstands: Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung 2022. Man will sich vom traditionellen Wachstumsverständnis lösen. Es soll stärker auf ökologische und soziale Faktoren gesetzt werden. Einige Ökonomen warne davor. Sie plädieren für ein ergänzendes "Dashboard" (Paque) oder ein "Warnlampensystem" (Christoph Schmidt). Vgl. Losse, Bert/ Haerder, Max: Das Schöne und das BIP, in: WiWo 4/ 21.1.2022, S. 40f.

Schattenwirtschaft (inoffizielle, verborgene Untergrundwirtschaft, Second Economy, Shadow Economy): Sie umfasst Schwarzarbeit (Black Economy), Steuerhinterziehung, kriminelle Aktivitäten und Nachbarschaftshilfe (Schneider, Linz: corruption, informel household economy, pure tax evation). Dadurch entsteht zusätzliche Wirtschaftsleistung und zusätzliches Einkommen, das nicht im BIP mitgerechnet wird. Man spricht auch von informellem Sektor, der sich dem offiziellen Markt entzieht. Die großen Verlieren sind die staatlichen Institutionen und die Sozialversicherungsträger. Nach Erhebungen der OECD liegt der Umfang der Schattenwirtschaft in Deutschland 2013 bei ca. 13,2% des BIP. An der Spitze liegt Griechenland mit 24,6% des BIP vor Italien (21,1%). Den Daten liegen Modellrechnungen zugrunde, die von Prof. Schneider von der Universität Linz durchgeführt werden. Schwierig ist die Definition und Abgrenzung von Schattenwirtschaft (Was sind Ursachen und was Indikatoren?). Laut von Forschungen und Schätzungen des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen geht die Schattenwirtschaft in Deutschland seit 2003 kontinuierlich zurück: von 17,2 % im Jahre 2003 auf 12,4 % im Jahre 2013 (in Prozent des BIP, 2014 werden absolut  339 Mrd. € geschätzt, das sind 12,2%). Hauptsächlich beruht der Rückgang auf der guten Konjunktur. Stark verbreitet ist die Schwarzarbeit weiterhin auf dem Bau und der Gastronomie. Förderlich für die Schattenwirtschaft ist auch die "kalte Progression". 2014 entscheidet der BGH, dass Schwarzarbeiter keinen Anspruch auf Bezahlung ihrer Arbeit haben. 2013 hat der Zoll in Deutschland Schäden durch Schwarzarbeit von 777 Millionen Euro für Fiskus und Sozialkassen aufgedeckt. 2014 bleibt der Anteil der Schattenwirtschaft am BIP stabil (12,2%); einen Rückgang verhindert der für 2015 geplante Mindestlohn. 2016 ist der Anteil der Schattenwirtschaft leicht rückläufig in Deutschland (10,8%, -0,4%; 336 Mrd. €; Schätzung, IAW, Tübingen). Eine Bargeld-Obergrenze soll helfen, die Schwarzarbeit zu bekämpfen. Schwarzarbeit ist ein komplexes Phänomen: Eine Fallstudie über illegal beschäftigte Haushaltshilfen zeigt folgendes: Die meisten wollen zwar Geld sparen. Aber es gibt auch viele andere Gründe: Haushaltshilfe will nicht angemeldet werden, Verfahren zu kompliziert, nicht darüber nachgedacht, Nichtwissen, keine Zeit. Relativ hoch ist die Schattenwirtschaft in der Südländern der EU (z. B. in Griechenland 22,4%). Niedrig ist der Anteil in den USA (6,9%) und Japan (8,4%). Quelle: IAW, Tübingen und Uni Linz. Besonders hoch ist die Schwarzarbeit verbreitet in der Bauwirtschaft in Deutschland. Mit Scheinrechnungen betrügen Unternehmen in der Bauwirtschaft den deutschen Staat (Servicefirmen, die nur zum Schein gegründet werden, behält Provision zurück). Bei den Haushaltshilfen ist 2016 die Schwarzarbeit noch sehr hoch (80% der Haushaltshilfen; 3 Mio.). Für 2017 wird die Schattenwirtschaft auf 10,4 Prozent geschätzt (2016 lag sie bei 10,8% (vorläufige Werte, Verhältnis zum BIP, Quelle: Institut für angewandte Wirtschaftsforschung/ IAW, Uni Tübingen und  Uni Linz). Im Januar 2017 gelingt dem Zoll ein großer Schlag gegen ein Netzwerk von Schwarzarbeit in NRW am Bau. Für 2018 wird der Umfang der Schattenwirtschaft in Deutschland auf rund 323 Mrd. € geschätzt (10% vom BIP). Quelle: Schneider, F. Boockmann, B.: Die Größe der Schattenwirtschaft - Methodik und Berechnungen für das Jahr 2018, Tübingen/ Linz 2018. 2018 hat der Zoll in Deutschland 111.000 Fälle von Schwarzarbeit aufgedeckt. Durch Corona gab und gibt es in Deutschland mehr Schattenwirt:  allein die vom Zoll aufgedeckte Schwarzarbeit betrug 2020 816 Mio. €. Experten vermuten einen Anstieg der Schattenwirtschaft 2020 insgesamt um 16 Mrd. € auf 339 Mrd. €. Quelle: Bundeswirtschaftsministerium und BMF 2021.

Kriminalität: Als Begründer der "Economics of Crime" gilt der US-Ökonom Gary Becker, der 2014 verstarb. 1992 bekam er den Nobelpreis. Es ist eine Nischendisziplin innerhalb der Wirtschaftswissenschaft. Nach Beckers Ansicht vergleicht ein potentieller Verbrecher die möglichen Erträge einer Tat mit dem Risiko des Erwischtwerdens und der drohenden Strafe. Schätzt er ihren Nutzen höher ein als die Risiken, begeht er die Straftat. Er hielt hohe Geldstrafen daher für ökonomisch effizienter als eine Haft, bei der die Steuerzahler auch nioch für kost und Logis des Delinquenten aufkommen müssen. Die volkswirtschaftlichen Kosten des Verbrechens sind immens (in den USA von 4,7 - 5,76 Billionen Dollar 2021). Nach Gewaltdelikten kommt es bei Opfern später zu signifikanten Einkommenseinbußen (Anna Bindler, Uni Köln). Gegenstrategien sind schnelle Gerichtsverfahren, Prävention, Abschreckung, Sozialpolitik. Vgl. Losse, Bert: Der Preis des Verbrechens, in: WiWo 3/ 12.1.24, S. 34f.

Wirtschaftskreislauf (und Geschichte): die Idee stammt vom Franzosen Quesnay (1694 - 1774; Tableau Economique; Madame de Pompadour holte Quesnay an den Hof von Versailles), der als Arzt den Blutkreislauf zugrunde legte. Quesnay wurde nahe Versailles geboren. 1758 schrieb er sein Tableau Economique. Es ist die erste umfassende Beschreibung der Wirtschaft. Als Sektoren werden heute normalerweise Haushalte, Staat, Unternehmen, Übrige Welt (Ausland) und Vermögensrechnung betrachtet. Der Engländer Phillip Stone entwickelte aus diesem Modell die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (Vgl. empirisches Datenraster zur Berechnungsmethode). Wichtige Beiträge und Bausteine kommen auch von Gregory King, Colin Clark und Simon Kuznets. Heute ist das Systems of National Accounts (SNA) weltweit anerkannt zur Berechnung der Wirtschaftsleistung von Nationen. Als Begründer der Messung der Wirtschaftsleistung gilt William Petty (1623-1687, Quantulumcunque Concerning Money, 1695.). Er erkannte, dass sich die Wirtschaft in Ziffern darstellen lässt. So erstellt er auch ein Kataster für Irland. Vgl. auch: Konsequente Kreislaufwirtschaft: https://www.ellenmacarthurfoundation.org

Ausland (in der VGR "Übrige Welt"): natürliche und juristische Wirtschaftseinheiten, die ihren Wohnsitz oder Standort nicht im Inland haben (Wohnsitzkonzept, entscheidend ist nicht die Nationalität).

Gross National Happiness: Ein Konzept für das Sozialprodukt in Bhutan. Es soll aus vier Säulen bestehen: Wirtschaftliches Wohlergehen, Bewahrung einer intakten Umwelt, Respekt vor Kultur und Religion, gute politische Verwaltung. Die Bewertung dieses Systems von Fachleuten schwankt zwischen reiner Öffentlichkeitsarbeit für ein Gewaltregime bis sehr erfolgreich (wenig Emigranten, 97% aller Bhutanesen seien glücklich). Es wird auch ein nationaler Glücksindex als Richtschnur für die Politik erstellt. Größtes Problem des Landes ist die Arbeitslosigkeit. Viele Experten sehen in dem Konzept ein Marketing-Instrument. "Wir suchen nach eine Balance zwischen Wirtschaftswachstum, ökologischer Nachhaltigkeit, sozialem Fortschritt und dem Erhalt der Kultur", Tshering Tobgay, Ministerpräsident von Bhutan.

Bruttogebrauchsprodukt: Secondhand - Sektor: Die Plattformökonomie und der Ruf nach Nachhaltigkeit haben dem Secondhand-Sektor einen Schub verpasst (auch "Aufräumeffekte" der Lockdowns). Selbst Maschinen werden zunehmend gebraucht gekauft. Makroökonomisch könnte damit dem Wachstum und der Innovationskraft der Volkswirtschaft geschadet werden. Vgl. Losse, Bert/ Zeinlinger, Tina: Das neue Bruttogenrauchsprodukt, in:  WiWo 12, 19.3.2021, S. 38ff.

Lebensstandard: Die rein ökonomische Betrachtung von Wohlstand (eine Ebene neben sozial, kulturell, psychologisch u. a.). Schwierig ist beim Preisindex und bei der Inflation die Qualität einzubeziehen: Steigt die Qualität der Produkte stärker als der Preis, verbessert dies den Lebensstandard.

Ungleichheit: Soziale Ungleichheit wird in der Ökonomie auf Vermögen, Einkommen und Mobilität bezogen. Die Messung ist außerordentlich schwierig und umstritten. Das rechte Maß liegt zwischen Freiheit vs. Gleichheit. Die Ungleichheit hat viele Konsequenzen: Reduzierung des Wirtschaftswachstums, Spaltung zwischen Schulden und Sparen wird größer, größerer gesellschaftlicher Verteilungskampf, Minderung des Humankapitals, globale Finanz- und Wirtschaftskrisen, Verstärkung des Armutsproblems, Beeinträchtigung der Gesundheit, größere abhängigkeit vom Staat, Schädigung der politischen Teilhabe. Globalisierung und Digitalisierung können die Ungleichheit verstärken. Entscheidend ist die Chancengleichheit. Der Staat muss effektiv umverteilen. Vgl. Marcel Fratzscher: Verteilungskamp. Warum Deutschland immer ungleicher wird, München 2017.

Ungleichheit zwischen Deutschland-West und Deutschland-Ost: Im Jahre 2019 verschärft die Demographie das Gefälle beim Lebensstandard. Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter geht stark zurück. Dem Ost droht ein weiterer Abstieg. Die Produktivität ist auch zu schwach.

Globale Mobilitätselite: Business Traveller sehen die Globalisierung als Spiel ohne Grenzen. Grenzen sind aber in der Realität Sortiermaschinen. Schrankenlos für nur wenige. Unüberwindbar für viele. "Jeder dritte Superreiche besitzt einen zweiten Pass - und das nicht nur, weil er lieber in der Sonne und unter Palmen lebt, sondern weil er ihn auch als Angehörigen einer globalen Elite ausweist", siehe Steffen Mau: Zweierlei Grenzerfahrungen, in: WiWo 40, 1.10.21, S. 41.

Kapitalrendite ist größer als das Wachstum (r > g): Mathematische Zusammenfassung des Buches von Thomas Piketty (Das Kapital des 21. Jahrhunderts, 2013). Als Slogan: Wer erbt, verdient mehr, als derjenige, der arbeitet. Das bezeichnet Piketty als den "zentralen Widerspruch des Kapitalismus". Die Ungleichheit wächst im Kapitalismus ständig an. Die Schere zwischen Arm und Reich wird sich immer weiter öffnen. Piketty beweist diese These mit großen Datenmengen im Computer.

Gerechtigkeit: Ökonomisch die Eigenschaft einer Gesellschaft, den Wohlstand fair auf ihre Mitglieder zu verteilen. Man unterscheidet Leistungsgerechtigkeit, Chancengerechtigkeit und Ergebnisgerechtigkeit. Daneben werden oft noch Familiengerechtigkeit, Generationengerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit genannt. Es ist ein Dauerthema der politischen Diskussion, wenn effiziente Marktergebnisse als ungerecht empfunden werden. Nach Umfragen ist die gefühlte Ungerechtigkeit seit den 80er Jahren stetig gewachsen, seit 2008 sprunghaft. Viele glauben, dass Leistung nicht mehr gerecht gemessen wird. Auch Bildung kann Aufstieg nicht mehr garantieren. Es gibt nicht mehr genug Arbeit für alle, die arbeiten wollen. Der britische Sozialforscher Roger Wilkinson behauptet: Je ungleicher eine Gesellschaft, desto größer ihre sozialen Probleme. Insofern ist der wachsende Abstand zwischen Arm und Reich schlecht für alle (zusammen mit Kate Picket: Gleichheit ist Glück, 2010). Auch ungerechte Arbeitsbedingungen im Ausland werden oft angeprangert. 2011 werden Adidas und Puma der unmenschlichen Arbeit in El Salvador beschuldigt. Die Generationengerechtigkeit ist in Deutschland durch die dramatische demographische Entwicklung gefährdet. Die Menschen leben sehr lange, es gibt zu wenige Kinder.  In Potsdam steht die erste deutsche "Gated Community" (geschlossene, bewachte Wohnsiedlung).

Einkommensverteilung (Lorenz-Kurve, Gini-Koeffizient): Statistischer Zusammenhang zwischen dem Anteil der Quantile von Einkommensbeziehern und dem Anteil der von ihnen empfangenen Einkommen am gesamten Volkseinkommen (personelle EV). Die Fläche ist mit dem Gini-Koeffizient berechenbar. Beide sind natürlich auch auf andere Probleme der Konzentration anwendbar. Die OECD hat zuletzt 2008 die Einkommensverteilung verschiedener Länder mit dem Gini-Koeffizienten vergleichen: Deutschland 0,30; USA 0,38; Schweden 0,23 (Growing Unequal?). Daneben gibt es noch die funktionale Einkommensverteilung und die EV im Sinne der VGR. Von der Verteilung schließt man auch auf die Gerechtigkeit in einem Land. Als Hauptursache für Einkommensungleichheit in einem Land gelten Technischer Fortschritt, Globalisierung und Wirtschaftspolitik (Steuerpolitik zugunsten höherer Einkommen). Nach einer Studie des DIW/ Berlin im Jahre 2006 hat das ärmste Zehntel der Bundesbürger zwischen 1995 und 2005 rund 5% seines Anteils am Gesamteinkommen eingebüßt und die Reichen sind immer reicher geworden. 10,6 Mio. Deutsche (13%) müssen mit weniger als 60% des Durchschnittseinkommen auskommen (Studie "Leben in Europa", Statistisches Bundesamt, 2006). International gehören Japan und Dänemark zu den Ländern mit den geringsten Einkommensunterschieden, und Brasilien und Süd-Afrika haben mit die größten. Laut dem "Spiegel" sind von 1992 bis 2006 die Einkommen bei den reichsten 10% der Bevölkerung um 31% gestiegen, bei den ärmsten 10% der Bevölkerung um 13% gesunken. Dies bekräftigt auch eine Studie des DIW 2008 (Frick/ Grabko): Durch die Globalisierung gehören noch 54% zur Mittelschicht. 2000 waren es noch 62%. Eine andere Untersuchung des DIW (Gornig/ Goebel) kommt 2010 zu dem Ergebnis, dass 2009 noch 61,5% zur Mittelschicht gehören (2000 noch 66,5%). Im selben Zeitraum stieg die Zahl der Menschen mit niedrigem Einkommen von 18 auf 22 %. Nach einer McKinsey-Studie 2008 werden bis 2020 weniger als 50% der Bevölkerung in Deutschland ein Einkommen auf Durchschnittsniveau haben. Die Löhne zwischen den Vollzeitbeschäftigten mit niedrigem und jenen mit mittlerem Einkommen sind seit 1997 weiter auseinander gedriftet: Während Geringverdiener Ende der 1990er Jahre noch 64% des mittleren Einkommens erhielten, erreichten sie 2007 nur noch 53% (IZA). Auch eine OECD-Studie 2011 kommt zu dem Ergebnis, dass die Einkommenskluft in Deutschland wächst (drittgrößter Schub in der OECD). Die hohen Haushaltseinkommen sind stärker angestiegen als die kleinen Einkommen. Hauptursache ist die Entwicklung der Löhne, vor allem durch die stark zunehmende Teilzeitbeschäftigung. Von allen 34 OECD-Ländern haben die USA, Großbritannien und Italien die geringste soziale Mobilität. Ende 2011 wächst das Geldvermögen in Deutschland auf den Rekordstand von 4,7 Billionen €. 2013 wird eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung vorgelegt: Die Einkommen sind in Deutschland heute weitgehend ungleicher verteilt als vor 20 Jahren. Grund ist der langfristige Anstieg der befristeten Jobs, Teilzeitstellen und Minijobs (atypische Beschäftigung). Die Mehrwertsteuererhöhung 2007 hat ärmere Haushalte stärker getroffen. Die Wohlhabenden profitieren von höheren Kapitaleinkommen. Das Handelsblatt Research Institute hat 2013 nach Werten der OECD und der Credit Suisse folgende Gini-Koeffzienten berechnet: 2010 für Deutschland bei der Einkommensverteilung vor der staatlichen Umverteilung 0,492. Nach der Umverteilung 0,286. Der Gini-Koeffizient der Vermögensverteilung beträgt 0,78. Ungleicher ist das Vermögen in den USA und Schweden verteilt. Das sozioökonomische Panel 2012 kommt in Deutschland zu einem mittleren Einkommen von 1641 € (zum Vergleich USA 1860 €). 15,6% der Gesamtbevölkerung lebten 2009 unter einem Nettoeinkommen von weniger als 60% des mittleren Einkommens (Median), hier spricht man von Armutsgefährdung. Ende 2014 legt die OECD eine Studie zur Einkommensverteilung vor: Die Kluft zwischen Arm und Reich wird in den Industriestaaten größer. Die Unterschiede werden als Wachstumsbremse gesehen. Eine weitere Studie des DIW 2017 (Quelle: Der Spiegel 9/2017, S. 15) kommt zu folgenden Ergebnissen: Veränderungen des realen verfügbaren Haushaltseinkommens von 1991 zu 2014 nach Gruppen aufgeteilt: bei den einkommensstärksten 10% bis zu +20%; bei den mittleren Einkommen +/-0%; bei den ärmsten 10% -10%. Auch der wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium kommt 2017 zu dem Ergebnis, dass seit der Wiedervereinigung die Einkommensschere immer weiter auseinander geht (Gini - Koeffizient von 0,33 1990 auf 0,40 2013). Im internationalen Vergleich liege Deutschland im Mittelfeld. Vgl. als wichtige historische Originalquellen: Clark, John Bates: The Distribution of Wealth, New York/ London 1899. Clark lebte von 1847 bis 1938. Er hatte Studienaufenthalte in Heidenberg und Zürich, so dass er die Historische Schule kennen lernte.  Bliss, Christopher J.: Capital Theory and the Distribution of Income, Amsterdam, Oxford 1975. Er lebte von 1940-2007. Er war zuletzt Professor in Oxford (vorher in Essex)..

Vermögen: Die Weltwirtschaftsleistung beträgt 2014 ca. 78 Billionen $ (seit 2000 + 4545 Billionen $). Das weltweite Privatvermögen umfasst 263 Billionen $ (+ 146 Billionen $ seit 2000; Quellen: IWF, Credit Suisse). Das Vermögen wird in Produktivvermögen und Geldvermögen eingeteilt. Hinzu kommt noch das Humanvermögen. 2015 steigt das Geldvermögen in Deutschland auf ein Rekordniveau: 5318 Milliarden Euro (private Haushalte, Bargeld, Wertpapiere, Bankeinlagen, Ansprüche gegenüber Versicherungen).

Grenzen des Wachstums: Stagniert die Wirtschaft langfristig droht Wohlstandsverlust. Ökologische, ökonomische und soziale Trends verhindern frühere Wachstumsraten. Das Konzept lautet: Kürzere Arbeitszeit bei höherem Lohn. Die Wirtschaftspolitik des 20 Jahrhunderts war auf Wirtschaftswachstum ausgerichtet und hat dabei wachsende Ungleichheit und ökologische Probleme in Kauf genommen (das Wirtschaftswachstum ist von Emissionen abgekoppelt). Im 21. Jahrhundert geht das alleine schon nicht mehr wegen einer Weltbevölkerung von bald 9 bis 10 Milliarden Menschen. "Heutige Trends zeigen, dass industrialisierte Länder sich auf niedrige Wachstumsraten vorbereiten müssen", Autoren einer deutsch-österreichischen Studie zum Wohlstand 2014 (Andrea Stocker, Anett Großmann, Friedrich Hinterberger, Marc Ingo Wolter, in: Empirica, Juni). Vgl. auch meinen Artikel auf der Seite "Fallstudie/ Case (Nachhaltigkeit)" und die Umweltökonomik auf Seite "Economics/ special". Vgl. auch Tomas Sedlacek: Lilith und die Dämonen des Kapitals, 2015. Vgl. auch: Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum - das Update, München 2017; https://www.cusp.ac.uk

 

Theorie: Konsum, Investitionen, Modell von Keynes/ Hicks (genannt "IS-LM-Modell"); Erklärung von Konsum und Investitionen; aggregierte Einkommen;  zum Arbeitsmarkt vgl. Arbeitsökonomik auf der Site "Economics/ special")

Die Allgemeine Theorie von Keynes: "Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes", 1936: Die Ausgaben der Regierung und die Höhe der Steuern beeinflussen die Preise mehr als die kursierende Geldmenge. In Zeiten der Rezession sollte die Regierung die Ausgaben erhöhen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Der entscheidende Markt bei Keynes ist der Gütermarkt, hier wiederum die Nachfrage.

Marginale Konsumneigung: Anteil, der vom zusätzlichen Einkommen in den Konsum geht (z. B. von 100 € mehr - 80 €). Die Ergänzung zu 1 ist die marginale Sparneigung. Beide Größen sind international sehr unterschiedlich. Sie sind abhängig von Kultur, Sozialsystemen, Krisen und Einstellungen. In Deutschland liegt der Wert für die marginale Konsumneigung bei ca. 0,8. In Asien (China, Japan) ist der Wert geringer (0,7). In den USA ist der Wert größer (über 0,9).

Basiskonsum: Konsum unabhängig vom Einkommen (Co). Er wird auch autonomer Konsum genannt. Manche sehen ihn als Existenzminimum (kulturell, physisch). 2012 waren 3 Mio. Haushalte in Deutschland überschuldet.

Fundamental - psychologisches Gesetz: von J. M. Keynes (1883-1946) formulierte These im Rahmen seiner absoluten Konsumhypothese, nach der bei steigendem Einkommen ein immer kleinerer Teil konsumiert wird (General Theory of Employment, Interest and Money, Cambridge 1936:  Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, Berlin 1983); daran knüpft das Deficit-Spending an: weil der Konsum hinter dem Produktionspotential zurückbleibt, muss er durch staatliche Ausgabenpolitik gestützt werden. "In the long run, we are all dead". Das jüngste praktische Beispiel stellt Japan in den 90er Jahren dar, das allerdings in einer Liquiditätsfalle war. "Gute, ja kompetente Ökonomen sind wahrhaft seltene Vögel", John Maynard Keynes.

Konsumhypothesen: Als Gegenthese dazu gilt die Permanente Einkommenshypothese: Menschen richten sich bei ihren Konsumentscheidungen am erwarteten Lebenseinkommen aus, nicht am aktuellen Einkommen. Diese Hypothese wurde von Milton Friedman entwickelt (1912-2006, wichtigste Veröffentlichung: Capitalism and Freedom, 1962). In der Realität sind allerdings die Schwankungen im Ausgabenverhalten weit größer, was mit beschränkter Kreditaufnahme und begrenzter Rationalität zu tun hat. Friedman plädierte auch schon 1962 für ein Grundeinkommen für ein freies, selbst bestimmtes Leben (auch Bürgergeld genannt). "Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen", Milton Friedman. Franco Modigliani (1918-2003, The Life-cycle Hypothesis of Saving, 1966) hatte diese Idee bereits für das Sparen entwickelt: Sparen sei nicht vom jeweils verfügbaren Einkommen, sondern vom erwarteten Lebenseinkommen (einschließlich Erbschaften) abhängig. Folglich verteilen die Menschen ihren Konsum auch über die gesamte Lebensdauer. Berühmt ist auch seine These, dass die Kapitalstruktur eines Unternehmens auf einem vollkommenen Markt irrelevant sein muss. Zur Zeit liegt die Sparquote in Deutschland bei 10,5% (vor 20 Jahren bei 12%). "Nachfolgende Generationen scheinen immer weniger sparsam zu sein", Franco Modigliani. Er war Antifaschist und Jude. Er verließ 1938 Italien, um der Diktatur Mussolinis zu entkommen. Er lebte in Paris und später in den USA. 1985 erhielt er den Nobelpreis. Eine weitere These stammt von Duesenberry: Der Konsum hängt vom relativen Einkommen ab (bezogen auf die Nachbarn und das letzte Einkommen). Man spricht von der relativen Einkommenshypothese.

Privater Verbrauch (Konsumausgaben): Marktwert aller zum Ge- und Verbrauch bestimmten Waren und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten (und gemeinnützigen Einrichtungen) zur Konsumbefriedigung gekauft werden (oder das sie als Sacheinkommen erhalten). "Viele Menschen benutzen das Geld, das sie nicht haben, für den Einkauf von Dingen, die sie nicht brauchen, um damit Leuten zu imponieren, die sie nicht mögen", Walter Slezak, Schauspieler aus den USA. Bei den privaten Konsumausgaben führen 2012 die USA mit 70% (in Prozent des BIP). Bei Deutschland liegt der Anteil bei 58%. In China bei 36% (Quellen: IWF, Weltbank). Sehr hoch ist der Anteil vom Konsum am BIP in Griechenland mit 73,7%. In Japan liegt der Anteil bei 60,9%. Seit 2013 steigt der Konsum in Deutschland wieder stärker an.  Wichtig ist der Anteil des Konsum zur Einschätzung der Konjunktur. Der Konsum löst 2015 den Export als Wachstumstreiber ab. 2015 gab es das stärkste Konsumwachstum seit 15 Jahren (1,9%; 2000: 2,1%; Quelle: Statistisches Bundesamt). Auch 2016 stützt der Konsum die Konjunktur. 2017 ist der Private Konsum die treibende Kraft beim Wachstum des BIP. Der Konsum wird in Deutschland immer stärker zur tragenden Säule der Konjunktur. Dazu tragen der robuste Arbeitsmarkt und die unattraktiven Niedrigzinsen bei. Die starke Inflation 2022 (7,9%, Ukrainekrieg, Energiepreise, Lebensmittel )  bewirkt zurückhaltende Verbraucher. Das führt im letzten Quartal 2022 und im ersten Quartal 2023 zu einem leichten Wirtschaftseinbruch (BIP -0,2%) und damit zu einer Rezession. Das BIP schrumpft dann 2023 auch leicht: Wegen stark gestiegener Preise und Zinsen ist der private Konsum als Stütze der Konjunktur weg gebrochen.

Kaufkraft: Als Kaufkraft der Verbraucherhaushalte wird das in privaten Haushalten für Konsumzwecke verfügbare Einkommen bezeichnet, also derjenige Betrag, der pro Haushalt vom Einkommen verbleibt, nachdem alle regelmäßig wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen (zum Beispiel Wohnungsmieten, Kreditraten, Versicherungsprämien) bedient wurden. Die Kaufkraft kann sich somit entweder auf das monatliche Einkommen oder auch das Jahreseinkommen einer Person oder eines Haushalts beziehen (siehe Wikipedia). National aus der Relation von Lohn und Preisen der Güter berechnet. Im wesentlichen zeigt also der Reallohn auch die Kaufkraft an. International ist die Berechnung komplizierter, weil die Währung eingebunden wird. Die Kaufkraft wird vom Statistischen Bundesamt berechnet. Regional werden Kaufkraft-Indices berechnet.

Geschichte des Konsums: Im Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert gab es Luxusgüter nur für Adlige. Im Großbritannien des frühen 18. Jahrhunderts beginnt die Entwicklung unserer heutigen Konsumgesellschaft. Es werden Arbeitsplätze in der aufblühenden Industrie geschaffen, die Städte wachsen und es entsteht eine neue Gesellschaftsschicht. Die Arbeiter und Handwerker verfügen über mehr Geld als früher. Dann wird der Konsum europäisch. Länder wie Frankreich, Deutschland und Niederlande werden von der Konsumrevolution eingeholt und entwickeln sich ähnlich wie Großbritannien. Erst Ende des 19. Jahrhunderts werden die Produkte und deren Anwendungsformen abgebildet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts werden Werbebotschaften schon auf simple Symbole reduziert. Ende des 19. Jahrhunderts entstehen die ersten großen Kauhäuser (Karstadt, Althof). Nach dem 1. Weltkrieg, der Weltwirtschaftskrise und dem 2. Weltkrieg entwickelt sich der Konsum zu dem, was er heute ist, Massenkonsum.

Konsum in den USA: Die obersten 10% der Spitzenverdiener sind für 50% der Konsumausgaben verantwortlich. Damit hat sich der Anteil der Superreichen am  Konsum seit 2008 fast verdoppelt. Quelle: Moody`s. Seit dem Ausbruch des Handelsstreits kaufen die Amerikaner aber weniger in den USA oder halten ihr Geld mehr zusammen, weil sie Angst haben. Sehr stark wird in den USA dadurch die "Wohlstandsarbeit" getroffen. Das sind persönliche Dienstleistungen armer Bürger für Reiche. Auch der Markt für Luxusimmobilien bricht ein. Edelboutiquen und Auktionshäuser haben Probleme. Vgl. Buchter, Heike: Das Ende des Bling, in: Die Zeit, Nr. 37, 5.9.19, S. 30. Die Corona-Krise 2020 trifft die USA sehr hart. Damit wird der Konsum voll getroffen, der ca. 70% des US-BIP ausmacht. Deshalb kommt man auch auf die Strategie des Helikoptergeldes: Jeder HH soll eine Geldsumme bekommen. Trump prahlt immer mit dieser Maßnahme, die aber jeder Haushalt - unabhängig von seiner Lage - bekommt. In der Corona-Krise 2020 steigt der Konsum an. Allerdings gibt es keine Informationen über die Verteilung des Konsums. Bei der Unter- und Mittelschicht dürfte er nicht gestiegen sein.

Konsum und Mehrwertsteuersenkung Die Mehrwertsteuersenkung 20220 hatte mehr Effekte als gedacht. Vgl. Bachmann, Rüdiger/ Born, Benjamin/ Goldfayn, Frank u. a.: A Temporary VAT Cut As Unconventional Fiscal Policy, 2022.

Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS): Sie liefert repräsentative Informationen über Einkommen, Vermögen, Schulden und die Konsumausgaben in Deutschland. Die Teilnehmer führen drei Monate ein Haushaltsbuch, in das sie sämtliche Ein- und Ausgaben eintragen. Die Teilnahme ist freiwillig und wird honoriert. Normalerweise nehmen etwa 60.000 Haushalte teil. Die Befragung ist alle fünf Jahre, zuletzt 2013 und 2008. Die allererste EVS war 1962. Die EVS ist Grundlage für den Warenkorb im Preisindex für die Lebenshaltung. 2013 zeigt sich, dass es erstmals mehr Handys als Festanschlüsse gibt (93% der 40 Mio. privaten Haushalte haben mindestens ein Handy).

Sparquote: Makroökonomisch sind die Folgen des Sparens umstritten. Neoklassiker gingen davon aus, das steigende Ersparnisse die Zinsen drücken, so dass mehr investiert werden kann. Keynes sah dagegen den Konsum als unerlässliche Stütze der Wirtschaft. Durch übermäßiges Sparen breche die Nachfrage weg. Die internationalen Sparquoten liegen weit auseinander. Die Chinesen sparen am meisten (rund ein Drittel des verfügbaren Einkommens), die US-Amerikaner am wenigsten. Es gibt viele Einflussfaktoren: kulturelle wie Religion (Weber, Calvin) und gesamtwirtschaftliche (billiges Geld durch niedrige Zinsen). In China beeinflussen insbesondere die Verhältnisse auf den Land (Altersarmut, Risiken) die hohe Sparquote. Die nationale, volkswirtschaftliche Sparquote (Einkommen einer Volkswirtschaft abzüglich des öffentlichen Konsums und des privaten Konsums) ist in Deutschland relativ hoch: 24,2% (vom BIP) 2012, Japan: 21,6%, USA 13,1% (alle Werte für 2012, Quelle IWF). Die niedrigen Zinsen drücken die Sparquote der privaten Haushalte in Deutschland 2013 auf 9,9%. 2008 war sie noch bei 11,5%. Von besonderer Bedeutung ist das Sparen zur Zeit (noch 2014) in China. Die Chinesen sparen zu viel und konsumieren zu wenig (Konsum nur 36% des BIP 2013). Das hängt auch damit zusammen, dass das Soziale Sicherungssystem noch unterentwickelt ist. Eine bessere Krankenversicherung könnte den Konsum ankurbeln. 2015 entsteht in Deutschland eine Diskussion darüber, dass der Staat Sparen fördern sollte (angesichts der niedrigen Zinsen Zuschüsse für  Sparer). In der EU ist die Sparquote am höchsten in den Niederlanden (27,5% des BIP; Quelle: IWF). Dann folgen Deutschland (27,3% des BIP) und Slowenien (26,6%). Am geringsten ist die Sparquote in Griechenland (9,7% des BIP). In der Corona-Krise ist die Sparquote so hoch wie nie zuvor. 2020 beträgt sie in Deutschland 16,4% (2019 10,8%; 2022 11 %). 8 Billionen Euro beträgt das private Geldvermögen insgesamt.

Sparparadoxon (von J. M. Keynes): Der Einzelne kann für sich sinnvoll sparen. Das Sparen an sich kann für die Volkswirtschaft aber schädlich sein. Wenn alle sparen, fehlt es an Nachfrage. Heute wird das Sparparadoxon häufig durch das Wort "Austerität" (vgl. Finanzpolitik)  ausgedrückt. Deutschland produziert 2015 mehr als es verbraucht, spart also. Aber wie steht es mit Investitionen, die dem Sparen entsprechen sollen? Inländische Investitionen erhöhen den Kapitalstock (Sach- und Humanvermögen) einer Volkswirtschaft. Öffentliche Investitionen fließen der Gesellschaft zu, private Investitionen sollen Rendite bringen. Deutschland verwendet seine Ersparnisse mehr für Nettoexporte. So entsteht eine Zunahme von Nettoforderungen gegenüber anderen Volkswirtschaften.

Verhältnis von Zins- und Wachstumsrate (Theoriestreit): "Seit dem Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise wird die lang anhaltende Niedrigzinsphase zunehmend kontrovers diskutiert. Dabei kommt dem Zusammenhang zwischen dem Zinssatz r und der Wachstumsrate g eine zentrale Rolle zu: So leiten einige Autoren bei r < g eine Begründung für eine expansivere Fiskalpolitik ab. Diesem Thema widmen sich auch die Autoren Carl Christian von Weizsäcker und Hagen Krämer in ihrem aktuellen Buch „Sparen und Investieren im 21. Jahrhundert – Die große Divergenz“. Sie erörtern die Rolle der Determinanten des Zinses im Gleichgewicht aus Sparen und Investieren und leiten politische Implikationen ab. Die zentrale Grundthese ist, dass der negative Realzins ein Indikator dafür ist, dass zu viel gespart wird. Daraus ergibt sich die Forderung nach einer politischen Wende, weg von der Begrenzung der Staatsschulden, hin zu einer Reduktion des Sparüberschusses. Sowohl die Theorie als auch die Politikimplikation haben auf Fachkonferenzen ein breites Echo gefunden. Da diese Diskussionen im Streit der Denkschulen sehr lehrreich sind, sollen in diesem Zeitgespräch sowohl die Autoren als auch ihre Kritiker Hans-Werner Sinn, Peter Bofinger sowie Eckhard Hein zu Wort kommen, die jeweils ihre Sicht der Theorie und Evidenz zum Thema vorstellen." Siehe Bofinger, Peter/ Hein, Eckard/ Krämer, Hagen/ Sinn, Hans-Werner/ Weizsäcker, Christian von: Theoriestreit um das Verhältnis von Zins- und Wachstumsrate, in: Wirtschaftsdienst, August 2020 (Online).

Saysches Theorem (auch Gesetz der Absatzwege genannt): Das Angebot einer Volkswirtschaft bestimmt die Nachfrage. Jede Produktion schaffe sich ihre eigene Nachfrage, die noch größer sei (klassische Lehre, gilt nur in einer Naturalwirtschaft, J. B. Say, 1803, Franzose, er lebte von 1767-1832). Danach ist in einer Volkswirtschaft die Summe der Einnahmen aus dem Verkauf von Gütern und Dienstleistungen identisch mit der Summe der Ausgaben, die zum Kauf dieser Güter und Dienstleistungen benötigt wird.  Vorübergehend verschwand das Theorem durch die Keynessche Lehre in der Versenkung. Erst die angebotsorientierten Monetaristen machten das Theorem wieder salonfähig. Neuerdings 2014 besinnt sich der Staatspräsident Hollande wieder auf das Theorem seines Landsmannes.  "Da die einzige Einsatzmöglichkeit für das Geld der Kauf anderer Produkte ist, öffnen die Umstände der Erschaffung eines Produktes einen Weg für andere Produkte", John Baptiste Say. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts bildete sich eine Angebotswirtschaft ("supply side economics" auch Reagonomics) wieder heraus. Das Wachstum sollte noch mehr beschleunigt werden (Obsoleszens, Wettbewerbsbesessenheit, Verschwendung von Ressourcen, Deregulierung der Märkte). Sie schwappte auch nach Europa über. Die Wurzeln lagen in der Neoliberalen Chicago-Schule Milton Friedmans (Ursprung bei Say). Jean-Baptiste Say lebte von 1767 bis 1832 in Frankreich. Say arbeitete auch in England im Baumwollhandel. Er gab ein politisches Magazin in Paris heraus und sorgte für die Verbreitung der Ideen von Adam Smith. Vgl. Say: Traite d ´ economie politique, Paris 1803.

Pigou - Effekt: Arthur Pigou (1877-1959) stellte die These auf, dass niedrige Preise die Nachfrage und den Konsum stimulieren, was zu höherem Einkommen und mehr Beschäftigung führt. Auch Pigou - Vermögenseffekt genannt. Er gilt auch als einer der Begründer der externen Effekte und der Besteuerung als Instrument der Umweltpolitik. Vgl. Pigou: The Economics of Welfare, London 1920.

Ricardianische Äquivalenz: Steuersenkungen können konjunkturell verpuffen, wenn Wirtschaftsakteure das zusätzliche Einkommen sparen, weil sie glauben, dass der Staat die Steuern später erhöht. Robert Barro aus den USA hat das Theorem weiter entwickelt. Vgl. David Ricardo: On the Principles of Political Economy and Taxation, London 1817.

Einkommenseffekt: Direkte Auswirkungen einer wirtschaftspolitischen Maßnahme auf das Volkseinkommen bzw. Nationaleinkommen (primär) und indirekte Folgewirkungen einer Maßnahme der Wirtschaftspolitik (sekundär).

Investitionen: Mittlerweile gibt es Theorien über eine ganze Reihe von Determinanten (Zinsen, Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals, Nachfrage, Gewinn u. a.). Es gibt auch Theorien darüber, dass Investitionen ohne Risiko möglich sind (Financial Engineering). Wenn die Finanzmärkte effizient sind, weichen die Preise selten vom Mittelwert ab. Die Wahrscheinlichkeit der Preisschwankungen kann kalkuliert werden. Also kann auch ein Vertrag über eine Risikoversicherung geschlossen werden (Myron Scholes, geb. 1941).  Nach den gängigen Theorien führen höhere gesamtwirtschaftliche Investitionen zu stärkerem Wachstum, zu neuen Arbeitsplätzen und zu höherem Steuereinkommen. Vergleicht man ausgewählte Länder, liegt Deutschland nur im Mittelfeld: Nimmt man den Anteil der Investitionen am BIP in Prozent 2013 führt Australien (34,9), vor Südkorea (24,7), Japan (19,8), Spanien (18,9) und Frankreich (18,8). Die EU liegt bei 17,8; Deutschland bei 17,2%. 2014 wird der Anteil nur bei 17,6% liegen (2012: 17,5%). Damit ist die Basis des Wohlstands bedroht. Die USA haben 19%. Das Reinvermögen des Staates ist in Deutschland von 1991 bis 2012 drastisch geschrumpft (von 797,8 Mrd. € auf 37,7 Mrd. €, Quelle: Destatis, Bundesbank, Handelsblatt 13.09.13, S. 6 und 7).  Spitzenreiten bei den Gesamtinvestitionen ist China (49% Anteil am BIP 2012; Quellen: IWF, Weltbank). 2014 nehmen die Investitionen in den Unternehmen zu: +6,3% Ausrüstungsinvestitionen bis März 2014 (66% aller Unternehmen wollen mehr investieren als in den Vorjahren, Ifo-Institut). 2013 waren die Ausrüstungsinvestitionen weiter gesunken (fast auf 6% des BIP; absoluter Tiefststand, 1970 lagen sie noch bei fast 10% des BIP; dann bewegten sie sich bis 2000 um 8%; Quelle: Destatis). Die höchsten Investitionslücken (durchschnittlich, 2010 bis 2012, Quelle: DIW) finden sich in Irland (9,4% des BIP), Niederlande (4,8% des BIP) und Portugal (4,1% des BIP). Deutschland liegt bei 3,7% des BIP (Euroraum 2,0%). Eine Studie der DIHK nennt die wichtigsten Standortfaktoren, die zu mehr Investitionen im Inland führen sollen: Steuern und Abgaben; Flexibilität des Arbeits- und Tarifrechts; Energiekosten; Planungs- und Genehmigungsverfahren; Verfügbarkeit geeigneter Fachkräfte. 2013 liegt der Anteil der Investitionen am BIP bei 19,7%. Das Wirtschaftsministerium will sich von einer Expertenkommission Vorschläge für eine Erhöhung ausarbeiten lassen. Lücken bestehen vor allem im Wohnungsbau uns bei der Infrastruktur. Im Oktober 2014 planen Frankreich und Deutschland zusammen Projekte für öffentliche und private Investitionen, um das Wachstum anzukurbeln. Der Konjunktur- und Konsumboom 2015 in Deutschland beruht auf niedrigen Zinsen und billigem Öl. Die Investitionen bleiben aus. "Wir brauchen mehr Investitionen, sollten das aber nicht gleichsetzen mit Investitionen aus öffentlichen Mitteln. Wir können Infrastruktur auch stärker privat finanzieren", Wolfgang Schäuble, Finanzminister 2014. "Der Kurs für 2015 muss lauten: mehr investieren, weniger umverteilen", Ulrich Grillo, Präsident des BDI.

Investitionsmultiplikator: Messzahl, die durch den reziproken Wert der marginalen Sparquote gebildet wird und im einfachen keynesschen Modell angibt, um wie viel das Nationaleinkommen steigt, wenn die Investitionsausgaben um einen bestimmten Betrag (Investitionsprogramm) erhöht werden. Das keynessche Modell war in den 60-iger und 70-iger Jahre das beherrschende Modell zur Analyse von Wirtschaftssituationen. Wichtigster Erklärungsfaktor ist der Gütermarkt mit der effektiven Nachfrage. Ausrüstungsinvestitionen sind Maschinen u. ä., die von Unternehmen für den Einsatz bei der zukünftigen Produktion gekauft werden. Bei vollkommenem Kapitalmarkt und Sicherheit können Konsum- und Investitionsentscheidungen voneinander getrennt werden (Fisher-Hirschleifer -Theorem). Eine neue Studie stellt den Investitionsmultiplikator in Frage: Er liegt durchgehend bei 0,6 bis 1. Das heißt: Die staatlichen Investitionen lösen keinen weiteren Anstieg der Realwirtschaft aus. Vgl. Ramey, V./ Zubairy, S.: Government Spending Multipliers in Good Times and in Bad, NBER, 2014.

Staatsausgabenmultiplikator: Erhöhung des Inlandsproduktes um bestimmte Einheiten, wenn die staatliche Güternachfrage um eine Einheit steigt. Beim Haavelmo-Theorem wird die kontraktive Wirkung durch Steuererhöhung gegen gerechnet.

Multiplikator (staatlich gefördertes Wachstum): Zusätzlich aggregierte Nachfrage, die sich ergibt, wenn eine expansive Fiskalpolitik das Volkseinkommen erhöht. Vgl. als Originalquelle: Hansen, Alvin Harvey: Business Cycles and National Income, New York 1951. Hansen lebte von 1887 bis 1975 in den USA. Er war ein wichtiger Interpret von Keynes (Multiplikator, Stagnation).

Akzelerator: Spezielle makroökonomische Investitionsfunktion: Investitionen sind mit einem bestimmten Faktor, genannt Akzelerator, von den Änderungen der Nachfrage, des Umsatzes und des Produktionsniveaus abhängig.

Feldstein-Horioka-Paradoxon: In den meisten Ländern ist die gesamtwirtschaftliche Investitionsquote relativ eng mit der gesamtwirtschaftlichen Sparquote korreliert. Erklärung in offenen Volkswirtschaften: Unvollkommenheit internationaler Kapitalmärkte, Komplementarität zwischen Real- und Humankapitalbildung. Insofern kann man hiermit auch messen, inwieweit die Welt globalisiert ist. Wenn Grenzen keine Rolle spielen, würden Sparer und Investoren sich überall auf der Welt bewegen.

Grund-Modell von Keynes: Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, Berlin 2002 (9. Aufl., neue Übersetzung 2006 von "General Theory of Employment, Interest and Money"). Keynes gilt als größter Volkswirt des 20. Jahrhunderts. Seine Lehre aus der Weltwirtschaftskrise 1929 hat die Wirtschaftspolitik danach geprägt, auch die in der Weltwirtschaftskrise 2009. Revolutionär war für die damalige Zeit Keynes` Ansicht, dass marktwirtschaftlicher Wettbewerb nicht notwendigerweise zur Vollbeschäftigung führe. Er entwarf daher das Instrument der Nachfragesteuerung, um ein hohes Beschäftigungsniveau zu sichern  (notfalls soll Staatsnachfrage eingreifen). Keynes war nach Marx erst der zweite Ökonom, der ein makroökonomisches Gesamtmodell entwickelte. Die Grundidee von Keynes ist die Grundlage der Wirtschaftspolitik aller Staaten dieser Welt, egal welches Wirtschaftssystem sie haben. Er lieferte die Mittel zur wirtschaftlichen Weltrettung in Krisen (Finanzkrise 2008, Corona-Krise 2020). Keynes glaubte nicht an die Selbstheilungskräfte des Marktes, sondern an einen starken Staat. Vgl. zur Interpretation: Leijonhufud, Axel: On Keynesian Economics and the Economics of Keynes, A Study in Monetary Theory, New York, Oxford 1968.

IS-LM-Konzept (Hicks - Diagramm): Einfaches Keynes-Modell zur Bestimmung des simultanen Gleichgewichts auf dem Güter- Geld, und Arbeitsmarkt (Schnittpunkt von IS- und LM- Kurve). Es basiert auf der Annahme nicht markträumender Preise und Löhne. Die IS-Gerade stellt alle Kombinationen von Volkseinkommen und Zinssätzen dar, die auf dem Gütermarkt für ein Gleichgewicht sorgen. Die LM-Kurve ergibt sich nach der Liquiditätstheorie des Geldes als Ergebnis von Geldnachfragefunktion und Geldangebotskurve. Der eine Extrembereich spiegelt eine völlig zinselastische Geldnachfrage bei niedrigem Zins (Liquiditätsfalle).  Hier sieht man, dass nur die Finanzpolitik wirkungsvoll ist. Mit dem Modell und seinem Multiplikator kann zum Beispiel die Wirkung eines Konjunkturprogramms berechnet werden. Die Gesamtnachfrage bestimmt die Höhe der Produktion und der Beschäftigung einer Volkswirtschaft; die Wirtschaft ist instabil und bedarf der Unterstützung des Staates. In der Veranstaltung VWL I benutze ich dieses Modell, um den Studenten exemplarisch zu zeigen, wie man eine Wirtschaftslage einschätzen kann. Die gesamtwirtschaftliche Güternachfragekurve gibt für den Fall eines flexiblen Preisniveaus alle Kombinationen des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus und des Volkseinkommens an, bei denen der Geldmarkt und der Gütermarkt gleichzeitig im Gleichgewicht sind. Heute gilt das IS/LM-Modell für Forschungszwecke als veraltet. Trotzdem soll es im Grundstudium immer noch gelehrt werden. Vgl. dazu Kartik B. Athreya: Big Ideas in Macroeconomics, MIT Press. Cambridge, 2013. Originalquelle: Hicks, John Richard: Value and Capital, Oxford 1939.

Liquiditätsfalle: Als Liquiditätsfalle bezeichnet man die Situation einer Volkswirtschaft, in der die offiziellen Zinssätze so weit gegen null gefallen sind, dass die herkömmliche Geldpolitik versagt. Das Phänomen, dass Geld bei sinkenden Zinssätzen nicht mehr für Investitionen angeboten wird und somit dem Wirtschaftskreislauf tendenziell entzogen wird, wurde von dem  John Maynard Keynes beschrieben. In der Realität ist Japan seit Beginn der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts das beste Beispiel. Es half nur noch eine Keynesianische Finanzpolitik. Die Geldpolitik war am Ende angekommen. Die Finanzpolitik hilft nach Keynes auch nur in der Situation klassischer Arbeitslosigkeit. Die Löhne sind nach unten inflexibel bzw. können nicht weiter sinken wegen der Kaufkraft. 

Vier Grundelemente des Bruttonationaleinkommens (BNE, Y): Y = C + I +A + (X-M). Das Bruttonationaleinkommen errechnet sich aus (Verwendungsrechnung) Privatem Konsum (C), Bruttoinvestitionen (I), Konsumausgaben des Staates (A) und der Differenz zwischen Exporten (X) und Importen (M). Vom Bruttonationaleinkommen kommt man durch Umrechnungen auch zum Bruttoinlandsprodukt (Ergebnis der Entstehungsrechnung) und zum Volkseinkommen (Verteilungsrechnung).

Außenbeitrag: Differenz zwischen Exporten und Importen eines Landes (X - M). Angestrebt wird in der Regel ein positiver Außenbeitrag, bei dem die Exporte größer als die Importe sind (Exportüberschuss).

Ceteris-paribus-Klausel: Diese Klausel wird in der Volkswirtschaftslehre und anderen Wissenschaften häufig angewendet. In der Makroökonomik kommt sie besonders häufig zum Einsatz. Dabei werden Variablen oder Einflussgrößen konstant gesetzt, um den Einfluss anderer Größen speziell zu untersuchen. Es handelt sich um eine Vereinfachung, um die Analyse mathematisch oder modelltheoretisch in den Griff zu bekommen. So wird z. B. der Einfluss des Staates oder der des Auslandes (geschlossene Volkswirtschaft) konstant gesetzt.

Arbeitsmarkttheorie: Die neoklassische Theorie sieht den Lohn als Ursache. Löhne über dem Gleichgewichtslohn werden auf Deregulierung, Lohnnebenkosten, Effizienzlohn und bilaterales Monopol zurückgeführt. Keynes bezieht auch Lohnstarrheiten nach unten in die Betrachtung ein, sieht die Ursache aber mehr in fehlender Nachfrage, die durch Staatsnachfrage stabilisiert werden sollte. Zusätzlich analysiert er die Liquiditätsfalle, in der die Geldpolitik wegen der Zinsen auf unterstem Niveau wirkungslos ist. "Es gibt weltweit nicht ein einziges Beispiel dafür, dass Kürzungen von Löhnen, Renten und Sozialleistungen ein krankes Land gesunden ließen", Joseph Stiglitz, US-Ökonom, Nobelpreisträger. "Der Arbeitsmarkt hat sich gut entwickelt - und das, obwohl die deutsche Wirtschaft kaum noch wächst", Frank-Jürgen Weise, Chef der BA 2014.

Phillips-Kurve: Beziehung zwischen Arbeitslosenquote (ALQ)  und Inflationsrate (IR): normalerweise sind eine hohe IR mit niedriger ALQ und Preisstabilität mit hoher ALQ verbunden A. W. Phillips (1914-1975, Erkenntnis 1958:  "The Relationship between Unemployment and the Rate of Change on Money Wages in the United Kingdom, 1861-1957", Economica (für die USA von Samuelson und Solow festgestellt). Auf dieser Kurve basiert auch das Modell des politischen Konjunkturzyklus von W. Nordhaus (geb. 1941, The Political Business Cycle, Review of Economic Studies 1975). Der Nobelpreisträger von 2006 E. Phelps (geb. 1933) kritisierte die unterstellte Geldillusion und untersuchte die Rolle von Inflationserwartungen: Als einer der ersten bezeichnete er den Trade-off als kurzfristig und nannte als Bedingung, dass die tatsächliche Inflation von den Inflationserwartungen abweicht. "Wenn man jemanden sucht, der auf eine Inflation von null Prozent zielt, während die Arbeitslosigkeit auf 13 Prozent steigt, dann ist Weber der richtige Mann", Paul Krugman, in: Handelsblatt, 21.06.2010, S. 4.

Einfluss der Kultur: Volkswirtschaften sind eingebettet in Kultur. Die Tradition prägt die Wirtschaftsform mit. Kulturelle und soziale Faktoren haben großen Einfluss. Am stärksten hat Karl Polanyi diese Hypothese vertreten. Er lebte von 1886-1964. Sein Hauptwerk war "The Great Transformation, 1944". Berühmt ist die Bahn brechende Analyse von Max Weber "Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus". Er hebt den Berufsfleiß der Calvinisten und die Wirtschaftsgesinnung des lutherischen Glaubens hervor. Diese These wird allerdings auch stark kritisiert. Vor allem von dem französischen Historiker Fernand Braudel (1979). Bei Asien hat Max Weber in seiner Prognose schön völlig falsch gelegen. Geduld:  Neuere Studien kommen zu dem Schluss, dass menschliche Geduld für Kapitalbildung, Investitionen und Prosperität sorgt. Das trägt wesentlich zum Reichtum der Nationen bei. Vgl. Studien vom Behavior and Inequality Research Institute in Bonn (Armin Falk). Besonders deutlich wird in der jüngsten Wirtschaftsgeschichte der Einfluss der Kultur in Griechenland. Griechische Reeder und Oligarchen haben kaum zur Finanzierung des Staatswesens beigetragen. Auch heute ist das noch so. Ihr Vermögen haben sie sicherheitshalber im Ausland angelegt. Die wirtschaftlichen Eliten überlassen internationalen Institutionen die Finanzierung des Staates. Die Kultur verhindert den Aufbau eines effizienten Steuersystems.

Attentismus: Verbraucher und Investoren zögern Entscheidungen hinaus. Privathaushalte und Unternehmen zögern Entscheidungen über Einkäufe, Geldanlagen, Kreditaufnahmen und Investitionen hinaus, weil sie auf künftig günstigere Bedingungen für diese wirtschaftlichen Aktivitäten hoffen. Dies kann mit zunehmender Unsicherheit zu einer wirtschaftlichen Lähmung führen.

Chaostheorie: Eine Wirtschaft kann chaotisch sein, auch wenn die Individuen es nicht sind. Die Wirtschaft ist ein komplexes System, in dem die Menschen unterschiedlich reagieren (nicht immer rational und prognostizierbar). Die kleinen Unterschiede können gravierende Auswirkungen haben. Ansätze finden sich schon bei den alten Griechen (Hesiod). Neuere Untersuchungen stammen von Henri Poincares und Benoit Mandelbrot sowie Brian Arthur. Chaos meint einen hoch geordneten Zustand, zumindest theoretisch. Die ökonomische Welt ist aber zu komplex für uns, um vorherzusehen, was als nächstes passiert. Es handelt sich um eine der einfachsten Gleichungen, die ein deterministisches System erzeugen können (ein zufälliges Verhalten ohne zufällige Ursache).  "Eingriffe in komplexe Systeme mit nicht linearer Dynamik wie internationale Finanzsysteme sind problematisch, weil sich diese einer analytischen Durchdringung entziehen und wir zudem keine gute Intuition für deren Verhalten entwickelt haben. Erschwerend kommt hinzu, dass die Knoten in diesem Netzwerk, die entscheidenden Menschen, ihrerseits sehr komplex und bezüglich ihres Verhaltens kaum berechenbar sind", Wolf Singer, langjähriger Direktor des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung in Frankfurt am Main, in: Der Spiegel 29/2014, S. 39. Ein führender Vertreter der Chaosforschung war Lorenz, der 1963 den Aufsatz "Deterministic Nonperiodic Flow" veröffentlichte. In dem Aufsatz popularisierte er den Begriff "Schmetterlingseffekt". Danach vermag der Flügelschlag eines einzigen Schmetterlings in Brasilien letztlich darüber zu entscheiden, on in Texas ein Tornado ausbricht.

Fraktal: Der Begriff wurde durch den Mathematiker Benoit Mandelbrot geprägt. Fraktal bezeichnet eine Gestalt, die in allen Größenordnungen Details erkennen lässt. Der Begriff wird auch auf Darstellungen der Konjunktur angewandt.

 

Konjunktur, Wachstum (kurz- und mittelfristige Wirtschaftsschwankungen bzw. Fluktuationen und langfristige Entwicklung; auf lange Sicht: langfristiges Wachstum; mit diesen Überschriften in einigen Lehrbüchern; auch wichtige Konjunkturpakete und deren Funktionsweise: Konjunkturpolitik; die Grundidee geht immer auf J. M. Keynes zurück: kurzfristige Fluktuationen und antizyklische makroökonomische Politik)

"In der Ökonomie dauern Dinge immer länger, als man denkt - aber wenn sie passieren, kommt alles schneller als gedacht", Rudi Dornbusch, MIT/ USA (zitiert nach Wirtschaftswoche 37, 4.9.15, S. 27).

Wirtschaftsschwankungen: Sie wurden auch schon in vorindustriellen Zeiten beobachtet (landwirtschaftliche Güter Auslöser). Grundsätzlich können die Schwankungen von der Nachfrage- oder Angebotsseite der Wirtschaft ausgelöst werden. Nachfrageseitig wirken Staatsausgaben, Geldmenge, Abwertung, Bevölkerungszunahme u. a. . Angebotsseitig wirken Löhne, Rohstoffpreise (Öl), technischer Fortschritt und Unternehmensgründungen. Manchmal nimmt man noch Indikatoren der Finanzmärkte wie Immobilien, Liquidität, Aktien, Renten. Genauere Erklärungen liefert die Konjunkturtheorie. Vgl. als Originalquelle: Hansen, Alvin Harvey: Business Cycles and National Income, New York 1951. Hansen lebte von 1887 bis 1975 in den USA. Er war ein wichtiger Interpret von Keynes (Multiplikator, Stagnation).

Konjunkturtheorie: Sie erklärt die Schwankungen der Wirtschaft (Zyklen). Ursachen können exogene Faktoren (Kriege; z. B. Irakkrieg: 3000 Mrd. $), Geldmengenschwankungen, das Agieren von Politikern, Labilität der Investitionen u. a. sein. Investitionen schwanken sehr stark im Zyklus, weil sie vom Ersatzzyklus und volatilen Rentabilitätserwartungen abhängen. Finn Kidland und Edward Prescott sprechen darüber hinaus von "realen Konjunkturzyklen": große Erfindungen, Naturkatastrophen und unerwartet große politische Ereignisse stören das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht. Der russische Wirtschaftswissenschaftler Kondratieff beschäftigte sich in den 20er Jahren ähnlich mit langen Wellen im 50 Jahre - Abstand, die durch Basisinnovationen ausgelöst werden. Es gibt auch den Kitchin-Zyklus (3-5 Jahre), den Juglar-Zyklus (7-12 Jahre) und den Kuznets-Zyklus (bis 20Jahre). Der Verlauf der Zyklen rückt immer mehr in den Mittelpunkt: So wird 2009 diskutiert, ob der Aufschwung im V, W oder U-Form kommen wird. Das Zeitalter langer Zyklen scheint aber nach der Finanzkrise 2008 vorbei zu sein. Die USA haben ihre Lokomotivfunktion verloren, die Schwellenländer beeinflussen immer mehr, die Staatsschulden und Rohstoffe haben eine prägende Wirkung.  Konjunkturprognosen sind heute weniger treffsicher als früher vor 20 oder 30 Jahren (Bsp.: Prognosen der  Fed).  Schuld daran sind die "great moderation" in den Industrieländern (Zyklen weniger extrem) und die vorausschauende Geldpolitik der Notenbanken (dadurch sind aber die absoluten Prognosefehler geringer); vgl. Federal Reserve Information During the Great Moderation, A. D`Agostino/K.  Whelan, Vortrag 22. Jahrestagung der European Economic Association, Budapest 2007. Die letzten Konjunktureinbrüche in Deutschland gab es 2002/2003 nach dem Platzen der Internetblase (-0,4) und 2009/ 2010 nach der Finanzkrise (-5,1). Im Jahre 2017 tauchen wieder Zweifel an der Konjunkturtheorie auf. Deutschland blickt auf sieben fette Jahre zurück (ohne Preisdruck). 2018 spricht noch vieles für eine weiterhin positive Wirtschaftsentwicklung. Im dritten Quartal 2022 legt das BIP überraschend um +0.3% gegenüber dem Vorjahresquartal zu 8von privaten Konsumausgaben getragen). Für Winter 2022 prognostiziert das Ifo-Institut/ München eine Rezession mit Inflation (Stagflation, +1,6% BIP 2022; -0,3% 2023; diese Prognose stellt auch die Bundesbank). Für 2023 rechnen die ökonomischen Forschungsinstitute auch mit einer Rezession (-0,4% BIP). Originalliteratur: Kondratev, N. D.: Die Langen Zyklen der Konjunktur, Berlin 1972. Kuznets, S. S.: National Income and its Composition, 1919-1938, New York 1941.

Konjunkturzyklus: 1. Phase: Erholung. 2. Phase: Boom. 3. Phase: Rezession. 4. Phase: Depression. Es gibt einen unteren Wendepunkt I, einen oberen Wendepunkt und einen unteren Wendepunkt II. Genau genommen liegt der Konjunkturzyklus also  zwischen unterem Wendepunkt I und unterem Wendepunkt II. Vgl. Lucas, Robert E.: Studies in Business - Cycle Theory, Cambridge, MA 1981. Die Konjunkturzyklen werden immer unberechenbarer. Nach den umfangreichen Rettungsmaßnahmen der vergangenen Jahre sind die Spielräume für eine antizyklische Wirtschaftspolitik begrenzt.

Immobilienzyklus: Der Immobilienzyklus ist das Muster, nach dem die Immobilienpreise steigen, fallen und sich dann wieder erholen. Die Preise steigen, wenn das Vertrauen wächst und die Anleger in Immobilien investieren. Schließlich erreichen die Preise ein unhaltbares Niveau, die Käufer bleiben aus und die Preise fallen deutlich. Vgl. Simply Wirtschaft, München 2022, S. 50.

Konjunktur und Ölpreis: In den letzten Jahrzehnten war der Ölpreis einer der Haupteinflussfaktoren auf die Konjunktur. Der Zusammenhang zwischen beiden Größen ist heute (2020) nicht mehr so wie früher. Das hat folgende Gründe: 1. Der Ölmarkt ist überversorgt (es wird mehr gefördert als verbraucht wird). 2. Die Energiewende hilft. 3. Hybride Kriegsführung (Nadelstiche) gefährdet mehr die innere Sicherheit in den Industrieländern. Vgl. Losse, Bert: Die Entmachtung des Öls, in: WiWo 3, 10102020, S. 38f. Insofern haben auch Konflikte wie der zwischen dem Iran und den USA keine so große Wirkung mehr auf den Ölpreis. Insgesamt beeinflussen politische Krisen den Preis für Erdöl kaum noch. Die USA verdanken ihren zweiten Ölboom vor allem der Fracking - Technologie (ein wichtiger Grund für das Überangebot).

Deutscher Konjunkturzyklus: Der typische deutsche Konjunkturzyklus hat eine Länge von etwa vier bis fünf Jahren. Er erklärt allein etwa 27% der Schwankungen in der BIP-Wachstumsrate. 83% der Konjunktur geht auf Schwingungen mit einer Länge von über zwei Jahren zurück, nur 17% können durch kürzere Schwingungen erklärt werden. Die Entwicklung der BIP-Wachstumsrate ist Granger-kausal zu den Investitionen. Dieser Zusammenhang geht auf Investitionen in die Ausrüstung zurück. Dabei werden die Investitionen vor allem durch die Auslandsnachfrage (Exporte) getrieben. Quelle: siehe Strohsal, Till: Der deutsche Konjunkturzyklus: Vermessung und Zusammenhang mit Investitionen, in: Wirtschaftsdienst 2018/2, S. 125ff.  2019 und 2020 dürfte die deutsche Konjunktur gespalten sein: Während Konsum und Bauwirtschaft boomen, könnte die Industrie in eine Rezession gehen. Die Exporte entwickeln sich zur Stagnation hin. Ein neuer Aufschwung ist noch nicht in Sicht. Die Regierung will die Prognose für 2020 senken: 2,6%. Gründe für die Senkung der Prognose von ursprünglich 3,5% sind Lieferengpässe und Rohstoffknappheit. Für 2022 werden 4,2% erwartet. Die Prognose wird wieder runter gesetzt. 2023 wird eine Rezession erwartet. In den zwei Gutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute wird die Konjunktur in Deutschland gut empirisch abgebildet. Ein Gutachten erscheint jeweils im Frühjahr, das zweite im Herbst. Im Herbstgutachten 2023 wird z. B. das Bruttoinlandsprodukt (Wachstum, drei Jahre), die Inflationsrate, die Arbeitslosenquote und der Staatsüberschuss geschätzt. Vgl. dazu auch die Seite "method". Auch die Bundesregierung gibt Prognosen ab. Im Oktober 23 senkt sie die Prognose für 2024: 1,3% Wachstum des BIP, ALQ 5,7%, Inflation 2,6%. Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Oktober 2023.

Konjunkturzyklus der USA: 2019 registrieren die USA die längste Wachstumsphase seit Beginn der Aufzeichnungen 1854. Seit dem Juni 2009 ist die US-Wirtschaft 121 Monate lang stetig gewachsen. Der aktuelle Aufschwung ist allerdings auch einer der schwächsten nach einer Rezession. Die Arbeitslosenquote fiel allerdings von 10% 2009 auf 3,6% 2019. Das Lohnwachstum vergangener Aufschwungphasen bleib aus. Der vorherige Rekord beim Aufschwung lag bei 120 Monaten von März 1991 bis März 2001. Die weitere Entwicklung hängt stark von einer Senkung der Zinsen durch die Notenbank ab. Das könnte auch die Präsidentenwahl beeinflussen. "Der jetzige Aufschwung wird ewig dauern. Wir wollen keine Rezession, wir brauchen keine, und weil wir die Instrumente haben, diesen Aufschwung fortzusetzen, werden wird auch keine bekommen", Rüdiger "Rudi" Dornbusch, Ökonom, 1998 (soweit zur Verlässlichkeit der Prognosen größerer Ökonomen!).

Produktion: Produktion im Produzierenden Gewerbe (Industrie, Energie, Bau). Sie hat großen Einfluss auf die Konjunktur. Im Februar 2018 war diese Produktion um -1,6% niedriger als im Vormonat.

Reproduktion, Akkumulation und Krisen (Karl Marx, Das Kapital): Marx liefert keine Konjunkturtheorie, aber Ansätze zur Krisenerklärung. Kapitalakkumulation bedeutet, dass ein Teil des Mehrwerts wieder in den Produktionsprozess eingesetzt wird. Der Akkumulationsprozess führt zu zunehmender Konzentration und Zentralisation. Es gibt ein Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate. Die Ersetzung menschlicher Arbeit durch Maschinen wird sich in einer steigenden "organischen Kapitalzusammensetzung" niederschlagen. Zwei entscheidende Faktoren sind Lohnquote und maximale Profitrate. Marx warnt auch eindringlich vor den langfristigen Folgen. Er nennt drei Säulen des Kapitalismus: Privateigentum, freier Markt und Arbeit als Quelle der Wertschöpfung. Revolution darf nicht zum falschen Zeitpunkt versucht werden: "Don´t cross the bridge before you come to it", Karl Marx. Immerhin wagt Marx eine langfristige Prognose, eine Art eigene Wachstumstheorie..

Frisch-Slutsky-Paradigma: Annahme, dass Konjunkturzyklen durch zufällige Schocks ausgelöst werden, die durch Mechanismen verbreitet werden, welche sich im Laufe der Zeit auf die Wirtschaft auswirken und so die Zyklen erzeugen. Vgl. Miles, D./Scott, A./ Breedon, F.: Makroökonomie, Weinheim 2014, S.649.

Reales Konjunkturmodell mit Treibern und Bremsern: In einer globalen Wirtschaft hängt die nationale Konjunktur von internationalen, konkreten Einflussfaktoren ab, die auch ein Laie gut beurteilen kann. Zu den Treibern der Konjunktur in Deutschland gehören ein schwacher Euro (Export steigt), niedrige Zinsen/ kaum Inflation (höhere Investitionen, bessere Baukonjunktur), niedriger Ölpreis (niedrigere Rohstoff- und Energiekosten). Zu den Bremsern zählen die Konjunktur in China bzw. den USA (dominierende Länder, Lokomotiven im positiven Fall; auch Protektionismus der USA, Handelskrieg), einzelne Krisen (Griechenland, Syrien/ Irak), Euroschwäche (zweischneidig, weil Rohstoffe und Import von Vorleistungen teurer). Die Rolle von Treiber und Bremser kann wechseln, je nach Ausprägungen. 2018 werden drei Faktoren besonders wichtig: 1. Bevölkerungszahl höher (Geburtenrate steigt, Migranten). 2. Handel wird durch Zölle eingeschränkt, negativ. 3. Autos (weltweit steigt die E-Mobilität, Dieselautos werden eingeschränkt). Die Risiken für die Konjunktur 2019 bestehen in folgenden Faktoren: 1. Brexit. 2. Handelsstreit. 3. Zentralbanken. 4. Anleihen. 5. Staatsverschuldung.

Konjunktur-Indikatoren: Als Spätindikator gilt der Arbeitsmarkt. Frühindikator ist der Auftragseingang. Präsensindikator ist die Entwicklung des BIP pro Monat oder Quartal. Es gibt allerdings auch ein Wandel in den Indikatoren. 2019 scheint sich der Arbeitsmarkt von der Konjunktur abgekoppelt zu haben. Obwohl die Wirtschaft schrumpft, entstehen neue Arbeitsplätze.  Im April 2018 geht der Auftragseingang der Industrie in Deutschland im vierten Monat in Folge zurück (-2,5%; Auftragsflaute, es gibt noch hohe Auftragsbestände). Die Auftragseingänge gehen weiter zurück. Ende 2018 sinkt die Industrieproduktion im Euro-Raum deutlich. Im Mai 2019 sinken die Aufträge der Industrie deutlich (-2,2%; Handelskonflikte, Nachfrage aus Schwellenländern bzw. China, neues Abgasmessverfahren). Im Oktober 2019 gibt es ein unerwartetes Minus von -0,4% bei den Auftragseingängen. Im Juni 2020 gehen die Auftragseingänge nach der Corona-Krise wieder rauf: +27,9% gegenüber Mai. Ende 2022 gehen die Auftragseingänge deutlich zurück. Man ist auf Rezessionskurs. Ende 2023 kommt ein Auftragseinbrauch in der Industrie. Eine anhaltende Schwächephase der Konjunktur zeichnet sich ab.

Spekulation: Sammelbegriff für Einflüsse auf das Schwanken der Wirtschaft: Gier, Hybris, Leichtsinn, Verantwortungslosigkeit. Einerseits ist es ein visionärer Blick nach vorn, Antrieb für Innovationen. Andererseits ist es ein Barometer für Erwartungen, Sorgen, Perspektiven. Das Problem ist der Missbrauch von Spekulation. Gefährlich ist die "Entkopplung" von der Realwirtschaft. Der Spekulant ist so rational, dass er auch mit der Unvernunft kalkuliert. Vgl. Dieter Schnaas: Spekulation im Widerspruch, in: agora 42, 2018, S. 13ff.

Spekulationsblasen: Eine Zeit, in die Wirtschaft verrückt spielt. Alle reißen sich etwa um Aktien eine Firma oder Branche, so dass die Kurse sehr hoch steigen. Das geht so lange, bis einige Investoren die Nerven verlieren und sich zurückziehen. Der Vertrauensverlust lässt die Kurs einstürzen und die Blase platzt. Spekulationsblasen im finanziellen Sektor haben in den letzten Jahren zunehmend die Konjunkturwellen beeinflusst.

Konjunktur-Lokomotive: Wichtige Länder, von deren Wirtschaftsentwicklung die Wirtschaft anderer Länder oder der Welt abhängen kann. Für Welt ist die Konjunkturentwicklung in den USA außerordentlich wichtig. Für die EU hat Deutschland den größten Einfluss auf die Konjunktur. Mittlerweile stellt für viele Länder auch China eine Konjunktur-Lokomotive dar. Mathematisch wird dies mit einer Funktion analysiert (Y eines Landes hängt von y im Ausland ab). "Amerika zuerst bedeutet nicht, Amerika alleine. Wenn die USA wachsen, dann wächst auch die Welt", US-Präsident Trump auf dem World Economic Forum in Davos am 26.01.18.

Konjunkturgutachten: Empirische Stellungnahme der Konjunkturforschungsinstitute in Deutschland zur aktuellen wirtschaftlichen Lage. Diese Gutachten wird jedes Jahr im Herbst und Frühjahr abgegeben. Man spricht von Gemeinschaftsdiagnose (seit 1950; fünf Institute zur Zeit: RWI Essen, DIW Halle und Berlin, Kieler Institut für Weltwirtschaft, Ifo - Institut München). die Institute kooperieren mit der EZB, der Deutschen Bundesbank und dem Statistischen Bundesamt sowie dem Wirtschaftsministerium. Ca. 50 Experten sind beteiligt. Auf einer Klausurtagung werden die Endfassungen verhandelt und festgelegt. Im Frühjahrsgutachten 2018 gibt es folgende Prognosen für 2019: Wirtschaftswachstum +2,0%; Arbeitslose 2,17 Mio (4,8% ALQ); Verbraucherpreise +1,9%. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognose für 2021 im Herbstgutachten 21 von 3,7% auf 2,4% gesenkt (Corona-Krise überwunden, Lieferengpässe bei Vorprodukten). Prognose für 2022 3,9%. .

Rezession: Vor allem die Phase der Rezession (wirtschaftliche Abschwungphase im Konjunkturzyklus) ist schwer frühzeitig zu erkennen und richtig zu datieren. Ein eindrucksvolles Beispiel sind die USA 2008. Der Rückgang des BIP ist immer weniger aussagekräftig (lt. Definition 2 Quartale in Folge Rückgang BIP =Rezession). 2009 haben wir in Deutschland die 22. Rezession seit 1741. Die Frage ist, wann der 23. Boom kommt. Die Bundesbank sagt in einer Prognose Mitte 2009 voraus, das der Aufschwung erst ab Mitte 2010 leicht eintreten kann, erwartet aber insgesamt für 2010 eine Stagnation. Immer wichtiger wird auch die relative Betrachtung: Insgesamt kann man für 2013 in der EU von einer rezessiven Entwicklung sprechen (-0,4%). Eine negative Entwicklung haben insbesondere Italien, Spanien, Portugal, Griechenland und Zypern. Positiv ist die Konjunktur in Estland, Malta, Irland, Österreich, Luxemburg und Deutschland. 2019 gibt es Frühindikatoren, die auf eine Rezession in Deutschland hinweisen: Der Geschäftsklimaindex des Ifo-Instituts als Stimmungsbarometer und die Zunahme der Anzahl der Kurzarbeiter. Auch der Index der wirtschaftlichen Unsicherheit steigt. Die Bruttoinvestitionen in Prozent des BIP gehen schon seit den 1970er Jahren fast kontinuierlich zurück. "Don´t worry"! Berühmte Rede des Reeders Georges Livanos, 1983. "Rezession ist, wenn ein Nachbar seinen Job verliert. Depression ist, wenn man den eigenen verliert", Ronald Reagan ("In a recession, your neighbour loses his or her job, whereas in a depression, you lose yours"). Die Wirtschaft in den USA hatte seit 1960 acht Rezessionen (bis 2012). Durchschnittlich dauerte eine Rezession zehn Monate (Arbeitslosigkeit nicht unter 10%, größter Rückgang des BIP 6%). Die letzte Rezession in dem betrachteten Zeitraum war zwischen 2007 und 2009 (Finanzkrise). Die längste Rezession in der EU dauerte von 2011 bis 2013. 2018 schwächelt das Wachstum, der weltweite Protektionismus steigt. In der EU hätte die EZB keine Möglichkeiten der Zinssenkung mehr. Die Wirtschaftsforschungsinstitute revidieren ihre Wachstumsprognosen für 2019 nach unten. Das Risiko für eine Rezession steigt. "Ich blicke mit großer Sorge auf 2015. Die Wahrscheinlichkeit, dass Europa im nächsten oder übernächsten Jahr in die Rezession abgleiten könnte, ist enorm", Marcel Fratzscher, DIW, 2014. Die Exporte und die Industrieproduktion waren Ende 2018 zuletzt rückläufig. Die Wirtschaftsleistung scheint nachzulassen, ohne das Anlass zur Panik besteht. 2019 werden nur noch mit 0,7% Wachstum gerechnet (Autoindustrie als Schlüsselindustrie schwächelt; zwischen 2008 und 2018 war des Wachstum jeweils wesentlich höher). Viele Firmen drosseln die Produktion. Im zweiten Quartal 2019 geht das BIP schon um -0,1% zurück (im 1. Quartal noch +0,4%; Quelle: StBA). 2023 wird mit einer Rezession gerechnet. Für 2022 wird überraschend noch ein Wachstum von 1,9% erreicht (aber letztes Quartal im Minus). Quelle: Statistisches Bundesamt 2023. Die privaten Konsumausgaben wuchsen um 4,9%. Zu den Schwierigkeiten zählte der extreme Anstieg der Energiepreise, verschärfte Material- und Lieferengpässe, der Fachkräftemangel und die Corona-Pandemie. Weil zwei Quartale hintereinander ein leichtes Schrumpfen kommt (BIP im Minus) kann man zu Beginn 2023 von einer Rezession sprechen. Sie wird dann knapp abgewendet. Über das ganze Jahr 23 wird mit einem leichten Wachstum des BIP gerechnet (+0,2%, Jahreswirtschaftsbericht , Januar 2023. Frühjahrsprognose der Bundesregierung +0,4%). Im März 2023 ist der stärkste Einbruch der Produktion der Industrie  zum Vormonat (-10,7%) seit April 2020 (Corona), Quelle: StBA. Deutschland ist in einer Rezession (zwei 'Quartale hintereinander Rückgang, -0,3%). Am 08.11.23 wird das Gutachten für 2023 vom SRW/ Wirtschaftsweisen vorgestellt (mit Scholz, Habeck, Lindner). Deutschland sei klar in einer Rezession (-0,4% 2023, tatsächlich dann -0,3%) und im kommenden Jahr erwarte man nur eine schwache Erholung (+0,7%; IR +2,6%). Unternehmen und Haushalte seien sehr anpassungsfähig gewesen. Die umfangreichen Maßnahmen zur Umstellung der Energieversorgung und der Abfederung der Wirtschaft hätten gewirkt..

Rezessionen in Deutschland: Stabilisierungskrise 1966/1967. Erste Ölkrise 1974/1975. Zweite Ölkrise 1980. Konsolidierungskrise 1982. Einigungskrise 1991. Konsolidierungskrise 1993. High-Tech-Krise 2002/2003. Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009. Revisionskrise 2012/2013. Vgl. Heilemann, Ullrich: Rezessionen in der Bundesrepublik Deutschland von 1966 bis 2013, in: Wirtschaftsdienst 8/2019, S. 546ff. 2019 verfestigt sich der Abschwung in Deutschland. Im ersten Quartal 2023 rutscht Deutschland in eine Rezession. Zwei Quartale hintereinander ist die Wirtschaft geschrumpft (-0,3%). Es gibt Prognosen, dass die Wirtschaft übers ganze Jahr 2023 schrumpft (-0,3%).

Exkurs. Deutschland im Abstieg?: 2023 steckt die deutsche Wirtschaft in einer handfesten Krise. Das ist sicher keine nur "technische Rezession", wie viele beschwichtigend sagen. Führende Wirtschaftsforschungsinstitute und der IWF sehen eine Schrumpfung des BIP 2023 von -0,3%. Damit ist Deutschland das Schlusslicht der G7 und weit unter dem Durchschnitt der Eurozone (+0,9%). Für diese Situation ist ein Bündel  von Faktoren verantwortlich: hohe Energiekosten (z. B. Großhandelspreise für Strom an der Spitze, Industriestrompreis an dritter Stelle hinter Dänemark und Italien), Inflation, gestiegene Zinsen, schwindende Kaufkraft, schwache Weltwirtschaft, zerstrittene Ampel, Fachkräftemangel (+Rekord bei Offenen Stellen, Rückgang des Erwerbspersonenpotentials), lähmende Bürokratie. Kurzfristige Probleme vermischen sich mit strukturellen. Besonders die Industrie steht schlecht da. Vgl. FAZ 26.7.23, S. 1. Die deutsche Konjunktur ist zweifach belastet: Verbraucher halten sich zurück und Unternehmen geraten in die Krise. In immer mehr Branchen läuft es schlecht: Überkapazitäten in der Autoindustrie, sinkende Gewinne in der chemischen Industrie, Konsumzurückhaltung im Handel, im Maschinenbau und Elektroindustrie nehmen Bestellungen ab. Die konjunkturellen Probleme spitzen sich zu. Vgl. HB 1.8.23, S. 1 und 4. Die Unternehmen selbst beurteilen ihre Geschäftslage negativ. Die Frage ist, wie wir da wieder raus kommen. Vgl. auch: Hägler, Max u. a.: Im Schlaraffenland, in: Die Zeit Nr. 33/ 3.8.23, S. 17. Die Krise scheint sich auch psychologisch auszuwirken. Manche sprechen von einem mentalen Lockdown. Die Fortschrittserwartung nimmt ab. Das Versprechen von Wachstum und Aufstieg verfängt nicht mehr. Vgl. WiWo 32/ 4.8.23, S. 14ff. Êigentlich können wir uns in dieser Situation keine Lagekämpfe mehr leisten. Deutschland geht es ökonomisch schlechter, als die Deutschen dachten. Vgl. Interview mit Armin Nassehi, in: Die Zeit 34/ 10.8.23, S. 23. Viele Wirtschaftsexperten sehen Deutschland vor einer langen Phase schwachen Wachstums. Vgl. Böcking, David u. a.: Der Elan verpufft, in: Der Spiegel 32/ 5.8.23, S. 56ff. Dagegen helfen auch weniger Sofortprogramme. Fachleute sehen strukturelle Ursachen für die Probleme. So sieht man das wohl auch im Ausland: Die ausländischen Direktinvestitionen gehen von 2022 zu 2021 um -50,6% zurück. Vgl. Böcking, David u. a.: Absteiger, in: Der Spiegel 36/ 2.9.23, S. 8ff. Um künftigen Wohlstand zu schaffen, müssen Staat und Unternehmen investieren. Bei den Unternehmen wollen 2024 36% ihre Investitionsbudgets kürzen, nur 27% erweitern (Quelle: Ifo-Institut, München). Im Jahreswirtschaftsbericht des BMWi aus dem Februar 24 werden nur noch +0,2% Wachstum für 2024 erwartet. Die jährlichen Wachstumsraten bis 2030 könnte unter 0,5% liegen. Allein -0,5% geht auf knappe Arbeitskräfte. Vgl. Böcking, D. u. a.: Tief in der Krise, in: Der Spiegel 9/ 24.2.2024, S. 65.

Die reine Statistik sollte allerdings auch relativiert werden. Das Ende der russischen Gaslieferungen hat Deutschland am stärksten in Europa getroffen. 55% aller deutschen Gasimporte stammten aus Russland (Frankreich nur 24%). 2022 hat die Bundesregierung sehr viel Geld gegen Corona ausgegeben (auch Stabilisierung der Wirtschaft). 2023 sind die Staatsausgaben wegen dieses Sondereffektes aber stark gesunken, was die Wirtschaftsleistung auch schmälert. Für 2024 werden 1,3 % Wachstum erwartet (IWF). Dann läge Deutschland im internationalen Vergleich wieder auf einem Spitzenplatz. Vgl. Schieritz, Mark: Da ist doch was faul, in: Die Zeit Nr. 38/ 7.9.23, S. 19.

Rezession in den USA: Die USA sind als Leitwirtschaft die Lokomotive für die Weltwirtschaft. Die FED in New York ermittelt regelmäßig die Wahrscheinlichkeit, dass in den USA eine Rezession eintritt. Sie untersucht dazu vor allem, wie sich die Zinskurve, also das Renditeverhältnis kurzfristiger gegenüber lang laufender Anleihen, entwickelt. Derzeit Mitte 2019 deuten die Signale auf einen baldigen Abschwung hin (Wahrscheinlichkeit 31%). Noch stabilisieren Dienstleistungssektor und robuster Konsum. Ein Konjunktur - Pogramm könnte Trump gegen die Opposition kaum durchsetzen. so bleibt allein die Fed als Hoffnungsträger. "Wenn Amerika niest, bekommt die ganze Welt einen Schnupfen", unbekannt. Die Wirtschaft in den USA hatte seit 1960 acht Rezessionen (bis 2012). Durchschnittlich dauerte eine Rezession zehn Monate (Arbeitslosigkeit nicht unter 10%, größter Rückgang des BIP 6%). Die letzte Rezession in dem betrachteten Zeitraum war zwischen 2007 und 2009 (Finanzkrise). 2020 kommt es zu einer Rezession durch die weltweite Corona-Krise. Dei USA sind schlecht vorbereitet und werden deshalb besonders hart getroffen: Im 1. Quartal 2020 geht das BIP um -4.8% zurück (für das 2. Quartal werden -20% erwartet). Tatsächlich geht das BIP dann um 32,9% zurück (auf Jahr umgerechnet, Statistikbehörde BEA, stärkster Einbruch seit 2. Weltkrieg))

Corona-Konjunkturprogramm in den USA 2021 und IRA 2022 (bei Amtsantritt von Joe Biden): Mit 1,9 Billionen Dollar will Joe Biden die Konjunktur stützen. Der Gesamtbetrag lässt sich in vier Kategorien aufteilen: 1. Hilfe für finanziell gefährdete Haushalte (wer weniger als 75.000 $ verdient, bekommt einen Stimulus-Scheck in höhe von 1400 $). Verbesserte Arbeitslosenunterstützung (wöchentlich um 300 $ aufgestockt). 400 Mrd. $. 2. Hilfe für Unternehmen, insbesondere KMU. 150 Mrd. $. 3. Direkte Hilfen für Familien einschließlich Hilfsschecks in Höhe von 1400 $. 600 Mrd. $. 4. Eindämmung von Covid 19, Impfungen, Hilfe für staatliche und lokale Regierungen und erhöhte Bundesausgaben. 750 Mrd. $. 5. Schulen und Universitäten. 130 Mrd. $. Vgl. Schieritz, Mark: Es drohen Folgen für die ganze Welt. Interview mit dem deutschen Ökonomen Markus K. Brunnermeier, Princeton, in: Die Zeit Nr. 9, 25.2.21, S. 28. Sein Argument: Die Demokraten wollen nicht wieder wie nach der Finanzkrise zu sparsam sein, um in Wahlen die Macht zu verlieren. Vgl. auch: HB 8.3.21, S. 13. Es ist das größte Konjunkturprogramm aller Zeiten. Das Besondere ist, dass die Mittel sofort fließen (im Unterschied zu den europäischen Mitteln). Auch deutsche unternehmen könnten profitieren (z. B. Spezialmaschinen für Impfstoffe). Vgl. Schieritz, Mark: Mr. Biden rettet die Welt, in: Die Zeit Nr. 11, 11.3.21, S. 21. Biden will aber auch die Wirtschaft gerechter machen. Er will die Mittelschicht wieder aufbauen und eine Art Sozialdemokratisierung umsetzen. Vgl. Der Spiegel Nr. 11. 13.3.21, S. 68ff. "Der Arbeiterpräsident". Im Mai 2021 setzen Inflationsängste in den USA weltweit die Aktienmärkte unter Druck. 4,2% steigen die Verbraucherpreise im April 2021. Die Wirkung des Konjunkturpakets scheint eher bescheiden zu sein. Es gibt verschiedene Erklärungen dafür: 1. Wenn es nichts zu kaufen gibt, hilft auch das viele Geld nichts. Es bremst dann eher. 2. Es fehlen in den USA mittlerweile Arbeitskräfte. Wenn die Menschen Geld bekommen, müssen sie nicht arbeiten. 3. Die Erhöhung des Haushaltsdefizits um 15% erhöht die Inflation. Die macht dann alle ärmer, außer diejenigen, die Immobilien, Gold, Aktien u. a. haben. Der Senat billigt mit einer überparteilichen Mehrheit das Infrastrukturpaket am 29.7.21. Es wurde auf 466 Mrd. € reduziert. Der Inflation Reduction Act (IRA) kommt 2022. Er stellt auch riesige Mittel für die Energiewende zur Verfügung. Um die Mittel zu bekommen, müssen Unternehmen ihre Lieferketten vollständig in den USA haben. Das diskriminiert ausländische Unternehmen, insbesondere europäische.

Rezession in China: Im Jahre 2019 verfestigt sich der Abschwung. Die protektionistische Handelspolitik unter Trump zeigt Wirkung. Die Wachstumsrate des BIP sinkt weiter (noch 6,% oder geringer). Die fiskal- und geldpolitische Gegensteuerung zeigt bisher noch wenig Wirkung. Wegen einer Reihe anderer Probleme (vgl. Asien-Seite) fällt das Land als Konjunkturstabilisator aus. Die Corona-Krise reißt das Land in die Rezession. Die Industrieproduktion bricht ein. Prognosen für das BIP-Wachstum 2020 liegen zwischen 1 und 5% (Weltbank, EU-Handelskammer).

Rezession infolge der Corona-Krise 2020: Die Rezession folgt nicht den inneren Regeln eines Konjunkturverlaufs. Ursache ist ein exogener Schock. In Wuhan/ China hat das Virus Covid-19 wahrscheinlich auf einem Fleischmarkt seinen Ursprung (kommt wie alle Corona-Viren und viele andere von Kleintieren). Es breitet sich rasend schnell in der Provinz Hubei aus. Von da erreicht es innerhalb weniger Monate die ganze Welt. In Europa sind Oberitalien, Tirol, Madrid und das Elsass besonders betroffen. Nach und nach wird die ganze Welt erfasst. Es wird zu einem Stress-Test der Gesundheitssysteme. Um das Virus zu bekämpfen, kommt es fast zu einem weltweiten "Shutdown". Dadurch brechen Angebot und Nachfrage gleichzeitig ein. Das muss zwangsläufig zu einer weltweiten Rezession führen. Bei Prognosen muss man vorsichtig sein, da entscheidende Länder noch zeitlich hinterherhinken, vor allem die USA. Das Verschuldungsproblem war schon vor der Krise da, es dürfte sich verschärfen. Dadurch, dass die ganze Welt betroffen ist, dürften sich zahlreiche Multiplikatoreffekte ergeben (China, USA). Die Pandemie stellt die weltweite Arbeitsteilung in der Globalisierung in Frage. Lieferketten könnten geändert werden. Im Sommer 2021 ergibt sich ein getrübtes Bild bei der Konjunktur. Manche Industrieindikatoren schwanken.  Das Kieler Institut für Weltwirtschaft rechnet für 2020 mit -9% BIP. Die Prognose des Münchener Ifo-Instituts geht von Szenarien zwischen -7,5% (1 Monat) und -20% (3 Monate) aus. Der SRW errechnet in einem Sondergutachten folgende Zahlen: Schwere Rezession 2020 zwischen -2,8% und -5,4% Rückgang des BIP in Deutschland, je nach Szenario. die Bundesregierung (BMWi) gibt Ende April 20  -6,3% als Prognose für 2020 aus. Von April bis Juni 2020 ist das BIP um 10,1% (revidiert -9,7%) zurückgegangen im Vergleich zum Vorquartal. Das ist der stärkste Einbruch seit dem 2. Weltkrieg. Anfang September 2020 sieht die Bundesregierung die wirtschaftliche Talsohle überschritten: Doch der Weg zu alter Stärke dürfte lang werden. Die schwache Weltwirtschaft belastet den Export. Das Wirtschaftsministerium revidiert seine Prognose 2020 für das Wirtschaftswachstum auf ein Minus von 5,8%. Das wäre immer noch der schwerste Einbruch der Wirtschaftsgeschichte. 2021 wird mit 3,3 % Wachstum des BIP gerechnet (am stärksten wachsen die Exporte). Das Vorkrisenniveau soll erst 2031 wieder erreicht werden (Quelle: HRI - Konjunkturprognose, Handelsblatt 4.1.21, S. 4f). Die Prognose variiert sehr stark je nach Wirtschaftsforschungsinstitut. Das Wachstum des BIP betrug 2021 2,7%. Das sind weniger als erhofft (Krisenjahr 2020 -4,6%, 2019: +1,1%).

Ökonomische Übertragungsmechanismen in der Corona-Krise:  In der realen Wirtschaft gehen Angebot und Nachfrage gleichzeitig zurück ("Doppelschock", Kenneth Rogoff). Das ist im Vergleich zu großen Krisen vorher neu und manche sprechen hier von einem "Schwarzen Schwan" (extrem seltenes und unwahrscheinliches Ereignis). Es handelt sich um einen realwirtschaftlichen Schock, der fast alle Länder gleichzeitig trifft. Das muss für die Weltwirtschaft verheerend sein (Situation wie bei Spanischer Grippe, aber bessere Ausgangsvoraussetzungen). Viele Firmen in aller Welt schließen die Produktion. So muss z. B. PSA die Produktion in Rüsselsheim und Eisenach zwei Wochen schließen. Auch andere Autofirmen (VW, Audi, Daimler, BMW, Ford) stoppen die Produktion. Weil Vorprodukte fehlen, die Nachfrage einbricht oder Arbeiter geschützt werden sollen. Diese Unternehmen wirken als Multiplikatoren, weil sie viele Zulieferer haben, die dann betroffen sind. Die Lieferketten sind die verwundbarste Stelle (wegen weit verbreiteter Just-in-time-Produktion). Zeitverzögert trifft es die Elektroindustrie und den Maschinenbau. Damit zusammenhängend stockt die ganze Logistik. Extrem stark betroffen sind außerdem die Reise- und Tourismusbranche (einige Fluggesellschaften und Reiseveranstalter gehen Pleite). Vor dem Corona-Ausbruch erwarteten Hotels und Airlines 1520 Mrd. $ Einnahmen, nach dem Corona-Ausbruch noch 699 Mrd. $ (Quelle: WiWo 13, 20.3.20, S. 8). Die Lage der Banken spitzt sich zu (doppelt betroffen). Die deutsche Wirtschaft ist extrem abhängig von Exporten (Nachfrage im Ausland)  und daher besonders anfällig. Allein die Lombardei ist für Deutschland so wichtig wie Japan (Venetien wichtiger als Brasilien) Auch die Nachfrage, vor allem nach Konsumgütern, bricht ein. Vorher kann es zu Hamsterkäufen kommen oder auch zu anderen Formen irrationalen Verhaltens. Beim Öl kommt es zu einem massiven Preisverfall (die Opec will die Förderung kürzen, Russland ist dagegen; Folge ist ein Preiskrieg zwischen Russland und Saudi-Arabien). Am 16.3. kommt es zu einem weiteren Einbruch (tiefster Stand seit 4 Jahren). Die Finanzmärkte reagieren als Frühindikatoren und indizieren die Unsicherheit in der Zukunft. Die Aktienkurse sinken permanent, Goldpreis und Kurs des Schweizer Frankens steigen ("Sichere Häfen"). Am 09.03. ist eine Art "Schwarzer Montag": Es herrscht Panik an den weltweiten Börsen. Die Aktienkurse in Europa und Asien brechen zuerst ein. Dann geht die Börse in New York stark nach unten (größter Abstieg seit 10 Jahren, 15 Minuten Handel ausgesetzt). Spätere Rückgänge der Kurse folgen (meist immer Montag, so auch am16.3.). Am 18.3. geht es weiter nach untern (DAX -5%, Dow Jones -8%). Der Preissturz bei Öl mit wird am 09.03. zum stärksten seit 30 Jahren (seit1991, Golfkrieg). Er geht noch weiter. Am 19.3. geht der DAX erstmals wieder leicht nach oben. Die Corona-Krise dauert lange an. Es kommt eine 2. Welle im Winter 2020/21 und eine 3. Welle im März/ April 2021. Der dritte Lockdown, der politische Vertrauensverlust und das andauernde Impfdebakel verzögern den erwarteten Konjunkturaufschwung. Die Schäden in der Wirtschaft wachsen. Man setzt eine gewissen Hoffung auf China und die USA als Lokomotive. Die neuesten Wachstumsprognosen im März 21 für Deutschland liegen bei nur noch 3,0% BIP-Wachstum 2021. Die Prognose für China liegt bei 9,0%, für die USA bei 6,0%. Bei der Welt insgesamt wird ein Wachstum von 5,0% erwartet. Quellen: IWF, Eurostat. Pro Woche verliert die deutsche Wirtschaft im Lockdown 2,5 Mrd. €.

Ökonomischer Schock/ drei Szenarien (Prognose nach Corona): Es geht zunächst um den BIP-Verlauf. Man spricht von V-Szenario, U-Szenario und L-Szenario. Der Schaden ist bei einem V-Szenario am geringsten. Das BIP kehrt zum früheren Wachstumstrend zurück, was aber lange dauern kann. Bei einem U-Szenario ist der Schaden größer: Das BIP kehrt nicht mehr zum früheren Wachstumstrend zurück, auch nicht, wenn die Wachstumsrate sich erholt. Bei L ist der Schaden am größten. Das BIP erreicht nie mehr den früheren Trend, und die Wachstumsrate bleibt niedriger. Die Wirtschaftsforscher sind Anfang 2021 uneins darüber, wann Deutschland wieder das BIP-Niveau von vor der Krise (2019) erreicht. Die Prognosen gehen von Ende 2021 bis 2022.

Auswirkungen von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine auf die Weltwirtschaft: Wie in den vergangenen Abschnitten dargelegt, waren die Energiepreise schon Ende 2021 und Anfang 2022 sehr hoch. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine treibt die Preise in ungeahnte Höhen. In den ersten beiden Monaten des Jahres 2022 ist der Strompreis für ein durchschnittliches Reihenhaus um +117%, der Gaspreis für ein durchschnittliches Reihenhaus um +37% gestiegen. Der Preis für Brentöl liegt bei 115,62 US-Dollar je Barrel (10.3.), für Gas bei 136,00 € (10.3.). Das ist kein Wunder: Russland ist der größte Gasexporteur der Welt und der zweitgrößte Ölexporteur nach Saudi-Arabien. Deutschland und die EU sind hoch abhängig von beiden Rohstoffen (vgl. Daten dazu oben, GB versucht Saudi-Arabien und die VAE, zu höheren Fördermengen zu bewegen ). Weiter Preis treibend wirkt die wirtschaftliche Isolation Russlands (Sanktionen). Zuerst geraten die Energiekonzerne unter Druck. Dann die energieintensive Industrie. Zuletzt merken die Haushalte die Preisexplosion (Rechnungen im Sommer). Ersatz kann nicht schnell gefunden werden (der größte Teil des LPG ist durch langfristige Verträge gebunden). Die Suche nach einem Ausweg ist nicht einfach, zumal der Krieg viel länger dauert als erwartet. Für die ganze Weltwirtschaft zeichnen sich die Folgen immer klarer ab: Energiepreis-Schock, Wachstumsschwäche, zunehmende Unsicherheit, Stagflation. Genaue Prognosen sind noch nicht möglich. Es droht ein ökonomischer Eiserner Vorhang (zwei Blöcke in einer neuen Weltwirtschafts-Ordnung). Die Friedensdividende ist verschwunden. Länder mit hohem Schuldenstand (z. B. Italien) werden Probleme bekommen. Vgl. Blume, Jacob u. a. : Der Preis der Freiheit, in: HB Nr. 50/ 11.,12.,13. März 2022, S. 6ff. Die OECD geht in einer Studie vom März 2022 davon aus, dass der Ukraine-Krieg die Weltwirtschaft stark belasten wird. Das Weltwirtschaftswachstum werde 2022 um mehr als 1 Prozent niedriger ausfallen. Die Inflation würde sich um mehr als 2,5% zusätzlich erhöhen (drastisch gestiegene Rohstoff- und Energiepreise aufgrund des Krieges). Die OECD fordert Geldleistungen für bedürftige Bevölkerungsgruppen.

Verzicht und Entbehrung als Folge des Ukraine-Krieges: Es gibt Prognosen für die OECD-Länder. Die Inflationsrate dürfte über 2% liegen. Das Wirtschaftswachstum geht um 1% rum zurück. Für Deutschland dürften die Wirkungen gravierender sein, weil Deutschland stärker als andere Volkswirtschaften an Russland hängt. Vgl. auch: Gathmann Florian u. a.: Drohende Entbehrung, in: Der Spiegel Nr. 13/ 26.3.22, S. 26ff.

Inhalt eines ökonomischen Schocks (gegenseitige Verstärkung): 1. "Einfrieren" der Realwirtschaft (sowohl Haushalte als auch Unternehmen haben Cashflow-Probleme und fahren Investitionen zurück. Haushalte und Unternehmen unterlassen Ausgaben und Investitionen. 2. Turbulenz im Finanzsystem: Liquiditätsprobleme (keine Kredite). Kapitalprobleme: Kreditkanäle sind blockiert, Kapitalbildung ist erschwert, Wachstum kommt nicht zustande. Vgl. HBM Mai 2020, S. 46.

Bedingungen für einen V-Verlauf: 1. Die Börse muss mitspielen und Hoffnung geben. 2. Die Firmen müssen optimistisch sein (Geschäftsklima, Ifo-Institut). 3. Die Käufer müssen Wünsche haben (Konsumklima, GfK). 4. Die Anzahl der Kurzarbeiter muss zurückgehen (fast 8 Mio. im Mai 2020, BA). 5. Die Zahl der Arbeitslosen sollte sinken (fast 3 Mio. saisonbereinigt im Mai 2020). Die Bundesregierung rechnet ab September 2020 wieder mit einem kräftigeren Wachstum. Ab Juli 2020 scheint die Talsohle überschritten. Die Frühindikatoren haben sich gedreht (Geschäftsklima, Earlybird). Allerdings handelt es sich bei der Corona-Krise nicht um einen technologischen Schock, sondern um einen externen. Es gibt noch keine Vorbilder. Einige rechnen zwar mit einem V, aber einem asymmetrischen und schiefen. Es könnte auch zu einem Double Dip kommen (nach Anstieg erneuter Wachstumseinbruch). Grund dafür könnte sein, dass keine Weltregion ohne Krise ist. Besonders in den USA schwächelt sogar die Binnennachfrage. Deutschland hat einen hohen Exportanteil. Engpässe bei der Beschaffung könnten auch eine Gefahr für den Aufschwung darstellen.

Coronomics: Das ist der Titel eines Buches von Daniel Stelter, das 2020 in der Corona-Krise entstanden ist (Frankfurt/ New York 2020, Campus). Der Untertitel des Buches zeigt deutlich, worauf sich der Begriff bezieht: Nach dem Corona-Schock: Neustart aus der Krise. Im Kern geht es also um die Logik, was zumacht, muss auch wieder aufmachen. Man könnte den Begriff auch umfassender interpretieren, wenn man ihn auf die Welt der Ökonomie nach Corona bezieht. Stelter selbst wagt folgende Prognose: Aktive Notenbanken, aktive Staaten, Abkehr von der Globalisierung. Neue Prioritäten: Investition statt Konsum. Echte Reformen von Staat und Gesellschaft.

Japan-Syndrom (Japanisierung): Lahmen des Wachstums, Deflation, ständige Turbulenzen an den Finanzmärkten (hohe Volatilität), Crash auf einzelnen Märkten (z. B. Immobilienmarkt), Kluft zwischen Arm und Reich vertieft sich (keine Inklusion), "säkulare Stagnation" (Larry Summers), geringe Unternehmensinvestitionen. Seit mehr als 20 Jahren kämpft Japan gegen die Wirtschaftsflaute. Hauptinstrumente waren hohe Verschuldung der öffentlichen Hand und Nullzinspolitik von Zentralbank/ Finanzministerium. Seit 20 Jahre liegt der Leitzins nahe bei Null. Das Wirtschaftsprogramm von Premierminister Abe, das 2013 begann und Abenomics genannt wird, treibt die beiden Instrumente auf die Spitze. Kurzfristig zeigten sich mal Erfolge in konjunktureller Hinsicht, mittel- und langfristig scheint das Programm zu verpuffen. Was in jedem Falle die Wirkung ist: Der Verfall von Immobilienpreisen und anderen Vermögenswerten kann gestoppt werden. Damit werden die Folgen der Fehlinvestitionen der Reichen abgefedert. Die Zeche zahlen müssen die Armen über ihre Steuern. Insofern kann man bei Japan gut sehen, was der EU bevorsteht. Vgl. H. W. Sinn: Man schaue sich Japan an, in: Die Zeit Nr. 17, 14. April 2016, S. 28. Ausgangspunkt der Entwicklung war die Liquiditätsfalle (Zinsfalle), wie Keynes sie schon beschrieben hat. Die jüngste Neuerung in der japanischen Geldpolitik ist die Steuerung der Zinsstrukturkurve, die am 21. September 2016 angekündigt wurde. Das Ankaufsziel wird aufgegeben und die Zinsstruktur soll gesteuert werden (Nachhaltigkeit).  Immer mehr zeigt sich in Japan, was lockere Geldpolitik anrichten kann. Von den Maßnahmen der Notenbank haben vor allem Alte und Reiche Vorteile (der Unterschied zwischen Arm und Reich hat stark zugenommen, unproduktive Unternehmen überleben, ältere Menschen haben sicherere Jobs, gespart wird bei jüngeren Menschen). Die Regierung führt 2017 eine originelle Regelung ein, um den Konsum in Japan anzuregen. Einmal im Monat soll es einen Premium-Freitag geben, an dem die Japaner um 15.00 Uhr aufhören zu arbeiten, damit sie Zeit haben, ihr hart verdientes Geld auszugeben. 2018 spricht man von einer Japanisierung der Euro-Zone. Mit der lockeren Geldpolitik hat die EZB zwar Banken und Unternehmen gerettet. Aber die Bürger müssen dafür zahlen. Vgl. Wieland Wagner: Japan. Abstieg in Würde. Wie ein alterndes Land um seine Zukunft ringt, DVA, München 2018: Japans Wirtschaft, die lange Zeit als unbesiegbar galt, befindet sich seit Jahrzehnten in einer Abwärtsspirale. Die Stagnation verändert den Alltag und die Gesellschaft in Japan, das sich tief greifenden Reformen verweigert. Was dieses Buch so interessant macht, ist, dass wir in Deutschland viel daraus für uns lernen können.

Konjunkturprogramm: Die Konjunkturprogramme haben das Ziel, Rezessionen abzufedern bzw. schneller aus Rezessionen herauszuführen. Sie haben weltweit gemeinsame Grundbestandteile: 1. Steuersenkung für die Bürger, damit der Konsum steigt. 2. Steuersenkungen für Unternehmen, damit die Investitionen ansteigen. 3. Mittelstand und Start-ups fördern, damit der Strukturwandel besser läuft. 4. Investitionsprogramm (zusätzlich Hilfen für Unternehmen). 5. Kurzarbeit erleichtern, damit beim Aufschwung die Arbeitsressourcen sofort durchstarten können. Im Sommer 2019 lehnt die Regierung noch ein umfassendes Konjunkturprogramm ab. Sie setzt auf Bürokratieabbau und niedrige Steuern.

Konjunkturpolitik in der Krise: Das Bruttoinlandsprodukt wird im Jahre 2019 voraussichtlich nur um ein halbes Prozent wachsen (globale Handelskonflikte, Brexit). Eine Wachstums- und Konjunkturfördernde Politik, die den anstehenden Herausforderungen im Hinblick auf Klima-, Energie- und Verkehrswende gerecht wird, scheint konsensfähig zu sein. Dafür wären steigende öffentliche und private Investitionen notwendig. Unterschiedliche Auffassungen gibt es allerdings darüber, inwieweit dies mit Defiziten im Staatshaushalt verbunden werden sollte. Vgl. Dullien, S. u. a.: Konjunkturpolitik in der Krise, in: Wirtschaftsdienst 2019/11, S. 747ff.

Wirtschaftspolitische Maßnahmen in der Corona-Krise: Der SRW in Deutschland erstellt ein Sondergutachten. Hierin werden die Maßnahmen der Bundesregierung umschrieben und systematisiert und weitere Empfehlungen gegeben. Die Systematik der Wirtschaftspolitik des am 30.3. vorgestellten Gutachtens ist wie folgt: 1. Schutz der Gesundheit. 2. Klare Kommunikation. 3. Erhalt der Kapazitäten. 4. Stabilisierung des Einkommens. 5. Zeit nutzen. Zu 3. gibt es folgende Maßnahmen:  Liquidität und Bürgschaften, Steuerstundungen und Verlustausgleich, Vereinfachtes Kurzarbeitergeld und Elterngeld, Flexibilisierung der Arbeitszeit, temporäre staatliche Beteiligungen, Sicherstellung freier Warenverkehr und Lieferketten. Zu 4: Automatische Stabilisatoren, Lohnfortzahlung bei Quarantäne und Krankheit, direkte Zuschüsse und Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz, Impulse für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Quelle: Sondergutachten des SRW zur Corona-Krise, 30.3.20, Homepage des SRW.  Der SRW rechnet in einer Prognose im Juni 2020 mit - 6,5% Schrumpfung für das ganze Jahr 2020; ab Juli 2020 könnte die Wirtschaft schon wieder um wachsen (V-Verlauf). Für 2021 prognostiziert der SRW + 4,9%. Es sind dann aber nur 2,7%, weil immer neue Corona-Varianten kommen.

Konjunkturpaket in der Corona-Krise: In der Diskussion ist noch ein Konjunkturpaket. Es soll nach dem Höhepunkt der Krise Anschub leisten. Es soll dabei auf die Asylrücklage zugegriffen werden. Manche Experten sprechen sich für ein europäisches Paket aus. Man muss auch weitere unkonventionelle Lösungen finden (Steuererlass, Zuschüsse). Kurzfristige Betriebsschließungen wären für viele besser als verlangsamt laufen. Helikoptergeld wäre die letzte Lösung. Alle Mittel gegen den Absturz müssen kreativ durchdacht werden. Es geht um Durchhalten. Am 21.3. plant die Bundesregierung einen Nachtragshaushalt in Höhe von 156 Mrd. € (ungefähr die Hälfte des normalen HH) für finanzielle Hilfen. Das ist eine Steigerung um 40%. Weiterhin wird es Steuermindereinnahmen in Höhe von 33,5 Mrd. €. Insgesamt werden 600 Mrd. € eingesetzt. Die Grenzen der Schuldenbremse werden überschritten. Der Bundestag genehmigt die Rettungspakete schon am 25.3. Deutschland liegt im Moment bei 60% des BIP. Damit kann auch der Garantierahmen für staatliche Kredite und er KfW erhöht werden. Auch die Einnahmelücke, die die Krise bedingt, kann damit ausgeglichen werden. Das Maßnahmenpaket wird immer wieder verlängert, zuletzt bis Februar 2022.  Staatsbeihilfen (Beteiligungen, Hilfskredite) erhielten 2020 unter andere, folgende Firmen: Curevac, Tui, Sixr, Puma, Media Markt, Leoni, Kion Group, Tom Taylor, adidas, ThyssenKrupp. In der Region Pfalz stellt die staatliche Förderbank KfW knapp 300 Mio. € für Unternehmen zur Verfügung. Die höchsten Summen fließen nach Pirmasens und Kaiserslautern.

Konjunkturpaket nach der Krise (Konjunktur II, 130 Mrd. €): 1. Säule: Arbeitnehmer und Unternehmen weiter unterstützen (Liquiditätshilfen, Verlängerung der Kurzarbeit). Nachfolgeprogramm für Kleinunternehmen und Solo-Selbständige (Lücken schließen. Gastgewerbe, Reisebüros, Veranstaltungslogistik, Messebranche). Zukunftspaket Kultur (alternative Verbreitungsformen). 2. Säule: Stärkung der Nachfrage. Anregung von Konsum und Investitionen (degressive Abschreibung, Wahlrecht der Besteuerung, Insolvenzrecht flexibler). 3. Säule: Modernisierung der Wirtschaft. Förderung der nachhaltigen Mobilität. Unterstützung von Wasserstoff (9 Mrd. €). Kriterien des Konjunkturprogramms sind Zukunftsfähigkeit, Nachhaltigkeit, Wirkung und Kosten. Von den 130 Mrd. € übernimmt der Bund 120, die Länder 10. 80% des Programms sollen kurzfristig 2020/21 wirken. Konkret enthält das Paket folgende Maßnahmen: Mehrwertsteuersatz wird von Juli 2020 bis Ende 2020 von 19 auf 16% gesenkt (ermäßigter Satz von 7 auf 5%). Die Prämien für E-Autos werden auf 6000 € erhöht. Bahn und Nahverkehr werden gefördert. Die Unternehmen werden für 6 Monate bei der Gewerbesteuer entlastet. Die Unternehmen bekommen insgesamt noch mal 25 Mrd. €. Die Energiekosten (EEG) werden gedeckelt. 50 Mrd. € fließen in Klimaschutz und Umwelt (klimafreundliche Gebäudesanierung). Es gibt einen Zuschuss für Familien mit Kindern von 300 €. Kitas werden gefördert. Die Sozialbeiträge werden gedeckelt. Die Kommunen werden bei den Sozialkosten entlastet. 2,5 Mrd. € Fließen in Digitalisierung (Volldigitalisierung der Verwaltung, KI, Glasfaserinfrastruktur, 5G).

Wirkungen der Konjunkturprogramme (Unwägbarkeiten): Doch darf nicht übersehen werden, dass das Paket auch seine Grenzen hat: 1. Mit dem Rückgang der Globalisierung wird auch die weltweite Nachfrage nach deutschen Waren abnehmen (Autos, Maschinen, Chemieprodukte). 2. Die USA und China fallen als Konjunkturlokomotive diesmal aus. 3. Die demographische Entwicklung senkt die Zahl der Menschen im Erwerbsalter (weniger Erwerbstätige, mehr Rentner). 4. Die Finanzprobleme dämpfen in den nächsten Jahren das Wachstum. Vgl. auch: Sauga, M.: Grenzen des "Wumms", in: Der Spiegel 24/6.6.20, S. 76. Das Konjunkturpaket verzögert sich, weil für fast alle Förderprogramme die Zustimmung aus Brüssel fehlt. Zuerst kommt die Unterstützung für den öffentlichen Personennahverkehr. Langfristig sind die Folgen der Programme noch nicht absehbar: Bei den Erwerbstätigen kann der Einbruch in Grenzen gehalten werden: 2020 -380.000 (2019 + 400.000; 2021 + 190.000; Quelle: BMWi, Interimprojektion 2020, auch für die nächsten Zahlen). Beim BIP wird der Rückgang ständig zum Positiven hin revidiert: zuletzt -5,8 2020, 2012 +4,4%. Konsumausgaben 2020 -6,9% (2019 +1,6%; 2021 +4,7%). Beim Export sollen die Rückgänge 2020 bei -12,1% liegen (2021 +8,8%). Die Wirkungen einiger Subventionen könnten negativ sein (wenig wettbewerbsfähige Strukturen erhalten). Besonders negativ könnten die Prämien für E-Autos sein (Firmen machen vorher Aufschläge, nur eine Technologie wird gefördert). Stand 04. Januar 2022 hat der Bunde in der Pandemie folgende Finanzielle Unterstützungen geleistet: Zuschüsse 75,3 Mrd. Euro; Kredite 55 Mrd. Euro; Kurzarbeitergeld 42 Mrd. €. Quelle: Bundeswirtschaftsministerium.

EU-Hilfspaket in der Corona-Krise: EU-Länder, die besonders stark von Corona betroffen sind bekommen Hilfen für den Staatshaushalt aus dem ESM (200 Mrd. €). Diese Hilfen sind an Bedingungen geknüpft, aber sie sind garantiert. Bei der EIB stehen Mittel in Höhe von 200 Mrd. € für Unternehmen zur Verfügung. 25 Mrd. € sind darunter für Kleinunternehmen. 100 Mrd. an Mittel der Kommission werden für ein europäisches Kurzarbeitergeld eingesetzt. Bonds werden vertagt. Später soll noch ein Wiederaufbau-Paket verhandelt werden. Frankreich und Griechenland haben schnell Projekte. Italien und Spanien tun sich schwer. Später kommt ein Corona-Hilfsfonds gegen die Folgen der Corona-Krise (im Juli 2020 vereinbart, 750 Mrd. €). Der deutsche Ausgabenplan davon in Höhe von 25 Mrd. € wird im Juni 2021 von der EU gebilligt.

Wiederaufbau-Programme nach Naturkatastrophen: Im Zuge des Klimawandels und von Umweltsünden häufen sich Naturkatastrophen, auch in Deutschland. 2021 werden sehr stark der Süden von NRW und der Norden von Rheinland-Pfalz getroffen. Das Bundesfinanzministerium schätzt die Wiederaufbaukosten über 6 Mrd. €. Das ist nur mit öffentlichen Mitteln von Bund und Ländern zu stemmen. Die Hilfen sollen schnell auf den Weg gebracht werden. Das Bundeskabinett beschließt am 18.8.21 die Einrichtung eines Fonds zur Wiederaufbauhilfe in Höhe von 30 Mrd. €

Hilfspaket der Bundesregierung für Unternehmen im Ukraine-Krieg ("Stoßdämpfer"): 1. Allgemeiner Zuschuss für hohe Energiekosten. 2. 100 Mrd. Euro Kreditgarantien für dei Energiewirtschaft. 3. KfW-Kreditprogramm. 4. Bürgschaften. 5. Eigenkapitalhilfen nur in Einzelfällen, keine Einigung beim WSF. Vgl. HB, 11.4.22, S. 7.

Konjunktur in der 2. Welle im Herbst 2020: Die Konjunktur ist ab September 2020 in einer leichten Aufschwungphase. Dann kommt die 2. Welle. Sie trifft Deutschland und auch die anderen Staaten der EU. So dürfte es wieder zu negativen Ausschlägen kommen: Direkt in der Gastronomie und im Tourismus (Dienstleistungen, Kurzarbeit; Rückgang der Wertschöpfung). Der Konsum dürfte wieder nach unten gehen. Er hat einen hohen Anteil am Negativ-Trend. Wichtige Exportländer dürften ihre Nachfrage einschränken (USA: Anteil 9%, Frankreich: Anteil 8%; Niederlande: Anteil 7%; GB: Anteil 6%; Italien: Anteil 5%; Österreich: Anteil 5%). Hoffnung macht die positive Entwicklung in China. Vgl. Schieritz, Mark: Die Jo-Jo-Wirtschaft, in: Die Zeit Nr. 44, 22.10.2020, S. 21.

Wettbewerbsstärkungsgesetz bzw. Wachstumschancengesetz 2023/ 24: Das Bundesfinanzministerium will Unternehmen mit verschiedenen Maßnahmen steuerlich entlasten (Reformbündel). Es geht um einen Milliardenbetrag (1,4 Mrd. €). Der wird später auf 6 Mrd. € aufgestockt. Kernpunkte sind eine Investitionsprämie und Forschungsförderung (-zulage). Elemente insgesamt sind: Investitionsprämie für Klimaschutzinvestitionen. Steuerliche Forschungsförderung. Verlustverrechnung. Bürokratische Hürden abbauen (kein Meldeschein in Hotels für Deutsche, mehr digital in Unternehmen). Weitere Elemente sind: Sonderabschreibung (§ 7 g EStG), Thesaurierung (§34 a EStG), Verlustverrechnung, geringwertige Wirtschaftsgüter. Es sollen bessere Abschreibungsregelungen für den Wohnungsbau kommen. KMU sollen speziell unterstützt werden. Der Industriestrompreis ist noch nicht enthalten (erbleibt umstritten). Im August 2023 scheitert das Gesetz im Kabinett an einem Veto von Lisa Paus (Revanche für Scheitern der Kindergrundsicherung). Nach der Einigung auf Eckpunkte der Kindergrundsicherung dürfte die Einigung für das Gesetz bald kommen. Man erzielt sie auf der Kabinettssitzung in Meseberg. Ein Gesetz muss noch durch Bundestag und Bundesrat, wo es Änderungen geben dürfte. In der Haushaltsdebatte im September 2023 erweitert Kanzler Scholz in seiner Rede das Ganze sogar Richtung "Deutschlandpakt". Im Koalitionsstreit  wird das Gesetz erst blockiert. Es wird mit der Kindergrundsicherung von den Grünen verknüpft. 2024 drückt Finanzminister Lindner aufs Tempo. Die Standortbedingungen müssen verbessert werden. Es soll ein Plan gegen die strukturelle Wachstumsschwäche kommen.  Verschiedene Ideen sind im Raum: Steuererleichterungen/ Habeck, Soli abschaffen/ Lindner. Es gibt drei Finanzierungsoptionen: 1. Sondervermögen. 2. Schuldenbremse-Reform. 3. Staatsfonds. Vgl. HB 6.2.24, S. 4f.. Über den Bundesrat blockiert die Union 2024 das Gesetz. Es gibt auch ein "Nein" im Vermittlungsausschuss. Sie bindet ein "Ja" an den Agrardiesel. Die Zustimmung des Bundesrates ist 2024 noch offen.  Zu bedenken ist, dass der Bund schon heute daran scheitert, vorhandene Fördermittel auszugeben.Wegen Bürokratie, Fachkräftemangel und fehlendem politischen Reformeifer entgehen der Wirtschaft viele Milliarden. Vgl. Coffart, D./ Wettlach, S.: Sack zu, in: WiWo 32/ 4.8.23, S. 27ff. "Das Wachstumschancengesetz sieht dabei die Einführung einer Investitionsprämie vor, um die erforderlichen Transformationsprozesse zu beschleunigen und Investitionen in energieeffiziente Wirtschaftsgüter zu fördern. Unser Ziel ist eine bürokratiearme und beihilfekonforme Förderung, die unternehmerische Transformationsinvestitionen auf breiter Front freisetzt. Darüber hinaus hat das BMF vorgeschlagen, im Wachstumschancengesetz eine Ausweitung der Forschungsförderung, des Verlustabzugs und von Abschreibungsbedingungen vorzunehmen sowie das Steuersystem einfacher und fairer zu gestalten. Das sind wichtige Schritte, um die Investitionsbedingungen in Deutschland zu verbessern. Klar ist aber auch, dass es sich hierbei nur um erste Schritte handelt, die den fiskalischen sowie beihilferechtlichen Restriktionen Rechnung tragen." Siehe Lindner, Christian: finanzpolitische Zeitenwende - das Fundament für Wachstum schaffen, in: Wirtschaftsdienst 8/ 2023, S. 530-538. Die steuerlichen Mindereinnahmen durch das Gesetz betragen 7035 Mio. €. Davon: Echte Entlastung 1960 Mio. €. temporäre Verschiebung 5075 Mio. €. Quelle: BMF.

Boom (Hochkonjunktur): Die Märkte sind überhitzt. Normalerweise ist die Situation auch mit steigenden Preisen verbunden. Konsum (Haushalte haben hohen Verbrauch) und Investitionen (scheinrentable Investitionen der Unternehmen) steigen stark. Die Produktivität sinkt. Die Flaute ist dann vorprogrammiert. Konkret zeigt sich in der EU und in Deutschland: Die Bilanzsummer der EZB wächst stark, die Kapazitätsauslastung ist hoch, der Häuserboom ist hoch.  Deutschland ist 2017 in solch einer Boomphase. Niedrigzinsen der EZB zerstören die Sparanreize. Der Immobilienmarkt ist überhitzt (die Vermögenspreise steigen stark). Es gibt eine Blase bei Firmenübernahmen. Billiggeld bremst Innovationen aus. Man müsste jetzt dringend investieren (Breitband, Schulen, Hochschulen, Verkehrswege, Energie). Schulden sollten weiter getilgt werden. Die größte Bedrohung geht von Protektionismus (Trump, Brexit) und Instabilitäten aus (Naher Osten, Nordkorea). Es könnte aber zum längsten Boom der deutschen Nachkriegsgeschichte kommen (niedrige Zinsen, wettbewerbsfähige Unternehmen, funktionsfähiger Arbeitsmarkt, Bedarf an Investitionsgütern weltweit). Auch Ende 2017 und wahrscheinlich 2018 ist der Aufschwung in Deutschland kräftig. Frühindikatoren deuten darauf hin (Auftragseingang +1%). )Die Arbeitsmarktlage verbessert sich weiter. Der Preisauftrieb nimmt nur leicht zu. Deutschland profitiert von der besseren Konjunktur im Euroraum. Besorgniserregend sind die hohen Schuldenstände bei den öffentlichen Haushalten. Deutschland hat 2018 das zehnte Wachstumsjahr in Folge. Der Export boomt, Löhne steigen, bald herrscht Vollbeschäftigung. Es gibt aber auch objektive Warnindikatoren für die Zukunft (sinkende Ausgaben für Forschung und Entwicklung, Rückgang der öffentlichen Investitionen).

Lange Wellen der Konjunktur: Langfristige Konjunkturzyklen hat der russische Ökonom Nikolai Kondratieff (1892-1938) erforscht. Seine berühmten Aufsätze sind auf deutsch 1926 und 1928 erschienen. Die Ideen griff der österreichische Ökonom Schumpeter auf und benannte die Zyklen nach ihm (ca. 50 Jahre).  Das Leben von Kondratieff verlief tragisch. Er saß 8 Jahre in Haft, dann ließen ihn die Kommunisten erschießen. Er stellte eine Bedrohung für die marxistische Wirtschaftstheorie dar. Seine Theorie geht von Basisinnovationen aus, die Strukturbrüche verursachen. Interessant ist es heute entsprechende Umbrüche zu identifizieren (Computerisierung? Internet?). Vgl. Erik Händeler: Die langen Wellen der Konjunktur, 2013.

Wachstumsrechnung: Das beobachtete Wachstum des Bruttoinlandsprodukts soll auf den Anstieg verschiedener Produktionsfaktoren zurückgeführt werden.

Die moderne Wachstumstheorie ist vor allem eine Theorie des endogenen Wachstums (durch wirtschaftspolitische Steuerung der Faktorallokation kann langfristig eine positive Wachstumsrate erzielt werden, ohne exogenen technischen Fortschritt). Bekannt ist hier vor allem das Modell von P. Romer und R. Lucas. Wird die Wirtschaftspolitik auch ausgeschaltet (Politikineffektivität) spricht man von semi-endogenem Wachstum. Harrod-Domar-Modell: Ausgangspunkt ist die Keynessche Annahme, dass es keinen Mechanismus zur Anpassung der Investitionen an das Sparverhalten gibt. Das Modell zeichnet einen Wachstumspfad mit labilem Gleichgewicht ("Wachstum auf des Messers Schneide"). Dieses Modell, das in seiner einfachen Struktur auf Domar zurückgeht,  behandele ich im Unterricht (vgl. Puhani, J.: Volkswirtschaftslehre für Betriebswirte, München 2009, S. 125). Daneben gibt es noch folgende Wachstumsmodelle: neoklassische Modell von R. Solow (geb. 1924, Nobelpreis 1987, technischer Fortschritt entscheidend, deshalb baut er Innovationen ein). Höchstens 50 Prozent des langfristigen Wachstums sind durch höheren Einsatz von Arbeit und Kapital erreichbar, der Rest ist Folge des technischen Fortschritts. "Da die Wachstumsrate des technischen Fortschritts exogen gegeben ist, bestimmt sie und nur sie allein die stetige Wachstumsrate der Wirtschaft", Robert Solow. Das hybride Wachstums-Modell von Barro und Sala i Martin als Weiterentwicklung des Modells von Solow. Es führt das Wachstum der Weltwirtschaft langfristig auf die Innovationen in den führenden Ländern zurück. Von fundamentaler Bedeutung ist die Tatsache, dass sich demokratische Staaten ohne Wachstum nicht regieren lassen (Umverteilung!). Das Wachstum muss immer wieder durch finanzpolitische Maßnahmen unterstützt werden, die mit Staatsverschuldung finanziert werden. Dies dürfte auch die Weltwirtschaftskrise 2008/ 2009 mit verursacht haben. Deutschland braucht z. B. ab 2010 ein Wachstum von 3%, um die Verschuldungsprobleme in den Griff zu bekommen. Das durchschnittliche Wachstum geht in den Industrieländern immer weiter zurück. In den G7-Ländern war es mit 5,1% zwischen 1960 und 1969 am höchsten. Zwischen 2000 und 2010 betrug es nur noch 1,3%. 2013 warnt der amerikanische Ökonom Larry Summers, dass den Industrieländern eine lang anhaltende Flaute bevorsteht. Das tatsächliche Wachstum bleibt weit hinter dem langjährigen Trend zurück. Wichtige Gründe sind: Erstens wird zu viel gespart und zu wenig investiert. 2. Finanzblasen sind ein Versuch, Vollbeschäftigung künstlich zu erreichen. Die Blasen platzen immer wieder. Vgl. Die Zeit, Nr. 49, 28. Nov. 2013, S. 23. Die Strategie 2020 für Wachstum und Beschäftigung von 2010 der EU zeigt, dass man nicht viel aus der Krise gelernt hat. Im Jahre 2005 hatte die EU in Lissabon "Integrierte Leitlinien" für Wachstum und Beschäftigung schon mal beschlossen. Darauf bauten die 27 Staaten nationale Reformprogramme auf. Bis 2010 sollten drei Prozent des BIP in Forschung und Entwicklung investiert werden. 2012 betrug in Deutschland das Wachstum des BIP real 0,7% (2011 3,0%). Im 2. Quartal 2013 wächst die Wirtschaft in Deutschland nach einer Rezession wieder mit 0,7% (0,3% in der EU). 2015 ist die deutsche Wirtschaft um 1,7% gewachsen (Konsum, Ölpreis; 2014: 1,6%). 2016 beträgt die Wachstumsrate 1,9%. Für das Jahr 2017 werden 1,5% erwartet (EU-Kommission, ifo, IWF; SRW und RWI liegen bei 1,3%; Jahreswirtschaftsbericht bei 1,4%). Deutschland und Spanien sollen 2017 die Lokomotiven des Wachstums in der EU sein. Tatsächlich wächst das BIP 2017 um 2,2%. Der private Konsum war die treibende Kraft (+2,0%) zusammen mit den Bruttoinvestitionen (+3,0%). Die Bundesregierung rechnet für 2018 mit 2,3% Wachstum (Jahreswirtschaftsbericht, Januar 2018). Tatsächlich werden es dann 1,5%. Für 2019 rechnet die Bundesregierung nur noch mit einem Wachstum von 1,0%. Es werden tatsächlich nur 0,6%. Konsum und Bauboom stützen. Handelsstreit und Brexit belasten. Originalliteratur: Lucas, Robert. E.: Studies in Business - Cycle Theory, Cambridge, London 1981. Harrod, Roy Forbes: Towards a Dynamic Economics, London 1948. Fogel, Robert William: Railroads and American Economic Growth. Essays in Econometric History, Baltimore 1964. Es war seine Dissertation. 1993 bekam er den Wirtschaftsnobelpreis.

Langfristige Entwicklung: In den Wachstumstheorien fehlen Faktoren wie geographische Lage, Qualität der Institutionen und Wirtschaftspolitik. Für Landwirtschaft und Handel ist die Lage extrem wichtig. Akzelerator - Modell: Modell, demzufolge die Investitionen von der Änderung des Outputs abhängen (Accelerator Model). Bei kleineren Rezessionen wirkt der Akzelerator hauptsächlich über Veränderungen der Lagerbestände (vgl. Krugman, P.: Die große Rezession, Frankfurt/ New York 1999, S. 181 ff.). Nachhaltiges Wachstum können nur rentable Investitionen bringen (2016 wird nur noch mit 1,1% Zuwachs der Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland gerechnet).

Wirtschaftswachstum als Ziel und Umkehrung: Es ist im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967 für Deutschland festgelegt (Formulierung: "angemessen"). Dass ist Wirtschaft ständig wachsen soll, ist auch heute noch das Ziel fast aller Volkswirtschaften. In der Realität sieht es aber nach der Finanzkrise 2008 ganz anders aus. Insofern wäre zu überlegen, sich von dem Ziel zu verabschieden und in Richtung Nachhaltigkeit zu denken. Allerdings wäre eine solche Umstellung voller Tücken: Man brauchte einen kulturellen Wandel, verkleinerte Industrie und mehr Selbstversorgung, andere Erfolgsmaßstäbe der Unternehmen, Naturkapital, andere Umverteilung und vieles andere mehr. Die Eurozone hatte im Jahr 2014 ein Wachstum von 0,9%. Die USA wuchsen seit 2011 nur um 2 % (Prognose 2015: 2 Prozent). Deutschland hat für 2015 eine Prognose von 1,6% (tatsächlich liegt das Wachstum bei 1,7%). GB wächst seit der Finanzkrise erst wieder 2015. Frankreich erwartet 2015 1,1%. Für Japan lieht die Prognose für 2015 bei 0,7%. Brasilien, als Wachstums - Vorzeigeland, soll 2015 bei -0,8% liegen. 2016 hat die Euro-Zone die höchste Wachstumsrate aller großen Industrieländer mit 1,7% (USA 1,6%, Kanada 1,3%, Japan 0,9%). 2017 wächst Deutschland beim BIP mit 2,2%. Im Frühjahr 2018 korrigieren die Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognose für 2018 auf 2,2% (2019 2,0%). Im ersten Quartal 2018 wächst die Wirtschaft aber nur um 0,3% gegenüber dem Vorquartal (Ölpreis, möglicher Handelskrieg). Für 2022 wird überraschend noch ein Wachstum von 1,9% erreicht. Quelle: Statistisches Bundesamt 2023. Die privaten Konsumausgaben wuchsen um 4,9%. Zu den Schwierigkeiten zählte der extreme Anstieg der Energiepreise, verschärfte Material- und Lieferengpässe, der Fachkräftemangel und die Corona-Pandemie. "Das Schrumpfen der Wirtschaft aus ökologischen Grünen wird nicht funktionieren. Die Mehrheit akzeptiert keinen sinkenden Lebensstandard", Andrew McAffee, MIT, 2020 (s. WiWo 36/ 28.8.20, S. 40).

Wachstumsgrenzen: Die Menschheit und die globale Konsumwirtschaft können nicht auf unbestimmte Zeit weiter wachsen, denn irgendwann wird es nichts mehr geben, was man verbrauchen kann. Es gibt auch noch Ökonomen, die meinen, der Markt könne die Ressourcenknappheit lösen. Der Lösungsmechanismus läuft über den Preis, z. B. beim Öl. Das funktioniert jedoch nicht immer, vor allem nicht bei Umweltgütern wie Fischgründe und dem Klima für die starke Eigentumsrechte fehlen. Man weiß aber nicht genau, wo die Grenzen liegen. Der erste, der diese Grenze versucht hat zu definieren war Thomas Malthus (1766-1834). Nach Malthus wuchs die Bevölkerung exponentiell oder geometrisch, die Nahrungsmenge dagegen linear oder arithmetisch (begrenzte Ressourcen). "Die Potenz der Bevölkerung ist unendlich viel größer als die Potenz der Erde, den Lebensunterhalt der Menschheit zu erzeugen", Thomas Malthus, 1798.

Nachhaltiges Wachstum: Orientierung an sozialen und ökologischen Vorgaben. Neue Wachstumsstrategie mit Chancengerechtigkeit. Ziel ist die intergenerationelle Gerechtigkeit. Danach dürfen künftige Generationen nicht durch die Lebensweise der gegenwärtigen Generationen beeinträchtigt werden. Vgl. Hauff, M. v.: Nachhaltiges Wachstum - ein anderer Weg, in: WISU 12/2015, S 1353ff. Die Kapitalschwemme, die heute da ist, sollte in die Realwirtschaft (innovative Technik, ressourceneffiziente Infrastruktur) investiert werden. Eine Agrarwende ist erforderlich. Die Urbanisierung (produziert Slums) sollte gebremst werden. Vgl. G. Müller: Unfair, Hamburg 2017, S. 158. Der lange Wachstumstrend - wie er auch 2018 noch anhält - ist unüblich und eine exzellente Möglichkeit in die Zukunft zu investieren, auch in Nachhaltigkeit (vgl. IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld: Ich sehe keine Immobilienblase, in: Die Zeit, Nr. 5, 25.01.18, S. 27). Im Januar 2015 begrüßten Studenten die Teilnehmer der Jahrestagung der American Economics Association mit ihrer Kulturkritik und dem Plakat "Is Economic Growth Killing the Planet"? an der Straßenfront des Bostoner Sheraton Hotels. Nach den vielen Lockdowns spricht man 2021 vom neuen Wachstum: Die Firmen kommen wieder, die Konsumenten geben mehr Geld aus, die Energiewende regt die Umwelttechnik-Branchen an. Vgl. auch: Nienhaus, Lisa: Das neue Wachstum, in: Die Zeit Nr. 24, 10. Juni 2021, S. 21.

Klimaverträge 2024: Am 12.3.24 eröffnet europaweit das erste Gebotsverfahren für sogenannte Klimaschutzverträge. Wenn betriebe ihre Produktion umstellen, etwa von Öl auf Wasserstoff, müssen sie investieren. Da dei klimafreundlichere Produktion erst einmal teuerer ist, gleicht der Staat diei Kostendifferenz zur Produktion mit fossilen Energie - Trägern aus. Wird die klimafreundlichere Produktion mit der Zeit günstiger, zahlen die Unternehmen die Differenz an den Staat zurück. Die Klimaschutzsubventionen sollen an firmen aus energieintensiven Brachen wie chemnie, Zement, Papier oder Gips fließen. Innerhalb der kommenden vier Monate können sich die Unternehmen um Förderung bewerben. Es soll eine Antwort auf IRA in den USA sein. Vgl. HB 12.3.24, S. 1 und 4.

Inklusives Wachstum (Inclusive Growth): Wachstum, das möglichst viele gesellschaftlichen Gruppen einschließt. Dazu muss der Lebensstandard unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen gemessen werden. Die OECD versucht das. Es besteht eine Gefahr dieses Konzeptes darin, dass die Politik nach eigenem Gusto interpretiert. Aus internationalen Durchschnittswerten werden Empfehlungen gegeben. Es besteht noch ein Theoriedefizit.

Wachstum und Wirtschaftsstruktur (Unternehmen): Die kapitalistische Wirtschaft funktioniert, wenn die Wirtschaftsleistung wächst. Nur wenn es Wachstum gibt, kann die Mehrheit der Unternehmen Gewinne erzielen. Gewinne sind für Unternehmen notwendig, um zu investieren und am Markt bestehen zu können. Unternehmen bekommen nur Kredite oder sind für Investoren interessant, wenn sie Gewinne machen. Auf der anderen Seite erzeugt Wachstum Umweltprobleme, die auch dann nur gelöst werden können, wenn Geld da ist. Wegen dieses kapitalistischen Funktionsmechanismus plädieren einige Experten für ein geringeres Wirtschaftswachstum. So der Schweizer Ökonomieprofessor Mathias Binswanger (Der Wachstumszwang, 2019). Vor allem große Unternehmen, die global agieren, unterliegen dem Wachstumszwang. Kleinere Unternehmen können in einer regionalen Kreislaufwirtschaft agieren, werden aber oft quersubventioniert aus der kapitalistischen Wirtschaft.

Steady-State-Wirtschaft: Eine Wirtschaft, die eine optimale Größe erreicht hat, auch wenn noch Innovation und damit Wachstum auftreten können. Dies eArt der Wirtschaft ist in der Regel mit einer statischen Bevölkerungsgröße und geringem Verbrauch verbunden. Ökologisch bewegt sich die Steady-State-Wirtschaft in ihren natürlichen Grenzen. Siehe Donald Marron: Wirtschaft in 30 Sekunden, Librero/Niederlande 2018, S. 69.

Chinas neues Wachstumsmodell: Statt Export und Investitionen soll vor allem der private Konsum für Wachstum sorgen. Noch läuft das Modell nicht. Der Konsumanstieg bleibt hinter dem Wachstum zurück (geringes Lohnwachstum, hohe Sparquote). Eine protektionistische Handelspolitik der neuen Trump - Administration könnte den Druck auf die Inlands-Nachfrage verstärken. Vgl. Ansgar Belke/ Christian Dreger: Chinas Weg zu einem neuen Wachstumsmodell, in: WISU 4/16, S. 491ff.

Deutschlands Wachstumsaussichten (Stagnation 2023 und länger?) nach den großen Krisen ab 2022: Alterung, Reformverweigerung, Investitionsschwäche trüben die Wachstumsaussichten. Diese haben schon durch Corona und den Ukraine-Krieg gelitten. Auch aus den Staatsschulden kann man nicht herauswachsen (Schuldenquote steigt). Die Bürger müssen sich auf magere Jahre einstellen. Der Kapitalstock wächst langsamer. Vgl. Fischer, Malte: Deutsches Handicap, in: WiWo 22/ 27.5.22, S. 36f. Wenn Deutschland für 2023 bei den Wachstumsaussichten am Ende der G7-Staaten rangiert, muss man dagegen wirken. Auch andere wichtige Länder haben ein höheres Wachstum (Japan, Russland, China, Indien): 1. Die Bedingungen für den Standort müssen verbessert werden. Man muss an Allem schrauben, was man selber in der Hand hat. 2. Die Weltwirtschaft verändert such rapide. Sie ist auf der einen Seite vernetzt und verflochten und auf der anderen Seite entkoppelt sie sich. Die Demographie schlägt auf den Arbeitsmarkt durch, wir können nicht unbegrenzt Arbeitskräfte mobilisieren. 3. Wir dürfen die Maßnahmen nicht zum Zuge kommen lassen, die der Wirtschaft und ihrer Strukturschwäche eher schaden können.

Aufstieg der westlichen Industriegesellschaften: Nicht das Klima oder die Religion haben den Erfolg begründet. Entscheidend waren die Entwicklung gesellschaftlicher Institutionen, die möglichst alle Bürger verbinden: eine Marktwirtschaft, die Unternehmertum begünstigt, eine parlamentarische Demokratie, die dem Ausgleich der Interessen dient. Vgl. Daron Acemoglu/ James A. Robinson: Warum Nationen scheitern. Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut, Frankfurt a. M./ S. Fischer 2013).

Säkulare Stagnation (Secular Stagnation): Das Wirtschaftswachstum eines Landes bleibt über einen längeren Zeitraum sehr gering. Ursachen dafür können sein: Fehlende Investitionen, hoher Entwicklungsstand (Sättigung), steigende Einkommensungleichheit, geringer technischer Fortschritt, geringes Bevölkerungswachstum, Mangel an Nachfrage. Die Zinssätze liegen nahe Null und die Nachfrage fällt aus. Man könnte auch sagen: ein Überschuss an Ersparnissen gegenüber geplanten Investitionen. Hinzu kommen als Faktoren falsche Statistik (China; Zahlen in der Internetökonomie irreführend), Schuldenfalle und zunehmender Nationalismus. Vgl. Thieß Petersen: Säkulare Stagnation, in: WISU 1/2016, S. 52ff. Vgl. dazu auch die folgenden Thesen im nächsten Artikel. Der Begriff wurde von dem Ökonomen Alvin Hansen während der Großen Depression geprägt. Er wurde dann von Larry Summers und Paul Krugman wieder aufgegriffen. Die eigentlich Hypothese der Säkularen Stagnation wird aber dem US-Ökonomen Robert Gordon zugerechnet. Es gibt dafür auch demographische Gründe: Die Menschen werden älter und sparen mehr.  "Das Anwerfen der Notenpresse und kreditfinanzierte Konjunkturprogramme leisten neuen Finanz- und Schuldenkrisen Vorschub", Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank, 2016 (s. Wiwo 37, 9.9.16, S. 41).

Zeitkonsistenz: Die Theorie der Zeitkonsistenz sollte die Stagflation der 1970er erklären. Während sich die Präferenzen der Entscheidungsträger allmählich änderten, stiegen Inflation und Arbeitslosigkeit an und die Wirtschaft stagnierte. Man benutzte die Theorie auch, um für die Unabhängigkeit der Notenbanken zu werben. Wenn sich eine Regierung für eine Vorgehensweise entschieden hat, sollte sie diesen Kurs beibehalten, bis sie ihre Ziele erreicht hat. Die Theorie geht auf Finn Kydland (geb. 1943) und Edward Prescott (geb. 1940) zurück. "Vermutlich wird sich die bisherige Praxis, die zur aktuellen Lage am besten passende Politik zu betreiben, der konsequenten, aber suboptimalen Politik annähern", Kydland und Prescott.

Stagflation: 2021 schnellen die Preise in die Höhe. Rohstoffe und Vorleistungen sind knapp, die Industrie leidet unter Lieferengpässen. Erstmals nach langer Zeit ist das Szenario der Stagflation nicht auszuschließen - die Kombination von Nullwachstum bzw. sehr geringen Wachstum und Inflation. Das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale ist nicht auszuschließen: 1. Die Arbeitskräfte werden knapp. 2. Der Bevölkerung droht die Überalterung (weniger Sparen, weniger Innovation). 3. Standortpolitik nicht ausreichend (Steuern, Abgaben, Strompreise, Arbeitskosten). 4. Klimaschutzvorschriften. Vgl. Fischer, Malte: Der Preis ist heiß, in: WiWo 21/ 21.5.2021, S. 38f. 2022 am 24.2.22 beginnt der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Der Krieg und die Wirtschaftssanktionen des Westens, insbesondere die Energiepreissteigerungen, begünstigen die Stagflation. Vgl. meinen Artikel Inflation auf der Seite "Casestudy".

Wohlstand in der Welt (Prognose des Wachstums): Nach der Finanzkrise 2008  und der anschließenden Krise der Realwirtschaft in der Welt befindet sich die Weltwirtschaft 2015 und 2016 immer noch in einer Krise (säkulare Stagnation, secular stagnation). Die Frage ist, ob und wann die Weltwirtschaft aus dieser Krise herauskommt. Drei Thesen dazu stehen im Vordergrund: 1. Das Wachstum ist niedrig, weil viele Staaten und Private überschuldet sind. Deshalb wird nicht investiert, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Also müssen die Schulden abgebaut werden und man muss abwarten (acht Jahre?). Diese These vertritt etwa Kenneth Rogoff, ehemals Chefvolkswirt des IWF. 2. Die Wirtschaft stagniert, weil zu viel gespart und zu wenig investiert wird. Der Staat soll mehr Geld ausgeben und zur Not Schulden machen. Diese These vertreten etwa Larry Summers (Ex-Finanzminister der USA) und Paul Krugman (Wirtschaftsnobelpreis 2008, Lehrbuchautor). 3. Das starke Wirtschaftswachstum der letzten 200 Jahre war eine historische Ausnahme (Explosion des Wachstums ab 1850, industrielle Revolution). Es gibt keine Innovationen mehr, die Ähnliches bewirken. Also könnte die Krise für immer andauern. Man muss mit dem auskommen, was da ist. Diese These vertritt Robert Gordon, Ökonom. Vgl. Mark Schieritz, Kommen wir aus der Krise? in: Die Zeit Nr. 12, 10. März 2016, S. 19. Auch: Teulings, C./ Baldwin, R./ : Secular Stagnation: Facts, Causes, and Cures. London 2014, darin insbesondere die Aufsätze von Krugman und Summers. Vgl. auch: M. Hesse/ C. Reiermann: Ausgewachsen, in: Der Spiegel 16/ 2016, S. 82ff. Im Jahre 2018 bremst der gestiegene Ölpreis das weltweite Wachstum. 2023 soll die Weltwirtschaft um 3,0% wachsen. Darüber liegen Indien (6,1%), China (5,2%). Für die USA werden 1,8% vorausgesagt. Deutschland ist Schlusslicht der G7 mit -0,3%. Quelle: IWF 2023.

Technologie: Alles, was dazu beiträgt, mehr und bessere Waren und Dienstleistungen zu geringeren Kosten zu produzieren. Sie bezieht sich auf dei art, wie Inputfaktoren kombiniert werden, um ein Ergebnis ("Output") zu erzeugen. Die technische Substitutionsrate gibt an, in welchem Maß ein Inputfaktor (z. B. Arbeit) verringert werden könnte, wenn sich ein anderer Inputfaktor (z. B. Maschinen) ändert und die Produktivität insgesamt gleich bleiben soll. Vgl. Simply Wirtschaft, München 2022, s. 23.

Technischer Fortschritt: Die Herstellung neuer, verbesserter Produkte (Produktinnovation). Einführung verbesserter Produktionsverfahren (Prozessinnovation).

Technologiesprünge: Technische Neuerungen und Veränderungen spielen eine wichtige Rolle für das Wirtschaftswachstum (Joseph Schumpeter, Robert Solow). Universell eingesetzte Technologie brauchen eine gewisse Zeit, um die gesamte Wirtschaft zu durchdringen (Nicholas Crafts). Technische Innovationen haben auch zum Aufstieg des Westens geführt (Richard Lipsey). Grundlegende Sprünge haben immer die Wirtschaft revolutioniert (Dampfmaschine, Computer; Kontratieff). Am Anfang des Jahres 2014 wird heftig unter Ökonomen darüber diskutiert, ob ein Ende der weltwirtschaftlichen Entwicklung erreicht ist oder ob wir vor einer neuen industriellen Revolution stehen. Erik Brynjolfsson und Andrew Mc Afee vom MIT vertreten in ihrem Buch Das zweite Maschinenzeitalter folgende These: Die digitale Revolution hat gerade erst begonnen. Jetzt setzt sie dazu an, nach unserer körperlichen auch unsere geistige Arbeit zu erleichtern und zu ersetzen. Die Gegenthese lautet, dass die großen Technologiekonzerne wie Apple oder Google viel zu viel Geld horten bzw. in eigene Aktien anlegen, ohne es in Innovationen zu stecken. "Die technische Revolution verändert nicht allein, was wir produzieren und wie wir es tun; sie formt auch unsere Identität - Gewohnheiten, Interessen und Weltanschauungen grundlegend um",  Klaus Schwab, Gründer und Präsident des Weltwirtschaftsforums in Davos, 2015. Vgl. Postman, Neil: Technology. The Surrender of Culture to Technology, New York 1991.

Kreativität: Wachstum und technischer Fortschritt gründen auf Kreativität. Dies ist ein Phänomen, das nicht quantifiziert oder in Rendite umgerechnet werden kann. Hier stößt die Ökonomie an ihre Grenzen. Auch die Entstehung oder Erzeugung von Kreativität steht in der Erforschung noch am Anfang.

Wissenskapital der Nationen: Bildung beeinflusst stark langfristigen Wohlstand. Die Operationalisierung der beiden Variablen hat sich von den Anfängen der Bildungsökonomik bis heute stark verändert. Bildung, die unabhängige Variable, wird heute nicht mehr in Schuljahren, sondern in den Ergebnissen von Tests (OECD, Pisa, "cognitive skills") messbar gemacht. Wohlstand müsste mit Glück und anderen Faktoren angereichert werden, wird aber der Messbarkeit und Einfachheit wegen immer noch mit dem Wachstum des BIP indiziert. Die Kausalität kann nicht ganz geklärt werden (auch Einfluss von Wohlstand auf Bildung). Unberücksichtigte Faktoren bleiben die Institutionen und kulturelle Faktoren (Entrepreneurship). "Teaching on the Test" ist nicht auszuschließen. Anhand von Südamerika und Ostasien kann die Grundhypothese der Bildungsökonomik bestätigt werden. Vgl. E. A. Hanushek, L. Wößmann: The Knowledge Capital of Nations, MIT Press 2015.

Innovationen als Wachstumsmotor: Wird in jüngster Zeit immer mit der "Green Economy" in Verbindung gebracht. Öko-Innovationen sollen das Wachstum beschleunigen. Innovationshemmnisse sind die Abhängigkeit von Subventionen (EEG), Finanzierungsbarrieren (Risiken) und die hohe Abhängigkeit von externen Informationsquellen. Es gibt langfristig eine positive Korrelation zwischen Energieverbrauch und Welt - BIP.

Akkumulation: Bedeutet eine ständige Erhöhung des Kapitalbestandes einer Volkswirtschaft. Sie wurde zuerst von D. Ricardo als Bedingung für Wirtschaftswachstum genannt. Die Idee wurde von Marx aufgegriffen und zur Prognose einer krisenhaften Entwicklung des Kapitalismus genutzt (absoluter und relativer Mehrwert).

Arbeitsproduktivität: Output pro eingesetzter Einheit Arbeit. Langfristig ist die Produktivitätszunahme die wichtigste Basis für Einkommenssteigerungen. Anstieg 2006 in D um 2%, im Schnitt der vergangenen 10 Jahre 1,7%, USA 2,3%.  Stark ist der Anstieg der Arbeitsproduktivität vor allem in der Landwirtschaft. Dazu beigetragen haben veränderte Produktionsmethoden (Maschinen), Düngemittel und Pflanzenschutzmittel. Ursprung der Arbeitsproduktivität ist die Arbeitsteilung, die Adam Smith anschaulich in seinem Stecknadelbeispiel beschreibt (Der Wohlstand der Nationen, München 1978, S. 11f). Durch verschiedene Maßnahmen kann man erreichen, dass in Betrieben mehr Beschäftigte gehalten werden als man braucht, gemessen am langfristigen Produktivitätstrend (Kurzarbeit, Arbeitszeitkonten). 2009 sind dies eineinhalb bis zwei Millionen. In der Industrie entdeckte F. W. Taylor als erster, dass Serienprodukte am billigsten hergestellt werden können, wenn die Arbeit in möglichst kleine Teilaufgaben zerlegt wird. Dies fand bei Henry Ford großen Anklang, der nach dieser Idee die Fließfertigung aufbaute. Schwieriger als nur die Arbeitsproduktivität ist die totale Faktorproduktivität zu ermitteln (vgl. Krugman: Die große Rezession a. a. O., Kap. 2), die als Maß für das technologische Niveau einer Volkswirtschaft gilt (Produktionsvolumen je Inputeinheit, wobei die verschiedenen Inputs mit ihren Faktoranteilen gewichtet werden). Die Änderung wird als Solow-Residuum gemessen. R. M. Solow (1924, Nobelpreis 1987) sah in der totalen Faktorproduktivität das Geheimnis des Wachstums. "His promotion came like a bolt from the blue - Seine Beförderung kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel". Das Wachstum der Arbeitsproduktivität verläuft immer langsamer: In den USA lag das Wachstum zwischen 1891 und 1972 bei 2,36%. Von 1972 bis 1996 wuchs sie um 1,38%. Von 2004 bis 2013 betrug die Wachstumsrate 1,33%. Damit wächst die Arbeitsproduktivität immer langsamer. Hängt das mit der Digitalisierung zusammen? Von der Entwicklung der Arbeitsproduktivität hängt stark unser Wohlstand ab. Nach Robert Gordon, einem der Experten aus den USA, hat sich die Arbeitsproduktivität in den USA (Jahresdurchschnittliche Wachstumsrate des BIP pro Stunde) wie folgt entwickelt: 1891 bis 1972 2,4%, 1972 bis 1996 1,2%, 1996 bis 2004 2,6%, 2004 bis 2013 1,3%, 2013 bis 2018 0.6%. Er sagt ein Ende der großen Innovationen voraus. Auch ein Produktivitätsschub durch die KI  ist eher zweifelhaft. Die Arbeitsproduktivität wächst nur langsam.

Arbeitsproduktivität und Wohlstand: Die Arbeitsproduktivität sinkt in Deutschland langfristig. 1971 lag sie noch bei +5,1%. Nach der letzten Weltwirtschaftskrise 2017 brach sie ein (-2,6%). 2017 lag sie unter 2%. Das kann sehr gefährlich sein, weil die Arbeitsproduktivität als eine wichtige Quelle unseres Wohlstands gilt. Es gibt jedoch eine Reihe von Gründen für diese Entwicklung: 1. Innovationsschwäche (es wird nur auf gleichem Niveau ersetzt: Kohle-Energie auf Wind, Benzinantrieb auf Elektromotor; vgl. Robert J. Gordon). 2. Billige Arbeitskräfte (Investieren in billige Arbeit statt Maschinen). 3. Ungenaue Statistik (Produkte ohne Preis, manche Güter zu hoch bewertet). 4. Mehr Dienstleistungen. 5. Demographischer Wandel. 6. Zersplitterter Mittelstand (höher qualifizierte Mitarbeiter werden nicht ersetzt, arbeitsintensive Produktion). 7. Niedrige Zinsen. Vgl. Knuth/ Reiermann: Der Fortschritt ist eine Schnecke, in: Der Spiegel 12/2018, S. 78-80. Die Fähigkeit einer Gesellschaft, ihren Wohlstand zu erhöhen, hängt bei konstanter Bevölkerung und nicht beliebig auszuweitendem Kapitaleinsatz nahezu ausschließlich davon ab, ob es gelingt, den Output je Beschäftigten zu steigern.  "Produktivität ist nicht alles, aber auf lange Sicht fast alles", Paul Krugman, US-Ökonom, Nobelpreis 2008.

Gesamtfaktorproduktivität: Grad der Effizienz, mit dem die Produktionsfaktoren (Arbeit, Boden/Ressourcen, Kapital) genutzt werden. Es gibt eine ganze Reihe von Einflussfaktoren sowohl ökonomischer als auch soziokultureller Art. Damit kann man auch die großen Unterschiede im Pro-Kopf-BIP einzelner Länder erklären (neben dem statistischen Artefakt der Bevölkerungsgröße und der Auswirkungen der Kapitalbildung). In den letzten zehn Jahren (2016 rückwärts) hat sich die Produktivität (Gesamtproduktivität, aber auch Arbeitsproduktivität) weltweit kaum erhöht. Das wird auch als Produktivitätsparadoxon bezeichnet. Es ist sicher eine wesentliche Ursache für fehlendes Wachstum.

Produktivitätsunterschiede:  Es gibt drei Hauptgründe für die unterschiedliche Produktivität in den einzelnen Ländern. 1. humankapital. 2. Sachkapital (Maschinen, Ausrüstung, Gebäude, Strukturen). 3. Technologie. Vgl. Acemoglu, Daron u. a.: Volkswirtschaftslehre, München 2020, S. 19.

Kapitalstock: Zum Kapitalstock eines Landes zählen Fabrikgebäude, Maschinen, Straßen, Schulen, geistiges Eigentum, Software, Datenbanken. Der Kapitalstock bildet mit den Arbeitskräften die Grundlage dafür, wie sich eine Volkswirtschaft entwickeln kann. Um die Modernität des Kapitalstocks zu erfassen, werden Bruttokapitalstock (alle Güter mit ihrem Neuwert) zum Nettokapitalwert (Abschreibungen abgezogen) in  Beziehung gesetzt. Deutschlands Kapitalstock hat in den vergangenen Jahren erheblich an Qualität eingebüßt. Deutschland liegt hinter Kanada, Frankreich, Südkorea und anderen. Studie der Volkswirte des vfa 2023.

Schwaches Produktivitätswachstum in den entwickelten Volkswirtschaften: Seit den 1970er Jahren ist das Produktivitätswachstum tendenziell gesunken. Es gibt dafür viele Gründe: Innovationen sind zunehmend kostenintensiv und durchdringen die Wirtschaft langsamer. Der Dienstleistungssektor, der traditionell produktivitätsarm ist, nimmt einen wachsenden Anteil ein. Es wird auch zu wenig investiert. Die weit reichende Digitalisierung wird nur unzureichend eingerechnet (Messprobleme, s. u.).  Die wichtige Frage ist, ob es sich um ein zyklisches oder strukturelles Phänomen handelt. Vgl. Schwaches Produktivitätswachstum - zyklisches oder strukturelles Phänomen?, Zeitgespräch, in: Wirtschaftsdienst 2017/ 2, S. 83ff. Die Produktivität nimmt in den Industriestaaten immer langsamer zu. Ursachen sind Überalterung, Rückgang der Erwerbspersonenzahl, sinkendes Arbeitsvolumen, allerdings regional unterschiedlich. Vgl. Herzog-Stein, Friedrich, Sesselmeier, Stein: Wachstum und Produktivität im Gegenwind, IMK, März 2017. Auch Deutschland kämpft in den letzten Jahren mit abnehmendem Produktivitätswachstum. Die Ursachen sind die gleichen: nachlassende Innovationskraft, der Fachkräftemangel, die Alterung der Bevölkerung, zu wenig Wettbewerb. Das DIW/ Berlin findet 2021 einen weiteren Grund:  wissenschaftsintensive unternehmensnahe Dienstleistungen nutzen verstärkt Vorprodukte und kompensieren das nicht durch eine geringere Zahl von Beschäftigten. Dazu gehören Ingenieurleistungen, Marketing, Auftragsforschung, Steuer- und Rechtsberatung. Die Bedeutung des Produktivitätswachstums wird oft unterschätzt: Wenn wir klimaneutral werdden wollen, bedeutet das, dass wir mit weniger Ressourcen den aktuellen Lebensstandard halten oder verbessern wollen. Das ist nichts anderes als Produktivitätswachstum. Es ist die Voraussetzung für die Energiewende. Produktivitätswachstum ist auch Voraussetzung für die Rente, wenn sie halbwegs so bleiben soll wie sie ist.

Produktivität im digitalen Zeitalter: Die Messung des Produktivitätswachstums wird zunehmend zur Blackbox. Dienstleistungen werden außerhalb der Geldwirtschaft nachgefragt (Sharing, Spiele). Verbraucher können mit der Technik Arbeiten selbst erledigen, die früher nachgefragt wurden. Insgesamt gehen Internet und Computer nicht ausreichend in die üblichen empirischen Faktoren ein: Entweder müsste man die Messmethoden ändern oder zukünftig löst sich das Problem dadurch, dass alle Internetdienste ihren Preis haben werden. Der bekannte US-Produktivitätsforscher Robert Gordon (Northwestern University) relativiert die Produktivitätsfortschritte der Informationstechnologie. Vgl. Die Zeit der großen Innovationen ist vorbei, in: WiWo 7, 8.2.2019, S. 42f.

Produktivitätsentwicklung in Stadt und Land: Insgesamt ist das Effizienzniveau in Ballungszentren höher als in ländlichen Gebieten. Das gilt für Ostdeutschland wie für Westdeutschland. Ostdeutschland ist aber deutlich stärker ländlich geprägt. Die sist ein wesentlicher Grund für die anhaltenden  regionalen Produktivitätsunterschiede zwischen Ost und West. Vgl. Belitz, Heike/ Schiersch, A./ Stühmeier, T.: Produktivitätsentwicklung: Potentiale in Stadt und Land, in: Wirtschaftsdienst 2019/5, S. 355ff.

Langfristiges aggregiertes Angebot (Long Run Aggregate Supply-Curve): Es ergibt sich aus der Faktorausstattung und dem technischen Niveau einer Volkswirtschaft. Das langfristige Angebot in Abhängigkeit vom Preisniveau ergibt eine vertikale Linie. Auf das kurzfristige Angebot hat das Preisniveau einen Einfluss. Damit beschäftigen sich zwei Theorien: 1. Die keynesianische Theorie starrer Lohnsätze. 2. Die neoklassische Theorie der Wahrnehmungsstörung. Vgl. Vogl/ Lorberg: Volkswirtschaftslehre: Makroökonomie, Herne 2015, S. 209ff.

 

Wirtschaftspolitik (allgemeine; Ansätze der Wirtschaftspolitik; Rahmenbedingungen; Politische Ökonomik; Governance). Zur konkreten Wirtschaftspolitik in Asien vgl. die Seite "Asien und China"). Weitere Teile der Wirtschaftspolitik sind bei Mikroökonomik (Wettbewerbspolitik), Mittelstandsökonomik (Industriepolitik, Mittelstandspolitik) oder Arbeitsökonomik (Arbeitspolitik, Sozialpolitik, Gesundheitspolitik) dargestellt. Außenwirtschaftspolitik findet sich bei Globalökonomik (internationale Beziehungen). Auch Protektionismus und Wirtschaftsintegrationen sowie Entwicklungspolitik dort.

"Actions speak louder than words", englisches Sprichwort (Die Tat wirkt mächtiger als das Wort).

Ökonomische Theorie der Politik (Anthony Downs, geb. 1930; J. Buchanan, auch "Public Choice", auch George Stigler ist dazuzurechnen): Politiker wollen ihre Stimmen maximieren, also beeinflussen Wahltermine auch den Konjunkturzyklus. Es sollte Politikern verboten werden, bestimmte Gruppen auf Kosten anderer zu bevorzugen. So wäre man gezwungen, über Ansätze von echten Gemeinwohlinteressen nachzudenken. Er überträgt die Mechanismen des Marktes auf die Politik. Er setzt die Parteien mit Unternehmen gleich und die Wähler mit rationalen Käufern. Der Staatshaushalt wird zum stimmenmaximalen Budget. Stärkerer politischer Wettbewerb führt zu wachstumsfreundlicher Politik. Traditionell hat der Forschungszweig keine hohe Meinung von der Politik (lange Amtszeiten, schlechte Politik). Die Orientierungslosigkeit der Politik in Deutschland, die in der Krise 2009/ 2010 sichtbar wird, gibt Downs Recht. Eine Studie belegt 2015, dass Kommunalpolitiker vor Wahlen tatsächlich öffentliche Ausgaben in die Höhe treiben: Foremney, Freier, Moessinger, Yeter: Overlapping Political Budget Cycles in the Legislative and Executive, ZEW-Discussion Paper No. 14-099. Im digitalen Zeitalter kommt es immer mehr zu rationaler Ignoranz. Die kosten der Informationsbeschaffung ist zu hoch. Die Analyse von Wahlprogrammen und Gesetzen kostet Zeit. Diesem Aufwand steht aus individueller Sicht kaum ein Nutzen gegenüber (Vgl. Friedrich Heinemann, Das Problem der rationalen Ignoranz im digitalen Zeitalter, WiWo 25/ 17.06.16, S. 33). Originalquelle: Downs, Anthony: An Economic Theory of Democracy, New York 1957.

Public Choice: Kann reduziert werden auf die fundamentale Frage "Butter oder Kanonen" (nach einem Beispiel in Samuelsons ersten globalen Lehrbuch). Auch über Staatsausgaben muss explizit entschieden werden. Es kommt nicht nur darauf an, ob die Staatsausgaben für die Gesamtwirtschaft wohlstandskostenminimal finanziert werden. Damit reicht die Finanzierbarkeit nicht aus (Überbetonung der Einnahmeseite). Vertreter dieses Ansatzes sind James Buchanan und Gordon Tullock. Vgl. Buchanan, James M./ Tullock, Gordon: The Calculus of Consent, Ann Arbor 1962.

Wohlfahrtsökonomie: Ist die Lehre davon, wie die Allokation der Ressourcen die wirtschaftliche Wohlfahrt beeinflusst. Den Vorteil, den die Beteiligten aus der Allokation ziehen wird Rente genannt. So gibt es eine Konsumenten- und eine Produzentenrente. Wenn die Ressourcenallokation so geregelt ist, das keine der beiden Marktseiten sich besser stellen kann, ohne die andere Seite schlechter zu stellen, nennt man dies Pareto-Effizienz (Vifredo Pareto, 1848-1923). Vgl. Vogl/ Lorberg: Volkswirtschaftslehre: Grundlagen und Mikroökonomie, Herne 2015, S. 88.

Harberger-Dreieck: Mit diesem Diagramm (nach Arnold Harberger benannt) wird der Wohlfahrtsverlust auf einem Markt gemessen. Zu viele Steuern können dazu führen, dass Menschen nichts mehr kaufen können. Das bedeutet einen Wohlfahrtsverlust für die ganze Wirtschaft.

Pareto - Optimum: Eine Ressourcenzuteilung wird als pareto-optimal (pareto-effizient) bezeichnet, wenn keine andere Möglichkeit der Aufteilung besteht, die jemanden besser stellt, ohne das ein anderer schlechter gestellt wird. Oder anders ausgedrückt: Ein Zustand, in dem es nicht möglich ist, eine Eigenschaft zu verbessern, ohne zugleich eine andere zu verschlechtern. Das Kriterium spielt auch heute noch in der praktischen Wirtschaftspolitik (in etwas abgewandelter Form) eine Rolle. Als Beispiel kann das neue Teilhabegesetz von2016 genannt werden. Niemand soll schlechter gestellt werden. Einigen geht es besser. Es sit benannt nach seinem Schöpfer, dem italienischen Ökonomen und Soziologen Vilfredo Pareto (1848 - 1923). Pareto hatte auch Ingenieurwissenschaften studiert. Er entnahm die Idee der eindeutigen Effizienzsteigerung eines Systems und übertrug sie auf die Ökonomie.

Konfuzianisches Optimum: "Es besagt, dass an einer Nutzenverbesserung stets alle an der Angelegenheit beteiligten Personen partizipieren müssen: Wenn die beteiligte Person x eine Nutzensteigerung x+ erhält, dann und nur dann muss die beteiligte Person y gleichzeitig eine Nutzensteigerung y+ erhalten und vice versa. Das konfuzianische Optimum verlangt, dass jede Art der Nutzensteigerung impliziert und bewirkt, dass jede beteiligte Person ein Pareta-Optimum erhält". Siehe Zhao, Tingyang: Alles unter dem Himmel. Vergangenheit und Zukunft der Weltordnung, Berlin 2020, S. 41f.

Trade-off: Es wird etwas in der Wirtschaftspolitik getan, das an einer Stelle hilft. Gleichzeitig werden Kosten an anderer Stelle erzeugt.

Institutionelle Sklerose (Lobbyismus): Mancur Olson, Die Logik des kollektiven Handelns, 1965. Der US-Ökonom verstarb 1998 mit 66 Jahren. In seiner Arbeit ging es um die Frage, wann es überhaupt zu kollektivem Handeln innerhalb einer Gruppe von Personen kommt, die grundsätzlich das gleiche Interesse haben.  Institutionelle Sklerose diese entsteht dadurch, dass Lobbygruppen durch Verteidigung ihrer Privilegien die Wettbewerbsordnung verzerren und damit die Anfälligkeit gegenüber externen Schocks erhöhen. Dies insbesondere, weil eine "systematische Tendenz zur Ausbeutung besteht der Großen durch die Kleinen". Immer wieder gerät in Deutschland in die Kritik, dass Politiker ohne zeitliche Pause aus einem Regierungsamt in eine Lobby-Position in der Wirtschaft bzw. deren Verbände wechseln (Beispiele: Pofalla, von Klaeden, Schröder, Niebel, Stadelmaier). "Lobby-Control" fordert schon lange eine dreijährige Karenzzeit für Regierungsmitglieder. 2012 muss erstmals ein EU-Kommissar (Gesundheitskommissar Dalli wegen unerlaubter Lobbyistenkontakte). TI schätzt, dass es in Berlin 2015 ca. 5000 bis 6000 Lobbyisten gibt. Diese sollten eigentlich mit Namen bekannt sein. Die Einführung eines Lobbyisten-Registers bei Bundesregierung und Bundestag scheitert 2016. Nirgendwo auf der Welt ist das Geflecht aus Geld, Medien und Macht so eng wie in Washington. In bestimmten Bereichen ist die enge zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Staat sehr sinnvoll. So etwa beim Auslandsgeschäft: Nimmt man die Teilnahme von unternehmen an Auslandsreisen der Regierung als Indikator, so liegt Siemens an der Spitze vor Voith, Alba (DIHK), Thyssenkrupp, Claas und Lufthansa. 2017 war ein Jahr mit besonders prominenten Seitenwechseln von der Politik zum Lobbyisten (Hannelore Kraft/ RAG, Gerda Hasselfeldt/ Deutsches Rotes Kreuz, Torsten Albig/ DHL. Bayer gibt in den USA 8 Mio. Dollar pro Jahr für Lobbyaktivitäten aus, fünfmal so viel wie in Deutschland. Die Autoindustrie galt als die einflussreichste Berliner Lobby. 2019 scheint die Allianz beendet, die Regierung will den Übergang zur Elektromobilität lenken. 2020 geraten einzelne Politiker in die Kritik: Einmal Phillipp Anthor, der als aktiver Bundestagsabgeordneter Zuwendungen in Form von Aktien-Optionen und Reisen von einem New Yorker Start-up erhalten hat. Zum anderen Sigmar Gabriel, der legal seine politischen Kontakte versilbert, indem er 10.000 € pro Monat von der Fleischfabrik Tönnies erhaltern hat ("seine weiten Kontakte für die Tönnies-Gruppe zur Verfügung stellen und aktiv Projekte begleiten" = entspricht der Definition von Lobbyismus; hier "Fleischtöpfe"). Im Juli 2020 beschließt der Bundestag, ein Lobby-Register einzuführen (wahrscheinlich ab Herbst 2020). 30% aller Bundestagsabgeordneten haben Nebeneinkünfte. Der Anteil ist am höchsten in der FDP vor der CDU/CSU, am geringsten bei den Grünen. Bei vielen Abgeordneten sind die Einkünfte relativ hoch (höher als die Diäten). Die Maskenaffären in der CDU/ CSU könnten zu einer Verschärfung der Regeln führen. 2022 gerät FDP-Chef Christian Lindner in den Fokus: Er soll Politik für den Porsche-Chef gemacht haben. Vgl. Middelhoff, Paul/ Schieritz, Mark: Auto-Fokus, in: Die Zeit Nr. 31/ 28.7.22, S. 9. Vgl. auch: Prollius, Michael von: Vom Neoliberalismus zum Neofeudalismus, in: WiWo 31/ 29.7.22, S. 42f. 2023 schlägt die grüne Lobby hohe Wellen: Staatssekretär Patrick Graichen aus dem Wirtschaftsministerium formt aus Öko-Studien Gesetze. Er ist mit vielen Lobbyisten der Grünen verwandt oder verbunden. Öko-Institut, BUND u. a.

Lobby-Register: Im März 2021 beschließt die große Koalition, in Deutschland ein Lobby-Register einzuführen. Mit Lobbyisten versuchen Unternehmen oder Verbände, Gesetzgebung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Sie sind auch Gesprächspartner für Politiker und Ministerialbeamte. Kritiker bemängeln das Fehlen eines "exekutiven Fußabdrucks" und die vielen Ausnahmen. Abgeordnete sind auch an der Spitze von allerlei Verbänden. Bei Ehrenämtern spricht man auch von lukrativen Ehrenämtern. Die Vermischung von Interessenvertretung und Mandat ist nicht ungewöhnlich. Damit sind Abgeordnete aber nicht nur dem Volk verpflichtet. Vgl. Reyher, Martin/ Röttger, Tania: Nicht nur dem Volk verpflichtet, in: Die Zeit Nr. 28/ 7.7.22, S. 19.  Bei den Nebeneinkünften führt die FDP vor der Union. Am Schluss kommen die Grünen. 2021 wird die Union von vielen Korruptionsaffären heimgesucht (Aserbaidschan, Masken-Provisionen). Es geht um sehr prominente CSU-Politiker (z. B. Sauter). In den Umfragewerten stürzt die Union daraufhin ab. Viele Abgeordnete in Deutschland wechseln nach ihrem Rückzug aus der aktiven Politik die Seiten und arbeiten für Unternehmen und Verbände. Das ist das größte Problem (größer als aktive Politiker als Lobbyisten) in Deutschland. Vgl. Fuchs, C./ Zimmermann, F.: Lohnender Ausweg, in: Die Zeit Nr. 40/ 29. September 2022, S. 26f.  Vgl. auch: Rodenwoldt, Hartmut: Die Einflüsterer, in: Rheinpfalz am Sonntag, 6./ 7. Januar 2024, S. 3.

Business Roundtable der US-Wirtschaftspolitik: Prägte Jahrzehnte die US-Wirtschaftspolitik. Es galt als die erfolgreichste Lobby der Welt. CEOs aller wichtiger Unternehmen waren vertreten. Mit Trump tritt ein großer Machtverlust ein.

Korruption, Vetternwirtschaft: Wirtschaftsprozesse, die durch Schmiergeld, Bestechungen, Erpressung, Betrug, verwandtschaftliche Beziehungen oder kriminelle Vereinigungen gelenkt oder beeinflusst werden. In der Regel wird dies über überhöhte Preise oder Manipulation von Aufträgen durchgeführt. Häufig liegt eine Vernetzung von privaten und öffentlichen Stellen vor. Transparency International führt einen Korruptionsindex, der die Staaten auf einer Rangskala abbildet. Bei Unternehmen gibt es mittlerweile Compliance - Strukturen, die dies verhindern sollen. In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern verhindert Korruption den wirtschaftlichen Aufstieg.  Besonders betroffen ist z. B. in Europa immer wieder Spanien. Der spanische EU-Kommissar Arias Canete soll gezielt von EU-Hilfen profitiert haben. Junge Staatsanwälte kämpfen gegen die Korruption in Brasilien. Nebenbei bringen sie auch das politische System zum Einsturz. 2022 erregt der Fall der Vizepräsidentin des EU-Parlaments Eva Kaili Aufsehen. Sie wird  der Korruption und Geldwäsche beschuldigt (Katar, Marokko, US-Tech-Konzerne). Im Dezember wird eine Geldstrafe gegen den Ex-OB von Frankfurt/ M- Peter Feldmann verhängt. Er habe sich bei der AWO vor den Karren spannen lassen.

Demokratie: Herrschaft des Volkes (griechisch). Doch die Frage ist, was das Volk umfasst. In der ersten Demokratie in Athen durfte nur ein Viertel des Volkes entscheiden (ohne Frauen, Sklaven und "Fremde"/Banausen). Bis 1818 durften in Deutschland nur die Männer an die Urnen. In Südafrika hatten eine lange Zeit nur Weiße das Wahlrecht. Man sollte also immer genau hinsehen, wer das Volk gerade ist. John Stuart Mill, der große englische Ökonom,  hat schon erkannt, dass eine funktionierende Demokratie erfordert, dass die Bürger gebildet sind. Heute wird in Anbetracht der Wahl von Trump in den USA oder der Brexit - Entscheidung der Briten bzw. der Mehrheit für eine Präsidialverfassung in der Türkei diese These wieder sehr aktuell. Außerdem fällt immer mehr ins Gewicht, dass totalitäre Systeme in einer komplexen, globalisierten Welt wesentlich schneller agieren können (ein Tabu-Thema). Wenig diskutiert wird auch die Macht schrumpfender Parteien mit nur noch wenigen Mitgliedern in der Demokratie. Problematisch ist auch die Mehrheit älterer Menschen ("Silver Hairs"), die ihre Interessen durchsetzen können. Vgl. Merkel, Wolfgang/ Ritzi, Claudia (Hg.): Die Legitimität direkter Demokratie, Wiesbaden 2017. Volksentscheide können nicht in jedem Falle Demokratie ersetzen. Sie sind nicht immer frei von Willkür (ganz wichtig ist die Abgrenzung der Abstimmenden; z. B. die Stuttgarter gegen 21 und die Baden-Württemberger dafür). Deshalb führen sie nicht zu unumstrittenen Ergebnissen. Ähnlich problematisch sind Entscheidungen der Parteimitglieder. Das Demokratiemodell gerät auch dadurch unter Druck, weil in autokratischen Staaten der Wohlstand oft höher ist (VAE, Saudi-Arabien). In Ländern wie China, Russland und der Türkei bauen Autokraten ihre Macht aus. Die Parteien haben oft auch ihre eigenen Pfründe im Auge: So wird in Deutschland eine vom Bundesverfassungsgericht geforderte Wahlrechtsreform immer wieder verschoben, weil die Zahl der Mandate erheblich reduziert werden muss.  2018 bildet sich in Deutschland eine Hochschul-Initiative "liberale Demokratie". Es gibt 10 Gründungsmitglieder. Es sind auch Professoren aktiv, die keine Verbindung zur FDP haben. "Der Fukuyama-moment, als 1989 das Ende der Geschichte erreicht schien, ist verraucht. Die Attraktivität westlicher Werte hat nachgelassen, auch in der atlantischen Welt", Jens Hacke, Prof. für politische Theorie in Greifswald 2018. Vgl. auch Adam Tooze: Crashed, München (Siedler) 2018. Er stellt einen Zusammenhang zwischen der Finanzkrise 2008, dem Niedergang der liberalen Demokratie und der deutschen Verantwortung her. Am Beispiel Afrikas zeigt sich, dass dei Demokratie von selbstzweckhafter Bedeutung für den Wohlstand der Nationen ist. Sie ist das sichere Fundament für Wirtschaftswachstum. "Es gibt keine Entwicklung ohn eFreiheit. Mam kann nicht wählen zwischen Wirtschaft und Demokratie. Wie wir uns und unsere Volkswirtschaften entwickeln, muss demokratisch entschieden werden", Kasydika Salim Mutunga: Demokratie ist kein Bremsklotz. Im Gegenteil, in: WiWo 39, 18.9.20, S. 42ff. (Essay-Preis der Wirtschaftswoche 2020). Die USA veranstalten im Dezember 2021 einen Gipfel für Demokratie. Sie wollen allein 424 Mio. $ für die "Initiative der demokratischen Erneuerung" bereitstellen. 45,7% der Weltbevölkerung lebten 2021 in demokratischen Staaten, im Jahr zuvor waren es noch 49,4% gewesen. Quelle: The Economist. Bruno S. Frey und Zimmer, Oliver fordern in ihrem Buch von 2023 mehr direkte Beteiligung. Sie zeigen Wege dazu auf. Demokratien seien zu Aristokratien geworden. Mehr Demokratie wagen, Aufbau Verlag 2023. 0,8% soll der Vorsprung sein, den Staaten gewinnen, wenn sie sich der Demokratie zuwenden. Fast ein Prozent mehr Wachstum ihrer Volkswirtschaften. Diese These wird durch Daten aus 157 Länder in sieben Jahrzehnten belegt. Vgl. WZB/ Mitteilungen 182/ Dezember 2023, S. 12.

Liberale Demokratie in der Defensive: Es ist ein Ende der Illusionen: Man glaubte einmal, die liberalen Demokratien würden sich zur Perfektion hin entwickeln und es liefe alles in ihre Richtung. Das ist heute anders. Es bildet sich eine multipolare Konstellation heraus, eine Auffächerung von Weltreligionen und Wertvorstellungen. Hinzu kommt ein Verfall öffentlicher Infrastrukturen. Es müsste zu einer Wiedereinbettung von Märkten und Individuen kommen. Es muss außerdem eine robuste Verteidigung gegen den Autoritarismus geben. Helfen können Präsentismus (Gegenwart statt Zukunft) und Subjektivierung des Fortschritts (Selbsterhaltung und -entfaltung) Vgl. Interview mit Andreas Reckwitz in WiWo 1/2, 5.1.24, S. 37ff. Gruppen versuchen zunehmend, ihre Interessen mit Streiks oder anderen die Allgemeinheit lahm legenden Maßnahmen durchzusetzen. Partikularinteressen dominieren die Gemeinschaft (Bauern, Lokomotivführer). Die Gesellschaft ist gereizt, der Ton wird zunehmend aggressiver. Man hört immer wieder: die Regierung muss weg. Die Probleme werden aber bestehen bleiben. Die Suche nach einfachen Antworten gewinnt gehörig an Schwung. Die Protestgründe und Forderungen sind unterschiedlich. Es scheint aber eine gemeinsame Ursache zu geben: Das Geld in Deutschland ist knapp geworden. Man kann nicht mehr Wohlstandsgewinne verteilen, sondern Lasten. Vgl. Rudzio, K. u. a.: Leicht entflammbar, in: Die Zeit 4/ 18.01.24, S. 19. Es braucht wieder mehr Disziplin und Leistung mit langem Atem, Engagement und unterstützt durch klare Kommunikation. Ein Produkt der liberalen Demokratie ist der Populismus. Er führt zu radikal Rechten, die in dei Regierungen drängen, auch in Deutschland. Vgl. Manow, Philip. Interview in Die Zeit 8/ 15.2.24, s. 9.

Bürgerrat: Er wurde in den Koalitionsvereinbarungen (Vertrag) der Ampel eingeführt. Es sollte "neue Formen des Bürgerdialogs" geben. Dei 160 Teilnehmer wurden in einer "Bürgerlotterie" gelost. Dei Empfehlungen sollen in einem Bürgergutachten zusammengefasst werden. Der Bürgerrat fordert im Januar 2024: 1. Kostenfreies Essen in Schulen und Kitas. 2. Staatliches Label für Lebensmittel.

Ist das politische System der USA noch zu retten? Viele Amerikaner glauben, das politische System der USA sei so konzipiert, dass es dem öffentlichen Interesse diene. Doch das ist nicht zutreffend. Es unterliegt den gleichen Anreizen und Kräften wie jede privatwirtschaftliche Branche. Leider har das zu einem ungesunden Wettbewerb geführt. Wahlen und Gesetzgebungsverfahren sind so gestaltet, dass das Duopol aus Republikanern und Demokraten gewinnt, während das öffentliche Interesse verliert. Das Wahlsystem und die Gesetzgebungsverfahren müssen sich deutlich verändern. Siehe Gehl, K. M./ Porter, M. E.: Wie das Politische System der USA zu retten ist, in: HBM Oktober 2020, S. 42ff. Besonders bei den Demokraten fällt auf, dass sie schon länger wichtige Probleme des Landes ignorieren: Ungleichheit, Arbeitslosigkeit, Sozialversicherung (Gesundheit), Verschuldung der Privathaushalte. Sie konzentrieren sich auf die wirtschaftsstarke und wohlhabende Bevölkerung der West- und Ostküste. Gerade bei den Verlierern der Globalisierung hatte Trump gepunktet (siehe oben). Eine liberalere Politik, die Chancengleichheit und mehr Einkommen für gute Leistung für die Mehrheit vertritt, scheint keine Mehrheiten in den USA zu haben. Das bis heute scharfsinnigste Buch über die Demokratie in den USA ist schon sehr alt: Alexis de Tocqueville (1805-1859), "Über die Demokratie in Amerika", 1835/ 1840. Er war im Auftrag der französischen Regierung in die USA gereist, um das Rechts- und politische System zu studieren. Er analysierte in seinem Buch das Verhältnis von Freiheit und Gleichheit und die Grenzen der Gleichheit und das Ende des Mitleids. Er analysiert den Konflikt zwischen Ehre/ Bürgerarbeit und Geld. Es ist eines der meist rezitierten Werke der Sozialwissenschaften. Das US-Wahlsystem führt auch zu Apathie: Das Wahlleutesystem (Electoral College) ist antiquiert. Es stammt von den Gründervätern 1787. Es kam unter Druck und den damaligen Verhältnissen zustande. Die US-Verfassung lässt sich aber nur schwer ändern. Man braucht für einen Sieg mindestens 270 Wahlmänner ("The Winner takes it all", es gibt 538). Auch kleiner US-Staaten sollen zählen, was der tiefere Sinn dahinter ist.  Die USA haben sich in 40 Jahren auch zu einer multiethischen Demokratie entwickelt. Diese Entwicklung hat Gegenreaktionen ausgelöst. Die Republikaner haben sich radikalisiert, die Parteien polarisieren sich. Dadurch ist die Demokratie verwundbar geworden. Vgl. Ziblatt, Daniel/ Levitsky, S.: Die Verzweiflung der alten Mehrheit, in: WZB Mitteilungen H. 172, Juni 2021, S. 6ff.

Rechtsstaatlichkeit: Verbindlichkeiten werden eingehalten, wenn  ein Vertrag unterzeichnet wird. Keiner steht über den Gesetzen. Wichtige theoretische Vertreter sind Hernando de Soto und Douglas North. Rechtsstattlichkeit ist besonders wichtig, wenn ausländische Investoren angelockt werden sollen.

Bundesverfassungsgericht: Es hat seinen Sitz in Karlsruhe. Das Gericht wird immer mehr zur letzten Instanz in der Wirtschaftspolitik. Es urteilte über den Anleihekauf der EZB (siehe im Einzelnen bei Geldpolitik), über Steuern und über den Mietendeckel. 2020 folgt Harbarth auf Voßkule als Präsident des Bundesverfassungsgerichtes.

Bürokratie: Der Staat galt Ökonomen lange als ineffizient und eher als Belastung für die private Wirtschaft. Das dreht sich langsam und wird nicht mehr anerkannt. Max Weber galten preußische Beamte als Vorbild für rationales Handeln. Gerade bei den Grundbedürfnissen wie Wohnen, Wasser, Nahrung, Energie, Transport vertrauen die Bürger eher der Bürokratie. Diese menschlichen Bedürfnisse müssen befriedigt und mit der Knappheit muss umgegangen werden. Die Ampel-Koalition 2021 schreibt Bürokratie-Abbau auf ihre Fahnen. Es soll zu Entlastungen und mehr E-Government kommen. Auch im Wachstumschanchengesetz von 2023 ist der Bürokratieabbau enthalten. Was dabei untergeht, ist der Gedanke, dass Bürokratie ihren Sinn hat. Gemeint ist meist die Überregulierung. Nicht jede neue Regel erhöht automatisch die Bürokratie. Im März 2024 bringt die Ampel ein Gesetz für weniger Bürokratie auf den Weg: kürzere Aufbewahrungsfristen, Meldepflichten für Hotelübernachtungen (für deutsche Staatsbürger weg), Abschied von Schriftformerfordernissen, Öffentliche Versteigerungen, Fluggastabfertigung.

Was sagt die Statistik dazu? Sie scheinen das Vorurteil der zu hohen Bürokratie zu entkräften. Die Bürokratie nehme ab. Das statistische Bundesamt berechnet den Bürokratiekostenindex (BKI). 2012 ist er mit dem Indexwert 100 gestartet. 2023 steht der Wert bei 98,4. Aber die Berechnung ist auch eine bürokratische Angelegenheit. Zu den Bürokratiekosten zählt der klassische Papierkram. 65 Mrd. € betragen die Bürokratiekosten. Das sind aber 20 Mrd. € mehr als 2012. Der Index ist gesunken, wenn man Inflation einrechnet. Aber man misst halt nur den Papierkram. Der Erfüllungsaufwand wird gar nicht berechnet. Dei Folgekosten sind aber die höchsten. Also fehlt eine genaue Statistik. Quellen: StBA, Wiesbaden. Die Zeit 38/ 7.9.23, S. 21.

Rent-Seeking: Die Wirtschaftsleistung leidet in der Regel, wenn begrenzte Interessen besondere politische Gunst suchen. Es ist nicht gut, wenn Interessensgruppen großen Einfluss auf die Politik haben. Forschungen dazu liegen von Gordon Tullock und Anne Krueger vor. "Der Einzelne handelt vernünftig, wenn er Ressourcen investiert, die den Geldfluss zu ihm vergrößern oder Umverteilung von ihm weg verhindern. So werden Transaktionen, die Verteilungen beinhalten, stets zu entgegen gesetzten Ressourcen-Investitionen und damit zu Konflikten führen", Gordon Tullock.

Plutokratie: Aus dem Griechischen. Bedeutet Herrschaft der Reichen. Die Reichen einer Gesellschaft bestimmen, was in der Wirtschaftspolitik gemacht wird. Dies ist eine Steigerung der Lobbyarbeit. Focusiert wird das Thema in dem Buch von Chrystia Freeland: Die Superreichen. Aufstieg und Fall einer neuen globalen Geldelite,  Frankfurt 2013. Der Ausgang der Wahl in den USA für Trump wird auch als Protest gegen die Plutokratie gesehen. Die mächtigsten Länder der Welt könnte man als Plutokratien (manche sagen auch Kleptokratien) bezeichnen, egal ob demokratisch oder kommunistisch. In den USA, China und Russland bestimmt eine Oligarchie von Reichen die Geschicke.

Prinzipal-Agent-Probleme: Die Präferenzen der Bürger kommen nicht direkt zur Geltung. Normalerweise beauftragt der Bürger als Wähler Politiker damit, seine Interessen wahrzunehmen. Es entsteht ein Delegationsverhältnis, das sowohl zwischen Bürger und Politikern als auch zwischen Politikern und Beamten der Bürokratie in der Verlässlichkeit Fehler und Missverständnisse haben kann. Vgl. als wichtigsten Aufsatz: Stephen Ross, The Economic Theory of Agency: The Principal`s Problem, in: AER, 1973.

"Animal spirits": exogene Wellen von Optimismus und Pessimismus bezüglich der wirtschaftlichen Lage, die das Investitions- und Konsumniveau  beeinflussen (Einfluss der Psychologie, vgl. Mankiw, Makroökonomik, Stuttgart 1998, S. 559; auch G. Schmölders). Shiller und Akerlof haben ein neues Buch mit gleich lautendem Titel veröffentlicht. Sie knüpfen an die "Theorie der ethischen Gefühle" von Adam Smith an. Danach handeln Menschen nicht nur eigensüchtig und rational. Es geht um "menschen-nähere" Ökonomie mit Gefühl. Gegendenker wäre etwa Gary Becker, der alles auf Nutzenmaximierung zurückführt.

Geistige Eigentumsrechte: Neues Wissen ist ein knappes ökonomisches Gut. Es stellt eine wichtige Wachstumsdeterminante dar. Der Schutz muss effizient gestaltet werden. Wichtig ist die temporäre Ausrichtung. Der Schutz ist aus Sicht der Verbraucher, der Unternehmen und der der Entwicklungsländer zu sehen. Der Schutz geistigen Eigentums führt zu Innovationen. Auch im digitalen Kapitalismus ersetzt das Teilen nicht das Eigentum. Es bleibt eine materielle, vor allem mentale Ressource.

Verfügungsrechte: Die Einschränkung der Selbstbedienungsmentalität durch die Schaffung von Verfügungsrechten schont alle Ressourcen. Fehlen Verfügungsrecht, sind die Märkte ineffizient. Die Analyse geht auf Ronald Coase und Armen Alchian zurück. "Jede Einschränkung privater Verfügungsrechte führt zu einer Verschiebung des Gleichgewichts der Kräfte von unpersönlichen Merkmalen zu einem Verhalten, das die politischen Machthaber billigen", Armen Alchian.

Freiheit (Idee der Freiheit in der Wirtschaftspolitik): Die Definition der liberalen, wirtschaftlichen Freiheit geht auf John Stuart Mill (1806-1873) zurück. Er stellte aber dem Egoismus keinen Freibrief aus, sondern sprach sich für klare Rahmenbedingungen aus. John Locke (1632-1704) begründete die Definition des Eigentums als Grundlage der Freiheit. Er wollte damit eigentlich die Armut bekämpfen, andererseits aber dem Reichtum keine Grenzen setzen. Ferdinand Lasalle (1825-1864) stellte auch die Freiheit in den Mittelpunkt. Sein Kampf galt der Verbindung von Freiheit, Demokratie und Sozialer Gerechtigkeit. Von Hayek, Friedrich August: Die Verfassung der Freiheit, 1960. Die Geschichte des liberalen Denkens. Definition der persönlichen Freiheit. Entwicklung des Rechtstaates. Bedrohungen der Freiheit. Milton Friedman trennte zum ersten Mal faktisch zwischen wirtschaftlicher und politischer Freiheit (Beratung in Chile in der Militärdiktatur). "Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden", Rosa Luxemburg, Vorkämpferin der Linken und der Rechte der Frauen sowie gegen den Krieg, sie wurde 1919, also vor 100 Jahren, ermordet (auch Karl Liebknecht).

Wirtschaftspolitik: Sie folgt dem magischen Fünf- bzw. Sechseck, wobei Zielkonflikte bestehen können, weil nicht alle Ziele gleichzeitig zu erreichen sind. die Ziele sind im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967 festgelegt: Preisniveaustabilität, Vollbeschäftigung, Wirtschaftswachstum, Außenwirtschaftliches Gleichgewicht, Verteilungsgerechtigkeit (heute wird Umweltqualität oft noch dazu gerechnet, obwohl nicht schriftlich fixiert). Außerdem können Time - Lags (Zeitverzögerungen) auftreten. Als Inside-Lag bezeichnet man z. B die Zeit zwischen ökonomischem Schock und dem Festlegen wirtschaftspolitischer Maßnahmen. Der Outside-Lag ist die Zeit vom Eingreifen bis zur Wirkung. Die Geldpolitik hat wesentlich kürzere Lags als die Finanzpolitik. Der Lundberg-Lag ist die Zeitverzögerung zwischen Nachfrage und Produktion. Die Wirtschaftspolitik wird in Ordnungs-, Prozess- und Strukturpolitik eingeteilt. Ordnungspolitik ist vor allem Wettbewerbspolitik (GWB). Die Prozesspolitik besteht aus Geld- und Fiskalpolitik (überwiegend Konjunktur- und Wachstumspolitik). Die Strukturpolitik besteht aus regionaler, sektoraler und mittelstandsorientierter Politik. Vgl. auch wirtschaftspolitische Grundkonzeptionen. Mittlerweile fordern Experten ein Wohlstands- und Nachhaltigkeitsgesetz. "Für einige Volkswirtschaften, unter ihnen auch wirtschaftlich starke Länder, ist eine neue Fiskalpolitik der richtige Weg, der Finanzkrise zu begegnen", D. Strauss-Kahn, ehemaliger IWF-Chef, auf dem World Economic Forum in Davos 2008. 49 Prozent der Unternehmen sehen 2015 in der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ein Risiko für die Konjunktur (ifo-Managerbefragung 2015).

Zielbeziehungen wirtschaftspolitischer Ziele: Die Ziele können komplementär sein bzw. harmonisch, indem sie sich gegenseitig unterstützen (Beispiel Okun`sche Gesetz). Sie können einen Zielkonflikt bilden (Beispiel "Philipskurve"). Sie können nichts miteinander zu tun haben (Zielneutralität). Vgl. Faik, Jürgen: Wiley-Schnellkurs Volkswirtschaftslehre, Weinheim 2014, S. 155ff.

Phillips-Kurve: Beziehung zwischen Arbeitslosenquote (ALQ)  und Inflationsrate (IR): normalerweise sind eine hohe IR mit niedriger ALQ und Preisstabilität mit hoher ALQ verbunden A. W. "Bill" Phillips (1914-1975, in Neuseeland geboren; Erkenntnis 1958):  "The Relationship between Unemployment and the Rate of Change on Money Wages in the United Kingdom, 1861-1957", Economica (für die USA von Samuelson und Solow festgestellt). Auf dieser Kurve basiert auch das Modell des politischen Konjunkturzyklus von W. Nordhaus (geb. 1941, The Political Business Cycle, Review of Economic Studies 1975). Der Nobelpreisträger von 2006 E. Phelps (geb. 1933) kritisierte die unterstellte Geldillusion und untersuchte die Rolle von Inflationserwartungen: Als einer der ersten bezeichnete er den Trade-off als kurzfristig und nannte als Bedingung, dass die tatsächliche Inflation von den Inflationserwartungen abweicht. 2017 scheint sich das Phänomen der Phillips-Kurve aufzulösen. Die Arbeitslosigkeit befindet sich in allen Industrieländern auf dem Rückzug. Doch die Löhne und die davon beeinflusste Preisinflation steigt nicht wie gewollt (2%) an. Das könnte mit der Globalisierung der Löhne zusammenhängen. "Wenn man jemanden sucht, der auf eine Inflation von null Prozent zielt, während die Arbeitslosigkeit auf 13 Prozent steigt, dann ist Weber der richtige Mann", Paul Krugman, in: Handelsblatt, 21.06.2010, S. 4.

Wirkungsweise der wirtschaftspolitischen Instrumente: Sie wirken auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und auf das gesamtwirtschaftliche Angebot. Dadurch werden Produktion und Beschäftigung, Preisniveau und Außenbeitrag beeinflusst. Vgl. Herbert Sprenger: VWL Grundwissen, München 2012, S. 15f.

Operationalisierung und Konkretisierung wirtschaftspolitischer Ziele: Sie ist generell fraglich und umstritten. Wirtschaftswachstum soll "stetig und angemessen" sein. Bei der Preisstabilität greift man in der Regel auf ein Konvergenzkriterium zurück (1,5% über den drei preisstabilsten Ländern). Bei Vollbeschäftigung sieht man die Natürliche Arbeitslosenquote als Untergrenze (3%?). Beim außenwirtschaftlichen Gleichgewicht sollen die Exporte höher als die Importe sein. Die Verteilung soll "gerecht" sein.

Seriosität der Wirtschaftspolitik und antizipative Wirkungen: Regierungen machen Versprechungen, insbesondere vor Wahlen. Aus Erfahrung halten rationale Individuen diese Versprechungen nicht für glaubhaft. Sie gehen von einem Vertrauensbruch aus und passen ihr Verhalten an. Daher funktioniert  Regierungspolitik oft nicht, wenn sie nicht einfache Regeln einhält. Fyn Kydland (geb. 1943 in Norwegen) gilt als einer der Hauptvertreter dieser Richtung (zusammen mit Edward Prescott). Deshalb kann es auch naiv sein, bei der Wirtschaftspolitik Lösungen zugrunde zulegen, die in der Vergangenheit funktioniert haben (Robert Lucas). "Ich bin Pessimist für die Gegenwart, aber Optimist für die Zukunft", Wilhelm Busch, deutscher Humorist.

Kriterien zur Beurteilung der Wirtschaftspolitik (Bewertungskriterien): 1. Souveränität und Eigenverantwortung, 2. Subsidiarität staatlichen Handelns, 3. Verteilungsgerechtigkeit, 4. Effektivität und Effizienz (Wirksamkeit und Kosten-, Nutzenrelation), 5. Nachhaltigkeit und Stabilität, 6. Rechts- und Planungssicherheit, 7. Transparenz, 8. Marktkonformität.  Vgl. Letzgus, Oliver/ Rieger, Alexander: Prüfungstraining VWL - Klausuren, Stuttgart 2015, S. 98f. . Vgl. auch: Beeker, D., VWL für dummies, Weinheim 2017, S. 169ff.

Evaluation von Wirtschaftspolitik: Evidenzbasierte Politik muss Rahmenbedingungen haben. Es geht um Verstehen - Entwickeln - Testen - Verbessern. Folgende Aspekte sind wichtig: 1. Erreichung der Ziele. 2. Rechtsgrundlagen für die Evaluierung. 3. Informationsaustausch zwischen Wissenschaft und Politik. 4. Frühzeitige Verfügbarkeit der Daten. 5. Verbesserung der Anreize im wissenschaftlichen Bereich. Vgl. Buch, C. M./ Patzwald, K./ Riphan, R. T./ Vogel, E.: Verstehen - Entwickeln - Testen - Verbessern: Rahmenbedingungen für evidenzbasierte Politik, in: Wirtschaftsdienst 2019/2, S. 106ff.

Alle profitieren irgendwie von Wirtschaftspolitik (aber nicht alle gleich): Die soziale Marktwirtschaft muss "liefern". Sie muss sorgen für Vollbeschäftigung, soziale Sicherheit, wachsenden Wohlstand, mehr Freizeit, Aufstiegschancen.

Staatliche Allokations-, Distributions- und Stabilisierungspolitik: Die drei Politikfelder bilden den Aufgabenbereich für die staatliche Aktivität in der Sozialen Marktwirtschaft. Allokationsprobleme sind mangelnder Wettbewerb, externe Effekte und asymmetrische Informationen. Distributionsprobleme bestehen in ungleicher Einkommensverteilung (personell, sektoral, regional). Stabilisierungsprobleme resultieren aus Arbeitslosigkeit, Inflation und Konjunkturphasen. Vgl. Natrop, J.: Grundzüge der Angewandten Mikroökonomie, München 2012, S. 331. Das Schema geht auf den US-Ökonomen Musgrave zurück, der die Finanztheorie und -politik der Sechziger- und Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts prägte.

Primärer und sekundärer Einkommenseffekt: Ersterer beschreibt die direkten Auswirkungen, die eine wirtschaftspolitische Maßnahme auf das Volkseinkommen hat. Letztere charakterisiert die Folgewirkungen. Vgl. Petersen, Thieß: Fit für die Prüfung: Makroökonomie, Konstanz und München 2013, S. 194.

Austeritätspolitik: Sparen um jeden Preis in der Politik. Vor allem in Krisenzeiten ist diese Politik umstritten. Hier wird Sparen als Brandbeschleuniger gesehen. Die Spar-Kritiker setzen sich für mehr Investitionen  in der Krise ein. In Irland hat sich die Politik eher bewährt. In Griechenland ist sie zu einseitig.

Transmissionsmechanismus der Wirtschaftspolitik: Wirkungsmechanismus der Wirtschaftspolitik auf makroökonomische Größen. Zusammenhang zwischen wirtschaftspolitischen Zielen und Umsetzung politischer Maßnahmen. Am umstrittensten ist dieser Mechanismus bei der Geldpolitik. zumindest die Einflussgrößen sind bekannt (Kredite: Nachfrage, Angebot; Liquidität; Zinsen; Akteure im Inland oder Ausland; Bankenverhalten). Klar ist aber, das Geldpolitik schneller wirkt. Die Finanzpolitik hängt mehr an politischen Entscheidungsprozessen.

Rationale Erwartungen: Die Theorie geht auf John Smith zurück. Sie wurde von Robert Lucas und Thomas Sargent weiterentwickelt. Arbeitnehmer und -geber stützen sich bei ihren Entscheidungen auf den aktuellen Wissensstand und nicht auf frühere Informationen. Politische Entscheidungsträger sollten also nie davon ausgehen, dass man die Menschen andauernd täuschen kann.

Ökonomische Resilienz: "Ö. R. ist die Fähigkeit einer Volkswirtschaft, vorbereitende Maßnahmen zur Krisenbewältigung zu ergreifen, unmittelbare Krisenfolgen abzumildern und sich an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Der Resilienz-Grad  wird dadurch bestimmt, inwieweit das Handeln und Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die Performance der Volkswirtschaft gemäß Bewertung durch die gesellschaftliche Zielfunktion auch nach einer Krise sicherstellen kann." s. Brinkmann, H./ Harendt, C./ Heinemann, f./ Nover, J.: Ökonomische Resilienz - Schlüsselbegriff für ein neues wirtschaftspolitisches Leitbild? in: Wirtschaftsdienst 2017/ 9, S. 644ff.

Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik: Sie erfolgt in der Regel durch eine Senkung der Gewinn- und Lohnsteuern und durch eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik. Zu der antizyklischen Finanzpolitik und der antizyklischen Geldpolitik vgl. hier die entsprechenden Abschnitte "Finanzpolitik" und "Geldpolitik".

Antizyklische Wirtschaftspolitik: Regelungen, die Vollbeschäftigung aufrechterhalten sollen. Fluktuationen sollen ausgeglichen werden. Bei Hochkonjunktur soll gespart (Rücklagen) werden und Steuern erhöht werden. Bei Depression soll mehr ausgegeben werden und die Steuern sollen gesenkt werden.

Regelbindung: Automatische Anpassungen der Politik als Reaktion auf veränderte makroökonomische Bedingungen. Beispiel sind in Deutschland die progressive Einkommensteuer und die Arbeitslosenversicherung.

Paternalismus als Ziel und Methode der Wirtschaftspolitik: Wie kann man Bürger durch sanfte Befürwortung konditionieren. Spielt etwa im Bereich der Gesundheit eine Rolle, wo die Bürger mehr auf sich achten sollen. Im diesem Zusammenhang geht es auch um "Nudge" (Stupsen: z. B. Toilettenfliegen in Pissoirs). Es geht um kluge, durchdachte Entscheidungshilfen und -anstöße.  Damit ist die Kraft, Menschen zu beeinflussen, größer. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass durch das verdeckte Agieren manipuliert wird. Die bekannteste Art von Nudges sind Standardvorgaben, die Defaults. Diese sollen Menschen in eine bestimmte Richtung "stupsen". Nudges können die Entscheidungen von Menschen verbessern, wie sie in Form gut aufbereiteter Informationen angeboten werden. Sie können auch die Selbstbindung verstärken (Selbstkontrollprobleme reduzieren; z. B. durch Wetten). In der Praxis kann Nudging in der Wirtschaftspolitik (Gefahr: Verwaltungsfreude, Obrigkeitsdenken),  in der Alterssicherung und beim Verbraucherschutz bewusst eingesetzt werden. Auch in der aktiven Arbeitsmarktpolitik setzt man zunehmende auf Anreize. So gesehen ist es sanfter Paternalismus und verhaltensökonomisch fundierte Ordnungspolitik. Die Frage ist, ob unvollständige Rationalität eine hinreichende Begründung ist. Wenn man Glück auch als politische Konzeption betrachtet wäre dies ebenso eine Form von Nudging. 2016 kommt eine Studie der Lebensmittelindustrie zum Ergebnis, dass sich die Deutschen beim Essen gern vom Staat bevormunden lassen (Zuckersteuer, Salzverbot, Schockbilder). Vielleicht kommt noch eines Tages der Veggie-Day, der schon mal von den Grünen vorgeschlagen wurde. Als Hauptvertreter des Paternalismus gilt Richard H. Thaler. 2015 ist er Präsident der American Economic Accociation. Zitat von ihm: "Get ready to change the way you think about economics". Kritik aus ganz andere Richtung: Bolz, Norbert: Eine Polemik gegen plakative Politik, in: WiWo 32/ 4.8.23, S. 40f. Er sieht einen politischen Paternalismus, der dem liberalen Credo der Selbstverantwortung Hohn spricht. Die Bürger sollen von den eigentlichen Problemen abgelenkt werden. Das Hantieren mit Scheinproblemen und Scheinlösungen gehört dazu. "Angestrebt wird eine Opfergemeinschaft, in der Bürger als Empfänger politsicher Fürsorge bewirtschaftet werden, um ihnen dafür Respekt bezeigen zu können"

Genossenschaftsmodell bzw. -Idee für Gemeinschaftseigentum: Genossenschaften verfolgen die wirtschaftlichen Ziele aller Mitglieder und nicht die Interessen des Einzelnen. Die Genossenschaft ist eine Gesellschaft von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder durch gemeinsamen Geschäftsbetrieb bezweckt (Olfert, Finanzierung, 2013, S. 265). Sie geht auf Friedrich Wilhelm Raiffeisen zurück. Er wurde 1818 in Hamm/Sieg geboren und starb 1888 in Heddesdorf/ Neuwied (kurz vor dem Ehrendoktortitel der Uni Bonn), wo auch sein Grab ist. Er wuchs ohne Vater auf, stark geprägt von seinem Onkel, der evangelischer Pfarrer in Hamm war. Raiffeisen musste den Militärdienst früh wegen eines Augenleidens aufgeben. Das Genossenschaftswesen erlebt heute eine Renaissance auf der Welt. Raiffeisen ist außerordentlich bekannt in Japan und Indien sowie Brasilien (starker Tourismus in den Wirkungsstätten). Rund 1 Mrd. Menschen sind weltweit 2017 Mitglieder. In Deutschland gibt es 2018 über 8000 Genossenschaften. In Weyerbusch/ Westerwald, wo Raiffeisen seine erste Bürgermeisterstelle hatte, entwickelte er 1845 die Idee des Brotvereins (Getreide für Arme auf Kredit; reiche Bürger sind Bürgen). Von dort ließ er die Historische Raiffeisenstraße bauen (heute B 256), damit die Bauern auch in den Städten verkaufen konnten. Die zweite Bürgermeisterstelle hatte er in Flammersfeld/Ww.. Hier gründete er den Hilfsverein für bedürftige Landwirte. Dies war der Kern der Genossenschaft, die heute weltumspannend ist (Antrag auf immaterielles Weltkulturerbe). Zuerst waren die Genossenschaften in der Landwirtschaft (Molkereien, Winzergenossenschaften, Märkte). Wichtig war der sichere Preis für die Erzeuger. Heute wird die Idee auch im Energiebereich umgesetzt (Solarparks, Windparks; z. B. Maxwäll - Energiegenossenschaft). Bei seiner dritten Bürgermeisterstelle in Heddesdorf bei Neuwied  gründete er die erste Genossenschaftsbank. Prinzip war "Hilfe zur Selbsthilfe" (wie heute bei den Mikrokrediten). Er erkannte, dass Mildtätigkeit nicht ausreicht. 1889 kam ein Genossenschaftsgesetz im Deutschen Reich, das zum Vorbild in vielen Ländern wurde (auch stark geprägt von Schulze-Delitzsch der im Reichstag saß; Gründer der "Schumacher-Assoziation" und von "Volksbanken"). Raiffeisen war Sozialreformer, Helfer der Armen, Vater des Raiffeisengedankens, Begründer der Genossenschaftsidee. Heute gibt es in Deutschland nicht nur die regionalen Raiffeisenbanken, sondern auch die Deutsche Zentrale Genossenschaftsbank (DZ, Berlin, Frankfurt) und die WGZ-Bank als überregionale Banken. Die Genossenschaft als Finanzierungsmodell ist wegen der Finanzkrise und den Auswüchsen auf den Finanzmärkten wieder stark im Kommen. Auch die Energiewende führt zu vielen neuen Genossenschaften bei alternativen Energien (z. B. Windräder). Für Finanzierungsfragen am wichtigsten sind die Kreditgenossenschaften (Kreditgeber und Kreditnehmer sind Mitglieder, Genossenschaften setzen nicht auf Gewinn). Die Finanzierungsart gehört heute zur Obergruppe der Beteiligungsfinanzierung. Die Organe der Genossenschaft sind Generalversammlung, Aufsichtsrat, Vorstand. Genossenschaften sind Zusammenschlüsse vieler Personen, die ein Geschäft betreiben wollen. Vorrangig geht es nicht um Gewinn, sondern um Vorteile. Das Credo der Genossenschaftsidee ist: Eigenverantwortung durch Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung. International ist die Genossenschaftsidee sehr verbreitet in Japan (noch bekannter als bei uns, seit dem deutschen Kaiserreich), Brasilien (eingeführt von Jesuiten) und Indien. 2016 wird das Genossenschaftswesen als erster deutscher Kulturstandard zum Immateriellen Kulturgut von der UNESCO anerkannt. Nach einer Umfrage des Insolvenzverwalters zeichnet sich auch beim Windkrafthersteller Prokon der Weg in eine Genossenschaft ab. Es wäre durchaus vorstellbar, die privatisierten, ehemals staatlich gemeinnützigen Unternehmen (Stadt- und Regionalverkehr, Krankenhäuser, Wasserwerke, E-Werke, Badeanstalten) wieder in Dasein vorsorgende Unternehmen umzuwandeln gemeinnützige Genossenschaften. Die Genossenschaftsidee ist in der Globalisierung stark auf dem Vormarsch: 2004 gab es 5470 Genossenschaften in Deutschland. 2017 sind es mehr als 8000 (Banken-, Agrar-, Energie- und Wohnungssektor).

Wirtschaftspolitisches Konzept der Sozialen Marktwirtschaft: 20. Juni 1948 (Währungsreform) und 24. Juni 1948 (Freigabe der Industriepreise) sind die wirtschaftlichen Gründungsdaten der Bundesrepublik. Mit "Wohlstand für alle" brachte Ludwig Erhard, der erste Wirtschaftsminister, das ordnungspolitische Manifest der Sozialen Marktwirtschaft auf den Punkt. Dazu gehörten Wohlstand durch Wettbewerb (GWB); Erwirtschaften von Vorteilen und mündiger Bürger. Grundgedanke ist auch ein freier Markt, eingebettet in einem stabilen Ordnungsrahmen. Akteure, die am Markt nicht mithalten können, bekommen durch Umverteilung eine Zuteilung vom Ergebnis. Das theoretische Gebäude geht zurück auf Alfred Müller-Armack, Wilhelm Röpke, Friedrich A v. Hayek und Walter Eucken. "Der Leitgedanke der sozialen Marktwirtschaft kann auch in der Zeit des digitalen Fortschritts unser Kompass sein", Bundeskanzlerin Angela Merkel 2018.

Ordnungspolitik: Ursprünglich in Deutschland geprägt von Männern wie Ludwig Erhard (1. Wirtschaftsminister), Müller-Armack (Uni-Köln, Staatsekretär), Röpke, Hayek, Franz Böhm (1895-1977) und Walter Eucken (1891-1950). Seit der Freiburger Schule steht die Begrenzung wirtschaftlicher und politischer Macht im Zentrum der Ordnungspolitik. Grundlage ist das liberale Marktkonzept, das von Pareto-Effizienz, Gleichgewichtsanalyse, Individualismus, Freiheit und Wohlfahrt geprägt ist. Franz Böhm bezeichnete den Wettbewerb als "das genialste Entmachtungsinstrument der Geschichte". Heute ist diese Richtung international in der Institutionen - Ökonomik aufgegangen. Daneben versuchen "Marktdesigner", die mehr von Spieltheorie, Mathematik und Laborexperimenten  (Computersimulation) beeinflusst sind, ebenfalls praxisrelevante Lösungen zu finden. Vgl. Ökonomen als Gestalter von Märkten, in: FAZ, Nr. 15, 18.01.2013, S. 12. Dem Liberalismus alter Schule fehlt die Weltsicht und die Berücksichtigung der Fairness. Der Liberalismus muss als Prozess auch ständig der Realität angepasst werden und neue Probleme innovativ aufnehmen (z. B. Entschuldung). Die Bedeutung der Dogmatiker in der Ordnungspolitik (Freiburg, Köln) ist zurückgegangen, vor allem nach der Finanzkrise 2008. Die Ampelkoalition geht in ihrem Koalitionspapier Richtung sozialökologische Marktwirtschaft. Der Zuschnitt des Ministeriums für Wirtschaft und Klima/ Habeck steht dafür. Die Frage ist, ob dei Komplexität der Welt das zulässt.  "Diese Wirtschaft tötet", Papst Franziskus 2014. "Eine Bestandsgarantie für einzelne Unternehmen? Die kann und darf es in einer Wettbewerbswirtschaft nicht geben", Lars P. Feld 2019, Professor Uni Freiburg und Mitglied im SRW. Quelle: WiWo 23, 31.5.2019, S. 43.

Deregulierung: Abbau staatlicher Marktkontrollen und Stärkung des freien Handels. Der Staat ist umso dynamischer und konkurrenzfähiger, je weniger der Staat interveniert. Staatliche Kontrollen sind z. B. Währungskontrollen, Einfuhrzölle und Mindestlohn.

Kapitalismus: Kapitalismus ist eine historische Epoche. Dazu gehören Geld, Markt, Bankwesen und Privateigentum. Im modernen Kapitalismus kommt noch die Dynamik hinzu. Das Vermögen ist gewachsen, die Masse der Konsumgüter und die ökonomische Macht.

Neoliberalismus: Die beherrschende Wirtschaftsphilosophie des 20. Jahrhunderts. Danach ist der Staat zu dumm, um ihm die Verantwortung für das Wohlergehen der Menschen zu überlassen. Der Staat habe daher nur die Aufgabe, das Rechtssystem zu schaffen und die Eigentumsrechte zu schützen ("Nachtwächterfunktion"). Kernsatz ist die Aussage "Gier ist gut". Rechtfertigung ist die Befriedigung des Individualismus der Menschen. Da jeder eigene, verschiedene Bedürfnisse habe, könne nur der Markt Angebot und Nachfrage zusammenbringen. Erst der Zusammenstoß von Individualismus und Umweltschutz konnte zu einem Umdenken führen. Anhänger dieser Richtung sind der Überzeugung, dass der Markt als Organisationsform funktional und ethisch überlegen ist. Unverfälschte Marktwirtschaft beruhe auf dem Haftungsprinzip. Sie belohne die Tüchtigen und bestrafe die weniger Tüchtigen. Der Markt sei ein gesellschaftlicher Gegenentwurf zu Korruption und Vetternwirtschaft. Aktuell spricht man eher von Postliberalismus ("Volkswirtschaft, von der alle profitieren und nicht nur wenige Privilegierte", Theresa May, GB). Im Grunde genommen sieht man die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland als Vorbild, weil Deutschland so erfolgreich ist. Dies ist in GB angesichts des Brexit paradox. Als Gründer des Neoliberalismus wird oft David Ricardo genannt. Ein wichtiger Weiterentwickler war sicher Milton Friedman. Ein kann wesentlicher Kern ist der Liberalismus: Das Vertrauen in den Menschen, seine Mündigkeit und seine Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Im Kulturkrieg steht Liberalismus für Gedankenfreiheit. Gleichdenken bedroht die Früchte der Aufklärung (man braucht gar keine Geheimpolizei mehr). Letzte Partei in Deutschland, die dem Neoliberalismus am ehesten folgt, ist die FDP. Biden den USA hat viele neue Vorstellungen über die Wirtschaft. Er versucht, seine eigne Philosophie zu entwickeln (Bidenomics): 1. Der Markt ist nicht unfehlbar, aber immer noch dominant. 2. Staat muss für Vollbeschäftigung sorgen, nicht mehr nur Wirtschaftsschwankungen ausgleichen. 3. Höhere Staatsausgaben und Verschuldung sind vertretbar (NMT). 4. Klimaschutz und Außenhandel sollen Jobs sichern ("New Deal"). 5. America first. Die Strategie bleibt, aber die Verbündeten sollen eingespannt werden. 6. Die Vermögens- und Einkommensverteilung ist ungerecht (Korrektur über Steuerpolitik?)   Der Begriff Neoliberalismus geht auf den deutschen Ökonomen Alexander Rüstow (1885-1963; studierte Ökonomie, Philosophie, Jura und Physik) zurück. Er propagierte eine ordnungspolitisch eingebundene Form des freien Wirtschaftens. Im Mittelpunkt standen die Verhinderung von Konzentration und Macht. Im Dritten Reich war er in der Türkei im Exil. Heute wird auch oft der Begriff "ordoliberal" als synonym zu "neoliberal" gebraucht. Man sollte den Begriff also nicht zur Diffamierung missbrauchen, sondern offen über die Rolle des Menschen und des Marktes in der Wirtschaft streiten. Vgl. Thomas Biebricher: Die politische Theorie des Neoliberalismus, Suhrkamp Verlag 2021. Auch: Audier, Serge/ Reinhoudt, Jurgen: Neoliberalismus. Wie alles anfing, 2019. Als Interessenvertretung versteht sich die 1947 gegründete Mont-Pelerin-Gesellschaft (MPS). Der Radikalindividualismus wird immer mehr zur Bedrohung. Immer mehr Menschen sind nur an Selbstverwirklichung interessiert. "Das vermeintliche oder eingebildete Weltbürgertum befördert jene Entwurzelung, die ein Engagement im Nahbereich des Alltags erst recht sinnlos erscheinen lässt." Siehe Bucheli, Roman: Der Ich-Ideologe fährt mit dem Elektroscooter, in: NZZ, 12.7.23, S. 15.

Washington Consensus: Der Begriff geht auf John Williamson zurück, der ihn 1989 für eine Reihe von Empfehlungen an Entwicklungsländer prägte. Er folgt den Regeln "stabilisieren, privatisieren, liberalisieren, globalisieren - und Haushaltsausgleich. "In den meisten Fällen sind (die Grundideen, siehe oben) Binsenwahrheiten und haben so unweigerlich zu einem Konsens geführt", John Williamson.

Planung in der Wirtschaftspolitik: Dam bekanntesten ist der Fünfjahresplan der chinesischen Führung. 2016 sind folgende Probleme zu lösen: Überkapazitäten in der Wirtschaft abbauen. Armutsproblem lösen. Überschuldete Staatsbetriebe sanieren. Das BIP pro Kopf liegt mit umgerechnet 14.000 Dollar nur bei einem Vierten der USA (2015). Alle Staaten haben aber Planungselemente in ihrer Wirtschaftspolitik, so Deutschland in der Finanzpolitik für 5 Jahre.

Solidaritätsprinzip in der Sozialen Marktwirtschaft und Datentracking: Die Sozialversicherungen und auch andere Versicherungen  in Deutschland arbeiten nach dem Solidaritätsprinzip. Da immer mehr Apps persönliche Daten erheben und weitergeben können, gehen einzelne Versicherungen dazu über, Nutzern, die ihre Daten weitergeben, Beitragsnachlässe zu gewähren. Dies machen schon Krankenversicherungen und Autoversicherungen.

Theorie des Zweitbesten: Sie wurde von Richard Lipsey und Levin Lancaster entwickelt (Diess.: The General Theory of the Second Best, 1956). Theoretisch sei die freie Marktwirtschaft am besten. Aber in der Realität könne es zu Verzerrungen kommen. Diese Verzerrungen sind vernetzt. Eine Politik der Marktkorrektur kann die Lage der Dinge verschlimmern.

Allmende-, Monopolgüter und öffentliche Güter: Die Abgrenzung der Güterarten kann in einer Matrix erfolgen, die von den beiden Kopfspalten Rivalität im Konsum ja/nein und Ausschlussprinzip ja/nein gebildet wird. Vgl. Mankiw/Taylor, Grundzüge der VWL, Stuttgart 2008, S. 253 ff. Private Güter liegen vor, wenn auf beiden ebenen ja steht (Autos u. a.). Monopolgüter entstehen, wenn Ausschlussprinzip ja und Rivalität nein (Clubgüter, Bildung). Gesellschaftliche Ressourcen gibt es bei Rivalität ja und Ausschlussprinzip nein (Umwelt, fische im Meer). Öffentliche Güter sind bei nein/nein (nationale Verteidigung, Leuchtturm). Bei öffentlichen Gütern tritt häufig der Free - Rider - Effekt (Schwarzfahrereffekt) auf: Der eigene Beitrag wird so gering eingestuft, dass man ihn lässt. Statistisch wurden in Deutschland 300 bis 350 Mio. Schwarzfahrer pro Jahr geschätzt. Dies entspricht entgangenen Einnahmen in Höhe von 250 Mio. €. Das "erhöhte Beförderungsentgelt" beträgt ab 2016 60 €. Vgl. auch als Originalquelle: Musgrave, Richard A.: The Theory of Public Finance, New York et al. 1959.

Demeritorische Güter: Güter mit einem geringen gesellschaftlichen Nutzen. Die Nachfrage wird deshalb oft durch Steuern behindert. Meritorische Güter sind prinzipiell private Güter, die aus sozialen Gründen als öffentliche Güter bereitgestellt werden (z. B. Bildung).

Wirtschaftspolitik braucht eine Mission: Marktwirtschaften neigen dazu, kurzfristige oder wertschöpfungsabhängige Aktivitäten zu begünstigen. Nötig sind deshalb Staaten, die öffentliche Güter bereitstellen und Unternehmen die Richtung weisen - un deine Fiskalpolitik, die nicht die Vermögenswerte treibt, sondern den Wohlstand alle rfördert. Vgl. Mazzucato, Mariana/ Skidelsky, Robert: Wirtschaftspolitik brauch eine Mission, in: WiWo 32/ 21.7.20, S. 42f.

Industrie-, Forschungs- und Technologiepolitik: Ist hauptsächlich auf EU-Ebene angesiedelt. Sie ist in den Titeln XV (Transeuropäische Netze, XVI (Industrie) und XVIII (Forschung und technologische Entwicklung) des EU-Vertrages geregelt. Schwerpunkt ist zur Zeit die Informationstechnologie. Die Industriepolitik ist darauf ausgerichtet, bestimmte Wirtschaftssektoren zu fördern. Als Vorbild gilt die Industriepolitik in Japan in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Treiber war damals das Ministerium für internationalen Handel und Industrie (MITI). James Brander und Barbara Spencer (Kanada) entwickelten eine Theorie, derzufolge staatliche Eingriffe in die Branchenstruktur unter bestimmten Bedingungen die allgemeine Wohlfahrt steigern. F. A. von Hayek warnte vor "Anmaßung von Wissen" und plädierte für den "Wettbewerb als Entdeckungsverfahren".

Expertenkommission für Forschung und Innovation: Sie liefert jährlich ein Gutachten ab. Vorsitzender 2023 ist Uwe Cantner. Er fordert auch einen Zukunftsausschuss. Vgl. Die Zeit Nr. 8/ 16.2.23, S. 33.

Innovationen: Warum sind einige Länder schöpferischer als andere. Sehr viel hängt vom Wertesystem der Gesellschaften ab. Individualismus, Vitalismus und Selbstentfaltung im Job stärken Endeckerlust und Produktivität. Das ist die Grundthese von Edmund Phelps, einem der Pioniere auf diesem Gebiet. Vgl. Fischer, Malte: "Innovationen entstehen im Markt", in: WiWo 31/ 28.7.23, S. 36f. (Interview mit Phelps). Diese These ist heute sehr umstritten. Die kollektivistische Gesellschaft Chinas ist bei Innovationen extrem erfolgreich.

Notwendigkeit bzw. Legitimation der Industriepolitik durch Digitalisierung, Energiewende und den Aufstieg Chinas. Es geht um die Grundsatzfrage, ob es ein ineffizienter staatlicher Eingriff ist oder eine zukunftsweisende Option. Direkte Interventionen können in eine technologische Sackgasse führen und dem Wettbewerb schaden. Investitionen sind auf der anderen Seite mit großer Unsicherheit über die Zukunft und mit hohen Risiken belastet. Die Wirtschaft wird mittlerweile von Netzwerkeffekten und Pfadabhängigkeiten dominiert. Ziele könnten sein, mehr Wohlfahrt und Nachhaltigkeit für die gesamte Gesellschaft zu erreichen. Es geht aber auch vor allem um das "Wie". Wettbewerb, Technologie und Innovation sollten im Mittelpunkt stehen. Vgl. Industriepolitik, in: Wirtschaftsdienst 2019/2, S. 87ff.

Industriepolitik: Grundprinzipien: ist staatliche Förderung entscheidend oder der Wettbewerb? Unterstützung der Unternehmen durch die Wirtschaft. Schlüssel- und Zukunftstechnologien sollen wachsen. Die Unternehmen wollen allerdings keine Dauerintervention des Staates. Die Industriepolitik für KMU wird zur Mittelstandspolitik gerechnet. Im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher KMU ist sie im Auge zu behalten. In den asiatischen Ländern ist die Mittelstandspolitik (SME-Policy) in die Industriepolitik eingebunden. So versuchen China und Japan, längerfristig ihre Wirtschaftsstrukturen zu beeinflussen. In der EU muss sich erstmal eine klare Arbeitsteilung zwischen EU-Mittelstandspolitik und den Politiken der Länder herausbilden (dazu habe ich 2012 einen Artikel geschrieben, vgl. Working Paper 1/ 2012 der HS LU). In Deutschland bewegt sich die Industriepolitik zwischen "Rheinischem Kapitalismus" und Beschränkung der freien Kräfte des Marktes durch Gesetze. Mittlerweile ist China die größte Herausforderung für eine moderne Industriepolitik. Die Erfolge der Chinesen erklären sich aus der Mischung von plan- und marktwirtschaftlichen Strategien. Sie wurden aber auch durch die schiere Größe des Marktes und die Abschottung begünstigt. Vor allem auf dem Feld der Digitalisierung arbeitet China mit einem Tempo, das unheimlich ist. Immer mehr Ökonomen glauben, dass der Staat die Richtung vorgeben muss, wenn innovative Unternehmen entstehen sollen. Sonderrechte für Großkonzerne sollte es aber nicht geben. Vgl. Junker, Simon/ Michelsen, Claus: Industriepolitik: komplexe Verflechtungsstrukturen berücksichtigen, in: Wirtschaftsdienst 3/ 2023, S. 220 - 223. Industriepolitik ist heute ein ökonomisches Gebot. Der eigene Standort muss geschützt und gestärkt werden. Doch niemand ist immun gegen den Abstieg. Dei Konkurrenz in aller Welt ist hellwach. Vgl. Altmaier, Peter: so gelingt uns Aufbruch statt Abbruch, in: WiWo 30/ 21.7.23, S. 40f.  "Die heimische Wirtschaftspolitik verunsichert die Unternehmen zunehmend, vor allem den Mittelstand", Martin Wansleben, DIHK. Die Übernahme von Kaiser´s Tengelmann durch Edeka und die damit verbundenen Schwierigkeiten zeigen die Schwachpunkte der Industriepolitik in Deutschland. Vgl. kritisch zu Industriepolitik: Sinn, Hans-Werner: Die ökonomischen Fallstricke der staatlichen Industriepolitik, in: WiWo 29/ 14.7.23, S. 39.

EU-Industriepolitik nach dem französischen Modell: Der EU Chips Act bringt einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Subventionen. Er macht das französische Modell einer staatlichen Industriepolitik salonfähig. Es gibt eine Reihe von Beschlüssen: Zunächst hat die EU-Kommission im  November 21 beschlossen, dass bei neuartigen Produktionsstätten ("First of kind") bis zu 100 Prozent der Finanzierungslücke bezuschusst werden können. Ein weiteres Instrument des Interventionismus sind die Important Projects of Common European Interest (IPCEI). Kriterien sind Marktversagen und gesellschaftliche Herausforderungen. Man spricht von "strategischer Autonomie". Das Projekt Programm Next Generation Europa investiert Milliardensummen in nachhaltige Projekte.  Vgl. Wettach, Silke: Neue Europäische Planwirtschaft, in: WiWo 7/ 11.2.2022, S. 36ff..

Internationale Politik und deutsches Wirtschaftsmodell: Im Jahre 2018 spitzt sich die Situation zu. Deutschland braucht eine Strategie (so wie China sie erfolgreich umsetzt). US-Präsident Trump droht im Rahmen seiner Handelspolitik mit Strafzöllen. Die USA steigen aus dem Atomabkommen mit dem Iran aus und belegen Unternehmen, die mit dem Iran weiterhin Geschäfte machen, mit Sanktionen. Die Weltleitwährung "Dollar" wird von den USA als "Waffe" eingesetzt. Italien will die Schulden "vergemeinschaften". Frankreich (Macron) hat konkrete Euro-Pläne, die es durchsetzen will. Russlands Wirtschaft gerät in die Isolation (Giftanschlag, Krim, Ukraine). Saudi-Arabien erlässt wegen Iran einen Auftragsstopp für deutsche Firmen. Argentinien und die Türkei kämpfen mit Währungskrisen (Abwertungen ihrer Währungen). Wird die Globalisierung zurückgedreht, von der Deutschland am meisten profitiert hat?

Chinastrategie Deutschlands (und der EU): Zur Zeit fällt es chinesischen Investoren leichter, sich in Deutschland an Unternehmen zu beteiligen als umgekehrt. Das ist ein Mangel an Reziprozität. Das Prinzip meint, was der eine darf in Deutschland, darf auch der andere in China. Das Prinzip steht für Fairness und Gleichgewicht. Es sollte auch ein Gleichgewicht der Abhängigkeit sein: Beide Länder sollten gleich stark voneinander abhängig sein. Die China-Strategie Deutschlands hängt auch von den USA ab. Die USA verändern immer wieder Rahmenbedingungen (z. B. Iran-Sanktionen, von denen immer China profitiert). Die Bundesregierung plant 2019 ein Antispionageabkommen mit China. Im Gegenzug soll Huawei in Deutschland weiter aktiv sein dürfen. Allerdings war ein "No-Spy-Abkommen" zwischen den USA und China schon einmal wirkungslos geblieben. Die deutsche China-Strategie soll in eine Strategie der EU eingebettet werden: Ausgangspunkt ist eine Sitzung der EU-Kommissare im März 2019. Heikelster Punkt ist Huawei. Es soll einen gemeinsamen Ansatz der Cybersicherheit geben. Konkretes soll bis zum EU - China - Gipfel am 9. April vorliegen. China steckt im Moment aber seine Verhandlungsressourcen in den Handelskrieg mit den USA. Es wird auch um den zunehmenden Einfluss Chinas in Ost- und Südosteuropa  gehen (Italien, Griechenland, Ungarn). Beim Besuch von Xi Jinping in Europa am 26.03.19 trifft er auf das Trio Macron, Merkel und Juncker in Paris. Die EU will Einigkeit demonstrieren. Die EU und China grenzen sich von Trump ab. Der EU-Rechnungshof warnt im September 2020 vor chinesischen Investitionen in der EU. Mehr als die Hälfte des Engagements käme von Staatsunternehmen. Die bisherigen Strategien Deutschlands "Wandel durch Handel" und "Werkbank des Westens" gehen zu Ende. Die Erben von Merkel wollen sich von China nicht zu abhängig machen (O-Ton Merz). Das könnte für die deutschen Weltmarktführer auch mehr Unruhe mit sich bringen. Vgl. Haerder, Max u. a.: Wir können auch anders, in: WiWo 37/ 10.9.21, S. 28ff. Im Koalitionspapier der Ampel deuten sich andere Akzente in der Chinapolitik an. Die Menschenrechtsverletzungen sollen mehr angesprochen werden. Es ist auch von "systemischer Rivalität" die Rede. Man plädiert auch für faire Regeln im zunehmenden Wettbewerb. Man will auch eher eine gemeinsame EU-Strategie (China bevorzugt die bilaterale Ebene). Baerbock als Außenministerin dürfte versuchen, die kritischeren Töne gegenüber China umzusetzen. Ab 2022 arbeitet man an einer neuen Strategie in Kooperation von Außenministerium, Wirtschaftsministerium und Bundeskanzleramt. Sie soll bis Anfang 2023 stehen. Man plant auch mit Szenarien. Eine Version gelangt durch den Spiegel an die Öffentlichkeit. Einigt herrscht wohl darin, sich aus der Abhängigkeit von China zu lösen. Der Konflikt zwischen wertegeleiteter, meschenrechtsbasierter Außenpolitik (Grüne) und ökonomischen Interessen (SPD, FDP) bleibt. Vgl. Baumgärtner, Malk u. a.: Lügen und Gerüchte, in: Der Spiegel 48/ 26.11.22, S. 18f. In Spiegel online wird eine Version der neuen China Strategie veröffentlicht (Entwurf). Das Bundeskanzleramt dürfte noch Einfluss nehmen. Die Ampel in Berlin ist sich bei der Strategie genauso wenig einig wie die EU (Grüne kritisch, SPD, FDP pro; EU kritisch, Frankreich, Ungarn pro). So kann man gegenüber China schlecht auftreten.  "Wir wollen eine Partnerschaft mit China, aber keine blauäugige", Reinhard Bütigkofer, Grünen-Europaparlamentarier. "Wer mir Milch gibt, darf meine Mutter sein", chinesisches Sprichwort.

Der Westen und der Rest der Welt (Umbruch der Weltwirtschaft als Rahmenbedingung; Verschiebung ökonomischer Gewichte ): 1. Bevölkerung: Im Jahre 1950 lebte 28,5% aller Menschen in Europa und Nordamerika. 2010 war das Verhältnis der Bevölkerung 15,5% zu 84,5%. 2050 entwickelt sich die Relation zu 12,0% zu 88,0%. 2. Bruttoinlandsprodukt (BIP): Das BIP nach Kaufkraft betrug 1950 66,5% (Nordamerika und Europa) zu 33,5% Rest der Welt. 2010 war man bei 44,5% zu 55,5%. 2024 zeigt sich folgendes Verhältnis: 35,5% zu 67,4%. 3. Direktinvestitionen (in %): 1970 Europa und Nordamerika 62,7; Rest der Welt 37,3. 1990 77,5 und 22,5. 2018 37,6 und 62,4. Die Verschiebung der ökonomischen Gewichte ist dramatisch und unumkehrbar. Quelle: WiWo 53, 20.12.19, S. 38; UN, IWF, UNCTAD.

Privatisierung: Umwandlung öffentlicher Institutionen in private. Wurde und wird vor allem auf kommunaler und staatlicher Ebene durchgeführt. Stellt den Kern in einer Transformation von einer Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft dar. Insofern spielt und spielte Privatisierung eine große Rolle in der VR China und der Russischen Föderation. Nach der Finanzkrise wird in den modernen Industriestaaten von einem Ende der Privatisierung geredet, die Devise "Privat vor Staat" wird nicht einfach akzeptiert. Gerade in der Kommune stellen öffentliche, kommunale Wirtschaftsstrukturen einen Stabilitätsfaktor dar. Es gibt viele Wege der Privatisierung. Die Behandlung dieser Möglichkeiten geht bis in die BWL. Dazu gehören etwa Management Buy Out, Ausgabe von Aktien, Joint Venture, Employee Shareholding, Verkäufe an Outsider. Sehr schwierig ist die Beurteilung der Effizienz von Privatisierungsprozessen. Bei privaten Autobahnbetreibern zeichnet sich ein Desaster ab. Der Betreiber der A1 (A1 mobil GmbH & Co. KG) geht pleite (Verlust in Höhe von 796 Mio. €). Auch die privaten Betreiber von A4 und A5 machen hohe Verluste. Dies, obwohl der Bund zu viel Abschlag bezahlt hat (technische Unzulänglichkeiten, kein Unterschied zwischen großen und kleinen Lastwagen). Bundesfinanzminister Schäuble plant im November 2016 die Privatisierung der Autobahnen. Die SPD lehnt auch eine Teilprivatisierung ab.

Lokale Gemeinschaften als "die dritte Säule": 2022 dürfte die Ära der niedrigen Zinsen und der spendablen Finanzpolitik enden. Das führt zu Problemen: Die Märkte spekulieren auf eine Fortsetzung der Party und Rettungsdienste der Notenbanken. Auch die Bürger rechnen damit, dass ihnen notfalls schon jemand hilft. Das ist aber ökonomisch nicht möglich: Die Gratisökonomie geht dem Ende entgegen. "Volkswirtschaften verfügen über begrenzte Ressourcen. Es gilt, sie einzusetzen, um echte wirtschaftliche Notlagen abzumildern - nicht um die zu schützen, die ein wenig Ungemach ertragen können". Vgl. Rajan, Rachuram: Die dritte Säule. Warum wir in einer globalisierten Welt lokale Gemeinschaften brauchen, Finanzbuchverlag 2020. Der Autor ist Professor für Finanzwissenschaft an der Booth School of Business der University of Chicago. Ebenso: Ders.: Das Ende der Gratisökonomie, in: WiWo 7/ 11.2.22, S. 42f.

Zeitverzögerungen (lags) in der Wirtschaftspolitik: Outside-lag: Zeitabstand zwischen wirtschaftspolitischer Handlung und Wirkung in der Realität auf Wirtschaftssubjekte. Inside-lag: Zeit bis man erkennt, das es in der Wirtschaft Veränderungen gibt, die man wirtschaftspolitisch beeinflussen will. Intermediate-lag: Zeitraum, in dem die wirtschaftspolitische Handlung beschlossen und festgelegt wird. "Es ist nicht wenig Zeit, die wir zur Verfügung haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen", Seneca.

Zeitkonsistenz: Wenn sich eine Regierung für eine Vorgehensweise entschieden hat, sollte sie diesen Kurs beibehalten. Es sollte dabei klare Regeln geben. Das haben Finn Kydland und Edward Prescott theoretisch nachgewiesen.

Einbindung von Expertenwissen im wirtschaftspolitischen Prozess: Der Erfolg der populistischen Parteien in Europa, die Abstimmung über den Brexit und das Agieren der Trump - Administration deuten auf eine nachlassende Bedeutung der Politikberatung und eine große Skepsis hin. Ökonomen müssen sich viele Vorwürfe anhören: ihr Menschenbild sei unrealistisch, sie seien zu detailverliebt, sie seien nicht unabhängig, die arbeiteten nicht transparent, sie achteten nicht auf die Relevanz ihrer Ergebnisse. Das deutet darauf hin, dass dringend über ökonomische Expertenwissen nachgedacht werden sollte. Vgl. Expertenwissen im politischen Prozess - Nutzen, Grenzen und Gefahren, in: Wirtschaftsdienst 2017/ 4, S. 239ff. Gefordert wird unter anderem: Integrität durch Qualitätssicherung, Unabhängigkeit, mehr Orientierungswissenschaft statt Reparatur-Ökonomik, mehr Beteiligung, mehr Mandat und Selektion.

Politikberatung (auf Grundlage von Ethik): Die deutsche Politikberatung ist eingebettet in einen institutionellen Rahmen, der aus Universitäten, Forschungsinstituten, Sachverständigen und Beiräten besteht. Hin und wieder ist Kritik an der deutschen Beratungslandschaft zu vernehmen, beispielsweise, dass die wirtschaftswissenschaftliche Politikberatung in Deutschland zu wenig am Stand der Forschung orientiert sei oder Partikularinteressen (z. B. von Arbeitgeber:innen bzw. Arbeitnehmer:innen) zu viel Gehör fänden. Zudem haben die Fortschritte in der empirischen Ökonomik, die Forderung nach „evidenzbasierter Politikberatung“ verstärkt. Welche Anreize haben Wissenschaftler:innen, sich am politischen Diskurs zu beteiligen und mit welchem wissenschaftlichen Ethos sollten sie dies tun? Es stellt sich die praktische Frage, wie die Politikberatung in Deutschland verändert werden kann, um den verschiedenen Stimmen aus der Wissenschaft insgesamt mehr Gehör zu verschaffen und einen offenen Dialog zwischen Forscher:innen und Politik zu fördern. Welche Reformen im Wissenschaftssystem und in den die Politik beratenden Gremien sind sinnvoll, um die Politik zu beraten? siehe: Haucamp. Justus u. a.: Ethik und Institutionen der wissenschaftlichen Politikberatung, in: Wirtschaftsdienst, Heft 7/ 2022, S. 421ff. "Denn Politiker, so lautet ein Apercu, benutzen die Ökonomen wie Betrunkene Laternen: Sie suchen nicht Licht, sondern Halt", in: Handelsblatt, 2023.

Wirtschaftsbeirat: Einige Parteien in Deutschland holen sich Expertenrat durch einen Wirtschaftsbeirat. Das gilt etwa für die Bundestagsfraktion der Grünen. Es geht um einen ständigen Austausch und konstruktiven Dialog.

Sachverständigenrat für Wirtschaft (SRW; fünf Wirtschaftsweisen): Er berät die Bundesregierung in Fragen der Wirtschaftspolitik. Der Rat entstand 1963 auf Betreiben von Ludwig Erhard. 2014 lag der Etat bei 2,1 Mio. €. Jährlich wird ein Gutachten erstellt, das im Oktober erscheint (mittlerweile im Internet über die Homepage des SRW). Sitz der auch "Fünf Weisen" genannten Wissenschaftler ist das Statistische Bundesamt in Wiesbaden. Vorsitzender ist ab 2013 Christoph M. Schmidt (RWI Essen), vorher war es Wolfgang Franz (ZEW Mannheim). Neu im Gremium ist Volker Wieland, Uni Frankfurt. Ein Vertreter gilt in der Regel als etwas links orientierter und gewerkschaftsfreundlicher (Momentan Prof. Bofinger von der Uni Würzburg). Noch dabei sind Lars M. Feld und Isabel Schnabel (ab 2014; Uni Mainz; vorher Claudia M. Buch, jetzt Deutsche Bundesbank). Die Bundesregierung beruft die Mitglieder, die in der Regel den Mainstream der Volkswirtschaftslehre repräsentieren. Die Amtszeit beträgt 5 Jahre und kann verlängert werden. Es gibt auch ein Gegengutachten mehr alternativ orientierter Volkswirte. Seit der Finanzkrise schwindet der Einfluss des SRW stark. Er hat stark an Vertrauen verloren. Das mag zum Teil auch daran liegen, dass im postfaktischen Zeitalter generell Fakten nicht mehr so durchdringen. Das Gutachten wird in der Öffentlichkeit und Presse kaum noch registriert. 2018 wird die Besetzung eines Postens zum Politikum: Es geht um Volker Wieland, Uni Frankfurt (Kritiker der Niedrigzinspolitik der EZB). Sein Gebiet sei vertreten. Es müsse mehr Digitalisierung einbezogen werden. 2018 wird entschieden, dass Achim Truger 2019 Peter Bofinger ersetzen soll, Er soll den gewerkschaftsnahen Posten einnehmen (Wunsch der Gewerkschaft). Einige übrige Ratsmitglieder äußern sich negativ über ihn, obwohl sie auch selbst nicht so viel wissenschaftlich Herausragendes geleistet haben. Trotzdem wird Truger 2019 der neue Wirtschaftsweise. Er will, dass Reiche mehr Steuern zahlen und die Regierung weniger spart. 2020 bewegt sich der SRW Richtung ordnungspolitische Bedeutungslosigkeit. Es mehren sich die Rufe nach einer institutionellen Reform. Zwei Frauen kommen ins Gremium: Monika Schnitzer, LMU München, und Veronika Grimm, Nürnberg. Vorsitzender Christoph Schmidt wird abgelöst, auch Feld soll 2021 gehen (wird aber erst mal Vorsitzender, vorläufig nur drei Mitglieder). Die Konjunkturprognose soll zurückgefahren werden. Die SPD möchte den Vertrag von Feld ab März 2021  nicht verlängern. Feld ist Ordoliberaler (und hatte mal ein Gegengutachten in NRW gegen dem damaligen Finanzminister und heutigen Vorsitzenden der SPD gemacht). Im Grunde genommen geht es um die Schuldenbremse (wie viel Schulden verkraftet das Land?). Wahrscheinlich fällt die Entscheidung erst nach der Bundestagswahl (man könnte mit "vier Weisen" vorläufig auskommen). So läuft es auch. Bei den Vieren gibt es ein Patt, was den Vorsitzenden angeht (Truger, Schnitzer gegen Wieland. Grimm). So kommt es zu einer rotierenden Regelung. Der SVR hat an Bedeutung verloren, vielleicht hat er sich sogar überlebt. Die zwei Zielgruppen Öffentlichkeit und Regierung sind immer schwerer gleichzeitig zu bedienen. Manche sprechen sich für eine Art Ökonomen - TÜV aus. Man blickt auch zum Council of Economic Advisers in der USA. Vgl. Reiermann, Christian: Weise an die Macht, in:  Der Spiegel Nr. 49/ 4.12.2021, S. 84. Ende April 2022 zieht sich Volker Wieland aus dem SRW zurück. Dann sind vorerst nur noch Monika Schnitzler, Veronika Grimm und Achim Truger übrig. Dann werden die Wirtschaftsweisen wieder komplett besetzt: Auf Feld soll Ulrike Malmendier folgen. Sie lehrt derzeit in Berkeley. Auf Wieland soll Martin Werding kommen (Vorschlag der Arbeitgeber). Er lehrt an der Uni Bochum Sozialpolitik und öffentliche Finanzen. Als Favoritinnen für den Vorsitz gelten die beiden Volkswirtinnen Grimm und Schnitzer. Aufgrund ihrer Arbeit in der Kommission "Gas und Wärme" könnte es Grimm werden. Schließlich einigt man sich auf Monika Schnitzer. Sie ist Professorin für komparative Wirtschaftsforschung an der LMU München (Vgl. das Interview mit ihr in WiWo 41/ 6.10.23, S. 36ff. ("Wir alle müssen agiler werden"). Frau Grimm soll 2024 das Gremium verlassen (von den KollegInnen gefordert) , weil sie bei Siemens Energy einen Aufsichtratsposten übernommen hat (sie wird am 26.2.24 rein gewählt). Das Unternehmen hatte eine Bürgschaft erhalten. An der Entscheidung war sie beteiligt gewesen. Sie selbst will nicht weichen, auch die Ampel ist eher für Bleiben (rechtlich sauber, Compliance). Vgl. auch WiWo 23.2.24, S. 12. Es soll seit langem eine persönliche Fehde zwischen Grimm und Schnitzer geben. Vgl. HB 27.2.24, S. 7. Sie ist wohl auch in Konflikte zwischen Siemens und Siemens Energy rein geraten (Siemens stimmt in der Hauptversammlung gegen sie). Vgl. Focus 10/2024, S. 35. 2024 geraten die Reisekosten des SRW in die Diskussion. Sie betrugen 300.000 €, 200.000 entfielen allein auf Malmendier aus Berkeley/ USA. Die Kosten sollen zukünftig auf 100.000 € pro Mitglied und Jahr gedeckelt werden. Vgl. Der Spiegel 12/ 16.3.24, S. 45.   Im Gutachten 2013 warnen die "Fünf Weisen" vor Mindestlohn und Mietbremse. 2014 prognostizieren sie ein Wirtschaftswachstum von 1,6%. Die Zahl der Erwerbstätigen soll auf den Rekordwert von 42,1 Mio. steigen. Die Arbeitslosenquote wird knapp unter 7% liegen (2,95 Mio. AL). Folgende Anstiege werden noch vorausgesagt für 2014: Verbraucherpreise 1,9%; Exporte +5,2%. Im Gutachten des SRW 2014 wird der Regierung die Verantwortung für die schwache Konjunktur gegeben. Für 2014 wird ein moderates Wachstum des BIP von 1,2 Prozent erwartet (von 1,9% herunterkorrigiert).   "Es gibt genügend unfähige Männer in Spitzenpositionen. Da verkraften wir auch ein paar Frauen"; Isabel Schnabel, Mitglied im SRW zur Frauenquote. "Der Sachverständigenrat besteht fast komplett aus Quacksalbern mit Professorentitel. Ein Sechser im Lotto ist häufiger als eine richtige Prognose der Wirtschaftsweisen", Klaus Ernst, Linke - Vizefraktionschef 2014. "Wenn wir uns einschüchtern ließen, wäre das wissenschaftliche Feigheit", Christoph Schmidt 2015. 2016 merkt der SRW an, dass die EU nicht nur als Binnenmarkt funktionieren kann, aber eine gemeinsame Finanzpolitik ablehnt ("wer nicht mehr kann, geht in die Insolvenz"). Entscheidend sei der wirtschaftliche Erfolg in der Globalisierung (Vgl. Die Zeit, Nr. 29, 7. Juli 2016, S. 27). Im Jahresgutachten 2016 sprechen sich die Weisen für ein späteres Renteneintrittsalter und die Ausweitung des Niedriglohnsektors aus. Im Haupt-Gutachten im Herbst 2017 erhöhen sie die Prognose für 2018 auf 2,2%. Der Soli sollte Schritt für Schritt abgeschafft werden. Die Situation der Gemeinden sollte verbessert werden. Im Herbstgutachten 2018 senken die Wirtschaftsforscher die Prognose für 2018 deutlich  (von 2,3 auf 1,6%). Die Abkühlung der Weltkonjunktur und der spürbare Fachkräftemangel gehen an der deutschen Wirtschaft nicht spurlos vorbei (2019: 1,5%). Die Arbeitslosigkeit geht aber weiter zurück und die Inflation steigt. Der SRW blickt sorgenvoll auf Italien und sieht in Deutschland eine "historische Chance" vertan. Im März 2019 revidiert der SRW seine Prognose für 2019: jetzt nur noch 0,8% Wachstum. Der Chef der Wirtschaftsweisen Christoph Schmidt plädiert im Juni 2019 für Streuersenkungen (Abschaffung Solidaritätszuschlag, Unternehmenssteuern). Im Jahresgutachten 2019, das am 06.11.19 vorgestellt wurde, prognostizieren die 5 Weisen für 2019 ein Wachstum von 0,5%, 2020 0,9%. Deutschland sei im Abschwung, stehe aber nicht vor einer Rezession. Es werden Steuersenkungen empfohlen. Sie setzen auch ein Fragezeichen hinter die "Schwarze Null". Die Wirtschaftsweisen beschäftigen sich 2020 mit den Folgen der Corona-Krise. Sie sprechen sich gegen eine Kaufprämie für Autos aus. Stattdessen sollte der Strukturwandel gefördert werden. Im Jahresgutachten 2020, das im November 2020 vom SRW vorgelegt wird, wird der Einbruch weniger stark erwartet: BIP -5,1%, 2021 +3,7%. Im März 2021 revidiert man die Prognose für 2021: +3,1%. Im November 2021 legt der SRW sein Jahresgutachten vor: Lieferengpässe lähmen das Wachstum 2021, das nur noch 2,7% betragen soll. Für 2022 werden 4,6% erwartet. Das wird Ende März 2022 revidiert angesichts des Ukraine-Krieges (auf  1,8%). Der SRW ruft auch zum Energiesparen auf. Im Jahresgutachten 2022 erwartetet der SRW für 2023 eine Rezession (-0,4%) und eine anhaltend hohe Inflation (7,4%). Die Experten empfehlen höhere Steuern, insbesondere von Besserverdienenden. Im März 2023 kommt ein Sondergutachten: Wachstum 2023 jetzt +0,2%; Wachstum 2024 +1,3%. ALQ 2023 5,4%, 2024 5,2%. Verbraucherpreise 2023 +6,6%, 2024 +3,0%. Am 08.11.23 wird das Gutachten für 2023 vom SRW/ Wirtschaftsweisen vorgestellt (mit Scholz, Habeck, Lindner). Deutschland sei klar in einer Rezession (-0,4% 2023) und im kommenden Jahr erwarte man nur eine schwache Erholung (+0,7%; IR +2,6%). Unternehmen und Haushalte seien sehr anpassungsfähig gewesen. Die umfangreichen Maßnahmen zur Umstellung der Energieversorgung und der Abfederung der Wirtschaft hätten gewirkt..

Sondergutachten des SRW: In der Corona-Krise macht der SRW wieder ein Sondergutachten Ende März 2020: Schwere Rezession in Deutschland und der EU. -2,8% bis -5,4% Rückgang des BIP, je nach Szenario (V oder U-Kurve). AL 2020 +125.000. Konsum -3%. Exporte -4%. Bau +2,7%.

Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung: Er wird jährlich im Januar vom Wirtschaftsministerium herausgegeben. Einmal blickt er auf die wichtigsten Wirtschaftsdaten vom vergangenen Jahr (auch noch dem Vorjahr). Zum anderen bringt er eine Prognose der gleichen Daten für das laufende Jahr. Bei den wichtigsten Indikatoren wird folgende Lage aufgezeigt: BIP 2020 -4,6%, 2021 2,7%, 2022 3,6%. Exporte: 2020 -9,3%, 2021 +9,4%, 2022 5,5%. Importe: 2020 -8,6%, 2021 +8,6%, 2022 +6,3%. Bruttolöhne 2020 -0,1%, 2021 +3,2%, 2022 +3,7%. Arbeitslosenquote: 2020 5,9%, 2021 5,7%, 2022 5,1%.

Council of Economic Advisers (CEA), USA: Er entspricht dem deutschen Sachverständigenrat. Er ist allerdings weniger unabhängig direkt der Regierung zugeordnet. Dadurch funktioniert der Transfer ökonomischen Wissens in den politischen Prozess besser. Seine Rolle hängt stark vom jeweiligen Präsidenten ab. Unter Trump hatte er kaum Einfluss. Nach der Wahl von Biden hofft der linke Parteiflügel auf Cecilia Rouse. Sie ist Professorin in Princeton und auf den Arbeitsmarkt spezialisiert. Sie wird dann auch 2021 als erste Frau Vorsitzende. Sie muss für mehr Sozialpolitik und Umverteilung sorgen. Weiterhin soll dem Gremium Jared Bernstein angehören, der Biden schon als Vizepräsident beraten hat. Ebenfalls reinkommen dürfte Heather Boushey. Sie leitete zuletzt die Denkfabrik "Washington Center for Equitable Growth".

National Economic Council (NEC): Weiteres Beratungsgremium des US-Präsidenten. Das Gremium formuliert die übergeordneten Ziele. Chef soll der Ökonom Brian Deese werden.

Ökonomen in Social Media: Immer mehr Ökonomen in Deutschland nutzen Social Media, um Ideen und Ergebnisse zu verbreiten. Gemessen werden die Zahl der Follower bei Twitter oder die Zahl der Tweets bei Twitter. Der US-Präsident ist hier wahrscheinlich von großer Bedeutung. Vgl. Bert Losse: Volkswirtschaft fürs Volk, in: Wirtschaftswoche 32, 03.08.2018, S. 41.

Volksabstimmungen über die Wirtschaftspolitik: In vielen Ländern stimmen die Bürger darüber ab. Die Schweiz hat die meisten Abstimmungen. In GB haben sich die Einwohner für den Brexit entschieden. In Ungarn stimmen die Bürger gegen Flüchtlinge. Die Niederländer sagen nein zum Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine. Die CSU will mehr Abstimmungen auch in Deutschland. Das Bayerische Verfassungsgericht schiebt dem erst mal einen Riegel vor. "Das Volk versteht das meiste falsch, es fühlt aber das meiste richtig", Kurt Tucholsky.

Politik als Business: Im amerikanischen Wahlkampf 2016 betreibt Trump die Politik als Geschäftsmodell. Ausgrenzung, Hass und Beleidigung werden als Wahlkampfinstrument eingesetzt, um die Zielgruppen zu erreichen, die die Wahl entscheiden ("angry white males"). Die "lower white middle class", die sich benachteiligt, beleidigt, erniedrigt und vergessen fühlt. Es wurden systematisch die Voraussetzungen ausgenutzt, von denen ein demokratischer Staat lebt. Wichtigstes Motto scheint "America first" zu sein ("Make America Great Again"). Die USA soll mehr zählen als Freihandel und globale Kooperation. Die Methode könnte Schule machen. In Deutschland könnte ein Wahlkämpfer die verarmten Rentner ködern. "Alle Handelsabkommen, die wir haben, sind schrecklich. Wir werden sie neu verhandeln", Donald Trump im Wahlkampf 2016. Den höchsten Umsatzanteil der DAX-Konzerne hat das Geschäft in den USA bei folgenden Unternehmen: Fresenius Medical Care (fast 80%), Deutsche Telecom 40%), SAP 40%), Linde (35%).

Populismus: Der Populismus bedroht den Freihandel und die Globalisierung. "Abgehängte" und Verlierer der Globalisierung wollen Protektionismus und die Uhr zurückdrehen. In Europa ist die EU bedroht (Frankreich, Großbritannien). In den USA hat Trump damit die Wahl gewonnen. Der Populismus besteht aus folgenden sieben Elementen: 1. "Wir sind das Volk". 2. Abgrenzung. 3. Vereinfachung. 4. Die Ordnung der Welt wiederherstellen. 5. Tabus brechen. 6. Feinde benennen. 7. Gefühle und Emotionen ansprechen. Vgl. Gauweiler, R./ Schmitt, M.: Volkes Stimme, in: Rheinpfalz 13. November 2016, S. 3. Kern des heutigen Populismus scheint zu sein, dass er die Gesellschaft aufteilt in eine Elite, die als korrupt dargestellt wird, und ein Volk, das homogene Interessen habe. Die Populisten sehen sich auf der Seite des Volkes. Demokratie wird teilweise als reaktionär angeprangert. Damit können populistische Ideologie strukturell verfassungsfeindlich sein. Der Populismus ist sicher auch ein langfristiger Erbe der Finanzkrise 2008, insbesondere der Bankenrettung. Die Entwicklung zum Populismus ist weltweit. Die politische Frage ist nicht mehr Links oder Rechts, sondern Drinnen gegen Draußen. Politiker müssen zunehmend für die einfachen Menschen glaubwürdig sein. Links und rechts bilden sich extreme Gruppen. Bei den Reichsbürgern, die eine gewaltsam eine Monarchie wiedererrichten wollen, gibt es Ende 2022 viele Festnahmen.  "Das weiße Amerika hat sich das Land zurückerobert....In Trump hat es einen radikalen, charismatischen Führer gefunden, der den Widerstand gegen die multikulturelle Moderne vereinen soll", s. Der Spiegel, 46/ 2016, S. 3. 2017 erscheint ein Bericht über die Ökonomie der Populisten (C. Fuest u. a.).  Vgl. Kim, Seongcheol: Der illiberale Faktor: Eine theoretische Annäherung an Populismus in West- und Osteuropa, in: WZB Mitteilungen, Heft 156, Juni 2017, S. 32ff. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung 2018 zum Populismus kommt zu dem Ergebnis, dass der Populismus sich in der politischen Mitte breit macht (etwa 30% der deutschen Wähler unterstützen populistische Positionen). Definition: Der Populismus gibt einfache Antworten auf schwierige Fragen. Populisten geben sich volksnah. Machteliten werden abgelehnt. "Populismus ist eine Methode, das politische Feld radikal zu vereinfachen, indem man das (homogen gedachte) Volk gegen die (pauschal negierte) politische Klasse und generell die Eliten auffährt", Claus Leggewie (Populismus: rechtsverschobener Klassenkampf, in: Wirtschaftsdienst 2019/ 11, S. 742).

Rechtspopulismus: In vielen Ländern Europas haben sich die Rechtsaußenparteien etabliert. Dazu gehören PIS in Polen (59%), Fdl in Italien (26%), PS in Finnland (23%), SD in Schweden (21%, EKRE in Estland (17%), FPÖ in Österrech (16%), PVV in den Niederlanden (11%), RN in Frankreich (15%), V in Bulgarien (15%), VB in Belgien (12%), AfD in Deutschland (11%), L`SNS in der Slowakei (11%), DPMS in Kroatien (11%), SPD in Tschechien (10%), AUR in Rumänien (10%), Vox in Spanien (9%), ELAM in Zypern (7%), DF + NB in Dänemark (6%), Chega in Portugal (5%). Vgl. HB 1.8.23, S. 10f.

Autokraten: Xi Jinping, Putin, Trump, Erdogan, Modi, Orban, Milei u. a. Vgl. Rachman, Gideon: Welt der Autokraten, Verlag Weltkiosk 2022. 2022 diagnostizieren Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey einen "libertären Autoritarismus" in Deutschland. Sie haben Querdenker (auch Reichsbürger) und AfD - Wähler interviewt. Titel des Buches: Gekränkte Freiheit.

Wirtschaftsnationalismus ("wirtschaftsnationale Agenda", "ökonomischer Nationalismus", Stephen Bannon, ehemals strategischer Kopf im Weißen Haus): Hängt eng mit dem Populismus zusammen. Er entspringt einerseits sozio-kulturell einer Skepsis gegenüber der globalisierten Welt. Andererseits ändern sich ökonomische Dogmen und globale weltwirtschaftliche Verflechtungen. Trump in den USA und May in GB führen es als Strategie ein. Grundlage ist ideologisch "America first" bzw. "GB first". Außenwirtschaftlich setzt man auf Merkantilismus und bilaterale Handelsabkommen. Innenpolitisch sollen Vergessene und Verlierer zu ihrem Recht kommen. Umstritten ist unter Ökonomen der wirtschaftliche Erfolg des Landes. Dies wird die Zukunft zeigen. Das Erfolgsrezept der Konzeption lautet: Fakten bedeuten wenig, Provokation ist alles, Hetze ist erlaubt (z. B. mit Breitbart News). Man muss aber auch differenzieren: Die amerikanische Wirtschaftspolitik ist immer pragmatischer, weniger ideologisch und mehr an den Bedürfnissen der Menschen orientiert. Dieser Trend greift aber auch auf die Länderpolitik in Deutschland über.  Nach der Wahl im Herbst 2018 gehen CSU und Freie Wähler einen Pakt ein für das "Bayerngefühl", man könnte auch sagen "Bayern first". Bannon ist weder Reformer, noch Reaktionär, noch Rebell. Den Staat hält er für überfrachtet. Er will seine Führungsstrukturen zerstören (korrupt, Lobbyisten, Lügenpresse). Unklar ist, was er genau aufbauen will. Dass der Nationalismus in der vernetzten Welt eine Renaissance erlebt, ist paradox. Protektionismus, Populismus, Brexit, America first, Dexit sind die Schlagwörter, die die wirtschaftspolitische Diskussion beherrschen. Die Dexit - Idee könnte zu einer internationalen Finanzkrise führen.

Mathias Corvenius Collegium (MCC), Budapest: Hochschule und Denkfabrik. Sie bekommt mehr Geld als alle Universitäten zusammen. Konservative aus aller Welt pilgern zu der Schule mitten in Budapest. Man kann hier lernen, wie Viktor Orban zu denken und zu reden. Das Denken wird Orbanologie bzw. Orbanismus genannt. Auch prominente Vertreter der CDU waren schon da (Andreas Rödder, Werner Patrzelt). Ableger sollen in der ganzen Welt entstehen.  Vgl. Lau, Miriam: Die Orbanologie, in: Die Zeit Nr. 53/ 22.12.22, S. 5.

Erosion der Parteien in Deutschland: Der Mitgliederschwund bei den Parteien hat sich in den letzten Jahren fortgesetzt. Die SPD hat die meisten Mitglieder (normalerweise über 500.000; 2019 weit darunter, knapp über 400.000) vor der CDU (ganz knapp über 400.000). Die kleineren Parteien Linke und Grünen haben um die 60.000 Mitglieder (Grüne mittlerweile über 90.000). Es folgen FDP und AfD, die der große Gewinner im Jahr 2016 und später ist (schon 35.000 Mitglieder 2019). Es wird insgesamt immer weniger attraktiv, sich in den Parteien zu engagieren. Das fördert Fehlentwicklungen, auch in der Wirtschaftspolitik. Zuerst macht sich das immer in den Kommunen bemerkbar. Das wird die Gestaltung der Wirtschaftspolitik auf allen Ebenen stark beeinflussen. Der Trend, dass die vermeintlichen Volksparteien CDU und SPD beständig Wähler verlieren ist auf allen Ebenen ungebrochen. Das Jahr 2018 ist das turbulenteste für die beiden Volksparteien: Beide sacken sowohl in der Wählergunst (Ende 2018: CDU 29%, SPD 15%) als auch in den Mitgliederzahlen ab (SPD 443.152, CDU 425.910). Die SPD hat dreimal ihre Kernwähler enttäuscht (Hartz-Reform, Finanzkrise, Bergbau). Außerdem gibt es immer weniger Arbeiter unter den Wählern (19%?). Besonders erschreckend sind die Ergebnisse bei der Europawahl 2019 für die beiden großen Parteien. Bei den unter 25 jährigen Wählern holen die Grünen mehr Stimmen als alle anderen Parteien zusammen. Bei den Kommunalwahlen, die in einigen Ländern zum gleichen Zeitpunkt stattfanden, erobern die Grünen die Universitätsstädte. Im Juni liegen Die Grünen in Umfragen sogar vor der CDU/CSU. Stammwähler gibt es kaum noch. Die Wählerschaft ist sehr beweglich geworden. Die Grünen dominieren mittlerweile in den Metropolen vor der CDU. Auf dem Land liegt die CDU vorne (Quelle: Forsa). 2023 strecht das Bundesverfassungsgericht den Parteien 25 Mio. €. Den Parteien stehe weniger Geld vom Staat zu. die Parteienlandschaft in Deutschland wird vielfältiger: Wagenknecht gründet eine neue Partei, die Freien Wähler treten bundesweit an.  2018 gründet Sahra Wagenknecht eine Sammlungsbewegung mit Namen "Aufstehen". Sie soll ein linkes Bündnis bilden (100.000 Mitglieder im Internet?). Sie droht immer wieder mit einer Abspaltung von den Linken.

AfD-Erfolg und rechtsextreme Positionen: Die AfD ist mittlerweile in allen Landesparlamenten und im Bundestag vertreten. Bei den Landtagswahlen 2019 in Brandenburg und Sachsen  kann sie deutlich zulegen und wird zur zweitstärksten Kraft. Ein Teil der Partei ist ausländerfeindlich. Das kann den Fachkräftemangel vergrößern und Investoren abschrecken. Somit wird das Standortrisiko vergrößert. 2023 steht die AfD in bundesweiten Umfragen so gut dar wie seit fünf Jahren nicht mehr. Sie hat ihr Gedankengut salonfähig gemacht. Die Normalisierung der AfD ist vorangeschritten. Die Frage ist, wie lange CDU und FDP noch die Brandmauer zur AfD aufrechterhalten. Vgl. Baumgärtner, Malk u. a.: Der perfekte Tabubruch, in: Der Spiegel 21/ 20.5.23, S. 26ff. Im Juni 2023 stellt die AfD erstmals einen Landrat in Thüringen (Sonneberg). In Umfragen kommt sie bundesweit auf 19%. Nur die CDU liegt höher. Der Erfolg der AfD hat viele Ursachen (gegen Globalisierung und negative Folgen Rückbesinnung auf nationale Interessen, Protestwähler, ostdeutsche Benachteiligung, Reaktionen der Parteien). In den neuen Bundesländern ist die AfD viel stärker als im Westen und liegt 2023 fast überall vor der CDU. Sie durchlöchert nach und nach die Brandmauer und fordert eine Zusammenarbeit mit der CDU. Die AfD arbeitet mit organisierten Rechtsextremen und Neonazis zusammen. Vgl. Der Spiegel 30/ 22.7.23, S. 35ff. Der Erfolg der AfD kann auch eine große ökonomische Bedeutung haben: Direktinvestitionen aus dem Ausland in Deutschland, Fachkräfte aus dem Ausland.  2023 hat die AfD bislang in der ersten Jahreshälfte die meisten meldepflichtigen Großspenden eingefahren: 265.000 €. Ein Netz extremer Karrieristen scheint in der Partei an Einfluss gewonnen zu haben. Die Gemäßigten haben immer weniger zu sagen. Vgl. Müller, Ann-Katrin: Extrem verharmlost, in: Der Spiegel 32/ 5.8.23, S. 12. Die AfD will ein anderes Europa. Das DIW in Berlin kommt zu dem Ergebnis, dass unter der Politik der AfD vor allem ihre eigenen Wähler zu leiden hätten (extrem neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik). Die Frage ist daher, warum die AfD-Wähler sich selbst schaden wollen. Sie schätzen offenbar die gesellschaftliche Realität falsch ein. Am 14.9.23 fällt die "Brandmauer" der etablierten Parteien gegenüber der AfD.  CDU, FDP und AfD erzwingen gemeinsam eine Senkung der Grunderwerbssteuer in Thüringen. Bei den Wahlen in Bayern und Hessen 2023 wächst die AfD rapide an: 1. Viele junge Wähler. 2. Populismus gegen Zuwanderung und Flüchtlinge. 3. Denkzettel für Ampel. Die AfD scheint schon die stärkste Kraft in fast allen ostdeutschen Bundesländern. Die Diskussion bewegt sich zwischen Verbot und Regierungsbeteiligung. Der Verfassungsschutz bescheinigt der AfD in einigen Bundesländern rechtsradikales Gedankengut (Thüringen, Sachsen). Durch den Erfolg der AfD rücken auch Konkurrenten nach rechts. Das CDU-Programm  tritt für Bekenntnis zur Leitkultur, Begrenzung der Migration ein. Im Dezember 2023 wird erstmals ein Kandidat der AfD zum Oberbürgermeister gewählt (in Pirna, Sachsen). 2024 sind Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Die könnten zum Triumph der AfD werden. Es gibt schon Warnungen, dass mögliche Wahlsiege die Demokratie in Deutschland gefährden könnten. Die Mitgliederzahl der AfD ist 2023 um mehr als 10.000 gestiegen auf 40.131. Die AfD - Jugend "Junge Alternative" gilt laut Gericht als gesichert rechtsextrem. Hans-Georg Maaßen, der ehemalige Verfassungsschutzpräsident, will die Werte-Union zu einer Partei machen. Im September gibt die Friedrich-Ebert-Stiftung die Ergebnisse einer Studie (FES - Mitte-Studie, 22/23, alle zwei Jahre) bekannt: Rechtsextreme Einstellungen haben stark zugenommen. Über acht Prozent der Menschen haben ein rechtsextremes Weltbild. Die Mitte der Gesellschaft wird zunehmend empfänglich für extremistische und demokratiefeindlichen Einstellungen. Ursachen dürften die vielen Krisen in jüngster Vergangenheit sein. Im Januar 2024 gehen Zehntausende auf die Straße gegen rechts (vor allem in Berlin, München, Hamburg, Köln). Auslöser waren die "Remigrationspläne" und ein Treffen der Rechtsradikalen in Potsdam (Kennzeichen der Metapolitik, Fachbegriff umzudefinieren und zu besetzen). Die Wirtschaft attackiert die AfD. Das Erstarken schade der deutschen Wirtschaft und vergifte das gesellschaftliche Klima. Im Januar 2024 fasst das Bundesverfassungsgericht ein NPD-Urteil: Dei Nachfolgepartei "Die Heimat" wird 6 Jahre von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen. Es entsteht eine Diskussion darüber, inwiefern das Verfahren auf die AfD angewandt werden kann. Es bleibt erstmal abzuwarten, ob die vielen Gegendemonstrationen (neue Bewegung?) den Aufstieg der extremen Rechten stoppen können. Vgl. Bartsch, M. u. a.: Aufstand der Demokraten, in: Der Spiegel 5/ 27.1.24, S. 14ff. Zum Wählen der AfD gibt es drei Motive: 1. Abstiegsmilieu. 2. Neigung zu autoritären, rassistischen Positionen. 3. Fundamentales Nein zur Politik (Unzufriedenheit).

Vorbild für Rechtspopulisten in Europa: Das ist die SVP in der Schweiz. Im Land selbst gibt es kaum eine grundsätzliche Debatte, wie man mit der größten Partei umgeht, die Teil der rechtspopulistischen Parteienfamilie in Europa ist. Man tut so, als habe das Land kein Problem mit Rechtsextremismus. Aber es ist die Wiege des Rechtspopulismus in europa. Allerdings lässt sich die SVP ungern mit der AfD vergleichen. Aber es gibt durchaus Parallelen. Vgl. NZZ 28.2.24, S. 28.

Neue politische Bewegungen: In Deutschland sind es die Reichsbürger, die nicht genau einzuordnen sind. Sie gelten aber als eher rechtsradikal. Hinzu kommen die "Identitären". Einer ihrer Schlüsselfiguren ist der Österreicher Martin Sellner. Er ist eine Art Influencer der Neuen Rechten. Die völkische Truppe hat sich neu formiert und ihren Einfluss unbemerkt ausgedehnt. Sie hat zahlreiche Immobilienprojekte in Deutschland und Österreich. In den Niederlanden wachsen die Souveränen. In Deutschland könnte Sahra Wagenknecht eine neue Partei neben den Linken gründen. Sie tut das auch im Oktober 2023. Sie heißt vorerst Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW, Parteigründung erst 2024). Sie besetzt eine Marktlücke, die wächst. Hinter der Bewegung stehen auch Unternehmer. Der bekannteste ist der IT - Unternehmer Ralph Suikat (er hatte schon die Initiative "#taxmenow" mitbegründet). Er kann Geld- und Organisationsressourcen zur Verfügung stellen. Sein Motiv ist, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Tatsächlich gründet sich die Partei "Sahra Wagenknecht" Anfang 2024. Sie hat eine Doppelspitze mit Wagenknecht und Mohamed Ali. Mit dabei ist auch Sevin Dagdelen. Man will 2024 an den Landtagswahlen und der Europawahl teilnehmen. Das neue Bündnis will langsam und kontrolliert wachsen. Mit dabei ist auch Fabio De Masi, der sich bei der Der Linken im Cum-Ex-Skandal profiliert hatte. Hans-Georg Maaßen, der ehemalige Verfassungsschutzpräsident, will die Werte-Union zu einer Partei machen. Der Beschluss wird im Januar 24 gefasst. Er tritt aus der CDU aus. Die Werteunion wird im Februar 2024 als Partei gegründet. Die Erdogan-Partei AKP gründet in Deutschland einen Ableger und will zur Europa-Wahl 24 antreten. Die neu gegründete Partei tritt unter dem Namen DAVA (Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch) an. Die Freien Wähler versammeln sich im Februar 2024 auf einem Bundesparteitag. Es soll keine Kooperation mit der AfD geben.

Freie Wähler: Im Herbst 2023 hat die Bundesvereinigung der Freien Wähler 8090 Mitglieder. Davon gibt es über 4200 in Bayern. Eigentlich handelt es sich um eine kommunale Bewegung. Auf Lands- und Bundesebene ist es eine Konkurrenz für die CDU. Sie punkten mit Betonung von Land, Abgehobenheit im Berliner Regierungsbetrieb  und gegen die Grünen. Sie stellen auch ihren Pragmatismus heraus. Die Freien Wähler versammeln sich im Februar 2024 auf einem Bundesparteitag. Es soll keine Kooperation mit der AfD geben.

Parteispenden: Im Bundestagswahljahr 2021 erhielten CDU, SPD, FDP und Grüne mehr Spenden als jemals zuvor. Die CDU liegt an der Spitze vor FDP, SPD und Grünen. Gegenüber dem Vorwahljahr 2017 gab es ein großes Wachstum. Auch die Bewegung kocht ihr eigenes Süppchen. In Europa entstehen immer mehr solcher undurchsichtiger Bewegungen. 2023 gibt es ein dickes Spendenplus für die Parteien (insgesamt 2,92 Mio. €). 

Labile Mehrheiten: Im Superwahljahr 2017 zeigen sich Entwicklungen, die die Demokratien verändern könnten: 1. Unberechenbarkeit (Umgehen mit Nichtwissen). 2. Dominanz einer doppelten Gesprächsstörung (Medienverdrossenheit, Kommunikation Bürger - Politiker). 3. Dynamik der Unverbindlichkeit (Volatilität, Sicherheit schlägt Gerechtigkeit, Wechselwähler). 4. Herrschaft des Absoluten (Autoritäre Regime, Entpolitisierung der Öffentlichkeit). Siehe Karl-Rudolf Korte, Uni Duisburg, in einem Vortrag am 17.5.2017 auf der Tagung der Volkswirte an deutschsprachigen Hochschulen in Worms. In der ökonomischen Praxis, etwa im Außenhandel, gelten autoritäre Regime als zuverlässiger als Demokratien, vor allem was Zahlungstermine angeht (Negativbeispiel Indien). 2019 bauen die so genannten Volksparteien CDU und SPD in Deutschland immer mehr ab. Sie verlieren Mitglieder und massiv Wähler. Der Sieg von Walter-Borjans und Esken bei der SPD-Urwahl um den Vorsitz könnte das Ende der Großen Koalition sein. Sie hält jedoch bis zur Bundestagswahl am 26.9.21.Die SPD gewinnt die Wahl knapp (25,8%). Es muss eine Dreierkoalition gebildet werden: Ampel oder Jamaika. Wahrscheinlich kommt die Ampel.

Postmoderne: Von Lateinisch "modo" gleich gerade, jetzt und "post" nach, also nach dem jetzt. Es geht also um die nahe Zukunft im 21. Jahrhundert. Prägende Züge für die Wirtschaftspolitik sind Einschränkung des Individualismus durch (soziale) Netzwerke, das große Auseinanderdriften beim Vermögen, das Lösen der multinationalen Unternehmen von nationalen Steuersystemen, die Trennung des Geldes von der materiellen Realität (z. B. durch Derivate), der Terrorismus verbunden mit großen Flüchtlingswellen, insbesondere durch den Islamismus, und der Aufstieg Asiens, insbesondere Chinas.  

Offene Gesellschaft: Form des demokratischen Verfassungsstaates wie es ihn bereits gibt. Es ist die europäische Nachkriegsgesellschaft, die den Menschen Freiheit und enorme Sicherheit gebracht hat. Es geht darum, die Form besser zu kommunizieren und zu verteidigen. Auch über gesetzliche Standards wird diskutiert, die Leute sollen sich einmischen. Mitbegründer der Initiative "Die offene Gesellschaft" ist der Soziologe Harald Welzer.  Vgl. www.die-offene-gesellschaft.de . Auch Welzer/ Wiekens/ Carius: Die offene Gesellschaft und ihre Freunde, 2016. Der positive Wert von Pluralismus wird immer mehr und von vielen Gruppen geleugnet.

Öffentlichkeit: Die Öffentlichkeit hat sich verändert. Der öffentliche Raum als Umschlagplatz des Wissens und Ort politischen Streits schrumpft. Viele Menschen ziehen sich zurück in die Privatheit ("Homeoffice"). Es gibt kaum noch urbanes Marktleben. "Gesellschaftlicher Protest gründet heute nicht selten auf einer wissenschaftlichen Schattenwelt, die sich mit dem Argument gegen Kritik imprägniert, vom Mainstream marginalisiert und diskriminiert zu werden". Wir brauchen eine Kultur der Reziprozität, eine Ordnung des fairen Austauschs. Vgl. Hüther, Michael: Abschied von der Öffentlichkeit. Eine kurze Theorie vom Ende der Moderne, Herder 2023.

Kosmopoliten (Weltbürger, urbane Akademikerklasse): Sie haben höhere Bildungsabschlüsse, man arbeitet in hoch qualifizierten Jobs, man profitiert überdurchschnittlich von der Globalisierung, man reist viel. Man will unkonventionell und erfolgreich sein. Diese Klasse wird in vielen Ländern von links und rechts angegriffen. Man bekanntesten ist dabei der Wahlkampf von Trump in den USA. Vgl. Soboczynski, Adam: Die verhassten Weltbürger, in: Die Zeit, Nr. 47, 15.11.2018, S. 49ff.

Krise: Wir leben in einer Zeit der Wirtschafts- und Demokratiekrise. Gleichzeitig ist es auch eine Orientierungskrise. Vielleicht entsteht ein neues Weltbild. Dafür wird die Philosophie dringend gebraucht. Für Trump, Putin und Erdogan zählen nicht vernünftige Argumente. Fakten sind auch keine Fakten mehr. Politik ist zunehmend Identitätspolitik (Francis Fukuyama). Überall auf der Welt mobilisieren Führer ihre Anhänger mit der Idee, ihre Würde sei verletzt. Wirtschaftliche Not wird nicht als Entbehrung, sondern als Identitätsverlust empfunden. Vor allem Europa tut sich schwer, diese Politik zu bekämpfen. Das erklärt auch die Krise der Sozialdemokratie mit. Es geht heute nicht mehr um Klassenzugehörigkeit, sondern um "wir  da drinnen und ihr da draußen"

Altruismus (Mitgefühl) als Voraussetzung für Wirtschaftspolitik ("Wir statt Gier"): Diese Haltung gilt als Voraussetzung für einen neuen, anderen Kapitalismus. Der Markt schafft Egoismus, er gibt auch Raum für Mitgefühl. Die wichtige Frage ist: "Welche Menschen produziert die Gesellschaft?". Der französische Buddhist Matthieu Ricard vertritt vehement die These, dass mehr Altruismus die Welt retten kann. Von einem Kloster in Nepal aus arbeitet er an humanitären Projekten. "Was wir nicht für andere tun, ist es nicht wert, getan zu werden", Matthieu Ricard (siehe Uwe Jean Heuser:  Wir statt Gier, in: Die Zeit Nr. 44, 26. 10.2017, S. 21ff).

 

Finanzpolitik (Ausgaben, Haushalt, Verschuldung, öffentliche Haushalte, der Staat in der Konjunkturpolitik, der Staat in der Volkswirtschaft/ Regulierung. Vgl. auch Internationale Finanzmärkte bei Außenwirtschaft; auch Finanzierung bei Mittelstandsökonomik; zu Finanzierung führe ich eine spezielle Veranstaltung durch bzw. habe sie parat)

Theorie öffentlicher Güter (Begründer Samuelson, Musgrave u. a.): Bei Öffentlichen Gütern gilt weder das Ausschlussprinzip noch das Konkurrenzprinzip (auch Rivalität genannt, z. B. Wissen, nationale Verteidigung). Bei gesellschaftlichen Ressourcen (auch Allmendegüter genannt), zu denen die Umwelt gehört, gilt das Ausschlussprinzip nicht, aber das Konkurrenzprinzip. Daneben gibt es noch Private Güter, Meritorische Güter und Natürliche Monopole. Bei Natürlichen Monopolen gilt das Ausschlussprinzip, nicht aber das Konkurrenzprinzip. Ein Angebot durch mehrere konkurrierende Produzenten ist daher ökonomischer Unsinn, weil die Fixkosten so hoch sind. Dies trifft vor allem auf Infrastrukturnetze wie Schienen, Gas, Wasser und Strom zu. Es wäre unwirtschaftlich, mehrere Netze, die dem gleichen Zweck dienen, nebeneinander zu betreiben. Vgl. Mankiw (2001), a. a. O., S. 247. Manche nennen diese Güter auch Clubgüter (auch Filme im Pay-TV, Computer-Software, Vgl. Krugman/ Wells, Volkswirtschaftslehre, Stuttgart 2010, S. 624). Wichtigste Theorie zur Erklärung von Umweltverschmutzung und zur Notwendigkeit des Staatseingriffs (Soziales Dilemma).

Globale öffentliche Güter: Die Menschheit ist noch nicht in der Lage, solche Güter bereitzustellen. Das sieht man deutlich in der Klimapolitik. Noch klarer wird dies in der Corona-Krise 2020. Jedes Land zieht sich zurück und versucht, seine Probleme zu lösen. Der Wohlstand im 21-Jahrhundert hängt aber an solchen globalen öffentlichen Gütern. Dazu gehören auch die Ozeane und die großen Eisflächen (Arktis und Antarktis). Es ist sogar ein Gegentrend beobachtbar: Einzelne Staaten stellen Eigentumsansprüche (private Güter), um Zugang zu Rohstoffen zu bekommen.

Institutionelle Sklerose von Mancur Olson (1932-1998, The Logic of Collective Action, Cambridge 1965, auch: The Rise and Decline of Nations, 1982): diese entsteht dadurch, dass Lobbygruppen durch Verteidigung ihrer Privilegien die Wettbewerbsordnung verzerren und damit die Anfälligkeit gegenüber externen Schocks erhöhen. Olson gilt als Nestor der Institutionenökonomik. Lobbyismus ist heute sehr stark in den USA ausgeprägt. Der Einfluss der reichsten Amerikaner auf die Politik des Landes ist unmittelbarer als gedacht. Zwischen 1984 und 2009 hat sich das Vermögen der Kongressabgeordneten mehr als verdoppelt (jeder Zweite Millionär), während die Amerikaner insgesamt ärmer geworden sind. Einen Wahlkampf können sich nur Reiche leisten. Schon bei den alten Römern sollen in der "lobia", in der Vor- und Wandelhalle des römischen Senats, Interessenvertreter auf die Senatoren eingewirkt haben. Bei der Bundestagsverwaltung sind zur Zeit (2012) 2094 Lobbygruppen offiziell registriert. 2011 sind 13 Spitzenpolitiker direkt von der Politik in die Wirtschaft gewechselt. 70 Lobbyisten arbeiten 2011 in den Bundesministerien. Rheinland-Pfalz führt als erstes Bundesland 2012 ein Lobbyistenregister ein. Es gibt einen Verein in Deutschland, der den Lobbyismus kontrollieren will: Lobbycontrol ( www.lobbycontrol.de ) "Alle Formen der Marktbeherrschung müssen Anlass zur Sorge geben, alle", Mancur Olson. Die Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes forscht in Harvard zum Einfluss von Lobbygruppen auf Umweltthemen. "Merchants of Doubt" (Händler des Zweifels) nannte sie die Akteure der Desinformation. 2023 ist ihr Buch "The Big Myth" erschienen. Bereits vor fünf Jahrzehnten sahen die Ölkonzerne den Klimawandel voraus. Sie leugneten öffentlich. "Sie werden nicht kampflos untergehen". Siehe Die Zeit 51/ 30.11.23, S. 44.

Finanzpolitik: Staatliche Politik mit Einnahmen (Steuern, Beiträge, Gebühren, Unternehmensgewinne), Ausgaben (von Bund, Ländern, Kommunen, Sozialversicherungen, Sonderhaushalten), öffentlicher Verschuldung und Gewährleistung. Je nach Ziel kann die Politik weiter unterteilt werden (z.B. Konjunktur-Fiskalpolitik, Gesundheit - Gesundheitspolitik, Umwelt -Umweltpolitik). Es gibt drei übergeordnete Ziele laut Musgrave: Allokationsziel, Distributionsziel und Stabilisierungsziel. Träger der Finanzpolitik sind die Gebietskörperschaften und die Parafisci. Die Finanzpolitik wird in den Haushaltsplänen und mittelfristigen Finanzplänen dokumentiert. Diese sind nach Funktionen (Kapitel, Titel) und Ausgabearten unterteilt. In den Jahren nach der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 dürfte vor allem die Konsolidierung, dass heißt der Abbau von Schulden, im Vordergrund stehen. Nach der Weltwirtschaftskrise muss die öffentliche Hand auf Steuerausfälle von fast 39 Mrd. € bis 2013 einstellen. "In der längsten Rezession seit der Großen Depression sind die Risiken, die mit aktiver Fiskalpolitik verbunden sind geringer als der Verzicht auf sie", Auerbach/ Gale,  Berkeley und Brookings Institution 2009.

Kriterien zur Beurteilung der Finanzpolitik: Ausgabenintensität, Gruppenbezogene Steuerungsmöglichkeit, Zeitliche Steuerungsmöglichkeit, Eignung für automatischen oder regelgebundenen Einsatz, Variierbarkeit der Merklichkeit. "Eine solide Finanzpolitik ist nicht das Gegenteil einer vernünftigen Wirtschaftspolitik", Wolfgang Schäuble, Bundesfinanzminister.

Stabilitäts- und Wachstumsgesetz: Bereitstellung der Instrumente, mit denen die Fiskalpolitik des Staates das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht erhalten oder wiederherstellen kann (vgl. z. B. Neubäumer/ Hewel: Volkswirtschaftslehre, Wiesbaden 2005, S. 446ff.). Das "Grundgesetz moderner Wirtschaftspolitik" wurde während der Amtszeit von Karl Schiller (1911-1994, auch Begründer der Konzertierten Aktion) als Wirtschaftsminister 1967 beschlossen. In diesem Gesetz ist auch die Einsetzung eines Sachverständigenrats für Wirtschaft ("Fünf Weise") geregelt. Er gibt jährlich im Herbst ein Gutachten heraus, das eine Prognose enthält. "Wir haben 2006 gelernt: Die beste, wahrscheinlich einzige Methode, um aus allen Problemen herauszukommen, ist, Wachstum zu fördern und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sich am Arbeitsmarkt etwas bewegt", Franz Müntefering, damals Vizekanzler und Bundesarbeitsminister.

Regeln der Fiskalpolitik: 1. Haushaltsüberschuss in guten Zeiten; 2. effizientes antizyklisches Werkzeug; 3. Qualität ist so wichtig wie Quantität; 4. Bremse rechtzeitig bedienen; 5. keine pro-zyklische Politik; 6. Geschwindigkeit und Größenordnung immer Ermessenssache; 7. Schulden müssen Vermögenswerte entgegenstehen; 8. keine Schuldenfalle; 9. immer Zusammenhang mit Geldpolitik; 10. keine allgemein verbindliche Lösung. Siehe Gerard Lyons: Das neue Wirtschaftswunder, Berlin 2014, S. 309 ff. (der britische Ökonom ist Berater des Bürgermeisters von London Boris Johnson).

Daseinsvorsorge: Die Daseinsvorsorge ist der Kern der öffentlichen Leistungsbereitstellung in Deutschland. Sie hat eine lange Tradition. Der Begriff wurde von Ernst Forsthoff in den 1930er Jahren entwickelt. Es wurde die Abhängigkeit der Bürger von öffentlichen Infrastrukturleistungen wie Energie, Wasser und Mobilität klassifiziert. Früher spielten der Wettbewerb und das Marktversagen eine Rolle. Aktuell gibt es viele technologische und marktwirtschaftliche Herausforderungen, wie z. B. die Digitalisierung oder steigende Wohnungskosten in den Städten, die eine Überprüfung oder gar Änderung des Konzepts der Daseinsvorsorge erfordern (zukunftsorientiert). Vgl. Rottmann, O./ Grüttner, A./ Gramlich, L.: Zukunftsorientierte Daseinsvorsorge, in: Wirtschaftsdienst 2019/11, S. 789ff.

Haushaltsrecht in Deutschland: Der Haushalt muss den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ebenso entsprechen wie den Grundsätzen der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit (Haushaltsgrundsätzegesetz). Die Erstellung des Haushalts ist eine komplizierte und langwierige Sache.

Rechnungshöfe: Der Bundesrechnungshof und die Rechnungshöfe der Bundesländer achten auf, überwachen und kontrollieren die Haushaltsführung der öffentlichen Haushalte. Sie decken immer wieder Missstände auf. So kritisiert der Bundesrechnungshof 2017 insbesondere den Militärhaushalt. Der Landesrechnungshof weist die Schuld beim misslungenen ersten Hahnverkauf dem Innministerium von RLP zu.

Wissenschaftliche Argumente gegen eine hohe Staatsverschuldung: 1. Belastung zukünftiger Generationen (keine intergenerative Gerechtigkeit). 2. Inflationsquelle (Hyper-Inflation). 3. Crowding-out-Effekt (staatliche Kreditaufnahme behindert private Investitionstätigkeit). 4. Unerwünschte Verteilungswirkungen (Umverteilung von unten nach oben; Bedienung von Staatsschulden aus Steuermitteln). Deshalb fordern viele Experten weltweite Schuldenschnitte. Dazu gehört auch der ehemalige Chef-Volkswirt der BIZ William White. "Stehen den Schulden keine Sicherheiten gegenüber, verlieren die Menschen das Vertrauen in das Geld und fliehen in Sachwerte", William White.

Staatsverschuldung: Artikel 115 des Grundgesetzes begrenzt in Deutschland die Höhe der staatlichen Nettokreditaufnahme auf die Höhe der Investitionen (einschließlich Ersatzinvestitionen) des Staates. Bei der  Definition von Investitionen und der Ausnahmeregelung (Abwendung eines gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichts, Vortrag nicht benötigter Kredite) gibt es Schwierigkeiten. Der Sachverständigenrat empfiehlt 2007 deshalb eine harte Schuldengrenze (Abschreibungen und Vermögensverkäufe abziehen) und damit eine Reform des Grundgesetzes. In diese Richtung mit Blick auf die Schweizer Schuldenbremse geht auch die Bundesregierung. Am 12.06.09 beschließt der Bundestag die Schuldenbremse: ab 2020 dürfen die Länder keine neuen Schulden mehr machen. Die finanzschwachen Länder bekommen Konsolidierungshilfen (800 Mio. €). Damit wird der Handlungsspielraum der Länder erheblich eingeschränkt. Das Schuldenparadoxon sagt aus, dass ein Staat zusätzlich Schulden macht, um Ausgaben zu finanzieren, die zur Expansion führen und zunehmende Steuereinnahmen ermöglicht. Ein Grundproblem der Verschuldung ist die Verlagerung auf zukünftige Generationen (Als - Ob - Gesellschaft, R. Dahrendorf). 2011 stoppt der Verfassungsgerichtshof den Nachtragshaushalt in NRW. Damit wird Artikel 115 in der Praxis angewandt (erstmals kommt der Stopp von Richtern). Vgl. als wichtigen Grundlagenaufsatz: Peter Diamond: National Debt in a Neoclassical Growth Model, in: AER, 1965. Doom Loop nennt man den Teufelskreis, dass bei hoch verschuldeten Staaten die Sparmaßnahmen die Wirtschaft einbrechen lassen und es darum umso schwerer machen, die Staatsschulden abzutragen. Ein Budgetdefizit kann auch strukturell sein, dass heißt es entsteht nicht durch konjunkturelle Schwankungen. Die Messung der Schuldenbelastung erfolgt normalerweise, indem die Staatsschulden im Zähler durch das BIP im Nenner geteilt werden und mit 100 multipliziert wird. Hier bestehen viele Manipulationsmöglichkeiten (was ist der Staat?, ausgegliederte Haushalte). Für manche Fragen ist es besser, die Staatsschulden auf die Steuereinnahmen zu beziehen. Hier zeigt sich z. B. wie gefährlich 2011 die Situation der USA ist. 400% betragen die Schulden in Prozent der Steuereinnahmen, weil die USA nur 19% an Steuern im Verhältnis zum BIP haben (EU 40%). Relativ gesehen profitiert Deutschland in der großen Schuldenkrise, weil es keine hohen Zinsen zahlen muss (höchstes Rating AAA). Die Bundesregierung blockiert die von der EU-Kommission geplante strengere Statistik-Überwachung (Offenlegung von Schlüsseldaten zur versteckten Staatsverschuldung; künftige Renten und Beamtenpensionen). Bei einer Griechenlandpleite müsste Deutschland ab 2020 zahlen. Artikel 115 wird immer wieder mit dem gleichen Trick umgangen: Man definiert Dinge als Investitionen, die keine sind und erhöht dadurch den Spielraum für Schulden. Zum Beispiel betreibt RLP einen Pensionsfonds mit Krediten, der als Investition interpretiert wird (Einlagen). Der Pensionsfonds wurde 1996 gegründet. Die verfassungsmäßige Schuldengrenzen konnte so erhöht werden. Deshalb erklärt der Verfassungsgerichtshof den Fonds für verfassungswidrig, worauf das Land ihn auflöst. In der Corona-Krise steigt die Schuldenquote, die zuletzt 2019 unter 60% lag, wieder auf 75% an (durch die Rettungsmaßnahmen).   Die Neuverschuldung lag 2006 bei 27,9 Mrd. €, HH-Defizit 1,7% (20,5 Mrd. €  Neuverschuldung für 2007, Steuereinnahmen 2007: 520 Mrd. €), Gesamtschuldenquote 2005 68,6%, 2008 65,9% (EU-Stabilitätskriterium 60%). Durch die Finanzkrise ändern sich die Zahlen wieder dramatisch: So gibt es 2010 88 Mrd. € Haushaltsdefizit (3,3%, 2009: 3,1%, 79,3 Mrd.€). Die Neuverschuldung für 2008 lag bei 48 Mrd. €. 2009 und 2010 stieg die Gesamtverschuldung auf 80% (1,1 Billionen € 2009, 1,999 Billionen 2010, +18%, 15% für Zinszahlungen, 2011: 81%, 2,027 Billionen €, ohne Sozialversicherungen und kommunale Zweckverbände). Im März 2012 erreicht der Gesamtschuldenstand eine neue Höchstmarke: 2,042 Billionen €. 2013 beträgt die Schuldenstandsquote (Höhe der Staatsschulden im Verhältnis zum BIP) noch 80,5%. Bis zum Jahr 2017 soll sie auf 69% fallen. Bis 2016 will der Bund mit der Schuldenbremse sein HH-Defizit auf 10,1 Mrd. € herunterfahren (wahrscheinlich kann das Ziel schon 2014 erreicht werden). Der Finanzplan 2012 sieht 2016 als das Jahr ohne Neuverschuldung (erstmals seit 40 Jahren, Überschuss von einem halben Prozent des BIP). 2011 kann die Defizitquote aufgrund der günstigen Wirtschaftslage auf 1,0% gesenkt werden (tatsächliche Nettokreditaufnahme unter 25 Mrd. €). Für 2012 steigt die Neuverschuldung noch mal auf 26,1 Mrd. € (evtl. 28 Mrd.). Den höchsten Anteil an Länderausgaben, die über Kreditaufnahme finanziert wurden, haben Bremen und das Saarland. Die gesamte Staatsverschuldung der USA liegt 2010 bei 102,9%. Japan hat 2010 fast 200% Staatsverschuldung (Griechenland 160% 2011, 360 Mrd. €). Die Verschuldung Deutschlands hat sich durch das Krisenmanagement in der Finanz- und Eurokrise um 390 Mrd. € erhöht (Angabe der Bundesregierung 2012). Knapp 25.000 € beträgt die Gesamtschuldenlast pro Einwohner am Jahresende 2011. 2012 lag die Nettokreditaufnahme des Bundes bei 22,5 Mrd. €. Im Jahre 2014 soll die Neuverschuldung auf den niedrigsten Stand seit 40 Jahren gebracht werden (6,4 Mrd. €). Ab 2015 will der Bund keine neuen Schulden mehr machen und ab 2016 sogar einen Überschuss erzielen. In den 27 Ländern der EU stieg die Verschuldungsquote 2013 auf 85,9% (Euro-Zone 92,2%). Erst Ende März 2015 will die EU-Kommission über Sanktionen wegen zu hoher Neuverschuldung entscheiden. Somit entgeht Frankreich vorläufig der Strafe. Ende des ersten Quartals 2013 lag die Verschuldungsquote in Deutschland bei 81,2% (am Jahresende 2013 ca. 2070 Mrd. € Schulden). Die öffentlichen Schulden sind im ersten Halbjahr 2013 leicht gesunken. Die für 2013 geplante Nettokreditaufnahme von 25,1 Mrd. € wird nicht in voller Höhe benötigt. 2015 will der Bund erstmals seit 45 Jahren ohne neuen Schulden auskommen (gute Konjunktur, hohe Steuereinnahmen und Niedrigzinsen erleichtern dies). Der Bundestag beschließt Ende November 2014 diesen Haushalt auch (knapp 300 Milliarden Euro ohne Neuverschuldung). Ende 2013 lag die Schuldenlast der öffentlichen Haushalte (Bund, Länder, Kommunen) bei 2,044 Billionen Euro (-1,4%). Erstmals seit 1991 ist der deutsche Schuldenberg (Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte) Ende 2013 auf 2,038 Mrd. € gesunken (über 30 Mrd. weniger als ein Jahr zuvor). Allerdings muss diese Zahl hinterfragt werden: Bad Banks, ausgegliederte Schuldenfonds, Kredite bei landeseigenen Pensionsfonds, Risiken aus Bürgschaften und ESM, neue Berechnung des BIP mit Erhöhungs-Bias u. a. sind nicht enthalten. Wegen Steuernachzahlungen kann schon 2014 eine "schwarze Null" geschrieben werden. Damit ist der Bund erstmals seit 45 Jahren ohne neue Schulden ausgekommen (und hat noch 2,5 Mrd. € an Altschulden getilgt; Gründe: Ausgabendisziplin, steigende Steuereinnahmen, sinkende Zinsen). Mitte 2015 betragen die Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden 2,06 Billionen Euro. In den Jahren 2012 bis 2014 konnten zwei Staaten im Euro ihre Gesamtverschuldung verringern: Irland und Deutschland. Im Finanzplan von 2016 steht, dass der Bund im Jahr 2020 erstmals wieder eine Schuldenstandsquote von unter 60 Prozent anstrebt (Maastricht-Kriterium). Dank der guten Wirtschaftslage sind die öffentlichen Schulden (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungen)  im Jahre 2016 zurückgegangen (auf 2.006 Billionen € um 0,8%). Im Jahre 2017 sinkt die Verschuldung des Gesamthaushalts unter 2 Billionen (Mitte 2017 -3,3% bzw. 60 Mrd.€; Quelle: Destatis). Ende 2017 ermittelt Destatis einen Schuldenstand von Bund, Länder und Kommunen von 1972,9 Mrd. €. 290 Mrd. € hat die Bundesregierung durch die niedrigen Zinsen der EZB gespart (Quelle: Bundesbank). Im ersten Halbjahr 2018 hat der Staat Schulden in Höhe von 46,5 Mrd. € abgebaut. Im Jahre 2020 wird es wohl zu einer Neuverschuldung in Höhe von 218 Milliarden € kommen (Corona-Hilfen, Konjunkturpaket). Es werden dann aber nur 130,5 Mrd. € (die Wirtschaftshilfen wurden nicht abgeschöpft). Das Steuerniveau von vor der Krise wird wahrscheinlich erst 2022 erreicht. Für 2021 ist eine Neuverschuldung von 96 Mrd. € geplant, die dann auf 180 Mrd. € erhöht wird. Die Schuldenbremse wird außer Kraft gesetzt. Das Kanzleramt selbst (Chef Helge Braun) stellt im Januar 2021 die Forderung, die Schuldenbremse wegen Corona länger (über 2021 hinaus)  zu lockern. Man spricht von einer Grundgesetzänderung mit einem Korridor der Neuverschuldung. Für 2022 sind im Bundesetat fast 100 Mrd. € Schulden vorgesehen. Im 1. Halbjahr 2022 ist das Staatsdefizit auf 13 Milliarden Euro gesunken wegen hoher Steuereinnahmen. Quelle: StBA, Wiesbaden.

Öffentliche Schulden in Deutschland:  Im Jahr 2020 sind die öffentlichen Schulden um 14,4% auf das Rekordniveau von 2,175 Billionen Euro gewachsen. Das sind Schulden pro Kopf von 26.141 €. Es sind die Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden, Gemeindeverbänden und Sozialversicherungen. Der starke Anstieg ist vor allem auf die Maßnahmen der Corona-Pandemie-Bekämpfung zurückzuführen. Am höchsten war deshalb die Steigerung beim Bund mit 18,1 %. Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden. Im Jahre 2023 muss der Bund schon 40 Mrd. € an Zinsen zahlen. Durch die Zinserhöhungen und die Schuldenaufnahme dürfte der Betrag weiter wachsen. Durch die hohe Inflation und die negativen Realzinsen profitiert der Staat zunächst: Das steigende Preisniveau bläht das BIP auf. Dadurch sinkt die Schuldenquote.

Schuldenbremse: Seit 2011 gilt die neue Schuldenregel für Bund und Länder (nicht für Kommunen). Die "strukturelle Neuverschuldung" des Bundes darf von 2016 an maximal nur noch 0,35% des BIP betragen (Väter Steinbrück/ SPD, Oettinger/ CDU, Ökonom Kastrop). Beim strukturellen Defizit werden Konjunktur- und Einmaleffekte ausgeklammert. Für die Länder gilt ab 2020 die Vorgabe, dass die Haushalte ganz ohne Schulden aufgestellt werden müssen. Berlin, Bremen, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein erhalten bis 2019 Konsolidierungshilfen vom Bund und den übrigen Ländern. 2014 gibt es Überlegungen, den Spielraum für die Neuverschuldung umzuverteilen (Bund: 0,2; Länder: 0,15). Leider ist das Fehlen von echten Sanktionen eine Achillesferse der Schuldenbremse. Im Sommer 2019 gibt es in Deutschland eine generelle Diskussion über die Schuldenbremse. Sowohl arbeitgebernahe (IW) als gewerkschaftsnahe (DIW) Institute weisen darauf hin, dass sich die Rahmenbedingungen geändert hätten. Man müsse jetzt dringend mehr investieren. Durch dei Corona-Krise 2020 muss die Schuldenbremse ausgesetzt werden. Man streitet darüber, wenn der Neustart beginnen soll. Die Union ist für 2022. Klar scheint aber zu sein, dass wir die Schuldenbremse zurück brauchen. Im Etatentwurf für 2023 ist die Schuldenbremse knapp eingehalten (Neuverschuldung soll auf 17,2 Mrd. € sinken). Trotz des Sozialpaketes 3 soll die Schuldenbremse ab dem Haushalt 2023 wieder eingehalten werden. Dazu entsteht ein Streit, ob die Aufnahme neuer Schulden notwendig ist. Im November 2023 stoppt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Ampel: Es entsteht ein 60-Milliarden-Loch. Karlsruhe verwirft den Kniff der Regierung, nicht benötigte Kredite aus Corona-Zeiten in einen Fonds für Klimaschutzmaßnahmen zu überführen. Geklagt hatte die Union. Es ist ein Haushaltsurteil zur Schuldenbremse. Die Regierung sucht verzweifelt den Plan B (Aussetzung Schuldenbremse, Notlage definieren,  Steuererhöhungen, Einsparungen, Umwidmungen, Epochenverschiebung aufheben. Die beiden letzten Wege hat das Verfassungsgericht schon einmal abgelehnt). Jetzt könnten womöglich auch Länderhaushalte wackeln oder der WSF. Die SPD spricht sich auf ihrem Parteitag dafür aus, die Schuldenbremse für 2024 auszusetzen. Die großen Hochwasserschäden im Januar 2024 in Deutschland lösen wieder eine Debatte um die Schuldenbremse aus. Der Ukraine-Krieg könnte sicher die Schuldenbremse aushebeln. Vier der 16 Bundesländer werden vom Stabilitätsrat des Bundes und der Länder ermahnt mehr Anstrengungen für die Schuldenbremse zu unternehmen (Saarland, Bremen, Sachsen-Anhalt, Thüringen).  Eine Studie zeigt, dass Schuldenbremsen tatsächlich zu soliden Staatsfinanzen führen. Vgl. Burret, Feld: Effects of Fiscal Rules, 85 Years´Experience in Switzerland, CESifo Working Paper Nr. 6063, August 2016. Es entsteht 2021 eine Diskussion über eine investitionsorientierte Reform der Schuldenbremse. Weil die FDP in den Koalitionsverhandlungen die Schuldenbremse beibehalten will und auch auch die Schulden nicht erhöhen will, sucht man nach Alternativen. Etwa den Klimanotstand ausrufen und einen Klimafonds aufbauen. Vgl. Die Zeit Nr. 46, 11.11.21, S. 27: Interview mit Achim Truger, SRW. Vgl. zu drei starken Argumenten für die Schuldenbremse Heinemann, Friedrich: Die Schuldenbremse hilft im Kampf gegen die Krise! in: WiWo 38/ 16.9.22, S.42f. Tom Krebs, Ökonom der Uni Mannheim, legt Anfang 2024 einen Studie vor, 57 Mrd.€ neue Schulden zusätzlich aufgenommen werden können: 1. Aussetzung der Schuldenbremse, nicht nur für Ahrtal. 2. Investitionen in grüne Anlagen. 3. Konjunkturbereinigung.

Nachteile der Schuldenbremse: Nachteile: Die Staatsverschuldung würde auf einen zu niedrigen Wert reduziert. Die niedrige Verschuldungsquote wäre nicht sinnvoll, wenn der Zins für Staatsanleihen langfristig unter der Wachstumsrate des nominalen BIP liegt. Eine höhere Verschuldung würde das Angebot an sicheren öffentlichen Schuldtiteln und das Finanzsystem stabilisieren. Es würde weniger in langfristige Projekte investiert. Die strukturelle Neuverschuldung könnte in Höhe der Investitionen zugelassen werden (Goldene Regel). Vgl. Schuldenbremse - Investitionshemmnisse oder Vorbild für Europa, in: Wirtschaftsdienst 2019/5, S. 307ff. Vgl. auch: Fehlt hier das Geld? Streitgespräch zwischen Ökonomen, in: Die Zeit Nr. 27, 27. Juni 2019, S. 24ff. Immer mehr Experten empfehlen eine Reform der Schuldenbremse, insbesondere angesichts notwendiger Investitionen. Vgl. HB 28.11.23, S. 7. Andere Ökonomen schlagen ein Transformations- und Infrastrukturfonds" vor (IW, Laufzeit 10 Jahre; so auch Brunnermeier/ Princeton). Wieder andere empfehlen Ausgabenkürzungen (Rente) oder höherer CO2-Preis (Schnitzer vom SRW). Die Schuldenbremse entscheidet nicht automatisch zwischen sinnvollen Investitionen und sonstigen Ausgaben. Rein pro-zyklische Kürzungen sind nicht  konstruktiv.  26 von 33 Teilnehmer im finanzwissenschaftlichen Ausschuss des Vereins für Sozialpolitik sprechen sich im Januar 2021 für ein Beibehalten der Schuldenbremse aus. Vgl. O. V.: Fachleute verteidigen die Schuldenbremse, in: FAZ 1.2.21, S. 16. Die FDP besteht in den Koalitionsverhandlungen auf einer Beibehaltung der Schuldenbremse. Es gibt eine Diskussion darüber, ob Kredite öffentlicher Unternehmen die Schuldenbremse unterlaufen können. Die Wirtschaftsweisen (SRW, Vorsitzende Monika Schnitzer) fordern im Januar 2024 eine Reform der Schuldenbremse. Sie mahnen rasches Handeln an. Die gleiche Forderung stellen 50 große Unternehmen. Auch in der CDU aus den Ländern wächst der Druck Richtung lockern.

Methodik der Schuldenbremse: Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wurde vereinbart, dass Details der Schuldenbremse überprüft werden sollen. Dabei geht es insbesondere um Regeln zur Bestimmung des Produktionspotentials - vor allem um die Methodik zur Berechnung des konjunkturellen Defizits. Die Methodik hat Einfluss auf die Höhe der Neuverschuldung. Kritikpunkte an dem aktuellen Verfahren sind: Revisionssensitivität und Prozyklizität. Vorschläge gehen Richtung Zeit verzögert einrechnen, Budgetsemielastizität und Trend-TFP. Konjunkturelle Defizite werden eher unterschätzt. Vgl. Zeitgespräch, in: Wirtschaftsdienst 2022/ 11, S. 821 ff. Viele Experten (wissenschaftliche Beirat beim BMWi) wollen auch eine Schuldenregel-Reform: Investitionen sollen ausgenommen werden. Eine Teil-Reform der Schuldenbremse soll 2024 kommen. Die Berechnung der Konjunkturkomponente , die bei einem Abschwung mehr Spielraum lässt, solle überarbeitet werden. Das läuft auf eine Veränderung der "Schwankungsbreite" hinaus. Dafür ist weder eine Grundgesetzänderung noch eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag notwendig. In der EU einigen sich Deutschland und Frankreich über einen Weg von starren Schuldenregeln weg. Vgl. zur Diskussion: Zeitgespräch: Das Haushaltsurteil und die Zukunft der Schuldenbremse, in: Wirtschaftsdienst H1/ Januar 2024.

Kritik an der Schuldenbremse: Sie kommt häufig aus dem Ausland, etwa aus den USA. So etwa auch der dänische Ökonom Jacob Funk Kirkegaard, der Senior Fellow bei German Marshall Fund ist und am Peterson - Institut für Internationale Wirtschaft in Washington forscht. Die Wirtschaft müsse fürs 21. Jahrhundert fit gemacht werden. Die Schuldenbremse sei eine makroökonomische Verrücktheit. Es dürfte unmöglich sein, alle Schattenhaushalte (Sondervermögen) zu integrieren. Man könnte auch die Schuldenbremse reformieren/ lockern (Grundgesetz ändern, Zustimmung der Opposition). Unter Experten geht die Meinung darüber auseinander. Vgl. dazu: Sollte man die Schuldenbremse lockern? (Streitgespräch zwischen Hüther/ IW und Grimm/ SRW), in: Die Zeit 30.11.23, S. 20. In der EU haben nur noch die Niederlande mit 47% eine niedrigere Schuldenquote. Vgl. Der Spiegel 48/ 25.11.23, S. 26. Vgl. auch: Hausner, Karl Heinz: Schuldenbremse: Investieren als Staatsaufgabe, in: Wirtschaftsdienst 2/ 2024, S.75.

Etat 2023/24; komplett neuer Ansatz?: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Transformationsfonds bestehen grundsätzlich folgende Möglichkeiten: 1. Wenger Geld ausgeben (Sparen). Mehr Geld einnehmen (Steuererhöhung). 3. Neues Sondervermögen (zwei Drittel Mehrheit in Bundestag und Bundesrat). 4. Reform der Schuldenbremse (zwei Drittel Mehrheit). 5. Haushaltsnotlage. 6. Wahrscheinlich sind noch andere Gelder in Gefahr (z. B. WSF, 200 Mrd. €). Es wird eine Haushaltssperre erlassen (Finanzministerium prüft jede Ausgabe). Es herrscht keine Planungssicherheit. Die Haushaltsplanung ist unklar. Die Verabschiedung des Etats für 2023 ist fraglich. Der Haushalt liegt auf Eis und kann vielleicht 2023 nicht mehr verabschiedet werden. Vorschläge: Krisensoli für Superreiche. Dienstwagenprivileg abschaffen. Energiepreisbremse fallen lassen. Weniger Bürgergeld, weniger Kindergrundsicherung (Sozialausgaben). Weniger Subventionen (Subventionen für Diesel und Flugreisen). Verlängerung der Lebensarbeitszeit, um bei der Rente zu sparen  ( und Rente mit 63 abschaffen). Für 2023 wird dann die Schuldenbremse ausgesetzt. Definition einer Notlage. Es wird ein Nachtragshaushalt gemacht (am 27.11.23 vom Kabinett verabschiedet). Für 2023 wird die Kreditobergrenze um 44,8 Mrd. € überschritten.  Davon handelt es sich bei 27,4 Mrd. € um Nettokreditaufnahmen. Für 2024 ist die Lage noch offen. Die Parteivorsitzenden der Koalition versuchen, Eckpunkte festzulegen. Im Grunde genommen geht es darum, wer die Kosten der Krisen trägt. Vor Jahresende 23 dürfte kein Haushaltsbeschluss kommen.  Das Verfassungsgericht hat nach der Verfassung entschieden, aber nicht darüber geurteilt, ob die Schulden zu hoch sind. Am 12.12.23 einigen sich Scholz, Habeck und Lindner mit den drei Fraktionsvorsitzenden auf eine Lösung: 1. Schuldenbremse für 2024 einhalten (evtl. Ahr - Hilfe rausnehmen, vielleicht weitere Umschichtungen im Laufe des Jahres). 2. Klima- und Transformationsfonds kürzen (für 24 um 12 Mrd. €, bis 27 um 45 Mrd. €, also Minus bei Subventionen: Flugkerosin Inland/ Erhöhung Ticketsteuer, Solar, E-Autos, Agrar-Dieselprivileg, Agrar-KfZ-Steuer-Befreiung). 3. Ukraine-Unterstützung im Regelhaushalt ( doch was ist, wenn Finanzbedarf Ukraine-Hilfe zu groß?). 4. CO2-Preise werden steigen (stärker als geplant). 5. Soziale Standards, keine Reduzierung (aber Bürgergeld für Ukrainer reduzieren durch bessere Vermittlung in Arbeit). Nach Bauernprotesten lenkt die Regierung ein: Auf die Abschaffung der KfZ - Steuerbefreiung soll verzichtet werden. Die Abschaffung der Steuervergünstigungen für Agrar-Diesel soll zeitlich gestreckt werden. Die Bauern demonstrieren trotzdem, weil sie mit der Gesamtsituation nicht zufrieden sind. Der Haushaltsausschuss beschließt am 18.01.24 den Haushalt 2024. Es sind Ausgaben von rund 476,8 Mrd. €. Die neuen Kredite belaufen sich auf 39 Mrd. €. Ab 2024 wird der langjährige Haushalts - Staatssekretär Werner Gatzer in den Ruhestand versetzt. In 18.Dienstjahren hatte er 19 Haushalte aufgestellt. Als SPD-Mitglied hatte er für alle Parteien gearbeitet. Er galt als "ewiger Staatssekretär" (Prokura für "blaue Briefe an Ministerien"). Er hatte Finanzminister Lindner geraten, die Corona-Milliarden in den Klima- und Transformationsfonds zu überführen. Nachfolger wird der Leiter der Grundsatzabteilung Wolf Reuter, 39 Jahre 2023. Er war vier Jahre Generalsekretär des SRW und gilt als Ordoliberaler (gute Kontakte zu Feld, Berater vom Lindner). Er will mit Ausgabenpriorisierung arbeiten. Finanzminister Lindner macht einen Vorstoß für ein Moratorium bei den Sozialleistungen zugunsten höherer Verteidigungsausgaben. Er erntet Kritik von Scholz und der Ampel.

Haushalt 2025: Im März 2024 beginnt die Bundesregierung schon damit. Es dürften schwierige Verhandlungen werden. Denn mit steigenden Steuereinnahmen kann der Finanzminister nicht rechnen. Die Wirtschaft wächst 2024 so gut wie gar nicht. Es muss gespart werden. Das Konfliktpotential ist hoch. Damit könnte die Ampel am Geld zerbrechen. Nach einer Studie des ZEW fließen nur 20% des Bundeshaushalts in die Zukunft Zukunftsquote). Im Kernhaushalt sollten die Zukunftsausgaben gestärkt werden. Vgl. Heinemann, Friedrich, in: HB 11.3.24, S.1.

Zinskosten/ Schuldendienst im Haushalt: Die Zinsausgaben des Bundes haben sich erhöht. Sie betrugen 2021  4 Mrd. €. 2022 voraussichtlich 16 Mrd. €. 2023 voraussichtlich 40 Mrd. €. Die Zahlen sind umstritten. Sie hängen auch an Buchungsregeln. Vgl. Die Zeit 12/ 16.3.23, S. 29. Es gibt eine Grundregel in der Ökonomie: Das jährliche Wirtschaftswachstum (g) muss über dem Zins  (r) liegen, den der Staat für seine Schulden zahlen muss.

Austeritätspolitik: Traditionell versteht man unter "Austerität" einen Kurs rigider Haushaltskonsolidierung durch Ausgabenkürzungen, Steuererhöhungen oder eine Kombination dieser Maßnahmen. Sie wird in Notzeiten praktiziert und ist natürlich nicht populär. Der Begriff ist vor allem in Zusammenhang mit der EU und Griechenland verbreitet geworden. Im Kern drückt den Inhalt auch das Sparparadoxon aus.

"Schwarze Null": Ziel der Finanzpolitik in Deutschland bei der Neuverschuldung. Es ist eine Art psychologische Sperre. Sie konnte ab 2015 erreicht werden. In den Jahren 2015 bis 2018 konnten Rücklagen in Höhe von 35,1 Mrd. € gebildet werden. Diese sind voraussichtlich Ende 2022 aufgezehrt. Angesichts der beginnenden Wirtschaftsflaute 2019 ist mit Mehreinnahmen nicht zu rechnen. Oft wird die Schwarze Null mit der Schuldenbremse verwechselt: Die Schuldenbremse verlangt gar keine Schwarze Null (Verschuldung des Bundes z. B. bis 0,35% des BIP).

Zusammenhang zwischen Staatsverschuldung und Wachstum: Bei mehr als 90 Prozent Staatsverschuldung (zur Messung siehe oben) wird das Wirtschaftswachstum beeinträchtigt. Seit der Studie "Growth in a Time of Debt" von Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart (2010) galt dies als Gesetz. 2013 stellt der Student Herndon in einer Seminararbeit einen gewaltigen Rechenfehler in der empirischen Studie fest (Excelfehler). Trotzdem ist die magische Grenze von 90% weiterhin in den Köpfen vieler Ökonomen.

Schuldenstatistik, Zinssatz und Wachstumsrate: Wichtig ist immer, dass die Wachstumsrate der Volkswirtschaft über dem Zinssatz liegt. Dabei ist folgende Formel wichtig: Veränderung der Schuldenquote = (Zinssatz - Wachstumsrate) x Schuldenquote - Primärüberschuss/BIP. 

Implizite Staatsschuld: Die impliziten Staatsschulden sind eine auf Annahmen beruhende Rechengröße, die etwas qualitativ grundlegend anderes als explizite Staatsschulden sind, also zu diesen nicht addiert werden können. Vgl. Priewe, Jan: Schuldenfähigkeit mit impliziter Staatsschuld - Leitbild oder Irrlicht, in: Wirtschaftsdienst 3/ 2023, S. 198 - 204.

Staatsverschuldung bei Niedrigzinsen: Solange der Realzins (also Zins abzüglich Inflationsrate) bei null zu halten ist, kann der Staat mehr ausgeben als abnehmen. Die Ersparnisse in Deutschland sind historisch hoch. Allein das Barvermögen der deutschen privaten Haushalte liegt Ende 2013 bei 2,02 Billionen Euro. Die Investitionen von Unternehmen, Staat und privaten Haushalten sind von 21,5% 2010 auf 17,2% 2013 zurückgegangen. Vgl. Interview mit Carl Christian von Weizsäcker , in: Der Spiegel 52/ 2013, S. 64/65.

Wirkungen hoher Verschuldung: Hohe Schulden wirken je nach Wirtschaftssystem unterschiedlich. Vgl. Ahlborn/ Scheikert: Public debt and economic growth: Economic system matter. Center for European Governance and Economic Development Research, Discussion Papers, No. 281, Uni Göttingen 2016.

Schuldendienst: Höhe der Zins- und Tilgungsausgaben, die ein verschuldetes Land jährlich an private und öffentliche Kreditgeber zu transferieren hat.  Schuldendienstquote in % des BNE: Anteil des gesamten Schuldendienstes (Zinsen und Tilgung) eines Staates an seinem Bruttonationaleinkommen im Berechnungsjahr. Auch Indikator der Weltbank: World Development Indicator.

Staatsverschuldung in der EU: Die Eurozone ist insgesamt mit 89% im Jahre 2017 verschuldet. Bei den Ländern liegt Griechenland an der Spitze (179%), vor Italien (132%; 147,9% 2022), Portugal (126%), Belgien (103%), Spanien (98%; 115,1 2022), Zypern (97%), Frankreich (97%), Österreich (78%). Ganz gering verschuldet sind Estland (9%), Luxemburg (23%), Litauen (40%), Lettland (40%), Malta (51%). Quelle: EU-Kommission 2018. Vgl. auch: Friedrich Heinemann: Warum Europa auch in Zukunft klare Schuldenregeln braucht, in: WiWo 18/ 28.4.23, S. 39.

Neue EU-Schuldenregeln: Es ist eine deutsche Forderung. Die 27 EU-Finanzminister wollen sich bis Jahresende 2023 auf eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes einigen. Es soll für jedes Land einen maßgeschneiderten vierjährigen Schuldenabbauplan geben. Deutschland ist für strengere Regeln. Frankreich führt die Gegner an. Es gibt Arbeitsgruppen, die nach schwedischen Tieren benannt sind. An einer Reform des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts wird man nicht vorbeikommen. Bei keinem diskutierten Reformmodell ist aber zu erwarten, dass sich die Einhaltung der öffentlichen Haushaltsdisziplin besser als zuvor durchsetzen lässt. Vor diesem Hintergrund wird in diesem Beitrag dafür geworben, die Sanktionskompetenz bei regelwidrigem Verhalten von der Gemeinschaftsebene auf die zwischenstaatliche Ebene zu verlagern. Damit ließe sich die Glaubwürdigkeit der Sanktionsdrohung steigern. Die Verlagerung würde keinen Verzicht auf die eingeführten Fiskalregeln bedeuten. Vgl. Richter, Wolfram F: Solidarische Tilgung der Staatsverschuldung im Euroraum, in: Wirtschaftsdienst 4/ 2023, S. 276-279. Die Reform des Stabilitätspakts nimmt allmählich Fahrt auf. Trotz hoher Schulden in der Euro-Zone will dei EU-Kommission das Regelwerk aufweichen. sie will selbst mehr Einfluss auf dei Haushaltspolitik der Mitgliedsstaaten bekommen. Vgl. Wettach, Silke: Das neue Brüsseler Schleusentor, in: WiWo 22/ 26.5.23, S. 36f. 2024 kommen neue EU-Schuldenregeln. Die Eckpunkte der Maastricht-Kriterien bleiben bestehen. Dei vorgaben sollen aber flexibler gestaltet werden. Investitionen sollen erleichtert werden.

Staatsverschuldung in wichtigen Vergleichsländern: Großbritannien 100,2% 2022 (36,6% 2000). USA 123,4% 2022 (55,2% 2000).

Staatsverschuldung international: Rangfolge: Japan 258%. Griechenland 177%. USA 122%. Sri Lanka 118%. Ausgewählte Länder. Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung (BIP) in Prozent 2022. Der IWF warnt davor, dass immer mehr Länder in finanzielle Not geraten. Die reine Verteilungspolitik muss dem Ende entgegen gehen. Vgl. Rudzio, Kolja: Die Gefahr der hohen Schulden, in: Die Zeit 17/ 20.4.23, S. 25.

Staatsschulden gut oder schlecht? : Durch die lange Zeit der fast Nullzinsen ist eine Diskussion über die Vertretbarkeit eingetreten, Schuldengrenzen werden neuerdings eher als schädlich angesehen. Vor allem keynesianische Ökonomen kämpfen für eine Rehabilitierung der Schulden. Die Zinsen für Staatsanleihen liegen unter der Wachstumsrate des BIP. Der langjährige Chef-Volkswirt des IWF sieht das als Indikator für problemlose Staatsschulden. "Crowding-out" - Effekte (öffentliche Investitionen verdrängen private) werden für beherrschbar gehalten. In Deutschland gerät die Schuldenbremse wieder in die Diskussion. Kritiker sprechen von einem "Ruhekissen für Vermögende". Der Staat verschuldet sich ohne Kosten auf Kosten der Armen. Also sind die Schulden heute die Steuern von morgen. Vgl. Malte Fischer: Sind Schulden nun gut oder schlecht? in: WiWo 12, 15.3.2019, S. 38f.

Haavelmo-Theorem: Die These, dass auch von einem ausgeglichenen Staatshaushalt unter bestimmten bedingungen expansive Wirkungen auf den Konjunkturverlauf ausgehen können. Sie geht auf den Norwe´gischen Volkswirtschaftler Trygve Magnus Haavelmo zurück Vgl. Ders.: The Probability Approach in Econometrics, in: Econometrica, 1944.

Rechtfertigung von Staatsschulden: Früher gab es eine Reihe von Theorien (z. B. Gerechtigkeit zwischen Generationen). Heute wird oft mit dem Klimaschutz argumentiert. Es gibt Experten, die eine ethische Rechtfertigung für höhere Schulden für fragwürdig halten. Vgl. Heinemann, Friedrich: Das Märchen von den guten Klimaschulden, in: WiWo 3, 10.1.2020, S. 42. 2020 nach der Corona-Krise stellt sich die Frage, wann Staatsschulden richtig sind und wenn man damit Schluss machen sollte. Ein wichtiges Maß ist die Staatsschuldenquote: Sie steigt durch Corona 2020 voraussichtlich auf 75,5%, 1996: 57,8%, 2010: 82,4%, 2019: 60%. Der Autor plädiert für Konsolidierung: nachhaltige Finanzen. Vgl. Potrafke, Niklas: Wann sind die Staatsschulden richtig? Und wann sollte man damit Schluss machen) in: Die Zeit Nr. 43, 15.10.20, S. 28.

Staatsschulden und Corona-Krise 2020: Für Deutschland könnten sich durch die Krise und ihre Folgekosten 400 Mrd. € Staatsschulden mehr ergeben (es werden dann 450 Mrd. €). Dadurch wächst die Schuldenquote von 59,85 auf 75% (oder 80%). Schon die Finanzkrise 2008 hatte zu einem rasanten Zuwachs der Schulden weltweit geführt. Gegenüber 2008 gab es schon bis 2019 ein Plus von 40%. 322% der globalen Wirtschaftsleistung betragen die Schulden von Staaten, Unternehmen, privaten Haushalten und Finanzinstituten weltweit. Quelle: Fischer, Malte u. a.: Schuld und Sühne, in: WiWo 17, 174.2020, S. 14ff. "Nur eine der beiden Katastrophen ist denkbar: Entweder beseitigt die Nation die Staatsschuld oder die Staatsschuld die Nation", David Hume, Ökonom und Philosoph, 1750. Die Corona-Krise 2020 führt zu einer hohen Neuverschuldung der Länder. Dazu einige Zahlen (Prognose vom Mai 2020): USA 15,4%, UK 8,3%, Euro-Zone 7,5%, Japan 7,1%. Auch der Bund in Deutschland plant für 2021 mehr Schulden als bisher bekannt. Es sollen 160 Mrd. € neue Schulden sein, bisher waren 96 Mrd. € neue Schulden geplant. Ende November 2020 werden es sogar 180 Mrd. €. Es beginnt im Dezember 2020 eine Diskussion darüber, wer das bezahlen soll. Es geht um die Verteilung der Kosten der Corona-Hilfen.  Die 16 Bundesländer in Deutschland haben in der Corona-Krise fast 60 Mrd. € neue Schulden angehäuft. Die Kreditermächtungen gehen noch darüber hinaus (weniger Schulden als befürchtet). Spitzenreiter bei der Neuverschuldung ist mit großem Abstand Bayern (Kreditrahmen von 20 Mrd. €). Daneben läuft noch separat ein "Bayernfonds (40 Mrd. €). Mindestens drei Länder wollen schon im nächsten Jahr mit der Abzahlung der Corona-Schulden beginnen: Niedersachsen, Thüringen, Baden-Württemberg. RLP hatte für Corona Kredite aufgenommen, die in ein Sondervermögen flossen. Diese werden vom Verfassungsgerichtshof des Landes  teilweise als verfassungswidrig eingestuft (Ausgaben, die nicht in Zusammenhang mit der Pandemie stehen: Breitbandbereich, Umweltschutz).

Finanzierung der Staatsschulden in Deutschland nach der Corona-Krise: 1. Wachstum. 2. Ausgaben/Tilgungsplan. 3. Steuererhöhung (neue Steuern oder Sozialabgaben). 4. Erhöhung der Schuldenquote. 5. Inflation. 6. Zentralbank (die die Schulden abkauft). 7. Schuldenfonds (der zins- und tilgungsfrei in die Zukunft geschoben wird; Lösung der EU-Kommission). 8. Schuldenschnitt (Gläubiger verzichten auf einen Großteil ihres Geldes) . Nach der vorigen großen Wirtschaftskrise 2010 betrug die Staatsverschuldung in Relation zum BIP 82,4%. 2021 nach der Corona-Krise liegt diese Verhältniszahl bei 72,4%. Das Zinstief schafft Gestaltungsspielräume. Der Anteil der Zinsausgaben an den Steuereinnahmen  dürfte 2021 um die 2% sein. Was aber ist wenn die Gewinne der Unternehmen zurückgehen, die Steuereinnahmen sinken und die Zinsen steigen? Dann könnte die Schuldenblase platzen. Erst mal spart der Bund stark von den niedrigen Zinsen. 2020 gibt er 211 Mrd. € weniger aus als geplant. Sicher könnte man auch eine strukturelle Verbesserung der Haushalte ins Auge fassen. Der Umverteilungsanteil liegt insgesamt bei 50% des Bundeshaushaltes. Die Investitionsausgaben sind in den letzten Jahren permanent nach unten gegangen. Für den Haushalt 2022 plant das Finanzministerium mit einer Neuverschuldung von 81,5 Mrd. €. Erst 2023 soll die Schuldenbremse wieder regulär eingehalten werden. Die Neuverschuldung für die drei Corona-Jahre seit 2020 steigt insgesamt auf 450 Mrd. €. Im November 2023 stoppt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Ampel: Es entsteht ein 60-Milliarden-Loch. Karlsruhe verwirft den Kniff der Regierung, nicht benötigte Kredite aus Corona-Zeiten in einen Fonds für Klimaschutzmaßnahmen zu überführen. Geklagt hatte die Union. Es ist ein Haushaltsurteil zur Schuldenbremse.   "Schulden belasten das künftige Wachstum", Kenneth Rogoff, US-Ökonom.

Schlüsselgrößen der Staatsverschuldung: 1. Schuldensumme. 2. Zins. 3. Wachstum. 4. Etatsaldo. Die aktuelle Entwicklung der Schulden wird mit folgender Formel berechnet: Aktuelle Schuldenquote=(1 + Z)/1 + W) x Schuldenstand/Bruttoinlandsprodukt des Vorjahres - E. Legende: Z für Zins, W für Wachstum, E für Etatsaldo.

Zeitliche Struktur der Schulden des Bundes (Stand 30.11.21): 30-jährige Anleihen: 277 Mrd. € (+20%). 10-jährige Anleihen: 608 Mrd. € (+24%). 5-jährige Obligationen 187 Mrd. €, (+7%). 2-jährige Anweisungen 115 (+29%). 1-jährige Anweisungen 154 (+1142%). Grüne Wertpapiere 22. Sonstige 76 (-6%). Quelle: BMF. Zu viele kurzfristige Schulden!

Implizite Staatsverschuldung: Beamtenpensionen und Rentenversicherung. Man spricht von altersbedingten Kosten. Die sind durchaus relevant, werden in der Schuldenquote aber außen vor gelassen. Bei einer Nachhaltigkeitsbetrachtung sollte man sie einbeziehen. Vgl. auch dazu: Krämer, Hagen/ Weizsäcker, Carl Christian: Implizite Staatsschulden und ei Kontroverse um die Zins- Wachstumsdifferenz, in: Wirtschaftsdienst 5/ 2023, S. 341-351.

Entschuldung: Geschichte: Bis zum 18. Jahrhundert war der Bankrott die gebräuchlichste Form. Könige und Fürsten zahlten ihre Schulden einfach nicht zurück, Die Kreditgeber wurden in den Ruin getrieben. Absolutistische Herrscher ließen ihre Gläubiger einsperren. In der modernen Finanzwirtschaft hatte der Staat mehr Möglichkeiten. Bei Schulden im Ausland kam ein Schuldenschnitt (Beispiel: Bolschewiken gegenüber Frankreich). Bei moderner Währung kamen hohe Inflation und Währungsreform dazu. Heute setzt man auf finanzielle Repression. Ohne ausreichendes Wachstum ist eine Haushaltsanierung schwierig. Man müsste sich mit Gläubigern auf Nachlässe bei Schulden und Tilgung einigen. Vgl. Fischer, Malte: Entschuldung auf Sächsisch, in: WiWo 27 26.6.20, S. 36f.

Staat und Staatsquote: Welche öffentlichen Haushalte zum Staat gehören ist nicht einheitlich geregelt. Einmal ist der Staat ein Sektor in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Hier gehören zum Staat Bund, Länder, Kommunen, Sozialversicherungen und Sonderhaushalte (z. B. ERP, LAF, Soffin u. a.). Wichtig ist die Abgrenzung zur Berechnung der Staatsquote und der Schuldenquote. Durch Herausnehmen der Sozialversicherungen und der Sonderhaushalte ("Schattenhaushalte") lassen sich die Quoten "manipulieren". Der Anstieg der Staatsquote ist in erster Linie durch die Sozialversicherungen verursacht. Wichtig ist auch die Unterscheidung von Ausgaben für öffentliche Güter (Straßen, Schulen, Polizei) und Transferleistungen (Sozialleistungen, Subventionen). Die Haushaltsgrundsätze der "Wahrheit" und "Klarheit" sind bis zu einem bestimmten Grade dehnbar. Der Föderalismus in Deutschland ist mittlerweile ein Entscheidungs- und Kostenproblem (wahrscheinlich wären 8 Länder besser). Für 2010 plant der Bund Ausgaben von 325,4 Mrd. €. Der größte Einzelposten ist der Bereich "Arbeit und Soziales " mit 146,8 Mrd. €. Dann folgen mit 38 Mrd. € die Schulden. Tatsächlich werden es ca. 60 Mrd. €. Für 2011 ist ein Haushaltsdefizit von 57,5 Mrd. € eingeplant. Für die Ausgaben werden 307,4 Mrd. € veranschlagt. Gerade bei den Einnahmen sind viele Elemente ungewiss: Sparpaket, Konjunktur, Ungleichgewicht, Berücksichtigung der Schuldenbremse. Der Haushaltsentwurf für 2011 hat ein Gesamtvolumen von 305,8 Mrd. €. Das größte Ressort ist Arbeit und Soziales mit 131,3 Mrd. €. Der Haushalt 2013 hat ein Gesamtvolumen von 302,2 Mrd. Euro. Die größten Posten sind Arbeit und Soziales, Verteidigung, Bundesschuld und Verkehr/Bau. 2012 steigen die Steuereinnahmen auf einen Höchststand (602,3 Mrd. €). Die Zeit der Einnahmezuwächse scheint aber vorbei. 2012 betrug die Staatsquote 45% (45% der erzielten Einnahmen gehen durch die öffentlichen Hände). 1960 lag sie bei 33% (nur alte Bundesländer). 1995 lag die Quote in Folge der deutschen Einheit bei 55%. Mit der heutigen Quote liegt Deutschland im Mittelfeld der Industrieländer. Ob die Quote mit 45% für eine Marktwirtschaft angemessen ist, kann niemand sagen. "Der Staat ist die große Fiktion, mit deren Hilfe sich jeder bemüht, auf Kosten aller zu leben", Frederic Bastiat, französischer Nationalökonom, 1810-1850. Durch Kriege steigt die Staatsquote an. Das zeigt der Ukraine-Krieg und die Reaktion darauf 2022 in Deutschland. Kriege und Krisen erhöhen den Einfluss des Staates auf Wirtschaft und Gesellschaft. Vgl. Follert, Florian/ Quitzau: Der gefährliche ruf nach mehr Staat, in: WiWo 38/ 16.9.22, s. 41.

Bundesländer (relativ in ihrer weltweiten Wirtschaftskraft, Föderalismus): Das höchste Pro-Kopf-Einkommen (BIP pro Kopf) hat Hamburg mit ca. 53.000€. Die Wirtschaftskraft von NRW entspricht mit 570 Mrd.€ in etwa der der Türkei. Baden-Württemberg liegt ungefähr gleichauf mit Taiwan. RLP ist gleich stark wie Ungarn. Die Bundesländer im Osten (neue Länder) haben 2012 immer noch das geringste BIP pro Kopf. Es ist quasi ein Stillstand eingetreten. Bei Innovation wird zu stark konzentriert, Fachkräfte können nicht gebunden werden, das Steueraufkommen ist relativ schwach. 2013 zeigt eine Untersuchung, dass die Abwanderung aus dem Ost gestoppt werden konnte. Die Geburtenrate steigt wieder. Es ist eine wissensbasierte Industrieregion mit wettbewerbsfähigen Unternehmen entstanden. Die Arbeitslosenquote liegt mit 9,5% allerdings noch weiterhin über dem Westdurchschnitt (aktueller Jahresbericht zur deutschen Einheit). Im Bundesländer-Ranking der Wirtschaftswoche und der Initiative Soziale Marktwirtschaft ist 2012 wieder Bayern auf Rang1 vor Baden-Württemberg und Hamburg. Die höchste Pro-Kopf-Verschuldung 2011 in den Flächenländern hat das Saarland (11.368), vor Schleswig-Holstein (9401). Rheinland-Pfalz liegt bei 7274. Schon lange gibt es eine Diskussion um die Fusion von Bundesländern. Die Formel für den Finanzausgleich begünstigt Stadtstaaten: "Einwohnerveredelung", bei der 100 Einwohner gleich 135 in Flächenstaaten gesetzt werden. Außerdem erhalten kleinere Staaten "Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen". Die Geldnot der Länder (auch durch die Schuldenbremse, aber ebenso durch Pensionslasten) könnte eine Reform des Föderalismus bewirken. Sinnvoll wären 9 statt 16 Bundesländer. Dies wird auch im Oktober 2014 vom Saarland so vorgebracht. Völlig unsinnig ist auch das Kooperationsverbot in der Bildungspolitik. Das Chaos bei den Länderfinanzen müsste irgendwann angegangen werden: Die Schuldenbremse allein reicht nicht. Die Länder brauchen mehr Steuerautonomie. Föderalismus gibt es auch in vielen anderen Ländern. Er hat nur unterschiedliche Ursachen: Ethisch-sozial (Belgien, Spanien); geographische Zwänge (Australien, Neuseeland), historische Gründe (Schweiz); demokratietheoretische Gründe (Deutschland).  Rheinland Pfalz ist auch hoch verschuldet. Bis 2016 wird eine Verschuldung von 41 Mrd. € erwartet, bis 2020 sogar 46 Mrd. €. Mit Nachtragshaushalten werden zusätzliche Kredite ermöglicht (die Pensionsvorsorge gilt nicht als Schulden). Bremen ist finanziell stark angeschlagen. 2016 rügt der Stabilitätsrat ihren Schuldenkurs. Es entgleist auch der Einfluss auf die Bremer Landesbank (BLB), die für Wirtschaftsförderung wichtig ist (Bremen soll seine Minderheitsbeteiligung von 41% abgeben; Mehrheitseigner NordLB). Für 2016 haben die Bundesländer insgesamt ein Plus von 8,8 Mrd. € eingefahren (Steuereinnahmen, Flüchtlingshilfe). Nur das Saarland und Sachsen schrieben rote Zahlen. Die höchste Pro-Kopf-Verschuldung 2016 weisen das Saarland (3733) und RLP (3133) auf (Quelle: Destatis). RLP, Schleswig-Holstein und Hamburg als einzige Bundesländer 2017 noch erhöht (Quelle: Destatis). Im Jahre 2017 haben die Bundesländer einen unerwarteten Überschuss von 14,2 Mrd. € erzielt. Das sind 5,4 Mrd. € mehr als ein Jahr zuvor. Ursache ist die lebhafte Konjunktur, die laut Jahreswirtschaftsbericht auch 2018 für Überschüsse sorgen wird. Ein Jahr vor Eintritt der Schuldenbremse 2019 müssen fünf Bundesländer neue Kredite aufnehmen (Brandenburg, Bremen, NRW, Saarland, Schleswig-Holstein).  "Ich würde eine Föderalismusreform machen, die den Zustand der organisierten Verantwortungslosigkeit aufhebt. Viele Wachstumsthemen scheitern an den Ländern - von der Bildung über die Digitalisierung bis hin zur Klimatransformation." Rüdiger Bachmann, University of Notre Dame, Indiana, USA, 2023.

Regionen in den neuen Ländern: Abseits der aufgepäppelten Zentren gibt es auch 2017 noch viele Regionen, die veröden. Alterung und Abwanderung verdunkeln weiter die Perspektive. Iris Gleicke, die Ost-Beauftragte der Bundesregierung legt zum 03.10.2017 eine Bilanz vor. Die Lage lässt auch besser verstehen, warum die AfD bei der Bundestagswahl 2017 zweitstärkste Kraft in den neuen Ländern geworden ist. 2019 läuft der Solidarpakt II (Soli auf den Arbeitslohn) aus. Ab 2021 dürfen wohl viele der Gebiete nicht mehr gefördert werden (auch Folge des Brexits). Erstmals seit der Wiedervereinigung sind 2018 mehr Umzüge nach Osten erfolgt als umgekehrt. Ökonomisch holt der Osten immer mehr auf: Pro Kopf liegt das BIP in Westdeutschland 2019 bei 43449€ (1991  22767), in Ostdeutschland bei 30027€ (1991  7395). Quelle: Bundesregierung. Vgl. Kowalczuk, Ilko-Sascha: Die Übernahme, München (Beck) 2019. 2022 sprechen manche Ökonomen vom Aufschwung Ost, andere sind skeptisch. Große Konzerne investieren vermehrt in den neuen Ländern (Tesla, Bosch, Intel, CATL).

Lebensverhältnisse in Deutschland nach Regionen: Ergebnisse der Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse"  (Vertreter von Bund, Länder und Kommunen, Bertelsmann-Stiftung) 2019 zeigt, dass die Lebensverhältnisse in Deutschland immer weiter auseinanderdriften. Die Pro-Kopf-Verschuldung ist in den Kommunen sehr unterschiedlich. Am höchsten ist sie im Saarland und in einigen Kommunen von RLP im Westen. Kassenkredite müssen dort für Altschulden aufgenommen werden und die Sozialleistungen steigen rapide. Wenn die Konjunktur abkühlt, dürfte die Lage noch dramatischer werden. Ein Altschuldenschnitt sollte in Betracht gezogen werden. Es soll ein Modernisierungsplan für Deutschland entwickelt werden mit fundamentaler Veränderung der Struktur- und Förderpolitik. Der Plan soll 12 Punkte umfassen (unter anderen Ansiedlung von Behörden und Forschungseinrichtungen, Ortskernsanierung von Dörfern, staatliche Infrastrukturgesellschaft). Mehrere Ministerpräsidenten schlagen im Sommer 2019 auch Alarm. Der Bund solle mehr gegen das wirtschaftliche Gefälle im Land tun. Eine Studie des IW kommt 2019 auf 19 benachteiligte Regionen in Deutschland. Elf sind im Osten, vier in NRW, dazu kommen Bremerhaven, das Saarland, Schleswig-Holstein Ost, die Westpfalz. Ländlich geprägte Gebiete unterscheiden sich von urbanen Regionen auch zunehmend durch problematische demografische Entwicklungen: hohe Abwanderung, alternde Bevölkerung, hohe Überhänge von Männern im jungen und mittleren Erwachsenenalter. Die ungünstige wirtschaftliche Entwicklung, subjektive Benachteiligung und Abstiegsängste fördern intolerante und Demokratie skeptische Einstellungen in ländlichen Regionen. Vgl. Salomo, Katja: Abwanderung, Alterung, Frauenschwund. Die verkannte Gefahr für eine offene Gesellschaft, in: WZB Mitteilungen Heft 165, September 2019, S. 17ff.

Wirtschaftsförderung und Sozialtransfers für den Osten: Seit dem Mauerfall sind etwa zwei Billionen Euro bis 2018 in die neuen Länder geflossen. Die ist die Summe von privatem und staatlichen Kapital., das nach Ostdeutschland ging. Manche Experten arbeiten auch mit dem Netto-Betrag (Steuereinnahmen und Sozialausgaben abgezogen). Dann kommt man auf 1,6 Billionen €. Mittlerweile 2019 ist der Anteil innerdeutscher Transfers von sechs auf ein Prozent des BIP gesunken (Quelle: Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Halle). Der Jahresbericht 2019 der Bundesregierung zur Deutschen Einheit (30 Jahre nach der Wende) kommt zu folgenden Ergebnissen: Es gibt deutliche Fortschritte beim Aufholprozess im Osten. Es gibt aber weiterhin große Probleme. Vgl. auch: Oschmann: Der Osten - eine Westdeutsche Erfindung, Ullstein 2023. Was wohl überhaupt noch nicht stimmt in den neuen Ländern, ist die geistige Verfassung. Russlandverehrung und AfD - Sympathien verwirren. Vgl. Wellmer, Jessy: Die neue Entfremdung. Warum Ost- und Westdeutschland auseinanderdriften und was wir dagegen tun können, Köln (K&W) 2024.

Kraftzentren in Deutschland: Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Halle (IWH), sieht 2022 in einer Prognose bis 2035 einen interessanten Trend: Osten rauf, Westen runter. Gewinner werden am stärksten Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sein. Verlierer sind Bremen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz (auch Hessen, Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg). Vgl. Welt am Sonntag Nr. 21/ 22. Mai 2022, S. 18. .

Treuhandanstalt (bzw. Fonds Deutsche Einheit): Sie begann 1990 mit der Privatisierung und Abwicklung der DDR-Volkswirtschaft (Treuhandgesetz). Über 8000 Betriebe und Kombinate waren der Treuhand übertragen. Durch Ausgliederung entstanden über 14.000 Betriebseinheiten. Von vier Millionen Jobs blieben am Ende 1,5 Millionen nach fünf Jahren.  Dem Staatshaushalt blieben am Ende 137 Milliarden Euro Schulden. Die Bilanz der Treuhand sieht wie folgt aus: 23500 Unternehmen wurden bearbeitet. Es gab 19500 Privatisierungen.  Zusätzlich wurden 42000 Liegenschaften verkauft (und 25000 Geschäfte oder Gaststätten). Die Einnahmen betrugen rund 67 Milliarden Mark. Das Defizit lag bei 200 Mrd. Mark.

LAF, ERP: Es gibt eine Reihe weiterer Fonds, die historische Gründe haben. Der Lastenausgleichsfonds wurde für Reparationszahlungen nach dem 2. Weltkrieg und für die Wiedergutmachung bei den Juden, die Opfer der Verfolgung im Dritten Reich waren, Das European Recovery - Programm ist ein Überbleibsel der Marshallhilfe der USA nach dem 2. Weltkrieg. Es dient heute der Finanzierung und Förderung von KMU. Griechenland und Polen stellen relativ spät 2015 (Griechenland) und 2017 (Polen) Forderungen nach weiteren Reparationszahlungen.

Pensionen und Pensionsverpflichtungen: Das sind die staatlichen Verpflichtungen für Pensionen und Beihilfen. Am 31.12. 2016 betrugen diese: Pensionen 478,0 Mrd. €; Beihilfe 169 Mrd. € (Zuwachs 2016 10%). Die Pensionsverpflichtungen steigen stark an. Die gebildeten Rückstellungen sind viel zu gering. Am stärksten sind die Bundesländer belastet (Lehrer, Hochschulen).

Löhne im öffentlichen Dienst: 2019 lagen die Personalkosten im öffentlichen Dienst bei 308 Milliarden Euro. Das ist fast so viel wie der gesamt Bundeshaushalt. Lohnerhöhungen haben folglich einen großen Einfluss auf die Lage der Staatsfinanzen. Die Lohnerhöhung 2020 bringt Milliardenkosten für die Kommunen mit sich (bis zu 4,5% mehr Geld). Die Kommunen leiden massiv wegen der Gewerbesteuerausfälle durch die Corona-Krise.

Staatsreformen: Schon seit langem hat der deutsche Staat einige Baustellen, die für eine erfolgreiche Zukunftsbewältigung zu Ende geführt werden müssen.  Der Föderalismus muss reformiert werden (Kleinstaaterei!). Dass Staatsdefizit muss verkleinert werden (Schuldenabbau!). Das Steuersystem muss vereinfacht werden. Die Sozialversicherungen müssen der Bevölkerungsentwicklung angepasst werden. Regelung der Bürgerbeteiligung in der Infrastruktur. Abbau von Subventionen. Neuer Energiemix. Die Deutsche Einheit hat insgesamt 2 Billionen Euro gekostet.

Staatsbankrott (Zahlungsunfähigkeit): Streng genommen kann ein Staat nicht pleite gehen, weil es keine entsprechende Insolvenzordnung und keine Institution gibt, die einen Staat für bankrott erklären kann. Es Staat kann sich selbst für zahlungsunfähig erklären, wenn er seine laufenden Ausgaben (insbesondere den Schuldendienst) nicht mehr leisten kann und keine Kredite mehr bekommt (1998 in Russland, 2002 in Argentinien, 2008 in Island). Die rote Linie ist überschritten, wenn er sich nicht mehr refinanzieren kann, weil niemand mehr seine Anleihen kauft (werden von Rating - Agenturen eingestuft). Es wäre auch möglich die Schulden mit dem Vermögen zu vergleichen. Wenn die Schulden höher sind, ist ein Staat bankrott. Die Schwierigkeiten hier liegen in der Bewertung des Vermögens. Wegen der möglichen Kettenreaktion hilft in der Regel die Staatengemeinschaft (IWF, G14, EU). In Europa sind Griechenland, Spanien und Italien (auch Irland, Großbritannien, Lettland, Portugal) sehr hoch verschuldet und könnten in Zahlungsnot geraten. Griechenland hat 2010 die größten Probleme. Ein Notfallplan sieht vor, dass der IWF 30 Mrd. € (3%), die EU 80 Mrd. € (5%, D 22,4 Mrd. für drei Jahre) beitragen. Die Banken wollen sich beteiligen. Es ist noch unklar, ob der Finanzbedarf von 110 Mrd. € korrekt ist. Es ist auch angedacht, eine Insolvenzordnung für Staaten zu schaffen. Eine solche Ordnung könnte neue Krisen vermeiden. Sie könnte auch private Gläubiger an Umschuldungen beteiligen. Dies soll eine Task Force in der EU klären. Die  Alternative "Rausschmiss aus der EU" ist nicht vorgesehen. Bei bisherigen Staatspleiten wie z. B. in Argentinien hatte das Land eine eigene Währung. Bei einer Rückkehr zur Drachme würden die Griechen die Banken stürmen. Nicht nur die Finanzkrise hat die Verschuldungsprobleme verstärkt, sondern auch die zunehmenden Kosten der Sozialsysteme durch die demographische Entwicklung. Auch 2014 schliddert Argentinien in eine Staatspleite, ausgelöst von Forderungen amerikanischer Hedge-Fonds, die gerichtlich bestätigt werden. Wieder tauchen Forderungen nach klaren Bankrottregel auf. Vergleichbare Aspekte tauchen bei einer Kommunalinsolvenz auf. Das Problem der Kommunalverschuldung ist hoch virulent. An der Spitze liegen Städte in NRW. Die Implementierung eines Kommunalinsolvenzverfahrens wird diskutiert. Als erste große Stadt geht Detroit in den USA Pleite (18,5 Mrd. $ Schulden, Gläubigerschutz beantragt, nur noch 700.000 Einwohner). Die UN will Insolvenzregeln für Staaten entwerfen. Man braucht eine Konkursordnung für Staaten - auch in der Euro-Zone (das OMT - Programm der EZB ist das Gegenteil). Der Fall "Griechenland" Mitte 2015 dürfte wichtige weitere Erkenntnisse liefern. Zur gleichen Zeit steht Puerto Rico vor der Insolvenz. Die Insel gehört zu den USA mit einem Sonderstatus (aber Dollar und keinen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik). Es wird ein geordnetes Konkursverfahren eingeleitet (Chapter 9). Die föderale Einlagensicherung der FDIC sorgt für Ruhe bei den Banken (die Banken haben auch keine Regierungsanleihen). "Wer gemeinsam in einem Boot sitzt, sollte den Fluss friedlich überqueren", Sunzi, chinesischer Philosoph. Der Staatsbankrott drohte 2005 Argentinien, 2009 Ecuador, 2010 den Seychellen und 2012 Griechenland. Die Staaten wurden dadurch gerettet, dass die Gläubiger ein Großteil der Schulden erlassen haben (Quelle: IWF). Seit 15 Jahren fordert der Berliner Jurist Christoph Paulus ein Insolvenzrecht für Staaten (Professor Humboldt-Uni Berlin; Berliner Institut für Interdisziplinäre Restrukturierung). 2015 drohte der Staatsbankrott der Ukraine. Fonds und Banken erlassen dem Land ein Fünftel der Kreditrückzahlungen (Schuldenschnitt).

Abwicklungsmechanismus/ Insolvenzordnung: Einige Staaten der EU haben extrem hohe Schulden, so dass staatliche Insolvenzen weiter im Raum stehen. Also gibt es Konzepte für eine staatliche Insolvenzordnung. Vgl. Bodo Herzog: Abwicklungsmechanismus für Mitgliedstaaten des Euroraums, in: Wirtschaftsdienst 2017/12, S. 881ff.

Resilienz bei Staaten: Der Begriff, der aus der Psychologie stammt, wird mittlerweile auch auf Staaten angewandt. Es geht um die Krisenanfälligkeit. Als ein wichtiger Indikator gilt der Arbeitsmarkt: Länder, in denen Krisen das Wachstum dauerhaft beeinträchtigen, haben oft unflexible Arbeitsmärkte. Vgl. Friedrich Heinemann/ Henrik Brinkmann: Was Staaten krisenfest macht - und was nicht, in: Wirtschaftswoche 13/ 23.3.2018, S. 68.

Insolvenzregime für Staaten: Die Finanzminister der Eurozone haben ein Insolvenzrecht für Staaten vorgeschlagen. Der ESM soll nur dann finanzielle Hilfen für Mitgliedstaaten bereitstellen, wenn deren Schuldentragfähigkeit sichergestellt ist. Andernfalls kommt der Schuldenschnitt. Die Schuldentragfähigkeit ist aber ein unklares Kriterium. So kann sich das Zahlungsausfallrisiko von Staaten erhöhen. Die EZB müsste ein indirekter "Lender of Last Ressort" für Staaten werden. Vgl. Lindner, F.: Insolvenzregime für Staaten: ein gefährlicher Irrweg im Euroraum, in: Wirtschaftsdienst 2109/2, S. 133ff.

Regressprüfungen bei Ministern: Wenn trotz fachlicher und rechtlicher Warnungen Projekte durchgezogen werden, ist dies möglich. Allerdings muss Vorsatz nachgewiesen werden, oder zumindest Fahrlässigkeit. Bei Finanzminister Deubel konnte für den Nürburgring Veruntreuung nachgewiesen werden. Er musste zahlen und ins Gefängnis. Bei Ex-Bundesverkehrsministerminister Andreas Scheuer dürfte der Nachweis schwieriger sein, obwohl der Schaden viel größer ist (PKW-Maut-Debakel, fast 500 Mio. €).

Primärüberschuss-Ziel: Haushaltssaldo ohne Schuldendienst. Von Griechenland wird von den Institutionen ein Primärsaldo von 1 Prozent gefordert,

Sudden-Stop: Wegen Überschuldung eines Landes ziehen sich die Kreditgeber zurück und der Kapitalstrom in das Land sinkt. Vgl. Miles/ Scott/ Breedon: Makroökonomie, Wiley 2014, S. 658.

Öffentliche Ausgaben für Zinsen und Beamtenversorgung ("Teure Altlasten") in Deutschland nach Ländern (Anteil am Gesamthaushalt in Prozent): Im Jahre 2020 zahlt Sachsen 7,1. Das Saarland zahlt 31,9. Dies sind die Spitzenreiter oben und unten. 

Gesetz von der wachsenden Staatstätigkeit (Adolph Wagner, 1835-1917): Hypothese, dass langfristig die staatlichen Aktivitäten im Vergleich zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung überproportional wachsen, so dass es im Zeitanlauf zu einer Zunahme der Staatsquote kommt. Wörtlich: "Beobachtungsmäßig, historisch und statistisch nachweisbar zeigt sich im Staate eine deutliche Tendenz zur Ausdehnung der ...Staatstätigkeiten mit dem Fortschritte der Volkswirtschaft und Kultur". Peacock und Wiseman sehen dabei einen "displacement effect": danach steigen in Krisenzeiten die Staatsausgaben überproportional, weil dann die Steuerwiderstände geringer sind. Nach der Krise sinken die Ausgaben nicht wieder auf das alte Niveau, weil die Bürger sich an höhere Lasten gewöhnt haben. Das Popitzsche Gesetz besagt die Anziehungskraft des zentralen Haushalts in einem föderativen System. Nach dem Brechtschen Gesetz führt zunehmende räumliche Bevölkerungskonzentration (Ballungsgebiet) zu steigenden Pro-Kopf-Ausgaben. Der US-Ökonom Dani Rodrik hat beobachtet, dass offene Volkswirtschaften im Schnitt höhere Budgets haben. Auch externe Schocks spielen eine Rolle: Der Bonner Ökonom Moritz Schularick wies nach, dass die Staatsschulden nach Finanzkrisen ebenso sprunghaft wie langfristig ansteigen.   Für 2010 sind in Deutschland 328 Mrd. € als Staatsausgaben vorgesehen.

Öffentliche Unternehmen: Der Staat ist an einigen großem Wirtschaftsunternehmen (z. B. Bahn, Lufthansa) und Finanzinstituten (z. B. Commerzbank) beteiligt. Das sind Überbleibsel früherer Staatsunternehmen oder Übernahmen in Krisensituationen. Es gibt immer wieder Pläne, durch den Verkauf dieser Staatsbeteiligungen den Haushalt zu sanieren. Die Bahn spielt eine große Rolle in der Verkehrs- und Klimapolitik. Es soll mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene wandern. Doch es fehlt das Geld dafür an allen Ecken und Kanten. Der Bahn droht sogar ein Finanzdesaster (Bundesrechnungshof).

Bundesbeteiligungen (Staat als Unternehmer 2014; ersetzt den Begriff öffentliche Unternehmen): Wert der Kapitalbeteiligungen 2014 72 Mrd. €. Größte Bundesbeteiligungen sind Deutsche Bahn, Deutsche Telekom, Deutsche Post, Lufthansa (in Corona-Krise noch erhöht). Kleinere Beteiligungen sind die großen Flughäfen, Hypo Real Estate, Commerzbank, Strom-Übertragungsbetreiber 50 Hertz. Ganz kleine Beteiligungen sind Bayreuther Festspiele, Deutsches Primatenzentrum, Berliner Rundfunkorchester. Das BMWi erwägt 2021 Anteilsverkäufe, um die hohen Kosten der Corona-Krise zu finanzieren.

Finanzvermögen der öffentlichen Hand: 2018 ist das Finanzvermögen von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen sowie Extrahaushalten um 3,1% gestiegen. Es beträgt 963,8 Mrd. €. Die Länder verfügen über 247,5 Mrd. € (+7,5%). Quelle: Statistisches Bundesamt, 2019.

Öffentliche Güter: Privatleute zahlen nicht für Straßen und Beleuchtung. Das wusste man schon in Athen um 500 v. Chr.. Der Schotte David Hume (1711-1776) war ein wichtiger Vordenker. "Wo aller Reichtum sich auf wenige verteilt, müssen jene zur Versorgung des öffentlichen Bedarfs sehr stark beitragen", David Hume (Ein Traktat über die menschliche Natur, 1739). Die moderne Theorie öffentlicher Güter wird von Samuelson und Musgrave weiter entwickelt (Vgl. Umweltökonomik). Ein wichtiges Kriterium ist das Nicht-Ausschlussprinzip.

Erosion der öffentlichen Güter: Die Bürger und die Gesellschaft werden dadurch ärmer. Straßen, Mobilfunknetze, Gesundheit, Wissenschaft, Stellen für Lehrer und Polizei werden gespart. Bürokratie wird aufgebläht, Steuergeschenke für Klientel gemacht.

Kommunalfinanzen: Die Not der öffentlichen Haushalte wird nirgends so spürbar. Die Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen (Städte, Gemeinden) gehen drastisch zurück. Sie sind stark von konjunkturellen Schwankungen abhängig. Auch die übrigen Steuereinnahmen aus eigenen Steuern (Hundesteuer) und Anteilssteuern sinken (Finanzkrise, Steuersenkungen). Die Sozialausgaben steigen. Die Kommunen können viele Dienstleistungen nicht mehr aufrecht erhalten (Kindergärten, Schwimmbäder, Theater u. a.). Die Kommunen in Deutschland sind Hauptträger öffentlicher Investitionen und somit besonders wichtig für das regionale Handwerk. Seit 2005 wird von der kameralistischen auf die doppelte Buchführung umgestellt (Doppik, seit 2008 Pflicht). Diese besteht aus den drei Säulen Vermögens-, Finanz- und Ergebnishaushalt. Die Finanzprobleme im Sog der Wirtschafts- und Finanzkrise bedrohen die kommunale Selbstverwaltung. RLP will mit einem Entschuldungsfonds helfen, in den Kassenkredite gestellt werden können, die von drei Stellen mit gleichem Anteil getilgt werden (Land, Kommune, kommunaler Finanzausgleich). Bis 2026 sollen zwei Drittel der Kassenkredite abbezahlt sein. Der Aufschwung 2009 bis 2011 rettet viele Kommunen vor dem Desaster. Kommunale Stellschrauben sind die Hebesätze bei der Gewerbe- und Grundsteuer. Viele Kommunen haben heute Probleme mit spekulativen Finanzprodukten. Diese wurden ihnen jahrelang von Banken verkauft. In der Finanzkrise haben die meisten ihre "Wetten verloren". Die deutschen Kommunen haben einen großen Investitionsrückstand. Dieser wird 2010 auf 74,7 Mrd. Euro geschätzt. Am heftigsten sind die Lücken bei der Kinderbetreuung/ Schulen und im Straßenbau/ Verkehrsinfrastruktur. Rheinland-Pfalz legt als erstes Bundesland 2011 einen Entschuldungsfonds für Kommunen auf. Betroffene Kommunen, Land und die Solidargemeinschaft der Kommunen sind beteiligt. Die Kommunen sind auch in diese Lage gekommen, weil die kommunalen Ausgaben für Soziales drastisch gestiegen sind (Grundsicherung im Alter, demographischer 'Wandel). Darüber entscheidet aber der Bund. Der rheinland-pfälzische Finanzgerichtshof stellt 2012 fest, dass die Kommunen unterfinanziert sind, was bis 2014 geändert werden muss. Immer mehr private Unternehmen springen ein, wenn Kommunen ihre Ausgaben nicht mehr finanzieren können. Private Beteiligungen an öffentlicher Infrastruktur sind in Deutschland mittlerweile sehr verbreitet. Doch sie können auch teuer werden. Da zunehmend Banken den Kommunen Kredite verweigern, helfen sich diese mit Anleihen an Privatanleger. Mainz und Ludwigshafen in RLP gehen diesen Weg. In Ludwigshafen übertzrifft der Anleihenverkauf alle Erwartungen (150 Mio. € statt 100 Mio. €; Käufer sind Versicherungen und institutionelle Anleger). In den Koalitionsverhandlungen im November 2013 einigt man sich darauf, die Kommunen zu entlasten (Soliaufkommen, Behindertenhilfe). Die Kommunen selbst regen immer mehr Klagen gegen ihr Bundesland an, um zu klären, wie viel Geld das Land zahlen muss (z. B. Kita-Ausbau). Die Sozialausgaben laufen bundesweit aus dem Ruder (Kosten steigen um jährlich 1,8 Mrd. €, Quelle: kommunalen Spitzenverbände; obwohl ein Steuerplus besteht). Bundesweit wollen Kommunen wieder Energie (Strom, Gas) selbst verkaufen, weil es wichtig für die Einnahmen ist. Die Energiekonzerne geben das Geschäft nicht kampflos ab. Viele Kommunen hatten sich in Schweizer Franken bei Schweizer Banken verschuldet, weil die Kredite billig waren. Die Aufgabe der Wechselkursbegrenzung durch die SNB haben zu einer starken Aufwertung des Franken geführt und die Schulden 2015 drastisch erhöht. Betroffen sind öffentlichen Haushalte in Österreich, Polen, Frankreich, Deutschland und Ungarn. Von den großen Städten in Deutschland trifft es am stärksten Essen. Insgesamt hat sich die Kommunalfinanzierung durch die Finanzkrise verändert. Es kam zu einem Rückgang der Kreditangebote. Alternative Finanzierungsformen sind im Kommen. Die Struktur der Kreditgeber hat sich verändert. Landesbanken dominieren vor Förderbanken und Sparkassen (unterschiedlich bei lang- und kurzfristigen Krediten. Vgl. Brand, Stefan, Paradigmenwechsel in der Kommunalfinanzierung - der lange Schatten der Finanzkrise, in: Wirtschaftsdienst 2015/1, S. 51ff. 2016 schließen sich 68 finanzschwache Städte und Gemeinden in acht Bundesländern zusammen zu einem Bündnis (Aktionsbündnis "Für die Würde unserer Städte"). Sie wollen eine strukturelle Entlastung bei den Kosten für Sozialleistungen erhalten. Auf Landesebene soll der kommunale Finanzausgleich neu geregelt werden. Der Bund legt 2016 einen Fonds mit einem Volumen von 3,5 Mrd. € auf, mit dem die kommunalen Investitionen gefördert werden sollen (vor allem Infrastrukturinvestitionen wie Breitband und Kita). Die KfW sieht 2017 einen Investitionsrückstand bei den Kommunen in Höhe von 126 Mrd. €. Im Jahre 2017 würden 31,7 Mrd. € mehr ausgegeben als 2016. Zwischen 2012 und 2017 sind die Grund- und Gewerbesteuer der Kommunen fast überall gestiegen. In der Corona-Krise 2020 brechen die Gewerbesteuereinnahmen ein. Dies ist die wichtigste Einnahmequelle der Gemeinden. Es kommt 2020 Geld vom Bund (6,1 Mrd. €) und von den Ländern (4,8). Anfang 2024 erklärt der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, dass die kommunen den Zeitplan für die Wärmeplanung nicht einhalten können. Er beklagt auch ein Finanzloch. 2009 haben die kommunalen Kassen bundesweit ein Defizit von 7,1 Mrd. €. Vor allem die Gewerbesteuer brach um 21% ein, 2010 wird erneut ein Minus von 5% erwartet. Insgesamt beträgt das Defizit bei den Kommunen10 Mrd. € 2010 (Prognose 2011: 9,6 Mrd. €). Die meisten Kommunen planen höhere Gebühren und Steuern sowie Leistungsreduzierung und Investitionskürzungen für die Zukunft. Die geplante Gemeindefinanzreform ist sehr umstritten (Gewerbesteuer). Im Zuge der Hartz-IV-Beschlüsse 2011 werden die Kommunen bis 2015 um 15 Mrd. € entlastet (Übernahme der Grundsicherung im Alter durch den Bund bzw. BA). Dank des Wirtschaftsaufschwungs 2010/ 2011 sinkt das Defizit um rund 3,5 Mrd. € auf 4,8 Mrd. (StBA). Die rheinland-pfälzischen Kommunen standen Ende 2011 mit ca. 11,2 Mrd. € in der Kreide. Der Deutsche Städtetag rechnet in seinem Finanzbericht 2012 bis zum Jahresende mit einem Überschuss der Kommunen von 2,3 Mrd. €. Im ersten Halbjahr 2012 summierten sich allerdings die kurzfristigen Kassenkredite auf 48 Mrd. €. Ende 2012 hatten Deutschlands Kommunen 134 Mrd. € Schulden (1836 € pro Einwohner). Nach einer Umfrage von Ernst&Young 2012 bei 300 Kommunen wollen 81% der Kommunen Steuern und Gebühren erhöhen. 41% wollen freiwillige Leistungen reduzieren. Die Kommunen in RLP brauchen jährlich 900 Mio. plus bis 2020 (Verfassungsgerichtshof fordert ab 2014 mehr Geld für die Kommunen vom Land). Besonders hoch ist die Verschuldung durch Kassenkredite. Deutschlandweit ist sie nur im Saarland höher (in der Spitzengruppe der verschuldeten Kommunen liegen Kaiserslautern und Pirmasens). NRW arbeitet mit einer "Solidaritätsumlage" Finanz- und steuerstarke Kommunen sollen für die Sanierung überschuldeter Städte und Gemeinden zahlen. Nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung (IMK) 2012 investieren die Kommunen 4,5 Mrd. € zu wenig (Wertverlust kommunalen Eigentums mittlerweile bei 42 Mrd. €). Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung 2014 liegen die vier am höchsten verschuldeten Kommunen in Rheinland-Pfalz: Kaiserslautern (12.000€ pro Kopf) vor Mainz, Pirmasens und Ludwigshafen. Insgesamt beträgt die Verschuldung der Kommunen 2013 in Rheinland-Pfalz 11,9 Mrd. € (Statistisches Landesamt RLP). Die Bundesregierung gibt 2014 25 Mio. Soforthilfe an Städte mir besonders vielen Zuwanderern aus ärmeren EU-Staaten. Nach einer Studie von Ernst & Young 2014 wollen drei Viertel aller Städte und Gemeinden in Deutschland in den kommenden zwei Jahren Steuern und Gebühren erhöhen. Von der guten Konjunkturentwicklung profitieren die Kommunen nicht, die finanzschwachen geraten sogar immer weiter in die Schuldenfalle. Vermehrt arbeiten die Kommunen mit Schuldscheindarlehen, die bei Bausparkassen und Versicherungen platziert werden. Bis 2017 entlastet der Bund die Kommunen mit einer Milliarde Euro jährlich, indem er mehr Wohn- und Heizkosten für Hartz-IV-Empfänger übernimmt und den Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer erhöht. 2014 sind die Sozialausgaben der Kommunen weiter gestiegen, obwohl die Arbeitslosigkeit gefallen ist (2015 werden sie die Schallgrenze von 50 Mrd. € übersteigen). Die Bundesregierung richtet 2015 einen Investitionsfonds ein, der von 2016 bis 2018 finanzschwachen Städten und Gemeinden unter die Arme greifen soll (10 Mrd. €). Auch 2014 waren die Kommunen in den roten Zahlen (Defizit von 0,7 Mrd. Euro). In einem Nachtragshaushalt des Bundes im Mai 2015 bekommen die Kommunen mehr Geld für Investitionen und steigende Asylbewerber. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung 2015 sind die Sozialausgaben in den letzten zehn Jahren um 50 Prozent gestiegen. Dies ging vor allem zu Lasten der Kommunen. Bei den kreisfreien Städten mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung führt 2014 Pirmasens (8842 € pro Einwohner) vor Oberhausen und Kaiserslautern (eingerechnet: Investitionskredite, Wertpapierschulden, Liquiditätskredite). In Großbritannien privatisieren Kommunen Spielplätze. Sie werden dann gegen teure Eintrittsgelder von Reichen genutzt. Die Schulden der Kommunen sinken 2016 aufgrund der guten Wirtschaftssituation am stärksten (1,6% auf 141,9 Mrd. €; auch weil Länder verstärkt kommunale Sozialleistungen mit tragen). Die Gemeinden mit der schwierígsten Finanzlage liegen in RLP (und auch NRW; Quelle: Bertelsmann Stiftung). Die pro Kopf Verschuldung der Kommunen liegt im Durchschnitt in RLP 2017 bei 3142 € (doppelt so hoch wie in anderen Flächenländern; am höchsten in Pirmasens und Kaiserslautern). Besorgniserregend ist die Höhe der Kassenkredite (eigentlich nur für kurzfristige Engpässe). Der Rechnungshof schlägt eine Steuererhöhung vor. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet Ende 2020, dass das Land RLP den Kommunen mehr Geld überweisen muss (kommunaler Finanzausgleich). Der Städte- und Gemeindebund mahnt im Januar 2021 ein zweites Hilfspaket an: Er verweist auf die finanzielle Not. Es gebe große Ausfälle bei der Gewerbe- und Einkommensteuer. die steigenden Zinsen ab 2022 stellen die Kommunalfinanzen vor Probleme. Vgl. Brand, Stephan/ Salzgeber, Johannes: Kommunalfinanzen in Zeiten steigender Zinsen, in: Wirtschaftsdienst 1/ 2023. 2022 machen die Kommunen in Deutschland einen Überschuss von 2,6 Mrd. € (erging allerdings zurück: 2021 4,6 Mrd. €). Die ausgaben sind aber insgesamt um 7,4% gestiegen (Energiekrise, Flüchtlinge, Personal). Beim Ländervergleich erzielten die Kommunen in RLP den zweithöchsten Überschuss nach B.- W. Quelle: Destatis 2023.  "Kommunalpolitik ist dadurch so schwer, das man immer an der gleichen Stelle ist. Das heißt, die Leute treffen einen wieder, nachdem man was versprochen hat." Angela Merkel 2013.

Sozialleistungen und Kommunen: Durch das Teilhabegesetz werden die Kommunen sehr stark belastet. Sie müssen Sozialhilfeleistungen für Kinder und Jugendliche zahlen, die in Kindertagestätten sind sowie Kinder aus Familien, die nur Wohngeld beziehen. Das Bundesverfassungsgericht verfügt im August 2020 eine Neuregelung. Es gibt der Verfassungsbeschwerde von 10 Kommunen Recht.

Städte: Die Städte in Deutschland waren immer schon Vorreiter für gesellschaftliche und kulturelle Trends. Fehlender Wohnraum, Umwelt- und Verkehrsprobleme stellen sie vor große Herausforderungen. Die Interessen der Städte werden von Deutschen Städtetag vertreten. Mitglied sind 3400 Städte, in denen 52 Mio. Menschen leben. Im Herbst 2020 fordert der Deutsche Städtetag einen "Bodenfonds". Damit sollen Kommunen leichter Immobilien erwerben (Schlüsselimmobilien). Die Innenstädte werden immer mehr zum Sorgenkind. Die Corona-Krise hat einen Boom des Online-Handels ausgelöst.

Städteranking in Deutschland: Es gibt verschiedene. Sehr bekannt ist das Ranking der Wirtschaftswoche (Niveauranking, Dynamikranking, Nachhaltigkeitsranking). Im Niveauranking führt 2020 München vor Ingolstadt und Heidelberg.

Corona-Krise 2020 und kommunale Haushalte (Städte): Der Deutsche Städtetag erwartet finanzielle Einbußen für die Kommunen 2020. Mindestens 15 bis 20 Prozent der Gewerbesteuer würden im Bundesdurchschnitt weg brechen. Die Prognose des Steuerausfalls beläuft sich auf 20 Mrd. €. Insgesamt könnten den Kommunen -60 Mrd. € machen. Die Ausgaben gehen in die Höhe (Arbeitslose, Gesundheitseinrichtungen, Sozialkosten). Die Einnahmen sinken. Das sind Anteile an der Einkommen- und Umsatzsteuer. Es sind die kommunalen Steuern Grundsteuer und Gewerbesteuer (-30 - 50%). Gebühren und Beiträge brechen weg. Die Zuweisungen (meist von den Ländern) bleiben konstant. Durch die Corona-Krise geraten die kommunalen Haushalte 2020 in Schwierigkeiten. Die Gewerbesteuereinnahmen brechen durch den Shutdown ein. Gleichzeitig gibt es geringere Einkommensteuernahmen. Auch die Gebühren und Beiträge gehen stark zurück. Auch die Kommunen fordern einen Rettungsschirm. Die Kommunen sollen vorübergehend auch bei schlechter Finanzlage ihr Autonomie erhalten. So können sie nicht zu Steuererhöhungen gezwungen werden. Die Kommunalaufsicht soll Corona - bedingte Defizite dulden. Das Bundesfinanzministerium plant 2020 ein Rettungspaket mit 57 Mrd. € für die Kommune. Damit sollen sie die Corona-Folgen (insbesondere Gewerbesteuerausfälle) stemmen können. Das Geld soll vom Bund und von den Ländern kommen. Es soll aus zwei Bausteinen bestehen: 1. Akute Nothilfe. 2. Entlastung bei den Altschulden. Das Grundgesetz müsste dafür geändert werden.  Corona kostete die Städte 2020 17 Milliarden Euro. Auch in den kommenden Jahren sind extrem hohe Defizite zu erwarten. Quelle: Bertelsmann-Stiftung 2021.

Privatstädte: Damit gemeint sind freie Privatstädte ohne Staat und Politik. Es könnten elitäre Ghettos werden. Die Idee der Charter Cities ist vom Ökonomen Paul Romer. Andere reden von Free Private Cities oder Seasteadling. Vgl WiWo 51, 8.12.2017, S. 60ff.

Tech-Hub-Index: Solche Technologie-Cluster spielen eine entscheidende Rolle für digitale Innovationen und ziehen Fachkräfte, Unternehmen und Investitionen an. Der Index wird von Deloitte Deutschland aufgestellt. Zu den vier wichtigsten Technologiestandorten zählen mit Darmstadt, Erlangen, Karlsruhe und Aachen auch vier kleinere Städte. Es führen aber München und Berlin.

Förderung des Umbaus des kommunalen Verkehrs: Beim "Diesel-Gipfel" im August 2017 sind auch Förderprogramme für Städte beschlossen worden, die über den Schadstoffgrenzwerten bei Stickoxiden liegen. Es melden sich immer mehr Städte. Ursprünglich sollte die Umrüstung des Verkehrs in den betroffenen Städten mit 500 Mio. € gefördert werden. Später werden noch mal 500 Mio. € drauf gelegt.

Kommunalfinanzen und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse: Nachdem in den letzten Jahrzehnten der "Aufbau Ost" einzentraler Schwerpunkt war, öffnet sich nun eine gesamtdeutsche Diskussion, die auch die Abkoppelung finanzschwacher Städte in Westdeutschland einschließt. Damit gewinnt die fiskalische Seite der Gleichwertigkeit an Bedeutung. Angesichts der ausgeprägten räumlichen Konzentration der kommunalen Verschuldung ist dies eine Schlüsselfrage zur Sicherstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse geworden. Vgl. Junkernheinrich, Martin: Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und die Kommunalfinanzen, in: Wirtschaftsdienst 2019/ Sonderheft, S. 36ff.

Steuerpraxis der Kommunen und EuGH: Die gängige Praxis der Kommunen in Deutschland, Verluste dauerhaft defizitärer Töchter mit den Gewinnen aus profitablen Töchtern zu verrechnen (bei Unternehmen gibt es eine vergleichbare Konstruktion) un dadurch Steuern zu sparen, steht 2019 auf der Kippe: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gebeten zu klären, ob bei dem so genannten steuerlichen Querverbund wesentliche Vorschriften des EU-Beihilferechts verletzt werden.

Entschuldungsplan für Kommunen vom Bundesfinanzminister im Dezember 2019: Scholz will etwa 2500 hoch verschuldete Städte und Gemeinden auf einen Schlag entlasten. Profitieren könnten vor allem Kommunen aus Rheinland-Pfalz. Gemeinsam mit den betroffenen Ländern will der Bundesfinanzminister einmalig diesen Kommunen die Schulden abnehmen. Die Altschulden bei den so genannten Kassenkrediten wird auf etwa 40 Mrd. € beziffert. 50% davon will der Bund übernehmen. Das Ganze dürfte ohne eine Verfassungsreform nicht gehen. Scholz plant eine Grundgesetz - Änderung. Die Entschuldung steht dann auch im Koalitionspapier der Ampel im Dezember 21. Die Landesregierung RLP gibt im Dezember 21 bekannt, dass sie die verschuldeten Kommunen um 50% bei den Schulden /Kassenkrediten) entlasten will (insgesamt ca. 3 Mrd. €). Dazu muss die Verfassung geändert werden. Sonst gehen die Schulden der Kommunen noch mal in die Schuldenbremse ein. Experten streiten über die Verfassungsmäßigkeit. Der Landtag in RLP stimmt Ende März 2022 einer Verfassungsänderung zu. Das Land kann somit Kommunen von einem Teil der Kassenkredite entlasten.

Altschulden-Fonds: Sie gibt es in einigen Bundesländern. Zum Beispiel im Saarland und Hessen. Die Bundesländer nehmen Altschulden der Kommunen und bündeln sie in einem Fonds. Über einen längeren Zeitraum (z. B. 30 Jahre) werden die Schulden dann gemeinsam abgetragen. RLP hat einige der am höchsten verschuldeten Kommunen in Deutschland. Man hat sich noch nicht zu dieser Strategie durchgerungen. Die am höchsten verschuldeten Kommunen (15) schreiben einen Brandbrief an die Landsregierung in Mainz. Pirmasens und Kaiserslautern klagen sogar vor dem Verfassungsgerichtshof in Koblenz (das Verwaltungsgericht in Neustadt hatte vorher Sympathien erkennen lassen).  Die Richter stellen in Frage, ob aus Mainz wirklich genug Geld in die Kommunen fließt.

Kommunen und finanzielle Abhängigkeit von einzelnen Firmenchampions: Das Problem hat es immer in Deutschland gegeben. Früher profitierten Kommunen von den Gewerbesteuereinnahmen großer ansässiger Firmen. Ein gutes Beispiel sind Ludwigshafen und die BASF. Als die Gewerbesteuereinnahmen wegbrachen, kam die Finanznot. Heute zeigen sich solche Effekte weniger über die Gewerbesteuer als über Spenden und Finanzierung öffentlicher Einrichtungen durch die Unternehmen. Beste Beispiele sind Tönnies und Gütersloh sowie ZF und Friedrichshafen. In Friedrichshafen ist die ZF sogar ein Stiftungsunternehmen und die Stiftung gehört der Stadt.

Finanzausgleich: Am bekanntesten ist der Finanzausgleich zwischen den Bundesländern (geregelt in Grundgesetz-Artikel 107). Bayern, Hessen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hamburg waren Geberländer. Ab 2013 zahlen nur noch Baden-Württemberg, Bayern und Hessen (zahlen 2013 insgesamt 8,4 Mrd. €). Der Rest sind Nehmerländer. Am meisten muss Bayern zahlen, am meisten bekommt Berlin.121 Mrd. € verschoben die Länder zwischen 1995 und 2011 untereinander. 7,3 Mrd. € erhalten die ostdeutschen Bundesländer 2012 allein aus dem Solidarpakt. die derzeitige Regelung wurde 2005 beschlossen und gilt bis 2019. 2011 leiten die südlichen Geberländer eine Normenkontrollklage ein. Eine Verfassungsklage soll 2013 folgen (wird von Hessen und Bayern beantragt). Die Geberländer sehen wirtschaftlichen Erfolg bestraft und Misswirtschaft belohnt (z. B. freie Kindergartenplätze). Umstritten ist auch der Bevölkerungsschlüssel (Stadtstaaten haben Vorteile; Einwohnerveredelung). Ein neuer Ausgleich müsste Geber und Empfänger anreizen, selbst mehr Einnahmen zu erzielen. Dazu müsste es aber Steuerwettbewerb geben, der nicht gewollt ist. Der Bund ist auch beteiligt mit Ergänzungszuweisungen (Transfers an finanzschwache Länder). Neben diesem horizontalen Finanzausgleich gibt es vertikale Finanzausgleiche zwischen Bund und Ländern sowie zwischen Ländern und Kommunen. In Anbetracht der Finanzlage vieler Kommunen wird der Ausgleich zwischen Land und Kommunen immer wichtiger. Mittlerweile gibt es in der EU einen ähnlichen Mechanismus ("Transferunion"). In einem "Meinungsbild" der Länderfinanzminister im November 2013 fordern die Bundesländer ab 2020 20 Mrd. € mehr vom Bund. Neben dem Länderfinanzausgleich gibt es noch zwei andere Mittel der föderalen Umverteilung: 1. Der soziale Nachteilsausgleich, 2. Die Wirtschaftskraft stärkende Zahlungsströme. 2014 empfiehlt der Sachverständigenrat eine pragmatische Neuordnung des Länderfinanzausgleichs: Der Wettbewerbsgedanke soll gestärkt werden (bisher haben finanzschwache Länder wenig Anreiz, selbst neue Einnahmen zu erzielen). Es gibt auch einen vertikalen Finanzausgleich vom Bund zu den Ländern. Die Zuweisungen sollen Änderungen in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen ausgleichen. 2015 fließen hieraus ca. 8,5 Mrd. € (darunter 3,5 Mrd. Mittel für Verkehrsprojekte). Anfang Dezember 2015 einigen sich die Bundesländer über eine Neuordnung der Finanzbeziehungen:  Ab 2020 soll der Bund jährlich rund 10 Mrd. € geben. Der Länderfinanzausgleich soll durch ein Umsatzsteuermodell ersetzt werden. Bremen und Saarland bekommen Zuschüsse. Im Juni 2016 stehen Bund und Länder kurz vor einer Einigung beim Finanzausgleich. Das könnte den jahrelangen Streit beenden. Bund und Länder einigen sich im Oktober 2016 auf eine Neuregelung beim Länderfinanzausgleich. Alle Bundesländer werden ab 2020 besser gestellt. Die Geberländer (Bayern, Baden-Württemberg, Hessen) müssen weniger geben. Die Nehmerländer bekommen mehr. Der Beitrag des Bundes steigt (+9,5 Mrd. €, bekommt dafür mehr Kompetenzen). Für die Finanzreform wird das Grundgesetz geändert. Die Reform kann im Mai 2017 verabschiedet werden, nachdem der letzte Stolperstein (Privatisierung der Autobahnen unmöglich) beseitigt wurde. "Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert, die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht bankrott gehen soll. Die Leute sollen wieder lernen zu arbeiten, statt auf öffentliche Rechnung zu leben", Marcus Tullius Cicero, römischer Politiker und Autor. Der Bund übernimmt zum WS 2016/2017 das Bafög und entlastet damit die Kommunen. Das Geld soll in Wissenschaft, Schulen und Hochschulen sowie in den Kita-Ausbau fließen. Der Umfang des Finanzausgleichs zwischen den Ländern erreicht 2014 mit 9 Mrd. Euro einen Rekordwert (Zahlungen der vier Geberländer). Größter Zahler ist weiterhin Bayern (fast der gesamte Zuwachs von 600 Mio. €), größter Empfänger bleibt Berlin (3,4 Mrd. €). 2017 erreicht der Finanzausgleich einen Rekordwert: 11,25 Mrd. € wurden von finanzstarken an finanzschwache Länder überwiesen (+6% gegenüber 2016). 2022 wird Rheinland-Pfalz zum Geber beim Finanzausgleich. Grund sind die enormen Steuerzahlungen der Firma Biontech (Corona-Impfstoff). 2023 ist RLP erneut Geberland. Fünf Länder sind Geberländer, elf Bundesländer profitieren.  Mit fast 9,9 Mrd. € trug 2022 Bayern die größte Last, vor B. -W. (4,5), Hessen (3,5), Hamburg (814 Mio.) und RLP (107). Bayern beschließt 2023 eine Klage gegen den Länder-Finanzausgleich beim Bundesverfassungsgericht. Bayern zahlt fast 10 Mrd. €.

Klagen gegen den Finanzausgleich: "Die erneute Klage gegen den bundesstaatlichen Finanzausgleich seitens der bayerischen Staatsregierung zeigt die bayerische Entschlossenheit, das bisherige System zu verändern. Dabei wird unter anderem auf die Normierung der Grunderwerbsteuer und die Einwohnerveredelung, die im Rahmen des Finanzkraftausgleichs in die Berechnung von Finanzkraft- und Ausgleichsmesszahl eingehen, abgestellt. Der vorliegende Beitrag zeigt auf, welche Bedeutung dem bundesstaatlichen Finanzausgleich per se zukommt und welchen Belastungen Bayern in der horizontalen Komponente, dem Finanzkraftausgleich, ausgesetzt ist. Dabei wird deutlich, dass von einer überbordenden Belastung nicht gesprochen werden kann." Siehe Lenk, Thomas/ Bender, Christian/ Botta, Fabio: Der bundesstaatliche Finanzausgleich als Mittel zur politischen Positionierung, in: Wirtschaftsdienst 11/ 2023, S. 761-769.

Ausgabenautonomie und Finanzautonomie: Das Grundgesetz in Deutschland gibt den Bundesländern Ausgabenautonomie ohne Finanzautonomie. Daher fehlt der Anreiz, Ausgaben gegen Einnahmen abzuwägen. Sie schöpfen den Ausgabenplafonds eher vollständig aus. Auch im neuen Finanzausgleich, der ab 2020 gilt, haben die Politiker es nicht gewagt, die Ausgabenautonomie (von Höpker-Aschoff geschaffen) durch eine Steuerautonomie zu ergänzen. Vgl. C. B. Blankart: Öffentliche Finanzen in der Demokratie, München 2017 (9. Auflage).

Kommunaler Finanzausgleich (kommunale Verschuldung): Viele Kommunen arbeiten mit einem strukturellen Defizit, weil die vom Bund und Land übertragenen Aufgaben ihre Einnahmen weit übersteigen (Verletzung des Konnexitätsprinzips). Aus eigener Kraft kann dies nicht aufgefangen werden. Die Schließung der Lücke ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Kommunen, Ländern und Bund. In den meisten Kommunen bleibt am Ende ein Restbetrag, über deren Deckung Pläne ausgearbeitet werden. In RLP gibt es dafür eine Enquete-Kommission, die ein Eckpunkte-Papier erarbeitet. 2014 wollen die Kommunen in RLP gegen das Land klagen. Der kommunale Finanzausgleich wird für ungerecht gehalten; Sozial- und Jugendhilfelasten). Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts führt zu Neuregelungen des Finanzausgleichs mit einem tief greifenden Systemwechsel (Mindestfinanzausstattung, vertikaler und horizontaler Finanzausgleich). Es kommt auch eine fortlaufende Überprüfung von 2023 bis 2025. Die Finanzausgleichsumlage wird umgestaltet.   69 Kommunen in RLP schließen sich 2017 zusammen (Name: "Für die Würde unserer Städte"). Sie wollen ihre Interessen auf allen Ebenen wirksamer vertreten. Erstes Papier ist die "Pirmasenser Erklärung" (zentrale Forderungen: Hilfe beim Abbau der Altlasten mit Hilfe einer Art "Bad Bank"; Sozialleistungen sollen nicht nur die Kommunen tragen). Im Dezember beschließt das Land RLP, 60 Millionen € an die Kommunen zu verteilen, die besondern durch Sozialhilfeleistungen belastet sind. Es ändert sich aber nur die Verteilung, es steht nicht mehr Geld zur Verfügung. 2019 wird im Bundesfinanzministerium erwogen, Kommunen bei den Schulden zu entlasten (die Hälfte der Verbindlichkeiten durch Kassenkrediten). 2021 nehmen die pfälzischen Kommunen bei der Pro-Kopf-Verschuldung in Höhe von 3035 € im Jahr 2020 den traurigen bundesweiten Spitzenplatz ein (Landesrechnungshof Speyer, Verschuldung jetzt höher als im Saarland). Angesichts der Corona-Krise wollen viele Kommunen in Deutschland sparen oder zusätzliche Einnahmequellen sichern (Grundsteuer, Gewerbesteuer erhöhen, Umfrage von E&Y 2021). In Freisbach, Südpfalz, wirft die Gemeindeführung hin. Ortbürgermeister und Gemeinderat geben auf. Sie protestieren gegen geltende Änderungen des Finanzausgleichsgesetzes und die Kommunalaufsicht. Es rumort insgesamt bei den Kommunen in RLP. Andere erwägen Klagen oder geben Gutachten in Auftrag.

Konsolidierungsprogramme der Länder für finanzschwache Kommunen: Viele Bundesländer haben nach der Finanzkrise 2008 Konsolidierungsprogramme für finanzschwache Kommunen aufgelegt. Die Finanzkennzahlen haben sich auch deutlich verbessert. Es ergaben sich aber auch adverse Effekte: unterdurchschnittliche Entwicklung des Steueraufkommens, steigende Sozialausgaben, geringe Investitionstätigkeit. Weitere Maßnahmen wären erforderlich. Vgl. Boettcher, F./ Freier, R./ Geißler, R./ Niemann, F.- S.: Konsolidierungsprogramme der Länder für finanzschwache Kommunen, in: Wirtschaftsdienst 2018/8, S. 592ff. Im Koalitionsprogramm der Ampel ist eine Entlastung für hoch verschuldete Kommunen in ganz Deutschland vorgesehen. Es geht um ca. 30 Mrd. €. Betroffen wären insbesondere RLP, NRW und das Saarland. Reiche Länder wehren sich gegen eine Gesetzesänderung, für die eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig wäre.

Kommunaler Altschuldenfonds: Dies ist ein Vorschlag, um kommunale Kassenkredite loszuwerden. Ziel ist es, die effektive Schuldenlast zu verringern. Hohe Kassenkreditbestände sind Anzeichen für die Probleme des Gemeindefinanzsystems. Vgl. Brand, S./ Steinbrecher, J.: Kommunaler Altschuldenfonds: Verringerung der effektiven Schuldenlast anstreben! in: Wirtschaftsdienst 2018/9, S. 664ff.

Arme Städte: Mehr als 70 arme Städte in Deutschland tun sich 2019 zusammen. Sie fordern von Bund und Ländern finanzielle Hilfe beim Abbau von Altschulden. Strukturwandel und soziale Herausforderungen machen sich bemerkbar. Sie befinden sich in einer Spirale von fehlenden Investitionsmöglichkeiten und Verschuldung. Politische und soziale Spannungen werden dadurch verstärkt. Zu den Städten gehört auch Pirmasens aus der Westpfalz.

Krise der Innenstädte: Deutschlands Innenstädte müssen sich verändern. Darin sind sich Einzelhandel, Verbraucherschützer und Verbände einig. Doch wie soll die Zukunft der Innenstädte aussehen? Sie kämpfen mit drei Problemen: 1. Strukturwandel im Einzelhandel. 2. Digitalisierung. 3. Corona-Pandemie.

Stadt-Land-Unterschiede: Ist die Provinz in Deutschland abgehängt? Wie unterschiedlich sind die Lebensverhältnisse? Langsames Internet, schlechte Busverbindung, wenige Jobs. Es gibt auch große politische Unterschiede. Vgl. Haffert, Lukas: Stadt. Land. Frust, München (Beck) 2022.

Kommunale Anleihemissionen: Die Banken meiden den Kommunalkredit zusehends. Deshalb zapfen die Kommunen den Bondmarkt an. Niemand weiß aber, was im Falle einer Insolvenz passieren würde.2014 gehen sechs NRW-Städte einen Haftungsverbund ein (Dortmund, Essen, Wuppertal, Remscheid, Herne, Solingen). Aktuelle kommunale Anleiheemissionen haben auch Hannover, Nürnberg und Mainz.

Lokale Ebene/ lokale Gemeinschaft, Bedeutung: Der Ökonom Raghuram Rajan hat zur Bedeutung der lokalen Gemeinschaft 2020 ein Buch veröffentlicht. Es trägt den Titel "die dritte Säule". Er war 2003 bis 2006 Chefvolkswirt des IWF. Von 2015 bis 2016 war er Vize-Chef der BIZ in Basel. 2020 ist er Professor für Finanzen an der Uni Chicago. Er warnt vor Zentralregierungen und überstaatlichen Organisationen. Die lokale Ebene droht als Stütze der Gesellschaft weg zu brechen. Das sei ein Einfallstor für rechten und linken Populismus. Der Dienstleistungssektor in Großstädten profitiert vom Technologiewandel. So entsteht ein großes Stadt-Landgefälle. Diesen Tatbestand stellt schon Karl Marx beim Übergang von der Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft fest. Man kann den Verlierern des Wandels nicht einfach Transferleistungen anbieten. Durch den Kompetenzverlust der kommunalen Ebene fühlen sich die Menschen machtlos. Man müsste wieder zurück zur Subsidiarität kommen. auch die Entwicklung in der EU geht in eine andere Richtung: Mindestlohn, Steuerharmonisierung. Vgl. auch: Malte Fischer: Stärkt die lokale Gemeinschaft, in: WiWo 6/ 31.1.2020, S. 38f.

Stadtwerke: Sie sind kommunale Versorger. Normalerweise unterstützen sie die städtischen Haushalte. 2023 könnten trotz der Gas- und Strompreisbremse deutlich mehr Kunden in Zahlungsverzug geraten. Dies droht diei Lage der Stadtwerke zu verschärfen. quelle: Verband kommunaler Unternehmen (VKU), 2023. Kommunen müssen ihre Stadtwerke mit Krediten unterstützen, um finanzielle Engpässe zu überbrücken (Leipzig. Bonn). 

Subsidiaritätsprinzip: Eine übergeordnete Gemeinschaft (z. B. der Staat) soll einer nach geordneten Einheit (z. B. Bürger, Familie) behilflich sein; aber nur ersatzweise als Reserve, wenn deren Kräfte zur Existenzerhaltung und Erfüllung von Aufgaben nicht ausreichen. Die Eigeninitiative hat Vorrang vor staatlichem Eingreifen (Praxisbeispiele: EU und Einzelstaaten, Gesundheitssystem in den USA, Umweltbewusstsein und Umweltpolitik). Ideengeschichtlich geht das Prinzip auf die liberalen Staatstheorien des 19. Jahrhunderts und auf die katholische Soziallehre zurück. Subsidiär, das aus dem Lateinischen kommt, heißt unterstützend. Das Prinzip wurde ein Grundbestandteil der Sozialen Marktwirtschaft nach dem 2. Weltkrieg. Man könnte auch von Nachrangigkeitsprinzip sprechen. Es gibt vier Stufen: Betroffene selbst verantwortlich, Familienmitglieder, gesetzliche oder private Versicherung. Dann erst kommt der Staat.  "Du bist für deinen eigenen Erfolg verantwortlich. Das ist, denke ich, auch ein Modell für entwickelte Länder", Mohammad Junus, Friedensnobelpreisträger 2006. "Da Subsidiarität in Brüssel zumeist klein geschrieben wird, belasten EU-weit einheitliche Regelungen die mittelständisch geprägte deutsche Wirtschaft oft überproportional", Kai Ostermann, Vorstandsvorsitzender Deutsche Leasing AG, 2014.

Klimapolitik in der Gemeinde: Die Kommunen haben eine zentrale Bedeutung in der Klimapolitik. Der Bezug von Ökostrom allein bewirkt noch keinen CO2-Rückgang. Ausgleichszahlungen für Flugreisen wirken umso mehr, je mehr innereuropäisch geflogen wird. Solaranlagen auf den Gebäuden der Gemeinden können wirtschaftlich Sinn machen. Die Umstellung der Fahrzeugflotte auf Elektrofahrzeuge wäre ein erstes Signal. Radschellwege müssen gebaut werden und weitere Infrastruktur. Vgl. Wambach, Achim: Klima muss sich lohnen, Freiburg, Basel, Wien 2022, S. 31ff.

Subventionen: Transferzahlungen des Staates an Unternehmen. Man unterscheidet Steuervergünstigungen und Finanzhilfen. Schwierig ist die genaue Definition des Begriffes Subvention. Nach dem IfW/ Kiel ist jede Geldleistung an private Haushalte oder Unternehmen eine Subvention. Nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz ist jede Geldleistung an Stellen außerhalb der Bundesverwaltung eine Subvention. In den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen werden die Subventionen bei der Umrechnung vom Marktpreiskonzept zum Faktorkostenkonzept addiert (Unternehmen). Einerseits können Subventionen sinnvoll sein: Durch Anreize kann der wirtschaftliche Start gefördert werden. Neuartige Entwicklungen können gefördert, Wettbewerbsverzerrungen (auch international) ausgeglichen werden. Auch ein Strukturwandel kann abgefedert werden oder regionale Unterschiede können ausgeglichen werden. Andererseits kann eine Subventionsmentalität entstehen, die zu Starrheit führt, oder Preise können verzerrt werden. Am ehesten dürften Subventionen vertretbar sein, wenn das Geld in die Entwicklung innovativer, umweltfreundlicher Produkte fließt. Aber auch hier kommt es zu Rigiditäten, wie das Beispiel "Nationale Plattform Elektromobilität" zeigt. Die Automobilfirmen haben selbst genug Geld. Die Kontrolle ist meist mangelhaft (Evaluation), die Befristung ungenügend und es mangelt an Zielen. Koch und Steinbrück entwickelten 2003 ein gemeinsames Papier zum Subventionsabbau (Rasenmäher-Methode). Es sah innerhalb von drei Jahren Kürzungen von 15,8 Mrd. € vor. Besonders ärgerlich sind Subventionen, die zu Wettbewerbsverzerrungen führen. So gibt es Web-Shops im Internet, die hohe Subventionen bekommen, obwohl sie den Handel vor Ort kaputtmachen (Beispiel: Zalando, Subventionen für Logistik-Zentren in Thüringen und Brandenburg). 2021 will die EU-Kommission mehr Klimaschutz durchsetzen. Dazu ist eine Subventionsreform geplant. Das könnte gravierende Nachteile für deutsche Unternehmen mit sich bringen. Immer wieder in der Diskussion sind Subventionen für Direktinvestitionen ausländischer Firmen in Deutschland.  In der Summe ragt 2023 die Subvention für Intel bei Magdeburg heraus. Intel soll fast 10 Mrd. € bekommen. Das sind bei 3000 Arbeitsplätzen drei Mio. € je Arbeitsplatz. Vgl. Rudzio, Kolja: Der Milliarden-Acker, in: Die Zeit Nr. 27/ 22.6.23, S. 19. Laut Subventionsbericht der Bundesregierung, der zweijährlich erstellt wird, betrugen die Subventionen 2008  21,5 Mrd. €. Die Abwrackprämie, die mit 2500€ pro Haushalt die Schlüsselbranche "Automobilindustrie" indirekt fördern sollte, kommt auch ausländischen Herstellern zugute und hat sicher auch Mitnahmeeffekte (genaue Zahlen gibt es nicht). Außerdem wurden mit fahrbereiten Autos volkswirtschaftliche Werte zerstört. Kurzfristig war es wohl ein erfolgreicher Markteingriff (Konsumverzicht in anderen Branchen wurde allerdings nicht gemessen). Am meisten profitieren die Händler und ausländische Hersteller. Reparaturbetriebe haben Einbußen. Viele Schrottautos wurden auch ins Ausland verschoben. Insgesamt wurden 5 Mrd. € zur Verfügung gestellt. Es könnte nun eine Rabattflut folgen. Im Jahr 2009 gibt es insgesamt 29,5 Mrd. an Subventionen, so viel wie nie zuvor. 2010 soll der Betrag auf 24,4 Mrd. € gesenkt werden (die Definition ist umstritten, das IfW, Kiel kommt für 2010 auf 163,6 Mrd. €). Davon sind 55% für die gewerbliche Wirtschaft (17,6 Mrd. Steuervergünstigungen, 6,8 Mrd. € Finanzhilfen). Die Förderung der Solarenergie soll um 10% gekürzt werden. Das größte Förderprogramm steht für den Steinkohlebergbau. Dieser ist auch am meisten umstritten (2014 oder 2018 Schluss? Streit zwischen EU, D, NRW). Die skurrilsten Förderungen sind Private Gleisanschlüsse, Bekämpfung Zwangsverheiratung, Frauen in Kommunalpolitik. Ein besonders gutes Beispiel für negative Folgen der Subventionen sind die Subventionierung der Fleischproduktion in der EU. Nirgends ist das Missverhältnis von Preis und realen Kosten so groß. Die Überproduktion schädigt die Gesundheit (Übergewicht, Diabetes 2, Rheuma, Gicht, multiresistente Krankheitserreger) und die Umwelt (Grundwasser, Oberflächengewässer, Monokulturen schädigen die Böden, CO2-Belastung). Zunehmend kommt es bei nationalen Subventionen zu Konflikten mit der EU (Nürburgring, Subventionen an Regionalflughäfen). Die EU versucht, mit Leitlinien einen Rahmen für Subventionen vorzugeben. Eine gute Fallstudie über die Auswirkungen von Subventionen lässt sich mit den EU-Subventionen für den Tabakanbau in der Pfalz machen. Als diese 2010 auslaufen reduziert sich die Anzahl der Tabakanbaubetriebe auf 50 (1960 6200). Bis 2010 machten die EU-Prämien etwa zwei Drittel des Erlöses aus. Die überlebenden Betriebe setzen auf den Öko-Anbau. Nachhaltiger Tabak (Virgin, Geudertheimer) bringt auf dem Weltmarkt etwa 50% mehr als konventionell angebauter. In der Pfalz stand die Wiege des deutschen Tabakanbaus (1573 Pfarrer Anselm Amselmann). 2014 muss der Flughafen Hahn in RLP Insolvenz anmelden, weil er unerlaubte Subventionen (von der EU festgestellt) an das Land zurückzahlen muss. Deutsche Reedereien haben eine interessante Subventionsform entwickelt: Sie müssen für Matrosen keine Lohnsteuer mehr abführen. 2017 erklärt die EU hohe Staatshilfen für BMW in Leipzig als unzulässig. Chinesische Solarunternehmen betreiben mit staatlichen Subventionen bzw. als Staatsunternehmen "ruinösen Wettbewerb". Hier müssen Gegen-Subventionen erlaubt sein, um die Unabhängigkeit zu waren, zumal die Technik ursprünglich aus Deutschland stammt.

Subventionsbericht der Bundesregierung und Beurteilung: Die Bundesregierung gibt alle zwei Jahre einen Subventionsbericht heraus. Er kann auf der Homepage des BMF eingesehen werden. Der 28. Subventionsbericht ist 2021 herausgekommen. Im folgenden Aufsatz wird er analysiert: Kampmann, Ricarda: Instrumente einer gestaltenden Strukturpolitik? in: Wirtschaftsdienst Heft 1/ 2022, S. 52-58. Die Autorin macht eine kritische Analyse. Es geht um längerfristig begründete Subventionen als Strukturpolitik. 2023 kommt der nächste Subventionsbericht. Er muss alle zwei Jahre veröffentlicht werden. Durch die vielen Krisen der Vergangenheit erreichen die Subventionen 2024 einen Höchststand mit 67 Mrd. €. Im Jahre 2021 lagen sie noch bei 38 Mrd. €. Das entspricht einem Plus von 77 %. Noch nicht enthalten sind die Staatshilfen, dei an Unternehmen gezahlt wurden zum Ausgleich für den Ukraine-Krieg. Gestiegen sind nicht die Steuervergünstigungen, sondern die Finanzhilfen. Die FDP fordert eine Subventionsbremse.

Subventionsbericht des IfW/ Kiel: " Die Bundeshaushalte der Jahre 2022 und 2023 sind zwar von dem Bemühen geprägt, Probleme zu bewältigen, die der Ukrainekrieg und die daraus folgende Energiekrise mit sich gebracht haben. Aber insgesamt fällt im Kontext des Bundeshaushalts der sehr hohe Stellenwert von Finanzhilfen, Sozialausgaben und Altlasten (Zinsen und Pensionen) auf. Die Ausgaben für die originären Staatsaufgaben im Zusammenhang mit der Erzeugung von öffentlichen Gütern treten demgegenüber in den Hintergrund. Von einem Euro, den der Bund 2023 auszugeben plante, dienen nur etwas mehr als 19 Cent der Produktion gegenwärtiger und zukünftiger Güter und Staatsleistungen, während Sozialausgaben fast 30 Cent der bereinigten Bundesausgaben und die Finanzhilfen sogar mehr als 30 Cent ausmachen. Selbst wenn jetzt nach der Entscheidung des Bundes­verfassungs­gerichts für die Zukunft geplante Subventionen und andere Ausgaben erst einmal wegfallen müssen, verbleiben Finanzhilfen des Bundes in substantieller Höhe. Wenn nach Gegenfinanzierungen für die jetzt entstandenen Haushaltslücken gesucht wird, dann sollten auch die verbleibenden Finanzhilfen des Bundes nicht ausgeklammert bleiben.". Siehe Laser, C.-F./ Rosenschon, A./ Schrader, K.: Subventionen in Zeiten knapper Kassen, in: Wirtschaftsdienst 12/ 2023, S. 864-866.

Mitnahmeeffekt: Inanspruchnahme von finanziellen Anreizen, bei denen auch ohne zusätzliche Förderung die gewünschte Verhaltens - Änderung bereits eingetreten wäre (Bsp.: ABM, Ich - AG).  Der Mitnahmeeffekt bei Subventionen ist riesig: die zehn profitabelsten DAX-Konzerne erhalten 340 Mio. € Subventionen. Am meisten bekommt Siemens (108 Mio. €) vor Daimler (68 Mio. €). "Schon bald nach ihrer Einführung sehen sie die Begünstigten als Gewohnheitsrecht an", Bundesrechnungshof in einer Analyse.

Holländische Krankheit: Förderung besonders erfolgreicher Branchen, die auch im Export erfolgreich sind. Zuerst in Holland bei Tulpen beobachtet. Später dort auch bei Erdgas. Andere Branchen leiden darunter. Zusätzlich kommt hinzu, dass der Exporterfolg zu Aufwertungen der Währung führt, die die anderen Branchen zusätzlich belastet.

Subventionen und Direktinvestitionen:  Die USA und China, die weltgrößten Volkswirtschaften, setzen mit gigantischen Subventionen die Konkurrenten unter Druck. Neue Werke werden fast nur gebaut, wenn Unternehmen mit Milliarden angelockt werden. Als großes "Vorbild" gilt das IRA in den USA.  Auch Deutschland muss hier mitspielen (z. B. hohe Subventionen an Intel in Magdeburg und TSMC in Dresden; aber auch der Industriestrompreis wäre eine Subvention) . Die Frage ist, wo der Subventionswettlauf endet. Geht er unkontrolliert so weiter geht den Staatshaushalten die Luft aus und es könnte eine neue Weltwirtschaftskrise drohen.  Umstritten sind auch die positive Wirkung und die Verteilung. Vgl. Al Varez, Sonja u. a.: Fabrikverkauf, in: WiWo 35/ 25.8.23, S. 14ff. Hier einige Beispiele: 1. EU. Grüne Fördermittel bis 2027 649 Mrd. €. 2. US-IRA. bis 2032 360 Mrd. €. 3. Japan Green Transformation Act. 2023 326 Mrd. €. 4. Australia National Reconstruction Fund 11 Mrd. €. 5. China. noch keinen genauen Zahlen. Vgl. Fahrion, Georg u. a.: Der Milliarden - Tsunami, in: Der Spiegel 35/ 25.8.23, S. 62ff.

Subventionen für die Solarindustrie? Die Diskussion ebbt nicht ab. Vor allem in Ostasien gibt es hohe Subventionen: in China, Südkorea und Japan. Die Hersteller in Deutschland drohen mit Werkschließungen. Sie verweisen auf Ostasien. Die zentrale Frage ist, ob Subventionen die Zukunftstechnologie retten können oder ob letztlich nur Wohlstand vernichtet wird. Vgl. Die Zeit 6/ 1.2.24, S. 19. Die vier größten Solarunternehmen der Welt sind in China. Die Technik stammt ursprünglich aus Deutschland. Die chinesischen Unternehmen haben erhebliche Überkapazitäten. Sie geben ihre Produkte mit niedrigem Preis ab. Das geht Richtung "ruinöser Wettbewerb". Es gibt noch ein großes Solarunternehmen in den USA (Solar World) und eins in Südkorea Hanwha. Auf dem deutschen Markt ist Meyer-Burger aus der Schweiz stark vertreten. Sie fordern Subventionen, um gegen die chinesischen Unternehmen bestehen zu können. Das ist ein Beispiel für die Komplexität des Themas.

Konnexitätsprinzip: Wer bestellt, soll bezahlen. Das Prinzip spielt eine große Rolle im Verhältnis von Bund, Länder und Gemeinden in Deutschland. Als Beispiel können die Kita - Plätze genannt werden. 

Bail-Out ("aus Schwierigkeiten heraushauen"): Staatliche Finanzhilfen für Unternehmen und Staaten. In der Regel spricht man davon, wenn Hilfen für Banken oder Staaten notwendig sind, die in finanzieller Notlage stecken. Bei Banken wird ein systemrelevanter Schaden bei Nicht-Hilfe befürchtet. Deshalb handeln die Banken nicht verantwortungsbewusst, weil sie immer mit Hilfe rechnen können (die reine Übertragung auf den Steuerzahler wird Bail-In genannt). Das Europäische Recht schließt eine Haftung für andere Mitgliedsstaaten aus (No-Bail-Out-Klausel) .

Konjunkturprogramme: Sie sollen die Konjunktur in Zeiten von Rezessionen ankurbeln (nach der keynesschen Theorie). Sie wurden in Deutschland 1967 (StabWG), 1974, 1977, 1978 und 1980 eingesetzt. Sie lagen zwischen 3,1 und 1,1% des BIP und wirkten mit einer Multiplikatorwirkung. Gearbeitet wurde im allgemeinen mit Steuerentlastungen, Beschäftigungsprogramme und Investitionen. Entscheidend für die Wirkung ist die Finanzierung (Kredite! Selbstfinanzierung?). In Zeiten der EU und des €  raten viele Wissenschaftler davon ab, da die Wirkung nur für Deutschland gilt (im Unterschied zum Einsatz in den USA). Entscheidend für die Beurteilung von Konjunkturprogrammen sind auch die Kosten einer Rezession: Der Nobelpreisträger R. Lucas z. B. schätzt sie sehr gering ein (1987, 0,1% des Lebenskonsums). Neuere Untersuchungen sehen die Kosten bei bis zu 10% des Lebenskonsums. Die Wirkung von Konjunkturprogrammen hängt stark von ihrer Höhe ab. In Deutschland müsste ein wirkungsvolles Programm mindestens 0,5% bis 1,0% des BIP umfassen, also etwa 25 Mrd. €. Generell wirken Nachfrageprogramme in Deutschland sehr begrenzt, weil wir stark exportabhängig sind. Neuere Untersuchungen in den USA zeigen die positive Wirkung von Konjunkturprogrammen auf.  Das jüngste Konjunkturprogramm 2009 (etwa 50 Mrd. €) der Bundesregierung arbeitet mit Steuern und Abgaben, einem "Rettungsschirm", mit Investitionen und Technologieförderung für die Automobilindustrie (auch Abwrackprämie) . 70% der Fördergelder sollen den Kommunen zugute kommen für Infrastrukturinvestitionen. Das Konjunkturpaket II führt zu einem Anstieg der kommunalen Investitionen um 5%. Heftig umstritten ist der Punkt, ob der Staat mit seiner Fiskalpolitik eher Steuersenkungen oder Erhöhung der Staatsausgaben praktizieren soll.  Empirische Studien lassen einige Schlüsse zu: Konjunkturprogramme wirken kaum, solange der Finanzsektor große Probleme hat, der Staat darf die Programme nicht zu früh zurückfahren, Steuersenkungen sollten eher Bezieher niedriger Einkommen treffen. Im Kreis der G7-Finanzminister gibt es immer wieder Forderungen, Deutschland solle mit einem Investitionsprogramm im eigenen Land die Wirtschaft in der Eurozone ankurbeln (so auch der US-Kollege Jack Lew). Die Übertragungseffekte auf andere Länder dürften aber eher gering sein (weil im eigenen Land aufgrund der besseren Wettbewerbsfähigkeit erst mal die Exporte steigen).  "Wir haben bereits in der Weltwirtschaftskrise gelernt, dass der Markt allein es nicht richtet. Aber das ist 80 Jahre her. Und irgendwann ist das Bewusstsein dafür verloren gegangen", Joseph Siglitz.

Programm bzw. Rettungsmaßnahmen  in der Corona-Krise 2020 (Hilfsprogramme): Insgesamt rund 750 Mrd. € (Aufstockung durch HH-Ausschuss möglich). 1.Erleichterte Bewilligung von Kinderzuschlag. 2.Hartz-IV. Entfall der Prüfung. 3.Kündigungsschutz für Mieter. 4. Erweiterte Regelungen für Kurzarbeit. 5.Gelockertes Insolvenzrecht. 6.Mindestens 3 Mrd. € für Krankenhäuser. 7. Sofort-Hilfen für Kleinstunternehmen und Solo-Selbständige (50 Mrd. €, direkte Zuschüsse bis über 3 Monate bis 15.000 €). 7.Liquiditätshilfen für KMU und Großunternehmen (100 Mrd. €, Sonderkreditprogramm der KfW). 8.Mögliche Unternehmensbeteiligungen durch den Staat (100 Mrd. €). 9.Kreditgarantien (400 Mrd. € für Firmen aus dem WSF). Staatsbeihilfen (Beteiligungen, Hilfskredite) erhielten 2020 unter andere, folgende Firmen: Curevac, Tui, Sixr, Puma, Media Markt, Leoni, Kion Group, Tom Taylor, adidas, ThyssenKrupp.

Konjunkturpaket nach der Krise (Konjunktur II, 130 Mrd. €): 1. Säule: Arbeitnehmer und Unternehmen weiter unterstützen (Liquiditätshilfen, Verlängerung der Kurzarbeit). Nachfolgeprogramm für Kleinunternehmen und Solo-Selbständige (Lücken schließen. Gastgewerbe, Reisebüros, Veranstaltungslogistik, Messebranche). Zukunftspaket Kultur (alternative Verbreitungsformen). 2. Säule: Stärkung der Nachfrage. Anregung von Konsum und Investitionen (degressive Abschreibung, Wahlrecht der Besteuerung, Insolvenzrecht flexibler). 3. Säule: Modernisierung der Wirtschaft. Förderung der nachhaltigen Mobilität. Unterstützung von Wasserstoff (9 Mrd. €). Kriterien des Konjunkturprogramms sind Zukunftsfähigkeit, Nachhaltigkeit, Wirkung und Kosten. Von den 130 Mrd. € übernimmt der Bund 120, die Länder 10. 80% des Programms sollen kurzfristig 2020/21 wirken. Konkret enthält das Paket folgende Maßnahmen: Mehrwertsteuersatz wird von Juli 2020 bis Ende 2020 von 19 auf 16% gesenkt (ermäßigter Satz von 7 auf 5%). Die Prämien für E-Autos werden auf 6000 € erhöht. Bahn und Nahverkehr werden gefördert. Die Unternehmen werden für 6 Monate bei der Gewerbesteuer entlastet. Die Unternehmen bekommen insgesamt noch mal 25 Mrd. €. Die Energiekosten (EEG) werden gedeckelt. 50 Mrd. € fließen in Klimaschutz und Umwelt (klimafreundliche Gebäudesanierung). Es gibt einen Zuschuss für Familien mit Kindern von 300 €. Kitas werden gefördert. Die Sozialbeiträge werden gedeckelt. Die Kommunen werden bei den Sozialkosten entlastet. 2,5 Mrd. € Fließen in Digitalisierung (Volldigitalisierung der Verwaltung, KI, Glasfaserinfrastruktur, 5G). Wir haben durch die Jahrhunderte hindurch so viel für den Staat geopfert, dass es jetzt an der Zeit ist, dass sich der Staat für uns opfert", Friedrich Dürrenmatt, Schweizer Schriftsteller.

Exkurs. Der Staat als Unternehmer. Systematik der Rettungspolitik in der Corona-Krise. Grundsätzlich können drei Stränge unterschieden werden: 1. Es gibt Unternehmen mit guten Geschäftsmodell. Wenn die Pleite gehen, entsteht großer Schaden. Hier biete der Staat Liquiditätshilfen an, vorrangig Kredite. Notfalls überhaupt der Staat 100% des Ausfallrisikos (Basuka). Es stellt Fremdkapital dar, das zurückgezahlt werden muss. Ganz selten springt der Staat mit Eigenkapital ein. Die Abwicklung läuft über die KfW. 2. Es gibt Risiken in der Welt, die nicht vorhersehbar sind. Sie schlagen wie ein Schock zu. Hier muss auch der Staat eingreifen. Das macht er dann ex-post wie mit einer Versicherungsgemeinschaft. In diese Gruppe gehört die Kurzarbeit (Teil der Fixkosten). 3. Beteiligung an Unternehmen. Geringere Maßnahmen wie Steuerstundung und Verlustrücktrag reichen in keinem Falle aus. So setzt man bei großen Unternehmen den WSF ein (für die Sofin in der Finanzkrise). Der Staat beteiligt sich an 15 Unternehmen (8,5 Mrd. €, 114 Unternehmen hatten nachgefragt). Der Staat arbeitet mit Eigen- und Fremdkapital. Die Beteiligungen bringen schwierige Bewertungsfragen mit sich (Zinssatz, temporär, wann Ausstieg, keine Verluste, Organisation der Stimmrechte über Dritte). Bei KMU arbeitet man mit Überbrückungshilfen (Zuschüssen). Sie sollen das Überleben sichern. Die Finanzämter waren hier mit ihrer IT - Infrastruktur überfordert. Deshalb hatte man eine eigene Auszahlungsplattform entwickelt. Als Resümee kann man jetzt schon sagen, dass man eine Insolvenzwelle verhindert hat. Noch nicht absehbar sind Auswirkungen auf Innovationsprozesse in der Zukunft. Ebenfalls offen sind Entwicklungen in Problembereichen (Innenstädte, Kultur, Gastgewerbe, Hotels), Quelle: Vortrag von Jacob von Weizäcker, Leiter der Grundsatzabteilung im BMF (Chefvolkswirt, auch Mathematiker und Physiker) in der Bdvb - Lounge am 20.4.21 18.00 Uhr.  Im Mai gründet der Bund einen Fonds in Höhe von 2,5 Mrd. € für die Kultur. Er soll Veranstaltungen trotz Corona ermöglichen.

Wirtschaftspolitische Maßnahmen in der Corona-Krise nach SRW: Der SRW in Deutschland erstellt ein Sondergutachten. Hierin werden die Maßnahmen der Bundesregierung umschrieben und systematisiert und weitere Empfehlungen gegeben. Die Systematik der Wirtschaftspolitik des am 30.3. vorgestellten Gutachtens ist wie folgt: 1. Schutz der Gesundheit. 2. Klare Kommunikation. 3. Erhalt der Kapazitäten. 4. Stabilisierung des Einkommens. 5. Zeit nutzen. Zu 3. gibt es folgende Maßnahmen:  Liquidität und Bürgschaften, Steuerstundungen und Verlustausgleich, Vereinfachtes Kurzarbeitergeld und Elterngeld, Flexibilisierung der Arbeitszeit, temporäre staatliche Beteiligungen, Sicherstellung freier Warenverkehr und Lieferketten. Zu 4: Automatische Stabilisatoren, Lohnfortzahlung bei Quarantäne und Krankheit, direkte Zuschüsse und Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz, Impulse für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Quelle: Sondergutachten des SRW zur Corona-Krise, 30.3.20, Homepage des SRW.

Hilfspaket der Bundesregierung für Unternehmen im Ukraine-Krieg ("Stoßdämpfer"): 1. Allgemeiner Zuschuss für hohe Energiekosten. 2. 100 Mrd. Euro Kreditgarantien für dei Energiewirtschaft. 3. KfW-Kreditprogramm. 4. Bürgschaften. 5. Eigenkapitalhilfen nur in Einzelfällen, keine Einigung beim WSF. Vgl. HB, 11.4.22, S. 7.

Konzertierte Aktion 2022: Der Begriff kommt von Konzert, wo ein Gleichklang herrschen muss. Kanzler Scholz lädt 2022 die Tarifpartner ins Kanzleramt ein. Ähnliche Runden gab es Ende der Sechzigerjahre unter Karl Schiller oder in den Neunzigerjahren als "Bündnis für Arbeit". Man solle sich auf geringere Lohnanpassungen oder Sonderzahlungen einigen Beides solle dann steuerfrei bleiben.  Die Kritik daran ist, dass es nicht Ziel gerichtet ist. Vgl. Mayr, Anna: Kein Geld für alle, in: Die Zeit 38.6.22, S. 1. Man spricht auch "Von einem Tisch der gesellschaftlichen Vernunft". Auch in den Sechzigerjahren war es eine Reaktion auf das Ende des Wirtschaftswunders. Die erste Zusammenkunft ist am 4.7.22 in Berlin. In Krisenzeiten ist es unabdingbar, dass sich Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gewerkschaften austauschen. "Kollektive sind ohne Gewissen", Walter Eucken, Kopf des Ordoliberalismus (Richtiger wäre: Sie haben stets ein gutes Gewissen). Gemeint ist: Wir stehen zusammen. Ob man eine Lohn-Preis-Spirale am runden Tisch verhindern kann, ist fraglich. Vgl. Braunberger, Gerald: Das Elend des Korporatismus, in: FAZ, 6.7.22, S. 15. Kritisch dazu auch: Fuest, Clemens: Warum uns eine konzertierte Aktion nicht weiterhilft, in: WiWo 31/ 29.7.22, S. 41.

Sparpaket: Die Bundesregierung muss die Vorgaben der EU und der Schuldenbremse umsetzen. Im Juni 2010 beschließt die Bundesregierung ein Sparpaket, das 80 Mrd. € in vier Jahren bringen soll. Davon 2011 13,5 Mrd. € (5 Mrd. Soziales, 5 Mrd. Unternehmen, 3,5 Mrd. Staat). Es wird im Sozialen Bereich (Hartz IV, Elterngeld, Arbeitsmarktförderung), in der Wirtschaft (Brennelementesteuer, Luftverkehrsabgabe, Finanzmarktabgabe) und in der Verwaltung (-15.000 Arbeitsplätze, Weihnachtsgeld) eingespart. Das Paket enthält unsichere Elemente (Finanztransaktionssteuer), ist unausgewogen (bei Unternehmen vage, bei Sozialem konkret) und ohne klares Gestaltungsziel. Es dokumentiert eher Planlosigkeit. Subventionen und die Vergünstigungen bei der Mehrwertsteuer müssten reduziert werden. Es müsste auch mehr die Philosophie zu erkennen sein, die Verursacher der Krise überproportional an den Kosten zu beteiligen.

Sozialpaket 3 (Energiepreisausgleich und Inflation): September 2022. Umfang 65 Mrd. €. 300 Euro für Rentner, 200 für Studierende. Abmilderung der kalten Progression. Mehr Kindergeld, höherer Kinderzuschlag. Neues Nahverkehrsticket. Zuschuss bei Wohngeld. Verlängerung Kurzarbeit. Niedrige Gastrosteuer. Abschöpfung Gewinne. CO2-Belastung später. Entlastung bei Midi-Jobs. Hilfen für KMU. Homeoffice - Pauschale.

Haushalt Deutschlands: Der Haushalt des Bundes 2011 hat im Entwurf ein Gesamtvolumen von 307,4 Mrd. €. Der größte Einzelposten ist Arbeit und Soziales mit 131,8 Mrd. € (-7,9%). Dann folgen Bundesschuld (-1,9%) und Verteidigung. Haushaltspläne haben auch Bundesländer und Kommunen. Immer wieder umstritten ist die Lastenverteilung zwischen den Gebietskörperschaften, die durch Finanzausgleich auch umverteilt wird. Haushalte werden nach Prinzipien geführt, die gesetzlich festgelegt sind. Die kameralistische Buchführung wird immer mehr Richtung kaufmännisches Rechnungswesen umgewandelt. Eine wichtige Kennzahl für den Staat ist der Finanzierungssaldo in % des BIP. Von -3,3% 2010 und -1,3% 2011 soll er -0,2% 2012 betragen. Der Aufschwung am Arbeitsmarkt treibt die Steuereinnahmen in die Höhe. 2013 sollen die geplanten Ausgaben ein Gesamtvolumen von 302,0 Mrd. Euro haben. Weiterhin ist Arbeit und Soziales mit 119,2 Mrd. Euro der größte Posten vor Verteidigung (33,3) und Bundesschuld (33). Erstmals seit fünf Jahren hat der deutsche Haushalt 2012 einen Überschuss: Bund, Länder und Kommunen nahmen zusammen 2,2 Mrd. € mehr ein als sie ausgaben. Ende Juni 2013 wird der Haushaltsentwurf 2014 und die Finanzplanung bis 2017 verabschiedet. 2014 kommen noch 6,2 Mrd. € Schulden dazu. Ab 2015 soll es keine Neuverschuldung mehr geben. Im ersten Halbjahr 2013 ist der Überschuss der öffentlichen Kassen auf 8,5 Mrd. Euro (höchster Wert seit 13 Jahren) gestiegen. Im Jahre 2013 hat der Bund 22,1 Mrd. € neue Schulden gemacht und damit 3 Mrd. € weniger als geplant. Die Ausgaben 2013 mit 307,8 Mrd. € liegen um 2,2 Mrd. € unter dem Etatansatz. Ab 2020 müsste Deutschland für Griechenland zahlen. Für 2016 wird ein Haushaltsüberschuss von 6,2 Mrd. Euro (Bund) erzielt. Alle Haushalte zusammen (Bund, Länder, Kommunen, Sozialversicherungen) kommen auf einen Überschuss von 19,2 Mrd. Euro. Für 2017 beträgt der Überschuss für Bund, Länder und Kommunen sogar 37 Mrd. € (Rekordüberschuss; Beschäftigungslage, Exporte, Geldpolitik). Der Bund macht 2019 zum sechsten Mal in Folge einen Milliarden-Überschuss in der Bundeskasse (13,5 Mrd. €). Im Bundeshaushalt von 2021 bis 2024 klaffen Milliardenlücken (ein Fehlbetrag von 60 Mrd. €: Ausgleich kalte Progression, Hochschulpakt, Militärausgaben, Entwicklungshilfe, Grundrente). Bundesfinanzminister Lindner trimmt den Bundesetat auf grün und Gender gerecht. Es soll herausgestrichen werden, wie die Milliarden aus Berlin die Welt verbessern. Vgl. Reiermann, Christian: Hauhalt in woke, in: Der Spiegel 50/ 10.12.22, S. 23. 2023 gibt es mehr Streit ums Geld in der Ampelkoalition. Nach den verschiedenen verlorenen Landtagswahlen der FDP wird er Ton härter - die finanziellen Spielräume sind begrenzt. Die Bundesfinanzen sind zunehmend intransparent. Es ist auch eine Versteinerung eingetreten. Rund 90% des Bundeshaushalts sind festgezurrt 8gesetzliche Ansprüche, Personalkosten). Zwischen konsumtiven und investiven Ausgaben besteht eine Unwucht. Im November 2023 stoppt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Ampel: Es entsteht ein 60-Milliarden-Loch. Karlsruhe verwirft den Kniff der Regierung, nicht benötigte Kredite aus Corona-Zeiten in einen Fonds für Klimaschutzmaßnahmen zu überführen. Geklagt hatte die Union. Es ist ein Haushaltsurteil zur Schuldenbremse. Man sucht verzweifelt den Plan B. Der Haushaltsausschuss beschließt am 18.01.24 den Haushalt 2024. Es sind Ausgaben von rund 476,8 Mrd. €. Die neuen Kredite belaufen sich auf 39 Mrd. €. Die Ampel hat sich zusammengerauft. Doch es tauchen neue Haushaltslöcher auf. Mehr Geld ist für Verteidigung notwendig.  Ein auffälliges Problem der Haushaltspolitik ist die immer schlechtere Planbarkeit der Kosten für Großprojekte. Herausragende Beispiele sind der Bahnhof Stuttgart 21, der Flughafen Berlin, die Elbphilharmonie oder die Ludwigshafener Hochstraße. Im Gesamthaushalt, d.h. bei den Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen, hat Deutschland als einziges Land in der Eurozone 2014 zum zweiten Mal ein Plus (300 Mio. € mehr Einnahmen als Ausgaben; Rekordbeschäftigung und steigende Löhne als Ursache). Im ersten Halbjahr 2014 übersteigen erstmals die Einnahmen die Ausgaben bei den Öffentlichen Haushalten einschließlich Sozialversicherungen (+ 16,1 Mrd. €; geringe Arbeitslosigkeit, Bundesbankgewinn, geringere Kreditlasten). Anfang Juli 2015 werden die Haushaltspläne für die Zeit bis 2019 gebilligt (Fünf-Jahres-Plan). Der Haushalt ist ausgeglichen ohne neue Schulden. Zur Finanzierung der Unterbringung von Flüchtlingen wird Ende September 2015 ein Nachtragshaushalt in Höhe von 6 Mrd. € aufgelegt. Für 2016 wird am 27.11.15 ein Haushalt mit "schwarzer Null" vom Bundestag gebilligt (ein Polster von 6,1 Mrd. € kann genutzt werden; der Überschuss erweist sich dann tatsächlich als zweistellig; 12,1 Mrd. €: gute Konjunktur, Versteigerung von Mobilfunklizenzen). Deutlich erhöht wurden die Ausgaben für Bildung, Forschung, Innovation und Infrastruktur. Gesetzliche Rentenversicherung und Krankenversicherung schreiben rote Zahlen. Der deutsche Staat hat 2015 den höchsten Überschuss seit der Wiedervereinigung (19,4 Mrd. €; 0,6% des BIP). Auch für 2016 und 2017 will die Bundesregierung ohne Schulden auskommen trotz der Kosten für die Flüchtlingsmigration. Im ersten Halbjahr 2016 erzielt der Staat einen Finanzierungssaldo von +18,5 Mrd. Euro. Insgesamt erzielt der Staat mit 24 Mrd. € den höchsten Überschuss seit der deutschen Wiedervereinigung. Im Bundeshaushalt 2017 wird mehr Geld für Sicherheit und Krisenhilfe ausgegeben. Der größte Posten ist mit 137,58 Mrd. € das Bundesarbeitsministerium. Der Bundeshaushalt wächst um 1,9%. Im ersten Halbjahr 2017 erzielt der deutsche Staat einen Rekordüberschuss (Finanzierungssaldo 18,3 Mrd. €; 1,1%). Die Ausgaben für 2017 lagen 3,3 Mrd. € unter Plan, die Steuereinnahmen hatten ein Plus von 8,3 Mrd. €. Seit 2014 stieg der Haushaltsüberschuss das vierte Jahr in Folge. 2017 überstiegen die Einnahmen die Ausgaben um 61,9 Mrd. €. Quelle: Statistisches Bundesamt. Der Haushalt 2018 wird wegen der langen Koalitionssuche spät aufgestellt: Dei schwarze Null soll bleiben. Dei Verteilung ist noch offen (Schwerpunkte des Anstiegs Familien, Innere Sicherheit, Wohnungsbau, Bildung). Im ersten Halbjahr 2018 erwirtschaften die öffentlichen Haushalte (Bund, Länder, Kommunen) einen Rekordüberschuss (48 Mrd. €). Am 09.11.18 hat der Haushaltsausschuss den des Bundesetat für 2019 festgezurrt: 400 Mio. € werden gestrichen. Zusätzliche Stellen bei Sicherheitsbehörden und Zoll. Mehr Geld für die Bundeswehr. Insgesamt plant die Regierung für 2019 Rekordausgaben von 356,4 Mrd. €. mit starken Zuwächsen in den Bereichen Soziales, Verteidigung und Rente. Nach Jahren niedriger Zinsen und stabilem Wirtschaftswachstum steigen die Risiken wieder. Im Bundeshaushalt 2018 gibt es einen Etat-Überschuss von 11,2 Mrd. €. Höhere Steuereinnahmen und geringere Ausgaben haben für das deutliche Plus gesorgt. In den nächsten Jahren ab 2019 rechnet das Bundesfinanzministerium mit weniger Steuereinnahmen (-25 Mrd. € in 5 Jahren, 5 Mrd. pro Jahr, schlechtere Konjunktur). Auch 2020 soll es keine neuen Schulden geben. Das Volumen wächst um ein Prozent auf 356,4 Mrd. Euro. Die Opposition fordert höhere Investitionen. Der Haushaltsausschuss legt den Ansatz für Einnahmen und Ausgaben schließlich jeweils auf 362 Mrd. € fest, neue Schulden soll es nicht geben. Die Ausgaben für Investitionen werden auf 42,9 Mrd. € veranschlagt. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung erreichen mit 18,3 Mrd. € einen neuen Höchststand. Im Jahre 2019 haben die öffentlichen Haushalte einen Finanzierungsüberschuss von 45,2 Mrd. € erzielt. Den größten Überschuss haben die Länder mit 16,6 Mrd. €. Beim Bund blieb ein Plus von 14,8 Mrd. €. Die Gemeinden und Gemeindeverbände hatten 5,6 Mrd. €, die Sozialversicherungen 8,1 Mrd. €. Die Corona-Pandemie hat die öffentlichen Haushalte im Jahre 2020 deutlich belastet: Die Ausgaben der öffentlichen Haushalte stiegen um 12,1% gegenüber 2019 auf 1678,6 Mrd. €. Die Einnahmen sanken um 3,5% auf 1489,4 Mrd. €. Daraus ergibt sich ein Finanzierungsdefizit von Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung von 189,2 Mrd. €. Das ist das erste seit sieben Jahren und das höchste seit der Wiedervereinigung. Bis 2025 dürfte es gewaltige Milliardenlöcher geben. Für 2022 sind im Bundesetat fast 100 Mrd. € Schulden vorgesehen. Dem Wahlsieger bei der Bundestagswahl 2021 fehlt Geld für Neues. Die Finanzlage ist desolat. Mal sehen, was der erste Kassensturz bringt. Es wird von der Ampel ein Nachtragshaushalt geplant. Das Parlament billigt 60 Mrd. €, die zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie benötigt werden. Nach Aussage des deutschen Landkreistages ist der Nachtrag nicht verfassungsmäßig, weil er die Schuldenbremse verletzt. Auch der Bundesrechnungshof hat Zweifel an der Verfassungsrechtlichkeit. Klimawandel sei keine plötzlich auftretende Krise (Umwandlung nicht - genommener Corona-Kredite). Der Haushaltsentwurf wird im März 2022 von Bundesfinanzminister vorgestellt: Er enthält Ausgaben in Höhe von 457,6 Mrd. €. Davon werden knapp 100 Mrd. € über Schulden finanziert. Viele Ausgaben sind noch nicht absehbar, weshalb ein Ergänzungshaushalt kommt (siehe unten). Der Haushaltsentwurf für 2023 wird am 1. Juli 22 beschlossen: Ausgaben von 445 Mrd. €, 50 Mrd. € weniger als im laufenden Jahr 22. Aus der Reserve des Bundes werden 40 Mrd. € entnommen, die Zinsausgaben steigen auf knapp 30 Mrd. €. Am 25.11.22 beschließt der Bundestag den Haushalt für 2023: Er hat ein Volumen von 476,29 Mrd. €. Rund 45 Mrd. € werden über Kredite finanziert. Am 5.7.23 beschließt die Bundesregierung den Entwurf für den Haushalt 2024. Er umfasst 445,7 Mrd. €. Der größte Posten ist wieder Arbeit und Soziales (darunter Rente). Der Haushalt sinkt gegenüber 2023 um -6,4% (Einsparungen). 3,5 Mrd. € Kürzungen gibt es bei flexiblen Ausgaben aller Ministerien mit Ausnahme des Verteidigungsministeriums. 16 Mrd. neue Schulden sind vorgesehen. Die Schuldenbremse soll knapp eingehalten werden. Im November 23 kommt der Beschluss des Bundestages, die erste Einbringung ist im September 23. Lindner erwartet einen noch härteren Sparkurs und mahnt das Begrenzen der Sozialausgaben an. Wahrscheinlich wächst die Lücke auf 33 Mrd. € an. Zwei Bereiche legen stark zu: Arbeit und Soziales sowie Digitales und Verkehr. Besonders stark streichen müssen Gesundheit, Wirtschaft und Klimaschutz,  Schuldendienst. Am 2.2.24 wird der Haushalt schließlich im bundestag verabschiedet: 2024 Ausgaben in Höhe von 476,8 Mrd. €, Neuverschuldung rund 39 Mrd. €.

Exkurs. Führung im Finanzministerium: Ab 2024 wird der langjährige Haushalts - Staatssekretär Werner Gatzer in den Ruhestand versetzt. In 18.Dienstjahren hatte er 19 Haushalte aufgestellt. Als SPD-Mitglied hatte er für alle Parteien gearbeitet. Er galt als "ewiger Staatssekretär" (Prokura für "blaue Briefe an Ministerien"). Er hatte Finanzminister Lindner geraten, die Corona-Milliarden in den Klima- und Transformationsfonds zu überführen. Nachfolger wird der Leiter der Grundsatzabteilung Wolf Reuter.

Überschuss im Bundeshaushalt: Der Bund macht 2019 zum sechsten Mal in Folge einen Milliarden-Überschuss in der Bundeskasse (13,5 Mrd. €).  Dazu haben das niedrige Zinsniveau, die positive wirtschaftliche Entwicklung (trotz konjunktureller Eintrübung) und die nicht abgerufenen Investitionsmittel (98% wurden abgerufen) beigetragen. Nicht berücksichtigt wurde die Mittel, die als Vorsorge für einen ungeregelten EU-Austritt GB eingestellt wurden (5,5 Mrd. €).

Finanzlücke ab 2025: Ab 2025 soll wieder ein Defizit im Bundeshaushalt drohen. Langfristig bis 2060 wird mit einer Finanzlücke von bis zu 140 Milliarden Euro gerechnet. Das Bundesfinanzministerium rechnet zwei Varianten: Variante T+ und Variante T-. Variante T- geht im Vergleich von einer niedrigeren Geburtenziffer und Zuwanderung sowie einer höheren Lebenserwartung und Erwerbslosen- und Arbeitslosenquote aus. Quelle: Der Spiegel Nr. 10/ 29.2.2020, S. 67. Die Corona-Krise führt dazu, dass die Lücke schon früher eintritt: Durch die Corona-Krise 2020 (Lockdown) brechen die Steuereinnahmen 2020 um bis zu 100 Mrd. € ein (Bund -44, Länder -35, Kommunen -16, Abführungen an EU -4). Bis 2024 wird mit einem Einnahmeverlust von -171,1 Mrd. € gerechnet. In der Corona-Pandemie kommt der Bund für den größten Teil der Kosten auf. die Länder halten sich zurück. Damit droht der Bund seine finanzielle Handlungsfähigkeit zu verlieren.

Zukünftige Haushaltspolitik ab 2024: Angesichts der Situation wird man Prioritäten setzen müssen, egal wer regiert. Scholz warnt 2024 vor überzogenen Erwartungen an dei Leistungsfähigkeit des Bundes. Er nennt haushaltspolitische Prioritäten: Sicherheitspolitik, Energieversorgung, soziale Abfederung.

Gesamthaushalt Deutschlands: Gesamthaushalt sind die Haushalte von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherung. 2018 erzielte der Gesamthaushalt einen Rekordüberschuss. Er betrug 58 Mrd. €. Das war der höchste Überschuss nach der Wiedervereinigung. Den höchsten Überschuss hatte der Bund mit 17,9 Mrd. €. Die Sozialversicherungen verbuchten ein Plus von 14,9 Mrd. €. Die Einnahmen legten um 4,7% zu (Ausgaben 3,2%). Quelle: Destatis. Im ersten Halbjahr 2019 nehmen Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen (Gesamthaushalt) 45,3 Milliarden Euro mehr ein als sie ausgaben. Der Bund verbuchte mit 17,7 Mrd. € das größte Plus. Quelle: Destatis. Die Corona-Krise 2020 wird den Gesamthaushalt auf Dauer verändern müssen. Die Steuern werden erhöht werden. das Rentenniveau dürfte eher eingefroren werden.

Haushaltsausschuss: Der Haushalt ist das Königsrecht des Parlaments. Dabei ist der Ausschuss besonders mächtig. Er zurrt jeweils den Bundesetat fest. Es ist eine Handvoll Abgeordneter, die entscheidet. Federführend für die Regierungskoalition sin d2023 Otto Fricke (FDP), Dennis Rohde (SPD) und Sven Christian Kindler (Grüne). Dienstälteste Haushälerin ist Bettina Hagedon (SPD). Ein Großteil des Haushalts ist gesetzlich fixiert (85 -bis 90%, Rentenzuschuss ein Viertel des Gesamthaushalts).

Neue Finanzmodelle in der Ampel: Die FDP hat durchgesetzt, dass keine Steuererhöhungen kommen und die Schuldenbremse ab 2023 wieder gilt. Also entwickelt man auf Umwegen Geld. Es soll ein Sonderfonds für Klimaschutz eingerichtet werden. Er soll mit Geld vor dem Kommen der Schuldenbremse gespeist werden. Außerdem sollen die staatlichen Gesellschaften mehr Schulden machen (Deutsche Bahn, Bundesanstalt für Immobilienaufgaben). Kredite von Staatsunternehmen werden nicht auf dei Schuldenobergrenze angerechnet. Für bestehende Schulden sollen die Tilgungsfristen verlängert werden. Einige Regelungen wird das Bundesverfassungsgericht überprüfen müssen. Aber Habeck braucht das Geld für seine Klimapolitik. Vgl. Schieritz, Mark: Lauter Tricks, in: Die Zeit Nr. 51, 9.12.21, S. 31. Bundesfinanzminister Lindner will auch Mittel für Corona umwidmen im Kampf gegen Klimawandel. Das soll in einen Nachtragshaushalt (Kreditermächtigungen, Umwidmung ist auch verfassungsrechtlich umstritten). Vgl. Der Spiegel Nr. 50, 11.12.21, S. 66. Der Nachtragsetat kommt an der Schuldenbremse vorbei. Die Gelder sollen für Klimaschutz und Digitalisierung investiert werden. Im November 2023 stoppt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Ampel: Es entsteht ein 60-Milliarden-Loch. Karlsruhe verwirft den Kniff der Regierung, nicht benötigte Kredite aus Corona-Zeiten in einen Fonds für Klimaschutzmaßnahmen zu überführen. Geklagt hatte die Union. Es ist ein Haushaltsurteil zur Schuldenbremse.

Sondervermögen (für Verteidigung): Es wird nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine in Höhe von 100 Mrd. € gebildet. Es ist für Verteidigungsausgaben eingerichtet. Damit soll die dauerhafte Anhebung des Etats für militärische Sicherheit auf 2% der Wirtschaftsleistung erreicht werden. Es gibt noch offene Fragen dazu: dauerhafte Festschreibung der Quote? Zustimmung des Bundestages bei der konkreten Mittelverwendung?. Es gibt dazu einen Gesetzentwurf der Bundesregierung (der mit dem Haushaltsentwurf und der mittelfristigen Finanzplanung abgestimmt werden soll). Durch die Konstruktion "Sondervermögen" will Bundesfinanzminister Lindner die Schuldenbremse einhalten. Einige Experten empfehlen für die Finanzierung ungenutzte Reserven: Gold/ 187,8 Mrd. € und Devisen/ 34 Mrd. € Vgl. Reiermann, Christian: Operation Goldesel, in: Der Spiegel Nr. 16/ 16.4.22, S. 63. Die Ausgaben sind wie folgt geplant: 33,4 Mrd. € erhält die Luftwaffe (F35 und CH-42F Transporthubschrauber). 16,6 Mrd. € bekommt das Heer (Truppentransporter, Schützenpanzer). 8,8 Mrd. € gehen an die Marine (neue Korvetten, Fregatten, U-Boote). Die Notfallmilliarden werden aber schlecht genutzt. Im April 2023 war der Stand: WSF 55,3 von 200 Mrd. € ausgeschöpft, Sondervermögen Bundeswehr 1,0 von 100 ausgeschöpft, Quelle: BMF . 2024 will Wirtschaftsminister Habeck ein weiteres Sondervermögen. Er spricht von einem "Wirtschaftschancengesetz". Nach dem Ausbruch des 2. Weltkriegs gab es eine vergleichbare Situation in GB. Der britische Ökonom und Regierungsberater John Maynard Keynes schrieb damals: "How to Pay for the War". Er formulierte: Das "Zeitalter des Überflusses" werde abgelöst von einem "Zeitalter der Knappheit". Er sprach sich bei der Finanzierung für höhere Steuern aus.

Sondervermögen als staatlicher Trick zum Schuldenmachen ("Schattenhaushalte"): Die Regierung steckt immer mehr Schulden in Sondervermögen und Fonds. Zu Beginn 2023 beträgt der Umfang rund 900 Mrd. €. Das kann auch die Inflation treiben. Es sind Kreditermächtigungen für Schulden, also Fremdmittel der staatlichen Instanzen. Dazu gehören der Finanzmarktstabilisierungsfonds (480 Mrd. €), der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (250 Mrd. €), Sondervermögen Bundeswehr (100 Mrd. €), Energiepreisbremse (200 Mrd. €), deutscher Klima- und Transformationsfonds (177 Mrd. €). Auch das NextGeneration EU-Projekt ist ein Sondervermögen. Vgl. Sinn, Hans-Werner: Die faulen Tricks der staatlichen Schuldenmacher, in: WiWo 4/ 20.1.2023, S. 39. Der Bundesrechnungshof kritisiert 2023 die Haushaltsführung des Bundes: Er spricht von kreativer Buchführung, Verschleierung und Intransparenz. Man zählt 29 Schattenhaushalte. Im November 2023 stoppt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Ampel: Es entsteht ein 60-Milliarden-Loch. Karlsruhe verwirft den Kniff der Regierung, nicht benötigte Kredite aus Corona-Zeiten in einen Fonds für Klimaschutzmaßnahmen zu überführen. Geklagt hatte die Union. Es ist ein Haushaltsurteil zur Schuldenbremse. Sondervermögen kann nicht einfach für andere Zwecke verwendet werden.

Ergänzungshaushalt: Das Bundesfinanzministerium muss 2022 auf die Folgen des Ukraine-Krieges reagieren. Es müssen zusätzliche Schulden aufgenommen werden. 50 Mrd. € will der Bund ab sofort jährlich in Verteidigung investieren. Damit wird der Spielraum künftiger Regierungen massiv eingeschränkt. Die Tilgungen verschlingen viele Milliarden (20 Mrd. € pro Jahr). Fraglich ist, ob die Schuldenbremse wieder eingeführt werden kann.

"Cover your ass": Diese Strategie hat die öffentliche Hand von der Wirtschaft übernommen. Bei sehr schwierigen Entscheidungen schaltet man Beratungsunternehmen zwischen (KPMG, EY). Man folgt dann den Entscheidungen und ist bei Fehlern und Fehlschlägen aus dem Schneider. Auf Dauer trifft so niemand politische Entscheidungen mehr, Verantwortung wird wegdelegiert. So werden in der Regel auch Verkaufsprozesse (Flughafen Hahn RLP) oder Einkaufprozesse von öffentlichen Gütern (Militärgüter) geregelt. Die Gebühren sind natürlich exorbitant hoch. Das belastet den Haushalt sehr stark.

Bürgerhaushalt: Die Idee ist weltweit verbreitet. Sie wird oft mit den Bürgerrat verbunden. Berühmt ist das Beispiel Brasilien. 1989 beteiligt die brasilianische Stadt Porto Alegre ihre Einwohner an der Aufstellung kommunaler Haushalte. Weiter estädte folgen. Die Konzeption des Bürgerhaushalts nutzt die Schwarmintelligenz. Die Einwohner wissen am besten, wo Geld gebraucht wird. Irland hat einen landesweiten Bürgerrat, der auch gleichzeitig Korruption bekämpft. Der Verein "Mehr Demokratie" holte die idee nach Deutschland. Hier soll ein Zufalls-Los Bürgerräte berufen. Bei einer Zufallsauswahl werden Bürge raus dem Einwohnermelderegister oder dem Telefonbuch ausgewählt. Man bringt auch eine Gewichtung rein (Geschlechter, soziale Gruppen). Sogar in China ist die Idee umgesetzt worden.

Öffentliche Investitionen: In Deutschland herrscht ein Investitionsstau. 7,2 Mrd. € fehlen jedes Jahr für Verkehrsinfrastruktur (Straßen, Schienen, Schleusen, Brücken). Über neue Finanzierungsformen muss nachgedacht werden. Die Infrastruktur wird stark von privaten Unternehmen genutzt, die sich durch den Spielraum bei der Gewerbesteuer der Finanzierung weitgehend entzogen haben. Ein gutes Beispiel ist die Hochstraße in Ludwigshafen, deren Sanierung ca. 300 Mio. € kosten soll. Die Sperrung der Schiersteiner Brücke macht das Problem auch sehr deutlich (2003 hatten Gutachter das Ende für 2015 vorausgesagt). Völlig unklar ist die Finanzierung bei solchen Projekten. Die deutsche Investitionslücke schwächt Wachstum und Wohlstand. Die öffentlichen Infrastrukturinvestitionen sind seit 1991 um ca. 10% relativ zur jährlichen Wirtschaftsleistung gesunken (Quelle: DIW, Berlin). Bei den staatlichen Investitionen liegt Deutschland 2012 nur auf dem neunten Platz in der EU (spitze Schweden und Niederlande). Bei Investitionen in die Transportinfrastruktur liegt Deutschland auf Platz 8 in der Welt (Spitze Japan und Schweiz; Quelle: OECD). Die privaten Investitionen stocken schon seit längerem. Erstmals steigen sie wieder im zweiten Quartal 2013 um0,9% gegenüber dem Vorquartal (Bauinvestitionen um 2,6%!). Die Unternehmen und Haushalte sind wieder optimistischer. Weltweit wären mehr Investitionen in Infrastruktur wünschenswert. Sogar immer mehr bekannte Ökonomen in Deutschland plädieren 2014 für mehr Schulden, die für öffentliche Investitionen genutzt werden sollen. Man sollte aber auch die statistischen Fallstricke beachten: Aggregat aller Investitionen, falscher Ländervergleich, Abgrenzungsprobleme. Viele Projekte im Bereich öffentlicher Investitionen scheitern nicht am Geld, sondern weil Ideen und Planer fehlen. Insbesondere die Kommunen haben insofern eine große Investitionslücke. Es gibt Vorschläge, das Geld, das nicht für Investitionen abgerufen werden kann, in einem Fonds zu parken. Mittlerweile (2015) liegt Deutschland im internationalen Vergleich bei den Staatsinvestitionen relativ weit hinten (an der Spitze liegt Schweden mit 4,2% des BIP vor Frankreich 3,6%, Deutschland 2,1%). 2018 hat der Investitionsstau in den Städten und Gemeinden einen neuen Höchststand erreicht. Zwar verbessern sich die Einnahmen, aber auch die Baupreise steigen. Allein für die Sanierung von Schulen sind 48 Milliarden Euro nötig (Quelle: KfW).  Im Herbstgutachten 2013 der Wirtschaftsforschungsinstitute wird ein schwacher Aufschwung 2014 erwartet (1,8%; 2013 0,4%). Etwa 33 Mrd. € stehen bis 2018 für Schuldenabbau, gerechteres Steuersystem und öffentliche Investitionen zur Verfügung. Der Bund will insgesamt die Mittel für Ersatzinvestitionen bei der Bahn aufstocken (insbesondere für marode Eisenbahnbrücken). Ab 2016 will der Bundesfinanzminister zehn Milliarden Euro zusätzlich investieren, obwohl die Steuereinnahmen weniger rasant steigen. Ende 2014 fordert die OECD von Deutschland, mehr in Infrastruktur, Kinderbetreuung und das Bildungssystem zu investieren. "Wir brauchen mehr Investitionen, sollten das aber nicht gleichsetzen mit Investitionen aus öffentlichen Mitteln. Wir können Infrastruktur auch stärker privat finanzieren", Wolfgang Schäuble, Finanzminister 2014. Die KfW beziffert 2014 (Quelle: KfW Kommunal - Panel 2014) den Investitionsrückstand bei Städten, Gemeinden und Landkreisen auf 118 Milliarden Euro. Eine Expertenkommission schlägt vor, das Problem auch mit dem Geld der Bürger zu lösen. Union und SPD einigen sich im März 2015 auf ein Investitionspaket von 2016 bis 2018: 7 Mrd. € für Verkehrswege, Energieeffizienz, Klimaschutz, Schnelles Internet, Städtebau. 3Mrd. € zusätzlich für Bundesministerien. 5 Mrd. € zusätzliche Mittel für die Kommunen. Auf der Anraten der "Fratzscher-Kommission" (Expertenkommission zu öffentlichen Investitionen und öffentlicher Infrastruktur) soll eine Verkehrsinfrastrukturgesellschaft gegründet werden, die den Bau, die Instandhaltung und den Betrieb der Bundesfernstaraßen übernimmt. Maut und privates Kapital soll die Finanzierungsgrundlage darstellen. Von einer Straßenbenutzungsgebühr wird der Staat wohl auch nicht mehr lassen. Zunächst wird mal eine Maut eingeführt, die aber so wahrscheinlich nicht kommen wird (Urteil der EU-Gerichtsbarkeit). Seit Beginn der Legislaturperiode 2013 hat die Bundesregierung die öffentlichen Investitionen von 24 Mrd. Euro auf 33 Mrd. Euro 2017 hochgefahren. Der Städtetag beklagt 2018 ein Missverhältnis bei den kommunalen Investitionen. RLP liegt unter dem Bundesdurchschnitt. 2018 ist der Investitionsbedarf bei kommunalen Investitionen auf einen Rekordwert von 159 Mrd. € angestiegen. Betroffen sind unter anderem Schulen und Straßen. 16% der Bundesbürger leben in Großstädten, der Rest in Dörfern und Kleinstädten. Es könnte eine Spaltung der Gesellschaft drohen. Quelle: Deutscher Städte- und Gemeindebund (DstGB) 2019. 2020 haben die Bundesministerien Investitionen verfallen lassen: 72 Mrd. € waren vorgesehen,. Davon wurden bis Ende November 2020 nur rund 37 Mrd. € ausgegeben. Am größten sind die Reste im Verkehrsministerium. 2020 erreichen die staatlichen Investitionen einen neuen Höchststand: 93 Mrd. € (private Investitionen 643 Mrd. €; Summe 735 Mrd. €).

Öffentliche Investitionen und Generationengerechtigkeit: Zielgerichtete Investitionen in Infrastruktur, Hochschulen, Ganztagsschulen und Ganztagsbetreuung in Kitas können die Generationengerechtigkeit verbessern. Investitionen in Schulen und Kitas erzielen dabei die höchste fiskalische Effizienz und verbessern die Verteilungsgerechtigkeit. Vgl. Krebs, T./ Scheffel, M.: Öffentliche Investitionen als Garant der Generationengerechtigkeit, in: Wirtschaftsdienst 2017/1, S. 40ff.

Investitionsstau: Gründe dafür, dass Mittel für Investitionen nicht abgerufen werden sind: 1. Zu viele Klagen. 2. Zu wenig Personal. 3. Zu viel Föderalismus. Vgl. Becker, B./ Crocoll, S./ Haerder, M./ Böll, S.: Möchtegernbaustelle Deutschland, WiWo 4, 17.1.2020, S. 27ff.

Investitionsschwäche in Deutschland: "Neben einem konjunkturellen Einbruch leidet Deutschland vor allem unter strukturellen Problemen, wie Unsicherheiten bei der Energieversorgung, einer zu hohen Steuer- und Abgabenlast, einer ausufernden Bürokratie sowie unter Arbeits- und Fachkräftemangel. Dabei wird als Folge eine Investitionsschwäche der deutschen Unternehmen beklagt. Mit dem Wachstumschancengesetz will die Bundesregierung die Investitionstätigkeit von Unternehmen fördern. Das Gesetz sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagen manche Ökonom:innen. Doch es stellen sich weitere Fragen: Genügen die von der Regierung geplanten Maßnahmen? Welche Möglichkeiten gibt es überhaupt, die Investitionstätigkeit von Unternehmen anzukurbeln?" Siehe: Investitionsschwäche in Deutschland, in: Wirtschaftsdienst, Heft 10/ 2023, S. 659ff. (ZEW/ Mannheim, IW/ Köln, Bauermann, Tom u. a.). Im Februar 2024 bemängelt der Rechnungshof Rheinland-Pfalz, dass das Land zu wenig investiert.

Kommunale Investitionen: Sie sind in Deutschland am wichtigsten. Insofern ist auch die Finanzlage der Kommunen sehr wichtig. Vgl. Cerbs, Oliver: kommunale Investitionen sinken real seit COVID, in: Wirtschaftsdienst 7/ 2023, S. 474-478.

Investitionsagenda für Deutschland: Im Koalitionsvertrag von Union und SPD 2018 sind Investitionen in drei Kernbereichen vorgesehen: 1. Bildung und Betreuung. 2. Wohnungsbau. 3. Digitale Infrastruktur. Modellrechnungen gehen von positiven langfristigen Auswirkungen aus. Das BIP steigt. Die Beschäftigung steigt. Die Arbeitslosigkeit sinkt. Der Niedriglohnsektor schrumpft. Die Einkommenslücke schrumpft. Die öffentlichen Finanzen verbessern sich. Vgl. Barisic/ Krebs/ Scheffel: Eine Investitionsagenda für Deutschland, in: Wirtschaftsdienst 2018/ 3, S. 179ff. "Wir haben einen gesamtwirtschaftlichen Investitionsbedarf von weit über eine billion Euro bis 2ß23 in den Bereichen Digitalisierung und Dekarbonisierng. Auf den Staat entfallen zusätzliche Investitionen von rund 100 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist nicht zu stemmen, wenn man sich dogmatisch an der Schuldenbremse klammert." Jens Südekum, Heinrich-Heine-Uni Düsseldorf, 2023.

Investitionsoffensive und Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland: Im November 2019 tun sich der Bundesverband der Deutschen Industrie (mit dem Institut der deutschen Wirtschaft, IW) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (mit dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, IMK) zusammen und fordern auf einer Pressekonferenz eine massive Investitionsoffensive für Deutschland. Gefordert werden ein Abbau des Investitionsstaus in den Gemeinden (138 Mrd. €) für einen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, für den Breitband- und Fernstraßenbau (jeweils 20 Mrd. €), für Bildung (110 Mrd. €), für die Wohnungsbauförderung (15 Mrd. €), für die Bahn (60 Mrd. €) und für den Ausstieg aus kohlenstoffhaltigen Energieträgern (75 Mrd. €). Auch eine Finanzierung über Kredite wird empfohlen (niedriges Zinsniveau, Gesamtschulden schon unter 60%). Gerade die Finanzierung ist umstritten: Sperre? Substitution von Investitionen? Verfahren für eine bessere Ausstattung der Verwaltung? Laut einer Studie kann Deutschland den Investitionsbedarf über die nächsten zehn Jahre ohne neue Steuern und aussetzen der Schuldenbremse bewerkstelligen. Vgl. Friedrich Heinemann, ZEW/ Mannheim, 2022.

Laufende Investitionsprogramme des Bundes im Herbst 2020: 1. Energie- und Klimafonds (35 Mrd. €). 2. Kita-Ausbau IV, Kita-Ausbau V (2,3). 3. Digitalfonds Giganetzausbau (2,2). 4. Digitalfonds Schule (2,117). 5. Kommunalinvest I (3,5). 6. Kommunalinvest II (3,5). 7. Ganztagesausbau (1,5).

Beschleunigte Abschreibungen/ Sofortabschreibungen: Mit dieser Maßnahme hatte Reagan in den USA gearbeitet. Im Kern hat er Unternehmen erlaubt, Investitionen sofort oder zumindest beschleunigt gegen Gewinne zu verrechnen (nicht erst, wenn die Investitionsgüter verbraucht werden). Diese Maßgabe wirkt umso stärker, je höher die Unternehmenssteuern sind. Vgl. Konrad, Kai/ Rocholl, Jörg: Von Reagan lernen, in: Die Zeit, Nr. 53, 18.12.19, S. 32..

Nicht allein Investitionen! : Die Veränderungen für das kommende Jahrzehnt (ab 2020) werden nicht allein mit Geld für Sachgüter zu lösen sein. Handlungsweisen, die in die Krise (vor allem die von 2008) geführt haben , müssen verändert werden. Routinen müssen durchbrochen werden. Die Vergangenheit wird kaum noch Lösungen für die Zukunft bieten. Falsche Entscheidungen für Investitionen müssen natürlich korrigiert werden (etwa die Rentengeschenke). Wir müssen lenkend in den Bildungs- und Arbeitsmarkt eingreifen (mehr Handwerker, mehr Ingenieure), wir müssen bürokratische Abläufe verändern, wir müssen den Sozialbereich zurückfahren.

Öffentliche Infrastruktur: Teil des Kapitalstocks, der für den Betrieb einer Volkswirtschaft grundsätzlich erforderlich ist. Die Infrastruktur eines Landes ist ein wichtiger Bestandteil der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. In Deutschland ist ein großer Teil der Infrastruktur veraltet. Der Investitionsbedarf steigt massiv, während die Finanzierbarkeit sinkt (Investitionslücke wie groß?). Eine Expertenkommission (Fratzscher) hat 2015 nach Wegen der Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur, insbesondere in Kommunen, gesucht. Kontrovers ist, inwieweit private Investoren gewonnen werden können und sollen. Die Finanzierungsmethode muss unter Einhaltung der Schuldenbremse festgelegt werden. Schwierig wird die Kalkulation der Kosten. Schwierig ist auch die Einhaltung von Effizienz, Transparenz und politischer Gerechtigkeit. Ein besonders Problem stellt die Belastung der Kommunen durch Sozialausgaben dar. 2016 plant das Bundesverkehrsministerium Rekordinvestitionen für die Modernisierung von Straßen und Autobahnen. Bei der Qualität der Infrastruktur liegt Deutschland auf Platz 8 in der Welt (an der Spitze liegen Hongkong, Niederlande, Frankreich). Ende 2016 einigen sich der Bundesverkehrsminister und die EU-Kommission auf die Einführung einer PKW-Maut in Deutschland. Die LKW-Maut soll ab Mitte 2018 außer auf Autobahnen auf alle Bundesstraßen ausgeweitet werden. In den nächsten 15 Jahren (von 2017 an) sollen 270 Mrd. Euro für Straßen und Schienen investiert werden (Quelle: Bundeswegeplan, vom Bundestag Ende 2016 verabschiedet). Bis 2015 ab 2017 wollen Bundesregierung und Wirtschaft 100 Mrd. € in den Ausbau der digitalen Infrastruktur stecken. Die Städte fordern Ende 2017 viele Milliarden (126 Mrd. €) von der Bundesregierung für Infrastruktur (Schulen, Schwimmhallen, Plätze, Straßen, Kita, Sportstätten, Brücken, Breitband). 2020 warten zwei Drittel aller Bahnbrücken auf eine Reparatur. Die Sanierung aller Brücken dürfte 18,5 Mrd. € kosten.

Infrastrukturinvestitionen statt Subventionen: Die Infrastrukturinvestitionen in Deutschland nehmen seit Jahren ab. Insbesondere die Gemeinden haben drastisch weniger investiert., nicht wegen eines geringeren Bedarfs, sondern wegen erheblicher Finanzprobleme. Über den langen Zeitraum sind auch Planungs- und Genehmigungskompetenzen verloren gegangen. Entscheidend dafür, dass dei Kommunen ihre Investitionstätigkeit wieder aufnehmen können, ist die Schaffung stabiler finanzieller Rahmenbedingungen. Ausweg könnte die Schaffung einer neuen Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe sein. Vgl. Gornig, Martin: Infrastrukturinvestitionen statt Subventionen, in: Wirtschaftsdienst 2019/ Sonderheft, S. 44ff. Infrastrukturinvestitionen gewinnen im Rahmen der Maßnahmen gegen den Klimawandel sicher an Bedeutung.

Öffentliche Abschreibungen: Sie sind in Deutschland langfristig nicht vergleichbar, weil es sie früher in den öffentlichen Haushalten nicht gab. Insofern wurde der öffentliche Wertverlust nicht registriert. Anfangs wurden die Abschreibungen als Kalkulatorische Kosten ins Rechnungswesen übernommen. Ab der Neunzigerjahre gibt es Daten über den Wertverlust. 2016 liegt er bei etwa 70 Mrd. Euro (1991 ca. 38 Mrd. €).

Vergaberecht: Der Staat soll günstig einkaufen und Korruption unterbinden und Sozialstandards wahren. Das System des Vergaberechts ist aber hochgradig fehleranfällig und widersprüchlich. Zu oft wird nur der preis als Kriterium genommen.

Staatlicher Kapitalstock: Öffentliche Infrastruktur. Bruttoanlagevermögen, Nettoanlagevermögen, Nettoinvestitionen. Die Daten stammen aus der VGR. Auf Basis des realen Bruttoanlagevermögens findet in Deutschland kein Verzehr des staatlichen Kapitalstocks statt. Die Zuwächse werden schwächer.  Stagnation zeigen sich beim Nichtwohnungsbau, insbesondere bei der staatlichen Infrastruktur. Seit 1991 ist ein durchgehender Rückgang des Modernisierungsgrades zu verzeichnen. Vgl. Grömling, M./ Hüther, M./ Jung, M.: Verzehrt Deutschland seinen staatlichen Kapitalstock, in: Wirtschaftsdienst 2019/ 1, S. 25ff.

Zukunftsfonds/ Staatsfonds: Staatsfonds können wie folgt systematisiert werden: 1. Pensions- und Rentenfonds. 2. Rücklagen- und Sparfonds. 3. Direkte Ausschüttungsfonds. 4. Entwicklungs-, Infrastruktur- und Investitionsfonds. Vgl. Bönke, Timm: Staatsfonds: Systematisierung, internationale Beispiele und Lehren für Deutschland, in: Wirtschaftsdienst 2019/8, S. 527ff. Vorteile sind: Effiziente Kapitalallokation. Erhöhtes Volumen. Signalwirkung. Nachteile sind: Deutschland hat so gut wie kein Öl. Die Mittel lösen Begehrlichkeit aus. Finanzierung über Schulden.

Bundesverkehrswegeplan (BVWP): Er ist eines der wichtigsten Planungsinstrumente für Deutschlands Verkehrsadern und für zukünftige Investitionen in die Infrastruktur. Der BVWP 2015 basiert auf der Verkehrsprognose bis 2030. Er gilt für zehn bis fünfzehn Jahre. Einige Gesetzentwürfe der Bundesregierung deuten auf eine Privatisierung größerer Straßennetze an Konzerne hin. Für die geplante Privatisierung des deutschen Autobahnnetzes über die PKW-Maut werden die Autofahrer kräftig zahlen müssen. Von 2026 an werden die Bundes-Mittel für Brückensanierung auf 2,5 Mrd. € erhöht. Bis dahin sollen ab 2023 1 Mrd. € für marode Brücken ausgegeben werden.

Verkehrsinfrastruktur: "Die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland ist in vielen Bereichen deutlich verbesserungsfähig. Neben der allgegenwärtigen Kritik an der Deutschen Bahn steht auch die Infrastruktur der Autobahnen und Straßen im Fokus. Angesichts der Haushaltslage lassen sich Priorisierungen bedauerlicherweise nicht umgehen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr versucht zurzeit, die Planung, Genehmigung und Umsetzung beim Ausbau bedeutender Verkehrswege zu beschleunigen. Die Herausforderung, die Verkehrsinfrastruktur im Lichte der Energie- und Verkehrswende zukunftsfähig auszurichten, ist nicht nur eine kurzfristige Aufgabe eines Haushaltsjahres oder einer Legislaturperiode, wenn beispielsweise an die Mobilitätswende hin zu mehr E-Mobilität und an autonomes Fahren gedacht wird." Siehe Zeitgespräch Herausforderung Verkehrsinfrastruktur, in: Wirtschaftsdienst H.6/ 2023, S. 363.

Bürgerhaushalt: Auf kommunaler Ebene Modelle der Bürgerbeteiligung beim Haushalt. Zuerst in Berlin-Lichtenwald. Dann auch Projekte in Köln, Stuttgart, Frankfurt und Worms. Vgl. http://www.buergerhaushalt.org .

Bürokratieabbau: Der Kampf gegen Bürokratie und ineffiziente Verwaltung ist ein Dauerbrenner. Am berühmtesten ist "Parkinsons Law". Je mehr Beamte in einer Verwaltung arbeiten, desto länger dauern die Verwaltungsakte. Parkinson war 1950 von der britischen Krone als Hochschullehrer nach Singapur versetzt worden. Sein Werk ist voller Ironie und Witz. Verdient gemacht hat sich auch der US-Ökonom William Niskanen (1933-2011). Er erklärte das Wachsen der Verwaltung mit der mikroökonomischen Nutzentheorie. Der Auslagerung von Tätigkeiten in den privaten Bereich sind Grenzen gesetzt, wie viele Bereiche beweisen (Pflege, Krankenhäuser, Bundeswehr). Vgl. Losse, Bert: "Bürokratieabbau ist Sisyphus in Reinform", in: WiWo 45, 5.11.21, S. 36f. Die Ampel-Koalition 2021 schreibt Bürokratie-Abbau auf ihre Fahnen. Es soll zu Entlastungen und mehr E-Government kommen.

Beteiligung am EU-Haushalt: Nach der Corona-Krise wird ein riesiges Finanzpaket auf einem EU-Gipfel beschlossen. Insgesamt 1,8 Billionen Euro umfasst der Kompromiss. Teil des Pakets ist ein Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Mrd. Euro. Deutschland muss zukünftig 10 Mrd. € mehr in den EU-Haushalt einzahlen (Brexit, Corona; 40 Mrd. €).

Corona-Krise 2020 und EU: Die Südländer der EU werden 2020 stärker von der Corona-Krise getroffen. Das gilt besonders für Italien (Oberitalien), Spanien und Frankreich. Die Gesundheitssysteme der Länder waren aufgrund von Sparmaßnahmen auch nicht die stärksten. Deshalb zählt man hohe Todesraten. Umstritten sind EU-Hilfen kurzfristiger Art. Die Länder sind schon hoch verschuldet. Man diskutiert Euro- (Corona-) Bonds und eine ESM - Lösung. Letztere lässt die Haftung bei den LändernBund ist an Bedingungen gebunden. Die Verteilung wäre: ESM 200 Mrd. €, EIB 200 Mrd. €, EU-Kommission 100 Mrd. €. Die Staats- und Regierungschefs einigen sich am 23.04.20 auf das Paket. Ein Wiederaufbau-Programm soll zusätzlich kommen. Die EU-Kommission erhält einen Arbeitsauftrag dafür. Deutschland und Frankreich vereinbaren am 18.05.20 einen Wiederaufbaufonds (Recovery, Europa-Fonds). Er soll einen Umfang von 500 Mrd. € haben. Er soll als Zuwendung kommen, nicht als Kredit. Die EU soll sich verschulden können, zurückgezahlt werden die Gelder von allen EU-Mitgliedern nach einem Schlüssel. Alle EU-Länder müssen zustimmen. Die Frage ist, ob sich die "nördlichen Geizkragen" und die "südlichen Geldausgeber" einig werden.  Vier nördliche Sparländer (Österreich, Schweden, Dänemark, Niederlande) machen einen Gegenentwurf (Sparsame Vier): Wiederaufbaufonds ja, Schuldenerlaubnis für EU ja. Aber mehr Kredite und kürzere Laufzeiten. Die entscheidende Frage dürfte demnach das Verhältnis von Krediten und Zuwendungen sein. Die EU-Kommission stockt das Programm dann noch auf auf 750 Mrd. €. Das ist deutlich mehr Geld. Italien (173 Mrd. €) und Spanien (140 Mrd. €) sollen den Großteil der Hilfen bekommen. 500 nicht rückzahlbare Zuwendungen, 250 Kredite. Das Programm soll von 2021 bis 2027 laufen. Für Deutschland sind 29 Milliarden reserviert. Die Schulden würden dann zwischen 2028 und 2058 über den EU-Haushalt getilgt. Das Geld soll in Investitionen für die Zukunft fließen. Hoffentlich entwickelt man auch eine Strategie: Zum Beispiel sollte man die 5-G-Technik von Nokia und Erikson kaufen, um eine Abhängigkeit von China und den USA zu vermeiden. Macron und Merkel einigen sich bei einem Treffen auf Schloss Meseburg, dass der EU-Wiederaufbau bis Juli 2020 geregelt wird. In Frankreich tritt die Regierung zurück. Jean Castex wird neuer Premierminister. Für den Wiederaufbaufonds können zur Finanzierung Schulden aufgenommen werden. Da ist ein Tabubruch und ein Schritt Richtung politische Union. Eigentlich müssten dann auch mehr Kompetenzen auf dei europäische Ebene übertragen werden. Vgl. Das ist ein Tabubruch, Interview mit Otmar Issing, Die Zeit 30, 16.7.20, S. 21. Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten treffen sich am 17.7.20 in Brüssel. Es geht um den Wiederaufbau nach Corona. Der Gipfel könnte bis Sonntag dauern. Man will auch die EU-Staatsanwaltschaft ausbauen, um missbrauch zu bekämpfen. Mitnahmeeffekte im Haushalt werden aber kaum zu verhindern sein. Ratspräsident Michel legt auf der Sitzung einen Kompromiss-Vorschlag vor: 300 Mrd. € Kredite, 450 Mrd. € Zuschüsse. Sparländer bekommen Rabatte. Länder bekommen mehr Zoll-Anteile. Blockaden möglich. Man spricht von Super-Notbremse, einem neuen Mechanismus zur Kontrolle der Auszahlung. Die Mittel für Ost-Europa sollen gekürzt werden (Veto Ungarn? auch bei fehlender Rechtsstaatlichkeit). Es wird auch der EU-Finanzrahmen für 2021 bis 2027 verhandelt. Erst am Montag zeichnet sich ein Rahmen ab: 360 Mrd. € Kredite, 390 Mrd. € Zuschüsse. Die Sparländer (Österreich, Dänemark, Schweden, Niederlande, Finnland) sollen bei den Beitragszahlungen Rabatte bekommen. Die Hilfsfonds sollen an Bedingungen gekoppelt werden. Rechtsstaatlichkeit soll Voraussetzung für Zahlungsempfang sein. Es ist der längste Gipfel der EU-Geschichte. Am 21.7.20 einigt man sich. Der EU-Haushalt soll gekürzt werden (Gesundheit, Migration, Forschung, Klima). Deutschland muss jährlich 10 Mrd. € mehr in den EU Haushalt einzahlen: künftig sind es 40 Mrd. €. Nicht dabei eingerechnet ist das Geld, das an Deutschland zurückfließt. Die beiden größten Profituere - Spanien, Italien - tun sich schwer mit konkreten Investitionsprojekten. Paris und Athen haben bereits Konzepte.

Ukraine-Krieg und Europäische Verteidigungsausgaben: Prozentual liegt die Ukraine an der Spitze (4,1% am BIP) vor Griechenland (2,8%). Absolut führt GB mit 59,2 Mrd. US-$ vor Deutschland und Frankreich (gleichauf mit 51,6 Mrd.). Stärkere Aufrüstung planen Polen, Skandinavien und Deutschland (Sondervermögen von 100 Mrd. €). Zuerst sollen US-Jets vom Typ F-35 beschafft werden (Stückpreis 80 Mio. €). Über eine Raketenabwehr aus Israel soll diskutiert werden.

Militärausgaben in Deutschland: Die Militärausgaben betrugen 1955 noch 3,8% des BIP. 2022 lagen sie bei 1,4%. 2024 sind 2% eingeplant. Die USA geben 3,5% des BIP für Militär aus. Die Bundeswehr hat im März 2022 183.758  Soldaten. Sie besitzt 289 Kampfpanzer, 209 Kampfflugzeuge und 47 Schiffe. Russland hat 14.777 Kampfpanzer, die USA verfügt über 4657.

 

Porto di Borsari in Verona/ Oberitalien/ Venetien. Das pittoreske römische Stadttor aus weißem istrischen Kalk war einst das Haupttor der Stadt. Im Mittelalter saß hier der bischöfliche Steuereintreiber, der den Leuten in die Tasche (=borsa) griff. Bei dem Ziel, mehr Steuern einzunehmen, war der Phantasie keine Grenze gesetzt. Ein Kriterium in Venetien war der Maulbeerbaum. Weil er als Symbol des Reichtums galt, wurde er besteuert. Zeitweise wurde auch die Zahl der Fenster besteuert (unter anderem auch in Schottland). Die Folge war, dass viele zugemauert wurden. Im alten Roma wurden zeitweise die Toiletten besteuert, woher der Spruch "Pecunia non olet" stammt (Geld stinkt nicht).

Steuern (Steuerpolitik, Einnahmen, Besteuerung; zur betrieblichen Steuerlehre vgl. Mittelstandsökonomik ; einige Semester habe ich die Veranstaltung "Steuerlehre" durchgeführt, die interdisziplinär gehalten war und sich mit Unternehmenssteuern beschäftigte. Ein besonderer Schwerpunkt war die Besteuerung von KMU und innovative Entwicklungen). Auch in diesem Bereich wachsen Betriebs- und Volkswirtschaftslehre zusammen. In den USA gibt es schon keine Trennung mehr. Auch bei mir ist deshalb der betriebswirtschaftliche Bereich eher kurz gehalten, weil alles Wichtige an dieser Stelle schon abgehandelt wird. Steuern ist eines der faszinierendsten Gebiete der Wirtschaftswissenschaften, weil man mit allen Bereichen der Sozialwissenschaften in Berührung kommt. Das Gebiet ist auch politisch sehr interessant, weil es die meisten Bürger intellektuell überfordert. Der "Augenwischerei" sind Tür und Tor geöffnet. Ein gutes Beispiel ist eine effektive Vermögenssteuer, wenn sie auf spekulative Immobilien erhoben würde. Erwähnenswert ist auch die Neugestaltung der Grundsteuer, die aufkommensneutral sein sollte. Eine glatte politische Lüge, der die Medien nicht genug Aufmerksamkeit widmen. Soziale Sicherung und Einkommensverteilung auf der Seite "Economics/ spezial/ Arbeitsökonomik.

Einnahmen der öffentlichen Haushalte: Neben Steuern (Zwangsabgaben, ohne konkrete Gegenleistung) gehören Gewinne bei öffentlichen Unternehmen, Beiträge und Gebühren zu den Einnahmen. Bei letzteren gilt das Äquivalenzprinzip, d. h. es mit der Zahlung wird ein Anspruch auf eine konkrete Gegenleistung erworben. Gerade auf kommunaler Ebene ist die Festlegung der Höhe der Gebühren kompliziert (kalkulatorische Kosten). Die Steuereinnahmen des Staates liegen mittlerweile über 600 Mrd. €. Laut Steuerschätzung sollen sie wieder leicht sinken.  Im ersten Halbjahr 2013 steigen sie allerdings im Vergleich zum Vorjahr um 3,5%. Die Steigerung ist insbesondere auf höhere Löhne zurückzuführen. 2013 sind die Steuereinnahmen in Deutschland um 3,3% auf 570 Mrd. € gestiegen. Im März 2014 erreichen die Einnahmen mit 55,4 Mrd. Euro einen Höchststand. Die Verkehrswegegebühren (Maut: entfernungsabhängig versus zeitabhängige Vignette) in Verbindung mit Ausländerdiskriminierung ist immer wieder in der Diskussion. Die Steuerschätzung 2016 rechnet für die nächsten Jahre mit höheren Einnahmen: 2016  696 Mrd. €, 2021 836 Mrd. €. Das Bundesfinanzministerium rechnet 2020 mit 825 Mrd. € Steuereinnahmen von Bund, Länder und Gemeinden. Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden sind nach Quellen wie folgt verteilt (2016): Mehrwertsteuer 30,8%, Lohnsteuer 26,2%, Einkommensteuer 7,6%, Gewerbesteuer 7,1%, Energiesteuer 5,7%, Kapitalertragsteuer 2,8%, Sonstiges 19,8%. Im Zeitraum Januar bis August 2017 steigen die Steuereinnahmen um 6,8% (gute Beschäftigungslage). Durch die Corona-Krise 2020 (Lockdown) brechen die Steuereinnahmen 2020 um bis zu 100 Mrd. € ein (Bund -44, Länder -35, Kommunen -16, Abführungen an EU -4). Bis 2024 wird mit einem Einnahmeverlust von -171,1 Mrd. € gerechnet. Konkret im Juni 2020 brechen die Steuereinnahmen des Staates (ohne Gemeindesteuern) um 19% gegenüber dem Vorjahresmonat ein. Zählt man die Kommunen dazu, beträgt der Rückgang sogar 20,6%. Am stärksten war das Minus bei der Energiesteuer (-25,8%). Ein Plus gab es dagegen bei der Tabaksteuer (+22,3%). Im ersten Halbjahr 2020 gingen die Steuereinnahmen erstmals seit 2012 wieder drastisch zurück: Die Einnahmen der Haushalte von Bund, Länder, Gemeinden , Sozialversicherungen  betrugen 709,4 Mrd. € (-5%). Zugleich stiegen die Ausgaben um 8,6% auf 797,8 Mrd. €. Die Lücke führte zu einem Finanzierungsdefizit von 89 Mrd. € (Quelle: Statistisches Bundesamt, Oktober 2020). Im Januar 2021 liegen genauere Zahlen für 2020 vor: Dei Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden sanken 2020 um 7,3% gegenüber dem Vorjahr (rund 682 Mrd. €). Bei den einzelnen Steuerarten sehen die Einbrüche wie folgt aus: Luftverkehrssteuer -75%, Umsatzsteuer -9,8%, Körperschaftssteuer -24,2%.  Die staatlichen Steuereinnahmen fallen 2021 und 2022 noch geringer aus als gedacht (Schätzung im Mai 21): Erst 2023 wird der Bund wieder so viel Steuern einnehmen wie 2019. Nach dem Einbruch 2020 sind die Steuereinnahmen von Bund- Ländern und Gemeinden 2021 wieder gestiegen: 761 Mrd. € (+11,5% gegenüber dem Vorjahr). Im ersten Halbjahr 2022 sind dei Steuereinnahmen von Bund und Ländern kräftig gestiegen: +17,5% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Aktuelle Einschätzung der Einnahmensituation: 2023 steigen die Einnahmen des Staates (wahrscheinlich auf 937,3 Mrd. €). Doch noch schneller steigen die Wünsche von Bürgern, Politik und Verbänden.  Dabei ergeben sich einige Risiken. Risiko 1: Steuern rauf. Risiko 2: Rentenheer und Soziales. Risiko 3: Bundeswehr und Krieg. Vgl. Biederbeck, Max u. a.: Das Geld ist nicht genug, in: WiWo 18/ 28.4.2023, S. 14ff. Nach einem Rückgang im Winter 2022/23 tritt die Wirtschaft im Frühjahr 23 auf der Stelle. Das wirkt sich negativ auf die Steuereinnahmen aus. Andererseits belasten die Milliardenhilfen die öffentlichen Haushalte.

Steuer: Abgabe, die seitens der Regierung von Unternehmen und Privatpersonen erhoben wird. Die Zahlung ist gesetzlich geregelt. Es handelt sich um eine Zwangsabgabe ohne Anspruch auf eine Gegenleistung. In Deutschland bestand von Aufkommen her 2016 folgende Rangliste: Lohnsteuer, Veranlagte Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Energiesteuer, Körperschaftssteuer.

Ursprung des modernen Steuerstaates in Deutschland: In Deutschland war dies 1920 mit den "Erzberger Steuer- und Finanzreformen", die die öffentlichen Finanzen in Deutschland grundlegend umgestalteten. Sie zentralisierten die Finanzverfassung und modernisierten das Steuersystem. Einkommensteuer, Körperschaftssteuer und Erbschaftsteuer wurden deutschlandweit vereinheitlicht (auch Erhöhungen). Es wurde auch eine Vermögensabgabe eingeführt und die indirekten Steuern wurden ausgebaut. Die gesamtwirtschaftliche Steuer- und Abgabenbelastung verdoppelte sich bis 1925. Vgl. Bach, Stefan/ Buggeln, Marc: Geburtstunde des modernen Steuerstaats in Deutschland 1919/1920, in: Wirtschaftsdienst 2020/ 1, S. 42ff.

Geschichte des modernen Steuersystems: Der Druck für Steuern oder Steuererhöhung kam oft durch das Militär. Eine Berufsarmee musste finanziert werden. Für die Gründung einer Berufsarmee brauchte Ludwig XIV. in seinem absolutistischen Staat in Frankreich ein gutes Steuersystem. Das war die Entstehung des Merkantilismus unter Finanzminister Colbert. Dieses System übernahm Preußen in Deutschland (Kameralismus). Wenn eine Finanzierungslücke da war, war man kreativ in der Erfindung neuer Steuern (Latrinensteuer im Alten Rom, Fenstersteuer in Schottland). Berühmt ist die Änderung des Steuersystems in Britannien zur Zeit von Richard Löwenherz: Das war Ende des 12. Jahrhunderts. Richard war der mächtigste Herrscher seiner Zeit und Held der Kreuzzüge (zuletzt Kompromiss mit Saladin im Heiligen Land: Jerusalem bleibt arabisch, aber freier Zugang für Christen). Auf dem Rückweg durch Europa wurde er in Wien gefangen genommen. Er hatte Herzog Leopold von Österreich im Heiligen Land beleidigt (Fahne in den Sand getreten). Der hatte Heinrich den VI. in Deutschland im Rücken. Beide forderten ein extrem hohes Lösegeld (zuletzt 150.000 Silbertaler). Richard saß am Schluss in der Kerkerburg Annweiler in der Pfalz. Um das Lösegeld finanzieren zu können, ließ die Mutter von Richard, Eleonore von Aquitanien, ein systematisches Steuersystem in Britannien entwickeln. Grundzüge davon gelten noch heute. Man weiß darüber jede Einzelheit, weil darüber genau buch geführt wurde (ist vollständig erhalten in der Nationalbibliothek)

Wirtschaftsgeschichte und Steuersystem: In Deutschland gewinnt ein Professor für Wirtschaftsgeschichte (Davide Cantoni, LMU München, studierte auch bei Acemoglu) 2019 den Hermann-Heinrich-Gossen-Preis. Er forscht über die Folgen historischer Einschnitte. Er bezieht ökonometrische Verfahren in die wirtschaftshistorische Forschung ein. Er machte auch eine bekannte Studie über die ökonomischen Folgen der Reformation. Interessant sind auch seine Forschungen übe rdie Geschichte des deutschen Steuersystems. Die Analyse geht bis ins 15 Jahrhundert zurück. Deutsche Territorien, die ab dem 16., Jahrhundert leistungsfähige Institutionen zur Besteuerung einführten, waren ökonomisch erfolgreicher - und ihr Risiko langfristig von der Landkarte zu verschwinden, war deutlich geringer. Hoch spezialisierte Transkriptionsfirmen in Asien (Indien, Vietnam) übertragen Daten in Exceldateien.  "Die Digitalisierung und Big Data haben der Wirtschaftsgeschichte einen enormen Schub verschafft. Das führt auch zu besseren Kooperationsmöglichkeiten zwischen Wirtschaftshistorikern und Ökonomen", Davide Cartoni, Wirtschaftsgeschichte LMU München, Quelle: WiWo 22/28.5.21, S. 24.

Steuersysteme des Auslands: Man braucht Vergleichskriterien. 1. Man kann die Anteile einzelner Steuern am Steueraufkommen nehmen. 2. Der Einkommensbegriff. 3. Tarifsystem (Progressionsgrade). 4. Eingangssteuersatz, steuerfreies Existenzminimum, Ehegatten. 5. Kinderbezogene Vorschriften. 6. Lastquoten. Vgl. Schmölders, Günter/ Hansmeyer, K.-H.: Allgemeine Steuerlehre, Berlin 1980, S. 266ff.

Bund der Steuerzahler (BdSt): Bundes- und Landesverbände. Die Gemeinnützigkeit ist umstritten, weil immer wieder durch den Lobby-Verband ein Engagement in die aktuelle Politik stattfindet. Ende 2023 beschwert sich die Kampagnenorganisation Campact bei den Finanzämtern darüber.

Prognose: Prognostiziert werden die Steuereinnahmen von einem Arbeitskreis "Steuerschätzungen" (seit 1955). Unter Federführung des Bundesfinanzministerium treten 35 Fachleute zusammen (Wirtschaftsforscher, Statistisches Bundesamt, Deutsche Bundesbank, SRW, Länderfinanzministerien, Kommunale Spitzenverbände). Grundlage der Schätzung sind die Eckdaten der Bundesregierung. Für jede Einzelsteuer errechnen die Arbeitskreismitglieder Prognosen. Als nächstes werden die auf Bund, Länder und Gemeinden sowie die EU entfallenden Steuern ermittelt. Insgesamt sind die Steuerschätzungen relativ genau. Dies gilt insbesondere für die Ansätze, die das laufende Jahr schätzen. Wegen der Doppelhaushalte vieler Länder bekommen die Schätzansätze des folgenden Jahres zunehmende Bedeutung.  Schwieriger ist die Situation bei den einzelnen Steuerarten. Vgl. Wixforth, Jürgen: Ins Schwarze getroffen? - Zur Prognosegenauigkeit der Steuerschätzungen, in: Wirtschaftsdienst 2018/11, S. 805ff. Von 2013 auf 2017 können die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden um zusätzlich 14 Mrd. Euro steigen (Herbstprognose 2013 des Arbeitskreises). Der Bund geht fast leer aus. Die Prognose im November 2017 geht von 734 Mrd. € Steuereinnahmen 2017 aus (2,0% Wachstum dieses Jahr und 1,9% 2018). 2022 sollen es dann 890 Mrd. € sein. 63 € Milliarden mehr an Steuereinnahmen als angenommen sollen bis 2022 in die Kassen von Bund, Länder und Gemeinden fließen. 2018 erhöhen die Steuerschätzer ihre Prognose für 2018 (775,3 Mrd. €). 2019 wird in den nächsten Jahren mit weniger Steuereinnahmen gerechnet. Die nächsten 5 Jahre sollen 25 Milliarden Euro weniger eingenommen werden, pro Jahr ca. 5 Mrd. €. Grund ist die schlechtere Konjunktur. Trotz der schlechten konjunktur sprudeln 2019 noch die Steuereinnahmen: Es kommen noch vier Milliarden Euro dazu. Bis 2023 wird aber ein Minus von 7,1 Mrd. Euro erwartet. Durch die Corona-Krise 2020 (Lockdown) brechen die Steuereinnahmen 2020 um bis zu 100 Mrd. € ein (Bund -44, Länder -35, Kommunen -16, Abführungen an EU -4). Bis 2024 wird mit einem Einnahmeverlust von -171,1 Mrd. € gerechnet. Es entsteht eine Diskussion um eine Obergrenze der Neuverschuldung (100 Mrd.? € Bayern). Im September 2020 legt der AK "Steuerschätzungen" eine neue Prognose vor: Corona lässt die Steuereinnahmen 2020 drastisch einbrechen (81,5 Mrd. €; Bund 44, Länder 35, Kommunen 15,6, EU 4). Bis 2024 betragen die Rückgänge -315,9 Mrd. €.  Mitte November 2020 legt der Arbeitskreis Steuerschätzung neue Zahlen vor: Die Steuereinnahmen sind höher als im September befürchtet. Die Steuerschätzung im November 2021 bringt Erfreuliches zutage: Die Steuereinnahmen von Bund und Ländern dürften bis 2025 um 179 Mrd. € höher ausfallen als noch im Mai 21 geschätzt. Allein für 2021 werden 38,5 Mrd. € mehr Steuern erwartet. Nach der Schätzung 2022 können Bund, Länder und Kommunen bis 2026 mit 220,4 Mrd. € Mehreinnahmen rechnen. Die Prognose ist aber mit riesigen Unsicherheiten behaftet. Quelle: Arbeitskreis Steuerschätzungen. Ende Oktober 2023 setzt der Arbeitskreis die Steuerschätzung bis 2026 noch mal nach oben: +126,4 Mrd. € (viele Steuern auch durch die Inflation, Umsatzsteuer, Einkommenssteuer). Die Schätzung ändert sich im Mai 2023: Der Arbeitskreis Steuerschätzungen rechnet nur noch für 2024 mit 962 Mrd. € Einnahmen. Damit gehen die Steuereinnahmen um rund 34 Mrd. € zurück. Grund ist wohl der beschlossene Inflationsausgleich. Für den Bundeshaushalt sieht Lindner keinen neuen finanziellen Spielraum.

Steueraufkommen: Das Steueraufkommen in Deutschland hängt maßgeblich von Einflussfaktoren ab. Zum einen ist die wirtschaftliche Entwicklung entscheidend. Zum anderen wirkt sich der demographische Wandel aus. Die demographische Entwicklung wird negative Effekte auf das Steueraufkommen haben (Steuerschwund; Gutachten von Fraunhofer und Prognos 2016). Die dritte Determinante ist die Steuergesetzgebung (Steuersätze, Steuererleichterung). Bis 2021 können Bund, Länder und Gemeinden rund 54 Mrd. € höhere Steuereinnahmen erhalten als bisher eingeplant (Arbeitskreis Steuerschätzung 2017 im Frühjahr). In der Herbstprognose 2017 kommt man auf 890 Mrd. € 2022.

Steuerarten (Steuer von althochdeutsch "Stiura": Personen von Gemeinwesen auferlegte Geldleistung ohne Anspruch auf individuelle Gegenleistung): Volkswirtschaftlich grundlegend ist die Unterscheidung von direkten und indirekten Steuern. Direkte Steuern, müssen von den Steuerschuldnern direkt an das Finanzamt abgeführt werden und sind nicht überwälzbar (Einkommensteuer). Indirekte müssen in der Regel vom Endverbraucher getragen werden (überwälzt, Beispiel Umsatzsteuer). Die wichtigsten Steuerarten in Deutschland sind die Einkommensteuer, Verkehrsteuern (Umsatzsteuer, Grunderwerbssteuer, Versicherungsteuer), Verbrauchstuern (Biersteuer, Branntweinsteuer, Tabaksteuer, Mineralölsteuer), Ertragsteuern (Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer, Einkommensteuer der KMU, Grundsteuer), Erbschaftsteuer, Importzölle (nur EU). Über einen längeren Zeitraum gesehen wurden in Deutschland die direkten Steuern eher gesenkt. Dafür wurden die indirekten Steuern erhöht (Beispiel Mehrwertsteuer). Historisch gesehen gab es schon die ungewöhnlichsten Steuern: Im alten Rom musste jeder Bürger, der ein bestimmtes Körpergewicht überschritt, eine Bauchsteuer zahlen. Im alten China gab es eine Zopfsteuer. Unter Zar Peter dem Großen gab es in Russland eine Bartsteuer. Das Mittelalter kannte die Bettelsteuer. In England entstand Mitte des 18. Jahrhunderts die Hundesteuer. Das "Chauseegeld" (Pferd und Kutsche) war der Vorgänger der KFZ-Steuer. Kuriositäten waren auch die Nachtigallsteuer und die Nachhocksteuer (Zecher). 2014 wird zum ersten Mal in Deutschland eine Wettbürosteuer eingeführt. Das ist in der Stadt Hagen in NRW. Sie soll prohibitiv wirken und das Entstehen neuer Wettbüros verhindern.

Volkswirtschaftlich orientierte Steuereinteilung: Direkte Steuern: Schuldner und Zahler fallen zusammen. Direkt vom Gewinn oder von den Einnahmen erhoben (Einkommensteuer, Erbschaftsteuer). Indirekte Steuern: Schuldner und Zahler fallen auseinander. Sie fallen beim Kauf von Waren und Dienstleistungen an (Mehrwertsteuer, Zigarettensteuer).

Prinzipien der Steuerpolitik: Die Steuerpolitik strebt nach Steuereffizienz, sollte aber auch Steuergerechtigkeit bzw. Steuerfairness erreichen. Zwei Prinzipien der Gerechtigkeit: Äquivalenzprinzip (wer von den Ausgaben profitiert, soll die Steuern tragen) und Leistungsfähigkeitsprinzip (Steuerlast nach der ökonomischen Leistungsfähigkeit). Vgl. Diamond, P./ Mirrlees, J., Optimal Taxation and Public Production, in: AER, 1971. Die moderne Steuerpolitik ist immer unsystematischer und trickreicher. Aufschläge, z. B. bei Bankgebühr, Stromrechnung und Urlaubsreise, werden häufiger. Spekulationsgrenzen und Sparerfreibeträge werden verändert. Der Solidaritätszuschlag dient eher dem Stopfen von Haushaltslöchern (soll künftig sogar für Straßenbau auch im Westen sein). Die Öko-Steuer fließt in die Rentenkasse. Die Energiewende-Steuern werden nicht so genannt. Alles im Sinne einer geringeren Merklichkeit. Bei vielen Steuern werden auch die wahren Gründe in den Hintergrund gedrängt. Z.B. werden bei der Zigarettensteuer und deren Erhöhung gesundheitliche Gründe genannt. Oft steht aber der Einnahmeaspekt im Vordergrund. Dabei kann es aber leicht zu Steuerhinterziehung bzw. -Ausweichung kommen (schon jede zweite Zigarette in Berlin ist "Jin Ling").   Im Oktober 2010 macht die Bundesregierung ein kleines Steuerpaket: höhere Tabaksteuer, geringere Ökosteuer. Die Prinzipien sind schwierig dabei analytisch umzusetzen. Bis 2014 gibt es aufgrund der Steuerschätzung 2011 mögliche Steuermehreinnahmen von 136 Mrd. € gegenüber früheren Steuerschätzungen.

Steuergerechtigkeit: Steuergerechtigkeit ist immer wieder Thema auf den G20-Treffen. Es gibt keine allgemein verbindlichen Indikatoren. Nach Angaben der OECD hat Deutschland den niedrigsten Anteil an Unternehmenssteuern im Vergleich zu allen Nachbarländern. Proteste gegen hohe Steuern lösten schon Kriege aus. Als Indianer verkleidet entern Bostoner Bürger 1773 britische Frachtschiffe und kippen kistenweise Tee über Bord. Dies gilt als Auslöser des Unabhängigkeitskrieges der USA.

Steuersystem: Die ersten geschlossenen Überlegungen finden sich bei Anne-Robert-Jacques Turgot (1727-1781). 1763 erscheint sein Buch "Entwurf zu einem Essay über die Besteuerung". Er beschreibt, wer Steuern zahlen soll. Er entwickelte eine perfekte Steuergestaltung. Seine Prinzipien sind Gerechtigkeit und Effizienz.

Logik des staatlichen Steuersystems: 2016 gibt es Forderungen nach Steuern auf Roboterarbeit. Dabei wird offenbar, wie wenig zukunftsfest unsere Staatsfinanzierung ist. Sie hängt zu sehr am Faktor Arbeit. Eine Besteuerung der Roboterarbeit führte zu eine technischen Abgrenzungsdiskussion.

Die Grenzen der Besteuerung: Man unterscheidet ökonomische, psychologische Grenzen. Hinzu kommt die fiskalische Ergiebigkeit der  Steuern. Vgl. Schmölders/ Hansmeyer: Allgemeine Steuerlehre, Berlin 1980, S. 97ff.

Steuer - ID: Sie soll in Deutschland den Zugriff aller Behörden erlauben. Damit würde sie zu einer umfassenden Bürgernummer.

Bonpflicht: Die wurde 2020 eingeführt, um vor allem den Kassenbetrug in der Gastronomie zu stoppen. Fie Fianzämter kommen mit den Prüfungen nicht hinterher. Dem Staat entgehen Milliarden Euro. Die Kasse sendet Daten, die gespeichert werden. Diese Kassendaten werden dann exportiert und beim Finanzamt geprüft. Es erfolgt ein Abgleich über die TSE-Signatur. Vgl. Der Spiegel 6/ 3.2.24, S. 70.

Steuerquote: Steueraufkommen in Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Diese ist in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. In den skandinavischen Staaten ist sie relativ hoch (Dänemark ca. 50%). In den USA ist sie sehr niedrig (unter 30%). Deutschland liegt bei ca. 38% (je nach Berechnung bis 45%). Eine gesunde Wirtschaft benötigt prinzipiell auch einen starken Staat. Es besteht durchaus eine Korrelation zu der Verschuldungssituation, z. B. in den USA. Bei schrumpfender Bevölkerung sinkt auch die Basis der Staatsfinanzen. Man wird an höheren Steuersätzen nicht vorbei kommen, um Investitionen in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur zu tätigen. Zu niedrige Steuereinnahmen sind die eigentliche Ursache der Finanzprobleme vieler Länder. Hier ist vor allem Griechenland zu nennen (geringe Steuerehrlichkeit, Steuerhinterziehung). Der IWF errechnet 2013 ein Potential für Mehreinnahmen. Dies ist definiert als der Anteil der tatsächlichen Steuereinnahmen an den theoretisch maximal möglichen Steuereinnahmen. Die Industriestaaten liegen im Schnitt bei 70 Prozent. Deutschland erreicht den Wert 57%.   Durch das Steuerabkommen mit der Schweiz fließen viele zusätzliche Milliarden in die Haushalte von Bund und Ländern (liegt auf Eis). Der Bund erwartet ca. 3 Mrd. €. Die Länder rechnen mit ca. 7 Mrd. €. Von 2012 bis 2016 sagt der Arbeitskreis Steuerschätzung ca. 30 Mrd. mehr Steuereinnahmen voraus. Nach Angaben der OECD ist der Steuer- und Abgabenanteil am BIP 2011 auf 37,1% angestiegen (von 36,1% 2010). Der OECD-Schnitt liegt bei 34%. 2013 empfiehlt die EU-Kommission in dem Bericht "Europa-2020-Strategie" Deutschland die Abgaben- und Steuerbelastung zu senken (insbesondere für Geringverdiener; ein die Binnennachfrage stützendes Lohnniveau).

Trickle-down-Argument der Steuerpolitik: Tiefe Steuern für Wohlhabende führen zu mehr Wirtschaftswachstum. Das Argument zieht heute nur noch in konservativ-liberalen Kreisen. Statistisch kann es nicht belegt werden. Eher das Gegenteil ist der Fall. In Wahlkämpfen wird es immer aus der Mottenkiste hervorgeholt. Ein Aspekt des Arguments ist nicht zu übersehen: Höhere Steuern treffen überproportional viele hoch qualifizierte Angestellte und Unternehmer. Diese sind aber überdurchschnittlich mobil.

Laffer - Kurve: Nach dem US-Ökonomen Arthur Laffer (geb. 1940 in Ohio) benannter Zusammenhang von Steuersatz und Steuereinnahmen, der 1974 auf einer Serviette in einem Restaurant entstand. Die Steuereinnahmen steigen mit dem Steuersatz zunächst überproportional an, dann langsamer bis zu einem Maximalpunkt, danach sinken sie. Wenn Steuern ein bestimmtes Niveau übersteigen, weichen Steuerzahler aus und das Wirtschaftswachstum wird gedämpft. Reagan in den USA und Thatcher in GB setzten die Idee in der politischen Praxis um. Zwei IWF-Ökonomen haben die Kurve weiterentwickelt: Steuersünder werden einbezogen. 2009 versucht die Schwarz-Gelbe Koalition die Gratwanderung zwischen Stimulierung der Wirtschaft durch Steuersenkung und Konsolidierung des Haushalts. Die Laffer-Kurve erlebt bei Amtsantritt von Trump eine Renaissance. Trump glaubt auch daran, dass nur die Reichen entlastet werden müssen. Laffer ist ein Vertreter der Angebotstheorie, nach der der Staat sich weitgehend aus der Wirtschaft heraushalten sollte. Laffer lebt heute in Nashville/ Tennessee (studierte in Yale und Stanford: "Leistung muss sich wieder lohnen"). Seine Idee greift Trump wieder auf. Das Haavelmo-Theorem besagt, dass eine Steuererhöhung, deren Einnahmen sofort wieder für Waren und Dienstleistungen ausgegeben werden, nicht neutral, sondern positiv auf das Sozialprodukt wirkt. Steuersenkungen als Anreizinstrument sind umstritten (Spielraum, höherer Wachstumspfad, kalte Progression, Wahltaktik). Vom Schuldenstand der meisten Länder her gesehen sind sie Selbstbetrug. Das Schuldenloch wächst schneller als die meisten Wirtschaften. So werden Steuersenkungen über Schulden plus Zinslast bezahlt ("Steuererhöhungen von morgen", Generationen). Mit anderen Worten ist völlig offen, ob Steuersenkungen die Steuereinnahmen erhöhen. In Deutschland zahlten 2004 die 8,2% der Steuerpflichtigen mit dem höchsten Einkommen die Hälfte des Einkommensteueraufkommens. "Wenn Sie Menschen besteuern, die arbeiten...wird es viele geben, die nicht arbeiten...", Arthur Laffer.

Harberger-Dreieck: Mit diesem Diagramm (nach Arnold Harberger benannt) wird der Wohlfahrtsverlust auf einem Markt gemessen. Zu viele Steuern können dazu führen, dass Menschen nichts mehr kaufen können. Das bedeutet einen Wohlfahrtsverlust für die ganze Wirtschaft. Vgl. Harberger, A. C.: The Incidence of the Corporation Income Tax, in: Journal of Political Economy 70/ 1962, S. 215-240. Er behandelt nur den Fall sicherer Erträge. Eine Verallgemeinerung liegt auf der Hand.

Ricardianische Äquivalenz: Die Schulden von heute seien die Steuern von morgen. Schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme seien nutzlos. Rationale Bürger erkennen darin die Steuern von morgen und erhöhen ihren Konsum nicht.  Steuersenkungen können konjunkturell verpuffen, wenn Wirtschaftsakteure das zusätzliche Einkommen sparen, weil sie glauben, dass der Staat die Steuern später erhöht. Dieser Gedanke wurde von dem amerikanischen Ökonom Robert J Barro weiterentwickelt. Deshalb spricht man auch von Barro-Ricardo-Äquivalenzproposition (Ricardos Äquivalenz gilt nur, wenn die Steuerzahler ewig leben).

Steuermoral (Steuerehrlichkeit, Steuerwiderstand): Die ethische Einschätzung und Einstellung zur Steuerhinterziehung. In Europa gibt es ein Nord-Süd-Gefälle. Das heißt in den skandinavischen Ländern ist die Steuerehrlichkeit am höchsten. Der Bund der Steuerzahler in Deutschland hat einen "Steuermoral-Index" entwickelt. Der Wert dieses Index ist von 2008  4,28 auf 2014  4,8 Punkte geklettert. Gleichzeit empfinden heute 85 Prozent aller Deutschen die Steuerbelastung als zu hoch. Die Steuermoral hat neben der Wirtschaftslage großen Einfluss auf die Höhe der Steuereinnahmen (Beispiel Griechenland).  "In Deutschland ist der Steuerspartrieb ausgeprägter als der Sexualtrieb", Sigmar Gabriel, SPD, Bundeswirtschaftsminister 2014. Mit ungewöhnlichen Anreizen will Portugal seine Bürger zu mehr Steuerehrlichkeit erziehen. Es wurde eine Steuerlotterie ("Glücksrechnung") eingerichtet, bei der jeder Bürger mit seinen Unterlagen an Ziehungen und Sonderziehungen teilnimmt. Außerdem gibt es Rückerstattungen bei der Mehrwertsteuer. Griechische Finanzbeamte stellen ab 2018 Steuersündern auf den Ferieninseln nach: Unternehmen werden einen ganzen Tag lang beobachtet. Die Registrierkassen werden kontrolliert. Außenstände werden vor Ort eingetrieben. Die Steuerhinterziehung gilt als Hauptursache der griechischen Schuldenkrise. Die Deutschen zahlen gerne Steuern, Quelle: Basel Institute of Commons and Economics 2019. Vgl. auch vom Ursprung her: Schmölders, Günter: Das Irrationale in der öffentlichen Finanzwirtschaft. Probleme der Finanzpsychologie, Hamburg 1960.

Steueramnestie: Sie hat in einigen Kulturen eine lange Tradition. Schummler werden so darauf konditioniert einpaar Jahre mit der Steuererklärung in Verzug zu bleiben. Entweder kommt dann ein kräftiger Rabatt oder Straffreiheit. Historisch gesehen kam die erste Amnestie von Kaiser Hadrian im Römischen Reich vor über 2000 Jahren. Insofern hat die Steueramnestie in Italien, wo sie heute noch häufig eingesetzt wird. eine lange Tradition. Für Regierungschefs ist es eine populäre Maßnahme vor Wahlen.

"Gläserne Steuererklärung": Im deutschsprachigen Raum ist die "Heimlichtuerei" um die Steuer groß. In anderen Ländern, wie zum Beispiel Schweden, sind alle Daten öffentlich einsehbar. Es gibt einen Steuerkalender, man hat aber auch das Recht, die Information vom Finanzamt einzuholen oder Internetdienste benutzen. Diese Steuerkultur hat eine lange Tradition. Schon im 18. Jahrhundert wurde festgelegt, dass grundsätzlich alle Verwaltungsakte im Lande öffentlich gemacht werden sollten.

Steuerhinterziehung: Illegales Nicht- bzw. Zuwenig zahlen von Steuern durch Steuerflucht oder Nutzen von Steueroasen. 2013 entsteht eine Debatte um die Straffreiheit für Selbstanzeiger (Fall Uli Hoeneß). Seit 2010 ist die Zahl der Selbstanzeigen über Kapitalanlagen in der Schweiz, Luxemburg oder Liechtenstein sprunghaft angestiegen. Ein Steuerabkommen mit der Schweiz (rückwirkende Abführung der Steuer plus Legalisierung) scheitert im Bundesrat. Für Steuerhinterzieher steigt ab 2015 die Strafe: der Strafzuschlag für hinterzogene Steuern soll bei einer Selbstanzeige von fünf auf zehn Prozent jährlich steigen. Durch eine gekaufte Steuer-CD von NRW kommt man Ende 2015 einem Steuerinterziehungsmodell von ca. 100 Banken auf die Spur. Kapitalertragssteuer für Aktien wurde in einem System bei den Banken mehreren Eigentümern zugeordnet, so dass die Rückerstattung von Kapitalertragssteuern Vielen unberechtigt zufloss. Die Banken nutzten dabei eine Lücke, die mittlerweile geschlossen ist.  Bei der Steuervermeidung versuchen Unternehmen durch ein Netz von Tochterfirmen die Unternehmenssteuern zu minimieren. Die OECD und die G20 sehen Handlungsbedarf bei den Steuerregeln für die Internet-Wirtschaft. Bei Google, Apple, Amazon u. a. sollen die Regeln so überarbeitet werden, dass Lizenzen und Wertschöpfungsteile nicht beliebig dorthin verschoben werden, wo sie steuerlich gering belastet werden. Auch gegen den Missbrauch von Lücken in Steuerabkommen und gegen den Steuerwettbewerb der Staaten soll vorgegangen werden. Ende 2013 stellt EU-Steuerkommissar Semeta einen Gesetzentwurf vor, mit dem Steuervermeidungsstrategien mit Tochterfirmen verhindert werden sollen. Die Finanzminister der G20 stimmen einer OECD-Konzeption im Oktober 2015 in Lima/ Peru zu: Bekämpfung der Steuervermeidung internationaler Konzerne. Die Ausnutzung unterschiedlicher nationaler Steuergesetze soll erschwert werden. Erstmals erklärt im Herbst 2015 die EU-Kommission (Vestager) Steuerdeals in Europa für unzulässig.  Als erste müssen Starbucks und Fiat in Luxemburg Steuern nachzahlen (Lizenzgebühren an Tochterunternehmen als Sparmodell). Legale Steuerspar-Modelle sind weiterhin nicht angreifbar: 2015 schließen sich Pfizer (USA) und Allergan (Irland) zusammen. Die amerikanischen Firma lässt sich von der kleineren irischen übernehmen, um in den Genuss der niedrigeren Steuersätze zu kommen. Hinzu kommt der Steuerbetrug, der in der Regel kriminell organisiert ist: Bei Schnaps, Zigaretten, Kaffee und Diesel bestehen hohe Margen. Durch Plagiate, Karusellgeschäfte, Medikamente (Schwarzmarkt) und Drogen (Geldwäsche) gehen hohe Steuereinnahmen verloren. Zu wenig zahlen bei Steuern kommt in bestimmten Branchen gehäuft vor. Bekannt dafür ist die Gastronomie. Manipulierte Kassen, falsche Rechnungen und manipulierte Software sind öfter anzutreffen. 2014 fällt innerhalb der EU das Bankgeheimnis für Ausländer. 2014 beschließen die EU-Finanzminister Schlupflöcher in der Unternehmensbesteuerung zu schließen (Verschiebung der Gewinne zwischen Unternehmensteilen in der EU). Durch die Reform der Mutter-Tochter-Richtlinie wurde eine doppelte Nicht-Besteuerung vermieden. Ab 2015 gelten in Deutschland schärfere Regeln für Steuerbetrug. Bei Selbstanzeige straffrei auszugehen wird schwerer gemacht (Grenze 25.000€). Als letztes Land gibt Malta seinen Widerstand auf. Eine Steuer-Abzockerei findet auch mit Aktien statt. Banken und Investoren greifen so in die Staatskasse. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages soll Licht in die Sache bringen. Die Absicht, Steueroasen auf der ganzen Welt auszutrocknen, scheitert 2014 erstmal. Daraufhin entwickelt das deutsche Finanzministerium ein Rabattmodell für Unternehmen: Durch ermäßigte Steuern auf Patent- oder Lizenzeinkünfte (Patent- oder Lizenzboxen) sollen international tätige Konzerne angelockt und die Verlagerung von Geschäften ins Ausland verhindert werden. Besonders ärgerlich sind die Steuersparmodelle in der EU: Solche finden sich in den Niederlanden, Luxemburg und Irland. Die Steuergesetze müssten hier angepasst werden (ebenso wie eine Anpassung an das digitale Zeitalter). Die Bekämpfung der Steueroasen ist auch immer wieder Thema auf den G20-Treffen. 2015 schließen die EU und die Schweiz ein Steuerabkommen: De facto wird das Schweizer Bankgeheimnis abgeschafft. Automatisch werden die Kontodaten aus der Schweiz jährlich weitergegeben. 2016 holt sich die Regierung in Athen Hilfe aus NRW. Es wird ein Informations- und Erfahrungsaustausch vereinbart (z. B. werden 50 Steuerbeamte in NRW geschult). Die EU plant eine weitere Verschärfung des Steuerrechts 2016: Steuerschlupflöcher für internationale Konzerne sollen gestopft werden (Absetzbarkeit für Zinszahlungen begrenzen, Exit-Steuer einführen, Bekämpfung von Verrechnungen, country-by-country-report). Auch Bundesfinanzminister Schäuble legt im November 2016 einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Steueroasen und Briefkastenfirmen vor: Das steuerliche Bankgeheimnis soll aufgehoben werden.  Insgesamt soll es mehr Transparenz geben. Malta, das kleinste Land der EU, nutzt 2017 seine EU-Ratspräsidentschaft, um möglichste viele Steuertricks zu retten. Es bringt sich als Europas letzte Steueroase in Stellung.  Im alten Ägypten hießen die Steuereintreiber Schatzmeister der Götter. Vor ihnen hatte man zu knien. Für jeden Tag über die festgesetzte Abgabenfrist hinaus gab es einen Peitschenhieb. Man schätzt, dass in Deutschland jährlich 50 Mrd. € durch Steuerhinterziehung verloren gehen (Quelle: Verdi). Griechenland ist so blank, dass es keine Beamten für die nächtliche Steuerfandung bezahlen kann. In Bars und Clubs werden traditionell Drinks schwarz bereit gestellt. Die Selbstanzeigen bei deutschen Finanzämtern mit Bezug zur Schweiz im Zusammenhang mit Kapitalerträgen sind sprunghaft angestiegen: Zunahme Januar 2014 gegenüber Januar 2013 zwischen 140 und 420%, je nach Bundesland. 2013 gab es 25.710 Selbstanzeigen. Die Selbstanzeige als Instrument wird wohl bleiben (immer mehr Länderfinanzminister sprechen sich dafür aus). "Steuerhinterziehung ist nichts anderes als Betrug an der Gesellschaft", Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin NRW. 2014 steht der Fall "Hoeneß" im Vordergrund. Er soll in der Schweiz mindestens 18,5 Mio. Euro Steuern hinterzogen haben. Weiterhin geht es um Steuerhinterziehungen des ADAC. Hier droht eine neue Besteuerung. 2014 ermittelt der Fiskus auch gegen zahlreiche deutsche Banken. Sie sollen den Staat mit trickreichen Aktienkäufen und -verkäufen um mehr als eine Milliarde Euro geprellt haben (einmal gezahlte Kapitalertragsteuer wurde mehrmals erstattet). Die Schwarzgeld- Aufgriffe in der deutsch-schweizerischen Grenzregion steigen 2013 drastisch an: 573 Mio. € konnten beschlagnahmt werden (Zollverwaltung). Im Mai 2014 wird die Schweizer Bank Credit Suisse in den USA wegen Beratung zur Steuerhinterziehung zu 1,9 Mrd. $ verurteilt. Die Niederlande sind das größte legale Steuerparadies der Welt. Das in in einer EWWU ein Skandal und unhaltbar. In Europa sind die Niederlande, insbesondere Amsterdam, das Mekka für internationale Konzerne, um Steuern zu sparen. Die Organisation "Tax Justice Network" (Netzwerk für Steuergerechtigkeit) zählte zuletzt im Jahr 2009 rund 11.500 ausländische Briefkastenfirmen. Sie schleusen rund 5500 Milliarden Euro pro Jahr über die Niederlande in die Steueroasen der Welt (dazu gehört auch Rosoboronexport - größte Waffenexportfirma Russlands). Besonders hohe Summen an Steuerbetrug kommen durch so genannte Cum-Ex-Geschäfte zusammen. Einmal wird für eine Aktie Kapitalertragssteuer abgeführt und dann mehrmals zurückgefordert. 2014 wird ein internationales Steuerabkommen geschlossen. Es sind 50 Staaten beteiligt, darunter auch viele Steueroasen. Das Bankgeheimnis hat damit ausgedient. Es gibt einen automatischen Informationsaustausch ab 2016. Ende 2014 gerät der EU-Präsident Juncker unter Beschuss, Weil er ein Steuersparmodell für Großkonzerne in Luxemburg entwickelt hatte. Ab 2015 bleibt im Falle einer Selbstanzeige Steuerbetrug lediglich bis zu einer hinterzogenen Summe von 25.000 Euro straffrei. Wegen dieser Änderung wird das Jahr 2014 zum Rekordjahr für Selbstanzeigen (38.300, +60%). Die EU will Steuerdumping künftig unterbinden (Konzeption 2015: Für internationale Unternehmen keine Optimierung der Gewinnbesteuerung mehr möglich, Informationsaustausch über Steuerdeals). Es gibt auch neue Regeln gegen Geldwäsche: Alle 28 Staaten müssen künftig erstmals Register mit den Eigentümern von Unternehmen und Stiftungen führen. Ende 2015 nimmt die EU die Steuer-Deals von McDonald´s ins Visier (zusätzlich zu Starbucks, Apple, Amazon). Immer mehr Schweizer bunkern Schwarzgeld in Deutschland. Seit 2010 haben sich über 20.000 angezeigt (einmal im Leben möglich, ohne bestraft zu werden). 2016 kommt einschwerer Verdacht gegen die Familie Curt Engelhorn, Mannheim auf. Eine Steuer-CD macht deutlich , wie die Familie den Verkauf von Boehringer Mannheim an Hoffmann-La Roche in der Schweiz steuerfrei über die Bühne brachte. Im Mai 2016 gerät ein Steuertrick der Banken ins Visier: Es geht um Cum/Cum-Geschäfte. Man macht sich die unterschiedliche Besteuerung von Dividenden bei inländischen und ausländischen Aktionären zunutze. Ausländische Investoren verleihen Aktien deutscher Firmen vorübergehend an deutsche Banken. Banken können sich die gezahlte Kapitalertragsteuer zurückerstatten lassen. Die gesparte Steuer teilen sich die Partner. Betroffen ist insbesondere die Commerzbank. 2016 stellt sich heraus, dass Winzer an der Mosel und am Rhein jahrelang die Finanzämter betrogen haben. Der Schaden beträgt mehrere Millionen Euro. Die Winzer kauften Flaschen, korken und Etiketten, ohne sie in der Buchführung zu vermerken. Ab 2018 sollen Handel, Gastronomie, Tankstellen und Apotheken unangemeldet vom Finanzamt geprüft werden. Den Wein verkauften sie an der Steuer vorbei. Im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf gerät Donald Trump in die Kritik, weil er über viele Jahre durch Abschreibung von Verlusten keine Steuern bezahlt hat (legal, aber unschön). US-Firmen parken 2017 1,6 Billionen $ in Steueroasen (Quelle: Oxfam). In Frankreich werden künftig die Namen derer veröffentlicht, die im großen Stil Steuern hinterziehen (Abstimmung der Nationalversammlung am 30.09.2018). Im Oktober werden die Raäume des DFB in Frankfurt untersucht: Verdacht auf Steuerhinterziehung..

Steuerhinterziehung in der EU: Die EU findet nur schwer einen einheitliche Linie. Finanz- und Steuerpolitik ist nationale Angelegenheit. Die Steuerpolitik ist eng mit nationalen Kulturen und Traditionen verknüpft. So leitet die neue italienische Rechtsregierung Ende November 2022 Maßnahmen ein, die Steuerhinterziehung erleichtern. Die zentrale Maßnahme trägt den Namen "tregua fiscale" (fiskalischer Waffenstillstand). Es gleicht einer Steueramnesie. Steuerschulden unter 1000 € und aus dem Jahre 2015 werden erlassen. Die Obergrenze von Barzahlungen wird von 1000 auf 5000€ angehoben. .

Briefkastenfirmen: Unternehmen, das an seinem Sitz sprichwörtlich nur einen Briefkasten unterhält. Sie haben ihren Sitz in Steueroasen. Sie bieten an und verwalten so genannte Offshore - Firmen. Die wahren Eigentümer sind nach außen meist nicht bekannt. Steuerhinterziehung ist nur eine Funktion. Außerdem geht es um Intransparenz, Verschleierung (von Geldflüssen, Korruption), Scheindirektoren und Inhaberaktien. Folgende Jurisdiktionen haben die meisten Briefkastenfirmen: Britische Jungferninseln, Panama, Bahamas, Seyschellen und Niue. In den USA lebt der kleine Bundesstaat Delaware gut von Briefkastenfirmen. US-Gesetze helfen beim Steuernsparen. Die Briefkastenfirmen gründen ihrerseits Stiftungen und Gesellschaften. Briefkastenfirmen sind per se nicht illegal. Es kommt darauf, welchem Zweck sie dienen. Systematisch wird der Ruf von Hilfsorganisationen missbraucht, indem Stiftungen zum Schein diese unterstützen. Folgende Gegenmaßnahmen könnten getroffen werden: Firmenregister (auch Unternehmensstrafrecht), Verbot gegenüber deutschen Banken, mit Steueroasen zusammenzuarbeiten. Insgesamt wären die Gegenmaßnahmen aber nur wirksam, wenn zumindest die G20-Staaten mitziehen. Auch die EU-Kommission hat Vorschläge entwickelt: Konzerne mit Umsatz über 750 Mio. € sollen Steuerzahlungen und Gewinne nach Ländern aufgeschlüsselt offen legen. Der Internethandel ist im Grunde genommen auch eine Steueroase. Dadurch entstehen im Netz hohe Steuerausfälle. Die Panama Papers zeigen 2016, wie Staatschefs, Diktatoren, Drogenbarone und Sportstars weltweit ihr Vermögen verschleiern. Es tauchen Dokumente der Kanzlei Mossak Fonseca auf Privatpersonen wenden sich an Banken, diese an Vermittler). Die Daten sind außergewöhnlich umfangreich. Das Konsortium für investigativen Journalismus (ICIJ) in Washington arbeitet mit über 400 Journalisten aus 80 Ländern in aller Welt zusammen. In den Daten tauchen Nordkorea, Syrien, Iran und die Fifa auf. Hunderte Millionäre und Milliardäre müssen zittern. Es gibt auch Daten über die Kooperative Osero von Putin. Betroffen sind außerdem David Cameron in GB, der isländische Premierminister und der Staatspräsident der Ukraine. Ein nächster großer Steuerskandal wird Ende 2016 aufgedeckt. Die besten Fußballer der Welt (Ronaldo, Messi. Ösil u. a. ) haben durch ein verschachteltes System von Briefkastenfirmen in Steueroasen Millionen an dem Finanzamt vorbei transferiert. 

Cum-Ex-Geschäfte: Investor A besitzt Aktien an einem DAX-Konzern in Höhe von 20 Mio. Euro. Investor B kauft Aktien des Konzerns für 20 Mio. €, kurz vor Ausschüttung der Dividende. Die Aktien sind noch "cum Dividende". Er kauft sie von Investor C, der die Aktien noch gar nicht besitzt (Leerverkauf). Der DAX-Konzern zahlt die Dividende (750.000 €, 25% Kapitalertragssteuer an den Staat). Investor A bekommt eine Bescheinigung, mit der er die Steuer zurückholen kann. Investor A verkauft seine Aktien an Investor C. Er zahlt nur 19 Mio. €. Investor C liefert die Aktien an B. Zusätzlich überweist er die Nettodividende von 750.000 €. Nun verkauft Investor B die Aktien für 19 Mio. € an Investor A. Der Staat hat nur einmal Steuern eingenommen. Zwei Investoren, nämlich A und B, haben Anspruch auf Rückerstattung in Höhe von 250.000 €.  Die Investoren teilen sich die Beute. Der Staat ist um 250.000 € ärmer. Siehe Die Zeit, Nr. 48; 17.11.16, S. 24.und Nr. 24, 8.6.17, S. 19. Es gibt auch Cum-Cum-Geschäfte. Hier ist noch offen, ob es sich um Verbrechen oder das Ausnutzen offener Flanken des Steuerrechts handelt (per se nicht illegal). Auch hier geht es um Steuergeschäfte zwischen heimischen Banken und Großanlegern. Die Steuer wird einmal abgeführt und doppelt oder öfter vom Staat zurückgefordert. 2018 kommt heraus, dass Deutschland die Partnerländer viel zu spät warnte. Der Schaden ist insgesamt wohl auch höher mit 55 Mrd. €. Der Bundesgerichtshof entscheidet im Juli 2021, dass Cum-Ex-Geschäfte strafbar sind. Damit sind sie als Steuerhinterziehung zu bewerten. Man kann das Geld zurückfordern und die strafrechtliche Aufarbeitung kann weitergehen. Aus seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister ist Bundeskanzler Scholz verwickelt. Er soll die Bank Warburg unterstützt haben. An viele Gespräche will er sich nicht mehr erinnern. Aber wenn er die Unwahrheit sagt, er hat niemand geschadet. Der führende Kopf bzw. Schlüsselfigur und Steueranwalt hinter den Geschäften Hanno Berger (aus der Finanzverwaltung in Hessen, dann Anwalt) wird im Dezember 2022 verurteilt: 8 Jahre Haft und Einzug von Vermögen (besonders schwere Steuerhinterziehung, Landgericht Bonn). Einige Ermittlungsverfahren laufen weiter.  In China wurden Steuersündern zur Kaiserzeit die Nasen abgeschnitten. Vgl. auch Christoph Spengel: Kollektivversagen: Cum/Cum, Cum/Ex und Hopp!, in: Wirtschaftsdienst 2017/7, S. 455. "Meine Gier war so groß, da habe ich mich nicht mit Moral aufgehalten", Benjamin Frey, einer der Steuerräuber.

Steuerkarussell mit der Umsatzsteuer in der EU: 1. Ein Händler in der EU verkauft ein Zertifikat an ein Unternehmen in Deutschland. Bei zwei EU-Staaten fällt keine Umsatzsteuer an. 2. Das unternehmen verkauft innerhalb Deutschland weiter. Dabei schlägt es auf den Preis noch 19 Prozent Umsatzsteuer drauf. Diese führt das Unternehmen nicht ab. 3. Der Käufer verkauft das Zertifikat weiter - inklusive Umsatzsteuer. Das wiederholt sich mehrere Male. 4. Das Papier wird wieder aus Deutschland ausgeführt. Dabei lässt sich der Exporteur die nie entrichtete Umsatzsteuer erstatten. Siehe Der Spiegel 3/2017, S. 36ff.

Steueroasen: Steueroasen und Banken gehen den Superreichen zur Hand, indem sie bei der Steuerflucht helfen. Der französische Ökonom Gabriel Zucman (Assistant Professor an der University of California in Berkeley) stellt fest, dass 80% des Vermögens in Steueroasen den reichsten 0,1% der Haushalte gehören. Vgl. Die Zeit, Nr. 45, 2.11.18, S. 22. Steueroasen sind undurchsichtige Offshore - Finanzzentren. Die größte Steueroase der Welt sind die USA. Donald Trumps Steuerreform ändert darin nichts, wahrscheinlich wird es noch schlimmer. Einer der bekanntesten Stansorte in den USA ist Delaware. Die EU-Finanzminister stellte 2016 eine Schwarze Lise mit Steueroasen auf (90 Länder). 17 Länder blieben übrig. Davon wurden noch mal 8 gestrichen (Panama, Südkorea u. a.; Graue Liste). Als nicht kooperativ bezeichnet die EU 2019 folgende Steueroasen: Amerikanische Jungferninseln, Amerikanisch-Samoa, Belize, Fidschi, Guam, Marshallinseln, Oman. Samoa, Trinidad und Tobago, Vanuatu, VAE. Obwohl die USA alle Bedingungen erfüllen, traut sich die EU nicht, sie auf die Liste zu setzen. 2020 wollen die Niederlande ihre niedrigen Steuersätze Schritt um Schritt aufgeben (sie haben 3317 Phantom-Direktinvestitionen aus dem Ausland 2017; hier liegt Luxemburg an der Spitze mit 3809)). Im März 2021 beschließt die Bundesregierung ein Gesetz gegen Steueroasen: Geschäfte gegenüber Staaten werden erschwert, wenn sich diese nicht an internationale Steuerstandards halten. Steuervorteile werden gestrichen, so dass die Flucht unrentabler wird. Auf der Liste stehen 12 Staaten (unter anderem Fidschi und Seychellen).   Schätzungsweise 10% der weltweiten Wirtschaftsleistung, ungefähr 6 Billionen Euro, befinden sich 2017 in Steueroasen. Ca. 15% des deutschen Privatvermögens befindet sich auch in Steueroasen. Wenn es vorher nicht versteuert worden ist, liegt Steuerhinterziehung vor (ebenso, wenn Ertrag keine Steuern bezahlt werden). Das Risiko für Steuerhinterziehung hat sich massiv erhöht und wird sich weiter erhöhen. Betrüger in Italien haben einen Antarktisstaat erfunden und versprechen niedrigere Steuern und keine Impfpflicht. Rund  400.000 Euro zahlen Auswanderungswillige, um sich in dem vermeintlichen Antarktisstaat St. Georg niederzulassen. 2024 werden pikante finanzielle Geheimnisse der Grimaldis enthüllt. Fürst Albert II. hatte seinen Vermögensverwalter entlassen. Der plaudert freimütig. Es gibt auch zahlreiche Offshore - Gesellschaften in Steuerparadiesen.

Steuerattraktivitätsindex: Bewertet Länder anhand von 20 Faktoren. Je höher der Wert, desto attraktiver ist ein Land für Firmen (Indexbereich zwischen 0 und 1). Quelle: LMU. 2018 liegen die Vereinigten Arabischen Emirate mit 0,93 auf dem 1. Platz vor Bahrain (0,92), Bahamas (Bermuda, Cayman) 0,90, Malta (0,71), Niederlande (0,61), Luxemburg (0,59).

Legales Ausnutzen von Steuerdifferenzen: Das Ludwigshafener Unternehmen BASF zum Beispiel nutzt folgende Differenzen: Die BASF Finance GmbH auf Malta nutzt die sehr großzügigen Erstattungen (Steuersatz bei Einkommensteuer 35%). BASF Nederland BV nutzt die 100% Steuerbefreiung von Zinsen und Gewinnen. Die BASF Agro BV in der Schweiz profitiert von günstigen Steuerbedingungen für Patente und Lizenzen. Vgl. WiWo 48/17,11.17, S.14.

"Panama Papers" und "Paradise Papers": Ein Netzwerk von Journalisten weltweit veröffentlich Beziehungsgeflechte zur Steuervermeidung ("Strukturen, Akteure und Nutznießer steuerlicher Parallelwelten"). Eine Schlüsselstellung hat dabei die Steuerkanzlei Appleby auf der Isle of Man inne. Es geht um verschiedene Konstruktionen um Schenkungs- und Erbschaftssteuer zu vermeiden (Trust, z. B. Engelhorn von Boehringer Mannheim), aber auch um illegale Betreibung von Glücksspiel im Internet (Gauselmann). Die legale Steuervermeidung nutzt Gesetzeslücken aus. Am wichtigsten ist die Kette "Stiftungen - Trusts - Briefkastenfirmen". Eigentum wird verschleiert.  4,7 Billionen € liegen schätzungsweise in Steueroasen. 500 Mrd. € jährlich gehen dadurch dem Fiskus verloren. Immer wieder tauchen die Digitalkonzerne auf (Apple, Google). 2019 gibt es bundesweit 150 Strafverfahren als Folge der Panama-Papers. Es finden zahlreiche Razzien statt von Sylt bis Bad Tölz.

Pandora Papers: Sie kommen Anfang Oktober 2021 an die Öffentlichkeit. Es sind Rechercheergebnisse eines Journalisten-Netzwerks mit ca. 600 weltweit. Es werden heimliche Briefkastenfirmen offenbart, die in Steueroasen arbeiten. Es wird Geld dort geparkt, um dem Finanzamt Vermögen zu verschweigen und Steuern zu sparen. Hunderte Politiker werden offen gelegt. Es sind enge Vertraute von Putin, der ukrainische Präsident, der Präsident Zyperns, der tschechische Regierungschef Andrej Babis, Tony Blair aus GB u. a.. Korrupte Politiker mit Briefkastenfirmen sind eine Gefahr für die die Stabilität der ganzen Welt. Die Justiz der Länder ist gefragt, wenn sie noch unabhängig ist.

Zusatzsteuer mit Hilfe einer Lizenzschranke auf Lizenzgebühren, die ins Ausland fließen und zu niedrig besteuert werden. Ab 2017 beabsichtigt die Bundesregierung anhand eines Gesetzes in dieser Hinsicht eine faire Besteuerung zu erreichen.

Geldwäsche: In Deutschland ist es noch nicht strafbar, eigenes Geld zu waschen. Davon profitiert stark die italienische Mafia. Die Strafen sind auch niedrig. Die OECD kritisiert Deutschland 2014. Der Nichtfinanzsektor wird als Ausweichreaktion genutzt (Luxusimmobilien, Schmuck, teure Gebrauchtwagen, Spielhallen). 2018 ist die Geldwäsche bei Immobilienverkäufen rapide gestiegen. In Deutschland sind von 2007 bis 2016 Immobilien in einem Wert von 1,75 Billionen Euro verkauft worden. Das Innenministerium warnt: Wegen der hohen Wertstabilität könnten Täter dabei "besonders hohe Bargeldsummen" platzieren. Im März wird ein neues Gesetz gegen Geldwäsche in Deutschland beschlossen: Es soll vor allem die strafrechtliche Verfolgung stärken. Das Einziehen von Vermögen soll erleichtert werden. Ende 2016 zeigt sich, dass die Tochter von Choi Soon Sil (hat die koreanische Präsidentin wegen Korruption zu Fall gebracht) in Hessen lebt und in Deutschland Geldwäsche betrieben hat. Zypern muss Ende 2018 gegen Kampf gegen Geldwäsche aufnehmen. Es gibt Druck aus den USA. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland jährlich 100 Mrd. € gewaschen werden. Auf der ganzen Welt durch Drogen, Menschenhandel und Betrug verdientes Geld wird offenbar in Deutschland gewaschen. Deutschland gilt als Geldwäsche-Paradies. 2021 steht noch eine internationale Prüfung an. Im Finanzministerium geht die Angst um.

Digitale Spürhunde: Künstliche Intelligenz soll in den sozialen Netzwerken nach Steuersündern suchen. Das kommt bei Schattenwirtschaft und falschen Angaben über Wohnsitze im Ausland zum Einsatz. Frankreich fängt 2019 damit an.

Hinweisportal zum Anzeigen von Steuersündern: Es wird im September 2021 zum ersten Mal in Baden-Württemberg vom grünen Finanzminister Danyal Bayaz eingeführt. die Kanzlerkandidatin der Grünen Baerbock will es bundesweit einführen. Anzeigen können anonym gemacht werden, müssen aber gut begründet sein. Es ist eine anonyme Kommunikation möglich, was andere Meldeverfahren nicht ermöglichen.

Globale Steuerpolitik: Die USA haben lange einen Fiskalimperialismus betrieben. Die großen US-Unternehmen haben im Ausland kaum Steuern gezahlt. Sie haben das Bargeld in der Regel auch außerhalb der USA gebunkert, um dem amerikanischen Steuersystem zu entgehen. Zu nennen sind hier insbesondere Apple, Microsoft, Cisco, Oracle, Alphabet, Johnson&Johnson, Qualcom, Coca-Cola und Amgen. Die EU-Wettbewerbskommissarin leitet 2016 mit Apple den Wendepunkt ein. Immer mehr Regionen in der Welt locken auch 2017 noch mit Steuerschnäppchen: USA, Großbritannien, Osteuropa. Der Steuerwettbewerb dürfte angeheizt werden. Die EU überlegt, die Internetkonzerne nach Unsatz statt nach Gewinn zu besteuern. Damit soll insbesondere Die Steuerausweichung der US-Giganten bekämpft werden. In den USA wird Anfang Dezember 2017 die historische Steuerreform vom Senat gebilligt (es müssen noch Repräsentantenhaus und Präsident folgen, aber wohl sicher): Senkung der Körperschaftssteuer von 35 auf 21 Prozent. Am 20.12.17 wird die Steuerreform beschlossen. Ende 2017 reagiert China sofort auf die Steuerreform in den USA (Ertragssteuersatz von 35 auf 21%). Ausländische Firmen müssen vorerst keine Gewinnsteuern mehr in China zahlen, wenn sie diese im Land investieren. Die Finanzminister der großen europäischen Länder und die EU intervenieren in Washington. Sie sehen eine unerlaubte Subvention für Exporte amerikanischer Unternehmen. Wahrscheinlich kommt der Fall vor die WTO.  auch die Gouverneure einiger US-Staaten wollen vor Gericht (begrenzte Abzugsfähigkeit in einigen Staaten). Die 36 Länder der OECD haben eine Arbeitsgruppe über globale Steuerpolitik. Es geht um einen neue Verteilung des Geldes in der Welt. Auch 128 Staaten des IWF beraten übe reine neue globale Steuerpolitik. Deutschland will eine globale Mindeststeuer.    Das heutige Unternehmenssteuersystem passt nicht zur modernen Wirtschaftsstruktur und zur Globalisierung. Es ist zur Kolonialzeit entstanden. im 18. Jahrhundert wollte GB Anreize für Unternehmen schaffen, in den Kolonien zu investieren. Die Gewinne wurden im Land  der Produktion besteuert. In der Digitalisierung hat sich der Produktionsbegriff gewandelt. so gibt es eine Reihe von Vorschlägen für Alternativen (Land des Konsums, Ausgleichsteuer, Doppelbesteuerrung). 2018 nach der US-Steuerreform holt Apple 252 Mrd. $ aus geparkten Gewinnen in die USA zurück und zahlt 38 Mrd. $ Steuern.

Globaler Pakt gegen Steuertricks: Im Juni 2017 schließen 67 Länder in Paris eine globale Vereinbarung gegen Steuerschlupflöcher globaler Konzerne (am Ende sollen ca. 90 Staaten dabei sein). Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den Teilnehmerstaaten sollen ergänzt werden. Die neuen Regeln wurden von der OECD ausgearbeitet. Sie sollen konsequent das "treaty shopping" verhindern. Den Staaten gehen dadurch jährlich 100 bis 240 Milliarden US-Dollar verloren. Die USA verwehren anderen Steuerbehörden ihre volle Unterstützung.

Konzeption des IWF gegen Steuervermeidung:  2019 legt der IWF das Gutachten "Corporate Taxation in the Global Economy" vor. In ihm werden neue Wege der Besteuerung diskutiert. Der Steuerwettbewerb zwischen den Ländern soll gestoppt werden. Zunächst geht man von neuen Konzeptionen in den USA aus: 1. Global Intangible Low-Taxed Income" (GILTI): Sie betrifft Töchter amerikanischer Unternehmen im Ausland. Das sind Gewinne, die im Ausland unzureichend besteuert werden, nämlich mit einem Satz niedriger als 13,5%. Je höher die Besteuerung im Ausland, desto niedriger fällt die US-Steuer aus. 2. "Base Erosion Anti-Abuse Tax" (BEAT): Für alle Unternehmen mit Sitz in den USA wird mindestens diese Steuer erhoben. Der Steuersatz ist reduziert, aber dafür sind Zahlungen an verbundene Unternehmen im Ausland für Managementgebühren, Zinsen, Patente und Markenrechte nicht abzugsfähig. Ist diese Antimissbrauchssteuer höher als die Steuer nach normalen Regeln , ist sie zu zahlen. 3. Berücksichtigung des gezahlten Gesamtsteuersatzes bei Doppelbesteuerungsabkommen: Gewinne sollten zentral besteuert werden. Nachvereinbarten Kriterien sollten die Einnahmen auf die Länder verteilt werden. Unter diese Kategorie fällt auch die von der EU vorgeschlagene Gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuer (CCCTB). 4. Ein eweitergehende Variante ist die "Destination Based Cash flow Tax". Hier werden Investitionen sofort Gewinn mindernd abgezogen.

Vermeidung der Steuervermeidung in der EU: 1. Schwarze Liste von Steueroasen. 2. Transparenzpflicht für Intermediäre (Anwälte, Berater, Banken etc.). 3. Country-by-Country Reporting. 2017 prüft die EU Steuerdeals zwischen Ikea und den Niederlanden.

Base Erosion and Profit Shifting (BEPS): Ein Paket von Methoden und Maßnahmen für internationale Steuerregeln. Es wurde und wird entwickelt im Rahmen der OECD und der G20. Auch China ist eingebunden. Kernpunkte sind etwa folgende: Transaktionen von Firmen zwischen Staaten (Erfassung) und Transferpreise (Dokumentation; Verrechnungspreise).

Virtuelle Betriebsstätte und die "Konsumentenorientierung" der internationalen Besteuerung: Das internationale Steuerrecht muss an Herausforderungen der digitalen Ökonomie angepasst werden. Die EU hat etwa 2017 eine umsatzbasierte Ausgleichssteuer vorgeschlagen. Damit wird der Betriebsstättenbegriff in Richtung "digitale Betriebstätte" weiterentwickelt. Weiterhin müsste die Besteuerung der Unternehmen künftig stärker am Standort des Konsums orientiert sein (Bestimmungslandprinzip).

Steuerinzidenz: Wer trägt nach Abschluss aller Überwälzungsvorgänge die Steuerlast? Die Inzidenz hängt von der Auferlegung, dem Steuertarif, der Steuerbemessungsgrundlage und der Reichweite ab. Nach der Steuerinzidenz werden auch die zentralen volkswirtschaftlichen Begriffe direkte und indirekte Steuer definiert. Bei der indirekten Steuer überwälzt der Produzent als Steuerschuldner  normalerweise die Steuerlast auf den Konsumenten. Das Konzept wurde im Wesentlichen von Richard Musgrave (1910 - 2007) geprägt. "So etwas wie eine gute Steuer gibt es nicht", Winston Churchill.

Steuerwirkung (Steuern, Effizienz, Wohlfahrt): Beeinflussung der Wohlfahrt durch die Steuer. Ein Teil der Konsumentenrente und der Produzentenrente wird zu Steueraufkommen. Die Wohlfahrtsverluste von Konsumenten und Produzenten übersteigen die Steuereinnahmen. Somit entsteht ein Nettowohlfahrtsverlust ( "Deadweight Loss"). Vgl. Vogl/ Lorberg: Volkswirtschaftslehre: Grundlagen und Mikroökonomie, Herne 2015, S.102. Bei unternehmen geht es um die Wirkung auf Produktion und Preise (Umsatzsteuersatz, Mehrwertsteuersatz, Ertragssteuersatz) und um die Wirkung auf Investition und Beschäftigung (Mehrwertsteuersatz, Ertragssteuersatz).

Wohlfahrtsverlust durch Mehrbelastung (Excess Burden): Zu viele Steuern führen dazu, dass die Menschen nichts mehr kaufen können, und das bedeutet Wohlstandsverlust für die ganze Wirtschaft.

Steuererhöhung und Elastizität: Die Antwort auf die zentrale Frage, was eine Steuererhöhung dem Staat bringt und was sie die Bürger kostet, gibt die Konzeption der Elastizität. Es ist alles eine Frage der Elastizität.

Steuergestaltung: Wichtige Handlungsparameter für Unternehmen sind hier die Wahl des Standortes, die Wahl der Rechtsform, die Wahl von Verrechnungspreisen, die Wahl des Zeitpunkts für die Vorwegnahme von Investitionsentscheidungen.

Steuertechnik: 1. Aufgabe. 2. Steuerobjekt, Steuerbemessungsgrundlage, Steuerpflichtiger. 3. Der Steuertarif. 4. Steuerverwaltung und Steuerkontrolle.

Steuererleichterungen (Steueranreize, Steuerabschreibung): Ein häufig benutztes Mittel der Steuerpolitik, um Anreize für bestimmte gewünschte Verhaltensweisen zu schaffen. Zur Förderung der KMU häufig im Rahmen von Subventionen eingesetzt. Im September 2016 kündigt der Bundesfinanzminister Steuererleichterungen an: Etwa 15 Mrd. € (ab 2017 Grundfreibetrag, Kindergeld, Kinderfreibetrag und Steuertarif anpassen).   2016 sollen milliardenschwere Steueranreize den Bau bezahlbarer Wohnungen ankurbeln (Sonderabschreibung; Wohnraum für sozial Schwache und Flüchtlinge). 2016 soll Apple 13 Mrd. € an Irland zurückzahlen. Die EU sieht das Geld als wettbewerbsverzerrende Steuererleichterungen für das Unternehmen. Apple will sich wehren, zumal Irland das Geld nicht will.

Steuervergünstigungen als Subventionen: Die Landwirtschaft ist in Deutschland der große Nutznießer. Pro Jahr erhält sie folgende Steuervergünstigungen: 450 Mio. € Steuernachlass für Agrardiesel. 480 Mio. € Steuerbefreiung für Zugmaschinen und Sonderfahrzeuge. 200 Mio. € Pauschale Umsatzsteuer. 177 Mio. € Zuschüsse zur Unfallversicherung. Hinzu kommen die Verdienstmöglichkeiten der Viehhändler bei der Umsatzsteuer. Vgl. Widmann, Marc: Wer hat, dem wird gegeben, in: Die Zeit Nr. 39, 17.9.20, S. 23.

Verteilung der Steuereinnahmen in Deutschland im Föderalismus: Umsatzsteuer (Bund 53,4%; Länder 44,6%; Kommunen 2%), Lohn- und Einkommensteuer (Bund 42,5%; Länder 42,5%; Kommunen 15%), Kapitalertragsteuer (Bund 50%; Länder 50%), Bundessteuern sind die Energiesteuer, die Tabaksteuer, der Solidaritätszuschlag; Ländersteuern sind die Grunderwerbsteuer, die Erbschaftsteuer. Gemeindesteuern sind die Gewerbsteuer und die Grundsteuer.

Freibetrag und Freigrenze:  Beim Freibetrag bleibt ein Teil des steuerpflichtigen Betrages aus wirtschaftlichen oder sozialen Grünen von der Besteuerung frei (z. B. für Kinder). Bei der Freigrenze bleiben Teile der Bemessungsgrundlage etwa bei der Einkommensteuer so lange steuerfrei, bis ein Höchstbetrag überschritten wird. Beim Überschreiten der Höchstgrenze werden die bisher freien Teile der Besteuerung unterworfen (Unterschied zum Freibetrag). Die Grundfreibeträge, d.h. der Betrag für das steuerfreie Existenzminimum, wird bis 2016 angehoben. Ebenso werden die Kinderfreibeträge angehoben. Der Grundfreibetrag wird ab 2017 in zwei Schritten angehoben werden. 2019 soll der Kinderfreibetrag von 7428 auf 7620 Euro angehoben werden (2020 auf 7812 Euro).

Umsatzsteuer: Die Umsatzsteuer wird prozentual vom Entgelt berechnet und bildet zusammen mit diesem den vom Leistungsempfänger zu entrichtenden Preis. Die Umsatzsteuer gehört nicht zu den betrieblichen Kosten und mindert nicht den Ertrag des Unternehmers. Es gibt im Wesentlichen zwei Varianten der Umsatzsteuer: Die in Deutschland bis 1967 und in Österreich bis 1973 verwendete Allphasen-Brutto-Umsatzsteuer und die seither verwendete Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug. Der Gesetzgeber in Deutschland und Österreich hat bei der Umstellung den Namen der Steuer unverändert gelassen, dennoch hat sich in der Umgangssprache der Ausdruck Mehrwertsteuer (MwSt.) für die neue Variante mit Vorsteuerabzug durchgesetzt. Diese Bezeichnung ist insofern passend, als bei der neuen im Gegensatz zur alten Variante grundsätzlich nur die Wertschöpfung belastet wird (Quelle: Wikipedia). Durch den Kauf auf Online-Plattformen sitzen die Verkäufer oft im Ausland. Die führen oft keine Umsatzsteuer ab. 2018 kommt ein Bundesgesetz, das gegensteuert. Ab 2019 müssen die Plattformen wie Amazon und Ebay dafür sorgen, das ausländische Händler bei den Finanzämtern registriert sind.

Umsatzsteuer und Internethändler: Sie prellen den Staat um Milliarden Euro. Ab 1. Juli schlägt die EU mit schärferen Regel zurück. Doch die Anbieter finden immer neue Schlupflöcher und auch dubiose Plattformbetreiber . Das Problem ist die Kontrolle. Auf 50 Mrd. € wird der Schaden für den EU-Fiskus durch hinterzogene Umsatzsteuer geschätzt. Vor allem chinesische Händler sind beteiligt.

Umsatzsteuer und Sachspenden: Sachspenden werden im deutschen Steuerrecht wie ein Umsatz bewertet, für den das Unternehmen Umsatzsteuer zahlen muss. Wird ein Produkt hingegen vernichtet gilt es als wertlos - es fällt keine Umsatzsteuer an. Das ist der tiefere Grund für die Vernichtungsaktionen von H & M und Amazon.

Mehrwertsteuer: Sie ist eine indirekte Steuer, weil der Produzent Steuerschuldner ist, aber diese auf den Konsumenten abwälzt. Sie gehört zu den Steuern auf Umsatz. 2017 gibt es die Steuer seit 50 Jahren (100 Jahre Umsatzsteuer). Umstritten sind in Deutschland die unterschiedlichen hohen Mehrwertsteuersätze: für einige Produkte gilt ein reduzierter Mehrwertsteuersatz von 7% (für ca. 200 Produkte, z. B. Lebensmittel, Bücher, Theaterkarten, Hotelleistungen, Gesundheitsleistungen). In der Hotelbranche hat der ermäßigte Satz zu Missbrauch geführt. Eigentlich müsste der ermäßigte Satz komplett abgeschafft werden (keine wissenschaftliche Begründung), bei einer Senkung des allgemeinen Satzes. Die Abschaffung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes ist immer wieder im Gespräch bei der Haushaltssanierung. Das würde das soziale Ungleichgewicht vergrößern, wenn nicht Transferleistungen erhöht würden. Im Zuge der Steuerharmonisierung in der EU hat es oft Steuererhöhungen bei dieser Steuer gegeben auf zuletzt 19% (7% ermäßigter Satz). Umstritten ist die höhere Belastung niedriger Einkommen (notwendig höhere Konsumquote), die geringere Merklichkeit und die Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt (Ausländer zahlen nicht). 2013 wird deutlich, dass eine europaweite Vereinheitlichung der Mehrwertsteuersysteme die deutsche Sozialversicherung mit Milliarden belasten würde (34 Mrd. € in einem Gutachten der SV; Beitragsanhebung um 3%, wenn alle Ausnahmeregelungen der Mehrwertsteuer abgeschafft werden). Die Mehrwertsteuer wird gerne von Regierungen genutzt, um die Steuereinnahmen insgesamt zu erhöhen ohne großen Widerstand der Bevölkerung. Gute Beispiele sind die Anhebung dieser Steuer in Japan und in Griechenland 2015 (auf Druck der Institutionen auf 23%; 13% für Wasser, Energie und Grundnahrungsmittel). Die Mehrwertsteuer ist besonders effektiv, weil sie in weiten Bereichen eine Doppelbesteuerung darstellt (z. B. bei Energie, Tabak, Strom, Branntwein). Wenn man die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze abschaffte, wäre die eine große Vereinfachung (Sozialtransfers müssten allerdings kompensieren  oder man müsste Anpassungen bei der Einkommensteuer vornehmen). Am 4.10.2017 macht die EU-Kommission einen Vorschlag zur Reform des Mehrwertsteuersystems. Man will den Betrug im grenzüberschreitenden Warenverkehr eliminieren. In der Corona-Krise 2020 wird der Mehrwertsteuersatz für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen auf den ermäßigten Satz von 7% gesenkt vom Juli 2020 bis 31. Juni 2021. Im Konjunkturpaket kommt eine Mehrwertsteuersenkung vom 1. Juli  bis 31. Dezember 2020 (19 auf 16%, 7 auf 5%). Für den Handelsverband in Deutschland ist der Aufwand für die Umstellung deutlich höher als die Kosten. Die Steuersenkung hatte wenig Wirkung auf den Konsum.  Im Zuge der Sparpläne der Bundesregierung 2010 wird eine Reduzierung der Ausnahmeregelungen (z. B. Rücknahme für Hotels) erwogen. Manches ist kurios: Eine Bratwurst auf Pappdeckel hat 7% Mehrwertsteuer, auf einem abwaschbaren Teller 19% (bei Bistrotisch 19%, bei Ablagebrett 7%). Bisher galt beim Saunabesuch der ermäßigte Steuersatz von 9% (Heilbad); zukünftig hat der Bundesfinanzhof 19% vorgesehen (Wellness). Der Bundesrechnunghof mahnt eine grundsätzliche Überprüfung der Ermäßigung an. 2019 diskutiert man übe reinen geringeren Satz von Tampons. Nach Einschätzung der EU sind Deutschland 2011 27 Mrd. an Mehrwertsteuer entgangen. Gründe sind Betrug, Firmeninsolvenzen und legale Steuervermeidung (in anderen EU-Ländern wie Italien, Frankreich und Rumänien ist der Ausfall prozentual noch höher). Wegen Mehrwertsteuerbetrug hat Deutschland 2014 knapp 23,5 Mrd. € weniger eingenommen. Die EU hat ein "Betrugssicheres EU-Mehrwertsteuersystem" vorgelegt, weil ein Großteil der Steuer an die EU geht. Bei Christbäumen gibt es fünf verschiedene Steuersätze. 2017 beträgt das Steueraufkommen 255 Mrd. € (seit 1968 Mehrwertsteuer und Einfuhrumsatzsteuer). 2016 machte die Mehrwertsteuer schon ein Drittel des Steueraufkommens aus. 2021 macht die FDP in ihrem Wahlprogramm einen Vorschlag zur Mehrwertsteuer: Ein Teil soll in die Bildung fließen. 2025 soll die Kaufprämie für Elektroautos auslaufen. Damit würde für sie "gesteigertes Investitionsrisiko" bestehen. Autoexperte F. Dudenhöffer empfiehlt deshalb eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Verbrenner (auf 26%). Der Chef des Umweltbundesamtes fordert im Februar 2023 eine ökologisch orientierte Steuerreform (neues Steuersystem). Am größten wären die Änderungen bei der Mehrwertsteuer. Sie soll nach der positiven Umweltwirkung gestaffelt werden (saubere Produkte geringere Mehrwertsteuer). Der volle Mehrwertsteuersatz auf Gas und Fernwärme ab 2024 würde zu einer erheblichen Preiserhöhung führen. Ab Januar 2024 soll wieder der volle Mehrwertsteuersatz gelten. 2024 wird bekannt, dass der Finanzminister der Post Hunderte Millionen Euro Mehrwertsteuer erlässt, der Konkurrenz jedoch nicht. Vgl. Der Spiegel 4/ 20.01.24, S. 66ff.

Mehrwertsteuersatz von 7 oder 19 Prozent: Vgl. auch vorherigen Abschnitt. Ab 2020 werden Tampons und Binden nur noch mit dem ermäßigten Satz von 7% besteuert. Bei Fleisch und Wurst bleiben 7%, obwohl die Massentierhaltung schlecht für Tier und Klima ist. Eis, Chips und Gummibärchen, die eher schlecht für die Figur sind, bleiben bei 7%. Babynahrung und Getreidemilch bleibt bei 19%. Ein System ist dabei kaum noch zu erkennen.  In der Corona-Krise 2020 wird der Mehrwertsteuersatz für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen auf den ermäßigten Satz von 7% gesenkt vom Juli 2020 bis 31. Juni 2021. Schon immer hatte z. B. die Tiefkühl-Pizza im Supermarkt den ermäßigten Satz. Auch hier fehlt die Konsistenz. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für bestimmte Bereiche (z. B. Gastronomie) wird bis Ende 2022 verlängert, dann auf Ende 2023. Ab Oktober 2022 wird der Mehrwertsteuersatz bei Gas und Fernwärme von 19 auf 7% abgesenkt, um die hohen Energiepreise und die Inflation abzufedern. 2024 könnte in der Gastronomie wieder der 19%-Steuersatz gelten. Das könnte zum Schaden für die Gesellschaft sein. Die Preise könnten steigen und nicht mehr jeder kann sich einen Restaurantbesuch leisten. Betriebe könnten eingehen. Die Bundesregierung beschließt im November 2023, die Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants und Cafes ab 2024 wieder auf 19% zu erhöhen.  Im April 2022 fordern Verbraucher- und Sozialverbände eine Aussetzung der Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln auf bestimmte Zeit. Grund ist die hohe Inflation, besonders in dem Bereich, was vor allem Arme trifft.  Der volle Mehrwertsteuersatz auf Gas und Fernwärme ab 2024 würde zu einer erheblichen Preiserhöhung führen. Bis Ende März 2023 bleibt die Steuer hier noch gesenkt.

Konjunkturelle Effekte einer gesenkten Mehrwertsteuer: Die Mehrwertsteuersenkung könnte das BIP um 0,2% erhöhen. Die Wirtschaftsleistung steigt also nur um ein Drittel der Steuerausfälle. so ergeben es Berechnungen des Ifo-Instituts. Es gibt Erfahrungen aus Großbritannien (GB) und Japan. In GB sanken die Konsumausgaben wieder spürbar nach dem Auslaufen der Steuersenkung. Der Verwaltungsaufwand ist hoch. Vgl. Fuest, Clemens: Hoher Aufwand, überschaubare Effekte, in: WiWo 28,  3.7.20, S. 39. Für den Handelsverband in Deutschland ist der Aufwand für die Umstellung deutlich höher als die Kosten. Insgesamt scheint die Absenkung aber positiv auf den Konsum gewirkt zu haben. Die Frage ist, was nach der Rücknahme 2021 geschieht. Eine Befragung des Ifo-Instituts im Oktober 2020 bei 30.000 Konsumenten zeigt keine große Wirkung auf den Konsum. Viele Experte sagen, die Senkung habe nichts gebracht. So bleibt die zentrale Frage: Bringt die Senkung was oder ist es reiner Populismus. Vgl. auch Nienhaus, L. u. a.: Die Wundersteuer, in: Die Zeit Nr. 18/ 28.4.22, S. 19. Meist wird die Mehrwertsteuer gesenkt, selten erhöht. Die Zeitung listet seltsame Wünsche auf: Greenpeace Erhöhung für Fleisch, AfD Senkung bei Babywindeln, dann Obst und Gemüse 0 von Özdemir. Weitere Kandidaten sind: Bauleistungen, Haarschnitte, Medikamente, E-Bikes.

Steuerliche Corona-Hilfen: Der bisher geltende steuerliche Verlustrücktrag wird für 2020 und für 2021 auf 10 Mio. € angehoben. Bei Zusammenveranlagung gelten künftig 20 Mio. €. Bei einem steuerlichen Verlustrücktrag werden Verluste aus der Vergangenheit mit Gewinnen verrechnet. Steuern, die auf Gewinne gezahlt wurden, werden rückerstattet. Seit dem 1. Juli 2020 gilt: Für Speisen in der Gastronomie wird der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent erhoben. Ursprünglich sollte diese Regelung bis 30 Juni 2021 gelten; sie wird bis zum 31. Dezember 2021 verlängert (später sogar bis Ende 2022). Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz (7% statt 19%) soll auch bis Ende 2020 für bestimmte Bereche gelten, die besonders hart durch die Krise getroffen sind (Gaststätten, Hotels). Der Bundestag stimmt am 26.2.21 zu.

Kleinunternehmerregelung (§ 19 UstG): Wer hierunter fällt, muss Umsatzsteuer weder ausweisen noch abführen. Dabei gelten gewisse Umsatzgrenzen.

Kassenbon-Pflicht: Sie soll ab 2020 im gesamten Einzelhandel kommen. Es besteht dann Belegausgabepflicht. Damit soll Steuerhinterziehung unmöglich werden. Wegen Umweltbelastung und Aufwand ist die Sache bis zuletzt umstritten-

Online-Steuerregeln: Sie werden im Dezember 2017 vereinfacht. Bisher musst in jedem Land einzeln die Mehrwertsteuer -Erhebung angemeldet werden. Zukünftig reicht eine Steuererklärung für die gesamte EU.

Steueroase 4.0 (Zahlung der Umsatzsteuer im Online-Handel): Die Steuerbehörden sind oft mit dem Boom des Online-Handels überfordert. Vor allem chinesische Händler haben zuhauf Steuern hinterzogen. Internetplattformen sind seit 2019 verpflichtet, nur noch Händler mit einer Steuernummer auf ihre digitalen Marktplätze zu lassen. Damit könnte der unlautere Wettbewerbsvorteil chinesischer Online-Händler zu ende gehen.

Unternehmenssteuern: Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer (Durchschnittswert) sowie Kapitalertragsteuer für Unternehmen. Mit besonders niedrigen Unternehmenssteuersätzen lockt Irland (2016: 13%). In den USA sind die Unternehmenssteuersätze am höchsten (39%). Deutschland liegt 2016 bei 30%. Niedriger sind die Sätze in Tschechien, Polen und Großbritannien. Japan hat 30%. Im Februar 2017 lehnen die Schweizer in einer Volksabstimmung eine Reform der Unternehmenssteuern ab. Die Steuerprivilegien für internationale Konzerne in der Schweiz werden nicht abgeschafft. Damit ist die Schweiz weiter auf Konfrontationskurs mit dem Ausland. Sie muss aufpassen, nicht auf die Liste der Steueroasen zu kommen. Deutschland und Frankreich planen nach der Wahl von Macron ein gemeinsames Unternehmenssteuerrecht. In Deutschland wächst 2018 der Druck, die Unternehmenssteuern zu senken (z. B. Wirtschaftsflügel der CDU). Man fürchtet um die Wettbewerbsfähigkeit. 

Steuerlast bei Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften: Die Steuerbelastung ist extrem schwierig zu ermitteln, weil es ein Bündel von Steuern gibt und auch Verflechtungen der Steuern. Etwas einfacher ist es nur bei Gewinnen. Inhaber von Personengesellschaften zahlen eine maximale Einkommensteuer von 45%, einen Solidaritätszuschlag von 2,5%. Also liegt die effektive Belastung bei 47,5% (ohne Gewerbesteuer: Staffeltarif und Verlustausgleich). Allerdings in der Regel deutlich darunter. Für Personengesellschaften existiert die Möglichkeit, einbehaltene Gewinne in die so genannte Thesaurierungsrücklage einzustellen und mit 28,25% zu versteuern.  Bei Kapitalgesellschaften müssen Gewerbesteuer (14% bei Hebesatz von 400%), Körperschaftsteuer (15%) und Solidaritätszuschlag (0,8%) vor der Ausschüttung addiert werden. Bei Ausschüttung der restlichen 70,2% kommen Abgeltungsteuer (25%), Solidaritätszuschlag (1,4%) dazu, so dass man auf effektiv 48,3% kommt. Eine Möglichkeit der Ermittlung der Steuerbelastung sind effektive Steuersätze. Deutschland kann die globale Steuerpolitik nicht beeinflussen, weil es zu klein ist. Insofern ist geboten, auf die Steuerpolitik von Trump entsprechend zu reagieren, also in Deutschland auch zu senken.  Im Jahre 2016 liegt hier Frankreich in der EU an der Spitze (38%). Es folgen Malta (35%), Belgien (34%). Deutschland liegt bei 29,8%. 2019 liegt der EU-Durchschnitt der Steuerlast bei Kapitalgesellschaften bei 21,7%. Drunter liegt etwa GB mit 19,0%. Die USA haben 25,8%. Deutschland hat 29,8%. Quelle: VCI.

Exkurs. Ertrags-Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften: "Deutschland ist im internationalen Vergleich ein Hochsteuerland. So liegt die Tarifbelastung deutscher Kapitalgesellschaften mit etwa 30 % um fast 10 Prozentpunkte oberhalb des EU-Durchschnitts. Teilweise wird vermutet, dass die tatsächliche Steuerbelastung von den Unternehmen aufgrund von Steuerplanung und Gewinnverlagerung erheblich reduziert wird. Dieser Beitrag zeigt allerdings auf Basis von Angaben aus der Körperschaft- und der Gewerbesteuerstatistik, dass die tatsächliche Steuerbelastung aufgrund einer unvollständigen Verlustverrechnung, dem eingeschränkten Abzug von Finanzierungsausgaben sowie der (teilweisen) Besteuerung von Dividenden, sogar um 5 bis 12 Prozentpunkte oberhalb der Tarifbelastung liegen kann." Siehe Koch, Reinhald: Die Ertragssteuerbelastung von Kapitalgesellschaften in Deutschland, in: Wirtschaftsdienst 11/ 2023, S. 776-782.

Belastungsindikator Mittelstand: Er wird 2020 vom IfM - Bonn im Auftrag des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft entwickelt. Es geht um die Belastung durch Ertragssteuern. Insgesamt hat sich die Belastung von 2008 zu 2017 verringert. Das gilt aber nicht für KMU. Quelle: Forschungsnewsletter des IfM - Bonn 4/2020.

Effektive Steuerlast bei Unternehmen: Es gibt viele Quellen. Alle sind mit Vorsicht zu genießen, weil dahinter oft Interessen stehen oder die Messung naturgemäß ungenau ist. Mit am zuverlässigsten dürften noch die Zahlen des ZEW, Mannheim sein (in Prozent). Am niedrigsten ist die effektive Steuerlast in Bulgarien (9,0) und Ungarn (11,1). Hoch ist sie in Frankreich (31,5) und Japan (34,1). Deutschland liegt bei 28,9. Die USA haben 26,6 vorzuweisen.

Rechtsformneutralität: Die durchschnittliche Besteuerung von Kapitalgesellschaften liegt 2021 in Deutschland bei 30%. Bei Dividendenbesteuerung kann der Anteil sich auf 48% erhöhen. Bei Personengesellschaften kann der Anteil etwa genauso hoch sein, wenn man doe Einkommensbesteuerung nach dem Halbwertprinzip mit einbezieht. Zusätzlich gibt es bei Personengesellschaften noch die Thesauringsbegünstigung. 2021 erwägt die Bundesregierung eine Optionsmöglichkeit einzuführen: Personengesellschaften können sich auch wie Kapitalgesellschaften besteuern lassen. Vgl. Koch, Reinhald/ Langenmayr, Dominika: Unternehmenssteuerrecht. Rechtsformneutralität sinnvoll? in: Wirtschaftsdienst H. 4, 2021, S.241.

Steuerquote von Unternehmen: Sie gilt als Indikator der Steuerlast. Laut der OECD sind die deutschen Unternehmen weltweit mit am höchsten besteuert. Sie zahlen im Schnitt 29,85 ihres Gewinns vor Steuern. Nur in vier EU-Ländern ist die Quote höher, unter anderem in Frankreich mit 34,4%. Bei den DAX-Konzernen liegt die Quote im Schnitt bei 24,9%.

Verlustrücktrag: Das Ifo-Institut empfiehlt nach der Corona-Krise 2020 den Verlustrücktrag als Rettungsinstrument für Unternehmen. Man solte Unternehmen erlauben, 2020 erlittene Verluste mit steuerpflichtigen Gewinnen des Jahres 2019 zu verrechnen. Der Gesetzgeber hat den Verlustrücktrag schon erhöht, aber recht zögerlich. Bei der Körperschaftssteuer auf eine Höchstgrenze von 5 Mio. € (Obergrenze) bei der Gewerbesteuer geschah nichts. Die Obergrenze bei der Verlustverrechnung sollte angehoben werden. Vgl. Fuest, Clemens: Rettende Gutschrift, in: Handelsblatt, Montag, 26.10.20, S. 48. Die Bundesregierung folgt dem: Der bisher geltende steuerliche Verlustrücktrag wird für 2020 und für 2021 auf 10 Mio. € angehoben. Bei Zusammenveranlagung gelten künftig 20 Mio. €. Bei einem steuerlichen Verlustrücktrag werden Verluste aus der Vergangenheit mit Gewinnen verrechnet. Steuern, die auf Gewinne gezahlt wurden, werden rückerstattet.

Vorschlag für eine Unternehmensteuerreform von Scherf: Das Konglomerat von Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbssteuer sei aus dem Gleichgewicht und verletze sämtliche Effizienz- und Gerechtigkeitsprinzipien. Scherf plädiert für ein neues System: Die Abgeltungsteuer wird abgeschafft. Zinsen und Dividenden unterliegen der persönlichen Einkommensteuer. Der Körperschaftsteuersatz wird auf 30% angehoben. Im Gegenzug dürfen auch dei Kapitalgesellschaften der Gewerbesteuer anrechnen. Der Abzug der Gewerbesteuer von der Einkommen- und Körperschaftssteuer wird auf den 4-fachen Gewerbsteuermessbetrag erhöht. Die Thesauringsrücklage für Personenunternehmen wird um die Steuer auf thesaurierte Gewinne erweitert und mit 30% besteuert. Vgl. Scherf, Wolfgang: Ein neuer Anlauf zur Unternehmensteuerreform, in: Wirtschaftsdienst 2018/5, S. 357.

Vorschlag für eine Unternehmenssteuerreform von Fuest/ Ifo: Die letzte größere Reform gab es 2008. Unternehmenssteuern sind ein wichtiger Standortfaktor. 2022 war unser Steuersatz der höchste unter den G7-Staaten. Die Gewerbesteuer sollte ersetzt werden. Ihr Aufkommen ist stark konjunkturabhängig und schwankt stark. Der Verlustausgleich stark eingeschränkt. Die Abschreibungsregeln sollten verbessert werden (von der Ampel geplant). Vgl. Fuest, Clemens: Warum die Ampel eine große Steuerreform nicht vertrödeln darf, in: WiWo 11/ 10.3.23, S. 41.

Wettbewerbsstärkungsgesetz bzw. Wachstumschancengesetz 2023: Das Bundesfinanzministerium will Unternehmen mit verschiedenen Maßnahmen steuerlich entlasten. Es geht um einen Milliardenbetrag (1,4 Mrd. €). Der wird später auf 6 Mrd. € aufgestockt. Kernpunkte sind eine Investitionsprämie und Forschungsförderung (-zulage). Elemente insgesamt sind: Investitionsprämie. Steuerliche Forschungsförderung. Verlustverrechnung. Bürokratische Hürden. Weitere Elemente sind: Sonderabschreibung (§ 7 g EStG), Thesaurierung (§34 a EStG), Verlustverrechnung, geringwertige Wirtschaftsgüter. Vgl. auch WiWo 30/ 21.7.23, S. 26ff.

Destination-Based Corporate Cashflow Tax (DBCFT):  Die neue US-Regierung unter Donald Trump plant die Einführung. Sie zielt auf eine cashflow-basierte Besteuerung nach dem Bestimmungslandprinzip, wie es in der EU für die Mehrwertsteuer gilt. Die unilaterale Einführung hätte große Auswirkungen auf andere Länder, auch die EU. Das zur Zeit weltweit führende Prinzip in der nationalen Besteuerung ist das Quellenstaatsprinzip. Besteuert werden Unternehmensgewinne dort, wo sie nach herkömmlichen Verständnis entstehen. Vgl. Becker, J./ Englisch, J.: Die radikalen Steuerpläne der US-Republikaner und die Folgen für die EU, in: Wirtschaftsdienst 2017/2, S. 103ff. Man muss im Moment abwarten, weil noch keiner weiß, wohin die Reise geht. Im Senat bekommt Trump für seine Steuerpläne im Oktober 2017 erst mal eine Mehrheit.

Körperschaftsteuer: Steuern, die auf den Ertrag bzw. den Gewinn von Unternehmen erhoben werden. In Deutschland gilt dies für Kapitalgesellschaften. Personengesellschaften (viele KMU) zahlen Einkommensteuern. Sie werden auf das Einkommen von privaten Haushalten bzw. auf den Gewinn von Unternehmen erhoben (Halbeinkünfteverfahren!). Die nationalen Steuersysteme bringen viele Konzerne häufig dazu, Gewinne ihrer ausländischen Töchter außerhalb zu investieren. Am besten wäre es für die Nationen, das Geld zurückzuholen. Dies geht nur über Unternehmenssteuerreformen. Ein Ansatzpunkt soll das Vermögen sein (oder Bodenwertsteuer). Ein erster Vorschlag in Deutschland ist die Patentbox: Einnahmen aus in Deutschland entwickelten Patenten sollen steuerlich begünstigt werden (sonst Patentverwaltung ins Ausland).  Vgl. Jarass, L./ Obermair, G.M.: Faire und effiziente Unternehmensbesteuerung, 2014. 2016 kommt der OECD-Aktionsplan gegen unerwünschte Steuergestaltungen, der eine gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage erarbeiten soll. Großbritannien will nach dem Brexit über Unternehmenssteuern in Wettbewerb treten. Nach der Wahl von Macron in Frankreich wollen Deutschland und Frankreich eine gemeinsame konsolidierte Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer schaffen. Frankreich plant 2021 eine Senkung der Körperschaftsteuer. Wie reagiert Deutschland darauf? Die EU schließt im Februar 2016 eine Lücke bei der Körperschaftssteuer. Multinationale Unternehmen müssen ihre Gewinne dort versteuern, wo sie anfallen. Sie können ab 2020 nicht mehr die Unterschiede zwischen Steuersystemen ausnutzen. Die USA und GB könnten ab 2017  aber einen starken Wettbewerb um Unternehmen mit niedrigen Steuern auslösen. Die USA wollen ab August 2017 die Körperschaftsteuer von 35 auf 15% absenken. Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Habeck wollen ab 2024 die Standortbedingungen verbessern. Im Zentrum steht die Körperschaftssteuer. Beim nominalen Steuersatz liegt Deutschland mit 29,9% vor Frankreich, (25,8), USA (25,8), Österreich (24). Das ist weit über OECD- und EU-Durchschnitt.

Unternehmenssteuerreform 2021: Wahlrecht zur Unternehmensform. Personengesellschaften können wählen, als Kapitalgesellschaften besteuert zu werden. Faktisch gibt es im ersten Jahr bis 2022 nur 150 Anträge. Viele Experten sehen das Geschenk für einige Familienunternehmen. Als ungeeignet erweist sich wohl das Einstimmigkeitsprinzip.

Ertragsteuern: Die nominale Ertragsbesteuerung von Kapitalgesellschaften setzt sich wie folgt zusammen (2023): Solidaritätszuschlag 0,825%; Gewerbesteuer 14%; Körperschaftsteuer 15%. Vgl. WiWo 7/ 10.2.24, S. 10.

Körperschaftssteuerreform in den USA (US-Steuerreform 2017): Auch vor der Reform gab es in den USA viele Schlupflöcher und Ausnahmen, d. h. die Besteuerung war nur nominell. Der Körperschaftsteuersatz soll von 35% auf 20% gesenkt werden. Für Personengesellschaften soll ein einheitlicher Satz von 25% gelten. Im Gegenzug soll der Grundfreibetrag neu geregelt werden, die Absetzbarkeit von Hypothekenzinszahlungen und die Ausnahmeregelungen sollen beseitigt werden.  In den USA wird Anfang Dezember 2017 die historische Steuerreform vom Senat gebilligt (es müssen noch Repräsentantenhaus und Präsident folgen, aber wohl sicher): Senkung der Körperschaftssteuer von 35 auf 21 Prozent (der Mindeststeuersatz von 20% wird auch abgeschafft; Durchschnitt aller Industriestaaten 22,5%). Zusätzlich sollen konzerninterne Importe mit einer Sondersteuer belegt werden. Diese soll zwischen 10 und 20 Prozent liegen. Die Importbesteuerung würde die deutsche Wirtschaft hart treffen. Zusätzlich könnte kommen, dass bestimmte Betriebsausgaben (für Lizenzen, Motorenteile aus dem Ausland) nicht mehr geltend gemacht werden können. Die zurückfließenden Gewinnen von US-Unternehmen im Ausland sollen mit 14,5% besteuert werden (8% auf illiquide Mittel, 15,5% auf Bargeld und ähnliche Vermögenswerte). Verrechnungsmöglichkeiten bei der Einkommenssteuer sollen abgebaut werden, die Zahl der Steuerstufen werden verringert.  Am 20.12.17 wird die Steuerreform von Senat und Repräsentantenhaus beschlossen und vom Präsidenten unterzeichnet. Der Höchstsatz der Einkommensteuer sinkt von 39,6% auf 37% (Spitzensteuersatz bei unverheirateten Privatpersonen über 500.000$ Einkommen, Verheiratete 600.000$). Der Freibetrag bei der Erbschaftssteuer wird auf 19 Mio. $ verdoppelt. Kurzfristig könnte die Reform tatsächlich alle Bürger entlasten, mittel- und langfristig benachteiligt sich die Armen. Staaten wie Kalifornien, Massachusetts oder New York erheben noch hohe lokale Steuern. Aktuell haben die USA eine effektive Steuerrate von 36,5%. Nach der Reform wären es 25,2% (Quelle: ZEW). In Deutschland beträgt die effektive Steuerrate 28,2%. Nach Berechnungen des Tax Policy Center der USA sehen die Verteilungswirkungen der Steuerreform wie folgt aus: Die reichen US-Bürger sind die Profiteure. Die Armen verlieren (s. o.). 2018 nach der US-Steuerreform holt Apple 252 Mrd. $ aus geparkten Gewinnen in die USA zurück und zahlt 38 Mrd. $ Steuern. Auch viele andere Konzerne, die ihr Vermögen in Steueroasen lagern, holen ihr Geld in die USA zurück: Microsoft, Cisco, General Elektric. Große Sonderlasten haben Banken. Die Beträge, die verrechnet werden können, sinken (frühere Verluste, etwa durch die Finanzkrise).  Jetzt ist der Anreiz weg, Gewinne im Ausland zu parken. Also werden US-Unternehmen ein neues Vermögensmanagement einrichten.

US-Steuerreform und Forschungsunternehmen: Die Reform schafft einen Anreiz, den Hauptsitz der Firma in die USA zu verlegen. Die US-Mutter kann dann eine Marke der deutschen Tochter überlassen, die Lizenzgebühr bezahlt. Die Einnahme der Mutter ist in den USA reduziert zu versteuern. Die Ausgabe der Tochter ist in Deutschland als Betriebsausgabe absetzbar. Ein Leak bringt 2021 die Finanzen der reichsten Amerikaner ans Licht. Sie zahlen so gut wie keine Steuern. Das könnte die Debatte über den steuerlichen Umgang mit großen Vermögen anheizen.

Steuerdumping: Handelskrieg über Gewinnsteuersätze. Die geplante starke Steuersenkung in den USA könnte das Aislösen. Allein in der EU gibt es stark variierende Steuersätze. An der Spitze liegt Frankreich. Ganz unten rangiert Irland. Die Steuerreform in den USA löst Steuerreformen in China und Frankreich aus. Der Druck der Industrie auf die deutschen Parteien steigt, die Körperschaftssteuersätze weiter zu senken. Insbesondere auf die SPD in den Koalitionsverhandlungen. Deutsche Firmen haben starke Anreize profitable Investitionsprojekte und wertvolle Patente in die USA zu verlagern. Auch Länder in Europa wie Frankreich, Italien und Deutschland werden nicht umhin kommen, die Steuerbelastung zu senken (von rund 30% auf 25%?).

Steuerrabatte als Beihilfe: 2022 greifen die USA massiv auf dieses Mittel zurück. Der IRA enthält zahlreiche Steuererleichterungen für Investitionen in grüne Schlüsseltechnologien. Die Erleichterungen gelten nur für US-Unternehmen bzw. solche ausländischen Unternehmen, die in den USA produzieren. Die EU will 2023 auch mit Steuerrabatten kontern. Dei Beihilfe-Regeln in der EU sollen gelockert werden. Vgl. HB 31.1.23, S. 9.

Senkung der Unternehmenssteuern und Wirkungen: Bekannt ist das "Trickle-down". Man senkt die Unternehmenssteuern, dann kommen die Investitionen. Am Ende profitieren der Staat (höhere Steuereinnahmen) und diei Bürger (Arbeitsplätze). Das Rezept funktioniert aber nicht mehr so einfach in der digitalen Welt. Einmal gibt es viele strukturelle Probleme: Demographie, Klima, Technologischer Wandel. Ziel sollte das Produktivitätswachstum sein. Das kann am besten durch mehr Forschung und Entwicklung erzeugt werden. Aslo sollte man dafür Anreize schaffen. Technologiezyklen werden kürzer. Darauf muss die Wissensinfrastruktur ausgerichtet werden (Schulen, Hochschulen, Weiterbildung). Vgl. Südekum, Jens: Steuern senken bringt nichts, in: Die Zeit, Nr. 11, 7. März 2019, S. 25..

Internationale Mindestbesteuerung von Unternehmen: Sämtliche große Player wollen die Reform, wie das Treffen der G20-Finanzminister im Juni 2019 gezeigt hat. Es soll ein System effektiver internationaler Mindeststeuern auf den Gewinn multinationaler Unternehmen bis Ende 2020 kommen. Eine Mindeststeuer könnte die Effizienz und Effektivität der internationalen Besteuerung deutlich steigern und den Steuerwettbewerb abmildern. Es gibt jedoch große Herausforderungen, exzessive Compliance - Kosten zu vermeiden und Doppelbesteuerungsabkommen zu begrenzen. Auch wird die nationale Souveränität in der Besteuerung durch eine solche Reform untergraben. Vor allem dürften zwei Elemente zum Einsatz kommen: 1. Income Inclusion Rule. 2. Tax on Base Eroding Payments. Zu1.: Der Anreiz wird vermindert, Gewinne und Investitionsvorhaben rein aus Steuergründen in Niedrigsteuerstandorte zu verlagern. Zu 2. Abfließende Zahlungen an verbundene Unternehmen im Ausland werden bis zur Höhe des effektiven Mindeststeuersatzes belastet. Vgl. Becker, Johannes/ Englisch, Joachim: Internationale Mindestbesteuerung von Unternehmen, in: Wirtschaftsdienst 2019/9, S. 642ff. 2021 wird die Idee der internationalen Mindestbesteuerung wieder neu belebt. Die USA müssen wegen ihres großen Konjunkturprogramms nach Corona den Körperschaftssteuersatz von 21 auf 28% erhöhen. Sie wollen gleichzeitig einen Mindeststeuersatz auf ausländische Gewinne von US-Konzernen von 21% erheben. Die Forderung kommt von Finanzministerin Janet Yellen. Sie will die Verlagerung der Gewinne in Steueroasen verhindern. Deutschland und Frankreich denken auch in die Richtung. Sie werden auch von IWF und Weltbank unterstützt. Der 30 Jahre währende Unterbietungswettbewerb bei Steuern soll beendet werden. Die G7 einigen sich in (Finanzminister in London) Cornwall im Juni 2021 auf eine Mindestbesteuerung von 15% (Steuerflucht macht für die Multis keinen Sinn mehr, da sie auf jeden Fall 15% zahlen müssen). 130 Länder werden sich daraufhin einig. Trotzdem kommt ein Geschacher um großzügige Ausnahmen. Die Finanzminister stimmen in Venedig im Sommer 2021 der Mindestbesteuerung zu.   Bei der Reform sind zwei Deutsche maßgeblich beteiligt: Achim Pross von der OECD (Chef der Steuerfachabteilung)  und Martin Kreienbaum (Unterabteilungsleiter für Internationales Steuerrecht) aus dem Bundesfinanzministerium. "Yellens Vorstoß könnte der Beginn einer neuen Phase weltumspannender Kooperation sein, die das Trittbrettfahrertum beendet", Hans-Werner Sinn 2021, Siehe Ders.: Ein Modell gegen den unfairen Steuerwettbewerb, in: WiWo 16, 16.4.21, S. 39. Biden dürfte aber seinen Heimatstaat Delaware, der das Steuerparadies in den USA ist, verschonen. Wie er das hinbekommt, wird spannend. Auch Luxemburg oder die Niederlande werden alles tun, um Oasen zu bleiben. In der EU gibt es auch noch einige Länder die unter 15% liegen (Irland, Bulgarien, Ungarn). In der Schweiz beträgt der Mindeststeuersatz im Kanton Zug 2021 12%. Man sucht händeringend nach Schlupflöchern: Einkalkulieren von Umweltabgaben, Forschungsaufwände. Andere fordern Subventionen für Unternehmen (oder Teil der Sozialversicherungsbeiträge übernehmen). Großbritannien und China planen Ausnahmen. Das könnte auch in den USA kommen. Die 15-Prozent-Grenze ist dehnbar löchrig. In der OECD kümmert sich 2022 der Deutsche Abteilungsleiter Achim Pross um Zweifelsfragen. Bei optimistischen Schätzungen hätte Deutschland durch die Mindestbesteuerung 6 Mrd. € zusätzliche Einnahmen. In der Praxis entpuppt sich das Projekt als bürokratisches Monster: 242 Seiten mit 89 Paragraphen. 320 Mio. € müssen deutsche Unternehmen aufwenden, um Systeme zur Befolgung der Mindeststeuer aufzubauen. Die jährlichen Folgekosten schätzt der BDI auf 100 Mio. € jährlich. Vgl. Wiwo 13/ 24.3.23, S. 34.

Mindeststeuer: Die globale Mindeststeuer von 15% kann kein Rettungsanker sein. 1. Es sind nur Konzerne mit einem Umsatz ab 750 Mio. € betroffen. 2. Es gibt Ausnahmen je nach Jobs und Kapital, die ein Unterschreiten erlauben. Die USA werden höchstwahrscheinlich nicht teilnehmen. Die deutsche Steuerlast ist doppelt so hoch. Sie liegt 2024 bei ca, 29,3%. auch große Länder haben attraktive Steuersätze (Steuerlast): Polen 12,5%; China 15 bzw. 23,3%; GB 19,7; Italien 22,9%; Frankreich 22,9%; USA 23,5% North Carolina, 29,6% New York; Spanien 29,6%. Unter der Mindeststeuer liegen Nidwalden/ Schweiz 9,8%; Hongkong 9,9, Ungarn 10,9; Schweiz 13,5%; Irland 13,9%.  Knapp drüber liegen Singapur mit 15,5; Tschechien 16,6; Slowenien 16,8; Schweden 18,3. Vgl. WiWo  23.2.24, S. 10.

Verkaufsorientierte Besteuerung von Unternehmen statt wertschöpfungsorientierte (EU-Digitalsteuer): Aktuell sucht die EU nach Konzepten, Firmen wie Amazon, Google und Apple in Europa gerecht zu besteuern. Das Problem besteht darin, dass die Körperschaftssteuer an der Wertschöpfung orientiert ist, aber bei den Internetfirmen die Wertschöpfung nicht mehr einem Standort zugeordnet werden kann (ist der Standort gar dort, wo der Algorithmus entwickelt wird; das möchte die USA). So haben diese Konzerne rigoros die Steueroasen in der EU genutzt. Es ist schwierig zu ermitteln, wo Gewinn entsteht. Ähnliche Probleme gibt es beim Umsatz. Deshalb gibt es das Konzept, Unternehmen zu besteuern, wo sie verkaufen. Sinn macht dieses Konzept aber nur, wenn alle Volkswirtschaften mitmachen. Die Idee ist aber als eine Warnung an die Steuerreformpläne der US-Regierung zu sehen. Im März 2018 sollen neue Pläne vorgestellt werden. diese offenbar milder als ursprünglich geplant: "Besteuert werden soll der Gewinn, den Internetkonzerne dank der Nutzung von Daten generieren". Konkret könnte das auf eine neue Steuer für Gewinn aus Onlineanzeigen hinauslaufen. Das wäre günstiger als eine auf Umsatz bezogene Ausgleichssteuer. Italien hat bereits beschlossen, ab Januar 2019 eine Websteuer einzuführen, die ebenfalls auf Werbeeinnahmen im Netz abzielt und E-Commerce ausnimmt. Einige Länder sind gegen eine Digitalsteuer, die einstimmig beschlossen werden müsste (Irland, Luxemburg, Malta, Zypern, Niederlande). Frankreich ist dafür. Die EU-Kommission will 2018 3 Prozent Umsatzsteuer für große Internetkonzerne vorschlagen. Voraussetzungen sind: weltweiter Jahresumsatz mindestens 750 Mio. Euro, Online-Umsatz in der EU 50 Mio. €. Davon wären lediglich 120 bis 150 unternehmen weltweit betroffen. Das soll aber nur eine Übergangslösung sein. Langfristig sollen die Körperschaftssteuer-Vorschriften angepasst werden. Dabei sollen folgende Kriterien gelten (eines von dreien reicht): 1. In einem Mitgliedsland mehr als 7 Mio. € Gewinn. 2. Es gibt mehr als 100.000 Nutzer. 3. Es gibt mehr als 3000 Verträge mit gewerblichen Nutzern.  Diese Steuer ist nicht unproblematisch. Es ist eine Zusatzsteuer für ein halbes Dutzend US-Firmen und ein protektionistischer Akt. Das könnte wie ein Bumerang zurückkommen. Denn Deutschland als Exportweltmeister verkauft die meisten Produkte im Ausland, die deutschen Konzerne versteuern ihre Gewinne aber in Deutschland. Im Juni 2021 einigen sich die G7 (Finanzminister in London) im Grundsatz auf eine Verkaufs orientierte Besteuerung, insbesondere bei den Digitalkonzernen (Umsatz, nicht nur am Firmensitz). die G20 sollen mit ins Boot geholt werden.   Beim Treffen der Finanzminister im Dezember 2018 scheitert eine Digitalsteuer vorerst. Die Debatte soll aber 2019 fortgesetzt werden.

Digitalsteuer: Die OECD und die G20 arbeiten an Konzepten. Das Problem besteht darin, dass die großen Digitalunternehmen weltweit Geschäfte machen, aber Steuern nur am Firmensitz in den USA zahlen. Digitale Plattformen werden nicht erfasst. Die OECD will diese Lücke bis 2020 schließen. 110 Länder sind beteiligt. sie zerfallen hinsichtlich einer langfristigen Lösung in drei Gruppen: 1. Frankreich ist hier Wortführer. Nur das Datengeschäft soll besteuert werden. 2. Weitere Debatte, da alle Branchen digitalisieren. 3. Kein Handlungsbedarf. Hierzu gehört die USA. Gegner einer Digitalsteuer argumentieren mit den höheren  Forschungsausgaben. Daher müsse die effektive Steuerbelastung geringer sein. In Davos sind sich die Industriestaaten einig über eine globale Digital- sowie Mindeststeuer. Es kommt auch zu einer Annäherung zwischen Frankreich und den USA. Im Rahmen der OECD soll eine Konzeption entwickelt werden. Die Präsidentschaft von Biden führt insgesamt zu einer höheren Unternehmensbesteuerung (von 21 auf 28%), auch um die Corona-Krise zu bewältigen. Damit scheint der Wettlauf um Steuersenkungen beendet. Das trifft auch die großen Digitalunternehmen. Die USA treten auch für eine Digitalsteuer ein. Wenn es generell Richtung Verkaufsbesteuerung geht, wäre Deutschland stark betroffen. Die USA setzen im juni 2021 ihre Strafsteuern gegen die EU und Indien wegen der Digitalsteuern aus.  Am 08.09.18 beraten die EU-Finanzminister über eine Konzeption. Eine Einigung könnte bald möglich sein. Die Geltungsdauer soll begrenzt werden, bis es eine globale Lösung gibt. 2018 melden sich massenhaft chinesische Unternehmen in Neuköln an (6600 Online-Händler). Dahinter steckt ein neues Gesetz, dass Plattformbetreiber für die hinterzogenen Umsatzsteuer haften. Die Händler haben wohl viele Jahre Steuern hinterzogen. Zum 1. Januar 2019 führt Frankreich im Alleingang eine Digitalsteuer ein. Sie soll 500 Mio. € einbringen (auf Umsätze, Werbeeinnahmen, Verkauf von Daten). 2019 plant Österreich eine eigene Digitalsteuer. Deutsche Finanzämter holen sich Steuern, die Google mit Werbung verdient, von den Auftrag gebenden Unternehmen (diese müssen sich dann wieder an Google wenden). Da der Zugriff auf Google in Irland in der EU nicht möglich ist, wählt man bisher diesen Ausweg. Frankreich führt im März 2019 eine Digitalsteuer ein: rückwirkend ab 01.01,19; Unternehmen über 750 Mio. Euro Umsatz weltweit , über 35 Mio. in Frankreich, Steuersatz 3%. Auch die Regierung in Österreich führt im April 2019 eine Digitalsteuer ein: Internet-Unternehmen mit einem weltweiten Jahresumsatz von 750 Millionen Euro sollen in Österreich künftig 5 Prozent Steuern auf online erzielten Werbegewinn zahlen. Man erhofft sich damit Einnahmen von mehr als 200 Millionen Euro. Neben der Steuer auf Online-Werbeeinnahmen soll in Österreich eine Umsatzsteuerpflicht für digitale Händlerplattformen eingeführt werden. Ein EU-Gericht verhandelt im September 2019 über eine Nachzahlung in Milliardenhöhe von Apple. Im Dezember 2019 drohen die USA mit Sanktionen gegen Frankreich. Strafzölle auf Wein, Champagner und Käse für die Digitalabgabe der Internetriesen der USA in Frankreich. Die Regierungen in Washington und Paris wollen ihren Streit bis Ende 2020 beilegen. Es soll eine Verhandlungslösung gefunden werden. Zu dieser Lösung kommt es im Juni 2020 vorerst nicht. Die USA ziehen sich zurück. Deutschland soll zwischen Frankreich und den USA vermitteln. In den USA sind sowohl Demokraten als auch Republikaner gegen eine Digitalsteuer. Die USA tendieren zur Mindestbesteuerung. 2021 gerät das Projekt ins Stocken. Bisher ist noch nicht mal das Abkommen von 2017 vollständig umgesetzt.

Digitale Unternehmen und Steuerstrafen: 2020 soll Facebook in den USA Steuern nachzahlen: 2020 übertrug Facebook Nutzungsrechte für sein Netzwerk an eine Konzerntochter in Irland, die dafür gebühren zahlte. Die US-Steuerbehörde befindet, dass Facebook die Gebühren zu niedrig ansetzte. Nach einem EU-Verfahren soll Apple 2020 14,4 Mrd. $ Steuerstrafe an die EU zahlen. Wegen Wettbewerbsverstößen wird Google zu Strafzahlungen von 4,8 Mrd. Dollar verurteilt.

Steuerprivilegien für Start-ups: Der Bundesfinanzminister will 2023 in einem Gesetzentwurf Steuerprivilegien für Start-ups ausweiten. Dafür hatte die Branche lange gekämpft. Der Pro-Kopf-Steuerfreibetrag soll von 1440 Euro auf 5000 Euro erhöht werden.  Das Dry Income-Problem soll so gelöst werden (Firmenanteile von Mitarbeitern werden versteuert, bevor sie zu Geld kommen). Die Reform soll Anfang 2024 in Kraft treten.

Besteuerung von Fonds-Anteilen: Ab 1. Januar 2018 werden diese direkt besteuert. Die Fonds müssen vorab 15% Körperschaftssteuer bezahlen. Die Anleger werden unter Umständen nicht mehr besteuert. Auch Altanleger sind betroffen. Bei Aktienfonds sind 30% der Erträge steuerfrei. Bei Immobilienfonds zwischen 60 und 80%.

Besteuerung des Online-Handels: Einführung einer Digital-Steuer, über die sich Online-Händler stärker am Ausbau von Infrastruktur wie Breitbandinternet beteiligen. Andere Experten diskutieren über eine "Paketabgabe", über die ein Innenstadtfonds finanziert werden könnte. Ab 1. Juli 2021 fallen auch für Internetkäufer, dei sich billig aus China und anderen Drittstaaten eindecken, für Sendungen unter 22 Euro Warenwert Einfuhrumsatzsteuer an. Bei Bestellungen über Amazon und andere in der EU ansässige Plattformen nehmen diese das Einbehalten und Abführen der 19-prozentigen Steuer. Wer jedoch Waren direkt über Billigportale (Wish, Joom) kauft, muss die Abgabe bei Übergabe an der Haustür zahlen. Paketdienste kassieren zusätzlich eine Servicegebühr (DHL 6 €).

Fallstudie "Amazon": Die Strategie besteht darin, über seine Tochterfirmen in aller Welt koordinierte Verluste einzufahren, die auf die Gewinne drücken und damit die Steuerlast in Ländern mit hohen Steuersätzen drastisch mindern. Die übrigen Gewinne werden immer wieder neu investiert und damit auch dem Finanzamt entzogen.  Zwischen 20218 und 2020 hat Amazon auf Bundesebene in den USA ganze 4,3% Unternehmenssteuern gezahlt. Vgl. Becker, Markus: Loch im Schleier, in: Der Spiegel Nr. 20/ 15.5.2021, S. 71.

Paketsteuer: Ende 2020 wird in der CDU eine Paketsteuer diskutiert ("Pakt für lebendige Innenstädte"). Sie soll Online-Sendungen betreffen. Die Einnahmen sollen den Innenstadtgeschäften zugute kommen. Die Corona-Krise beflügelt den Online-Handel und die Geschäfte in den Innenstädten leiden durch den Lockdown.

Spenden, Stiften und Steuern: Spenden für steuerbegünstigte Zwecke zählen bei den Steuern zu den Sonderausgaben. Dafür muss die Spende allerdings freiwillig und darf nicht mit einer Gegenleistung verbunden sein. Für den Steuerabzug ist eine Spendenbescheinigung notwendig. Sofort steuerlich berücksichtigt werden Spenden bis maximal 20% de Gesamteinkünfte eines Jahres. Der Rest kann in den Folgejahren verrechnet werden.

Für Stiftungen gelten besondere Regeln. Sind sie als gemeinnützig anerkannt, können Stifter bis zu eine Million Euro steuerlich wirksam einbringen. Das gilt alle zehn Jahre. Wird geerbtes Vermögen benutzt, kann man die Erbschaftsteuer sparen. Der bürokratische Aufwand ist hoch, so dass sich Stiftungen erst bei hohen Summen lohnen. Als reines Steuersparmodell ist die Stiftung weniger geeignet, weil das eingebrachte Vermögen dem zugriff der Stifter entzogen ist.

Steuerregeln für Digitalwährungen (Kryptogeld): Eine steuerfreie Haltefrist von 10 Jahren ist vom Tisch. Krypto - Investments sind in Deutschland nach einem Jahr komplett steuerfrei. Davor müssen die gewinne mit dem persönlichen Steuersatz versteuert werden. Neben der Fifo-Methode ist künftig auch die Durchschnittsmethode zulässig. Das BMF unterscheidet auch zwischen Privaten und gewerblichen Kryptoinvestoren.

Gewerbesteuer: Sie ist eine kommunale Steuer. Sie beruht auf einer Steuerformel: Die einheitliche Steuermesszahl von 3,5% wird multipliziert mit dem individuellen Hebesatz der jeweiligen Gemeinde (in D 11.000 Kommunen, mit theoretisch eigenem Hebesatz). Sie ist im Grunde genommen weltweit einzigartig und erklärt sich durch die Geschichte (Kleinstaaterei). Bei KMU gibt es einen speziellen Staffeltarif und Verrechnungsmöglichkeiten. Große Unternehmen mit vielen Standorten haben Verteilungs- und Entzugsmöglichkeiten. Die Kommunen legen die Hebesätze fest (für Gewerbesteuer und Grundsteuer B). Bei den Hebesätzen der Gewerbsteuer führt 2012 Oberhausen. Die Gewerbesteuer ist schon lange in der Diskussion für eine Abschaffung. Unklar ist, wie der Ersatz für die Kommunen aussieht, die erhebliche Haushaltsprobleme haben. 2012 betrugen die Einnahmen 42,3 Mrd. € (+4,6%; 1. Halbjahr 2013 +5%; Höchststand insgesamt). Eine Relevanz für die Gewerbesteuer haben die Unternehmenszentralen. Von daher haben die neuen Bundesländer einen Nachteil. Die Ausfälle bei der Gewerbesteuer 2020 bei den Kommunen in Höhe von ca. 12 Mrd. € werden zur Hälfte von Bund und Länder übernommen. Man setzt zunehmend auf den digitalen Gewerbesteuerbescheid.    Alle 250 Jahre muss ein Kleinstunternehmen in Bayern statistisch mit dem Besuch eines Steuerprüfers rechnen (Quelle: Der Spiegel 40/ 2013, S.74). Das höchste Gewerbesteueraufkommen 2013 pro Kommune und Einwohner hatten Gräfelfing, Biberach an der Riß und Frankfurt am Main. 2015 lag der durchschnittliche Gewerbesteuersatz bei 14,0%. 2016 erreicht die Gewerbesteuer einen Aufkommensrekord (50,1 Mrd. €; +9,5%). Der niedrigste Gewerbssteuerhebesatz in den 11160 deutschen Städten und Gemeinden betrug 2016 200%. Den höchsten Hebesatz hat die Gemeinde Dierfeld in RLP mit 900%. Der durchschnittliche Hebesatz lag 2016 bei 399%. 2018 macht die CSU aus Bayern einen Vorstoß im Bundesrat: Die Gewerbesteuer soll teilweise in die Körperschaftssteuer angerechnet werden können. Damit käme eine international wettbewerbsfähige Steuerlast von knapp 25% zustande. Zwischen 2012 und 2017 sind die Grund- und Gewerbesteuer der Kommunen fast überall gestiegen.  2021 liegen die Einnahmen aus der Gewerbesteuer auf Rekordniveau in Deutschland: 61,1 Mrd. €. Besonders stark fiel der Zuwachs in RLP aus (+64,1%, Biontech). Auch 2022 gibt es erneut einen Einnahmen-Rekord bei der Gewerbesteuer: Es ist ein Plus von 14,9 Mrd. € auf rund 70,2 Mrd. €. Den höchsten Anstieg erzielten Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz. 2023 kommt ein Gerichtsurteil: Ludwigshafen am Rhein muss 170 Mio. €  Gewerbesteuer an Unternehmen zurückzahlen, auch an die BASF. Den Gewerbesteuermessbetrag hatte aber eine  Landesbehörde festgelegt. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs wurde die Angelegenheit an das Finanzgericht RLP zu erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück überwiesen. Bei der BASF geht es um die Anrechnung einer Kartellstrafe, die von der EU-Kommission verhängt wurde.

Steueroasen bei der Gewerbesteuer: Den Hebesatz können die Gemeinden individuell festlegen (siehe oben). So entsteht ein Steuerwettbewerb und es bilden sich eine Art Steueroasen in Deutschland heraus. Eine dieser "Steueroasen liegt mitten im bayerischen Wald, 30 km östlich von München. Der Landkreis Ebersberg hat in einem Holzstadel allein zehn internationale Fonds. Es gibt 43 Standorte in Deutschland, wo der Gewerbe-Hebesteuersatz 200 Prozent beträgt, eine Art Dumping. 

Grundsteuer: Die Grundsteuer soll in Deutschland reformiert werden. Die Abgabe trifft Haus- und Wohnungseigentümer wie Mieter, also fast jeden Steuerzahler. Umstritten ist, ob der aktuelle Verkehrswert oder die Einheitswerte als Bemessungsgrundlage gelten sollen. Bayern will sogar die Flächengröße von Grundstücken und Gebäuden als Bemessungsgrundlage heranziehen. Die Grundsteuer A betrifft Betriebe der Land- und Forstwirtschaft. Die Grundsteuer B wird für Grundstücke erhoben. 2015 einigen sich der Bund und 15 Länder auf eine Reform (ab 2016, Grundstücke nach Verkehrswert, Gebäude nach schematischen Kriterien). Bayern will nicht mitmachen. 2016 einigen sich die Bundesländer auf eine Reform (mit Widerstand von Bayern und Hamburg). Wertzuwachs soll höher besteuert werden (Neubewertungen ab 2022). Eigentlich sollte das Kostenwertmodell das veraltete Einheitswertmodell ablösen. Danach würde die Grundsteuer der 35 Mio. Immobilien vom Bodenrichtwert und vom Gebäudewert abhängen. Allerdings ist dieses Modell nicht einfach, transparent und aufkommensneutral. Es dürfte nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts neue Gespräche zwischen den Ländern geben. Die Grunderwerbsteuer kann leicht missbraucht werden. In der Regel werden private Käufer geschröpft., vor allem in Ballungsgebieten. Großinvestoren zahlen häufig gar nichts, weil ihnen nicht die Immobilie als Personen verkauft wird, sondern einer Firma. Werden weniger als 95% der Anteile der Firma übertragen, wird keine Grunderwerbssteuer fällig. Seit 2006 dürfen die Länder den Steuersatz der Grunderwerbsteuer auf die bundeseinheitliche Bemessungsgrundlage selbst bestimmen. Das erzeugte einen Anstieg der Steuerbelastung. Die Grunderwerbssteuer ließe sich relativ leicht in die Umsatzsteuer integrieren. Vgl. Scherf, Wolfgang/ Dresselhaus, Caroline: Plädoyer für einen Ersatz der Grunderwerbsteuer, in: Wirtschaftsdienst 2016/10, S. 740ff. Auch Dirk Löhr: Grundsteuerreform: Ende einer Odyssee? in: Wirtschaftsdienst 11/2017, S. 809ff. Im Januar 2018 will das Bundesverfassungsgericht über die Grundsteuer grundsätzlich entscheiden. Es geht um die Berechnung nach Einheitswerten (teilweise seit 1935). Man könnte mit einem neuen Gesetz günstigen Wohnraum schaffen (Gebäude aus den Rechnungen heraushalten?). Es gibt auch den Vorschlag, einen kommunalen Einkommenssteuerzuschlag zu erheben (so etwas gibt es auch bei der Kirchensteuer). Nach der Entscheidung eine sFinanzgerichts wachsen dei Bedenken gegen dei Grundsteuerreform. Ist sie verfassungswidrig?   2015 betrug das Aufkommen aus der Grundsteuer 13 Mrd. Euro. 2016 wird dieses Aufkommen noch übertroffen (neuer Rekord; 13,7 Mrd. €; 2017: 14 Mrd. €). Am 10.04.2018 verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil: Die bestehende Grundsteuer in der geltenden Bemessungsgrundlage  ist verfassungswidrig. Das System muss bis Ende 2019 geändert werden. Für die Festlegung neuer Steuersätze haben die Finanzämter 5 Jahre Zeit bis 2024. Abstrakt ökonomisch (im Lehrbuch) geht es um drei Modelle: Bodenwertmodell (Wert eines Grundstücks bestimmt die Steuer). Kostenwertmodell (Bau- und Sanierungskosten fließen ein). Äquivalenzmodell (reine Fläche von Grundstücken und Gebäuden). Bundesfinanzminister legt im November 2018 seinen Reformplan vor, der vorerst nicht öffentlich ist. Bereits im April 2019 soll es einen Gesetzentwurf geben. Allerdings gibt es bisher nur Eckpunkte. Eine große Baustelle dürfte die Bewertung von Gewerbsimmobilien sein. Das Land Bayern sperrt sich gegen die Reform, wie sie das Bundesfinanzministerium will. Im Juni 2019 einigt man sich: Es bleibt bei dem Modell des BMF mit Grundstückswert und Miete. Es gibt eine Öffnungsklausel für die Länder, die Anpassungen vornehmen können. Bayern geht seinen eigenen Weg und  will auf Basis der Grundstücksfläche berechnen. Die Abweichungen sollen keinen Einfluss auf den Finanzausgleich der Länder haben. Die Kommunen entscheiden weiterhin über ihre Hebesätze über die Höhe der Steuer. Ab 2025 wird die Grundsteuer neu berechnet. Schon 2020 zeichnet sich ab, dass viele Länder das Gesetz des Bundes ablehnen. Sie befürchten zu hohe Kosten für Mieter und Eigentümer. Sie wollen die künftige Berechnung selbst regeln. Ab 2022 müssen Millionen von Grundstücken und Gebäuden neu bewertet werden. Wer Eigentum hat, muss dem Fiskus neue Daten vorlegen. Die Frist läuft am 31.1.23 ab. An diesem Tag fehlt noch ein Drittel der Grundsteuererklärungen. Die Kommunen legen die Hebesätze zur Grundsteuer fest. Sie sind im Jahr 2022 so stark gestiegen wie lange nicht (zuletzt 2016). Den höchsten Durchschnittsatz hatten Bürger in NRW vor Hessen und Saarland. Sehr wahrscheinlich wird der nächste große Sprung 2025 kommen. Keiner glaubt mehr an die versprochene "Aufkommensneutralität". Schon 2022 steigt das Aufkommen aus Grundsteuer A (Land- und Forstwirtschaft, 0,3%) und B (+2,0%). Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2023.

Gerechte und aufkommensneutrale Grundsteuerreform: Das BVerfG hat sich mit der Grundsteuer befasst. Dabei geht es um die Bemessungsgrundlage (veraltete Einheitswerte), aber auch um die Gesetzgebungskompetenz. Es gibt verschiedene Reformvorschläge. Dabei rücken die Parameter der Steuer in den Mittelpunkt: 1. Gemeindesteuer. Das Aufkommen gehört den Gemeinden. 2. Es gibt die Grundsteuer A (für Betriebe) und die Grundsteuer B (für andere Grundstücke). 3. Alle drei Ebenen sind beteiligt (Bund Erlass von Gesetz, Bundesländer haben Finanzämter zuständig für Einheitswerte, Kommunen legen Hebesatz fest und errechnen Grundsteuerschuld). Eine Rolle spielen bei der Reform der Kostenwert, der Finanzausgleich, die Verteilungswirkungen und auch eine Bodenwertsteuer. Vgl. Eine gerechte und aufkommensneutrale Grundsteuerreform? in: Wirtschaftsdienst 2018/3, S. 159ff. Vom Wert her gibt es drei Modelle: 1, Äquivalenzmodell (orientiert sich an der Quadratmeterzahl von Grundstücken und Gebäuden, unabhängig vom Wert). 2. Verkehrsmodell (der Fiskus zieht den Marktwert der Objekte heran bzw. den unterstellten Baukostenwert des Gebäudes plus Bodenrichtwert). 3. Bodenwertmodell (es setzt allein am Grundstückswert an. Der Wert der Immobilie selbst bleibt unberücksichtigt). Entscheidend dürfte die Frage sein, ob Wohnen noch teurer werden kann. Vermögen würde dann auch noch stärker besteuert. 2015 betrug das Aufkommen aus der Grundsteuer 13 Mrd. Euro. 2016 wird dieses Aufkommen noch übertroffen (neuer Rekord; 13,7 Mrd. €; 2017: 14 Mrd. €). Am 10.04.2018 verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil: die bestehende Grundsteuer ist verfassungswidrig. Das System muss bis Ende 2019 in der geltenden Bemessungsgrundlage geändert werden. Für die Festlegung neuer Steuersätze haben die Finanzämter 5 Jahre Zeit bis 2024. Die Koalitionspartner sich sich nicht einig. Ein Sonderweg für die Länder könnte möglich werden. Im April 2019 legt Bundesfinanzminister Scholz einen Gesetzentwurf vor. Er soll bis Jahresende vom Bundestag und Bundesrat genehmigt werden. 14,8 Milliarden Euro fließen in die Kassen der Kommunen. 36 Mio. Grundstücke sind von der Neuregelung betroffen, die ab 2025 gelten soll. Unterem Strich soll es keine Mehrbelastungen geben. Trotzdem plant der Bundesfinanzminister einen Zuschlag für Metropolen. Der Wert der Grundstücke soll in die Berechnung der Grundsteuer einfließen. Das könnte aber gerade Sozialwohnungen und die Genossenschaften treffen. Die Steuermesszahl kann noch so gering sein, wenn die Bodenwerte einfließen, kann es teuer werden.

Verfahren bei der Festlegung der Grundsteuer (bisher): Die Berechnung der Grundsteuer richtet sich nach der bebauten und bebaubaren Grundstück-Fläche (auch land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen). Maßgeblich ist der Einheitswert, der vom Finanzamt festgelegt wird. Die Grundsteuermesszahl wird vom Bund festgelegt (3,5 von Tausend; zentral seit 1936; einheitliches Bundesgesetz seit 1951). Den Hebesatz legt die Kommune fest. Damit wird die Jahresgrundsteuer berechnet. Es gibt 11.000 Kommunen in Deutschland. Künftig haben die Länder über eine Öffnungsklausel auch Einfluss darauf, wie der Einheitswert festgelegt wird.

Gemeindlicher Zuschlag auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer als Alternative zur Grundsteuer: Dieses Konzept folgt mehr dem Leistungsfähigkeitsprinzip und würde die Kosten der Neubewertung der Grundstücke vermeiden. Für ein rationales Gemeindesteuersystem könnte das besser sein. Besser erreicht werden könnten eine geringe Konjunkturreagibilität, eine proportionale Wachstumsreagibilität und eine geringe interkommunale Streuung des Steueraufkommens. Vgl. Broer, M.: Grundsteuer versus gemeindlicher Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer, in: Wirtschaftsdienst 2019/2, S. 126ff. 

Grundsteuer-Lösung von Arnold Harberger: Er war Ökonom an der University of Chicago. Er schlägt eine verblüffend einfache Lösung beim Bewertungsverfahren vor: "Erlauben Sie jedem... Eigentümer,...den Wert seines Eigentums zu deklarieren, machen Sie den erklärenden Wert öffentlich und verlangen Sie, dass der Eigentümer seine Immobilie an einen beliebigen Bieter verkauft,.. der den deklarierten Wert zu zahlen bereit ist.... Das System ist einfach, trägt sich von allein, bietet keinen Raum für Korruption, ist mit geringen Verwaltungskosten verbunden und schafft zusätzlich zu den bereits auf dem Markt bestehenden Anreizen den Anreiz, jede Immobilie auf die Weise zu nutzen, die die höchste volkswirtschaftliche Produktivität aufweist". Siehe Posner/ Weyl: Wir sind der Markt, Darmstadt 2019, S. 65f.

Grunderwerbsteuer: Ab 30. August 22 ist in NRW ein Förderprogramm aufgelegt worden. Das Programm läuft über die NRW Bank. Eigentümer, die 2022 eine Immobilie erwerben, können bis zu 10.000 Euro bekommen. die Steuer ist in NRW auch am höchsten. Der Bund und die Länder arbeiten 2023 an einer Neuregelung für private Hauskäufer. Bundesbauministerin Geywitz ist für eine Senkung. In thüringen erwingen CDU, FDP und AfD eine Senkung (Fallen der "Brandmauer" zur AfD).

Steuerpolitik als eine Ursache für hohe Mieten: Wer in Europa in Immobilien investiert, den fördern viele Staaten mit Steuernachlässen. Allein in Deutschland heizt das den Markt jedes Jahr mit bis zu 110 Mrd. Euro zusätzlich auf. Folge: Die Mieten steigen für Millionen. Im Mittelpunkt in Deutschland steht die Steuerfreiheit für den Veräußerungsgewinn nach zehn Jahren Haltefrist. Nicht minder widersinnig ist die Besteuerung von geerbten Immobilien. Die Erbschaftssteuer ist eigentlich progressiv. Als Teil eines Immobilienunternehmens ist sie steuerfrei. Share-Deals erlaubt dei Grunderwerbssteuer. Die Schwelle ist auf 90% gesenkt. Vonovia zahlte so für die Übernahme von Deutsche Wohnen unter 90% keine Grunderwerbssteuer. Steuerpolitik ist vermutlich insgesamt ungeeignet, Wohnkosten in bezahlbaren Grenzen zu halten. Das belegt die Entwicklung in Wien und Berlin. Dort investierte die Kommune schon seit den 1920er-Jahre im großen Stil in den sozialen Wohnungsbau. Die Gemeinde Wien hat ihre Wohnungen nie verkauft. dort müssen nur 18% der HH mehr als 40% ihres Einkommens für Wohnkosten zahlen. Vgl. Investigate Europe: Nach oben offen, in Rheinpfalz am Sonntag 7./8. Januar 2023, S. 23.  

Leerstandssteuer: Als erste Kommune in Deutschland will 2023 die Stadt Landau in der Pfalz eine solche Steuer erheben. Hintergrund ist der starke Zusatzbedarf an Wohnungen durch den Flüchtlingsstrom. Wegen juristischer Probleme wird die Idee dann doch vertagt bzw. fallen gelassen.

Share Deals bei der Grunderwerbsteuer: Jedes Jahr gehen in Deutschland rund eine Milliarde € an Grunderwerbssteuer dem Fiskus durch diese Geschäfte verloren. Immobilieninvestoren erwerben nur 95% an Grundstücken und Wohnungen und geben den Rest an Strohmänner. Damit gilt das rechtliche Eigentum nicht als übertragen. Die Investoren zahlen keine Steuern. Es wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um ein Konzept zur Beendigung dieser Praktiken zu entwickeln. ein neues Gesetz könnte frühestens 2019 kommen.

Bodenwertzuwachssteuer: Sie wird Anfang 20202 von SPD-Chef Norbert Walter-Borjans als Vorschlag eingebracht. Er wurde bereits auf dem SPD-Parteitag im Dezember 2019 beschlossen. Gegner bezeichnen eine solche Steuer als Investitionshemmnis.

Hundesteuer: Sie ist auch eine kommunale Steuer und wird pro Hund als Jahressteuer erhoben. Die Steuersätze weichen erheblich voneinander ab (Hundesteuer in Deutschland zwischen 0 und 186 € 2015). Über die Steuergrundlage wird immer wieder diskutiert (pro Hund, Zulage für bestimmte Rassen, z. B. Kampfhunde). Die Steuern sind in der Regel am höchsten in großen Städten. Die Hundesteuer wurde zum ersten Mal 1796 in GB erhoben; in Deutschland Mitte des 19 Jahrhunderts. Der Haustierboom während der Pandemie führt zu Rekordeinnahmen bei der Hundesteuer. 2021 erbringt die Hundesteuer 401 Mio. € (+5,4%, +21 Mio. € gegenüber dem Vorjahr).

Zweitwohnsitzsteuer: Kommunale Steuer. Die Schlüsselzuweisungen für den kommunalen Finanzausgleich werden nach der Anzahl der gemeldeten Einwohner berechnet.  Menschen mit Zweitwohnsitz zählen nicht dazu.

Wettbürosteuer: Kommunale Steuer. Sie wird in Speyer, Mannheim, Ludwigshafen und Pirmasens erhoben. Das Bundesverwaltungsgericht erklärt die Steuer 2022 für unzulässig. Grund ist eine Doppelbesteuerung.

Realsteuer: Es handelt sich um die originären Einnahmequellen durch Städte und Gemeinden in Deutschland. Diese berücksichtigen Effizienz und Subsidiarität. Im Einzelnen werden dazu gerechnet: Gewerbesteuer, Grundsteuer B, Grundsteuer A. Wichtig sind die jeweiligen Hebesätze, die die Kommunen festlegen. Dabei besteht auch ein Wettbewerb (Standorteffekte).

Verbrauchersteuern (auch Verbrauchssteuern): Steuern auf Waren und Dienstleistungen, die verbraucht werden. Sie zählen zu den indirekten Steuern, die in modernen Industriegesellschaften eine immer größere Rolle spielen. Interessant sind die speziellen Verbrauchssteuern. Dazu gehören die Kaffeesteuer, die Tabaksteuer, die Biersteuer und die Schaumweinsteuer. Z. B. bringt die Kaffeesteuer dem Bund jährlich etwa 1 Milliarde Euro ein. Die Biersteuer bringt 2015 noch 680 Mio. € (sie ist eine der ältesten Abgaben auf Verbrauchsgüter). Diese Steuern werden auch Bagatellsteuern genannt.  2016 führt Großbritannien eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke ein. Sie soll das Dicker werden der jungen Bevölkerung bekämpfen.

Tabak- und Alkoholsteuern: Neben der Tabaksteuer gibt es im deutschen Steuerrecht fünf verschiedene Alkoholsteuern. Sie werden offiziell mit gesundheitspolitischen Zielen gerechtfertigt. Eigentlich wird jedoch ein fiskalischer Zweck verfolgt. Steuertechnisch wird oft kritisiert, dass diese Steuern nicht besonders effizient sind. Die Tabaksteuer soll auch die externen Kosten des Rauchens internalisieren. Studien zeigen allerdings, dass Rauchen netto eher zu einer Entlastung von Sozialversicherten und Steuerzahlern führt. Die Steuervermeidung ist in einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. In Griechenland sind diese Aktivitäten sehr hoch (Umstieg auf unverteuerte Tabakwaren, so dass die Einnahmen sinken). In Deutschland gibt es einen stabilen Steuerfluss. Es gibt auch eine Pfeifentabaksteuer in Deutschland. Die Einahmen sind binnen zwei Jahren (2012-2014; 21 Mio. € 2014) um 70% gestiegen (so stark wie bei keiner Steuer). Grund ist die Ausbreitung der Shisha-Bars (und zunehmende Steuerehrlichkeit ihrer Betreiber, mehr Kontrollen). 2017 steigen die Einnahmen aus der Tabaksteuer (+3,2%). Das gibt nicht Aufschluss darüber, wie viel tatsächlich geraucht wird. 2019 soll die Tabaksteuer in Deutschland erhöht werden. Die Bundesregierung vertagt die mögliche Erhöhung. Ab 2022 wird die Tabaksteuer erhöht. Sechs Monate später werden auch E-Zigaretten einbezogen.  Die SPD will auch weniger schädliche Produkte (Liquids) in die Steuer einbeziehen. Die CDU ist erst mal dagegen. Es gibt immer weniger Raucher in Deutschland. 2020 waren es 17,5 Mio. 2025 werden 16,2 Mio. geschätzt. Die Entwicklung hängt auch mit der Preisentwicklung zusammen, bei die Tabaksteuer eine große Rolle spielt.   

Sektsteuer: Sie wird nur auf Sekt nicht auf Secco erhoben. Sie ist relativ hoch (mindestens 1 € pro Flasche). Sie wurde einst unter Bismarck 1902 eingeführt für den militärischen Schiffsbau. Sie konnte nie abgeschafft werden. Das ist das Schicksal vieler Steuern: Der Zweck ist weg, aber die Steuer bleibt.

Zuckersteuer: Sie wird auf zuckerhaltige Getränke erhoben in einigen Ländern der EU. Dazu gehören Frankreich, Großbritannien, Ungarn und Finnland. Motiv ist die Gesundheitsgefährdung (Diabetes, Antipositas). Foodwatch fordert auch für Deutschland eine solche Steuer. Besonders betroffen ist Coca Cola. Die Firma reduziert den Zuckergehalt, um die Steuerschuld zu senken. Laut einer Umfrage im Februar 2019 ist eine Mehrheit der Deutschen für eine Einführung der Zuckersteuer (Quelle: Forsa - Umfrage). Im Oktober 2019 fordert der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) die Einführung einer Zuckersteuer zur Vorbeugung von Übergewicht und Fettleibigkeit. Laut Südzucker AG geht es vielmehr um fehlende Bewegung und die Gesamtkalorien-Zufuhr. Deutschland setzt 2023 weiter auf die Selbstverpflichtung der Hersteller. Das ist eher gegen den Stand der Forschung, die weniger Krankheitskosten und höhere Einnahmen belegt. Vgl. Laxy, Michael: Gesundheitspolitik: Steuer auf zuckersüße Getränke, in: Wirtschaftsdienst 12/ 2023, S. 797.

Fleischsteuer: Im August 2019 kommt der Vorschlag für Fleisch die ermäßigte Mehrwertsteuer von 7% auf 19% zu erhöhen. Der Vorschlag kommt von einem Grünen-Abgeordneten und dem Deutschen Tierschutzbund. Genannt werden Tierschutz- und Umweltgründe (CO2-Ausstoß, Düngemittel, Gülle). Ökonomisch würde das dem Grundgedanken der Pigou - Steuer entsprechen. Der Preis für Fleisch würde steigen und der Verbrauch sinkt. Der Eingriff in falsche Konsum-Gewohnheiten wie jeden Tag Fleisch wäre auch gesundheitspolitisch sinnvoll, also nicht nur für die Umwelt gut. Hinzu kommt, dass die jetzige Steuerermäßigung einer Subventionierung entspricht. Solch  eine Steuer ist aber immer verteilungspolitisch ungerecht, weil sie stärker Arme trifft. Im Februar 2020 plädieren auch Experten (Kommission im Agrarministerium mit Wissenschaftlern, Tierärzten, Umwelt- und Verbraucherschützer, Bauernverbände)  für eine Fleischsteuer (40 Cent je Kilogramm Fleisch). Sie müsse sozialpolitisch flankiert werden. Die heutige Form der Nutztierhaltung habe keine Zukunft. Die "Haftungsumgebungen" seien problematisch. Dei EU muss das Tempo verdoppeln, um ihre Klimaziele bis 2023 zu erreichen. Nun rückt 2024 die Landwirtschaft wieder in den Blick. Die Kunden könnten bald mehr zahlen. Vgl. HB 16/ 23.01.24, S. 11. In Deutschland wird eine Tierwohlabgabe diskutiert, die einer Fleischsteuer adäquat wäre. Mit ihr soll der Umbau der Landwirtschaft finanziert werden. Sie käme aber erst mal dem Staat und nicht der Landwirtschaft zugute. Die FDP spricht sich gegen einen entsprechenden Vorschlag der Grünen aus.

Bagatellsteuern: Abgaben, deren Aufkommen so gering ist, dass der Verwaltungsaufwand überwiegt. Beispiele sind teilweise die Schaumweinsteuer beim Bund, die Feuerschutzsteuer bei den Ländern und die Hundesteuer bei den Gemeinden. Vgl. M. Hohlstein u. a.: Lexikon der Volkswirtschaft, München 2009, S. 84.

Tourismussteuer: Sie wird in besonders begehrten Regionen erhoben. So verdoppelt Mallorca 2017 seine Steuer. Auf kommunaler Ebene gibt es in Deutschland die Kurtaxe. Sie wird auf kommunaler Ebene für Aufwendungen für die Infrastruktur erhoben. Es gibt auch eine Bettensteuer, die den Kommunen zugute kommt, die sie erheben.

Abgeltungsteuer: Sie gilt seit 2009. 25% der Kapitalerträge. Die SPD plant eine Erhöhung auf 32% (die Grünen eine Besteuerung von Kapitalerträgen mit dem persönlichen Einkommensteuersatz). In den Koalitionsverhandlungen will die SPD eine Abschaffung durchsetzen. Die Folge wäre eine Besteuerung von Kapitalerträgen nach dem persönlichen Steuersatz, der in der Regel höher ist. Der Austausch von Bankdaten macht die Abgeltungssteuer tatsächlich eher überflüssig. Dann würden zukünftig Einkünfte aus Kapital genauso besteuert wie Einkünfte aus Arbeit. Ursprünglich sollte die Steuer dazu dienen, die Steuerflucht zu verhindern. Dies Begründung fällt weg, seit die OECD-Länder Infos über Kapitaleinkünfte automatisch austauschen. Im Sondierungspapier 2018 ist eine Abschaffung der Steuer vorgesehen.  2015 fällt das Aufkommen der Abgeltungsteuer auf 6,4 Mrd. €. Grund ist die Niedrigzinspolitik.

Schenkungs- und Erbschaftsteuer: Steuern auf den Transfer des Reichtums von einer Generation auf die andere. Vgl. Stiglitz/ Walsh: Makroökonomie, München 2013, S. 475. Das Aufkommen dieser Steuer ist am höchsten in Japan (1,8% des Aufkommens aller Steuern). Dann folgen Belgien (1,5%), Frankreich (1,0%) und Spanien (0,7%). Deutschland liegt bei 0,4% bzw. 0,7% (OECD). Die Lohn- und Einkommensteuer in Deutschland machte 2013 32% aus. Das ist ein Skandal im Hinblick auf Verteilungsgerechtigkeit (vgl. meinen Artikel unter "Fallstudie)! Zu ausführlicherem Inhalt über Erbschaftsteuer vgl. Mittelstandsökonomik. Zunehmend wird eine höhere Erbschaftssteuer unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit diskutiert (Vermögensungleichheit). Die Erbschaftssteuerreform 2016 hat umstrittene Steuervergünstigungen für den Erwerb betrieblichen Vermögens nur leicht modifiziert und sogar neue Begünstigungen geschaffen. Eine erneute Verfassungsbeschwerde scheint notwendig zu sein. Das Gesetz hat schwerwiegende Mängel. Immer wieder wird die Idee vorgebracht, die Erbschaftssteuer speziell für den Klimaschutz zu nutzen. Vgl. Bach, Stefan: Erbschaftssteuerreform: Erhöhung der Freibeträge sinnvoll! in: Wirtschaftsdienst 1/ 2023.  Ende 2014 kommt die Grundsatzentscheidung zum 2009 reformierten Erbschaftsteuerrecht. Das Bundesverfassungsgericht könnte die Ausnahmen kippen (hoher Missbrauch). So kommt es dann auch. Das Gesetz muss geändert werden bis Mitte 2016 (nur für kleine Unternehmen, nur für bestimmte Verwandtschaftsverhältnisse, Belegung des Arbeitsplatzerhaltes für alle Firmen, steuerbegünstigte Verwaltungsvermögen lud zu Vermögensverschiebungen ein). Die Bundesregierung will die Ausnahmen für Unternehmer neu justieren.  Viele Experten fordern eine Radikallösung. Für Erbschaften ab 26 Mio. € soll es ab 2016 eine Bedürfnisprüfung geben. Dann zwei Möglichkeiten: Rabatte auf Steuern oder Nachweis, dass aus dem Privatvermögen nicht gezahlt werden kann. Bei Familienunternehmen mit Kapitalbindung liegt diese Schwelle bei 90 Mio. €, ab der in jedem Falle die Steuern anfallen. Bis eine Mio. € soll es eine Befreiung geben. Wenn Arbeitsplätze erhalten werden, wird ab 6 Mitarbeitern überprüft. Die Reform der Steuer soll das Aufkommen um mindestens 235 Mio. € erhöhen. Wegen des Widerstands der Bundesländer steht die Reform auf der Kippe. Der Streit geht weiter. Man sucht nach einer Einigung. Ansonsten wird das Bundesverfassungsgericht aktiv werden. Am 22. September wird im Vermittlungsausschuss eine Einigung erzielt: Es gibt eine Stundungsregel. Die Steuer kann bis zu sieben Jahren gestundet werden. Vom zweiten Jahr an sind Zinsen fällig. Zur Ermittlung des Unternehmenswertes gibt es eine neue Formel (Umsatz mal 13,5). In einer Volksabstimmung 2015 lehnen die Schweizer die Erbschaftsteuer ab. Die SPD setzt in ihrem Wahlprogrammen auf eine Erhöhung der Erbschaftssteuer, besonders bei Millionären und Multimillionären. Sie rückt von der Vermögenssteuer ab, weil sie das Eigenkapital von Unternehmen schmälere. In Krisenzeiten gibt es immer mal wieder Probleme: Man muss die Belegschaft 100% halten u, nach sieben Jahren Unternehmensführung von der Erbschafts- und Schenkungssteuer befreit zu sein. Baut man Belegschaft ab, muss man Steuern nachzahlen (etwa in der Corona-Krise). Im Mai 2021 empfiehlt die OECD angesichts der Belastungen durch Corona eine Erhöhung der Erbschaftssteuern. Die Erhöhung könnte soziale Ungleichheiten bekämpfen und die öffentlichen Kassen entlasten. Im Durchschnitt der OECD machen die Belastungen durch Erbschaftssteuern nur 0,5% der gesamten Steuereinnahmen aus. Im Wahlkampf 2021 spricht sich Friedrich Merz für eine Reform der Erbschaftsteuer aus. Angesichts der rasant steigenden Immobilienpreise wird das Erben des Elternhauses wegen der hohen Steuerlast für viele Bürger zu einer finanziellen Bürde. 2023 fordert eine SPD-Gruppe, die Erbschaftssteuer deutlich zu erhöhen. Vgl. auch: Jirmann, Julia: Rückläufige Einnahmen aus der Erbschaft- und Schenkungssteuer, in: Wirtschaftsdienst 1/2024, S. 42-46.

Vermögensschenkung: Aus steuerlichen Gründen überlegen viele Familien eine Übertragung mit "warmer Hand" (Schenkung) als mit "kalter Hand" (Vererbung). Dabei kann man 7 bzw. 10 Jahre für Freibeträge nutzen. Die Übertragung muss faktisch nachweisbar sein. Sie ist dann auch unumkehrbar.

Erbschaftssteuer als Finanzierungsquelle: "Die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung kann angesichts der demografischen Entwicklung eine auskömmliche Versorgung im Alter bald nicht mehr sichern. Indem die Bürger:innen über eine kapitalgedeckte Alterssicherung am Unternehmensvermögen mittelbar beteiligt werden, könnte die Rentenlücke zumindest teilweise geschlossen werden. Das Unternehmensvermögen sollte bei einem neuen Reformanlauf auch vollständig in die Erbschaftsteuer einbezogen werden; dabei darf aber der Fortbestand der Unternehmen nicht gefährdet werden. Die Erbschaftsteuer auf Unternehmensvermögen könnte dabei als Finanzierungsquelle für eine kapitalgedeckte Altersgrundsicherung dienen." Siehe Löhr, Dirk: Finanzierung einer kapitalgedeckten Altersgrundsicherung über die Erbschaftssteuer, in: Wirtschaftsdienst 8/ 2022, S. 635-641.

Zukunftsfonds für eine Nachhaltigkeitswende: Die Konzeption stammt vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam un deinem damit verbundenen Netzwerk. Vgl. Beer, David Löw/ Leggewie, Claus/ Schlüter, Teresa/ Schellnhuber, Hans-Joachim: Ein Zukunftsfonds für die Nachhaltigkeitswende, in: Wirtschaftsdienst 2019/8, S. 532ff. Der Fonds soll gespeist werden aus einer Flat-Tax-Nachlasssteuer (0% bei Nachlässen unter 500.000 €; 25% bei Nachlässen über 500.000 €) und einer CO2-Steuer sowie einem Emissionshandel. Die Einnahmen aus der Nachlasssteuer sollen zu 100% in einen transformativen Staatsfonds einfließen, der eine soziale und strukturpolitische Nachhaltigkeitswende flankiert. Die einnahmen aus dem zweiten Teil sollen zu 50% in den Ausbau nachhaltiger Infrastrukturen und Innovationsförderung und zu 50% in Direktzahlungen an Haushalte fließen.

Reichensteuer (Vermögensteuer): Legt man den Über-Spitzensteuersatz der Einkommensteuer zugrunde (45% seit 2007 bei einem Einkommen ab 250.731 Euro, ansonsten progressiver Einkommensteuertarif bis 42% ab 52.882 Euro), beginnt Reichtum ab 250.000 Euro. Reichtum ist immer eine relative Größe. Ganz sicher öffnet sich bei uns die Einkommensschere. Deshalb werden Vermögensteuer bzw. Vermögensabgabe gefordert. In Frankreich scheitert Ende 2012 die Einführung einer Reichensteuer am Verfassungsrat. Sie wird dann doch eingeführt. Der Steuersatz beträgt ab einem bestimmten Einkommen (über 1Mio. €) 75%. Die Steuer wird vom Verfassungsrat gebilligt. Die SPD will Vermögen von mehr als 2 Mio. € jährlich mit 1% versteuern. Die Grünen fordern bei einem Nettovermögen von mehr als 1 Mio. € zehn Jahre lang eine Vermögensabgabe von 1,5%. 2014 befürwortet der ehemalige IWF-Chefökonom Kenneth Rogoff eine nationale Reichensteuer in den Krisenländern der EU. Die Deutsche Bundesbank spricht sich für eine einmalige Vermögensabgabe aus. Fasst man alle Vermögensbezogenen Steuern zusammen und berechnet den Anteil am BIP, ergeben sich folgende Daten (Quelle: OECD): Großbritannien über 4%; Frankreich 4%; USA 3%; Italien knapp unter 3%; Schweiz 2%; Deutschland 1%. Die Corona-Krise 2020 führt in Deutschland wieder zu einer Diskussion, dass die Reichen einen relativ höheren Steueranteil der Lasten übernehmen sollten. Die Stimmen mehren sich, die eine Reichensteuer fordern. Allerdings kommt die Diskussion selten zum entscheidenden Punkt: Was in Deutschland dringend notwendig wäre, ist eine bessere und höhere Besteuerung des Immobilienvermögens. Das haben viele andere Länder (unter anderem USA, GB, Frankreich). Das würde viel bringen und wäre gerecht, weil - wie der Name schon sagt, Immobilienvermögen nicht mobil ist. Das wäre besser als die Besteuerung von Finanzvermögen, das hoch mobil ist. Vgl. kritisch dazu: Sinn, H.- W.: Ökonomisch schädlich, recht fragwürdig, politisch unklug, in: WiWo 39, 24.9.21, S. 41.  2016 nehmen die Grünen die Einführung einer Vermögensteuer wieder in ihr Programm auf (Einkommen über 80.000 Euro). Im Programm von Martin Schulz für die Bundestagswahl 2017 ist eine Art Reichensteuer vorgesehen (3% Prozentpunkte Erhöhung Spitzensteuersatz von 45 auf 48% bei Einkommen über 250.000 € im Jahr). Das Ifo-Institut in München macht 2017 eine Studie zur Vermögenssteuer. Von einer Wiedereinführung wird abgeraten (erhebliche gesamtwirtschaftliche Kosten). Frankreich schafft 2017 nach dem Wahlsieg von Macron die Vermögensteuer ab. 2018 fordert der französische Ökonom Thomas Piketty eine europäische Steuer, die den Armen zugute kommt. Im August 2019 kommt der Verschlag der Einführung einer Vermögensteuer von einer der kommissarischen SPD-Vorsitzenden, nämlich Manuela Schwesig. Es kommt scharfe Kritik aus der CDU. Der Steuersatz soll 1% betragen. Die Steuer soll für Ledige ab einem Vermögen (Grundbesitz, Immobilien, Unternehmensanteile, Bargeld) von 2 Mio. € gelten (Verheiratete 4 Mio.). Ende August 2020 kündigt der SPD-Kanzlerkandidat wieder eine Reichensteuer an (Corona; leistungsgerechteres Steuersystem).  Auch die Grünen haben in ihrem Programm für die Bundestagswahl 2021 eine solche Steuer. einige Experten (etwa Ifo-Institut) gehen von einem Verlust für alle aus (Simulationsrechnung 2017). Sie prognostizieren ein Verlustgeschäft für den Fiskus. Man solle sich auf Grundvermögen beschränken, das nicht weg läuft. Es wird immer wieder das Beispiel Frankreich aufgeführt. Entscheidend dürfte aber die Ausgestaltung der Steuer sein. Ifo vertritt auch Interessen. Die Zahl der Ökonomen wächst, die für eine Vermögenssteuer eintreten. Zu ihnen gehört auch der prominente französische Ökonom Thomas Piketty. Er hält die Abschaffung der Steuer in Frankreich für einen großen Fehler. Vgl. Ders.: Der Sozialismus der Zukunft, München 2021, S. 101ff. Der Krieg in der Ukraine 2022 belebt die Idee der Vermögensabgabe wieder. Sie könnte in Deutschland etwa 170 Mrd. € einbringen. Vgl. Schieritz, Mark: Ran an die Reichen, in: Die Zeit 31.3.22, S. 25.

"Krisenabgabe" für Reiche: Diese temporäre Zahlung wird immer wieder in die Diskussion gebracht. Grund sind die Herausforderungen unterschiedlicher Krisen. Betroffen wären Bürger mit "allerhöchsten" Einkommen. Die SPD macht z. B. einen solchen Vorschlag. Das Geld soll in Bildung investiert werden.

Immobiliensteuer: Immobilienbesitz in Deutschland kann Steuervorteile bringen. Dies führt in Deutschland zu Fehlinvestitionen und Anhäufung von Grundvermögen in den Händen weniger Menschen. Die Vorteile nutzen vor allem Investoren und große Gesellschaften, die Immobilien vermieten. Die Steuervorteile gelten vor allem bei Immobilienverkäufen. Sie haben zum starken anstieg der Immobilienpreise beigetragen. We reine Immobilie kauft und länger als zehn Jahre behält, muss den Gewinn bei Wiederverkauf nicht besteuern. Drei Experten (Clemens Fuest/ München, Johanna Hey/ Köln, Christoph spengel/ Mannheim) regen 2021 an, diese Steuersubventionen zu streichen.

Plutokratensteuer: Besteuerung von Milliardären. Die Diskussion gibt es unter Wissenschaftlern in den USA. Sie spielt auch im Präsidentenwahlkampf 2020 eine Rolle. Die linken Kandidaten Bernie Sanders und Elisabeth Warren berufen sich auf entsprechende Besteuerungskonzepte. Sie wurden von Emmanuel Saez und Gabriel Zucman vom NBER (National Bureau of Economic Research) entwickelt. Vgl. Wealth Inequality in the United State since 1913; The Triumph of Injustice. Sie empfehlen Unternehmensgewinne mit mindestens 25%  bis 60% zu besteuern. sie setzen sich auch für die Besteuerung von Briefkasten-Niederlassungen ein. Die Infos lägen den Steuerbehörden vor. Eine Massenabwanderung von Unternehmen aus den USA schließen sie aus. Sie schlagen konkrete praktische Verfahren vor. Vor allem wollen sie an Re-Investitionen in Familienunternehmen rangehen. Die Idee geht zurück auf John Stuart Mill und Thomas Paine: Wenn ein Mensch reicher wird, beruht sein wachsender Wohlstand auch auf gesellschaftlichen Ursprüngen. Er sollte besteuert werden, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Steuern haben nicht den Zweck, dem Bürger sein Geld zu nehmen, sondern der Gesellschaft den sozialen Wohlstand zurückzuzahlen, den sie ihm verliehen hat, in Form von Bildung und Zugang zu Wissen, das von früheren Generationen überliefert wurde. 2023/24 steht eine Referatsleiterin aus dem Bundesfinanzministerium im Mittelpunkt. Die Ministerialrätin Gerda Hofmann hatte auf eine Veranstaltung einer Wirtschaftskanzlei über Steuerveränderungen für Wohlhabende doziert und Steuerspartipps gegeben. Sie wird versetzt in die Produktinformationsstelle.

Luxussteuer: Verbrauchersteuer, die auf Luxusartikel erhoben wird. Typischerweise handelt es sich um Waren, die überdurchschnittlich häufig von Reichen konsumiert werden. Eine solche Luxussteuer gibt es in China. Sie wurde als Ersatz für die hohen Einkommensfreigrenzen bei der Einkommenssteuer und der Senkung der Mehrwertsteuer eingeführt. 2020 führt die Türkei eine Luxussteuer auf Neuwagen der Premium-Klasse ein. Das trifft besonders Daimler. Sie will die Kfz-Importe drosseln, weil sie 2021 eine eigene E-Auto-Produktion plant.

Kapitalertragsteuer: Kapitaleinkünfte werden in Deutschland pauschal mit einem Steuersatz von 25% besteuert. Die Steuer wird auch Abgeltungsteuer genannt. Viele fordern, diese Erträge mit dem normalen Einkommensteuersatz zu besteuern. Das ist aber nicht einfach umzusetzen weil Dividenden der Aktionäre bereits beim Gewinn besteuert wurden.

Einkommensteuer: Die Einkommensteuer wird in Deutschland sowohl von Beschäftigten als auch von Unternehmen gezahlt. Bei den Unternehmen zahlen diese Steuer Personengesellschaften, hauptsächlich KMU. In Deutschland betrifft dies ca. 80% aller Firmen. Die großen Unternehmen zahlen als Ertragsteuer Körperschaftsteuer für Kapitalgesellschaften. Es gibt Reformüberlegungen, einen dualen Tarif einzuführen (Privathaushalte und Unternehmen getrennt). Das deutsche System gilt als wesentlich besser als die Systeme in Frankreich und Italien. Wer zahlt die Einkommensteuer? Das reichste Hundertstel mit Einkünften ab 184701€ zahlt 22% (vom Gesamtaufkommen in Höhe von 198 Mrd. € 2011). Das reichste Zehntel bringt 54,6% auf (Einkünfte ab 69582€). Die ärmeren 50% der Steuerzahler (Einkünfte bis 26191€) zahlen 5,4%. Eine andere Relation: 2013 zahlt die obere Hälfte der Steuerpflichtigen 95% des Einkommensteueraufkommens. 2014 gelten folgende Grenzsteuersätze in Prozent: freies Existenzminimum (0%); 14% ab 8355€; 24% ab 13.770€; 42% ab 52.882€; 45% ab 250.731€ (immer zu versteuerndes Jahreseinkommen). Nach einer Studie der OECD 2016 ist Arbeit in Deutschland im internationalen Vergleich stark mit Steuern und Sozialabgaben belastet: 2015 lag die Quote bei 49,4% der Arbeitskosten. Nur in Österreich und Belgien sei die Quote höher. Die OECD empfiehlt als Ausweg eine stärkere Besteuerung von Immobilien. Ein allein stehender Durchschnittsverdiener darf 2016 50,6% seines Einkommens behalten. 49,4% muss er an den Staat abgeben (Steuern und Sozialabgaben). Geringverdiener haben einen Nachteil bei der Besteuerung. Lohnzuwächse und Mehrarbeit wirken sich stark aus (ZEW Mannheim 2017 für Bertelsmann-Stiftung). In Anbetracht der hohen Inflation 2022 beschließt das Kabinett im September 2022 für 2023 folgende Regelungen: Der Grundfreibetrag wird für 2023 angehoben. Weitere Eckwerte werden verschoben (gegen kalte Progression). Einige Experten fordern, die Überstunden von der Einkommenssteuer zu befreien (wegen der Notwendigkeit durch Fachkräftemangel). Das Bundesfinanzministerium plant 2024 einen Wegfall der Steuerklassen 3 und 5. Es soll nur noch Steuerklasse 4 nach dem Faktorverfahren bleiben.   Im Rahmen der Bundestagswahl 2013 gibt es Überlegungen, den Spitzensteuersatz ab einem bestimmten Einkommen zu erhöhen (SPD ab 100.000€ auf 49%, 200.000€ bei gemeinsamer Veranlagung von Paaren). Die große Koalition plant ab 2020 eine große Steuerreform. Der Solidaritätszuschlag soll in die Einkommensteuer integriert werden. Die kalte Progression soll abgemildert werden. Im August 2014 zahlten die Arbeitnehmer 7,3% mehr Lohn- und Einkommensteuer an den Staat als vor einem Jahr. Ab 2016 gilt ein höherer Grundfreibetrag von 8652 € und einige Eckwerte werden verschoben). Die Lohn- und Einkommensteuer macht rund ein Viertel aller Steuereinnahmen aus (173 Mrd. € 2015). Die SPD will in ihrem Wahlprogramm 2017 den Spitzensteuersatz auf 45% anheben (ab 76.200€ Jahreseinkommen, Single). Der jetzige Spitzensteuersatz von 42% soll erst ab 60.000 € greifen (Single, Bruttoeinkommen von 70.500€). Die CDU/ CSU will die Erlöse aus der Einkommenssteuer um 15 Mrd. € senken (Spitzensteuersatz von 42% ab 60.000 € Jahreseinkommen). Kaum ein anderes Land besteuert Arbeit so stark wie Deutschland (49,7% der Arbeitskosten bei allein stehenden Durchschnittsverdienern für Einkommensteuer und Sozialabgaben; Quelle: OECD). "Erst beim Abfassen der Einkommensteuererklärung kommt man dahinter, wie viel Geld man sparen würde, wenn man gar keines hätte", Fernandel, französischer Schauspieler. Die erste Einkommensteuer wurde in Deutschland in Hamburg schon im Mittelalter eingeführt. 2019 zahlen in Deutschland 4,2 Mio. Deutsche den Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Das liegt daran, das 2019 schon das 1,9-fache des Durchschnittseinkommens (ca. 30.000€) dafür ausreicht (1960 noch 22,5x). Einige Finanzpolitiker fordern eine einmalige Steuerentlastung für Kurzarbeiter nach der Corona-Krise. Es soll eventuell eine Sonderregelung im Steuergesetz kommen.

Einkommensteuerreform in den USA: Sie soll vereinfacht werden. Künftig sind nur noch vier statt bisher sieben Steuerstufen geplant. Die Steuerbelastung soll sinken. Der Spitzensteuersatz von 39,6% wird nicht reduziert, kommt aber erst ab einem Einkommen von 500.000 US-$ zur Geltung. In der beschlossenen Steuerreform vom Dezember 2017 kommt eine andere Variante: Senkung des Spitzensteuersatzes auf 38,5% vorerst befristet bis 2025. Die pauschalen Freibeträge pro Haushalt verdoppeln sich. Bestimmte Abzugsmöglichkeiten werden gestrichen. Die Steuerreform von Dezember 2017 greift auch in den Gesundheitsbereich ein. Gesunde, junge Beschäftigte können befreit werden. Das dürften sie millionenfach machen. Auf Ältere und Kranke kommen drastisch steigende Beiträge zu.

Ökosoziale Steuerreform in Österreich: Der Beschluss erfolgte Ende 2021. Die Reform soll 2025 in Kraft treten. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen dann um 4,3 Mrd. € entlastet werden (größte Steuerentlastung nach dem 2. Weltkrieg). Der Steuersatz für Unternehmen soll von 25 auf 23 % sinken (Durchschnittsniveau der OECD), Für innovative Unternehmen gibt es eine 14-przentige Forschungsprämie. Vgl. Ramthun, Christian: Das Wunder von Wien, in: WiWo 1/2 2022 (7.1.), S. 35.

Pläne zur Steuerentlastung 2022 im BMF: Das Paket hat ein Volumen von 10 Mrd. €. Steigenden Presien soll entgegengewirkt werden. Vorgesehen sind ein höherer Grundfreibetrag und mehr Kindergeld. Es soll auch einen Ausgleich bei der "kalten Progression" geben.

Ehegattensplitting: Die Einkommen verheirateter Paare werden vom Finanzamt zunächst zusammengezählt und dann wird der Gesamtbetrag halbiert. Die Steuer auf das halbierte Einkommen wird danach verdoppelt. Für die Steuerzahler hat dies den Vorteil, dass ihr Einkommen einem deutlich niedrigerem Steuersatz unterliegt als ohne Splitting. Die Steuerersparnis fällt umso größer aus, je mehr die Einkommen der Ehepartner auseinander liegen und je höher der Gesamtverdienst ist (am meisten profitieren Ehepartner mit nur einem Verdiener). Bei getrennter Veranlagung wäre die Steuerlast also wesentlich höher. Es gibt Gedankenspiele, das Ehegattensplitting zugunsten eines Familiensplittings zu reformieren (auch ausgelöst durch das Homo-Splitting). Beim Familiensplitting würden die Kinder berücksichtigt. Hierzu tendiert die CDU. Nach einer Studie des DIW 2013 würde es Besserverdienende deutlich stärker entlasten als einkommensschwache Familien. Das Ehegattensplitting wird in Zukunft umso mehr keine Rolle mehr spielen, je mehr Frauen berufstätig sind und die Einkommen der Eheleute sich angleichen. Es gibt auch Politiker, die statt Familiensplitting eine Sonderabgabe für Kinderlose fordern (Junge Union). Die SPD fasst im Oktober 2015 den Beschluss, das Ehegattensplittung auf unverheiratete Paare mit Kindern und Alleinerziehende mit Kindern auszudehnen (Bestandsschutz für Familien ohne Kinder). Die Grünen wollen das Ehegattensplittung für neue Ehen abschaffen. Das Bundesministerium für Wirtschaft behauptet, das Ehegattensplitting halte Frauen davon ab, berufstätig zu sein. Den Steuerbonus erhält der Partner mit dem höheren Einkommen, insofern können meist Frauen benachteiligt sein. Die Reform des Solidaritätszuschlags (Erhöhung der Freigrenze) könnte dazu führen, dass es Auswirkungen auf die Ehegattenbesteuerung hat. Es gäbe einen starken Anreiz für die getrennte Veranlagung. Fraglich ist, ob das Bundesverfassungsgericht das akzeptiert. 2021 vor dem Bundestagswahlkampf wollen Grüne, SPD und Linke das Ehegattensplitting eher abschaffen. Union und FDP halten dagegen. Es gibt konkrete Reformvorschläge: 1. Realsplitting (Individualbesteuerung, Erstverdiener kann einen bestimmten betrag übertragen). 2. Ehe-Zusatzfreibetrag (Übertragungs-Höhe mit wachsendem Einkommen zurückfahren). 3.Vertrauensschutz der alten Regel  (dann würde Wirkung viele Jahre dauern. Kriterien sind Folgen für Arbeitsangebot, Frauenerwerbstätigkeit, Höhe der Steuereinnahmen, Steuergerechtigkeit. Vgl. Fuest, Clemens: Droht verheirateten Paaren der Steuerschock, in: WiWo 36, 3.9.21, S. 45. Auch: Roth, Steffen J.: Das Ehegattensplitting steht der Erwerbstätigkeit von Frauen nicht im Weg, in: Wirtschaftsdienst 12/ 2022, S. 965-970. Im Sommer 2023 kommt ein neuer Vorstoß für die Abschaffung des Ehegattensplittings (SPD, Grüne). Die FDP ist dagegen. Es gibt keine Regelung im Koalitionsvertrag. Vgl. auch: Richter, Wolfram F.: Vom Ehegattensplitting zur Individualbesteuerung, in: Wirtschaftsdienst 10/2023, S. 705-709.  Ein Ehegattensplitting wie in Deutschland gibt es ansonsten nur in Polen, Luxemburg und den USA. In Deutschland sollen zu starke Vorteile abgeschöpft werden, etwa durch den Progressionsvorbehalt (z. B. wenn ein Partner Arbeitslosengeld bezieht). Die ausgleichende Wirkung ist aber minimal (beeinflusst nur den neuen Steuersatz). Abwertend wird aoft vom Modell "Hausfrauenehe" gesprochen. Es besteht nicht nur aus der Steuerkomponente: Dazu muss man auch die Krankenkasse und die Witwenrente zählen. Hauptdiskussionspunkt ist die Steuerkomponente. Gerecht wäre hier zumindest ein "Realsplitting": Obergrenze für das einkommen, das für die Steuerberechnung von einem auf den anderen Partner übertragen werden kann.

Vgl. zusätzlich zu den Unternehmenssteuern auch Mittelstandsökonomik.

Steuerprogression: Der deutsche Einkommensteuertarif hat eine Progressionszone, in der der Anstieg überproportional verläuft. Einerseits wirkt dadurch die Einkommensteuer als "Built in Flexibility" bei der Konjunktur. Andererseits werden bei den Beschäftigten Gehaltserhöhungen aufgefressen (zusammen mit der Inflation). Zu unterscheiden ist zwischen dem Grenzsteuersatz (2011 Spitzensteuersatz bei 42%, der bei einem Einkommen von 52.882 erreicht wird; die SPD will den Spitzensteuersatz auf 49% erhöhen ab 100.000€; bisher 45% ab 250.731€) und dem Durchschnittssteuersatz, wo die Steuerschuld auf das gesamte zu versteuernde Einkommen bezogen wird. Der Eingangssteuersatz liegt bei 14% (8354€). Die 383.000 Spitzenverdiener mit Einkünften von mehr als 172.000 Euro zahlen rund ein Viertel der Lohn- und Einkommensteuer in Deutschland (StBA). Durch die so genannte "kalte Progression" haben die öffentlichen Haushalte enorme Steuereinnahmen (Prognose für die nächsten Jahre der Steuermehreinnahmen): 2014 0,8 Mrd. €; 2015 3,2; 2016 5,6; 2017 8,0. Mit der ersten progressiven Einkommensteuer 1799 in Großbritannien finanzierte William Pitt der Jüngere den Krieg gegen Frankreich.

Spitzensteuersatz: Der Spitzensteuersatz beträgt 2018 in Deutschland  42%. 2018 bezahlte fast jeder zehnte Steuerzahler diesen Spitzensteuersatz in Deutschland. Das waren 4,1 Mio. Steuerzahler. 2014 lag diese Zahl bei 2,1 Mio. In diesem Jahr waren knapp 44 Mio. Deutschen steuerpflichtig. Die vom Spitzensteuersatz betroffenen zahlten 2018 insgesamt 149, 3 Mrd. Euro. Das ist mehr als die Hälfte des gesamten Steueraufkommens der Lohn- und Einkommensteuer. Das sind Modellrechnungen. Dann gibt es noch aktuell Extrem-Tarifzonen (2020): Ab 109.000 € gelten 44,3%, ab 270.501 € 47,5%. Die Bundesregierung arbeitet mit den tatsächlichen Zahlen des letzten abgeschlossenen Finanzjahres. Das ist Anfang 2020 das Jahr 2015. In diesem Jahr zahlten 3,5 Mio. Menschen den Spitzensteuersatz von 42%. Der Spitzensteuersatz fiel 2015 bei einem zu versteuernden Einkommen ab 52.882 Euro an (Einzelveranlagung) und 105.764 Euro (Zusammenveranlagung).  In der Regel diskutiert im Zusammenhang mit dem progressiven Tarif der Einkommensteuer in Deutschland. 2017 beträgt dieser Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer in Deutschland 42 Prozent. 4,2 Mio. Menschen zahlen 2017 in Deutschland diesen Spitzensteuersatz (jeder Elfte, doppelt so viele wie 2012). 2,7 Mio. Erwerbstätige zahlen keine Steuern, weil sie zu wenig verdienen. Aber auch nicht Spitzenverdiener sind stark belastet: Alleinstehende mit einem Einkommen von knapp 2000 Euro zahlen mehr als 46% Steuern und Sozialabgaben (Quelle: IW). Der Spitzensteuersatz müsste eigentlich später greifen. Zunehmend sind Facharbeiter, Handwerker und Kleinunternehmer belastet. Man sollte besser nur die Topverdiener mit dem Spitzensteuersatz belasten. Im Abschlusspapier für Sondierungen zwischen CDU/CSU und SPD im Januar 2018 einigt man sich darauf, Spitzensteuersatz und Zugriffsgrenze nicht zu verändern. Das dürfte für Widerstände bei der Parteibasis sorgen.

Werbungskosten: Immer wieder gibt es hierbei Streitpunkte und Diskussionen. Umstrittene Punkte sind vor allem das Arbeitszimmer und die Pendlerpauschale. Für 2020 ist ein pauschaler Abzug für das Homeofffice in der Corona-Zeit geplant. Offen ist noch, ob die 500 oder 600€ im Rahmen der Pauschale von 1000€ oder zusätzlich behandelt werden.

Übungsleiterpauschale: Sie ist steuerfrei. Sie wird Ende 2020 von 2400 auf 3000 € erhöht. Davon profitieren Jugendtrainer, Ehrenamtliche, Betreuer oder Dozenten.

Great decoupling: Die digitale Revolution führt zu einem Anstieg des Lohnes insgesamt. Aber die Entwicklung des Realeinkommens des Mittelstands und unterer Einkommensgruppen hält nicht mehr stand mit der Entwicklung des BIP. Das führt zu einer kompletten Entkopplung von extrem Reichen und Massenarmut. Das führt auch zu erheblichen Problemen bei der Besteuerung, die heute überwiegend über die Einkommensteuer erfolgt. Eine Umschichtung zur Gewinnbesteuerung von Unternehmen ist aber wegen der globalen Plattform-Mobilität nicht mehr möglich. Es zeichnet sich eher eine Tendenz zu sinkenden Unternehmenssteuern ab.

Steuerbelastung der Arbeitseinkommen: Diese ist nicht einfach zu messen. Zu unterschiedlich sind die Steuersysteme und Sozialsysteme der einzelnen Länder. Insofern ist das Bild immer differenziert. Jährlich führt die OECD dazu eine Studie durch ("Taxing Wages"). Sie vergleicht die Lage in 35 Mitgliedsländern. Die Steuer- und Abgabenlast (direkte Steuern und Sozialabgaben) für das Einkommen  für allein verdienende Durchschnittsverdiener lag in Deutschland 2016 bei 49,4% (nur in Belgien war die Belastung höher; Gesamtbelastung des HH 62,3% einschließlich indirekter Steuern). Der Durchschnitt liegt bei 36%. Familien mit zwei Kindern haben in Deutschland eine durchschnittliche Abgaben-Belastung des Einkommens von 34% (Gesamtbelastung des HH 48,7% einschließlich indirekter Steuern). Quelle: OECD, Bund der Steuerzahler. Im Abschlusspapier der Sondierungen von CDU/CSU und SPD Mitte Januar 2018 ist vorgesehen, dass der steuerliche Kinderfreibetrag auf 9000 € im Jahr steigen soll.

Nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften: Diese Besteuerung wirkt langfristig dem Trend sinkender Steuereinnahmen entgegen. Der Beitrag älterer Menschen zum Gesamtsteueraufkommen wird sowohl aufgrund deren höherer individueller Steuerzahlungen als auch eines wesentlich höheren Anteils der über 60-Jährigen, die tatsächlich Steuern zahlen, deutlich ansteigen. Vgl. Gutamnn, David/ Peters, Fabian/ Raffelhüschen, Bernd: Einkommensteuer im Spiegel der nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften, in: Wirtschaftsdienst 2019/11, S. 777ff. Die Frage ist allerdings, ob die Regeln, nach denen Rentner immer mehr Steuern zahlen müssen, verfassungswidrig sind. Immerhin greift der Fiskus zweimal zu. Es ist eine Art Doppelbesteuerung (Unternehmer werden bei der Einkommenssteuer entlastet: Halb - Einkünfte - Verfahren). Indirekt müssen Rentner über die Steuern ihre eigenen Renten mitfinanzieren. Noch (2019) ist die Summe der Einkommenssteuerzahlungen aller Rentner relativ gering.

Rentenbesteuerung: Es liegt eine Klage vor dem Bundesfinanzhof in München vor. Es geht um eine Doppelbesteuerung der Renten. Dei bestehende "nachgelagerte Besteuerung" zieht sich über drei Jahrzehnte hin. Wegen der langen Übergangsphase kann die Doppelbesteuerung einsetzen. Dem Bund könnten Einnahmen von 90 Mrd. € weg brechen. 2023 plant der Bund eine überraschende Steueränderung. Sie will gesetzliche Renten, Renten aus Versorgungswerken und Basisrenten stärker steuerlich entlasten. Der Übergang zur nach gelagerten Besteuerung soll gestreckt werden, bis 2058 statt 2040. Weitere Regelungen soll es geben, die aber noch offen sind.

Doppelbesteuerung: Sie muss immer wieder von Gerichten oder dem Bundesfinanzhof/ München überprüft werden. Sie ist grundsätzlich verboten. Sie spielt eine große Rolle bei der Rentenbesteuerung (seit 2005). Es geht hier um den Grundfreibetrag.

Negative Einkommensteuer: Niedriglohnbezieher bekommen eine Einkommensteuergutschrift, die ihnen ein existenzsicherndes Einkommen ermöglicht. Es handelt sich um ein Kombilohnmodell, das mit der Förderung durch Steuergutschrift das Ziel verfolgt, die Armut zu bekämpfen und neue Arbeitsanreize zu schaffen. Entsprechende Modelle waren in den USA (earned income tax credit) und Großbritannien (working families tax credit) erfolgreich. In Frankreich bekommen Arbeitgeber die Sozialbeiträge erstattet und die Arbeitnehmer einen kleinen Zuschuss. Die Idee stammt von M. Friedman. Nach der OECD-Studie "Taxing Wages" 2007 haben in Deutschland von den Steuer- und Sozialreformen der letzten Jahre vor allem Gutverdiener profitiert. Die Belastung sinkt insgesamt, aber es gibt höhere Abgaben bei kleinen Einkommen. Im März 2007 beschließt die Bundesregierung einen Kombilohn für junge Arbeitslose (Qualifizierungs-Kombilohn) und Lohnzuschüsse für besonders schwer Vermittelbare. Die Negativsteuer kommt 2020 wieder in die Diskussion bei Corona. Die Lockdowns können dazu führen, dass viele Geschäftsmodelle nicht überleben, trotz der staatlichen Hilfe. Es gibt eine Art gespaltene Wirtschaft. Die Industrie kann sich erholen, weil später auch Kindergärten und Schulen geöffnet bleiben. Besonders leiden Gaststätten, Restaurants, Hotels, Kultur. Hier könnte eine rückwirkende Erstattung gezahlter Einkommens- und Körperschaftssteuer helfen.

Kalte Progression: Wenn der Einkommensteuertarif nicht kontinuierlich angepasst wird, führt ein Einkommensplus als Inflationsausgleich wegen des progressiven Tarifs zu einem höheren Steuersatz und damit zu einer größeren Steuerbelastung, obwohl das Realeinkommen gleich bleiben kann. Dies ist eine Art heimliche Steuererhöhung. Mikroökonomisch wird dies in der Grenzbelastung gemessen. Makroökonomisch ist dies eine "Built-in-Flexibility" in Boomzeiten. Auch Einkommensteuer-Freibeträge müssten ständig angepasst werden. Im Schnitt können 2% Lohnerhöhung zu 4% mehr Steuerbelastung führen (überproportional=progressiv). Die Progression steigt besonders stark oberhalb der Freibeträge. Jede Korrektur zugunsten der Steuerzahler hat aber ihren Preis: Irgendjemand muss zahlen. Im so genannten "Mittelstandsbauch" (Steuerkurve steigt zunächst steil an zwischen 14% und 24% und verläuft dann flacher bis 42% und dort ist die Mehrzahl der Steuerzahler angesiedelt). Hinter dem Progressionsvorbehalt stand ursprünglich das Bemühen um Steuergerechtigkeit. Die Anwendung ist mittlerweile zu kompliziert (Kurzarbeitergeld, Kapitaleinkommen mit Abgeltungsteuer, Anwendung bei Ehegatten - Splitting und AL eines Partners). Eigentlich müsste die "kalte Progression" abgeschafft werden durch einen "Tarif auf Rädern" (Verschieben gemäß der Inflationsrate) Unter 8354€ gilt der Grundfreibetrag (danach Eingangssteuersatz von 14%); über 250.731€ gilt ein Spitzensteuersatz von 45%. Die Mehrbelastung durch kalte Progression ist von 2011 bis 2014 stark gestiegen (2011 kalte Progression, kumuliert 2,7 Mrd. €; 2014  8,8 Mrd. €). Die Prognose für 2017 lautet 20,4 Mrd. €. (Quelle: Die Welt 01.08.2014, S. 4). Die aktuelle Bundesregierung will gegen Kalte Progression erst in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode vorgehen. 2015 wird über eine Indexierung diskutiert. Eine Indexierung gemäß der durchschnittlichen Lohnentwicklung gibt es in Dänemark. Eine Anpassung des Einkommensteuertarifs an die Inflationsrate gibt es in vielen Ländern (USA, Kanada, Schweden, Belgien). Vgl. A. Boss: Die "kalte Progression": Was ist zu tun?, in: WiSt, H. 5, 2015, S. 252ff. Nach der Einführung der Schuldenbremse könnte die kalte Progression ein zunehmendes Problem sein, weil der Einnahmenzyklus nicht mehr berücksichtigt wird. 2022 erschwert die hohe Inflation den Ausgleich der kalten Progression. Und das ausgerechnet bei einem FDP-Finanzminister. Beschluss der Regierung im September 2022: Ab 2023 sollen 48 Mio. Rentner, Selbständige, Unternehmer in der kalten Progression abgemildert werden. "In der modernen Gesellschaft sind Selbstvertrauen und sozialer Status untrennbar mit unserer Arbeit und unserem Einkommen verbunden", Robert Solow. Für 2016 plant die Bundesregierung eine Entlastung der Steuerzahler, die von der "Kalten Progression" betroffen sind. In Österreich gibt es Erfahrungen zur kompensation der kalten Progression, die genutzt werden könnten. Vgl. Kucsera, Denes/ Lorenz, Hanno: Möglichkeiten zur Kompensation der kalten Progression: Wirkung in Österreich, in: Wirtschaftsdienst 2016/10, S. 748ff. Ebenso: Diess. und Reitschuler, Gerhard: Die kalte Progression in Österreich, in: Wirtschaftsdienst 7/ 479-483. Im Herbst schnürt die Bundesregierung ein Entlastungspaket, das auch die kalte Progression lindern soll. Dazu gehören mehr Kindergeld und Ausgleich (höherer Grundfreibetrag). Mit einem Paket im November 2018 soll die kalte Progression neutralisiert werden. Das steuerfrei Existenzminimum steigt schrittweise auf 9408 2020. Der Kinderfreibetrag wird angehoben. Mit der ersten progressiven Einkommensteuer 1799 in Großbritannien finanzierte William Pitt der Jüngere den Krieg gegen Frankreich.

Solidaritätszuschlag (Soli): Wird seit der deutschen Einheit ab 1991 für den Aufbau Ost erhoben. Es handelt sich um einen Zuschlag auf die Lohn- und Einkommensteuer (auch auf Kapitalertragsteuer und Abgeltungsteuer) für Bürger und Unternehmen. Dieser beträgt 2014 5,5% (ursprünglich 7,5%). Die Einnahmen fließen dem Bund zu (2014: 14,9 Mrd. €). Im Zuge der Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich (ab 2019 neue Verteilung) fordern die Geberländer einen Anteil an diesen Einnahmen. Eine Senkung oder Abschaffung des Soli wird kaum noch erwogen. Der Bundesfinanzminister erwägt, bei Abschaffung des Soli Die Einkommens- und Körperschaftsteuer zu erhöhen.  Hier haben die Länder automatisch einen Anteil von 42,5%. Die Ministerpräsidenten von SPD und Grünen einigen sich Ende 2014 auf die Lösung, ab 2019 den Soli in die Einkommens- und Körperschaftsteuer zu integrieren (kommt so allen Ländern zugute). Die Länder fordern schon vorher einen Ausgleich (für Soli und Flüchtlinge; Konferenz der Finanzminister auf dem Hambacher Schloss im Mai 2015). Im Oktober 2015 gibt es "informelle Gespräche zur Einführung einer Art" von europäischem Flüchtlingssoli. Die Bundesregierung dementiert die Einführung eines Flüchtlings-Soli. Von der CSU gibt es einen Vorstoß, den "Soli" wegen der Flüchtlingskosten zu verlängern. Der Bundesfinanzminister plant, den Soli abzuschaffen. Das Aufkommen ist 2016 auf 16,4 Mrd. € gestiegen (von 1995 13 Mrd. €). Die SPD will den Soli in ihrem Wahlprogramm 2017 für untere und mittlere Einkommen abschaffen. Im Wahlprogramm der CDU/CSU 2017 soll der Soli ab 2020 schrittweise ganz abgeschafft werden. Nach dem Abschlusspapier der Sondierungen zwischen CDU/CSU und SPD wird der Soli schrittweise zurückgefahren bis 2021 (nur noch hauptsächlich von Topverdiener/ über 72.000€ zu zu zahlen, für die übrigen 90% abgeschafft). Das käme der Einführung einer Freigrenze gleich. Das könnte ein Verstoß gegen das Grundgesetz sein. Die CDU will den Solidaritätszuschlag komplett abschaffen. Dann gingen dem Haushalt 23,4 Mrd. € verloren. Finanzminister O. Scholz von der SPD ist 2019 gegen eine vollständige Abschaffung des Soli. Er warnt vor sinkenden Steuereinnahmen in einer kommenden Rezession. Nach einem von der FDP in Auftrag gegebenen Gutachtens 2019 muss der Soli schon 2020 wegfallen. Die Koalition einigt sich im Juni 2019, dass der Soli für 90% aller Steuerzahler wegfällt. Der Gesetzentwurf dazu kommt im August 2019: Tatsächlich soll für 90% aller Steuerzahler der Soli wegfallen (bis 33.912 € Einkommensteuer; unter 74.000 Brutto). Ab 2021 werden 96,5% besser gestellt als heute. 6,5% müssen den Soli teilweise zahlen. 3,5% werden weiterhin voll zur Kasse gebeten. Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit bleibt bei diesem Modell bestehen: Die Grundlage ist schließlich entfallen. Auch der Zeitpunkt wird kritisiert. Durch den Soli - Abbau nimmt der Bund 10,9 Mrd. Euro weniger ein. In der Corona-Krise 2020 wird ein Vorziehen der Abschaffung auf den 01.07.20 erwogen (einige wollen auch eine Abschaffung für alle). Nach der Corona-Krise gibt es Vorschläge, zur Finanzierung der wirtschaftlichen Folgen einen speziellen Soli zu erheben. Doch der Soli fällt ab 01.01.2021 für die meisten Menschen weg. Weiterzahlen sollen nur die 10% Bürger mit den höchsten Einkommen. 2022 empfiehlt der DGB (Chefin Yasmin Fahimi) eine Sondervermögensabgabe, um die absehbaren finanziellen Belastungen des Staatshaushalts zu stemmen.  Es gibt 2022 eine Klage gegen den verbleibenden Soli (Berberich, Ehepaar). Ist der Soli eine verfassungswidrige Reichensteuer? Es gibt 2023 eine Revisionsverhandlung vor dem Bundesfinanzhof in München. Der billigt den Solidaritätszuschlag (weist die Klage gegen den Soli ab). Das Verfassungsgericht in Karlsruhe packt 2024 auch den Soli an. Verwerfen ihn die Richter, könnte die Ampel vor dem aus stehen.

Pendlerpauschale (auch Entfernungspauschale): Teil der Werbungspauschale bei den Steuervergünstigen in der Einkommensteuer in Deutschland. Derzeit (2017) beträgt die Entfernungspauschale 30 Cent je Kilometer zwischen Wohnung und Dienstort. Der Staat verliert dadurch immer mehr Steuern (5 Mrd. € 2017). Rund 11,6 Mio. Steuerpflichtige nehmen sie in Anspruch. Sowohl die Zahl der Pendler als auch die Entfernungen steigen permanent. Eine Grundsatzfrage ist, ob der Staat steuerlich den Pendler fördern soll (eigentlich müsste die Nähe zur Arbeitsstätte unterstützt werden). Konsens herrscht darüber, dass alle Verkehrsmittel gleich zu behandeln sind. Im Klimapaket der Bundesregierung von 2019 wird eine vorübergehende Erhöhung von 5 Cent vom 21. Kilometer an beschlossen. Hauptargument dafür ist, dass die Arbeitnehmer wegen der Wohnraumknappheit nicht ohne weiteres in Ballungsgebiete ziehen können und sie von den Klimamaßnahmen zum Verkehr besonders betroffen sind. Dafür verursacht sie aber verstopfte Straßen, verschmutzte Luft und Vergeudung von Lebenszeit. Neuerdings taucht das Argument auf, nur noch Ehepaaren die Pauschalen zu gewähren. Über die Pendlerpauschale wird auch bei der Koalitionsbildung 2021 im bund verhandelt. Die Grünen würden sie gerne abschaffen, weil sie Autos bevorzugt. Die FDP will an der Pauschale festhalten. 2022 wird sogar eine kräftige Erhöhung der Pauschale diskutiert als Ausgleich für die hohen Energiepreise. Rückwirkend zum 1. Januar wurde die Pendlerpauschale dann auch auf 38 Cent pro Kilometer erhöht (ab 21. Kilometer, bis 20 Kilometer 30 Cent). Ab 2023 schlägt die FDP mit Lindner als Finanzminister eine weitere Erhöhung vor. Experten halten eine Reform für wichtiger: Ökologische und soziale Belange sollten mehr berücksichtigt werden: Grundlage sollte das Leistungsfähigkeitsprinzip sein. Vgl. Elmer, Carl Friedrich/ Fischer, Benjamin: Entfernungspauschale nicht anheben, sondern reformieren, in: Wirtschaftsdienst 8/2022, S., 574-575.

Singles: Mehr als 18 Mio. Singles leben 2021 in Deutschland. Viele sind Leistungsträger, Gutverdiener und üppige Steuerzahler. In den Parteiprogrammen für die Bundestagswahl im September 2021 gibt es nur Entlastungen für Familien. In der Schweiz hat sich eine Lobby-Gruppe der Singles gebildet. Vgl. Haerder, Max: Freiwild für den Fiskus, in: WiWo 33/ 13.8.21, S. 26ff.

Robotersteuer: Einige Politiker und Manager fordern die Robotersteuer. Eine Studie der Uni Oxford (Carl Frey, Michael Osborne) hat herausgefunden, dass in den nächsten zehn Jahren ab 2016 in den USA fast die Hälfte aller Arbeitsplätze wegfallen durch Roboter und Software. Hier soll die Steuer ansetzen (eine menschliche Arbeitstunde kostet Firmen 40 Euro, eine Roboterstunde 6 Euro). In der Praxis dürften erhebliche Probleme auftreten. Bei einer Bestrafung von Automatisierung könnte der Standort Wettbewerbsprobleme bekommen. Eine Einkommensumverteilung findet schon lange über die Produktivität statt. In Österreich gibt es Alternativüberlegungen, Sozialabhaben nicht nur auf Arbeit, sondern auch auf Kapital zu erheben.  2017 fordert sogar Bill Gates die Robotersteuer. Er will damit die Qualifizierung und Veränderung durch die Digitalisierung bezahlen. Roboter haben aber auch einen indirekten Steuereffekt, der diese spezielle Steuer überflüssig macht: Neben steuerlichen Abschreibungen erhöhen Roboter den Gewinn eines Unternehmens. Der Gewinn wird sowohl bei Kapital- als auch Personen-Gesellschaften besteuert. Die ausgefallene Einkommensteuer durch den wegrationalisierten Arbeitnehmer dürfte geringer sein. Ein neuere Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die Robotersteuer nicht gegen Ungleichheit hilft: Die Automatisierung zwinge intelligentere Menschen, mehr in ihre Bildung zu investieren. Entsprechend steige der Anteil an Hochschulabsolventen.  Weniger kluge Köpfe dagegen würden zunehmend abgehängt. Diese Ungleichheit würde durch eine Robotersteuer verstärkt. Vgl. Prettner, Klaus/ Strulik, Holger: Innovation, Automation, and Inequality. Policy Chalenges in the Race Against the Machine, in: Journal of Monetary Economics, October 2019.

Kirchensteuer: In Deutschland wird eine Kirchensteuer bei Mitgliedern der evangelischen und katholischen Kirche erhoben direkt von den Finanzämtern zusammen mit der Lohn- bzw. Einkommensteuer. Der Kirchensteuersatz beträgt 9% der Einkommensteuer. Zwischen 2% und 4% gibt es aber Kappungssätze in den einzelnen Bundesländern. Andererseits werden in einigen Ländern auch eine Grundkirchensteuer und eine Zusatzsteuer für Ehegatten, die nicht in der Kirche sind, erhoben. Zusätzlich zahlt der Staat jährlich über 460 Mio. € an die beiden großen Kirchen als Entschädigung für Enteignungen im 19. Jahrhundert (200 Jahre alte Verträge; Säkularisierung, Napoleon). Auch andere Religionsgemeinschaften erhalten Geld. Bei der katholischen Kirche gibt es noch den Bischöflichen Stuhl (Vermögen), das der Bischof allein und intransparent verwalten kann. In vielen Ländern verfügt die Kirche über riesige Liegenschaften. Dies hat oft historische Gründe. Z.B. vermachten während der Türkenherrschaft viele Grundbesitzer in Griechenland der Kirche ihre Ländereien, um sie vor dem Zugriff der osmanischen Besatzer zu schützen. Im Februar 2018 kommt heraus, dass das Bistum Eichstätt in den USA Kredite vergeben hat ohne Absicherung. Der Schaden liegt mindestens bei 48 Mio. € bis zu 60 Mio. €. Die Kirchen in Deutschland stehen in den nächsten Jahren vor einem massiven Mitgliederschwund. Bis zum Jahre 2060 könnten die Kirchen nur noch 22,7 Mio. Mitglieder haben. Das wäre etwa die Hälfte der heutigen (2019) Mitgliederzahl. Das führt auch zu einem Einbruch bei der Kirchensteuer Quelle: Forschungszentrum Generationenverträge Uni Freiburg 2019. Das bedroht massiv die Institutionen der Kirchen (Hochschulen, Schulen, Kirchen). Der deutsche Steuerzahler alimentiert die christlichen Kirchen trotzdem großzügig. Besser wäre eine klare Trennung zwischen Kirche und Staat. Man könnte die Kirchensteuer durch eine Kultursteuer für alle ersetzen. Es gibt aber immer mehr Staatsleistungen an die Kirchen von den Bundesländern. Einmal erhalten die Kirchen die Gelder als Ausgleich für Enteignungen. Zum anderen übernehmen Kitas und Krankenhäuser staatliche Aufgaben.  Die 68 Bischöfe werden in Deutschland aus Steuermitteln bezahlt (etwa 8000€ pro Bischof). Die Kirchen besitzen Wald, Verlage, Klosterbetriebe, Krankenhäuser und Kitas. Die Kosten erstattet teilweise der Staat. 345 Mrd. € besitzen katholische und evangelische Kirche schätzungsweise (Quelle: Wirtschaftswoche Nr. 43, 21.10.2013, S.8). Das Erzbistum Köln ist das reichste im deutschsprachigen Raum (vielleicht sogar in der Welt). Für 2014 wird erstmals ein detaillierter Jahresabschluss vorgelegt. Das Vermögen beträgt 3,36 Mrd. Euro (Großteil in Wertpapieren und Immobilien). Ab 2015 gibt es die automatische Kirchensteuer. Banken erfahren die Religionszugehörigkeit und ziehen die Kapitalertragssteuer automatisch ab (oder Widerspruch und Angabe der Kapitalerträge beim Finanzamt). 2014 erzielten die Kirchen einen Einnahmerekord bei der Kirchensteuer in Deutschland. Im Jahr 2018 haben die beiden großen Kirchen in Deutschland deutlich mehr Kirchenaustritte verzeichnet als 2017. 216.000 Menschen traten aus der katholischen Kirche aus, 220.000 aus der evangelischen Kirche. Die Anzahl der Kirchenmitglieder fiel auf 44,14 Millionen. Im November 2019 kommt heraus, dass die Vatikanverwaltung Spenden vom Peterspfennig in Luxusimmobilien in London gesteckt hat. Der Leiter der Finanzverwaltung muss gehen. Durch die Corona-Krise sinken die Steuereinnahmen der Kirchen dramatisch. Die Kirchensteuer ist an die Einkommensteuer gekoppelt. Ca. 70% der Ausgaben der Kirchen sind Personalausgaben. Etwa 20% sind Bauausgaben. Beide sind relativ fix. Hinzu kommen bei der Katholischen Kirche noch die hohe Zahl der Kirchenaustritte: 2018 traten 216.000 Katholiken aus. 2019 traten 270.000 Mitglieder der evangelischen Kirche aus und 272.000 der katholischen Kirche. Nur noch ca. 50% der Deutschen sind in Kirchen. Im Erzbistum Köln kommt es wegen der Geheimhaltung von Studien über Kindesmissbrauchs zu massiven Austritten. Ein vertraulicher Bericht offenbart 2021 Missstände im  Bistum Essen. 5 Mio. € mussten dem Finanzamt schon nachgezahlt werden. Durch Corona haben die Kirchen in Deutschland 2020 800 Mio. € weniger eingenommen. 2021 sind ca. 50% der Deutschen nicht mehr Mitglied in der katholischen oder evangelischen Kirche. 44% gehören keiner Kirche an, 5% einer anderen Kirche. Quelle: Institut für Demoskopie, Allensbach. Im Jahre 2020 betrugen die Kirchensteuereinnahmen in Deutschland: Katholische Kirche 4,9 Mrd. €, Evangelische Kirche 3,8 Mrd. €. 2021 hat die Katholische Kirche in Deutschland 360.000 Austritte zu verzeichnen. Die Evangelische Kirche hatte 260.000 Kirchenaustritte. 2022 verlassen über 500.000 Mitglieder die Katholische Kirche. Auch die Evangelische Kirche verliert Mitglieder. Trotzdem steigen die Kirchensteuereinnahmen (Inflation, Progression). Eine Studie 2023 von Forsa durchgeführt zeigt, dass die Deutschen kirchenfern sind ("Glaube ja, Kirche nein")

Bei einer Umweltsteuer (Pigou - Steuer, Preislösung) ist der Steuersatz so zu gestalten, dass er dem Abstand zwischen sozialen Grenzkosten und privaten Grenzkosten der Produktion eines umweltschädigenden Gutes entspricht (externe Kosten). Wegen der extrem schwierigen Kostenmessungen ist dies in der Praxis schwierig umzusetzen. Einfacher ist die Besteuerung bei den anderen Produktionsfaktoren zu planen: immer sind die negativen Verzerrungen zu kalkulieren. Einkommensteuern machen Arbeit unattraktiver und senken die Beschäftigung. Trotzdem wählt man diesen Weg, je starrer das Arbeitsangebot ist. Die Kapitalertragsteuer ist insbesondere wegen ihrer Verteilungswirkung der Konsummöglichkeiten von Reich zu Arm zu wählen (optimal seien 36%). Pigou legte mit seinen Beiträgen zur Theorie externer Effekte den Grundstein für die Analyse von Umweltbelastungen. Sein zentrales Werk "Wealth and Welfare erschien 1912 (1920 Neuauflage als "The Economics of Welfare"). Seine Lehrer waren A. Marshall und H. Sidgwick. In Deutschland war die erste Pigou - Steuer die Ökosteuer von 1999 (2006 ins Energiesteuergesetz überführt und EU-kompatibel). Insbesondere sollten die Beiträge der Sozialversicherung gesenkt werden. Erwägenswert wäre eine Öko-Steuer, die den Benzinpreis stetig steigen lässt. Die Ökosteuer sieht Ausnahmen für energieintensive Industriebranchen vor. Dieser Kreis soll 2011 eingeschränkt werden, wobei KMU und besonders energieintensive Unternehmen auch entlastet werden. In den Niederlanden wird ab 2012 Kfz-Steuer für jeden gefahrenen Kilometer gezahlt. Erfasst werden sollen die Fahrdaten durch GPS. Die EU schlägt eine weltweite Finanzmarkttransaktionsteuer vor, dessen Aufkommen für den Klimaschutz zur Verfügung gestellt werden soll. Die Bundesregierung plant eine Brennelemente - Steuer, die für Atomkraftwerke erhoben wird, die länger als geplant am Netz bleiben wollen (Gewinnanschöpfung).  Vgl. Conesa J. C./ Kitao, S./ Krüger, D.: Taxing Capital? Not a Bad Idea after All! NBER Working Paper Nr. 12880, Dez. 2007.

Stromsteuer: Die Stromsteuer wurde 1999 im Rahmen des "Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform" eingeführt ("Ökosteuer"). Die Stromsteuer ist eine indirekte Verbrauchssteuer, die a) beim Stromversorger anfällt, wenn Strom von einem Letztverbraucher aus dem Versorgungsnetz entnommen wird, und b) bei Eigenerzeugern, die Strom zum Selbstverbrauch entnehmen. Stromversorger geben die Stromsteuer im Strompreis an die Letztverbraucher weiter. Die Stromsteuer beträgt seit 2003 2,05 ct/kWh; für verschiedene Zwecke (z. B. Bahnstrom, produzierendes Gewerbe) gibt es reduzierte Steuersätze. Unternehmen des produzierenden Gewerbes können zudem unter bestimmten Voraussetzungen einen großen Teil der zu zahlenden Stromsteuer erlassen bzw. der gezahlten Stromsteuer erstattet bekommen („Spitzenausgleich“). Zuständig für die Erhebung der Stromsteuer sind die Hauptzollämter. Als Bundessteuer steht ihr Aufkommen dem Bund zu. Im Jahr 2012 betrug das Steueraufkommen aus der Stromsteuer 6,973 Mrd. €, 2013 7,009 Mrd. €. Siehe Wikipedia - Artikel, der ausführlicher ist. Die Grünen in Hessen plädieren Anfang 2018 für eine Abschaffung der Stromsteuer.

CO2-Steuer: Sie wird 2015 von der EU geprüft. Grund ist, dass 50 Prozent des EU-CO2-Ausstoßes nicht im Emissionshandel erfasst sind. In einigen Ländern gibt es eine Klimasteuer, so z. B. in Australien. Der CO2-Ausstoß hängt auch an den Diesel-Autos. Diese sind in Deutschland und Europa stark verbreitet und stoßen weniger CO2 aus. Dafür verunreinigt der Diesel mit Stickoxiden, die Krebs verursachen.  Die Städte erwägen, ihre Umweltzonen neu zu definieren. 2017 wollen die Grünen in Deutschland die Stromsteuer durch eine Kohlendioxidsteuer ersetzen. Besteuerung von fossilen Energieträgern: Die Besteuerung orientiert sich nicht an CO2. Zum Beispiel wird bei der Verbrennung von Diesel mehr CO2 freigesetzt, also könnte man hier höhere Steuern erheben. Kerosin, das Flugbenzin, ist immer noch steuerbefreit. Das Steuersystem müsste anders ausgerichtet werden. Benzin-Steuer: In die Gestaltung fließen immer mehr ökologische Kriterien. 2016 schlägt Bundesfinanzminister Schäuble eine spezielle EU-Benzin-Steuer vor, um die Flüchtlinge zu finanzieren. CO2-Steuerodell, Konzept von Christoph Schmidt (RWI) und Ottmar Edenhofer (PIK) 2018 vor der Weltklimakonferenz in Kattowice: 1. CO2-Mindestpreis von 20 Euro. 2. CO2-Mindestpreis wird Maßstab für die Besteuerung aller fossilen Energieträger. Senkung der heutigen Stromsteuer sowie der Steuer auf Erdgas. 4. Anhebung des CO2-Mindestpreises. 5. Steuereinnahmen sollen Haushalte entlasten. Quelle: Der Spiegel Nr. 49, 1, 12. 2018, S. 27. Die Juristen des Bundestages stellen 2019 fest, dass die Einführung einer CO2-Steuer verfassungswidrig wäre. Ab 2021 tritt aber eine CO2-Steuer in Kraft. Sie wird auf fossile Energieträger erhoben. Sie wurde im Bundestag im Oktober 2020 beschlossen. Im Schnitt steigen die Spritpreise Anfang Januar um 6 Cent pro Liter.

Diskussion zu CO2-Steuer (Klimasteuer): Beim Emissionshandel kann man die Mengen beschränken, weil der Gesamtausstoß für die Welt festgelegt wird. Der Preis ergibt sich dann als Folge. Bei der CO2-Steuer könnte man einen einheitlichen Preis festlegen. Aber es ist unklar, wie dies auf die Menge wirkt. Besonders negativ könnte der Wettbewerb um Strom wirken, wenn man auf die E-Mobilität umstellt. Notfalls müsste der CO2-Preis gedeckelt werden (Preiskontrolle). Trotzdem könnte unser Lebensstandard zurückgefahren werden. Sehr umstritten ist, wie man die Verteilungswirkungen ausgleichen kann: Die CO2-Steuer bewirkt eine Umverteilung vom Land zur Stadt, von Öl-Heizern zu Pellet - Verwendern, von Singles/Alleinerziehenden zu Familien. Die Einkommensschwachen leiden. Die Steuer hat also Vorteile fürs Klima, sozial gerecht ist sie eher nicht. Sie kann leicht überwälzt werden. Offen ist auch die Kooperationswirkung: Ohne internationale Vereinbarung droht ein Handelsstreit.

Verteilungseffekte einer CO2-basierten Energiesteuerreform: Der Diesel wird in Deutschland deutlich subventioniert. Würde man nach dem CO2-Ausstoß besteuern, würde Benzin billiger und Diesel teurer werden. Das könnte für zwei Drittel der privaten Haushalte eine finanzielle Entlastung bedeuten. Insbesondere die einkommensschwächeren Haushalte würden profitieren. Vgl. Jacobs, L./ Quack, L.: Das Ende der Dieselsubvention: Verteilungseffekte einer CO2-basierten Energiesteuerreform, in: Wirtschaftsdienst 2018/8, S. 578ff.

Besteuerung von fossilen Energieträgern: Die Besteuerung orientiert sich nicht an CO2. Zum Beispiel wird bei der Verbrennung von Diesel mehr CO2 freigesetzt, also könnte man hier höhere Steuern erheben. Kerosin, das Flugbenzin, ist immer noch steuerbefreit. Das Steuersystem müsste anders ausgerichtet werden. Bisher sind weder Energie- noch Kraftfahrzeugsteuer steuersystemisch konsistent. Beide Steuern entsprechen weder dem Leistungsfähigkeits- noch dem Äquivalenzprinzip. Die Energiesteuer müsste in Abhängigkeit von der bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe freiwerdenden Menge an Kohlendioxid erhoben werden. Dann könnte man die KFZ - Steuer ersatzlos streichen.

Klimazoll (Grenzausgleichsteuer; CO2-Grenzsteuer): Bei importierten Produkten soll der CO2-Verbrauch nach versteuert werden. Das betrifft oft nur den Transport. Er ist der beste Schutz vor Öko-Dumping. Man könnte sich an der Mehrwertsteuer orientieren. Er könnte zu einem Eingangstor von Protektionismus werden und handelspolitische Gegenmaßnahmen hervorrufen. Die Idee hat in der EU viele Anhänger. Andere warnen, weil sie erhebliche Gegenmaßnahmen befürchten. Der neue Kommisssionsvize Frans Timmermans plädiert für die Steuer.

Grüne Vermögen - Steuern: Sie werden in vielen Ländern diskutiert. Auch im US-Präsidentenwahlkampf. In Zeiten großer Kapitalakkumulation und großer Erbschaften infolge langen Friedens könnte es einen sozialen Ausgleich geben. Dabei könnte eine Klimakomponente eingebaut werden: Höhere Vermögensteuern und Erbschaftsteuern  auf Anlagen, die klimaschädlich sind. Umgekehrt könnten die Steuern erlassen werden für die Bereitstellung und Nutzung erneuerbarer Energien. Es könnten allerdings Vermeidungsstrategien einsetzen. Durch internationale Kapitalbewegungen könnte Kapital entzogen werden.

Steuergutschrift für klimafreundliche Investitionen: 2024 fordern Mona Neubaur (Wirtschaftsministerin NRW), Jens Südekum (Ökonom) und Paul Niederstein (Geschäftsführer Coatinc) eine Steuergutschrift von 25% der Investitionsumme. Vgl. Neubaur/ Südekum/ Niederstein: Push für den grünen Wandel, in: HB 5.3.24, S. 16.

KfZ-Steuer-Reform: 2009 wurde teilweise der CO2-Ausstoß einbezogen (in Deutschland und anderen europäischen Ländern). Der Bund erhielt die Ertragskompetenz. Damit rückt sie näher an die Energiebesteuerung. eine Klimasteuer ist noch nicht entstanden. Vgl. Gawel, E.: KfZ-Steuer-Reform und Klimaschutz, in: Wirtschaftsdienst 2011/2, S. 137ff. Die EU will 2012 die Klimaauflagen für Autos schärfer gestalten. Ab 2020 sollen nur noch 95 Gramm CO2-Ausstoß je Kilometer zugelassen werden. Die deutschen Premium-Firmen (BMW, Audi, Daimler) leisten erfolgreiche Lobby-Arbeit. Der Berechnungsfaktor wird geändert (z.B. Elektroautos gegen gerechnet, auch Verschiebung). BMW zahlt auch eine Parteispende in Höhe von fast 700.000 € an die CDU. Ende 2013 wird der Streit über Abgaswerte für Autos beigelegt. Deutschland stimmt dem Kompromiss für Verbrauchszahlen auf EU-Ebene zu. Um Herstellern wie Daimler und BMW entgegenzukommen, werden die Abgaswerte erst 2021 voll greifen. Neuwagen dürfen nun von 2021 an nur noch 95 Gramm Kohlendioxid pro gefahrener Kilometer ausstoßen. Die Abgasmessung bei Autos ist sehr umstritten. Bei der Messung gelten Laborbedingungen. In der Praxis sind die Werte höher. Eklatant ist der Unterschied bei Dieselmotoren von VW. Wegen Softwaremanipulation in den USA gerät der Konzern im September 2015 in eine große Krise. Ab 1. September 2018 dürfte dei KfZ-Steuer in Deutschland faktisch steigen. Ein geänderter Abgastest führt zu höheren Zahlungen (WLTP - Zuschlag). Lindner plant 2023 eine Reform der Kfz-Steuer. Nachdem der Streit mit der EU um Autos mit Verbrennungsmotoren beigelegt ist, sollen synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) steuerlich begünstigt werden. Der Finanzminister Lindner lässt 2023 konkrete Pläne entwickeln.

Supersteuer ("Superbollo"): Extrasteuer auf Autos mit einer Leistung von 250 und mehr PS. Die Motorfahrzeugsteuer erhöht sich pro PS um 20€. Die Steuer war 2012 in Italien von der Regierung Mario Monti eingeführt worden. Für einen Ferrari mit 629 PS waren so pro Jahr eine Extrasteuer von 5420 € fällig. Betroffen davon waren insbesondere Ferrari, Maserati und Lamborghini. Die Regierung Meloni will 2023 die Steuer wieder abschaffen.

Mineralölsteuer: Im Entlastungspaket der Regierung ist 2022 eine Mineralölsteuersenkung dabei. Sie kommt aber nur teilweise bei den Verbrauchern an. Etwa ein Drittel der Entlastung fließt Benzinanbietern und Ölproduzenten zu. Das kritisiert Fuest vom Ifo-Institut. Vgl. Fuest, Clemens: Wir dürfen die Signalfunktion des Preises nicht aushebeln! in: WiWo 21/ 20.5.22, S. 39.

Übergewinnsteuer: Die Senkung der Mineralölsteuer wegen der Energiekrise 2022 (Ukraine-Krieg, Inflation, Lieferengpässe) bringt vorübergehend - wie beabsichtigt - eine Senkung der Mineralölpreise, dann gehen sie wieder nach oben. Es kommt die Forderung aus der Politik (SPD, Grüne, Bundesländer), die Zusatzgewinne (Mehrertrag gegenüber vergangenen Perioden) der Mineralölkonzerne abzuschöpfen. Das könnte man durch einen Periodenvergleich der Gewinne machen. Die FDP äußert sich kritisch zu dem Vorschlag. Es geht auch grundsätzlich um die Krisengewinner des Ukraine-Krieges. Man hatte eine solche Steuer schon im 1. und 2. Weltkrieg erhoben. Es ist nicht einfach, eine solche Steuer gerecht zu gestalten. Sie könnte staatlicher Intervention Tür und Tor öffnen (eigentlich ist die Wettbewerbspolitik zuständig). Man müsste auch zwischen gut und böse unterscheiden (Beispiel Biontech beim Impfstoff, jahrelange Forschung vorher).  Die Leiter von Ifo und RWI äußern sich kritisch. Eine Übergewinnsteuer gibt bzw. gab (in den Weltkriegen) es in GB, USA, Spanien und Italien bzw. Rumänien. Bremen bringt im Juni 2022 einen Antrag für die Übergewinnsteuer im Bundesrat ein. Berlin und Thüringen schließen sich an. Um nicht die falschen Unternehmen zu treffen (Pharma, Rüstung) müsste ein Auswahl zwischen gutem und schlechtem Gewinn getroffen werden. Das Verfassungsgericht würde sich auch kritisch mit einer solchen Steuer auseinandersetzen (gleich hohe Gewinne unterschiedlich besteuert). Vgl. Reiermann, Christian: Angriff auf den Wohlstand, in: Der Spiegel Nr. 24/ 11.6.22, S. 59. Der Mineralölverband bestreitet eine Preistreiberei. Politiker aus CDU und FDP appellieren an die Verantwortung des Bundeswirtschaftsministers. Habeck solle zusammen mit dem Bundeskartellamt Druck machen. Wirtschaftsminister Habeck will 2022 das Kartellrecht verschärfen. Auslöser sind die Mineralölkonzerne, die den Tankrabatt nicht weitergeben. Unrechtmäßige Gewinne sollen leichter abgeschöpft werden können und Unternehmen sollen leichter zerschlagbar sein. Der Bundesrat lehnt am 8.7.22 mehrheitlich den Antrag einiger Bundesländer ab (Bremen, Berlin, M. - V., Thüringen). Die Bundesregierung beschließt im September 2022, Zufallsgewinne bei Unternehmen der Energiebranche abzuschöpfen. Das soll bei der Finanzierung des 3. Sozialpaktes und zur Förderung von KMU  helfen. Die EU entwickelt im September 2022 Pläne, Übergewinne von Energiefirmen zu betroffenen Haushalten und Betrieben zu leiten. Es sollen 140 Mrd. € abgeschöpft werden. Die konkrete Umsetzung ist offen. Es sollen also Zufallsgewinne abgeschöpft und dann  umverteilt werden. Die EU will die Mitgliedsländer dazu verpflichten. Als erstes Unternehmen klagt ExxonMobil gegen die EU wegen der Übergewinnsteuer.  In Italien erweist sich die Übergewinnsteuer als Flop. Die Energiekonzerne des Landes verweigern sich. Statt zu zahlen gingen die Unternehmen vor Gericht.

Luftverkehrssteuer (Ticketsteuer): Sie wird als Steuer auf Flugtickets erhoben. 2019 wird beschlossen im Rahmen des Klimaschutzpakets die Luftverkehrssteuer für Flüge im Inland und in EU-Staaten um drei Euro anzuheben. Jedes Jahr soll es dann eine Überprüfung geben. Ursprünglich waren für den Klimaschutz viel höhere Steueraufschläge abvisiert. 2023 sollte die nationale Kerosinsteuer kommen als Folge des Verfassungsgerichtsurteils über den Haushalt. Man nimmt sie dann zurück und erhöht die Luftverkehrsabgabe.

Ökobonus: Konsequente CO2-Bepreisung (Internalisierung externer Kosten) bei Berücksichtigung sozialer Gerechtigkeit. Methoden: 1. Direkte Verknüpfung von Einnahmen und Ausgaben. 2. Abschwächung regressiver Belastungswirkungen. Vgl. Held, Benjamin: Der Ökobonus - Instrument für eine sozial gerechte Umwelt- und Klimapolitik, in: Wirtschaftsdienst 2019/1, S. 53ff.

Brennelementesteuer: Das Bundesverfassungsgericht erklärt im Juni 2017 die Steuer auf Brennelemente in Kernkraftwerken für nichtig. Die Brennelementesteuer sei keine Verbrauchssteuer wie etwa die Mehrwertsteuer. Besteuert werde vielmehr das Produktionsmittel. Eine solche Steuer sei im Grundgesetz nicht vorgesehen.  Sie war 2011 von der damaligen schwarzgelben Bundesregierung eingeführt worden. Es geht um sechs Milliarden Euro für RWE, Eon und EnBW. Das Geld sollte für die Sanierung maroder Atommülllager verwendet werden.

Tobin-Steuer: Benannt nach James Tobin (1918 - 2002). Er war Steuerexperte. Auf internationalen Finanzmärkten wollte er eine neue Steuer auf Finanztransaktionen erheben. Er war Anfang der 1960er-Jahre Wirtschaftsberater von Präsident John F. Kennedy. Er hatte Keynes beim Studium in Harvard kennen gelernt.

Finanztransaktionssteuer (FTT): Die Idee ist alt. Als ihr Erfinder gilt James Tobin, der dafür den Ökonomie-Nobelpreis erhielt. Mit ihr sollen Spekulationen an den Finanzmärkten bekämpft werden. Die USA haben Experimente mit der Steuer abgebrochen. Schweden hatte von 1984 bis 1991 eine. Die EU will ab 2017 eine Tobin-Steuer einführen (die Diskussion geht schon seit 2011). Sie soll möglichst viele Bank- und Börsenprodukte einschließen. 2018 kommt es zu einer Debatte darüber, dass Staatsanleihen ausgeschlossen werden sollen (Vereinbarung zwischen Deutschland und Frankreich). Die negativen Folgen für den Staat will man vermeiden. Also wären nur Aktienumsätze betroffen. Das ist eine dreiste Lösung. Anfang Dezember 2018 einigen sich Deutschland und Frankreich auf einen Entwurf. Er findet aber noch nicht die Zustimmung der übrigen Länder. Ende 2019 scheint die Bundesregierung eine Einigung auf europäischer Ebene für möglich zu halten. So sollen mit der Steuer ein Großteil der Kosten für die Grundrente gedeckt werden. Tatsächlich kommt ein Gesetzentwurf. Nur der Aktienkauf von großen Unternehmen (ca. 500 in der EU, ab 1 Mrd. € Aktienwert) soll besteuert werden (mit 0,2%). Einige europäische Länder beteiligen sich (Frankreich, Spanien, Italien u. a.). Zu kritisieren ist, dass die Steuer nicht auf Derivate angewendet wird und so auch nicht Spekulationen eindämmen kann. Finanzminister Scholz betreibt die Steuer 2020 intensiv weiter. Die Vorbereitungen für die Abgabe laufen. Die Finanzinstitute sollen als "Steuerentrichtungsschuldner" die FTT abführen. Einige europäische Länder sind dabei (auch Slowenien, Slowakei, Belgien). 2022 wird die Steuer vorerst beerdigt (bekannt gegeben von Finanzminister Christian Lindner).

Spielbanken/ Glücksspielmarkt: Die Spielbanken müssen eine Abgabe errichten, die an die jeweiligen Städte und Bundesländer geht. Die meisten Spielbanken sind aber im Eigentum der Bundesländer, so dass diese am Ertrag beteiligt sind. Es wichtige Einnahmequelle für die öffentlichen Haushalte. In den letzten Jahren werfen die deutschen Spielbanken immer weniger Erträge ab (554 Mio. Euro 2011 gegenüber 997 Mio. Euro 2001). Gleichzeitig ist die Beteiligung mit Spielsüchtigen am Umsatz gestiegen (60% 2011 gegenüber 52% 2001). Die deutsche Glücksspielregeln stehen in Konflikt zu den europäischen. Die EU leitet 2016 ein Verfahren gegen die deutschen Glücksspielregeln ein. 2019 sind ei Einnahmen am Glücksspielmarkt stark gestiegen gegenüber 2014 (13,28 Mrd. € zu 11,38). Man teilt zwischen legalen Markt und Schwarzmarkt. 2021 nahm der Staat durch legales Glücksspiel 5,2 Mrd. € ein. Quelle: Glücksspielatlas 2023. In Deutschland sind ca. 1,3 Mio. Menschen spielsüchtig. Weitere 3,3 Mio. zeigen ein riskantes Spielverhalten. In den Kassen der Glücksspielbrache landeten 13,4 Mrd. €. Glücksspiel ist ein Riesengeschäft: Geldspielautomaten, Deutscher Lotto- und Totoblock, Sportwetten, Spielcasinos, online - Pokerautomaten, Soziallotterien, Sparlotterien, Klassenlotterien.

EU-Steuer: In Brüssel kursieren immer wieder Pläne für eine EU-Steuer. Viele Abgeordnete wollen die Steuer, um schwächeren Ländern wie Griechenland zu helfen. Gegenwärtig wäre eine solche Steuer inkonsistent, weil die Nationalstaaten die Haushaltssouveränität haben. Kontrolle und Haftung sollten immer in einer Hand liegen. Die Diskussion gibt es aber auch, weil der Brexit eine Lücke im EU-Haushalt hinterlassen wird (12 bis 13 Milliarden Euro).

Tourismussteuer: Länder in Südeuropa, z. B. Griechenland, entdecken die Touristen als Steuerquelle: Der Mehrwertsteuersatz für touristische Dienstleistungen wird erhöht. Die Gewinne der Hotels werden höher besteuert. Zusätzlich gibt es eine "Schlafsteuer" pro Übernachtung. 

Plastiksteuer: Die EU erwägt 2018 eine Plastiksteuer. Es soll eine zusätzliche Einnahmequelle für den EU-Haushalt sein. Die Kunststoffmenge müsse aus Umweltschutzgründen reduziert werden (Oettinger). Es geht auch um die Lücke in der Finanzierung der EU, die der Brexit hinterlässt.

Flugsteuer: Frankreich schlägt im Juni 2019 eine solche Steuer auf Kerosin vor. Damit sollen Flugbewegungen reduziert und der Haushalt der EU aufgebessert werden.

Fleischsteuer: Sowohl Fleischproduzenten (Tönnies) als auch Greenpeace fordern sie. Bisher gilt der ermäßigte Steuersatz wie für andere Grundnahrungsmittel (7%). Das Landwirtschaftsministerium beschäftigt sich damit. Alternative wäre eine Tierwohlabgabe.  so soll die Transformation der Tierhaltung gefördert werden.

Patentboxen: Steuerliches Instrument der Förderung und Verwertung von geistigem Eigentum. Sie folgen in der Regel dem OECD-Nexus-Ansatz. Sie könnten eher KMU nützen. Multis sehen diese Aktivitäten mehr global.

Örtliche Steuern: Den Kommunen stehen die örtlichen Aufwand- und Verbrauchssteuern nach dem Grundgesetz zu. Die Einnahmequelle der Gemeinde reicht von der Hunde-, Getränke- und Vergnügungssteuer über die Jagd- und Fischereisteuer bis hin zu Betten-, Pferde- und Zweitwohnungsteuer. Wesentlicher für die Einnahmen der Gemeinden sind die Gewerbe- und Grundsteuer. Hier können die Kommunen die Hebesätze festlegen.

Reform des Steuersystems in Deutschland: Im Mittelpunkt steht immer die Einkommensteuer. Dann kommen die Sozialabgaben (Steuer- und Abgabenlast insgesamt), die Körperschaft-, Vermögen- und Erbschaftsteuer. Zentrale Fragen sind: Höhe der Steuern? Gerechte Verteilung der Steuerlast? Bringen Steuerentlastungen mehr Steuergerechtigkeit? Bei der Einkommensteuer geht es schon seit Jahren  um die kalte Progression (siehe oben, Mittelstandsbauch). Die Einkommenseckwerte könnten stufenweise nach rechts verschoben werden. Alternativ kann die Einkommensschwelle, ab welcher der Spitzensteuersatz greift, nach rechts verschoben werden. Kombinationen sind auch möglich. Vgl. Wie sollte das Steuersystem in Deutschland reformiert werden?, in: Wirtschaftsdienst 2017/ 6, S. 383ff. Zunehmend wichtig ist der Kampf gegen multinationale Steuervermeider. Alle Experten sind sich in der Formel einig: Einfacher und gerechter. Einfacher ginge, wenn man die Pauschalen hoch setzte.

Steuerpolitik als Instrument gegen die Corona-Krise 2020: In der Krise werden Steuerstundungen ermöglicht. Eventuell sollen Verluste in 2020 mit Erträgen 2029 verrechnet werden. Hier müssen auch KMU und Selbständige einbezogen werden. später muss alles getan werden, um Investitionen anzuregen. hierzu muss auch die bestehende Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer durchforstet werden.

Steuerschuld von US-Militärs in Deutschland: Das Statut von 1951 regelt die US-Präsenz in Deutschland. Es gibt auch ein Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofs. Grundsätzlich sind US-Militärs von der hiesigen Steuer befreit. Das Thema beschäftigt mittlerweile die höchsten Regierungsstellen.

Erdbebensteuer: Sie wird in der Türkei erhoben. Sie soll für die Behebung von Erdbebenschäden verwendet werden. Allerdings ist die Verwendung intransparent. So gibt es Vermutungen der Zweckentfremdung. Die Mittelverwendung ist aber insgesamt in der Regierung intransparent. Man munkelt von Korruption. So versuchen Spender für die Erdbebenopfer 2023 lieber eigene Kanäle aufzutun. Als seriös gilt der Sänger Achbab. Er hat aber mittlerweile so viel Geld angesammelt, dass viele eine Beschlagnahmung der Summe durch die Regierung befürchten.

Informationen über die internationale Finanz- und Steuerpolitik finden sich auf dieser Seite bei Außenwirtschaft/ Internationale Finanzmärkte.

 

Geldpolitik (und -Theorie; Geldsystem; Notenbanken, Zinsen, Economics of Banking, digitales Geld, Parallelwährungen, Bitcoin, Inflation, offene Volkswirtschaft; vgl. zur empirischen Praxis die Seite "Methoden/ Statistics"). Umfassender ist der Teil monetäre Außenwirtschaft/ Währungspolitik bei Economics/ special oder dort Global Government (Fed) und EU (EZB).

Geld: Eine universelle Übereinkunft darüber, was Geld ist, gibt es nicht. Geld hat die Funktionen Tauschmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrung. Es kommt in den Erscheinungsformen Münzen, Banknoten und Buchgeld (Giralgeld) vor. Aufgrund des Münzregals haben die Staaten die Verfügung über die Münzen. Die ersten Münzen werden in Lydien um 600 v. Chr. geprägt. In Sardis lässt König Krösus Schmelzöfen bauen und schafft genaue Regel für die Kurantmünzen  (Gewicht und Reinheit). Das Papiergeld soll eine Deckung haben. In China entsteht das Papiergeld aus Schuldscheinen, die Marco Polo später mit nach Europa bringt. 1696 gibt als erste Privatnotenbank die Bank of Scotland Banknoten in Europa aus (die schottische Stadt Glasgow war Mittelpunkt des Außenhandels mit den Kolonien in Amerika; Handel mit Tabak und Baumwolle). Geld wurde historisch unterschiedlich schnell akzeptiert. Relativ zügig ging es in China, Persien und Arabien. Die Wikinger lehnten Geld lange ab und verwendeten die Münzen nur als Schmuck. Früher war das Gold (Goldstandard) Grundlage des Geldes.  Heute wird vom "Potential für Lug und Trug" (F. A. von Hayek) gesprochen. Oft traten wichtige Rohstoffe oder Nahrungsmittel an Stelle des Geldes. In Japan war das lange Zeit der Reis. In Ölstaaten ist es häufig das Öl gewesen. Neuerdings nehmen die Bitcoins zu. Es handelt sich um elektronisches Geld, ohne staatliche Kontrolle. Maximal können 21 Millionen Bitcoins im Umlauf sein. Der Gesamtwert wird Ende 2013 auf 946 Mio. € geschätzt (täglich etwa 50.0000 Transaktionen). 2016 prüfen die Notenbanken die Ausgabe von E-Geld. Das könnte die Form von Staats-Bitcoins haben.  "Geld, Geiz, Gier - das sind die drei großen Konstanten", Hilmar Kopper, in: Der Spiegel 52/2011, S. 66. Redensarten rund um das Thema Geld: "Kleinvieh macht auch Mist"; Auf Heller und Pfennig"; "Geld stinkt nicht" (von Vespasian, römischer Kaiser, über die Latrinensteuer); "Für `nen Apfel und ein Ei". 103 Euro an Bargeld hat jeder Deutsche durchschnittlich im Portemonnaie (53% aller Umsätze auf Münzen und Scheine). 29,4 % mit Girocard. Online werden nur 2,8% aller Umsätze transferiert. 2015 macht der Wirtschaftsweise Peter Bofinger den kuriosen Vorschlag, das Bargeld ganz abzuschaffen, weil das die Märkte für Drogen und Schwarzarbeit austrocknen würde (in den USA kam der Vorschlag schon von Larry Summers). Münzgeld ist wieder mehr gefragt, weil die Bahn für ihre Fahrkartenautomaten den Bank-Noteneinzug entfernt (wegen der vielen Aufbrüche).  Deutsche Mark und Pfennig sind auch 2016 noch immer in Umlauf. Pro Jahr werden im Schnitt 100 Mio. DM in Euro umgetauscht. Es sind noch immer 12,76 Mrd. Mark in Umlauf. Großbritannien bringt Ende 2016 als erstes europäisches Land Banknoten aus Kunststoff (Fünf-Pfund-Banknote mit Winston Churchill). Sie sind kochfest und fälschungssicher. Kanada hat damit gute Erfahrungen gemacht. Indien macht im November 2016 eine Blitz-Bargeldreform.  Alle großen Geldscheine werden für ungültig erklärt. Der Umtausch muss bis Ende 2016 erfolgen. Die Banken sind überfordert. Indien gleitet ins Chaos. Die Bargeldreform dient dem Kampf gegen Korruption und Schattenwirtschaft. Sie ist ein riskantes Experiment. Vor allem die Reisbauern sitzen nach einer guten Ernte auf Bündeln von alten Scheinen. Mit täglich neuen Verordnungen zum Umtausch mehrt die Regierung die Konfusion. Ein funktionierendes Steuersystem wäre wohl besser gegen die Korruption. Auch Venezuela kappt 2016 überraschend die hohen Geldscheine mit ähnlichen Begründungen. Das bankrotte und devisenschwache Simbawne begleicht 2017 Schulden mit Elefanten und Hyänen. Bei uns sind Bitcoin und Gold die Zigaretten von heute (Zigaretten waren nach dem Krieg die Alternativwährung).

Münzregal: Alte Tradition (siehe oben). Es besteht auch beim Euro nach Nationen der EU. Heute hat der Bundesfinanzminister das Münzregal in Deutschland (Entscheidung über die Art und Zahl der Münzen). Münzprägestätten gibt es in Berlin (A), München (D), Stuttgart (F), Karlsruhe (C), Hamburg (J).

Geldformen: Grundsätzlich gibt es zwei Formen von Geld. Einmal adäquat zu Gütern (Sachenrecht). Die Güter können Gebrauchsgüter, Verbrauchsgüter oder virtuelle Güter sein. Zum anderen als Forderungen (Schuldrecht). Hier kennen wir Inhaberpapiere und Kontenforderungen. Die bei dem Krypto-Geld verwendete "Distributed Ledger Technologie" ist im Grunde genommen uralt. Die Idee des Kerbholzes liegt zugrunde. Es gewährleistet "Minting" (technische Komplexität) und "Mining" (Transparenz).

Psychologie des Geldes: Geld ist psychologisch Motivation, Droge (aktiviert das Belohnungszentrum im Gehirn), Machtinstrument und Glücksquelle. Rationales Verhalten beim Geld ist ein Wunschtraum. Geld ist in der Menge immer relativ. Wir vergleichen uns gerne mit Freunden und Nachbarn. Dauerhafte Armut kann die Denkfähigkeit beeinträchtigen. Plastikgeld kann die Einstellung zum Geld verändern. "Geld ist im Wesentlichen eine Glaubenssache, eine Fiktion, ein Versprechen", Wolfgang Streeck, Soziologe, Quelle: brand eins 06/18, S. 117.

Wesen des Geldes: Nach Karl Marx vermittelt Geld zwischen Produzent und Produkt, sobald der Tausch nicht mehr direkt erfolgt. Er erinnert daran, dass der Tauschwert oft in keiner Weise dem Gebrauchswert entspricht. "Das Geld ist das dem Menschen entfremdete Wesen seiner Arbeit und seines Daseins, und dieses fremde Wesen beherrscht ihn, und er betet es an", MEW1, 374f. Ebenso: "Das Geld ist nicht eine Sache, sondern ein gesellschaftliches Verhältnis".

Geldschöpfung: Ein Privatkunde oder ein Unternehmen leiht sich Geld von einer Bank (Kredit). Das Geld wird auf dem Kundenkonto gutgeschrieben in der Bankenbilanz verbucht (Forderung der Bank gegen Kunden, Sichtguthaben des Kunden). Der Kreditnehmer zahlt Rechnungen, die bei den Banken verbucht werden. Nur ein Prozent der Einlagen hinterlegen die Banken als Mindestreserve bei der Zentralbank. Die Bank bekommt dann Probleme, wenn Kunden massenhaft Einlagen abheben oder auf andere Banken übertragen. Es gibt eine Initiative unter Ökonomen ("Monetative"), die anstrebt, dass nur noch unabhängige Zentralbanken Geld schöpfen können (Idee geht auf Silvio Gesell und Irving Fisher zurück; heute: Klaus Karwat, Thomas Mayer, Martin Wolf, Adair Turner. Die Kreditgeldschöpfung der Banken in der heutigen Form wird abgelehnt. Der Fachausdruck dafür lautet "Vollgeldkonzept"   "Die fundamentale Analyse der Kreditgeldschöpfung muss im Zentrum des neuen Ansatzes stehen", Adair Turner, Ex-Chef der britischen Finanzaufsicht. Der Geldschöpfungsmultiplikator zeigt den Geldbetrag an, den das Bankensystem der EU mit jedem Euro an Reserven erzeugt. Die Beziehung zwischen Geldbasis und Geldmenge ist noch nicht endgültig geklärt.

Geldentwürfe: Um Geld- und Finanzkrisen zu vermeiden werden immer wieder alternative Geldentwürfe diskutiert. Dazu gehören Bildungswährungen, Gesundheitswährungen, globale Referenzwährungen und die CO2-Währung. Diese Währungen werden auch Komplementärwährungen genannt. Es gibt sie in allen Bundesländern, besonders viele in Berlin und Baden-Württemberg. Oft sind sie mit bestimmten Zwecken verbunden (Baby-Sitting-Coop, Pflegegenossenschaft).  Vgl. Margrit Kennedy: Occupy Money. Damit wir alle die Gewinner sind, Bielefeld 2011. Natürlich könnte auch die globale Währungskooperation verbessert werden. Sie könnte durch regionale Komplementärwährungen ergänzt werden. Euro-Kritiker - wie z.B. die AfD - wollen nationale Parallelwährungen zum Ausstieg aus dem Euro auf Raten nutzen. Jedes Land im Eurobereich soll das Recht auf Einführung einer eigenen Zusatzwährung (zuständig nationale ZB, flexibler WK) bekommen. Internetkonzerne und Start-ups experimentieren mit mobilen Bezahlsystemen. Vor allem wird auf das Handy abgestellt. Fragen der Datensicherheit sind noch nicht alle beantwortet. Aber etablierte Banken sind stark betroffen, vor allem je weniger Transaktionen noch Bar abgewickelt werden. Vgl. den folgenden Artikel.  "Geld ist wie Dung. Man muss es streuen, oder es stinkt", Jean Paul Getty, US-Öl-Multi, 1892-1976. Vgl. auch: Thomas Mayer, Die neue Ordnung des Geldes: Warum wir eine Geldreform brauchen, Finanzbuchverlag 2014.

Geldsystem, Funktionsweise und Krisen: 1. Geld entsteht als Schuld. Eine Bank verschuldet sich gegenüber der Zentralbank. 2. Geldvermehrung: Banken können Kredite vergeben, die ein vielfaches des von der Zentralbank ausgeliehenen Geldes ausmachen. 3. Zinsen. Durch Zinsen bekommen Banken zugriff auf Menschen und Nationen. 4. Wachstum. Das Zinssystem führt dazu, dass die Wirtschaft immer weiter wachsen muss. 5. Knappheit und Verschwendung. Da der Profit stetes maximiert werden soll, ist alles in einem Zinsgeldsystem darauf ausgelegt, möglichst große Knappheit zu erzeugen. 6. Konsequenzen. Mathematisch muss das System alle 70 bis 100 Jahre zusammenbrechen. Vgl. Streetworker, Frühjahr 2017.

Bitcoin: Inmitten der Euro-Krise glauben manche Anleger an die Internetwährung Bitcoin. Sie wurde 2009 von einem unbekannten Programmierer als Antwort auf die Finanzkrise geschaffen. Die virtuelle Währung sollte unabhängig von Notenbanken, Finanzkrisen und Staaten sein. Das virtuelle Geld wird durch komplexe Verfahren berechnet. Der Kurs verbessert sich auf 143 US-Dollar (Anfang April 2013). Doch auch hier wird es Abstürze geben; außerdem können Bitcoins durch Hacker gestohlen werden. Erzeugte Bitcoins können im Internet auf Marktplätzen wie Mt.Gox (der Ex-Chef wird 2015 in Japan verhaftet; die Plattform verschwindet 2014) gehandelt werden und gegen herkömmliches Geld getauscht werden. Bei Online-Diensten wie Wordpress, Reddit, BUND, Online-Drogenmarkt Silk Road kann man damit zahlen (auch in einem Dutzend Berliner Läden). Zur Erzeugung dienen mathematische Aufgaben. Das Verschlüsselungsverfahren gilt als fälschungssicher. 2013 verfünffacht sich der Kurs in einem Monat. Dann fällt der Kurs wieder (knappe Währung, kein Materialwert, parallel zu gesetzlichem Zahlungsmittel, Spekulationsgeschäfte chinesischer Anleger). Im Dezember 2013 schnellt der Kurs auf ein Rekordhoch. Als China die Währung verbietet, bricht der Kurs wieder ein. Es ist eine dauernde Achterbahn zu befürchten. Daneben gibt es noch weitere Internet-Währungen ( Litecoin, PPCoin, Ripple, auroracoin, peercoin). Sie versuchen, an den Erfolg von Bitcoin anzuknüpfen. Alle bergen ein hohes finanzielles Risiko für Verbraucher, weil sie durch keinerlei staatliche Aufsicht geschützt sind. Gehen Internet-Plattformen Pleite oder wird der Betrieb eingestellt, gibt es keine Aussicht, Geld wiederzubekommen. Auch Hacker könnten die virtuellen Konten plündern. Mittlerweile beschäftigen sich die Aufsichtsbehörden stärker mit Bitcoin (nachdem eine deutsche Handelsbörse lahm gelegt war; es fehlt eine geregelte Infrastruktur; wie sieht es mit Steuern aus?). Im Februar 2014 bricht die weltgrößte Online-Tauschbörse "Mt. Gox" zusammen und die Skepsis wächst. 750.000 Bitcoins mit einem aktuellen Wert von 300 Mio. Euro sind verschwunden. In den USA wird versucht, verlässliche Börsen und Plattformen aufzubauen. Cameron und Tyler Winklevoss haben 2014 bei der US-Börsenaufsicht Pläne für einen Bitcoin-Index eingereicht. Im März 2014 wird die Chefin einer Handelsplattform in Singapur tot aufgefunden. Die virtuelle Währung steckt in ihrer bislang schwersten Vertrauenskrise. Mitte 2014 versteigert das US-Justizministerium 29.656 Bitcoins mit einem Marktwert von 17 Mio. $. 126 Millionen Dollar Wagniskapital wurden 2014 in Bitcoin-Start-ups investiert. 20 Mio. Dollar erhielt das Unternehmen BitFury, das im Inland und Finnnland zwei riesige Rechenzentren betreibt, um Bitcoins herzustellen. 50 Prozent der gesamten Rechenkraft im Bitcoin-Netzwerk kontrollierte im Juni 2014 erstmals der größte Bitcoin-Pool. Ab 51 Prozent könnte er das gesamte System manipulieren. BitFury hat daher Kapazitäten aus dem Pool abgezogen. 2016 entstehen weltweit Rechenzentren, die zur Herstellung von Bitcoins dienen ("digitale Schwerindustrie"). Japan führt 2016 Bitcoin als offizielle Währung ein. Im Juni 2016 ermittelt die BaFin gegen die Internet-Währung OneCoin. Die Firma OneCoin Ltd. soll genehmigungspflichtige Finanzgeschäfte betreiben. Irgendwann könnten die digitalen Währungen die Macht der Notenbanken über das Geld brechen. Der Nutzen wäre der gleiche, aber es würde nur ein Bruchteil kosten. 2016 steigt der Preis der virtuellen Währung "Bitcoin" massiv an (649 US-Dollar am 21.06.10). Die Gründe dafür liegen in China. Für chinesische Investoren sind Bitcoins besonders attraktiv: sie sind anonym und weltweit verfügbar. Der Preis kann aber jederzeit einbrechen, das Risiko bleibt hoch. Mittlerweile halten Firmen Bitcoin für Cyber-Erpresser vor. Im Durchschnitt 88600 Euro 2017. Am 11.12.17 geht Bitcoin in Chicago an die Auktions-Börse. Es geht um Futures, also um Spekulationen auf den Bitcoin. Der Kurs steigt auf fast 14.000. Die Deutsche Börse will auch mitmischen. Sie will auf Basis von Bitcoin Derivate anbieten. Sie will eventuell einen Index berechnen, der die Entwicklung von Bitcoin abbildet. Ebenso will sie die Möglichkeit von Kursmanipulationen prüfen. Bitcoin verbraucht mittlerweile soviel Strom wie ein kleiner Staat. Es wäre dringend eine Umstrukturierung erforderlich. Die Verschlüsselungsalgorithmen führen zu einer "digitalen Verschmutzung". Am 18.12.2017 knackt Bitcoin die 20.000-$-Marke. Die Frage ist, wie die Zukunft des Cybergeldes aussieht. Digitales Geld ist nicht mehr zu stoppen. Es könnte aber irgendwann staatliches Cybergeld kommen. Der Einbruch der Währung im August und September 2018 trifft Anleger hart. Die Alltagstauglichkeit hin zu echten Geld soll verbessert werden. Sie ist noch zu langsam, zu umständlich, zu teuer in einzelnen Transaktionen. Es soll ein Lightning - Netzwerk entstehen. Im Februar 2021 legt Tesla 1,5 Milliarden Dollar in Bitcoin an. Das sind ein Teil seiner Barreserven. Außerdem überlegt der Konzern, in Zukunft Bitcoin als Zahlungsmittel anzunehmen. Das könnte der Durchbruch für die Digitalwährung werden.  Die Zentralafrikanische Republik macht im Juli 2022 den Bitcoin zur Staatswährung (Währung des Volkes; Lohn für die Söldner). "Virtuelle Währungen können langfristig viel versprechend sein", Ben Bernanke, Präsident der US-Notenbank bis 2013. Der französische Zentralbankrat und die chinesische Zentralbank sehen das anders. Trotzdem werden die meisten Bitcoins in China erzeugt (AntPool 27%-Anteil; F2Pool 24,2%-Anteil; BTCCPool 13,3%-Anteil). Deshalb will die Zentralbank so schnell wie möglich eine eigene digitale Bezahlmöglichkeit einführen, um die Kontrolle zu behalten. Satoshi Nakamoto war das Pseudonym des Bitcoin-Gründers. An der Online-Börse Coinbase geht der Kurs Anfang Januar 2016 erstmals über 1160 Dollar. In der ersten Maiwoche erreicht der Kurs einen neuen Höhenflug (1650 Dollar). Vorher wollte die US-Börsenaufsicht SEC einem ersten Fonds, der Investitionen in das Kryptogeld, für die breite Masse möglich machen wollte, eine Absage erteilt. Sie will aber noch mal prüfen. Der Wert des Bitcoin erreicht fast 4000 € im Herbst 2017. 2013 sollen 850.000 Münzen einfach verschwunden sein. Man beschuldigt Hacker. Mt.Cox treffen Sammelklagen aus den USA und Japan. Im November ist Bitcoin auf Rekord-Höhenflug (erstmals über 7000 Dollar). Der Vergleich von zwei Stichtagen zeigt eine Wertsteigerung wie man sie noch nicht gesehen hat (8.11.2010: 0,27 €; 8.11.2017: 6378 €, das sind 2,36 Mio. Prozent Wertsteigerung). Der Kurs geht Ende 2017 unaufhaltbar nach oben (am 18.12.17 20.000$; Gesamtwert 330 Mrd. $). Das liegt am Einstieg von professionellen Investoren und Spekulanten. Kurz vor Weihnachten 2017 kommt es zu einem Hackerangriff auf die Bitcoin-Börse in Südkorea. Sie wird zahlungsunfähig. Am 30.12.17 verliert Bitcoin 12 Prozent; später noch mehr. Anfang Februar 2018 rutscht der Kurs unter die Marke von 9000 Dollar. Experten warnen vor einem "totalen Kollabieren" (Crash). Damit zeigt der Bitcoin das gleiche Muster wie andere Blasen, die platzten (Öl, Gold, Silber, Nasdaq). Das Bitclub Network wirbt 2018 mit lukrativen Investitionen in Kryptowährungen. Die ersten Anleger fühlen sich betrogen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Das Erzeugen von Bitcoins ist in Deutschland kein erlaubnispflichtiges Geschäft. Nach den Höhenflügen im letzten Winter rauschen die Krypto - Währungen Ende 2018 ins Bodenlose (man spricht auch von Shitcoin). Am 28.November 2018 beträgt der Marktwert aller Münzen nur noch 74,1 Mrd $ (war schon bei 8866 Mrd. $). Ende 2020 erreicht der Kurs wieder einen Höchstwert. Anfang 2021 steigt der Kurs erstmals über 35.000 $ bis über 50.000. Experten sprechen mittlerweile vom ersten digitalen Rohstoff bzw. von der Digitalisierung des Goldes. Vgl. Sandner, Philipp: Der erste digitale Rohstoff, in: FAZ Nr. 8, 11.01.21, S. 18. Ende Februar 2021fällt der Kurs wieder unter 50.000 Dollar. 1 Billion Dollar beträgt die Marktkapitalisierung des Bitcoins. Danach steigt der Kurs stark an. Am 18.4.21 fällt er wieder stark wie seit sieben Wochen nicht auf 55.200 $. Die Firmenpolitik von Musk bei Tesla und das Verbot von China für die Währung führen ab 20.5.21 zu einem Absturz des Kurses bei knapp 30.000 $. Am 25.5. geht es wieder aufwärts. Der Kampf zwischen zwei Richtungen geht weiter: Befürworter von Bitcoin als Währungsspeicher und Zahlungsmittel; Regierungen, die um die Geldpolitik Angst haben. Am 18.6.22 fällt der Kurs unter 20.000 US-$ (November 21 69.000$). Vgl. Mangold, Ijoma: "Die orange Pille. Warum Bitcoin weit mehr als nur ein neues Geld ist", 2023 (dtv). Im Dezember 23 geht man wieder auf Rekordjagd beim Bitcoin: über 40.000 Dollar, Spekulanten setzen auf eine schnelle Zinssenkung. Im Januar 24 gibt es einen Höhenflug nach einer Falschmeldung (Zulassung von Bitcoin - Fonds - ETF). Bitcoin - Fans wollen 2024 Madeira zu einem Pionier-Gebiet machen, wo man alles mit der Kryptowährung bezahlen kann. Madeira soll von der Herrschaft des Euro befreit werden. Vgl. Tönnesmann, Jens: Ein Schatz für die Insel, in: Die Zeit 11/ 7.3.24, S. 27. Im März 2024 steigt der Wert der ältesten und bekanntesten Cyberwährung unaufhörlich. Der wichtigste Faktor ist die Zulassung von Bitcoin-ETFs. Die Investition steht aber weiterhin unter großen Risiken und ist spekulativ: Der Wert eines Bitcoins lässt sich fundamental nicht ermitteln. Viele sprechen von einem Schneeballsystem. Andere wollen damit den Kapitalismus studieren. Vgl. Fischermann/ Buchter: Jetzt in Kryptos investieren? in: Die Zeit 12/ 14.3.24, S. 20.

Kauf von Bitcoins: Bitcoin ist eine digitale Währung. Zuerst muss eine Wallet-Software angelegt werden. Dann kann man sich anmelden (Bitcoin.de/Kraken.com). Man muss seine Identität nachweisen. Jetzt kann man Bitcoins kaufen. Sie werden aufs Wallet-Konto transferiert. Die neue Transaktion wird mit weiteren anstehenden Überweisungen im Netzwerk angekündigt. Das Ganze läuft ohne Banken nur über Plattformen im Internet. Alle paar Minuten sammeln sogenannte Schürfer (Englisch "Miner") die anstehenden Transaktionen und fassen sie zu einem Block zusammen. Dann muss die Transaktion genehmigt werden So entsteht ein neuer Block, ein weiteres Glied in der Transaktionskette (Blockchain). Es ist ein Hauptregister. Die Miner verteilen die Transaktion über das gesamte Netzwerk. Der Empfänger des Geldes kann in seiner digitalen Geldbörse sehen, ob die Zahlung angekommen ist. Nach der Spekulationsfrist müssen Gewinne nicht versteuert werden. Mining, also eigenes Schaffen von virtuellem Geld, muss versteuert werden. "Bitcoin sind teuer und ineffizient", Carl-Ludwig Thiele, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank. Die Bundesbank warnt Ende 2017 vor Bitcoin. Im Gegensatz zu anderen Zentralbanken spricht sie sich aber gegen ein Verbot aus. Mittlerweile tauchen in Einkaufszentren, Spielhallen und Tattoo-Studios Geldautomaten für Bitcoin auf (anonymer Tausch). Sie erleichtern natürlich auch kriminelle Finanzgeschäfte. Es ergibt sich die Frage, ob dies legal ist. Die Maschinen kommen von Adam Gramowski aus Polen.

Verbot von Bitcoin bzw. Planung von Verbot: Südkorea, China, Russland, Bangladesch, Nigeria, Algerien, Island, Marokko, Bolivien, Brasilien. Die Verbote sind unterschiedlich. Manchmal gilt das Verbot nur für Finanzinstitute.  Manche Länder ändern ihre Regelung ständig. Manchmal herrscht Unklarheit. Viele Notenbanken und Staaten stören sich am Anarchismus (das Währungsmonopol wird untergraben). Ernst wird es, wenn China eine Gegenstrategie verfolgt. Das scheint 2019 der Fall zu sein. Die Regierung will die Cyberwährung aus dem Land vertreiben. Das ist eine große Sache, weil China das mit Abstand größte Land für die Cyberwährung ist. Die NDRC erklärt Anfang April 2019 die Währung für unerwünscht. die begründung ist auch ökologisch. China brauche seine Energie für bessere Zwecke. die meisten Computer des virtuellen Geldes stehen in China. Andererseits experimentiert die Zentralbank weiterhin mit digitalen Zahlverfahren und Blockchain. Im Februar 2021 legt Tesla 1,5 Milliarden Dollar in Bitcoin an. Das sind ein Teil seiner Barreserven. Außerdem überlegt der Konzern, in Zukunft Bitcoin als Zahlungsmittel anzunehmen. Das könnte der Durchbruch für die Digitalwährung werden. auf der anderen Seite sind Krypto - Währungen energieintensiv und extrem klimaschädlich. Ethereum versucht 2022, umweltfreundlicher zu werden.  "Regierungen wollen realem Geld folgen, um Steuerhinterzieher und Kriminelle zu finden", Jeffrey Sachs, US-Prof. aus New York 2018.

Absturz von Kryptowährungen: Im November 2022 stürzt der Wert der Kryptowährung FTX von 29,80 € am 1. August 2022 auf 1,80 € am 15. November 2022 ab. Dahinter kommt ein Skandal zum Vorschein. Im Zentrum steht Samuel Bankman-Fried (SBF). Sein Aufstieg ist mit prominenten Investoren verbunden: BlackRock, Changpeng Zhao (CZ). FTX hatte Geld an eine Tochterfirma verliehen, was auf den Bahamas möglich ist. Als das bekannt wurde, kam es zum Konflikt mit CZ. Als er sich zurückzog, kam es zum Crash. Vgl. Buchter, H./ Tönnesmann, J.: Absturz der Zocker, in: Die Zeit 17.11.22, S. 23.  Es könnte zu einem Lehmann-Moment für die Kryptowährungen kommen. Bitcoin und Ethereum werden mit nach unten gezogen. Vgl. Brächer, Michael: Crash in kurzen Hosen, in: Der Spiegel 46/ 12.11.22, S. 77. Im Grunde genommen handelt es sich um ein jahrelang gewachsenes Schneeballsystem. Man will immer neue Investoren bekommen und für steigende Preise zu sorgen. Wenn der Zustrom neuer Käufer versiegt, stürzt das Geschäftsmodell wie ein Kartenhaus zusammen. Der Kryptobankrott erreicht die US-Regierung. Sam Bankman-Fried, der Kopf der Börse, ist der zweitgrößte Spender der Demokraten (nach George Soros). Es taucht schon die Frage auf, ob der Traum vom Blockchain-Geld eine Illusion ist. 2023 galten Krypto - Währungen nach Betrügereien und Kursstürzen als erledigt. doch einige Länder sehen sie plötzlich als Hoffnungsträger. Dazu gehören El Salvador, Nigeria, Hongkong. Vgl. Womit keiner rechnet, in: Die Zeit Nr. 19/ 4.5.23, S. 25. "Ein Großteil der Krypto-Unternehmen wird über die Wupper gehen", Ehemaliger Investmentbanker, in: Der Spiegel 48/ 26.11.22, S. 61ff. 2022 hat Bitcoin -61% verloren. 2023 +155% gewonnen. Andere Kryptowährungen haben sich 2023 wie folgt entwickelt: Dogecoin +29,5%; Mana +77%; Pepe Coin +2302%; Injective Protocol +2789%; Jesus Coin +13.910%; Solana +1000%. Vgl. Interview mit Koray Caliskan von Thomas Fischermann, in: Die Zeit 2/ 2024, 4.1.24, S. 22 ("Das sind rationale Leute").

Bitcoin - Schürfer und China: Große Server, die man für Bitcoin benötigt,  werden dort aufgestellt, wo die Strompreise günstig und die Behördenkontrollen lax sind. Das war bisher am Fuße des Himalayas der Fall (Provinzen Guizhou, Innere Mongolei, Xinjiang, Sichuan/ 10%). Man spricht von Bitcoin - Farmen.  Sie waren der Regierung in China immer ein Dorn im Auge: Sie stören die staatliche Finanzordnung und die staatliche Digitalwährung. Die Regierung gibt im Sommer 2021 ein zeitliches Ablaufdatum. Das treibt den Kurs des Bitcoin kurzfristig in den Keller, langfristig könnte es aber stabilisierend sein. Sie ist aber vorsichtig, weil sie die Wut der eigenen Bürger befürchtet, die mit Bitcoin Geld verdienen. Im September 2021 erklärt China Bitcoin und Co. für illegal. Dei Zentralbank warnt vor Geldwäsche und Betrug. Man plant eine eigne Internetwährung. Das Bitcoiun -Netzwerk wird zu 65% von chinesischen Surfern betrieben. Vgl. auch: Xifan Yang: Die Angst der Schürfer, in: Die Zeit Nr. 26, 24. juni 2021, S. 24.

Funktionsweise der Krypto - Währungen am Beispiel von Bitcoin: Die Technologie beruht auf drei Säulen: Dezentral, Cash- artig und Digital. Dezentral: Es besteht Unabhängigkeit. Es gibt keine Zentralbank die die Währung kontrolliert. Die Rechner funktionieren unabhängig voneinander (Peer to Peer). Die Bitcoin - Buchhalter heißen "Miner". sie werden mit Bitcoins belohnt. Cash-Charakter: Bargeld kann man nicht leicht zurückholen. Die Zahlungen sind schwer zurück verfolgbar. Digital: Blockchain. Kette von Blöcken". Jeder Block enthält Transaktionswünsche. Diese müssen konsistent sein. Die maximal im Markt verfügbare Anzahl an Bitcoins ist auf 21 Mio. begrenzt. Voraussichtlich 2140 wird der Wert erreicht. Es ist insgesamt ein Electronic Cash System. Die Idee geht auf Satoshi Nakamoto zurück (Pseudonym, 2008). Der Zahlungsverkehr könnte sich in Zukunft grundlegend ändern. Eine zweite Frage ist, ob es digitales Zentralbankgeld geben könnte. Der dritte Aspekt betrifft Veränderungen in der Realwirtschaft. In Kurzfassung sieht die Kette wie folgt aus: A will an B Geld überweise. Die Transaktion wird als Block hinterlegt. Der Block wird an alle Parteien gesendet. Die Akteure bestätigen die Transaktion. Der Block wird an eine Kette von Transaktionen gehängt (Blockchain). A transferiert das Geld nun sicher und nachweisbar an B. Zu Bitcoin gibt es sechs Alternativen: Ethereum (ETH), Litecoin, Dash, Neocoins. Zudem gibt es Filecoin und Texos. Hinzu kommen Iota, NEM und Monero. Dann kommt noch BitSequence. Die Identität wird manchmal verschleiert. Sogar die Firmensitze sind oft unklar (Leeds, Abu Dhabi). Alle könnte man auch als virtuelle Parallelwährungen bezeichnen. Sie basieren auf Zahlenfolgen im Internet. Aus China kommt die meiste Rechenleistung für das Netzwerk hinter der Digitalwährung Bitcoin. Der Anteil liegt bei 54,2% im Jahre 2017. Mit weitem Abstand folgen andere Staaten (Island 4,3%, Indien 2,2%, Georgien 2,2%, Venezuela 2,0%, USA 1,0%). Der chinesische Anteil ist beunruhigend, denn Rechenzentren können genauso schnell geschlossen werden wie Handelsbörsen. 2018 gibt es Überlegungen, den Handel mit Bitcoins in China unmöglich zu machen. Ähnliche Absichten hat Südkorea in Asien. Daraufhin bricht der Kurs am 17.01.18 um 20% ein. Dann Ende 2018 stoppt eine japanische Plattform die Abhebungen von Krypto - Währungen. Dadurch geraten die Kurse zahlreicher Krypto - Währungen weiter unter Druck. Zug in der Schweiz wird zunehmend zum Zentrum der Kryptowährungen in Europa. Hunderte junge Firmen bauen an der Finanzwelt der Zukunft. Die zentrale Frage ist, ob die Kryptowährungen das Geld der Zukunft sind. Noch (2018) haben sie kaum Relevanz als Zahlungsmittel. Es ist auch noch mehr Spekulationsobjekt als Wertanlage. Vgl. Fiedler, S./ Gern, K.-J./ Stolzenburg, U.: Kryptowährungen - Geld der Zukunft, in: Wirtschaftsdienst 2018/10, S. 752ff. "Bitcoin is Evil", Paul Krugman 2013. Schweden erwägt eine Digitalwährung. Die Zentralbank arbeitet an einer E-Krone. Es entsteht 2017 auch das erste Blockchain - Spiel der Welt: CryptoKitties. Die digitalen Tiere existieren auf der Ethereum - Plattform im Internet. Fans zahlen sechsstellige Dollarbeträge in der Ethereum - Währung Ether. "Tut mir leid, dass ich euch die Party vermiese, aber ich muss hier einschreiten. Litecoins zu kaufen ist extrem riskant", Carlie Lee, Litecoin-Gründer 2017. "Kryptowährungen werden böse enden, das kann ich fast mit Gewissheit sagen", Warren Buffet, berühmter Finanzinvestor 2018. Die Marshall Islands wollen 2018 als erstes Land eine Krypto - Währung als offizielles Zahlungsmittel einführen. Die Finanzaufsicht fordert im Oktober 2018 eigene Krypto - Gesetze. Von Mitte Oktober bis Mitte November 2020 klettert der Kurs um knapp 40%. 2022 kommt es zu Kurseinbrüchen. Der Stable Coin Terra scheitert. Seit November 2021 bis Juni 2022 haben Anleger mit Kryptowährungen wie Bitcoin 1900 Milliarden Dollar verloren. Das entspricht dem 1,3-fachen Marktwert aller Unternehmen im Dax. Erstmals unterschritt die Kapitalisierung des Kryptomarktes wieder die 1000 Milliarden Dollar-Marke. "Der Kurswechsel in der Geldpolitik wird zu einem dauerhaften Gegenwind für Kryptoassets", Stefan Hofrichter, Allianz. Quelle: Der Spiegel Nr.5/v 29.1.22, S. 69. 2023 kriselt die Kryptowährung Worldcoin. Bisher hat sie vor allem dem Gründer Sam Altman selbst genutzt.

Kooperation von Kryptobörsen mit Banken (Kryptowelt im Umbruch): In Deutschland kooperieren immer mehr Kryptowährungen mit Geldhäusern. Der Handel professionalisiert sich. Paypal drängt auch in das Geschäft. Der größte Marktplatz in Europa ist wohl "bitcoin.de" (Bitcoin Group).

Kooperation von klassischer Finanzwirtschaft und Kryptowährung: Manche Kryptowährungen sind an Vermögenswerte gekoppelt. TerraUSD war ud ist an den Dollar gekoppelt. Nur nicht an den echten Dollar, sondern Luna. Das Rechenmodell dahinter versagte. Von beiden, die einmal 60 Mrd. Dollar wert waren, blieb nichts. Schlecht ist auch die Lage für Tether. Keiner weiß genau, welche Reserven dahinter stecken. Je mehr Wertpapiere und Schuldscheine heute als Sicherheit für Tether dienen, desto eher kann ein Einbruch die klassischen Finanzmärkte infizieren. Vgl. Buchter, Heike: Absturz, in: Die Zeit Nr. 26/ 23.6.22, S. 30.

Cryptojacking: Kriminelle benutzen keine eigenen Rechner für das Mining, sondern sie benutzen die Systeme fremder Nutzer. Beim Drive-by-Mining zweckentfremden dubiose Webseiten über den Browser die Geräte der Besucher. Aber auch infizierte Computer, die in Bot-Netze eingebunden sind, werden missbraucht. Die BIZ fordert deshalb eine stärkere Kontrolle der Kryptowährungen, weil diese kriminellen Prozesse auch die Kurse beeinflussen.

Blockchain: 1994 definiert Nick Szabo ein Konzept für einen Smart Contract (Geburtsstunde). Unter dem Pseudonym Satoshi Nakatomo wird ein Artikel über Bitcoin veröffentlicht. David Rutter gründet R3CEV für einen technischen Standard. Das waren die Anfänge. Sie stellt eine Art digitales Grundbuch dar (dezentrale, verteilte Datenbank). Sie ist auf viele tausend Computer verteilt und kann daher nicht von Hackern angegriffen werden. Änderungen an Blocks kann nur die Mehrheit der Beteiligten beschließen (unendlich großer Ordner, jeden Tag mit neuen Überweisungen gefüttert wird). Die Funktionsweise ist wie folgt: X will Y Geld schicken. Statt Überweisung wird die Blockchain genutzt. Die Transaktion wird als Block hinterlegt (Daten wie Leistung und Gegenleistung wird aufgeschrieben). Alle Parteien im Netz erhalten den Block. Die Parteien bestätigen die Transaktion. Der Block wird an eine Kette von Transaktionen angehängt. X transferiert das Geld sicher an Y. Im Grunde genommen ist die Blockchain ein dezentrales öffentliches Protokoll. Alle Telnehmer kontrollieren im Netzwerk. Nutzer müssen weder dem Staat noch der Zentralbank vertrauen. Die Teilnehmer erhalten Zugang zu einem Netzwerk, auf dem sie Informationen austauschen. Jeder erhält eine Kopie des Registers mit sämtlichen Transaktionen. Neue Eintragungen müssen gemeinsam verifiziert werden. Versucht ein Teilnehmer, Einträge zu manipulieren, fällt das bei einem automatischen Abgleich auf. Insgesamt muss eine Blockchain also fünf Merkmale haben: 1. Kryptographisch verschlüsselt. 2. Konsensverfahren. 3. Verteiltes Kassenbuch. 4. Logbuch der Transaktionen. 5. Automatischer Ablauf. Die Technologie wird bleiben, auch wenn die Krypto-Währungen verschwinden sollten. Konkrete Anwendungsbeispiele: Schwedens Liegenschaftsverwaltung will Grundbucheinträge digitalisieren. Haushaltsgeräte könnten eigenhändig nachbestellen (z. B. Waschmaschinen Spülmittel), überschüssige Energie  könnte privat verkauft werden, das Laden von Elektroautos könnte so einfacher werden, der US-Versandhändler Overstock vertreibt Anleihen und Aktien über eine digitale Handelsplattform.

Digitale Währungen bzw. Geld: 1. Digitaler Euro (in Blockchain). 2. Kryptowährungen (z. B. Bitcoin, Etherium: traditionell). 3. Digitale Wertpapiere (de-centralized securities, mit Crypto licence). 4. Private stable coins (Libra, in Zukunft in diem umbenannt). 2021 boomen die kleinen Kryptowährungen: Dogecoin, Safemoon. Sie bergen aber ein großes Risiko, bis zum Totalausfall.

Digitales Geld, Arten: Bitcoin, Etherum, Tether, Binance Coin, Shiba Inu, Olympus, CryptoBlades, Monero, Zcash, Australian Safe Sheperd, Cumrocked, Dogecoin. Ende Januar 2022 fallen Bitcoin und Ether auf den tiefsten Stand seit 6 Monaten.

Einsatzbereiche von digitalem Geld: 1. Industrieller Komplex (z. B. Industrie 4.0). 2. Kapitalmarkt (Wertpapier, Anleihen, Börse). 3. Remittances (internationaler Zahlungsverkehr, cross border payments). 4. Internet of things (Machine money, streaming money). 5. Crypto assets (storage of value trading).  6. Prvat (Retail; keine direkten benefits; Gebühren könnte man allerdings einsparen, europa müsste souverän bleiben).

Anwendungen von digitalem Geld: 1. Autonomes Fahren (Bezahlen). 2. Datenhandel im Internet. 3. Digtal Payment (Zahlungsinfrastrukur passend zu Smart contracts). 4. Programmierbares Geld (Geldwäsche verhindern, konfigurierbares Geld). 5. Zusammenführen von Leistung und Geld (Clearing kann wegfallen).

Bevorstehende Innovationen: 1. Trickering (Verbindung von Bank und Blockchain, 2021). 2. Euro stable coins (bridge coins, 2022). 3. sCBDC (token based, 2023). 4. CBDC (und ECB, 2026 - 2028).  Quelle für die letzten 5 Abschnitte: Phillip Sandner, Jonas Groß (Frankfurt School of Finance, Blockchain Center, auch Uni Mannheim):  Präsentation Digitale Zentralbankwährung, Blockchain, Zoom-Video-Konferenz/ Online-Webinar, bdvb, 9.12.2020. Die Autoren rechnen mit einer Dynamik wie beim Smart Phone. In etwa 15 Jahren 100%-Durchdringung.

Fiatgeld: Form des Geldes, die nicht durch ein physisches Gut abgesichert ist (z. B. Gold), sondern ihren Wert aus dem Vertrauen der Menschen gewinnt. Insofern sind alle wichtigen Währungen der Welt heute Fiatgeld. Martin Hellwig, der große deutsche Ökonom (zuletzt Uni Bonn und dort Max-Planck-Institut), hat sich immer wieder systematisch damit beschäftigt. Seine zentrale Frage ist, ob eine Tauschwirtschaft mithilfe von Papiergeld funktionieren kann, ohne dass die Erwartungen der Teilnehmer über den zukünftigen Geldwert systematisch enttäuscht werden (vgl. z. B. Des Bankers neue Kleider).  Auf der Online-Plattform James Edition wird ein Geldspeicher angeboten, gefüllt mit acht Millionen Fünf-Rappen-Münzen (325.000 Euro), zum Baden in Geld.

Helikoptergeld: Die Idee stammt wohl von Milton Friedman. Er führte 1969 ein Gedankenexperiment durch. Verteilung von Geld direkt von der EZB an die Bürger, um die Inflation anzukurbeln. Damit umgeht die Zentralbank die Kreditschöpfung der Geschäftsbanken. Die EZB schenkt jedem Bürger einen gleich hohen Geldbetrag. Diese Art von Geld wurde lange als abseitige Idee tabuisiert. Heute halten viele Experten diese Maßnahme für wirksam. Die nationalen Notenbanken müssten ihren Regierungen das Helikoptergeld auf deren EZB-Konten gutschreiben. Dadurch schwillt die Passivseite der Notenbankbilanzen an, ohne dass ein Aktivposten gegenüber steht. Wächst die Geldmenge stärker als die Gütermenge, schießen die Preise in die Höhe. "Die Idee des Helikoptergeldes halte ich für besorgniserregend, für geradezu verheerend. Das ist eine Bankrotterklärung der Geldpolitik. Eine Notenbank, die Geld verschenkt, wird kaum mehr die Kontrolle über die Notenpresse wiedererlangen können'", Otmar Issing, ehemaliger Chefökonom der EZB. Quelle: WiWo 38, 13.9.19, S. 26. Hintergrund:  Die Inflation im Euroraum liegt aktuell bei 1 bis 1,2%. Damit wird das Inflationsziel von 2,0% verfehlt. Daher wächst der Druck auf die EZB, die Geldschleusen weiter zu öffnen. In der Corona-Krise 2020 greifen die USA auf Helikopter-Geld zurück. Jeder Haushalt erhält eine bestimmte Summe. Auch Arbeitslose erhalten erstmals eine bestimmte Summe. Auch diese Idee hatte historische Vorläufer: Als 1630 spanische und französische Söldner die Pest in Venedig einschleppten, reagierte der Senat mit den heute bekannten Maßnahmen eines Lockdowns. Gleichzeitig erkannte man, dass die Bürger fiskalische Unterstützung brauchten. Der Senat beschloss also, die Löhne zu subventionieren oder Beschäftigungsprogramme ins Leben zu rufen. Es gab auch schon Kurzarbeitergeld. Diese Maßnahmen wurden durch Steuern, zum Teil aber durch Buchgeld der Banco del Giro finanziert. Das führte zum Wertverlust des Buchgeldes. Es gab so gesehn venezianisches Helikoptergeld, dass verteilungspolitisch motiviert war. Vgl. Hock, Martin: Pandemie und Helikoptergeld, in: FAZ Nr. 303, 29.12.21, S. 25.

Parallelwährung: Immer wieder hat es in der Geschichte so etwas gegeben. Der Grund dafür waren Krisen, Inflation und Vertrauen. Die österreichische Stadt Wörgl brachte in der Weltwirtschaftkrise das Schwundgeld in Umlauf. In der Schweiz gibt es das Experiment "WIR - Geld". Dahinter steckt eine Wirtschaftsring-Genossenschaft. In Argentinien bildete sich Ende der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts ein Tauschclub mit der Währung "Credito". In Bayern gibt es die Parallelwährung "Chiemgauer". In Berlin bestehen mehrere Parallelwährungen (dazu habe ich eine Master - Thesis betreut). Die Krypto-Währungen (siehe oben) sind virtuelle Parallelwährungen.

Finanzdienstleistungen: Mit Geld lässt sich mehr Geld verdienen. Als Vordenker des europäischen Finanz- und Bankenwesens gilt die Familie Medici (1397-1494) in Florenz. Die Handelsbanken im späten 14. Jh. nahmen Sparanlagen an, vergaben Kredite und tauschten Währungen.

Finanzintermediäre: Finanzinstitutionen, durch die Sparer Mittel direkt an Kreditnehmer weitergeben können. 

Banken: In Florenz und anderen Städten Mittel- und Norditaliens entstehen Banken und das System der doppelten Buchführung (der Mönch Luca Pacioli beschreibt dies erstmals in einem Lehrbuch 1494). Je komplexer der Handel und je ausgeprägter die Arbeitsteilung, desto wichtiger wird das Geld (um Güter nicht direkt gegeneinander zu tauschen, auch der Kredit). Um 1250 gibt es die ersten Banken, die Kaufleuten Darlehen für die Geschäfte ermöglichen. Später entstehen bargeldlose Zahlungsmittel, Aktien, Schuldscheine. Banken sind die Vermittler zwischen Sparern und Investoren. Banken spielen auch eine wichtige Rolle bei der Schaffung von Geld. Banken sind auf den Kapitalmärkten aktiv und machen Geschäfte mit der Kreditvergabe. Vgl. Thomas Mayer: Die Neue Ordnung des Geldes, München 2014, S. 51ff.

Bank Run: Situation, in der ein Großteil der Kunden von Geschäftsbanken seine Einlagen in Bargeld verwandelt, weil er nicht mehr an die Sicherheit der Einlagen glaubt. Das ist für eine Volkswirtschaft auch gefährlich, da dem buchgeld nicht in ausreichender Form Zentralbankgeld in Scheinen und Münzen gegenübersteht. Vgl. Hubert: VWL für BWLer, Herne 2019 (2. Auflage), S. 322.

Geldwäsche: In Deutschland ist es noch nicht strafbar, eigenes Geld zu waschen. Davon profitiert stark die italienische Mafia. Die Strafen sind auch niedrig. Die OECD kritisiert Deutschland 2014. Der Nichtfinanzsektor wird als Ausweichreaktion genutzt (Luxusimmobilien, Schmuck, teure Gebrauchtwagen, Spielhallen). Das Geldwäsche-Volumen im Nichtfinanzbereich wird auf 20 bis 30 Milliarden Euro geschätzt. Dieser Bereich soll nicht angetastet werden (Eldorado für Geldwäscher). 2016 wird die vierte Geldwäscherrichtlinie erlassen (Transparenzregister, Auflagen, Sanktionen). Mittlerweile versuchen viele Kleinkriminelle (Hacken von Konten) über Plattformen im Internet ihr Geld durch Dritte zu waschen. Nebentätigkeit als Finanz- und Warenagent wird angeboten (auch Tausch von Bargeld in Bitcoin). Im Juli 2019 setzt die Bundesregierung eine EU-Richtlinie um: im Immobilienbereich melden von Verdachtsfällen, auch bei Kryptogeld. Leaks aus den USA im September 2020 zeigen, dass deutschen Banken weiterhin in Geldwäsche verwickelt sind. Das installierte multinationale Geldwäsche Gremium FATF (Financial Action Task Force) konnte das nicht verhindern. In Zukunft soll die digitale Technik stärker genutzt werden. Geldwäscher arbeiten mit typischen Instrumenten und Tricks: 1. Immobilien. 2. Krypto - Währungen. 3. Gold (Tafelgeschäfte). 4. Scheingeschäfte. 5. Spielcasino.  Ende 2016 zeigt sich, dass die Tochter von Choi Soon Sil (hat die koreanische Präsidentin wegen Korruption zu Fall gebracht) in Hessen lebt und in Deutschland Geldwäsche betrieben hat. Die EU-Justiz-Kommisarin Vera Jourova will 2018 mehr gegen Geldwäsche tun. Schmutziges Geld bedrohe die Sicherheit Europas. 2019 wird ein Skandal aufgedeckt in der EU. Kriminelle wuschen jahrelang Milliarden über Konten europäischer Banken. Teilweise war auch die Deutsche Bank beteiligt. Eine Spur führt zu Vikto Janukowitsch, dem ehemaligen Präsidenten der Ukraine. 2021 will die EU durchgreifen. Es soll eine umfassende Reform kommen. Bundesfinanzminister Lindner will ab 2022 eine Organisation ins Leben rufen, die die Geldwäsche bekämpft (Bundeskriminalamt für Geldwäsche; Bundesfinanzkriminalamt). Die zweite Säule ist die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU). Am 18.01.24 einigen sich das Europa-Parlament und EU-Mitgliedsstaaten auf Vorschriften gegen Geldwäsche. Händler von Luxusgütern müssen jetzt die Identität der Kunden prüfen und verdächtige Geschäfte den Behörden melden. Barzahlungen ab 10.000 € sind verboten.

Geldsystem, Funktionsweise: Die Zentralbank verleiht Zentralbankgeld zu niedrigen Zinsen (Leitzins, 2 Wochen, Geldmonopol). Die Geschäftsbanken stellen Sicherheiten (z. B. Wertpapiere, Mindestreserve). Die Geschäftsbanken refinanzieren ihre Kreditvergabe (das klassische Geschäft) mit Zentralbankgeld. Gfs. senken sie die Zinsen für Kredite an private Haushalte und Unternehmen. Die Unternehmen und privaten Haushalte kaufen mit dem Geld Konsumgüter, Immobilien und Maschinen. "Wüssten die Menschen, wie das Geldsystem funktioniert, hätten wir eine Revolution vor morgen früh", Henry Ford, US-Unternehmer, Ford-Automobile.

Geldmenge: Man unterscheidet M1 (täglich fällige Einlagen, Bargeldumlauf), M2 (M1 + Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten + Einlagen mit vereinbarter Laufzeit von bis zu 2 Jahren), M3 (M2 + marktfähige Finanzierungsinstrumente). Die Geldmenge ist seit Corona als Indikator für Inflation rehabilitiert. Bei der EZB spielt sie dennoch kaum eine Rolle. Vgl. zur Kritik daran: Krämer, Jörg: Mehr als ein Zufallstreffer, in: WiWo 3/ 12.1.24, S. 37. Im September 2015 legte die Geldmenge M3 um 4,9% gegenüber dem Vorjahr zu. Die Rate lag über dem Referenzwert der EZB von 4,5%. Die Geldmenge M1, die als Indikator für die Konjunktur gilt, wuchs gar um 11,7%.  "Ab einem bestimmten Level hat mehr Geld nur noch einen marginalen Zusatznutzen", Bill Gates, Microsoft-Gründer und einer der reichsten Männer der Welt. Am meisten Geld wird in Japan gehortet. Es macht 19 Prozent der Geldmenge aus. Mitte der Neunzigerjahre waren es nur zehn Prozent. Wegen der seit Jahren fallenden Preise geben die Japaner wenig aus. Dies , obwohl sie mit Kreditkarte fast alles bezahlen können.

Geldmarkt: Mit Finanzmitteln mit Laufzeiten von überwiegend einem bis höchstens zwei Jahren. Gehandelt wird vorwiegend von Banken und Zentralbanken. Analytisch wird der Markt in Anlehnung an Keynes mit dem Geldangebot bzw. der Geldschöpfung, der Geldnachfrage (Spekulationskasse, Transaktionskasse) und dem Gleichgewicht beschrieben. Auf dem Kapitalmarkt handeln Investoren Darlehen und Beteiligungskapital. Hier sind die Institutionen angesiedelt, die sich mit Finanzierung beschäftigen und mit dem Aufteilen und Versichern von Risiken (Banken, Versicherungen, Anleihemärkte). Auf dem Interbankenmarkt haben Banken die Möglichkeit, ohne Sicherheiten Geldmittel zu leihen oder zu verleihen. Bei Keynes besteht dieser Markt aus Spekulationskasse (Wirtschaftssubjekte haben dies angespart und behalten es aus Angst vor Kursverlusten) und Transaktionskasse (für Abwicklung der Güterkäufe). "Die Geschichte des Geldes ist nicht zuletzt eine Geschichte seines bewussten oder unbewussten Missbrauchs durch die Politik". Hans Willgerodt, Professor an der Uni Köln, 1924-2012 (habe ich noch in der Vorlesung "Außenwirtschaft" gehört).

Geldvermögen: 2013 liegt das Geldvermögen der Deutschen bei ca. 5 Billionen Euro. Knapp über 2 Billionen werden als Bargeld und Einlagen gehalten. 1,12 Billionen sind Wertpapiere. 1,87 Billionen Euro sind Versicherungen. "Wenn ein Mensch behauptet, mit Geld ließe sich alles erreichen, darf man sicher sein, dass er nie welches gehabt hat", Aristoteles Onassis, griechischer Reeder.

Zeitwert des Geldes: Normalerweise nimmt man den Barwert. Dies ist der Geldbetrag, der nötig ist, um bei gegebenem Zinsniveau eine bestimmte Geldmenge in der Zukunft zu generieren.

Bargeld: Vorteile: Die Zahlung ist anonym. Abgesehen vom Verkäufer weiß niemand, wo bei wem man gekauft hat. Niemand muss in Vorleistung gehen. Für die Nutzer ist Bargeld günstig. Man muss niemand etwas dafür zahlen, dass die Transaktion abgewickelt wird. Um Bargeld abzuschaffen, wird in der Regel mit Negativzinsen gearbeitet (wurde schon bei EZB und IWF diskutiert). Bei allen Käufen mit Bargeld könnte es einen Preisaufschlag geben. 2022 gerät das Bargeld weiter unter Druck. Erst recht in der Inflation. Vgl. Schnabl, Gunther: Bewahrt den schönen Schein! in: Die Zeit Nr. 40/ 29.9.22, S. 13. Bargeld bietet Freiheit in Extremsituationen: im Lager, auf der Flucht, bei Bankpleite, Blackout, Cyberangriffen. Bargeld entzieht sich der Kontrolle des Staates, dem kommerziellen Datenhunger und dem Einfluss der Notenbanken. In Europa finden 2018 noch 79 % aller Transaktionen in Bargeld statt. In Nordamerika sind es nur noch 50%. 2019 sind die Tage des 500-Euro-Scheins gezählt. Noch bis 26.04.2019 sind die Scheine bei der Bundesbank und der Österreichischen Zentralbank zu haben (Entscheidung der EZB 2016, die Scheine bis Ende 2018 aufzugeben). 2018 zahlten erstmals die Kunden in Deutschland mehr mit Karte als bar. Vor allem jüngere Leute stellen sich bereitwillig um. Noch sind die Bargeldzahler an der Kasse schneller fertig. Seit drei Jahren sinkt die Anzahl der Geldautomaten in Deutschland (von 2019 zurück). In den Niederlanden geraten 2020 Scheine und münzen unter Druck. Restaurants und Geschäfte verweigern die Annahme. Nirgendwo in der Eurozone ist Bargeld weiter zurückgedrängt. 2020 erscheint ein Buch, dass die Abschaffung von Bargeld als verfassungswidrig ansieht. Der Autor geht von einem Recht auf Bargeld aus. Vgl. Eibl, Julian: Privatheit durch Bargeld, Tübingen 2020. Vgl. auch: Brett Scott: Cloud Money. Cash, Karte oder Krypto, Penguin Verlag 2022. 2022 wird die Diskussion fortgesetzt, ob Bargeldgeschäfte in Höhe von über 10.00 € verboten werden sollten. Die EU-Staaten sind für eine Obergrenze. In der EU sind Schweden und Dänemark am weitesten bei der Bargeldlosigkeit. Teilweise ist es die Kultur,  zum anderen Teil der Kampf gegen Geldwäsche. Das hat für schwedische Touristen eine unangenehme Folge. Ausländische Banken nehmen die schwedische Währung zum Umtausch nicht mehr an, weil schwedische Banken sich genauso verhalten. Im August 2023 will Österreichs Kanzler Nehmammer das Recht auf Bargeld in der Verfassung verankern. Die EU erklärt ihm, dass er dafür nicht zuständig ist. Am häufigsten in Europa zahlen die Menschen bargeldlos (Karte, Smartphone) in Norwegen, Dänemark, Luxemburg, GB, Niederland, Schweden, Finnland.

Bargeld und Corona: Corona hat das Zahlungsverhalten der Konsumenten 2020 verändert. Beim stationären Einzelhandel werden 56,3% Anteil beim Umsatz mit Kartenzahlungen beglichen. 40,9) beträgt der Anteil an Barzahlungen. Damit geht die "geprägte Freiheit" (Otmar Issing) ein Stück verloren. Die Verbraucher werden mehr zu gläsernen Konsumenten, die kontrollierbar und manipulierbar sind. Vgl. Fische, Malte: Schöne neue Geldwelt, in: WiWo 38/ 17.9.21, S. 38f.

Falschgeld: Es kommt in Wellen in Umlauf. Es war ein Grund mit, dass der 500 Euro Schein kaum noch ausgegeben wurde. Dennoch spielen Fälschungen noch eine Rolle.

Gold: Die Gold-Währung war ein Welt-Währungssystem von 1823 bis 1943 (klassischer Goldstandard 1870-1914). Reserve war das Gold (umlaufendes Papiergeld jederzeit zu einem fixierten Austauschverhältnis in Gold umtauschbar). Ursprünglich wurde in Babylon der Wert der Edelmetalle nach sakralen Aspekten festgelegt. Gold symbolisierte die Sonne. Gold ist nicht so wertvoll, weil es knapp ist, sondern weil die überirdische Goldmenge konstant ist. Interessant war der automatische Ausgleich durch Goldexport- und Goldimportpunkt. Großbritannien, das Mutterland der Goldwährung, verlässt 1931 den Goldstandrad im Zuge der Weltwirtschaftskrise. Das Pfund wertete um 30% ab. Auch im System von Bretton Woods und im heutigen flexiblen Wechselkurssystem (Dollar, Euro, Yen) ist Gold eine wichtige Reserve neben den Reservewährungen und den Sonderziehungsrechten. Die chinesische Zentralbank hält nur 1,6% ihrer Reserven in Gold, die US-Notenbank kommt auf 72,8%, die Bundesbank auf 68,1%. Deutschland hat damit die zweithöchsten Goldvorräte. Sie werden in Frankfurt (31%), Paris, London (13%) und New York (45%) gelagert. Im Herbst 2012 fordert der Bundesrechnungshof eine Inventur. Diese wird auch durchgeführt (London wurde schon überprüft; es folgen New York und Paris; eventuell sollen alle Vorräte in Deutschland gelagert werden). 700 Tonnen werden nach Deutschland zurückgeholt. Einige Politiker fordern 2014, noch mehr Gold nach Deutschland zu holen. Dies passiert auch (nur noch ein Teil lagert in London/ 432 t und New York/ 1236 t; Frankfurt 1710 t). Sollte China seinen Anteil weiter erhöhen, wofür vieles spricht, könnte sich die "Goldrally" weiter fortsetzen. Die Angst vor der Inflation und der Zerfall des Weltwährungssystems nach der Weltwirtschaftskrise 2009 machen die Idee des Goldstandards wieder populärer. Umstritten ist, ob dadurch das Finanzsystem stabilisiert werden könnte. Auch als Anlage gewinnt Gold wieder an Bedeutung (Barrengold, Aktien, Fonds, Derivate). Gold gilt auch als Symbol gegen das Spiel der Banken und den schnellen Profit (Systemverdruss). 2011 kaufen die Zentralbanken der Schwellenländer sehr viel Gold. Der größte Nachfrager nach gold ist Indien. Mehrmals wird die Einfuhrsteuer für Gold erhöht. Dann folgen als Nachfrager China und die USA. In Abu Dhabi wurde in einem Luxushotel 2010 der erste Goldautomat der Welt  aufgestellt (1 Feinunze 31,1 g). Am meisten Gold produziert wird in China (330t 2009, 2011 entsteht eine neue Goldbörse in Hongkong), vor Australien und Südafrika. Die größten Firmen sind Barrik Gold, vor Newmond Mining und Anglogold Ashanti. Bekannt sind noch Newcrest Mining und Harmony Gold. Die größten Vorkommen sind in Usbekistan (50 Mio. Unzen), Russland und Alaska. 230 Tonnen Gold stecken in griechischem Boden. Sie sollen ab 2013 gefördert werden. 2011 ist auch das Silber so teuer wie nie zuvor (fast 50 Dollar je Feinunze). Auch Platin steigt rasant im Preis. Das World Gold Council beobachtet den Goldmarkt. Der größte Goldimporteur ist die VR China. Dahinter folgt Indien (860t 2012 importiert, hoher kultureller Wert, gegen Rupienverfall). Indien ist aktuell auch der größte Goldkonsument vor China. 2013 prüft die Finanzaufsicht die Preisfestlegung von Gold und Silber in London (auch die Deutsche Bank verwickelt). Vgl. auch World Gold Council. Es gibt mittlerweile auch Fonds, die an Gold gekoppelt sind. Das sind börsengehandelte Wertpapiere, mit denen Anleger in den Rohstoff Gold investieren können. Sie sind mit realem Gold hinterlegt (Gold-Indexfonds). Berühmt sind die Geschichten Plätze, an denen einst Gold in Nordamerika geschöpft wurde. So etwa der Klondike in Kanada. In China zeigt sich 2015 beim Börsencrash, dass die Chinesen auch in den sicheren Goldhafen zurückkehren. Die Goldförderung weltweit ist kein Ruhmesblatt. Es werden viele Kinder eingesetzt (1 Mio. ?) und ganze Landstriche werden zerstört. Im Amazonasgebiet in Brasilien bedrohen Heerscharen von Goldsuchern die indigene Bevölkerung. Mitte 2018 kriselt der Goldpreis: Höhenflug des Dollars, Zinsniveau, Schwäche der Schwellenländer. Brasilien geht dann 2021 gegen illegale Goldsucher vor. Es werden zahlreiche Boote niedergebrannt. 2022 kommt der russische Rubel dem Ideal einer Gold gedeckten Währung am nächsten (60% des Rubel-Angebots sind durch Goldreserven der Bank of Russia gedeckt). Die Zinserwartungen drücken im April 22 den Goldpreis unter 1900 US-Dollar). Ende des Jahres 23 und Anfang des Jahres 24 erreicht Gold den höchsten Stand wie zuletzt 2020: 2.063 US-$ (Aussichten auf Zinssenkungen). Am 8.3.24 erreicht der Preise 2195 Dollar. Er könnte 2024 noch auf 2250 steigen. Gründe: Erwartete Zinssenkung, steigende Nachfrage, chinesischen Goldimporte.  Der Goldpreis ist 2008 weltweit auf einem Rekordniveau: über 1000 $ je Feinunze (geht wegen der Verkäufe auch mal wieder runter, unter 800 $, September 2009 wieder über 1000 $, Spekulation, Inflationserwartung, Indien, Chinanachfrage/ könnte mit seinen Devisenreserven alle Goldvorräte zweimal aufkaufen, Schuldenprobleme Griechenlands). Der Höchstpreis im Dezember 2010 und Anfang 2011 liegt bei über 1400 $ (1421), dann sinkt er stark ab. Im August 2011 steigt er auf den Rekordwert von über 1900 $ (1911,46, Krise in arabischen Ländern, Nachfrage aus China, Inflationserwartung, Schulden in USA und Europa, Abstufung der USA). Danach fällt er mal wieder stark (auf unter 1700 $, Gaddafi verkauft viel Gold). Im Mai 2012 fällt der Preis auf 1572 $. Er erreicht Mitte 2012 sogar ein Zweijahrestiefststand. Dann steigt er wieder im September 2012 auf fast 1800 $, bevor er im Dezember unter 1700 fällt. Dann bewegt er sich im Jahre 2013 Richtung 1500$, im April 2013 geht er wieder zeitweise unter diese Grenze.  Ende Dezember 2015 liegt der Preis bei 1066 $. 21,3 Mrd. € beträgt der Wertverlust der deutschen Goldreserven von Anfang 2013 bis April. Die Zeit des Goldrausches scheint vorbei zu sein. Ende Juni 2013 hat der Goldpreis den stärksten Einbruch seit 120 Jahren und er fällt auf 1225 $. Eine höhere Nachfrage aus China bringt ihn im August 2013 wieder auf 1343 $. Im November 2013 ist der Preis weiter gesunken auf 1244 $ (N. Y.). Ende des Jahres sogar auf 1204 $ (erste Jahresverlust seit 13 Jahren). In Folge der Krimkrise steigt der Preis wieder deutlich über 1300. Gold ist aber kein sicherer Hafen fürs Ersparte mehr. Im ersten Halbjahr 2009 wurden schon 136 t Gold von den Notenbanken verkauft (Goldreserven: USA 8134t, Deutschland 3408t). Der IWF verkauft von 2009 bis 2010 403t Gold (Käufer war vor allem die Zentralbank von Indien). Langfristig ist der Goldpreis seit 1968 fast kontinuierlich gestiegen. Ab 2014 mischt die Partei "AfD" im Goldhandel mit (Propaganda gegen Euro; vom Parteiengesetz her erlaubt). Ende 2014 könnte die Schweiz den Goldpreis anheizen. Eine Initiative fordert mehr Gold-Reserven zur Stabilisierung des Franken (die Schweiz hat schon pro Kopf die höchsten Goldreserven aller Staaten). Eine Freigabe des Franken und der große Kauf von Staatsanleihen durch die EZB führen dann Mitte 2015 zu einem Anstieg des Goldpreises (über 1300). Danach sinkt der Preis wieder rapide unter 1100$. 2017 im Herbst steigt der Preis wieder über 1300$, 2018 ist er noch über 1330$.  Im Mau 2019 liegt der Preis bei 1287 $. 2015 gibt es in den USA Ermittlungen gegen Banken wegen Manipulation des Goldpreises (auch Deutsche Bank). In den Jahren vor 2015 hat die russische Notenbank stark Gold aufgekauft, um sich von Dollar und Euro unabhängig zu machen. Nun hängt sie am Goldpreis. 2015 sind 219 Tonnen Gold aus dem Ausland in die deutsche Notenbank-Zentrale zurückgekommen (sie besitzt 3400 Tonnen, zweitgrößte Goldschatz der Welt, das meiste Gold lagert noch in New York). 2017 wird das Recht im islamischen Finanzwesen geändert: Ein neuer Standard erlaubt nun Goldanlagen über Fonds und Aktien. 2016 war das Angebot an Gold höher als die Nachfrage. Weil das in den nächsten Jahren so bleibt, dürfte der Goldpreis nur moderat steigen. 2017 haben die Deutschen 106 Tonnen Gold gekauft (für 3,8 Mrd. €). Ende 2018 liegt der Goldpreis mit 1221,50 $ noch über 1200 und steigt leicht an. Mitte 2019 geht der Preis wieder über 1300 $. Notenbanken in aller Welt kaufen Gold, weil mit einem Crash gerechnet wird (zu viel Geld, Aktienmärkte könnten einbrechen). In Südafrika gibt es viele illegale Goldsucher. Illegale Minenarbeiter durchlöchern etwa die Metropole Johannesburg. Kriminelle Pfandleiher scheffeln in Griechenland viel gold mit der Not der Menschen. Es gibt einen "Gold-Maffia" Niedrige Zinsen und unsichere Märkte führen dazu, dass der Goldschatz in Haushalten wächst. Seit 2016 wuchs der Bestand in Privathaushalten in Deutschland um 246 Tonnen. In Pfund Sterling erreicht Gold in der ersten Augustwoche 2019 ein neues Allzeithoch: 1242. Das ist auch in Austral-Dollar, Neuseeland-Dollar, Kanadischem Dollar, Norwegischer und Schwedischer Krone so. Unter den G10-Währungen liegt Gold nur noch in Dollar, Euro, Franken und Yen unter dem Allzeithoch. Im August 2019 steigt der Goldpreis auf über 1500$. Mitte September fällt er wieder unter 1500$ bis 1370$ im Oktober, immer noch mehr als ein Drittel als vor einem Jahr. Im Februar 2020 erreicht der Goldpreis einen Höchststand: zeitweise für 1611 Dollar in London gehandelt (Coronavirus). Der Goldpreis steigt durch Corona weiter (1660,20 $; "Fluchtwährung"). Am 13.04. geht er über 1700 $. Am 27.7.20 erreicht er einen Rekordwert: 1944 US-Dollar je Feinunze (sogar kurzfristig über 2000). Höchster Wert seit 2011. 2020 Steigerung von +25%. Ende 2021 rechnen Experten mit einem Kurs von 3000 Dollar pro Feinunze. Das wäre ein weiterer Anstieg um 50%. Wichtigster Treiber ist der Wertverlust der US-Währung. Mit dreister Werbung verkaufen deutsche Händler winzige Goldbarren zu stark überhöhten Preisen. Im Februar 2021 fällt der Goldpreis weiter: 1700 US-$. Wegen der steigenden Zinsen wenden sich die Finanzanleger ab. Im Mai geht er wieder über 1800 $ wegen der Inflationsangst. Dann Ende Mai sogar über 1900 $. Die Kriegsangst um die Ukraine treibt Anleger in die Sicherheit. Der Goldpreis schwankt um 1900 $. Am 21.7.22 fällt er auf den Jahrestiefststand: 1685 Dollar (Russland liefert wieder Gas). Im Januar 2023 geht der Preis wieder über 1900$ (1926$, +7% im Januar). Im Dezember 2023 erreicht der Goldpreis 2111 Dollar (Spekulanten hoffen auf schnelle Zinssenkungen). "Gold hat keinen Nutzen, außer beim Schmuck. Das ist überhaupt das Beste, was sich vom Gold sagen lässt", Hilmar Kopper, Exchef der Deutschen Bank. "Gold ist das ultimative Zahlungsmittel auf der Welt, Gold wird überall akzeptiert", Alan Greenspan, Ex-US-Notenbankchef.

Innovationen im Zahlungsverkehr und Wirtschaftsentwicklung (Ende des Bargeldes?): Die größte Innovation der letzten Jahre sind "electronic payments" und das Sinken des Bargeldbestandes in der Folge . Die Hypothese lautet hier, dass dadurch mehr Kredite und mehr Konsum angeregt werden, wodurch sich das Wachstum einer Wirtschaft erhöht. Für Deutschland kann diese These eher bestätigt werden, für China falsifiziert. Eine Bargeld-Obergrenze soll auch helfen, die Schwarzarbeit einzudämmern (5000,- €?). Die Abschaffung von Bargeld ist sicher ein Eingriff in Freiheitsrechte. Die Regierungen begründen die Abschaffung des Bargeldes mit der Bekämpfung der Schattenwirtschaft. Umfragen zeigen, dass über 80% aller Deutschen gegen eine Abschaffung sind. Volkswirtschaftlich stehen drei Hypothesen im Vordergrund: 1. Die Existenz von Bargeld begrenzt die Effektivität der Geldpolitik. 2. Bargeld begünstigt illegale Aktivitäten und Steuervermeidung. 3. Digitale Währungen, wie z. B. Bitcoin, ersetzen Cash mittel- bis langfristig. Eine Bargeldobergrenze ist der Einstieg in den Ausstieg, denn die Obergrenze lässt sich leicht absenken. Es gibt Befürworter der Abschaffung des Bargeldes unter Politikern, Bankern (John Cryan von der Deutschen Bank) und Wissenschaftlern (Kenneth Rogoff: Warum unser Bargeld verschwinden wird). Als Vorbild gilt Schweden (Swish). Dort wurden 2016 nur noch 15% der Zahlungen im Einzelhandel bar bezahlt. Doch es gibt auch erhebliche Risiken: totale Kontrolle und Repression durch die Notenbank. Auch der Schaden durch Kartenbetrug steigt kontinuierlich an. Einige Notenbanken denken darüber nach, digitale Währungen als Bargeldersatz herauszugeben.  2014 ist Bargeld in Deutschland noch immer das häufigste Zahlungsmittel (53,2 %), gefolgt von EC-Karte (29,4%), Überweisung (5,3%) und Kreditkarte (3,9%). Ökonomen fordern 2015 die Abschaffung der Barzahlung (Peter Bofinger in Deutschland; Larry Summers in den USA). Seit der Euro-Einführung ist die Realität aber eine andere: Es wächst beständig die Anzahl der Scheine und Münzen (Bargeldumlauf). Mitte 2015 sind ca. 18 Milliarden Euro-Scheine unterwegs. Die Bundesregierung plant 2016, eine Obergrenze für Bargeldzahlungen einzuführen (5000 €). Ziel ist der Kampf gegen Geldwäsche. Dagegen spricht der Datenschutz (absolute Kontrolle der Verbraucher). 79% der Deutschen sind 2016 für den Erhalt des Bargeldes (53,2% des Zahlungsverkehrs sind 2016 noch Bargeld). Je älter die Menschen sind, desto eher bezahlen sie bar. In einigen Krisenländern der EU, wie in Griechenland, wird viel Bargeld in Form von 500-€-Scheinen gebunkert. Die Abschaffung dieser Scheine, wie sie die EZB plant, hätte unangenehme Folgen. Einige Ökonomen sehen auch den Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Dollar mit dem Abschaffen schwinden. Die Abschaffung wird von der EZB im Mai 2016 beschlossen (ab Ende 2018 aus dem Zahlungsverkehr, Schein bleibt aber gültig). Die EZB betont, dass dies nicht der Anfang des Ausstiegs aus dem Bargeld sei. "Der 500-Euro-Schein ist ein Instrument für illegale Aktivitäten", Mario Draghi, Präsident der EZB. In der VR China ändern sich in den Metropolen, vor allem in Shanghai, massiv die Zahlungsgewohnheiten. Das ist in einem Bargeld-Land sehr ungewöhnlich. Alipay, der Bezahldienst von Alibaba, und WeChat Wallet, der größte Anbieter von Bezahldiensten, sind stark auf dem Vormarsch. "Bargeld ist das Geld der Bürger", Carl-Ludwig Thiele, Vorstand der Deutschen Bundesbank 2017, zuständig für Bargeld und Zahlungsverkehr. 2017 macht der Finanzminister in Griechenland Druck gegen Steuerhinterziehung. Er setzt Anreize zum bargeldlosen Bezahlen. Kartenterminals werden abgeschafft (eine beliebte Methode der Handwerker). 2017 kommt eine Studie des Instituts für Handelsforschung der Uni Köln zu dem Ergebnis, dass in Deutschland beim Zahlen noch eindeutig das Bargeld überwiegt.

Digitales Zentralbankgeld: Es ist eine Reaktion auf den Machtverlust der Zentralbanken (Bargeld spielt in der Digitalisierung eine immer geringere Rolle; der Zahlungsverkehr wird privatisiert). Bausteine sind: Private Haushalte und Unternehmen erhalten einen direkten Zugang zur Zentralbankbilanz. Es gibt weiterhin Zentralbankgeld (Bargeld und Reserven). Es ist ein zentrales System. Erlaubnis zur Kontoführung. Technik: DZBG-Plattform mit Schnittstellen zu ZB, Settlement, Nutzer und externe Systeme. Vgl. Hanl, Andreas/ Michaelis, Jochen: Digitales Zentralbankgeld als neues Instrument der Geldpolitik, in: Wirtschaftsdienst 2019/ 5, S. 340ff. Die EZB will 2021 die Planungen für digitales Zentralbankgeld vorantreiben. Einige sehen darin große Risiken für das Bankensystem. Eine wichtige Finanzierungsquelle würde wegfallen. Die EZB arbeitet 2021 an einer Digitalwährung für Europa. Im Juli soll ei neuer Testlauf kommen. Bis zum digitalen Euro könnte es noch fünf Jahre dauern. Es ist im Gespräch, dass jeder Bürger bis zu 3000 € in einer virtuellen Börse haben könnte.  Vgl. Krämer, Jörg: Der digitale Euro schwächt die Marktwirtschaft, in: WiWo 1/2 8.1.2021, S. 41. Vgl. auch: Zeitgespräch: Wo liegen die Vor- und Nachteile einer digitalen Zentralbankwährung? in: Wirtschaftsdienst 12/ 2023, s. 800ff. 2023 kommt Deutschland erste Krypto - Briefmarke. Sie bildet das Brandenburger Tor ab. Es gibt einen Code in der Blockchain.

Digitaler Euro: EU-Kommission und EZB treiben die Vorbereitungen voran. Offenbar will man auch auf die Pläne Chinas mit dem digitalen Yuan reagieren (China will die Macht von Alipay und Wechatpay beschränken) . Es könnte noch 3 bis 4 Jahre bis zur Einführung in der EU dauern. Doch es gibt auch Risiken für private Banken und die Finanzstabilität. Vgl. Wettlach, Silke: "Im Zweifel lieber verzichten", in: WiWo 26/ 23.6.23, S. 34f. Am 28.6.23 legt die EU einen Gesetzesvorschlag vor. Im Prinzip soll das Bargeld nur ergänzt, nicht ersetzt werden. Man soll aber künftig mit digitalem Euro bezahlen können. Mit JP Morgan spricht sich im Sommer 23 ein Schwergewicht für den digitalen Euro aus. Doch in Teilen von Deutschlands Finanzbranche und Politik wachsen die Vorbehalte. Vgl. HB 29.8.23, S. 27.

Digitale Währung: Viele Notenbanken arbeiten an einer digitalen Version ihrer Währung. Einige Länder sind schon im Jahre 2020 in der Testphase: Kanada, Russland, China, Süd-Korea, Thailand, Kambodscha, Saudi-Arabien, Südafrika, Tunesien, Senegal, Uruguay, Ecuador, Venezuela, Schweden. Andere Länder erforschen die Währung. Es gibt viele Konzepte. Einige Länder experimentieren mit der Blockchain - Technologie. Andere sehen nur den Anspruch gegenüber einer Bank, Bargeld ausgezahlt zu bekommen (Zentralbankgeld).

China hat schon einige Jahre Tests in den vier Städten Shenzhen, Suzhou, Xiongan und Chendu laufen. Nutzer sollen die Währung testen. Beamte in suzhou sollen einen Teil ihrer Zuschüsse für den Nahverkehr als digitale Münzen auf das Smartphone überwiesen bekommen. Der landesweite offizielle Start des digitalen Renminbi steht noch nicht fest. In Schweden laufen seit Februar 2020 Pilotprojekte mit der E-Krone. Zunächst sind nur Banken dabei, später sollen Konsumenten folgen. Zusammen mit China ist Schweden am weitesten fortgeschritten. Frankreich macht Tests mit dem digitalen Euro. Sie sollen sich auf Zahlungen zwischen Finanzinstituten beschränken, gehen also nicht so weit wie in den beiden zuvor behandelten Ländern.

Digitale Zahlsysteme: In einigen Ländern boomt der Markt. So in Schweden und China. In China verschärft die Notenbank die Vorschriften für die Anbieter solcher Systeme ab 2018: Ab April müssen Zahlungsabwickler 42 bis 50% ihrer Kundenreservegelder auf zinsfreien Konten parken. In China ist der Markt rasant gewachsen. 2016 sollen es Transaktionen im Wert von 2,4 Billionen Euro gewesen sein. Die Regierung bemüht sich darum, den Markt gläsern zu machen. In der EU wurden 2016 noch 79% aller Einkäufe bar bezahlt. Doch digitale Bezahlsysteme wie Amazon Go oder Pay Pal expandieren (auch Apple Pay, Visa Checkout, Google Pay, Alipay, Samsung Pay, Masterpass, Square Cash). Sie locken mit Bequemlichkeit. Doch es besteht die Gefahr der totalen Überwachung. Es gibt auch Zwischenformen, die den Übergang zum digitalen Bezahlen erleichtern sollen. Dazu gehört der Cashbach-Service. Der Einzelhandel trägt die Gebühr. Facebook bringt ab 2020 die digitale Währung Libra. In China sind die Smartphone - Zahlungen im digitalen Handel am höchsten vor den USA. 2019 kommt in China eine neue Technik ohne Bargeld und Handy. Sie lächeln in eine Tafel. Die Technik wird massiv von Tencent und Alibaba betrieben.

Sofortbezahlsystem in Brasilien: Es wurde von der Zentralbank gestartet. Es ist zu einer einmaligen Erfolgsgeschichte weltweit geworden. 2020 startete das System (2014 nutzten noch 40% Bargeld). Das Sofortüberweisungssystem heißt Pix. Nach zwei Jahren gibt es 140 Mio. Nutzer. Es gibt viele Überfälle, so dass die Brasilianer mit einem Ersatzhandy ohne Finanzdaten ausgehen.

Weltwährung: Der Traum ist alt. Man sprach von "Globo" oder "Mundo". Die Digitalisierung macht den Traum realistischer. Ein Investor aus dem Silicon Valley (Sam Altman) und ein Unternehmer aus Bayern (Biania) wollen 2022 den World - Coin schaffen. Sie wollen dafür die Augen eines jeden Menschen scannen. Vgl. Demling, alexander: Der irre (oder geniale) Traum von der Weltwährung, in: Der Spiegel Nr. 5/ 29.1.22, S. 66ff.

Libra (neu: Diem) von Facebook: Die Digitalwährung soll 2020 kommen. Damit wird das Nischendasein der Krypto - Währungen beendet. Innerhalb von WhatsApp oder dem Facebook Messenger sollen Überweisungen möglich sein. Damit wagt sich Facebook auf das Feld der Banken. 1,7 Mrd. Menschen haben weltweit keinen Zugang zu Banken (Quelle: Weltbank). Für diese Menschen wäre der Vorteil am größten. Sie Facebook auf jeden Fall erreichen. So können 2,7 Mrd. Menschen erreicht werden. Es soll eine Libra Association mit Sitz in der Schweiz gegründet werden. Aktuell sind es 28 Partner (Visa, eBay, Facebook, Vodafone, Uber u. a.). Diese investieren je 10 Mio. Dollar (Mindestschwelle)  und erhalten Dividenden. Die eingehenden Dollars oder Euro werden in Bankeinklagen oder Staatsanleihen angelegt. Die Bindung der Libra - Währung an einen Währungskorb soll erhalten bleiben (anders als bei Bitcoin). Die Libras werden an Nutzer vergeben. Die Libras landen in einem Calibra (wie Wallet). Dieses ist über Whats App und Facebook verfügbar. Man kann damit Überweisungen tätigen, einkaufen oder auch Rabatte erhalten. Vgl. Der Spiegel Nr. 26, 22.6.19, S. 61. Die Währung hätte das Potential, die Weltmärkte weltweit auf den Kopf zu stellen. Stabilität und niedrige Inflation sollen die Qualitätskriterien sein. Kursschwankungen sollen gang niedrig gehalten werden, indem die Währung an einen Korb echter Währungen gekoppelt wird. Die Bundesbank hält die Währung für ein Risiko. Ein nationales Verbot dürfte aber kaum machbar sein. Insgesamt werden die Notenbanken herausgefordert, die ihre Macht verlieren würden. 2,7 Mrd. Menschen nutzen Facebook weltweit. Einige Notenbanken erwägen, eigenes Digitalgeld herauszugeben. So etwa die schwedische Notenbank mit der E-Krone.

Wirtschaftspolitische Implikationen von Libra/ Diem:  Libra könnte das Geldsystem von seinen staatlichen Fesseln befreien. Der Zahlungsverkehr könnte weltweit liberalisiert und verbilligt werden. Die Nutzung könnte aber auch erhebliche Risiken für einzelnen Nutzer und das gesamte Finanzsystem mit sich bringen. Die Effizienz der nationalen Geldpolitik könnte eingeschränkt werden. Vgl. Groß, Johannes/ Herz, Bernhard/ Schiller, Jonathan: Libra - Konzept und wirtschaftpolitische Implikationen, in: Wirtschaftsdienst 2019/ 9, S. 625ff.

WeChat und Alibaba in China: Das konzept dürfte Vorbild für Libra sein. Der Konzern Tencent betreibt das System. Über WeChat können alle möglichen Dienstleistungen bezahlt werden. Es hat die Chinesen, also 1,4 Mrd. Menschen, schon weitgehend von Bargeld entfernt. Es wird allerdings in der Landeswährung Renminbi

Geldpolitik: Veränderungen der gesamtwirtschaftlichen Geldmenge durch die Zentralbank eines Landes. Wenn die nominale Geldmenge erhöht wird, spricht man von einer expansiven Geldpolitik. Seit Lagarde chefin der EZB ist, spricht man von einer Politisierung der Geldpolitik. Die Zwei-Säulen-Strategie, die einst von Otmar Issing eingeführt wurde, geht dem Ende entgegen: 1. kurzfristige Gefahren der Realwirtschaft; 2. langfristige Risiken der Geldmenge. Neu hinzu kommen der digitale Euro und der Einsatz der Geldpolitik für Klimawandel. Vgl. Fischer, Malte: Forever Expansiv, in: WiWo 3, 15.01.21, S. 36f.  "Die Wahrnehmung. dass die Geldpolitik immer als letzter Problemlöser einspringt, ist gefährlich", Jens Weitmann, Präsident der Bundesbank. "Inflationsziele sind in unserer heutigen inflationslosen Welt kontraproduktiv. Es ist Zeit, dass die Notenbanker ihr strategisches Arsenal gegen den Feind von heute wenden: die Finanzinstabilität," Stephen Roach, Yale-Universität (s. Handelsblatt, 2. Nov. 2015, S. 2).

Geldpolitische Instrumente: Dazu gehören im der Eurozone der EU Offenmarktgeschäfte (am wichtigsten Hauptrefinanzierungsgeschäfte), Ständige Fazilitäten (Einlagefazilität, Spitzenrefinanzierungsfazilität) und Mindestreserven. Träger der Geldpolitik in der EU ist die Europäische Zentralbank in Frankfurt (EZB). Am wichtigsten ist die Festsetzung des Leitzinses, der für Hauptrefinanzierungsgeschäfte gilt. In einem Weltwährungssystem mit flexiblen Wechselkursen, wie wir es zurzeit haben, hat die Geldpolitik Vorrang vor der Finanzpolitik. Vgl. als klassischen Aufsatz: Milton Friedman, The Role of Monetary Policy, in: AER, 1968. Die Wirkungsverzögerungen der Geldpolitik (time-lag) sind kürzer als die der Finanzpolitik. Um den Banken zu helfen, sind Refinanzierungsgeschäfte, geringere Anforderungen an die Sicherheiten, die Mindestreserve, Staatsanleihekäufe und Notfallkreditlinien geeignet. Messgrößen des Geldangebots sind M1, M2 und M3. Quantitative Lockerung ist auch durch Käufe privater und öffentlicher Wertpapiere möglich (Bekämpfung der Deflation). Dies ist aber umstritten, weil die EZB verbotenerweise Staaten finanzieren kann. Mitte 2014 kurbelt die EZB mit einer 1 Billion Euro die Kreditvergabe der Banken an. Die Laufzeit beträgt bis Herbst 2018. Ein weiteres Mittel ist die verbale Intervention ("Moral Suasion"). "Erst der Mensch, dann die Banken. Erst die Europäer, dann der Euro", Sahra Wagenknecht, Die Linke.

Bewertung der geldpolitischen Instrumente: Wirksamkeit (Effektivität): Steuerung des Geldmarktzinses, Grundversorgung mit Zentralbankgeld, Sicherung einer Nachfrage nach Zentralbankgeld (Anbindungsfunktion). Kosteneffizienz; Marktkonformität. Vgl. Beeker, Detlef: VWL für dummies, Weinheim 2017, S. 213ff.

Neutralisierungspolitik: Wenn die Zentralbank die Veränderung des Devisenbestands (ausländische Komponente) vollständig durch eine Veränderung der inländischen Komponente der Zentralbankgeldmenge kompensiert.

Unmögliche Trilogie: Von drei Optionen lassen sich nur zwei verwirklichen: (1) unabhängige Geldpolitik betreiben; (2) einen festen Wechselkurs unterstützen; (3) keine Kapitalverkehrskontrollen haben.

Umlaufgeschwindigkeit: Zirkulationsgeschwindigkeit des Geldes in der Wirtschaft, definiert als das Verhältnis von Einkommen und dem Geldangebot. "Geld ist die geprägte Freiheit", Fjodor Michailowitsch Dostojewski, russischer Schriftsteller.

Liquiditätsfalle (auch Investitionsfalle): Sie steht für eine Situation, in der die geldpolitischen Instrumente an die Grenzen stoßen (Zinsen ganz unten). Das Konzept wurde von Keynes entwickelt. Normalerweise sollte die Finanzpolitik eingesetzt werden. Alternativ wären auch quantitative Lockerungen von den Notenbanken möglich. Als Fallstudie gilt immer wieder die Lage in Japan in neuerer Zeit. Man spricht von der Investitionsfalle, wenn eine Zinssenkung nicht zu einer Erhöhung der Investitionen führt (z. B. haben die Unternehmen extrem pessimistische Erwartungen).

Vollgeld: Die Idee tauchte erstmals in den Dreißigern des vergangenen Jahrhunderts auf. 2012 kam es zu einer Renaissance des so genannten Chicago-Plans. Grundlegende These ist, dass der Staat Banken verbieten soll, neues Geld in Form von Krediten in Umlauf zu bringen. Vielmehr dürfe ein Kreditinstitut nur Kredite ausgeben, die es auch mit seinen eigenen Bargeldreserven absichern könne. Folgen wären nach Ansicht der Befürworter weniger Schulden, weniger Steuern und weniger Krisen. Vgl.  Schlotmann, Olaf: Chicago Plan und Vollgeld als Alternative zum Kreditgeld: ein Weg zu stetigem Wachstum? in: Wirtschaftsdienst 2017/12, S. 889ff. 2018 soll der Vollgeldplan in der Schweiz umgesetzt werden. Ein pensionierter Primarlehrer namens Hansruedi Weber führt die Initiative an. Am 10.06.18 kommt das Vollgeld in eine Volksabstimmung. Beim Vollgeld kann nur die Nationalbank das Vollgeld an eine Bank geben, die es dann an den Kunden weitergibt. Die Bank kann kein Buchgeld schaffen. In der Abstimmung sagen die Schweizer nein zum Vollgeld (drei Viertel).

Maastricht-Vertrag: Am 07.02. 1992 wurde vom Europäischen Rat in Maastricht der Vertrag über die Europäische Union (EUV) unterzeichnet. Das war der Startschuss für die Europäische Währungsunion, die am 01.01.1999 in Kraft trat. Am 01,01.2002 wurden dann die neuen Euro-Banknoten und -Münzen eingeführt.

Maastricht-Kriterien (Konvergenzkriterien, Stabilitätskriterien): Im Maastricht - Vertrag der EU von 1991 beschlossene Vorgaben für die Aufnahme von Ländern in die EWU. Sie beziehen sich auf Inflation (1,5%+ über dem Durchschnitt der drei preisstabilsten Länder), Verschuldung des Staates(3,0% Haushaltsdefizit; 60% Gesamtverschuldung, im Nenner BIP), Zinsniveau und Einhaltung von Wechselkursbandbreiten in den letzten 2 Jahren. Die Konvergenzkriterien sind auch nach dem Beitritt zur Eurozone einzuhalten. Ein Stabilitätspakt (Dublin) regelt die Kontrolle und die Sanktionen. Er wird im September 2011 nochmals verschärft. Wegen eines schweren Erdbebens will Italien 2016 eine Lockerung der Stabilitätskriterien. Im Dezember 2023 einigen sich Deutschland und Frankreich auf eine Modifikation: Prüfung der Tragfähigkeit durch die EU-Kommission, mehr Flexibilität. Das ist ein Weg von starren Schuldenregeln.  "I can´t get a job yet, but I´m already in debt", Kinder in den USA liefen nach der Krise mit diesen Plakaten rum. Bei der Staatsverschuldung (Verschuldungsgrenze 60%) liegen 2015 außer Estland, Luxemburg, Lettland, Litauen, Polen und Finnland alle anderen EU-Staaten drüber (am stärksten Griechenland und Italien). Beim Haushaltssaldo (3%) erfüllen 2015 Polen, Finnland, Griechenland, Frankreich, Irland, Slowenien, Kroatien, Spanien, Portugal und Zypern nicht das Kriterium. Erstmals schaffen 2018 alle Euro-Staaten das Drei-Prozent-Ziel. 2018 dürfte die Gesamtschuldenquote in Deutschland unter die Grenze von 60% rutschen.

Crowding-out-Effekt (Verdrängungseffekt): Maßnahmen der Fiskalpolitik verdrängen private Wirtschaftsaktivitäten von den Märkten, am häufigsten als Folge der zunehmenden öffentlichen Verschuldung: induzierte Zinserhöhungen verdrängen private Kreditnachfrager auf dem Kapitalmarkt. "Steigende Staatsschulden treiben die Steuern in der Zukunft in die Höhe. Das verzerrt die wirtschaftlichen Anreize und schmälert das langfristige Wachstumspotential der Wirtschaft", Martin Feldstein, Harvard.

Inflation (aus dem Lateinischen: aufblasen, anschwellen) ist eine dauerhafte Preissteigerung, die über ein bestimmtes Maß hinausgeht und zur Geldentwertung führt, so dass sich die Kaufkraft vermindert. Wer Geldvermögen besitzt wird auf kaltem Weg enteignet, es beginnt eine Flucht in die Sachwerte. Als Vordenker gilt der französische Staatsanwalt Jean Bodin (1530-1596; Sechs Bücher über den Staat 1576). Als Kolumbus Amerika entdeckt, fließt viel Gold und Silber nach Spanien und löst Inflation aus. Verantwortlich für eine Inflation können eine zu hohe Geldmenge, eine überhöhte Nachfrage, zu hohe Kostensteigerungen beim Angebot und der Import aus dem Ausland sein. Die Preissteigerung, die von ca. 600 Preisbeobachtern in ca. 40.000 Läden ermittelt wird,  wird durch den Preisindex für die Lebenshaltung gemessen (Index von Laspeyres mit Betonung auf Basisjahr, zur Zeit 2010), dem ein repräsentativer Warenkorb (rund 750 Produkte, aufgrund der EVS mit 62.000 HH alle 5 Jahre gebildet; wie viel Geld für welche Produkte ausgegeben wird, fließt in ein Wägungsschema ein) zugrunde liegt. Die Kerninflationsrate schließt Lebensmittel- und Energiepreise aus. Mittlerweile gibt es auch einen Index der wahrgenommenen Inflation (IWI: gefühlte Preise, H. - W. Brachinger). Die Preisstabilität aufrecht zu erhalten, ist Aufgabe der Europäischen Zentralbank bzw. der Zentralbanken. Geringverdiener und Rentner sind stärker betroffen. Mit der hohen Staatsverschulung nach der Weltwirtschaftskrise steigt für die Regierungen die Verlockung, den Schuldenberg mit hoher Inflation abzutragen. Nach Ausmaß und Geschwindigkeit unterscheidet man schleichende und Hyperinflation. Vgl. als klassischen Aufsatz: Robert Lucas, Some International Evidence On Output-Inflation Tradeoffs, in: AER, 1973. Im vierten Jahrhundert vor Christus druckte als zweiter in der Geschichte der Herrscher von Syrakus Dyonysos Geld (die ersten wurden in Lydien geprägt; alle Münzen wurden in doppelter Zahl und halber Größe verbreitet). Inflation gab es auch schon im Römischen Reich. Nero und seine Nachfolger streckten Goldmünzen. Ähnlich gingen die Fürsten im 30jährigen Krieg vor. 1623 hatte ein Inflation in Deutschland viele Vermögen aufgefressen. Weil die Fürsten Geld brauchten, ließen sie immer schlechtere Münzen herstellen ("Kipper und Wipper"). 1923 gab es eine Hyperinflation in Deutschland mit 533 Mio. % Inflationsrate. Nach dem 2. Weltkrieg und der Währungsreform gab es in Deutschland eine Inflation von 14,8%. 1975 in vielen Industriestaaten (7,2% in Deutschland mit der Ölpreiskrise). Eine der ersten und berühmtesten Inflationen der Geschichte wurde 1324 n. Chr. von Mansa Musa, König von Mali, ausgelöst. Auf seiner Reise nach Mekka gab er soviel Gold aus, dass der Goldpreis verfiel.  Treffen Inflation und Stagnation (Wirtschaftsflaute) zusammen, spricht man von Stagflation. Unternehmen können wegen der schwachen Nachfrage die steigenden Kosten nicht in Form höherer Preise weitergeben und streichen Jobs. Ein Rückgang der Preise über eine bestimmte Zeit wird als Deflation (vgl. auch speziellen Artikel unten) bezeichnet. 2009 sind die USA und Japan betroffen. Japan kennt das Phänomen schon aus den 90ern. Prominente Ökonomen (Mankiw, Rogoff) in den USA fordern, eine hohe Inflation (6%), um die "Schuldenbombe" zu entschärfen. Sicher hat sich in den letzten Jahren (nach der Finanzkrise) der Charakter der Inflation verändert. Die Gefahr steigender Güterpreise tritt in den Hintergrund gegenüber den spekulativen Übertreibungen an den Finanzmärkten. Insofern muss Geld dorthin gelenkt werden, wo es produktiv gebraucht wird. Die Geldströme müssen stärker gesteuert werden (vgl. Mark Schieritz: Die Inflationslüge, München 2013). Schwierig ist beim Preisindex und bei der Inflation die Qualität einzubeziehen: Steigt die Qualität der Produkte stärker als der Preis, verbessert dies den Lebensstandard. In den letzten Jahren wurde der Index stark vom Ölpreis dominiert. 2016 sind Venezuela (482 %) und Südsudan (212 %) die weltweiten Spitzenreiter bei der Inflation. 2018 kehrt die Inflation zurück. Dies geschieht etwas verzögert, da die Löhne dem Konjunkturaufschwung folgen. Die Risiken scheinen aber überschaubar zu sein.  Im Jahre 2007 und 2008 steigen weltweit die Preise sehr stark, vor allem die Lebensmittelpreise und die Energiepreise. Dies sind in erster Linie Knappheitsprobleme: Die Öl- und Gasförderung der OPEC-Länder ist knapp geworden, ebenso wie die Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten. Vor einer Stagflation, zumindest vor einer Phase langsameren Wachstums,  könnten deshalb Japan, China, die USA und Deutschland stehen. Weil der Preisschock von außen kommt (Ölpreis), können die klassischen geld- und finanzpolitischen Mittel nicht so einfach angewandt werden. 2010 wirft IWF-Chefvolkswirt O. Blanchard die Frage nach etwas mehr Inflation auf (4%, damit die Notenbanken mehr Spielraum gegen Wirtschaftskrisen haben). Im Dezember 2010 beträgt die Preissteigerung in der EU schon wieder 2,2%. Eine Erhöhung der Leitzinsen wird erwogen. In Deutschland steigt die Inflationsrate im September 2011 wieder auf 2,6% (ein Dreijahreshoch), sinkt aber im Oktober wieder auf 2,5. Im April 2012 sinkt sie wieder auf 2,0%, im Mai sogar auf 1,9% (sinkender Ölpreis), im Juni und Juli 2012 1,7%. Wegen steigender Benzinpreise steigt die Inflationsrate im August 2012 auf 2,1%. Im Oktober 2012 liegt sie wieder bei 2 Prozent, im November 2012 bei 1,9%. Im Januar 2013 sinkt die Inflationsrate auf 1,7%. Im Februar ist sie so niedrig wie seit zwei Jahren nicht mehr (1,5%, zuletzt Dez. 2010, StBA). Im März fällt sie noch weiter auf 1,4% (Heizöl, Kraftstoffe billiger, Strom teurer), im April sogar auf 1,2%. Im Juni beträgt die Preissteigerungsrate 1,8% (Lebensmittel). Im Juli steigt die Inflationsrate auf 1,9% (bestimmte Lebensmittel (+5,1%) wie Kartoffeln +44%, Obst +11,3%, Gemüse wegen des Wetters schlechte Ernten). Im September 2013 schwächt sich die Preissteigerungsrate auf 1,4% ab (tiefster Stand seit April 2013; größter Preistreiber Nahrungsmittel, Heizöl drückt den Preis). Der Preisrückgang an den Tankstellen sorgt für ein Fallen der Inflationsrate im Oktober 2013 auf 1,2% (in der Eurozone sogar 0,7%, Öl- und Nahrungsmittelpreise, November 0,9%). Im November  betrug die Inflationsrate 1,3% (leichter Anstieg, Speisefette und -öle; Nahrungsmittel insgesamt; billigeres Öl; StBA). Für das Jahr 2013 insgesamt betrug die Inflationsrate 1,5%. Die gefühlte Inflationsrate lag bei 2,2% (StBA). Die EZB erwartet 2014 in der Euro-Zone eine Inflationsrate von 1,30% (IWF 1,47; OECD 1,20). Tatsächlich fällt sie im September 2014 auf den Tiefststand von 0,3%.  Im Januar 2014 liegt die Inflationsrate in Deutschland bei 1,3% (fallende Preise für Heizöl und Kraftstoffe). Der milde Winter 2014 dämpft den Preisanstieg (geringere Heizkosten, weniger Öl- und Gasverbrauch). Im März 2014 fällt die Inflationsrate auf 1,0% (Tiefpunkt?). Im Mai fällt sie sogar auf den tiefsten Stand seit vier Jahren (0,9%). Im Juni 2014 erreicht sie wieder 1,0% (gegenüber Juni 2013; 0,3% gegenüber Mai 14) . Im Juli 2014 sinkt sie auf 0,8% (niedrigster Stand seit 2010).  So hoch ist die Inflationsrate auch im August (Heizöl und Benzin billiger; Molkereiprodukte und pharmazeutische Produkte Preistreiber) im September und Oktober 2014. In den 18 Staaten der Währungsunion lag die Inflationsrate im Juni 2014 sogar bei nur 0,5%. Im Januar 2015 kommt es erstmals seit der Krise 2009 zu einem Preisrückgang: -0,4% im Vergleich zum Vorjahresmonat (StBA). In der Eurozone kommt es zu einem Preisrückgang von -0,6% (im Februar 2015 nur noch -0,3%; September 2015 -0,1%). Im Februar 2015 ziehen die Verbraucherpreise wieder an (+0,1%); im März 2015 sind es schon wieder +0,3%. Im April werden sogar +0,5% erreicht. Das steigert sich im Mai 2015 auf 0,7%. Fallende Energiepreise drücken die Preissteigerung im Juni wieder auf 0,3% und im Juli 2015 auf 0,2%; August 0,2%. Im September 2015 beträgt die Inflationsrate 0,0%. Im Oktober 2015 klettert die Inflationsrate auf 0,3% (Nahrungsmittel teurer). Aus dem gleichen Grund lag die Inflationsrate im November bei +0,4 Prozent. Im Gesamtjahr 2015 dürfte die Preissteigerungsrate nahe Null verharren. Für 2016 wird mit +1,5% gerechnet. Im Januar 2016 beträgt die Inflationsrate 0,5% (Alkohol, Tabakwaren, Gemüse, Kartoffeln). Im Februar 2016 fällt die Steigerung der Verbraucherpreise auf  null. Im März steigen die Preise um 0,3%; im April wieder nur um +0,1%, wie auch im Mai 2016. Im Juni 2016 steigen die Verbraucherpreise um 0,3% (gegenüber dem Vorjahresmonat, Quelle: Destatis; Energiepreise ziehen leicht an). Im Juli erreicht die Preissteigerungsrate 0,4% (Nahrungsmittel 1,1%). So bleibt sie auch im  August 2016. Im September 2016 steigt die Inflationsrate auf 0,7%, im Oktober sogar auf 0,8% (höhere Mieten). Im Dezember 2016 steigt die Inflationsrate auf den höchsten Stand seit 2013 (1,7%; teureres Mineralöl als Preistreiber). Januar 2017 steigt die Inflationsrate weiter auf 1,9% (Öl, Miete, Nahrungsmittel). Der Anstieg wächst im Februar 2017 auf 2,2% (höchstes Plus seit 2012; Energie und Lebensmittel). Im März 2017 sinkt die Inflationsrate auf 1,6%. Im April 2017 erreicht sie wieder 2,0% (Energiepreise). Im Mai 2017 sinkt sie wieder auf 1,5%. Im Juni steigt sie leicht an (1,6%, Butter größter Preistreiber). Im Juli beträgt der Preisanstieg 1,7% (Lebensmittel, Pauschalreisen). Im August 2017 steigt die Preissteigerung auf 1,8% (Nahrungsmittel, Energie). Im Oktober 2017 sind die Inflationsrate wieder auf 1,6% (Energiepreise runter, Lebensmittelpreise hoch). Im November 2017 steigt die Inflationsrate auf 1,8% (Energie und Nahrungsmittel). Im Jahre 2017 sind die Preise in Deutschland um 1,8% angestiegen (Öl, Lebensmittel, Mieten). Im Februar 2018 fällt die Teuerungsrate auf 1,4%. Im März 2018 steigt sie wieder leicht auf 1,6% (Nahrungsmittel, vor allem Obst; Pauschalreisen). Im Mai 2018 steigt die Inflationsrate auf 2,2% (Benzin, Lebensmittel, Reisen). In der Euro-Zone betrug die Preissteigerung im Januar 2016 0,3%, im Februar 0,1% (angestrebt wird 2,0%).  Ende des Jahres beträgt der Preisanstieg aber schon 2,5% (Energie, höchster Anstieg seit drei Jahren; der Preis dämpfende Effekt niedriger Erdölpreise fällt zunehmend weg). Im Januar 2017 liegt die Inflationsrate bei 1,8% (Energiepreise). Sie steigt im Februar 2017 auf 2% (Ankauf der EZB von Staatsanleihen, Immobilienpreise, Energie). Im März 2017 sank die Inflationsrate auf 1,5% (in der gesamten EU bei 1,6%). Im April 2017 liegt sie wieder knapp unter 2% (1,9%; Kerninflationsrate ohne Energie- und Lebensmittelpreise +1,2%). Im Juni 2017 sinkt sie auf 1,3% (Mai 1,4%). Im April 2018 liegt die Preissteigerung bei 1,6% (Veränderung gegenüber dem Vorjahresmonat). Preistreiber sind Alkohol, Tabakwaren und Nahrungsmittel. Im Juli 2018 liegt die Inflation in Deutschland bei 2,0 Prozent; im August bleibt sie auf diesem Stand (+ bei Energie). Im September 2018 gibt es einen Anstieg auf 2,3% (teurere Energie). Im Oktober 2018 wird ein Zehnjahreshoch errecht mit 2,5% (steigende Energiepreise; Löhne steigen stark; im November liegt die Rate bei 2,3%). Über das ganze Jahr 2018 wird die höchste Preissteigerungsrate seit 2012 erzielt (1,9% gegenüber dem Vorjahr; teure Energie Antreiber). Im Januar 2019 liegt die Inflationsrate in Deutschland bei 1,4%.  Im April 2019 ist die Inflationsrate wieder auf 2,0% gestiegen (Haushaltsenergie und Kraftstoffe; Quelle: Statistisches Bundesamt). Im Mai 2019 fällt die Inflationsrate auf 1,4% (Energiekosten als Antreiber). Im Juli 2019 liegt die Inflationsrate bei 1,6% (Reisen, Nahrungsmittel). Im März 2019 stiegen die Verbraucherpreise in Deutschland  um 1,3% gegenüber dem Vorjahresmonat (0,4% gegenüber dem Vormonat; Februar 2019 1,5%, Januar 1,4%; Quelle: Statistisches Bundesamt). Im April 2019 beträgt die Preissteigerung 2,0% (Energie und Reisen). Im Juli 2019 betrug die Inflation in Deutschland 1,7% (Nahrungsmittel, Energie). Im August 2019 fällt die Inflation auf 1,4% (Energiepreise dämpfen, Gemüse, Fleisch und Wurst teurer).  Im Jahresdurchschnitt 2019 lag die Inflationsrate in Deutschland bei 1,4% (tiefster Stand seit drei Jahren). Im Januar 2020 ist die Inflationsrate auf 1,7% gestiegen (Energie, Fleisch Treiber). Den gleichen Wert hat die Inflation im Februar 2020 (Lebensmittel und Energie teurer). Im März 2020 geht sie wieder auf 1,4% zurück (Öl billiger, Strom und Erdgas teurer). Im April 2020 wirkt sich die Corona-Krise und der Shutdown aus: Der Preisanstieg liegt bei nur 0,8% (Lebensmittelpreise steigen, Ölpreis fällt). Im Juli 2020 sinken die Preise um 0,1% gegenüber dem Vormonat. Im August 2020 liegt die Inflationsrate bei 0,0%. Im September 2020 liegt die Inflationsrate unter Null (-0,2, Heizöl, Benzin).  Im November 2020 liegt die Inflationsrate (Verbraucherpreise) bei -0,3% (Mehrwertsteuersenkung, Fallen der Energiepreise). Die Inflationsrate im Durchschnitt von 2020 liegt bei 0,5% (vorläufig; das wird bestätigt im Januar 2021; Statistisches Bundesamt). Schon ab Januar 2021 beschleunigt sich der Preisauftrieb (1% im Vergleich zum Vorjahresmonat). Im Februar steigen die Verbraucherpreise um 1,3%. Vor allem Lebensmittel werden teuerer. Die Inflationsrate steigt im März 21 weiter auf 1,7% (vor allem Energiepreise). Im April 21 erreicht die Inflation sogar 2,0% (MW-Steuer, CO2 - Abgabe). Im Mai 21 steigt sie weiter auf 2,5% (höchster Stand seit 10 Jahren; Verkehr, Tabakwaren, Alkohol, Nahrungsmittel). Im Juni sinkt die Teuerungsrate auf 2,3%. Die EZB rechnet mit einem Anstieg auf 3,0%.  Im August 2021 ist die Teuerungsrate schon bei 3,9% (Lebensmittel, Energie). Im März 2022 erreicht die Inflationsrate das Rekordniveau von 7,3%. Im Mai 2022 werden schon 7,9% erreicht. Im Juni sinkt die Inflationsrate leicht auf 7,6% (Tankrabatt und 9-Euro-Ticket; bei Energie und Nahrungsmitteln höhere Preissteigerungen). Im Juli sinkt die Rate auf 7,5%. Im August 22 geht sie wieder auf 7,9% hoch (Energie, Lebensmittel). Im September 2022 erreicht sie sogar 10,0% (höchster Stand seit 1950er Jahre, Wegfall von Tankrabatt und 9-Euro-Ticket; Energie und Lebensmittel als Treiber). Im Oktober 22 klettert die Inflationsrate sogar auf 10,4%. Im Januar 2023 geht die Inflationsrate noch mal leicht nach oben 8,7% gegenüber dem Vorjahresmonat, Auslaufen staatlicher Energiemaßnahmen). Die hohen Lebensmittelpreise  sorgen dafür, dass im Februar 2023 die Inflationsrate gleich hoch bleibt (8,7%). Im März und April 2023 geht die IR wieder nach unten (im April 2023 auf 7,2%, Preistreiber sind die Lebensmittel). Im Mai 2023 liegt die IR bei 6,1% (Lebensmittel +14.9%). Im Juni 2023 steigt die Teuerungsrate wieder auf 6,4%. Im Juli 2023 liegt die IR wieder bei 6,2%. Im August 2023 geht die IR leicht auf 6,1% runter. Im September geht die Inflationsrate weiter auf 4,3% zurück (Lebensmittel). Im November fällt die IR sogar auf 3,2% (Energiepreise gefallen, Lebensmittelpreise gestiegen, über 5%). Übers Jahr 2023 5,9% Inflation (zweitteuerste Jahr seit der Wiedervereinigung, 2022: 6,9%). Im Dezember 2023 zieht die Inflation noch mal nach fünf Monaten rückläufigen Werten auf 3,7% an. Im Januar 2024 fällt die IR auf 2,9% (im Jahresvergleich, niedrigster Wert seit Juni 21). Im Februar geht die IR weiter auf 2,5% zurück. Im Juli 2017 stiegen die Verbraucherpreise in der Eurozone um 1,3% (Ziel von 2% wird verfehlt). Im August legt die Inflationsrate zu (1,5%; vor allem Energie und Dienstleistungen sowie Tabak; Inflationsziel von 2,0% verfehlt). Bei 1,5% liegt sie auch im November 2017 (Quelle: Eurostat). Im Januar 2018 liegt die Teuerungsrate bei 1,3%. Damit hat sie sich abgeschwächt, obwohl die EZB 2,0% anstrebt. Im Februar 2018 sinkt die Teuerung sogar auf 1,2% (gesamte EU 1,3%), im März auf 1,1% in der Eurozone.  Im Oktober 2018 erreicht die Inflation in der Euro-Zone den höchsten Stand seit 6 Jahren mit 2,2%. Im November geht die Rate auf 1,9% zurück; im Dezember 2018 sogar auf 1,6%. Im September 2019 sinkt die Inflation in der Euro-Zone unter 1% (0,9%); im Oktober 2019 sogar auf 0,7%.  Die Lockerung der Geldpolitik dürfte keine Wende bringen. Im September 2019 beträgt die Preissteigerung im Euro-Raum nur 0,8%. Die Inflationsrate für das Jahr 2019 sinkt auf 1,4% gegenüber 1,8% 2018. Im Dezember 2020 sind die Verbraucherpreise im  Euro-Raum um 0,3% gestiegen (- Energiepreise und Industriegüter). Im Mai 2021 klettert die Inflationsrate leicht über 2% an (vor allem Energiepreise). Es geht immer weiter nach oben bis Ende 2021 auf 5,3%. Im Jahresdurchschnitt 2021 sind die Preise um 3,1% gestiegen. Im Januar 2022 verharrt die Inflationsrate bei fast 5%. Preistreiber sind Kraftstoffe (+24,8%), Strom und Brennstoffe (+18,3%) und Gemüse (+8,1%). Im Juni erreicht die Inflationsrate in der Euro-Zone den Rekordwert von 8,6%. Im September 2022 steigt sie auf 10,0% an. Im Oktober 2022 werden 10,7% erreicht. Dann sinkt die Rate wieder, zuletzt im Januar 2023 auf 8,5%.  Im Mai 2023 sinkt die IR auf 6,1%. Im Juni 2023 sinkt sie sogar auf 5,5% (Energiepreise -5,6%). Im Juli sinkt sie weiter auf 5,3%. Im November ist sie sogar auf 2,4%, bevor sie im Dezember 23 wieder auf 2,9% hoch geht. Im Februar 2024 liegt die IR bei 2,6%.  "Inflation ist eine Art Steuer, die nicht vom Gesetzgeber genehmigt werden muss", Milton Friedman (1912-2006).

Kosten einer Inflation: Schon durch Preisänderungen selbst werden Kosten verursacht ("Speisekarten-Kosten"). Dann besteht die Gefahr, dass Ressourcen verschwendet werden, wenn die Menschen aufgrund der Inflation ihre Kassenhaltung verringern ("Schuhsohlen-Kosten"). Ein Rückgang der Kaufkraft muss nicht unbedingt auftreten, weil die Unternehmen ihre Mehreinnahmen an die Arbeiter weiter geben können. Weitere Kosten können Steuerverzerrungen und Vermögensumverteilungen sein. Vgl. Mankiw/ Taylor/ Ashwin: Volkswirtschaftslehre für Schule, Studium und Beruf, Stuttgart 2015, S. 406ff. Wenn man berücksichtigt, dass 2014 und 2015 die Vermögenspreise in Deutschland explodieren, könnt man hier von einer versteckten Inflation sprechen.

Erste Inflationstheorie (Jean Bodin, 1530-1596): Bodin machte eine der ersten Untersuchungen zum Thema Inflation. Im 16. Jh., als die Bevölkerung wuchs, brachte er die Menge der Waren mit der zirkulierenden Geldmenge in Verbindung und machte für den Preisanstieg in Europa den Zustrom an Silber und Gold aus den spanischen Kolonien in Südamerika verantwortlich.

Deutsche Inflation von 1914 bis 1923: Von Juli 1922 bis November 1923 herrschte ein Hyperinflation in Deutschland. Man hatte die noch junge Demokratie stabilisieren wollen und druckte Geld. Die Ausgaben wurden ausgeweitet. Die Reparationszahlungen wollte man weg bekommen.  Vgl. Holtfrechich, Carl-Ludwig: Die deutsche Inflation 1914-1923, 1980.

Dauerhaft niedrige Inflationsraten: In vielen Ländern der Welt versuchen die Notenbaken in den letzten Jahren, die Inflationsrate auf 2% anzuheben (Zielgröße). Das gilt z. B. für die EU, die USA und Japan. die Länder sind aber nicht erfolgreich. Digitalisierung (Wechsel in den Wertschöpfungsketten) und Globalisierung (Lohnwettbewerb, Outsourcing) drücken die Preise. Im Anschluss daran gibt es drei Fragen: 1. Soll man die niedrigen Inflationsraten akzeptieren? 2. Wie ist der Zusammenhang genau theoretisch zu erklären? 3. Wird das die Regel sein, d. h. dauerhaft auf lange Zeit? Hinzu kommt noch für die EZB, dass sie eine Strategie hat: Die Preise im Norden sollen stärker steigen als im Süden. Viele Experten rechnen damit, dass die Corona-Krise zu einem Anstieg der Inflation führen wird. Als Gründe werden genannt: Deglobalisierung, Differenzierung der Lieferketten, Rückverlagerung mit steigenden Lohn- und Produktionskosten. Viele Experten fürchten allerdings 2021 in naher Zukunft eine Inflation.

Verbraucherpreisinflation und Vermögenspreisinflation: Erste wird mit dem Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes gemessen (siehe oben). Er misst die durchschnittliche Preisentwicklung von Waren und Dienstleistungen (650 Güter). Die Basis bildet ein Warenkorb. Wegen der hohen Schwankungen der Nahrungs- und Energiepreise werden diese bei der Berechnung der so genannten Kerninflationsrate nicht berücksichtigt. Der Vermögenspreisindex wird vom Finanzdienstleister Flossbach und Storch ermittelt. Er ermittelt die Preisentwicklung von Vermögensgütern deutscher Privathaushalte. Die Gewichtung der Vermögensteile stammt von der Bundesbank. Das größte Gewicht haben Immobilien. Es folgt das Betriebsvermögen. Höhere Güterpreise machen die Konsumenten ärmer, ein Anstieg der Aktien- und Immobilienpreise macht die Besitzer reicher. Zuletzt, 2020, sind die Vermögenspreise sehr stark gestiegen, was mit der Geldpolitik der Notenbanken zusammenhängt.  In der Corona-Krise hat sich das Konsumentenverhalten geändert: Es wird weniger für Reisen, dafür mehr für Nahrungsmittel ausgegeben. Deshalb kann der Warenkorb die wahren Kosten der Lebenshaltung nicht richtig abbilden. Die EZB will bei der Messung der Inflation künftig die Immobilienpreise berücksichtigen. Das könnte die Inflationsrate nach oben treiben.

Weitere Kritik an der Messung der Inflation: 1. Auswahl der Güter im Warenkorb. 2. Preisanstieg öffentlicher Güter nicht berücksichtigt. 3. Nichtberücksichtigung schlechterer Qualitäten. 4. Vernachlässigung der Infrastruktur. Vgl. Gunther Schnabl: Die Inflation wird falsch gemessen, in: Focus 24/ 2018, S. 84. 5. Im Frühjahr 2020 kommt ein neues Problem hinzu: Wie misst man Preise, wenn die Geschäfte geschlossen sind? 6. Andere Finanz-Teilmärkte haben stark steigende Preise, wie etwa Aktien und Immobilien. Vgl. auch: Schieritz, Mark: Das kann teuer werden, in: Die Zeit Nr. 38, 10.09.20, S. 21.

Inflationsmessung des Statistischen Bundesamtes in Deutschland: "Die Vorstellung von der Wahrheit bzw. Realität, die einfach nur darauf wartet, ,,richtig“ quantitativ erfasst zu werden, wird der Komplexität der wirtschafts-, sozial- und umweltpolitischen Fragestellungen nicht gerecht. Eine einzige Inflationsrate, die für jedes Individuum „wahr“ ist und auch von diesem als wahr empfunden wird, gibt es nicht. Zwar bietet das Statistische Bundesamt mit dem persönlichen Inflationsrechner ein Instrument, die persönliche Inflationsrate zu ermitteln, Aufgabe der amtlichen Statistik bleibt es aber, „laufend Daten über Massenerscheinungen zu erheben, zu sammeln, aufzubereiten, darzustellen und zu analysieren“ (§ 1 Bundesstatistikgesetz). Ziel ist dabei immer, den jeweils besonders relevanten Realitätsausschnitt der Massen - Erscheinung möglichst gut quantitativ zu erfassen. Wenn es um die Frage geht, ob der Euro seine allgemeine Kaufkraft mittelfristig behält oder ob langfristige Zahlungsvereinbarungen ihren allgemeinen Wert behalten, dann liefern die amtlichen Zahlen dafür eine qualitativ hochwertige Datengrundlage. Die Zahlen lassen den gewünschten Aspekt der gesuchten Wahrheit sehr gut erkennen – erfordern aber das Bewusstsein, dass gleichzeitig andere Wahrheitsaspekte ausgeblendet werden". Siehe Hagenkorn-Rieger, Susanne: Wird die "wahre" Inflationsrate gemessen? Praxis der Inflationsmessung vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, in: Wirtschaftsdienst, H. 11, S. 842-847, hier S. 847.

Versteckte Inflation: Banken und andere Dienstleister drehen kräftig an der Gebührenschraube. Gerade die Ausgaben für Gesundheit, Energie, mieten, Umlagen, Entertainment steigen. Die Kommunen erhöhen auch die Gebühren (Friedhof, Wasser, Abwasser, Müll). Die offizielle Inflationsrate gibt nicht die Lebensqualität vieler Menschen wieder.

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Preisbildung:  Die Digitalisierung kann dazu führen, dass man dem Ideal der vollständigen Konkurrenz immer näher kommt. Damit würde sich dann auch die Wohlfahrt erhöhen. Bisher ist aber offen, welche Hypothese eher zutrifft: 1. Durch eine höhere Markttransparenz und verringerte Transaktionskosten ist eine generelle Preissenkung möglich. 2. Die Digitalisierung führt zu Monopolen und neuen Informationsasymmetrien. Das führt zu Angebotskurven mit Null-Grenzkosten, Kundenbindung durch Umstellungskosten und Preisdifferenzierung. Vgl. Thieß Petersen: Auswirkungen der Digitalisierung auf Preisbildung und Wohlfahrt, in: Wirtschaftsdienst 2018/5, S. 340ff. Die Digitalisierung revolutioniert die Preisbildung insgesamt. Man spricht auch von einer Revolution der digitalen Preise. Das kann Folgen haben für Statistiker und Notenbanken. Die Preismessung wird auf jeden Fall komplizierter und komplexer. So rückt auch das Inflationsziel in die Diskussion.  "Der Wettbewerb zwischen Internethandel und traditionellem Einzelhandel drückt die Preise und schmälert die Gewinnspannen. Dieser Amazon-Effekt könnte die niedrigen Inflationsraten der vergangenen Jahre erklären", Alberto Cavallo, Professor an der Harvard Universität (Quelle: Wiwo 17, 18.4.2019, S. 26).

Inflationsziele der Notenbanken: Obwohl die Notenbanken in der ganzen Welt die Wirtschaft mit liquidität fluten, springt die Inflation nicht an. Deshalb planen die Notenbanken, die Inflationsziele zu modifizieren. Sie konzentrieren sich mehr auf die (alte Menschen konsumieren mehr, sie  Geldmenge. Die Fed in den USA ist Vorreiter (man plant auch in der Schweiz und Japan). Man sucht nach neuen Strategien. Man konzentriert sich erst mal auf die Geldmenge M1. Vgl. Fischer, Malte: Voll daneben, in: WiWo 39, 18.9.20, s. 38f.

Höhere Inflation in der Welt ab 2021: Die Kosten der Lebenshaltung steigen weltweit. Corona trägt dazu bei (dadurch wurde auch viel mehr gespart). Die Geldschwemme ist eine weitere Ursache. Die demographische Entwicklung trägt auch dazu bei (Alte konsumieren mehr, sie haben mehr Krankheiten, sie leben länger). Vgl. Fischer, Malte: Grund zur Panik, in: WiWo 5, 29.1.21, S. 38f. Auch renommierte Wissenschaftler gehen zumindest ab 2022 von einem Anstieg der Inflationsrate aus. Von den generellen Ursachen fällt der Anstieg der Löhne weg, weil die Arbeitslosigkeit nach Corona hoch sein dürfte. Aber das Geldphänomen schlägt zu. Hinzu kommt der Rückgang der Globalisierung. Neue Wertschöpfungsketten erhöhen die Preise. Charles Goodhart rechnet mit einer Steigerung von über 2%. Er befürchtet eine starke negative Wirkung auf die Staatsfinanzen. Vgl. Inflation, Interview mit Charles Goodhart, in: Die Zeit Nr. 6, 4.2.21, S. 22. Auch Experten in der EU rechnen bald mit einer Teuerung. Die EU wird sie erstmal tolerieren, weil die Erholung der Eurozone Vorrang haben dürfte. Schon ab Januar 2021 beschleunigt sich der Preisauftrieb (1% im Vergleich zum Vorjahresmonat). Auslöser sind die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Einführung eines CO2-Preises für Mobilität und Gebäude. Hinzu kommen die Preise für Stahl und Computerchips, auch Fahrräder. Inflation könnte auch importiert werden, wenn in den USA die Inflation schneller steigt (wegen der kleineren Produktionslücke). Vgl. auch FAZ 25 Februar 2021, S. 17, verschiedene Artikel zur Inflation. ebenso: Thomas Mayer, Peter Bofinger: Kommt die Inflation, in: Handelsblatt (HB) Nr. 41, 1.3.2021, S. 10f. Prominenteste Wissenschaftler für die Inflationsthese sind 2021 Charles Googhart und Maoj Pradhan aus London (Talking Heads Macro): Sie warnen eindringlich vor einer Rückkehr der Inflation. Die Weltwirtschaft stehe vor einer Zeitenwende.  Die Zentralbanken seien ahnungslos und nicht in der Lage, den Preisauftrieb zu stoppen. Sie analysieren zwei gewichtige Faktoren: Die Geldmenge M2 und die alternde Bevölkerung. Vgl. Goodhart/ Pradhan: "Dann verliert das System seinen Anker", in: WiWo 13/ 26.3.21, S. 38ff. Im Mai 2021 setzen Inflationsängste in den USA weltweit die Aktienmärkte unter Druck. 4,2% steigen die Verbraucherpreise im April 2021. Die USA stecken in einer ähnlichen Situation wie nach dem 2. Weltkrieg. Damals sprang die Inflationsrate von 2 auf 20%, weil die Politik tatenlos zuschaute. Viele Ökonomen tun die erhöhte Teuerung als vorübergehende Erscheinung ab. Sie könnten sich da auch irren. Andere Experten rechnen mit einer Inflationsrate von bis zu 5% Ende 2021 (die Industrie will dei Preise stark anheben, auch wegen der teuren Rohstoffe).  "Die Inflationsrate bleibt nicht auf Dauer so niedrig wie im vergangenen Jahr", Jens Weidmann, Bundesbank-Präsident, im Februar 2021. Die Gegenposition nimmt Joseph Stiglitz ein: "Inflations - Warner liegen völlig daneben", HB Nr. 45, 5./6./7.3.21, S. 10f. (Interview).  2021 steigen die Preise. Das Leben wird teurer. Die Notenbanken drucken aber weiterhin Geld, weil dei hoch verschuldeten Staaten darauf angewiesen sind. Der Welt droht eine längere Phase mit höherer Inflation. Es steigen Güterpreise und Vermögenspreise. In der Eurozone ist 2020 M3 weit über dem realen BIP (Geldüberhang). "Unsere Fähigkeit, festzustellen, was vorübergehende Inflation ist und was nicht, sollten wir nicht überschätzen", Klaas Knot, Präsident der niederländischen Zentralbank 2021 (Quelle: WiWo 28/ 9.7.21, S. 23).

Deflation: Deflation ist ebenso wie Inflation ein monetäres Phänomen, bei dem das Preisniveau dauerhaft zurückgeht und die Geldmenge schrumpft. Als Gründe kommen die folgenden in der Theorie in Frage: 1. Kreditkontraktion (Resultat einer schrumpfenden Geld- und Kreditmenge). 2. Geldhortung (die Menschen horten zuviel Geld, statt es auszugeben; die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sinkt). 3. Wachstum (die Produktivität steigt, wobei die Geldmenge nicht in gleichem Maße wächst wie die reale Produktion. Technologische Innovationen lösen Wachstumsschübe aus). Verlierer sind die Schuldner, deren Verbindlichkeiten real aufwerten. Zur Gruppe der Schuldner gehört auch der Staat. Deflation führt nicht immer zum Niedergang wie in der Großen Depression 1929 bis 1932. In Japan gibt es auch positive Erfahrungen. Entscheidend ist immer das ausmaß. 2014 kommt die Preissteigerungsrate in der EU mit 0,7% gefährlich nahe einem Preisrückgang. Der starke Euro macht Importe billiger und trägt zum Preisrückgang bei.  In Griechenland misst das Statistische Amt sogar -2% Preisrückgang im Mai 20^14 gegenüber Mai 2013 (dies wäre eine Deflation). Der spanische Ökonom Jesus Huerta de Soto (Uni Madrid, Träger des Adam Smith-Preises) warnt 2014 vor einer Deflationsphobie in Europa. Er spricht sich für eine nachhaltige Austeritätspolitik im Rahmen des Euro aus. Am 22.01.15 gibt die EZB den Kauf von Staatsanleihen in großem Umfang bekannt. Monatlich für 60 Mrd. € bis September 2016. Dieses Programm soll gegen die Deflation gerichtet sein. Die Ausdehnung der Geldmenge soll Kredite und Konsum anregen und somit die Konjunktur ankurbeln. Die gegenwärtige Tendenz zur Deflation hat drei Probleme: 1. Man muss zwischen gesunder Deflation (Preisrückgänge bei Immobilien in Spanien, Preissenkung bei Dienstleistungen in Griechenland), die gewollt ist, und gefährlicher Deflation (vor allem Schulden-Deflation; Schulden werden immer mehr wert) unterscheiden. 2. Historische Erfahrungen geben Anlass zur Sorge. Die Große Depression in den USA, die Preisentwicklung in China zu Beginn der 2000-Jahre und die negative Entwicklung in Japan raten zur äußersten Wachsamkeit. 3. Die Digitalisierung der Wirtschaft beschleunigt die Deflation (bei Mobilcomputern, Handys und IT - Leistungen) gibt es große reale Preissenkungen. Natürlich tun sich die USA auch mit der expansiven Geldpolitik leichter, weil die Kapitalmärkte anders funktionieren (mehr Unternehmensanleihen und Immobilienanleihen).   Ende 2014 wird die Deflationsgefahr in der EU durch das Fallen des Ölpreises begünstigt. Fallen der Preise über einen längeren Zeitraum können zu negativen "Preissteigerungsraten" führen. EZB-Vizepräsident Vitor Constancio warnt davor. Erzeugerpreise, Außenhandelspreise und wohl auch die Verbraucherpreise gehen Ende 2014 ins Minus. Die Preissteigerungsrate fällt auf 0,2% (Jahres-Preissteigerungsrate 2014 0,9%; in der EU im Dezember sogar -0,2%; Prognose für 2015: -0,1%). In den Südländern der EU war der Rückgang stärker (Griechenland -2,5%, Spanien 1,1%; Deutschland noch +0,1%). Vor allem die gefallenen Rohölpreise waren dafür verantwortlich.  Ist das schon Deflation? Immer mehr Ökonomen fordern, Geld an die Bürger zu verteilen, um die Deflation zu verhindern ("Helikopter-Geld"; Idee hatte schon Milton Friedman). Sie wird neuerdings vom Oxford Ökonomen John Muellbauer vertreten. Im Januar 2015 kommt es zu einem Preisrückgang von -0,4% im Vergleich zum Vorjahresmonat erstmals seit 2009 (Hauptursache ist der sinkende Ölpreis). Für eine Deflation müsste noch hinzukommen: lang anhaltend; sinkende Investitionen; sinkender Konsum. In der Eurozone kommt es zu einem Preisrückgang von -0,6%. Mit 0,3% Preissteigerung im März 2015 scheint die Deflationsgefahr vorerst gebannt (ausdrucksstärker ist auch die bereinigte Inflationsrate/ Kerninflation: hier werden Öl und Nahrungsmittel herausgerechnet).

Warenkorb: Er liegt der Inflationsrate zu Grunde. Der Verbraucherpreisindex zeigt die Preisentwicklung bei Waren und Dienstleistungen. Der Warenkorb bildet die Basis: rund 600 Güterarten. In Deutschland werden jeden Monat 300.000 Einzelpreise ermittelt bei gleichen Produkten und gleichen Geschäften. Den größten Anteil beim Warenkorb macht das Wohnen aus (Mieten, Strom, Gas) mit 32%, gut 10% entfallen auf Lebensmittel. Die Ausgaben für Verkehr umfassen 13,5%, die für Freizeit und Kultur 11,5%. Der Verbraucherpreisindex wird nach dem statistischen Verfahren von Laspeyres berechnet (Warenkorb der Vergangenheit). Die Zusammensetzung und Gewichtung im Warenkorb wird durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe alle fünf Jahre ermittelt. Es handelt sich um eine der wenigen freiwilligen Befragungen (mit Honorar). Die Teilnehmer führen ein Haushaltsbuch. Mittlerweile wird auch ein repräsentativer Warenkorb für Ökoprodukte entwickelt. Ergebnis: Bio ist im Schnitt 70 Prozent teurer als normale Waren. Vgl. Haubach, C./ Held, B.: Ist ökologischer Konsum teurer? Ein warenkorbbasierter Vergleich, Wiesbaden (Statisches Bundesamt Hrsg.), Februar 2015.

Lebenshaltungskosten: Sie werden vom Statistischen Bundesamt anhand eines Warenkorbes ermittelt. Für die EU-Staaten wird auch ein Durchschnitt errechnet, der gleich 0 gesetzt wird. Dann wird ermittlet wie groß der Abstand dazu in den einzelnen Ländern Europas ist. Mitte 2015 ist er am größten zu der Schweiz, Norwegen und Dänemark. Am billigsten sind Mazedonien (-53,3), Bulgarien (-51,6) und Albanien (-49,9).

Rationale Erwartungen: Geht auf eine Idee von Robert Lucas ( geb. 1937) zurück. Die Geldpolitik verliert ihre Wirksamkeit, wenn sich die Bürger rational auf politische Maßnahmen einstellen. Die Menschen sind rational. Sie entwickeln rationale Erwartungen für die Zukunft. Sie passen ihr Verhalten an. Sie sehen die Auswirkungen staatlicher Eingriffe. Menschen kann man nicht an der Nase herumführen. Vgl. auch John Muth: Rational Expectations and the Theory of Price Movements, 1961.

Inflationserwartungen: Sie werden als Ursache der Inflation mit gesehen. Diese spielen bei Verbrauchern und Firmen eine Rolle. Sie führt zu einer Anschaffungsneigung: Man kauft, weil man mit steigenden Preisen in der Zukunft rechnet. Also werden Anschaffungen vorgezogen. Die Zentralbanken hegen 2021 Zweifel an der Relevanz der Inflationserwartungen. Obwohl diese These mittlerweile zum Standardwissen der Ökonomie gehört (Arbeiten von Milton Friedman und Edmund Phelps in den Sechziger- und Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts). Der Ökonom und Nobelpreisträger Robert Lucas ging noch eine Schritt weiter: Menschen bildeten rationale Erwartungen aus und nähmen die Folgen einer expansiven Geldpolitik in den Lohn- und Preisverhandlungen vorweg. Selbst kurzfristig treten dann keine positiven Beschäftigungseffekte mehr auf. Die Notenbanken scheinen sich von diesem Paradigma zu lösen. Ausgangspunkt ist eine aktuelle Studie der Fed 2021 mit dem Titel "Why Do We Think Inflation Expectations Matter for Inflation? And Should We?". Der Autor ist Jeremy Rudd. Nach seiner Meinung sollten die Zentralbanker die Aufmerksamkeit auf die Kosten der Wirtschaft lenken. Auch die EZB verfolgt ähnliche Gedanken. Unstrittig ist, dass die Erwartungen der Menschen über die zukünftige Preisentwicklung schwer zu messen sind. Es gibt auch den Verdacht, dass es Zentralbanken nicht mehr um die Preisstabilität geht, sondern darum, Staatsschulden durch Inflation abzuschmelzen. Vgl. Fischer, Malte: Ich denke, also kauf ich, in: WiWo 46, 12.11.21, S. 38f.

Quantitätstheorie des Geldes: Sie beschreibt den Zusammenhang zwischen Geld und Preisen. Ökonomen ganz unterschiedlicher Denkschulen und Epochen haben sie geschaffen. David Hume beschäftigte sich mit der Relation von Geld zu Gütern. Ludwig von Mises zeigte, dass die Geldmengenausweitung zu Krisen führt. Milton Friedman forderte eine Geldpolitik, die die Geldmenge konstant wachsen lässt. Am ehesten ist die Theorie jedoch mit dem Namen Irving Fisher verbunden. Vgl. Fisher, Irving: The Rate of Interest, New York 1907. Vgl. dazu den folgenden Abschnitt.

Quantitätsgleichung (M x U = P x Y, Fisher) und Geldmenge: Beziehung zwischen Geldmenge, Umlaufgeschwindigkeit und nominellem Wert des Outputs einer Volkswirtschaft. Kann auch geldmengeninduzierte Inflation erklären. Fisher-Effekt=Ein-zu-Eins-Anpassung des Nominalzinssatzes an die Inflationsrate (Es handelt sich um die langfristige Beziehung zwischen laufender Inflation und Zinssätzen, Irving Fisher, 1867 - 1947). Fisher war der erste große US-Ökonom.  "Unsere Währung ist den Kreditbanken ausgeliefert, die nicht Geld verleihen, sondern Versprechungen auf Geld, das sie nicht haben", I. Fisher. In der EU wird mit der Geldmenge M3 gearbeitet (der Zusammenhang zwischen M3 und Verbraucherpreisinflation wird allerdings immer instabiler). Die Geldmenge M3 sinkt Ende 2009 erstmals seit dem Euro-Start (Kreditvergabe an Unternehmen stark rückläufig). Nach dem Greshamschen Gesetz drängt in der Geldzirkulation schlechtes Geld gutes Geld aus dem Markt. Erstmals wiesen M. Friedman und Anna Schwartz nach, dass die Geldmenge keine passive Größe ist, sondern ein Steuerungselement, das die Wirtschaftsdynamik entscheidend beeinflusst.   Die EZB räumt 2007 Probleme mit ihrer geldpolitischen Strategie ein: es gebe keine stabile Beziehung zwischen Geldmengenwachstum und Inflation. Der Gleichlauf von Geldmenge und Immobilienpreisen bedarf dringend einer Klärung.

Goodhart´s Law : empirisch festgestellte Zusammenhänge zwischen Größen wie Geldmenge und Inflation lösen sich auf, wenn die Politik die Gesetzmäßigkeiten nutzen will, um beispielsweise die Inflation zu kontrollieren.  (Fundamentalgesetz der praktischen Geldpolitik, geb. 1936, Cambridge & LSE, 20 J. bei der englischen Notenbank, Monetary Theory and Practice, 1984, neuestes Buch: The Regulatory Resonse to the Financial Crisis, 2009. Vgl. auch R. Lucas: Individuen handeln rational, indem sie sich sehr schnell anpassen: in rationalen Erwartungen antizipieren Sie die kommende Wirtschaftspolitik): "Any observed statistical regularity will tend to collapse once pressure is placed up for control purposes". Dies ist auch als Lucas-Kritik in die Literatur eingegangen.

Baumol-Tobin-Modell: Geldnachfrageansatz, bei dem die optimale Kassenhaltung durch den Vergleich der Opportunitätskosten aus entgangenen Zinserträgen mit dem Nutzen geringerer Zahl von Wegen zur Bank determiniert wird. Bei Keynes besteht die Geldnachfrage aus einer Transaktionskasse (vom Einkommen abhängig) und einer Spekulationskasse (vom Zins abhängig). "Die Phönizier haben das Geld erfunden - aber warum nur so wenig?", J. N. Nestroy.

Taylor-Regel: für eine optimale Höhe des nominellen Zinssatzes  i , die von der Zentralbank unmittelbar beeinflussbar ist (John B. Taylor, geb. 1946, US-Ökonom und Finanzpolitiker, Uni Stanfort). Zusammenhang zwischen angestrebtem Realzinsniveau, Inflationsrate, realem und langfristigen Trendwert des Nationaleinkommens. Grob lautet die Regel, dass die Zinsen steigen können, sobald die Arbeitslosenquote unter sieben Prozent sinkt. Genauer lautet sie für die Referenzgröße: Taylor Zins = realer Gleichgewichtszins + Inflationsziel + 11/2 (Inflation - Inflationsziel) + 1/2 (Outputlücke). Für die EZB ist der Leitzins der wichtigste Zins auf dem Finanzmarkt, der als Mindestbietsatz die Konditionen festlegt, zu denen sich Banken kurzfristig Geld bei der Notenbank leihen können. Vom Gesetz her gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen der Geldpolitik der Fed und der EZB: die Fed hat als  Ziele Geldwertstabilität und hohe Beschäftigung, die EZB nur das erstere. Taylor ist mittlerweile sehr präsent im Internet mit Podcasts und Videos. Vgl. z. B.: http://blog.getdocued.net/2009/04/14/root-causes-of-the-financial-crisis/ . Er fordert nach der Weltwirtschaftskrise 2009 transparente Bankbilanzen und neue Regel für staatliche Eingriffe. In Deutschland vertritt Volker Wieland (Professor an der Uni Frankfurt und im SRW; Studium auch in Stanfort; 5 Jahre bei der Fed) die Taylor-Regel. Eine Diskussion entsteht 2017 im Zusammenhang mit der Frage, ob die EZB den Leitzins anheben soll. Es geht um R-Star. Grundlage ist das Laubach-Williams-Modell. In den USA sind L. Summers, P. Krugman und J. Yellen die Meinungsführer. In Deutschland von Weizsäcker, Wieland u. a. Im Mittelpunkt in Deutschland stehen folgende Fragen: Sollte die quantitative Lockerung, die seit 2014 betrieben wird, beendet werden? Sollte die EZB die Staatsanleihenkäufe beenden? Warum sind die Zinsen nicht niedrig? Auch 2024 setzt sich Taylor noch dafür ein, die Geldpolitik strikten Regeln zu unterwerfen - auch um die Notenbanken vor dem Einfluss der Politik zu schützen. Vgl. Fischer, Malte, Interview in WiWo 11/ 8.3.24, S. 40f.    "Die Fed kann notfalls Geld mit dem Helikopter abwerfen, um die Wirtschaft anzukurbeln", Ben Bernanke, US-Notenbankchef.

These der "Streikfähigkeit des Geldes" von Silvio Gesell (1862 - 1930): Die Überlegenheit des Geldes auf dem Markte gegenüber Ware und Arbeit bewirkt, dass sich der Geldsektor jederzeit ungestraft "weigern" kann, seine ihm zugedachten Aufgaben zu erfüllen (Die natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld, Lütjenburg 1991). Vgl. auch: B. Senf: Die blinden Flecken der Ökonomie, München 2001, S. 151ff. Die Deutschen besitzen ein Geldvermögen in Höhe von 4,5 Bio. € 2006. Die neoklassische Theorie trennt die Gesamtwirtschaft in Real- und Geldwirtschaft. Der monetäre Sektor soll langfristig keinen Einfluss auf den realen Sektor (wo Güter und Dienstleistungen produziert werden) haben. Man spricht von der realwirtschaftlichen Neutralität des Geldes. "Bullshit Walks, Money Talks", amerikanisches Sprichwort.

Wicksellsche Zinstheorie: Der schwedische Nationalökonom K. Wicksell (1851-1926) unterscheidet zwischen zwei Zinssätzen: Der Darlehenszins, der sich auf dem Kreditmarkt aufgrund von Angebot und Nachfrage ergibt. Daneben steht der natürliche Zins, bei dem sich die Kreditnachfrage für Investitionszwecke und das Angebot an Ersparnis ausgleichen. Gleichgewicht in der Volkswirtschaft herrscht, wenn beide Zinsen gleich hoch sind. Nach Wicksell kann es zu Überinvestitionen kommen, wenn die Notenbank die zusätzliche Kapitalnachfrage durch Geldschöpfung finanziert, statt den Leitzins zu erhöhen. Sehr gut passt das Modell auf bestimmte Situationen Ostasiens, insbesondere Japans. Die Geldschöpfung über die internationalen Finanzmärkte hielt das Zinsniveau trotz Überhitzungsgefahr niedrig (Finanztheoretische Untersuchungen, 1896 erschienen). Daneben gibt es den neutralen Zins (der Leit-Zins, der weder bremst noch stimuliert, Trennlinie von expansiver und restriktiver Geldpolitik).  Der neutrale Zins lässt sich nirgends ablesen. Er kann auch nicht mit komplexen mathematischen Modellen errechnet werden. Vgl. Fischer, Malte: Auf der Suche nach dem magischen Zins, in: WiWo 38/ 16.8.22, S. 38f.  "Der natürliche Zins ist der Zins, der mit stabilen Preisen einhergeht", Knut Wicksell. Vgl. Wicksell, Knut: Geldzins und Güterpreise, Jena 1898.

Zinstheorien (andere als Wicksell, über Bedeutung und Gründe): Die Klassiker Smith und Ricardo entwickeln Zinstheorien. Bei Adam Smith ist der Zins der Preis für das Ausleihen von Kapital. Bei Eugen Böhm-Bawerk entsteht Zins aus der Vorliebe für Gegenwartskonsum. Ludwig von Mises analysiert den Urzins, der den Menschen innewohnt und immer positiv ist. Bei J. M. Keynes ist der Zins die Entschädigung für den Verzicht auf Liquidität. Gunnar Heinsohn sieht den Zins für die Entschädigung für den Verzicht auf Sicherheit. Gegen den Zins als Preis spricht sich M. Hellwig aus. Der Zins sei kein Austauschverhältnis. Vgl. Hellwig, Martin: Der Zinssatz ist kein Preis, in: Wirtschaftsdienst 11/2021, S. 862-869. Vgl. auch als grundlegendes Werk: Böhm-Bawerk, Eugen: Kapital und Kapitalzins, 1884 und 1889. Faksimileausg. Düsseldorf 1991 und 1994. Auch: Patinkin, Don Israel: Money, Interest, and Prices, Evanston 1956.

Funktionen des Zinses: Normalerweise hat der Zins eine Signal- und Steuerungsfunktion. Er zeigt etwa an, wie riskant eine Investition ist. Er indiziert auch, wie teuer das Ausleihen und Anlegen von Geld ist. 2019 zeigt sich, dass die Politik der Notenbanken nicht mehr wirkt und so der Zins seine Funktionen verliert. Der Ankauf von Anleihen, der Ende 2019 von der EZB wieder aufgenommen wird, hilft nur noch sparunwilligen Regierungen, nicht aber der Konjunktur.

Zinsstruktur: Es gibt unterschiedliche Zinssätze in der Praxis. Das Verhältnis dieser verschiedenen Zinssätze zueinander bezeichnet man als Zinsstruktur.  Im normalfall gelten etwa folgende Beziehungen: Habenzinsen < Sollzinsen (für Kredite); kurzfristige zinsen < langfristige Zinsen. Vgl. Hubert, VWL für BWLer, Herne 2019, S. 346.

Leitzins: Zins in der EU für Hauptrefinanzierungsgeschäfte (Banken leihen sich für ca. eine Woche Geld). Dies ist der bekannteste und wichtigste. Er beträgt Ende 2013 0,25%. Mitte 2012 waren es noch 0,75%. Am 05.06.2014 wird er auf 0,15% gesenkt. Dann wird er am 04.09.2014 noch einmal auf 0,05% gesenkt, ein historisches Tief. Damit hat die EZB aber nicht das Verhalten der Banken in der Hand. Diese können sich querstellen und die Senkung verzögern oder überhaupt nicht weiter geben. 2022 wird der Leitzins in mehreren Schritten wegen der hohen Inflation erhöht. Zuletzt am 15.12.22 auf 2,50%. Im März 2023 beträgt der Leitzins 3,5%. Er wird dann mehrmals im Jahr 2023 erhöht auf zuletzt 4,5% im September 23. Es gibt auch einen zweiten Leitzins, den Einlagenzinssatz für kurz geparktes Geld. Dieser beträgt Ende 2013 0% (seit Mitte 2012). Denkbar wäre auch ein negativer Einlagenzinssatz. Dieser kommt am 05.06.2014 mit -0,1%; und wird am 04.09.14 auf -0,2% verändert.  Am 10.03.16 wird er auf -0,4% verändert. Die EZB zahlt den Einlagenzinssatz an Banken, die kurzfristig Geld übrig haben und es bei der Notenbank bis zum nächsten Geschäftstag parken. Die Über-Nacht-Einlagen brachten den Banken vor der Finanzkrise 2008 noch 3%. 2013 werden negative Einlagenzinsen diskutiert. Die Erfahrungen in Dänemark zeigen allerdings, dass auf eine effiziente Ausgestaltung geachtet werden muss. am 27.10.22 wird der Einlagenzinssatz auf 1,5% angehoben von der EZB. Am 15.12.22 auf 2,0%. Am 27.7.23 wird der Einlagenzinssatz auf 3,75% angehoben. Am 14.9.23 kommt eine Erhöhung auf 4,0%. Der dritte Leitzins wird von Banken gezahlt, wenn sie einen kurzfristigen Liquiditätsengpass haben und "Über-Nacht" Geld brauchen (Leitzins für "Over-night"). Er liegt Ende 2013 bei 0,75%. "Die Banken müssen die Zinsabhängigkeit ihrer Geschäfte reduzieren, indem sie ihr Geschäftsmodell stärker auf Provisionen umstellen", Andreas Dombret, 2015, Mitglied im Vorstand der Deutschen Bundesbank. Im August 2015 haben die wichtigsten Länder der Welt folgende Leitzinsen: USA 0,25 (am 14.12.16 angehoben auf 0,5 bis 0,75%). Am 21.03.18 folgt eine weitere moderate Anhebung um 0,25 Punkte auf einen Zielkorridor von 1,50 bis 1,75 Prozent.  Euro-Zone 0,05; Japan 0,3; Großbritannien 5,0; VR China 4,6. Lagern Banken in der Eurozone ihr Geld kurzfristig bei der EZB ein, müssen sie dafür einen Strafzins von 0,4% bezahlen. Bei kurzfristigen Kapitalspritzen und Overnight-Krediten werden 0,25% Zinsen fällig.

Vollkommene Kapitalmobilität: Sie bedeutet, dass inländische und ausländische Wertpapiere vollkommene Substitute darstellen. Damit wird der inländische Zinssatz vollständig durch den Zins im Ausland determiniert.

Wirkungen von Zinssenkungen (in der Geldpolitik): Die amerikanische Notenbank "FED" hat innerhalb kurzer Zeit 2007/2008 die Leitzinsen mehrfach erheblich gesenkt (zuletzt nur noch von 0-0,25%).  Die Wirkungen treten mit erheblicher Zeitverzögerung ("lag", 6 bis 12 Monate) ein: sofort gibt es einen psychologischen Effekt (gute Laune oder Warnung). Später wird der Konsum angeregt (die Leute sparen weniger).  Ebenso werden Kredite (z. B. zum Bauen) und Kredit finanzierte Investitionen erhöht. Der Wert der Währung sinkt durch weniger Kapitalimporte, was die Exporte positiv beeinflusst. Umstritten ist die Frage, ob es negative Leitzinsen geben kann. Der Sinn liegt in in einer offenen Subventionierung der Banken durch die Zentralbank und im Zwang Vermögen und Geld abzubauen (Konsumanreiz). Die Idee geht auf Silvio Gesell zurück und wird 2009 in der Krise von Mankiw und Buiter wieder aufgegriffen. 2012 schreckt ein Bankenskandal bei der britischen Barclays Bank auf. Die Bank soll auf dem Interbankenmarkt den Referenzzinssatz, den so genannten Libor (London Inter-Bank Offered Rate) manipuliert haben. Am 05.07.12 senkt die EZB den Leitzins um 25 Prozentpunkte auf 0,75%, um die Geldbeschaffung der Geschäftsbanken zu erleichtern und den Krisenstaaten eine Atempause zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu geben sowie die schwache Konjunktur zu stützen. Es steigt allerdings die Gefahr für Fehlinvestitionen. Dies gilt für Unternehmen und Haushalte ("Häuslebauer"). Die Banken können die günstigeren Zinsen an die Verbraucher weitergeben oder sie streichen die Differenz für sich ein (wahrscheinlich Mittelweg). Im Mai 2013 senkt die EZB den wichtigsten Leitzins sogar noch weiter auf 0,50%. Im November 13 wird mit 0,25% ein historisches Tief erreicht (Ölpreise und Nahrungsmittelpreise senken den Preisindex in der Eurozone auf 0,7%). Die Gründe und Bedenken sind die gleichen. Hinzu kommt eine drohende Deflation. Die erhofften Impulse müssen in Südeuropa an der richtigen Stelle ankommen (mehr symbolisch?, zumindest können die Krisenländer billigere Staatskredite bekommen). In Deutschland geben nur vier Banken den günstigeren Leitzins bei Krediten weiter. Trotzdem wird sogar ein negativer Einlagenzins in Betracht gezogen. Natürlich soll auch der Konsum angeregt werden (Binnenkonjunktur). Sofort geht immer der Aktienkurs in die Höhe und der Euro verliert an Wert (Exportkraft der Südländer stärken). Die Verlierer sind die Sparer (wie Altersvorsorge?). Wie können Inflation, Aktien- und Immobilienblasen verhindert werden? In Dänemark gibt es mit negativem Einlagezins schlechte Erfahrungen. Die Banken selbst verlangen dort höhere Zinsen, um die Kosten zu kompensieren (vgl. oben negativen Leitzins). Im Juli 2013 kommt es in der EZB zu einem Konflikt über weitere Zinssenkungen (auf 0,25% wie in den USA und Japan). Die Nordstaaten setzen sich durch mit der Beibehaltung von 0,5%. Am 07.11.13 erfolgt dann die Senkung auf 0,25%. 2013 erwirbt die Fed jeden Monat für 85 Mrd. $ Hypothekenpapiere und Staatsanleihen, um die Zinsen weiter niedrig zu halten. Es gibt Gerüchte, dass der Leitzins am 5. Juni von der EZB auf 0,15% gesenkt werden soll. Ferner soll ein negativer Einlagenzins von minus 0,1% beschlossen werden (Strafzins). Dies kommt dann auch so. Die negativen Folgen dieser Maßnahme dürften nicht auf sich warten lassen: Die Liquiditätsschwemme der Notenbanken und ein Übermaß an Ersparnissen treiben die Investoren in immer riskantere Investitionen. Es könnte wieder ein Crash drohen. Am 04.09.14 senkt der Gouverneursrat der EZB den Leitzins im Euroraum um 0,1 Prozentpunkte auf 0,05%, einhistorisches Tief. Der Euro geht auf Talfahrt (Goldman Sachs erwartet die Parität zum Dollar bis Ende 2017). Die Konjunktur soll gestützt (mehr Investitionen, höhere Exporte) und die Inflation angekurbelt werden (Verteuerung der Importe). Die Ersparnisse der Bürger werden weiter entwertet und der Reformdruck auf die Regierungen sinkt. Das billige Geld führt auch zu neuen spekulativen Blasen an den Finanz- und Immobilienmärkten. Vgl. Müller, c./ Lungu, T.: Auswirkungen der Leitzinssenkungen auf Deutschland, in: WiSt, H. 5, 2015, S. 269ff. Bei Zinssenkungen gibt es Verlierer und Gewinner. Die Sparer sind weniger erfreut über Niedrigzinsen ("kalte Enteignung"). Die Unternehmen profitieren vom Zinstief (nach einer Untersuchung des Chefvolkswirts von Ing-Diba 400 Mio. € von 2009 bis 2015 Zinsersparnis bei Bank-Kresiten). Weil die Inflationsrate 2016 sinkt, erwägt die EZB eine weitere Lockerung der Geldpolitik. Die Frage ist, ob damit noch etwas Positives zu erreichen ist. Die Banken würden weniger Kredite vergeben, weil sie Angst vor Ausfällen haben. Zum anderen ist die Nachfrage nach Krediten nicht so groß. Der Aktienmarkt und Immobilienmarkt würden weiter aufgebläht. Die Leitzinssenkung kommt tatsächlich am 10.03.2016 auf 0,0%. Das ist wie ein Subventionsprogramm für Südeuropa. Deutschland, das ein hohes Auslandsvermögen hat, kostet das Milliarden. Im September 2016 hält die EZB an der Nullzinspolitik fest. Stark von den Niedrigzinsen betroffen ist der Bankensektor. Banken und Sparkassen geraten unter Druck. die Rentabilität bricht ein. Es wird zu immer mehr Fusionen kommen. Laut der deutschen Direktorin Isabel Schnabel gibt es sogar noch weiteren Spielraum nach unten (2. Corona-Welle). Im Juli 2019 fordert Trump die Notenbank auf, die US-Leitzinsen zu senken. Er spricht von "fehlerhaften Denkprozessen". Die Fed senkt auch den Leitzins am 31.7.19, aber weniger als Trump fordert: Spanne von 2,0 bis 2,25%. Powel, der Chef der Notenbank, deutet an, dass dieses Jahr keine weiteren Zinssenkungen geplant seien. Damit wird aber ein weltweiter Trend zu einer lockereren Geldpolitik verstärkt (Indien, Südkorea). Es wird am 12.09.19 der Einlagenzins in der Eurozone von der EZB weiter gesenkt (-0,5%). Anleihenkäufe sollen ab November 19 wieder aufgenommen werden (monatlich 20 Mrd. €, vorerst unbegrenzt). Die Sparer bleiben die Verlierer. Mehr öffentliche Investitionen wären erforderlich und damit eine größere Kreditaufnahme der öffentlichen Hand, damit die Zinsen steigen.  Am 17.09.2019 senkt die US-Notenbank erneut den Leitzins: um einen Viertelpunkt - auf die Spanne von 1,75 bis 2,0 Prozent. Sieben von 17 Währungshütern signalisieren auch, dass dieses Jahr noch einmal nachlegen wollen. Weiterhin werden die Zinsen auf die Überschussreserven der Banken , damit das Parken von nicht benötigtem Geld weniger attraktiv wird. Trump wirft der Notenbank erneutes Versagen vor (er will bedeutend niedrigere Zinsen). Am 30.10.2019 senkt die Fed den Leitzins weiter: um 0,25 Prozentpunkte auf den Korridor von 1,5 bis 1,75%. Die Warnsignale für eine Abkühlung der Konjunktur häufen sich. Am 03.03.2020 kommt eine weitere Senkung um 0,5 Prozentpunkte (Corona-Virus) auf 1,0 bis 1,25%. Am 16.3.20 kommt die nächste Absenkung auf 0 bis 0,25% (Corona-Krise). "Es fehlt das Geld. Nun gut, so schafft es doch", J. W. von Goethe, Faust. "Die niedrigen Zinsen verbreiten den Geruch der Krise. Mit ihnen erreicht die EZB nur, dass Sparer enteignet werden", Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Einige Banken erwägen schon Strafzinsen. Die Deutsche Skatbank aus Altenburg in Thüringen macht dies als erste deutsche Bank für große Einlagen. Es könnten zukünftig auch Kleinsparer betroffen sein. Völlig überraschend verbilligt die chinesische Zentralbank Ende November 2016 den Leitzins von 6 auf 5,6% (sie reagiert damit auf das nachlassende Wachstum). Dies löst ein Kursfeuerwerk an den Weltbörsen aus.  Für die Niedrigzinsen zahlen die Deutschen einen hohen Preis: 2010 bis 2014 sind den Deutschen Zinsen in Höhe von 190 Mrd. Euro entgangen. Im Jahre 2015 waren es schon 200 Mrd. € (Quelle und Berechnung: DZ Bank). Im Februar 2016 senkt die schwedische Zentralbank (Riksbank) den Leitzins auf 0,5% (um 0,15 Prozentpunkte, niedrige Inflation).

Nullzinspolitik und soziale Gerechtigkeit: Die Nullzinspolitik der EZB (Draghi) ist extrem unsozial. Geringverdiener haben kaum noch eine Möglichkeit, ihren Lebensstandard zu sichern. Damit können sie auch keine Rücklagen fürs Alter bilden, um die Rente aufzubessern. Die Politik mag den Regierungen in Griechenland, Italien oder Spanien helfen, aber sicher nicht den Menschen. Sie werden kalt enteignet wie alle Sparer in der EU. Weniger betroffen sind Gutverdiener und die Reichen. Sie investieren in Immobilien, Aktien oder legen ihr Geld im Ausland an. Nach einer Untersuchung an der Uni Mannheim 2016 (Prof. Klaus Adam) habe ein Fünftel der Haushalte in der Euro-Zone weder etwas vom Boom an den Finanzmärkten noch den steigenden Immobilienpreise. Die Vermögensungleichheit werde durch die Niedrigzinsen verschärft. Die Bundesbank argumentiert dagegen, dass sich der Anstieg der Vermögenspreise auch in mehr Wachstum und Arbeitsplätzen auswirke. Das nütze auch den Ärmeren. Anfang 2017 sind die Zinsen immer noch niedrig, aber die Inflation steigt an (Dezember 2016: Deutschland 1,7%; Euroland 1,5%; Ölpreis). Das Geld ist oft falsch angelegt. Darauf sollte die Notenbank reagieren und den Leitzins erhöhen. In den ersten drei Monaten 2018 sinkt erstmals seit sechs Jahren das Geldvermögen der Deutschen im Wert (-1%). Der deutsche Staat ist der große Nutznießer der niedrigen Zinsen. Seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 hat er bis 2018 gegenüber dem von 2007 geltenden Zinsniveau 368 Mrd. € eingespart. Allein 2018 konnten Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen 55 Mrd. € einsparen. Profiteure sind auch die Staaten in Frankreich und Italien. Bei einer Abkühlung der Wirtschaft könnten die Notenbanken nicht mehr eingreifen. Insofern sitzen sie in der Falle. Sparer und Anleger müssen sich 2019 in der EU auf Dauer-Nullzinsen einstellen (die Erhöhung im Herbst 2019 soll nicht kommen). Das Billiggeld kann auch den Wettbewerb der unternehmen beeinträchtigen. Die Aktienpreise werden getrieben, die Kreditzinsen gedrückt. Das begünstigt kreditfinanzierte Übernahmen. Der Konzentrationsprozess von Banken und Unternehmen wird vorangetrieben. Das schwächt auch langfristig diie Position der Verbraucher und sozial Schwachen. "Die Geldpolitik führt zu einer Umverteilung von unten nach oben. Schwächere Bevölkerungsgruppen verlieren schrittweise ihre Altersversorgung", Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, 2019 (Quelle: Focus 41/2019, S. 65).

Negativer Zins: Als Folge der expansiven Geldpolitik der Zentralbanken ist der Zins vereinzelt negativ (z. B. Altenburg). Daraufhin entsteht eine Debatte über die Natur des Zinses und die angemessene Höhe. Prinzipiell entstehen negative Zinsen aufgrund einer Sparschwemme ("savings glut"). Das entspricht auch der Zinstheorie von Böhm-Bawerk (1850-1914). Ein negativer Marktzins würde langfristig aber das kapitalistische System zerstören. Der Einlagenzins der EZB ist ja schon seit Juni negativ. Deshalb hat eine Kapitalflucht aus der EU eingesetzt.  Große Geldhäuser parken enorme Summen außerhalb der Euro-Zone. Sparkassen in Deutschland beginnen im Mai 2016 damit, Gebühren für die Anlage hoher Geldbeträge zu nehmen ("Verwahrgeld"). Bei den ökonomischen Ursachen für das permanente Sinken der Zinsen gehen die Ansichten auseinander. Eine Gruppe der Ökonomen führt die Niedrigzinsen auf die Alterung der Gesellschaft zurück (z. B. Carl Christian von Weizsäcker). Der Sparwunsch übersteige die Möglichkeit, Geld zu positiven Realzinsen anzulegen. Eine andere Gruppe sieht die Niedrigzinsen als folge der schwachen Kreditnachfrage und der expansiven Geldpolitik der Notenbanken (z. B. Stefan Homburg; siehe "Sind die Sparer selbst schuld? in: Wirtschaftswoche 25, 17.06.16, S. 24ff.). Wenn Negativ-Zinsen für alle Bankkunden eingeführt würfen, würde die Hälfte der Kunden ihr Geld abheben. 2016 sind ca. 1,64 Billionen Euro in Deutschland auf Konten angelegt, die fast Nichts an Zinsen bringen. Anfang 2020 führen auch viele Sparkassen und Volksbanken Strafzinsen ein (16 Institute). Insgesamt verlangen 38 Institute (Stand Januar 2020)  Negativzinsen (Quelle: Finanz-Vergleichsportal Verivox).  "Die Strafzinsen der Europäischen Zentralbank führen nicht direkt zu mehr Kreditvergabe der Banken", Merijn Knibbe, Universität Wageningen. "Das ist kein Dammbruch, das ist normales ökonomisches Verhalten", Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken. Die Zentralbank Schwedens senkt Ende März 2015 den Zins für Einlagen der Banken bei der Zentralbank auf minus 0,25 Prozent (Gefahr gefährlicher Preisblasen). Auch die Zinssätze von einigen Staatsanleihen sind negativ. Das gilt zumindest für folgende: Schweiz 10 Jahresanleihen, Finnland; Deutschland 7 Jahre; Österreich 6 Jahre (Quelle: Bloomberg). Diese Länder sind klare Profiteure der Krisen in einigen Ländern Europas, wie z. B. in Griechenland.  Im April 2016 erwägt die Notenbank negative Kreditzinsen. Der Notenbankchef spricht von mindestens minus 0,4%. Der derzeitige Zins für Unternehmen und für die langfristige Finanzierung der Banken liegt bei 0 Prozent. In der ersten Jahreshälfte 2016 verdient der deutsche Staat wegen der Negativzinsen Geld mit neu ausgegebenen Staatsanleihen (1,5 Mrd. €). 2016 beginnt eine kleine Raiffeisenbank am Tegernsee (Gmund) mit Negativzinsen für Privatkunden. Mit der Idee können sich 2019 auch einige Zentralbanken anfreunden. Sie wollen die Konjunktur weiter beleben. Die Abwertung des Bargeldes dürfte aber nicht ausreichen. Am Ende müsste es abgeschafft werden. "Die Zinsen werden weiter sinken und niedrig bleiben", Axel Weber, UBS-Verwaltungsratschef, im September 2016 (Gründe: Demographie und technologischer Wandel). Immer mehr Investoren zahlen dafür, Staaten und Unternehmen Geld leihen zu dürfen. Je länger das Umfeld anhält, desto größer ist die Gefahr für die Märkte. "Bleibt ein Taucher zu lange unten, geht ihm irgendwann die Luft aus", Jens Weidmann, Bundesbankpräsident, 2019 zu den Niedrigzinsen der EZB. Aber auch er könnte sie wohl unter seiner Führung so schnell nicht ändern. Immer mehr Geschäftsbanken erwägen über kurz oder lang die Einführung von Minuszinsen, wenn das Zinstief anhält. So 2019 auch die Volksbanken. Das könnte rechtlich schwierig werden. Der bayrische Ministerpräsident will im August 2019 Negativzinsen ausschließen (er sucht nach einem Weg). Mitte 2020 bürden 126 Geldhäuser Sparern von größeren Guthaben Negativzinsen auf. Ein Gericht (Landgericht Berlin) verbietet im November 2021 Strafzinsen (Minuszinsen) bei der Sparda-Bank 8noch nicht rechtskräftig). Das könnte Sparer unterstützen.  Ökonomen sehen das in der Regel anders: Es könne kein Recht der Sparer auf einen positiven Zins geben, auch ein amtlicher Mindestzins sei mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung nicht vereinbar (so Martin Hellwig).

Wirkungen von Negativzinsen: Sie sind nicht nur umstritten, sondern ihre Wirkungen sind kaum erforscht. Man bezeichnet das als "Heiße-Kartoffel-Effekt. "Es gibt keinen Konsens über die Wirkung von Negativzinsen, weder empirisch noch theoretisch", G. Eggertson, R. Juelsrud, E. Wold, Brown University, Norwegian Business School.

Ursachen der niedrigen Zinsen: Das Geld ist so billig, weil wir zu viel sparen. Es gibt zu viel Geld. Wenn es zu viel Geld gibt, sinkt der Preis des Geldes, der Zins. Die Menschen sparen zu viel. Der Hauptgrund dafür ist: Die Lebenserwartung steigt. die Menschen müssen sich darauf einrichten, von den Rücklagen zu leben. Das zeigt natürlich auch, dass die Einkommen gestiegen sind und damit der Wohlstand. Auf der anderen Zeit brauchen die Unternehmen heute nicht mehr so viel Geld für Investitionen. In der Digitalisierung gibt es sogar Investitionskosten von fast Null (Google). Die qualifizierte Arbeit ist heutzutage knapp, das Kapital reichlich vorhanden. Der Staat könnte Mindestzinsen für Sparer einführen. Er könnte auch mehr Geld ausgeben, Schulden machen. Dann müssten die Zinsen erhöht werden. Vgl. Interview mit Carl Christian von Weizsäcker, in: die Zeit Nr. 38, 12. September 2019, S. 23. Vgl. auch folgende Artikel: Niedrigzinsen - Ursache und Wirkungen (verschiedene Autoren: Fuest, Wollmershäuser, Fratzscher, Kriwoluzky, Illing, Neyer, Weiszäcker), in: Wirtschaftsdienst 2020/ 1, S. 8ff.

Unterschiedliche Zinshöhe in den Euro-Ländern: Betrachtet wird das durchschnittliche Zinsniveau für Haushalte auf Einlagen mit Laufzeiten bis zu einem Jahr 2019. Am niedrigsten sind die Zinsen in Irland (0,03) und Spanien (0,03). Als Gründe könnten der fehlende Wettbewerb unter Banken oder das Parken von Geld durch Unternehmen sein. Am oberen Ende liegen die Niederlande (1,26), Frankreich (0,95), Estland (0,84), Slowakei (0,82), Italien (0,68), Griechenland (0,45).

Tagesgeldsatz (EONIA): Der Euro Overnight Index Average (EONIA) ist ein auf Basis tatsächlich getätigter Umsätze berechneter Durchschnittszinssatz für Tagesgeld im Euro-Interbankengeschäft und für Banken ein wichtiger Referenzzinssatz. Siehe Vogl/ Loberg: Volkswirtschaftslehre: Makroökonomie, Herne 2015, S. 180.

Zinssurrogate: 1. Spezielle Staatsanleihen für ältere Bürger (Malta). 2. Verbot von Negativzinsen unter einer bestimmten Schwelle (CSU, Bayern, Söder). 3. Verknüpfung von Klimaschutz und Zinsproblem (Wirtschaftsminister Altmaier). 4. Absetzen von Negativzinsen von der Steuer. 5. Bürgeranleihen mit höheren Zinsen (Förderung der Sparer). 6. Gründung eines öffentlichen Fonds, um für die Rente vorzusorgen (Ifo-Institut, München). Vgl. Schieritz, Mark: Her mit den Zinsen, in: Die Zeit Nr. 49, 28.11.2019, S. 28.

Wirkungen von Zinserhöhungen (der EZB bzw. der Fed und andere Zentralbanken): Zunächst steigen Zinserwartungen und Zinsen am Geldmarkt. Dann steigen die Kapitalmarktzinsen und der Euro wird aufgewertet (weil mehr Euro-Anlagen nachgefragt werden). Konsum und Investitionen sinken, die Sparquote erhöht sich. Verbraucher- und Importpreise (hängt von Ausmaß an importierten Vorleistungen und Elastizität ab) sinken wie auch der Inflationsdruck. Nach zwei Jahren erhöht die EZB im April 2011 die Leitzinsen auf 1,25%. Eine weitere Zinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte auf 1,5% kommt am 07.07. 2011 (weiterer Zinsschritt Ende des Jahres). Am 03.11.11 wird der Zinssatz wieder auf 1,25% gesenkt, am 08.12. auf 1%. Später erfolgt eine Senkung auf 0,75%. Mitte 2013 bereiten die USA das Ende der Politik des billigen Geldes vor. Wie wird sich einen Zinserhöhung dort auf die Welt auswirken (europäische Krisenländer, Finanzmärkte)? Besonders wichtig sind Zinserhöhungen der Fed in den USA. Nach 10 Jahren kommt es zu einer solchen am 16.12. 2015: Die Leitzinsen in den USA werden auf 0,25 - 0,50% angehoben. Es werden aber keine Turbulenzen erwartet, weil dies lange vorher bekannt war. Die Aktienmärkte dürften etwas schwächer werden. Die Exportunternehmen der Eurozone dürften profitieren. Aus den Schwellenländern könnte es zu Kapitalabflüssen kommen. Das Öl könnte wieder etwas teurer werden durch die Aufwertung des Dollar. Wichtig sind die Hinweise der Notenbankpräsidentin Yellen für die Zukunft ("moral suasion"). Zinserhöhungen der EZB, der Bank of Japan und der People´s Bank of China sind vorerst nicht zu erwarten. Am ehesten erhöht 2016 die Bank of England die Zinsen. Tatsächlich erhöht jedoch Dänemark als erstes Land aus der EU die Leitzinsen (von minus 0,75 auf minus 0,65 am 08.01.2016). Ende September erhöht die Fed noch nicht die Zinsen, signalisiert dies aber für die nahe Zukunft. Der Leitzins der USA wird dann am 14.12.16 auf 0,5 bis 0,75% angehoben. Besonders betroffen davon werden die Schwellenländer sein. Sie sind meist in Dollar verschuldet; also steigen ihre Schulden an. Der Anstieg der Inflationsrate in Deutschland und in der Eurozone im Jahre 2017 (2,2% bzw. 2,0%) könnte zu einer Anhebung des Leitzinses in der Eurozone durch die EZB führen. Diese unterbleibt erst mal im März 2017. Man setzt auf Wachstum und heizt die Inflation an. Im März 2017 erhöht die Fed den Leitzins auf die Spanne von 0,75 bis 1,0 %. Die EZB unternimmt im Juni einen Minischritt Richtung Zinserhöhung: Erstmals fehlt die Option auf noch tiefere Zinsen. Aber auch 2018 wird noch nicht mit einer Zinserhöhung gerechnet. Die Fed erhöht am 14. Juni 17 die Leitzinsspanne auf 1-1,25%. Am 13.12.2017 erhöht die Fed die Leitzinsen auf eine Spanne zwischen 1,25 und 1,50%. Am 21.03.18 folgt eine weitere moderate Anhebung um 0,25 Punkte auf einen Zielkorridor von 1,50 bis 1,75 Prozent. Am 13.06.2018 wird der Leitzins auf 2,0% festgelegt. Das ist so hoch wie vor der Finanzkrise 2008. Begründung: gute Konjunktur, Arbeitsmarkt, Inflation. Im September 2018 hebt die Zentralbank der Türkei die Leitzinsen deutlich an (von 17,75 auf 24%). Es geht um die Bekämpfung der Inflation. Erdogan hätte die Zinsen gerne belassen, um die Wirtschaftslage nicht noch weiter zu verschlimmern. Am 26.09.2018 erhöht die amerikanische Notenbank Fed zum dritten Mal in diesem Jahr die Leitzinsen (auf 2,0 bis 2,25%; unter neuem Notenbankchef Jerome Powell). Trump ist nicht erfreut. eine weitere Erhöhung kommt am 19.12.2018: Von 2,25 bis 2,5%. Die Entscheidung schickt die Börsen weltweit auf Talfahrt. die EU belässt die Leitzinsen im Januar 2019 auf dem Rekordtief. Im September 2020 erhöht die Zentralbank in der Türkei den Leitzins deutlich um 2,0 Prozentpunkte auf 10,25 %. Das ist eine Trendwende. In letzter Zeit seit September 2019 gab es nur Zinssenkungen (damals Leitzins bei 19,75%). Irgendwann muss auch die EZB die Zinsen mal wieder anheben (wenn neue gesamtwirtschaftliche Schocks ausbleiben). Nur niemand weiß heute, wann. Die US-Notenbank, die Bank von England und die Notenbank Norwegens gehen im September 2021 von steigenden Zinsen aus: die Norwegische Bank reagiert als erste und erhöht die Zinsen von 0 auf 0,25%. Am 16. März 2022 erhöht die Fed die Leitzinsen um 0,25% auf eine Spanne von 0,25 - 0,50 %. Weitere Anhebungen sollen folgen. Am 4.5.22 wird der US-Leitzins noch mal deutlich erhöht: Spanne von 0,75 bis 1%. Die EZB will die Zinsen im Juli 2022 anheben. Am 21.7.22 kommt dies, dann gleich auf 0,5%. Am 27.7.22 hebt die Fed den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte an auf die Spanne von 2,25 bis 2,5%. Die Bankenkrise in den USA könnte die Notenbank von ihrem Kurs abbringen. Dieser wird moderater und eine Gradwanderung zwischen Bankenpleite und Teuerung. Am 22.3.23 wird der Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf die Spanne  zwischen 4,75 - 5,0%. Im Juni 22 betrug die Zahl der Arbeitslosen in den USA schon 5,9 Mio. Die Zahl dürfte jetzt weiter ansteigen. Am 8. September 2022 hebt die EZB den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte an auf 1,25%. Das hat es noch nie in der 24-jährigen Geschichte gegeben (+ Einlagenzinssatzerhöhung, für Sparer wichtig). Am 21.9.22 gibt es eine weitere  Leitzinsanhebung der Fed um 0,75 Prozentpunkte auf 3,0 bis 3,25%.  Hintergrund ist die hohe Inflation (8,3%). Am 02.11.22 kommt die nächste Zinserhöhung der Fed um 0,75 Prozentpunkte auf die Spanne von 3,75 - 4,00%. Am 14.12.22 ist eine Anhebung von 4,25 bis 4,5%.  Die nächste ist am 1.2.23 um 0,25 Prozentpunkte (die Inflation geht zurück). Am 3.5.23 wird der Leitzins in den USA um weitere 0,25 Prozentpunkte auf die Spanne zwischen 5,0 und 5,25% erhöht. Das ist das höchste Niveau seit 2007 vor der Finanzkrise. Die Fed hatte abzuwägen zwischen der Stabilität des Bankensektors und den Verbraucherpreiserhöhungen. Am 27.10.22 hebt die EZB den Leitzins auf 2,0% an (den Einlagenzins auf 1,5%). am 15.12.22 kommt eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte auf 2,5% (Einlagenzins 2,0%).Die nächste Erhöhung wird am 2.2.23 erwartet (um 0,5 Prozentpunkte auf 3,0%?). So kommt es dann auch, der Leitzins steigt auf  3,0%. Am 16.3.23 wird der Leitzins auf 3,5% angehoben. Am 2.5.23 wird der Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75% angehoben. Im Juni kommt die nächste Anhebung auf 4,0%.  Am 27.7.23 erhöht die EZB den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 4,25%. Am 14.9.23 kommt eine weitere Erhöhung um 0,25 Prozentpunkte auf 4,5%.  "Der Zinseszinseffekt ist das achte Weltwunder", Mayer Amsel Rothschild, Gründer der Bankendynastie, 1744-1812.  "Es kann sein, dass die Zinssätze etwas steigen müssen, damit die Wirtschaft nicht überhitzt", Janet Yellen, US-Finanzministerin 2021.

Wahrscheinlichkeit für steigende Zinsen 2021 (Corona-Krise): Für langfristig steigende Zinsen sprechen drei Faktoren. 1. Demographie (Alterskonsum steigt, Sparquote sinkt). 2. Technologie. 3. Institutionen (Eigentumsrechte im globalen Süden). In dieser Vorhersage sind unvorhersehbare Katastrophen nicht drin: Krieg, resistente Keime, Meteoriteneinschlag. Vgl.  Prof. Schwager, Uni Göttingen, in einem Vortrag beim bdvb am 2.3.2021.

Notenbanken (Zentralbanken) und Geldpolitik: Die Notenbanken haben in erster Linie für Geldwertstabilität zu sorgen. Die amerikanische Notenbank "Fed" hat mehr noch als die EZB auch die Aufgabe, die Binnenkonjunktur positiv zu beeinflussen. Erst seit 1913 besteht sie ununterbrochen (der Kongress beruft den Fed-Chef, der dem Offenmarktausschuss/ FOMC vorsitzt). Das Federal Open Market Committee steuert die Geldpolitik. Äußerungen des amerikanischen Notenbankchefs haben große Auswirkungen auf die Finanzmärkte ("Moral Suasion"). So führt etwa die Ankündigung, die Lockerung der Geldpolitik aufzugeben, zu Kursstürzen an den Aktienmärkten im Juni 2013. Es gibt Gerüchte über ein Ende der Ära Ben Bernanke;  Nachfolgerin wird ab Februar 2014 Janet Yellen (vom Senat bestätigt). Das Festhalten an der lockern Geldpolitik führt im Herbst 2013 zu Hochstimmung an den Finanzmärkten.  Mit billigem Geld haben die Notenbanken dieser Welt in den letzten Jahren die Konjunktur angekurbelt. Doch Schulden und Überkapazitäten stehen entgegen. 2016, 2017 und 2018 erhöht die Fed die Leitzinsen wieder (zuletzt im September 2018 auf die Spanne von 2,00 bis 2,25%). Am 19.12.2018 kommt eine weitere Erhöhung auf 2,25 bis 2,5%. Im Zusammenhang mit der Corona-Krise 2020 gibt es mehrere Senkungen, zuletzt auf 0 bis 0,25%.  Am 16.3.22 erhöht die Fed die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte auf eine Spanne von 0,25 - 0,50%. Am 4.5.22 wird der US-Leitzins noch mal deutlich erhöht: Spanne von 0,75 bis 1%. Die Allmacht der Notenbanken in der Globalisierung ist dahin. Im Juni 2022 wird der Leitzins deutlich um 0,75 Prozentpunkte auf die Spanne von 1,50 bis 1,75% angehoben. am 27.7.22 hebt die Fed den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte an auf die Spanne von 2,25 bis 2,5%.  Eine weitere Abhebung kommt am 21.9.22 um 0,75 Prozentpunkte auf 3,0 bis 3,25%. Die nächste Leitzinserhöhung ist am 14.12.22 um 0,50 Prozentpunkte auf die Spanne zwischen 4,25 - 4,5%, Am 1.2.23 werden die Leitzinsen nur leicht um 0,25 Prozentpunkte angehoben. Die Bankenkrise in den USA könnte die Notenbank von ihrem Kurs abbringen. Dieser wird moderater und eine Gradwanderung zwischen Bankenpleite und Teuerung. Am 22.3.23 wird der Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf die Spanne  zwischen 4,75 - 5,0%. Am 3.5.23 wird der Leitzins in den USA um weitere 0,25 Prozentpunkte auf die Spanne zwischen 5,0 und 5,25% erhöht. Das ist das höchste Niveau seit 2007 vor der Finanzkrise. Die Fed hatte abzuwägen zwischen der Stabilität des Bankensektors und den Verbraucherpreiserhöhungen. Am 26.7.23 erhöht die Fed den Leitzins auf die Spanne von 5,25 - 5,50%. Der Zinsgipfel könnte damit erreicht sein. Die Fed hat US-Anleihen im Wert von 600 Mrd. Dollar gekauft. Die EZB wurde am 1.7.1998 gegründet und hat ihren Sitz in Frankfurt (höchstes Beschlussgremium EZB-Rat, Sitzung jeden zweiten Donnerstag). In der Bank arbeiten 3500 Personen. Innen erscheint die EZB ziemlich konfus: Einerseits ist sie als Arbeitgeber sehr begehrt, weil hohe Gehälter gezahlt werden und es auch sonstige Privilegien gibt (Steuervorteile). Andererseits hat sie sehr viele Leiharbeiter und zeitlich befristete Arbeitsverträge. Insgesamt hat sie um die 5500 Mitarbeiter. Der Stress und das Burn-Out-Risiko werden als sehr hoch eingeschätzt. Beide sind unabhängig (2009 gibt es in den USA Bestrebungen, die Geldpolitik staatlich zu kontrollieren: "Fed-Chef Büttel der Wall-Street"). Allerdings ist Unabhängigkeit als Kontinuum zu sehen, da die Einsetzung der Spitze bei der EZB durch die politischen Institutionen erfolgt (wurde bei Draghi gegenüber Weber sehr deutlich). Dagegen sind die Noten- Banken Chinas und Japans abhängig. Deshalb können sie durch die Anhäufung riesiger Devisenreserven massiver in den Wechselkurs ihrer Währungen eingreifen. Alle Notenbanken sind "Supermächte" in der Globalisierung. Ihr Hauptinstrument ist die Festlegung des Leitzinses, der die Liquidität der Banken und das Kreditverhalten der Wirtschaftsakteure determiniert. Die meisten Notenbanken arbeiten mit Offenmarktgeschäften, Ständigen Fazilitäten und Mindestreserve. Die Instrumente unterscheiden sich zwischen den Notenbanken innerhalb dieser Kategorien (auch zwischen ESZB, Bank of England und Fed). Der Diskontsatz in den USA entspricht etwa dem Spitzenrefinanzierungssatz der EZB. Der Hauptrefinanzierungssatz der EZB ist der Leitzins im Euroraum. Die Notenbanken sind auch Teil der Bankenaufsicht, die nach der Finanzkrise 2008/2009 noch ausgebaut wird. Probleme ergeben sich aus der grenzüberschreitenden Tätigkeit der Banken. Mit einer falschen Geldpolitik hat die amerikanische Notenbank (Chef B. Bernanke bleibt im Amt) die weltweite Finanzkrise mit verursacht. Auch 2010 hält sie den Zinssatz bei 0,25 extrem niedrig, um den Aufschwung nicht zu gefährden. Sie legt Kaufprogramme für Staatsanleihen auf (bisher 2). Vgl. Yellen, Janet: U.S. Monetary Policy Objectives in the Short and Long Run, Jahrestagung der American Economic Association in San Francisco, Januar 2009. Die Finanzkrise 2008/2009 hat zu der Grundsatzdebatte geführt, ob die Zentralbanken nicht nur gegen Inflation, sondern auch gegen Spekulationsblasen kämpfen sollen. Sehr umstritten ist auch der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB (35 Mrd. Euro nach der Griechenlandkrise, 2011 schon über 140 Mrd. €). Er wird sogar vom Bundespräsidenten scharf kritisiert. Wegen des Anleihenkaufs tritt der Chefvolkswirt Stark im September 11 zurück (Nachfolger wird Asmussen; als dieser Staatssekretär Ende 2013 wird bekommt Bundesbank-Vize Sabine Lautenschläger den Job). Ab 2015 soll der EZB-Rat nur noch alle sechs Wochen Zinsentscheidungen treffen (bis hierher monatlich). Die EZB plant Ende 2014 massenhaft Staatsanleihen zu kaufen, um die Deflation zu bekämpfen. Am 22.01.15 ist die Bekanntgabe (ab März 15 bis September 2016 monatlich für 60 Mrd. €). Die Quantitative Lockerung soll Geld über die Banken in den realen Bereich einsickern. Ende 2015 weitet die EZB ihre Geldflut aus: Das Volumen des Anleihekaufprogramms steigt auf 1,5 Billionen Euro. Die Strafzinsen für Geschäftsbanken werden verschärft. Im September 2016 hält die EZB an der Nullzinspolitik fest. Das Kaufprogramm für Staatsanleihen wird fortgesetzt. Im Oktober 2017 stellt die EZB die Weichen für einen Ausstieg aus ihrer Billiggeldstrategie. Sie reduziert die Anleihekäufe (2018: statt 60 Mrd. nur noch 30 Mrd. €). Fraglich ist, ob 2018 der Leitzins angehoben wird. 2018 bringt sich Jens Weidmann für die Nachfolge des EZB-Präsidenten ins Gespräch (ab Herbst 2019). Im März 2019 gibt die EZB bekannt, dass angesichts der Konjunktur die Zinsen erst 2020 angehoben werden sollen. Später wird nachgeschoben, dass der Leitzins mindestens bis Mitte 2020 unverändert bleibt. Präsident Draghi bringt im Juni 2019 eine weitere Zinssenkung ins Gespräch (niedrige Preissteigerung, schlechte konjunkturelle Lage aufgrund des Handelskonflikts). Im Herbst 2019 kommt Christine Lagarde, IWF-Chefin, an die Spitze der EZB. Es wird am 12.09.19 der Einlagenzins weiter gesenkt (-0,5%). Anleihenkäufe sollen ab November 19 wieder aufgenommen werden (monatlich 20 Mrd. €, vorerst unbegrenzt). Die Sparer bleiben die Verlierer. Mehr öffentliche Investitionen wären erforderlich und damit eine größere Kreditaufnahme der öffentlichen Hand, damit die Zinsen steigen. Im Juli 2021 erhöht die EZB das Inflationsziel auf exakt 2 Prozent ("symmetrisches Inflationsziel"; vorher unter und nahe 2%, davor ab 1998 unter 2%). Der Klimawandel soll berücksichtigt werden. Im Grunde genommen ist es ein Instrument, um den Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik hinauszuzögern (von 2008/ Finanzkrise bis Mitte 2021 hat sich die Zentralbankgeldmenge versechsfacht). Die EZB bremst im September 2021 bei Anleihekäufen. Sie begründet die Drosselung mit niedrigen Zinsen und gestiegener Inflationsrate. Im Juni 2022 gibt sie bekannt, auf der nächsten Sitzung den Leitzins und den Einlagenzins auf +025% anzuheben. Die Anleihekäufe (und damit die Geldmengenausweitung) wird ab sofort eingestellt. Am 21.7.22 wir der Leitzins erstmals seit 11 Jahren wieder angehoben auf gleich 0,5%. Es wurde ein neues Anti-Krisenpaket für die Südländer ausgetüftelt:  Transmission Protection Instrument (TPI). Die EZB kann mit Anleihekäufen einschritten, wenn die Zinsen für Wertpapiere eines Landes unverhältnismäßig stark in die Höhe schnellen. Am 8.9.22 erhöht die EZB den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf das Niveau von 1,25% (historisch, weitere Erhöhungen in Aussicht). Am 27.10.22 kommt die nächste Anhebung auf 2,0%. Am 15.12.22 wird der Leitzins auf 2,5% festgesetzt. Eine weitere Erhöhung ist am 2.2.23 um 0,5 Prozentpunkte.  am 16.3.23 hebt die EZB den Leitzins auf 3,5%. Am 16.3.23 wird der Leitzins auf 3,5% angehoben. Am 2.5.23 wird der Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75% angehoben. Dann kommt eine Erhöhung auf 4,0%. Am 27.7.23 erhöht die EZB den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 4,25%. Am 14.9.23 kommt eine weitere Erhöhung um 0,25 Prozentpunkte auf 4,5%.   Die Bundesbank hat 2013 mit 4,6 Mrd. € den höchsten Jahresüberschuss seit Ausbruch der Finanzkrise erzielt. 2015 beträgt der Gewinn 3,2 Mrd. Euro. 2017 beträgt der Gewinn 1,9 Mrd. €.  2018 wird ein Gewinn von 2,4 Mrd. € an den Bundesfinanzminister überwiesen. Durch die EZB versinkt sie inzwischen eher in der Bedeutungslosigkeit. 2016 schmälern die EZB-Risiken den Bundesbankgewinn (2,1 Mrd. €). Auch 2011 überschwemmt die US-Zentralbank mit ihrem Quantitative Easing 2 (QE2) die Märkte mit Liquidität, was die Inflation beschleunigen dürfte. Für April 2011 erwägt deshalb die EZB eine Zinserhöhung (derzeit 1%). Diese kommt auch auf 1,25% und 1,5% (weitere Schritte werden 2011 erwartet). Am 03.11.11 erfolgt wieder eine Zinssenkung um 0,25 auf 1,25%. Ebenso am 08.12.2011 auf 1,0%. Später auf 0,75%. Im Mai 2013 auf 0,50%. Im November 2013 wird der Leitzins sogar auf 0,25% herabgesetzt (wie in den USA und Japan). Damit soll die Kreditaufnahme von Unternehmen und Staaten erleichtert werden. Natürlich geht es auch um eine Abwertung des Euro und um die Anregung des Konsums. Da Deutschland Nettogläubiger ist, sind die europäischen Krisenländer die Gewinner. Auch der Mindestreservesatz wird auf 1% gesenkt. Am 05. Juni wird der Leitzins sogar auf 0,15% gesenkt. Der Einlagenzins wird negativ (die Anlage von Geld bei der EZB kostet; Strafzins; -0,1%). 2021 tritt Weidmann nach 10 Jahren als Bundesbankpräsident zurück (wegen Politik der EZB?). Als Nachfolger-Favorit gilt Joachim Nagel (KfW, war auch mal bei der Bundesbank, SPD-Mitglied aus Karlsruhe, jetzt BIZ). Er wird im Dezember 21 vorgeschlagen und wird es. Neu in den Vorstand soll 2024 Lutz Lienenkämper einsteigen. Er war von 2017 bis 2022 Finanzminister in NRW.  Die britische Zentralbank hat 200 Mrd. Pfund für Briten-Bonds ausgegeben. Der britische Leitzins ist Ende 2011 bei 0,5% (obwohl Inflation bei 5%). Auch 2013 und 2014 ist der britische Leitzins bei 0,5%. Anleihekäufe werden ausgeweitet. Die Kreditregeln werden verschärft, damit sich Hauskäufer nicht zu stark verschulden. Der Schweizer Leitzins liegt 12 zwischen 0 und 0,25%. Am 30.11.2011 fluten mehrere große Zentralbanken (EZB, USA, Kanada, Japan, Schweiz, GB) die Finanzmärkte mit Geld (Liquiditätsnetzwerk gegen Schuldenkrise). Der Zinssatz für Dollar-Swaps  fällt. 2012 stößt H. - W. Sinn eine Diskussion über die Target-Forderungen der Bundesbank im Euro-System an. Diese betragen 2012 500 Mrd. €. Das Risiko für den Ausfall trägt der deutsche Steuerzahler. Nach der Finanzkrise und mit der Verschuldungskrise gerät die Unabhängigkeit der westlichen Zentralbanken in Gefahr. Dies wird besonders deutlich bei der EZB und der Fed. Man spricht auch von einem Paradigmenwechsel zur Fiskaldominanz. Entscheidend wird sein, on das Vertrauen in künftige Werthaltigkeit und die Glaubwürdigkeit erhalten werden können. 2013 erwägt die EZB sogar, Unternehmenskredite anzukaufen. Das ginge Richtung verzerrte Kreditmärkte und staatliche Investitionslenkung. Im Mai 2014 fordert der IWF eine stärkere Kooperation der Notenbanken der Industrie- und Schwellenländer. Der Brexit in Großbritannien im Juni 2016 verunsichert die Notenbanken weltweit. 2017 muss die Zentrale der Bundesbank Grund saniert werden. Insbesondere die unterirdischen Goldvorräte müssen besser abgesichert werden. Eine finanzielle Unterstützung der Stadt Frankfurt bei der Verkehrsanbindung ist umstritten. Erstmals seit 1979 überweist die Bundesbank für 2020 kein Geld an das Finanzministerium (kein Gewinn, hohe Risikovorsorge). Machtzuwachs der Zentralbanken: Ingesamt sind 2021 die Notenbanken so einflussreich wie nie zuvor. Ohne ihre Notenpresse läuft nicht mehr viel in der Weltwirtschaft. Sie wollen auch die Wirtschaftspolitik bestimmen. Vgl. Fischer, Malte: Geld. Macht. Markt, in: WiWo 34/ 20.8.21, S. 14ff. Mitte 2022 herrscht große Nervosität an den Finanzmärkten.  Investoren stellen sich auf einen langen Kampf der Notenbanken gegen die Inflation ein. Sie rechnen mit einer sehr restriktiven Geldpolitik.  "Die Aufgabe der Notenbank ist es, die Bowle wegzustellen, wenn die Party beginnt", George W. Schultz, war Reagon`s  Außenminister.

Exkurs. Die Entstehung der Zentralbanken: 1656 kam der schwedische Bankier Hans Witmacker auf die Idee, Geld aus Papier herzustellen (das machten die Chinesen schon im 13. und 14. Jahrhundert). Dies gab den Anstoß zur Entstehung der Zentralbanken, die erste in Stockholm.. Obwohl die Lizenz die Bank als private Institution etablierte, behielt die Krone die Kontrolle darüber. Die zweitälteste Notenbank ist die Bank von England. Sie wurde 1694 ins Leben gerufen. Vgl. Thomas Mayer: Das Inflationsgespenst. Eine Weltgeschichte von Geld und Wert, Salzburg/ München (ecowin) 2022, S. 51ff. Deutschland richtet die Reichsbank ein 1871 (in der Berliner Jägerstraße, später Sitz des ZK der KP). Präsident wird Rudolf Havenstein. Unter ihm explodiert die Inflation. Damit bescherte er den Deutschen ein Trauma, das ihr Verhältnis zu Gelds bis heute prägt. Die Misere beginnt mit dem 1. Weltkrieg. Neun Anleihen gab man heraus, um den Krieg zu finanzieren. Es ist ein Krieg auf Pump, den Deutschland verliert. Nach dem Krieg braucht man Geld für Reparationen. Als die nicht gezahlt werden, marschieren französische und belgische Truppen ein. Ab 2023 druckt man massiv Geld. Die ursprüngliche Golddeckung hatte man aufgegeben. Havenstein stirbt an einem Herzinfarkt. Sein Nachfolger wird Hjalmar Schacht (aus dem Finanzministerium) , der von 1934 bis 1937 Wirtschaftsminister wird. Er fixiert den Umtauschkurs zwischen Renten- und Papiermark. Vgl. Hoffritz, Jutta: Totentanz - 1923 und seine Folgen, Harper Collins 2023.

Organisation der EZB: Der EZB-Rat ist das wichtigste Beschlussorgan. Er legt die Leitlinien für die Geldpolitik des Euroraums fest. Das Direktorium (Präsident, Vizepräsident, vier weitere Mitglieder, Präsidenten der nationalen ZB der Euroländer, jeweils nur 15 stimmberechtigt, Rotation) bereitet EZB-Sitzungen vor, setzt Beschlüsse durch und führt laufende Geschäfte. Dem erweiterten Rat gehören die 28 Präsidenten aller EU-Staaten an. Im Mittelpunkt steht die Abstimmung zwischen Euro- und Nicht-Euro-Staaten. Seit Ende 2019 ist Christine Lagarde die EZB-Chefin. In der Corona-Krise stellt die Bank ein Notprogramm (PEPP) von 1,35 Billionen Euro zur Verfügung. EZB-Chefvolkswirt ist Philip Lane (Ökonom). Aus Deutschland ist EZB-Direktorin Isabel Schnabel dabei. Im Herbst 2020 steht die Bank unter Druck: niedrige Inflation, schwächere Wachstumsaussichten, Furcht vor zweiter Welle.

Zwei-Säulen-Strategie: Um Inflation und Deflation zu vermeiden, muss die EZB rechtzeitig reagieren. Hierbei greift sie mit der monetären Analyse und der wirtschaftlichen Analyse auf zwei Ansätze zurück, die auch als Säulen bezeichnet werden.

Quantitative Lockerung (Quantitative Easing - QE): Die EZB (oder vorher die Fed) "produziert" neues Geld, indem sie Staatsanleihen auf dem Markt von den Banken kauft. Das Geld soll über die Banken in den realen Markt einsickern. Das Ziel ist, die Konjunktur anzukurbeln und die Inflation zu erhöhen (im Januar 2015 erstmals Preisrückgang). Der Euro-Kurs wird nebenbei gegenüber Dollar und Yen gedrückt, was die Exportchancen verbessert. Die Staaten können sich billiger verschulden (was sie hoffentlich nicht von Strukturreformen abhält; erst einmal hat man Zeit gewonnen). Die Steuerzahler zahlen die Zeche (als Sparer und Rentner). Die Vermögenswerte steigen (Aktien, Häuser). Insgesamt gesehen wirken die Anleihekäufe also über drei Kanäle: Kredite, Vermögen und Wechselkurs. Man kann die Wirkung aber nicht gleichsetzen in den großen Industrieländern (in Großbritannien und USA positiv, in Japan negativ). So funktionieren die Kapitalmärkte in den USA anders (mehr auch auf Immobilien und Unternehmensanleihen bezogen). Die EZB setzt auf eine positive Wirkung in Südeuropa. Die Geldflut könnte das reale Bild über die ökonomischen Fähigkeiten verzerren. Ende 2015 weitet die EZB ihre Geldflut aus: Das Volumen des Anleihekaufprogramms steigt auf 1,5 Billionen Euro (Verlängerung bis März 2017). Die Strafzinsen für Geschäftsbanken werden verschärft. 2016 weitet die EZB die Anleihenkäufe aus (ab April 2016). Das Gesamtvolumen des Programms erhöht sich bis März 2017 auf 1,74 Billionen €. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Anleihenkäufe kritisch: Kompetenzüberschreitung, weil Staatshaushalte unterstützt werden (Finanzautonomie).Die Entscheidung wird zurückgestellt, bis eine Antwort vom europäischen Gerichtshof in Luxemburg vorliegt.  "Die EZB ist zum Gefangenen der eigenen Ankündigungen geworden. Ohne Not hat sie ihren letzten Trumpf ausgespielt", Martin Wansleben, DIHK-Hauptgeschäftsführer, 2015.

Kumulierte Bilanzsummen der Notenbanken: Mitte Februar 2014 hatten die wichtigsten Notenbanken der Welt eine kumulierte Bilanzsumme von 10,1 Billionen US-Dollar. Davon die Fed 4,1; EZB 3,0; Bank of Japan 2,3; Bank of England 0,7. Es fehlen die Zahlen der Bank of China. Die Bilanzsummen spiegeln die aktuelle Geldflut und Geldschwemme wider. 

Target2-System: dient der Abwicklung grenzüberschreitender Zahlungsströme in der Währungsunion. Beteiligt sind Geschäfts- und Notenbanken. Dabei werden verschiedene Zahlungsströme saldiert. Dies geschieht auf zwei Wegen. Einmal durch die Außenhandelsdefizite der  südeuropäischen Länder  (Importkredite auf Basis frischen Geldes von der EZB). Zum anderen durch Kapitalbewegungen (Kapitalflucht aus Südeuropa). Deutschland müsste ca. 15 bis 20 Mrd. Euro anfallender Verluste tragen.  Insgesamt betragen die Target-Verbindlichkeiten Mitte 2012 818 Mrd. €. Der deutsche Anteil liegt bei 349 Mrd. €. Es sind im  Wesentlichen Forderungen der Bundesbank innerhalb des Eurosystems und sonstige Forderungen. Würden die Problemländer allerdings aus dem Euro ausscheiden wären die Kosten sehr hoch. Grundsätzlich ist TARGET das Zahlungsverkehrssystem zur Durchführung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank über den Euro-Geldmarkt und für grenzüberschreitende Zahlungen innerhalb der EU. Immer mehr Politiker in Deutschland fordern ein Einschreiten der Bundesregierung beim Target-System. 2018 belaufen sich die Forderungen der Bundesbank gegen andere Notenbanken auf bald 1 Billion Euro. Das ist deutsches Auslandsvermögen. Bei der Verteilung der EZB-Gewinne sollten die Target-Salden berücksichtigt werden. Dei Bundesbank bekämme dann höhere Zuweisungen. Gefordert wird auch ein Target 3-System. Dort sollten Forderungen regelmäßig ausgeglichen und mit Sicherheiten wie Gold und Pfandbriefen hinterlegt werden. Die Diskussion um die Target - Salden reißt auch 2018 nicht ab. 1000 Mrd. Euro soll der deutsche Saldo 2018 betragen. Vgl. Winkler, Adalbert: Große Summe - großes Problem? Warum die Debatte um Target-Salden so hitzig ist, in: Wirtschaftsdienst 2018/ 10, S. 744ff.

Target-Salden Risiken: Am 5. Juni 2019 veranstaltete der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages eine öffentliche Anhörung zu zwei Anträgen der Fraktionen der FDP und der AfD zum Thema Target. Es werden Brutto- und Nettogrößen verglichen. Das "deutsche Nettoauslandsvermögen" ist ein statistisches Artefakt. Die Target - Forderungen in der Bilanz der Deutschen Bundesbank begründen keinerlei Ansprüche. Die Deutsche Bundesbank ist keine autonome deutsche Instiution. Bei den Targetforderungen handelt es sich um Positionen in einem ESZB-internen Kontensysstem. Vgl. Hellwig, Martin/ Schnabel, Isabel: Verursachen Target-Salden Risiken für die Steuerzahler?, in: Wirtschaftsdienst 8/ 2019, S. 552ff.

Anleihekäufe und einheitliche Geldpolitik in der Euro-Zone: Die Anleihekäufe ermöglicht den nationalen Notenbanken eine teilweise Geldschöpfung auf eigene Rechnung. So kann etwa Italien dieses Geld dafür einsetzen, seine Banken zu sanieren. Insofern benutzt Italien das Geld statt Steuern und Kredite. Indirekt handelt es um eine Finanzierung über die Notenpresse. Vgl. Meyer, Dirk/ Hansen, Arne: Die einheitliche Geldpolitik in der Euro-Zone ist eine Schimäre, in: WiWo 34, 16.8.19, S. 41. Also führt diese Art der Geldpolitik zu einer Staatsfinanzierung durch Geldpolitik. Dadurch wird die Trennlinie zwischen Geld- und Fiskalpolitik endgültig aufgehoben. Vgl. Afflatet, Nicolas: Staatsfinanzierung durch Geldpolitik, in: Wirtschaftsdienst 2019/8, S. 562ff.

Grunddaten der EZB: 1. Bilanzsumme: 2009 138 Mrd. €, 2015 257, 2020 569. 2. Leitzins: 2014 0,15%, 2015 0,05, 2021 0,0. 3. Inflation: Juni 2021 2,3%. 4. Geldmenge M3 in der Euro-Zone: 2020 14522 Mrd. €. quellen: EZB, Bundesbank, Destatis.

Bank of England: Die Bank von England wurde 1694 als Körperschaft gegründet. Sie ist nach der schwedischen Riksbank die zweitälteste Noten-Bank der Welt. Sie konnte zu einem niedrigen Zinssatz Finanzfonds erheben und die nationalen Schulden verwalten. 1696 wurde Isaak Newton Direktor der Münze. Er erkennt, dass Abwertungen das Vertrauen in die Währung mindern und spricht sich für die Prägung neuer Silbermünzen aus. Chef 2014 Carney. Chef 2022 Andrew Bailey. Leitzinsen 2007 vor der Weltfinanzkrise 5,0%, 2014 0,5%. Anstieg der Bilanzsumme von 2007 bis 2014 +372%. Stützungskäufe insgesamt 454 Mrd. €. Als erste große Notenbank will sie 2014 bald die Leitzinsen anheben, um die Immobilienblase im Land zu bekämpfen. Unklar bleibt, wie sich die Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Schottlands auswirken wird. Bisher lehnt die Notenbank eine Währungsunion ab. Dabei hat Schottland jetzt schon eigene Banknoten, die nicht uneingeschränkt konvertibel sind. Das konstante Wirtschaftswachstum könnte 2016 eine Leitzinserhöhung mit sich bringen. Die Situation ändert sich grundlegend durch die Brexit - Abstimmung am 23.06.16. Das Pfund bricht ein, während andere Währungen (Franken, Yen) unter Aufwertungsdruck stehen. Die ökonomischen Folgen für GB sind unabsehbar. Die britische Notenbank gilt als Bollwerk gegen den Brexit. Sie verschießt ihr Pulver in der Corona-Krise 2020: Der Leitzins wird auf ein historisches Tief gesetzt (fast Null). Jetzt muss die Finanzpolitik ran. 2002 wird der Leitzins gleich 5 mal angehoben. Doch die Inflation steigt und steigt. Auch vor allem durch die hohen Importpreise. Anfang November 2022 müssen die Leitzinsen um 0,75  Prozentpunkte erhöht werden. Zentralbankchef ist Bailey. Das Finanzministerium  hatte sich verpflichtet, der Bank of England die Verluste aus deren zu geldpolitischen Zwecken erworbenen Wertpapieren zu erstatten. Das könnte 2022 eine Belastung von 11 Mrd. Pfund sein, 2023 werden 30 Mrd. Pfund erwartet. Am 2.1.23 wird der Leitzins wohl weiter angehoben. Er steigt um 0,5 Prozentpunkte. Der Britischen Wirtschaft bleibt zu Beginn von 2023 wohl eine Rezession erspart: Schrumpfen in zwei aufeinander folgenden Quartalen. Im Juni 2023 werden die Leitzinsen  um einen halben Prozentpunkt auf 5% angehoben. Im Juli 2023 sinkt die Teuerungsrate auf 6,8%. Bei anderen Wirtschaftsdaten sieht es nicht gut aus - die Arbeitslosigkeit steigt. Im Dezember 23 fällt die IR unter 4% (Statistikamt ONS). Die Jahresrate liegt bei 3,9%.  Im August 2015 beträgt der Leitzins 0,5% (dieser Leitzins besteht seit 5.3.09; 2007: 5%). Die steigende Inflation zwingt die Notenbank den Leitzins anzuheben. Das Einkommen der Verbraucher sinkt. Der Index des Verbrauchervertrauens sinkt erheblich. Im August 2018 erhöht die britische Notenbank die Leitzinsen auf 0,75%. Die Inflation soll eingedämmt werden (über der Zielmarke von 2%). 2022 erhöht die Zentralbank fünfmal den Leitzins. Die Inflation erreicht ein 40-Jahres-Hoch mit 9,4%. Besonders stark steigen die Lebensmittelpreise. Quelle: ONS, GB.  Anfang August wird der Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf 1,75% angehoben. Die Inflationsrate liegt bei 10,1% im Juli 2022 (Quelle: Nationale Statistikamt ONS, so hoch wie seit 1982 nicht mehr). Nach dem Amtsantritt von Liz Truss fällt das britische Pfund auf einen beispiellos niedrigen Kurs im Vergleich zum Dollar. Die Bank of England sah sich gezwungen an den Anleihemärkten einzugreifen, um die Finanzstabilität zu wahren. Truss muss ihr Steuersenkungspaket begraben und ihren Finanzminister opfern. Neuer Schatzkanzler wird Jeremy Hunt. Truss ist schwer angeschlagen. Sie tritt zurück und Nachfolger wird Rishi Sunak.

Österreichische Notenbank, Wien: Sie vertritt eine kritische Haltung zur Geldpolitik der EZB. Die Niedrigzinspolitik und das Niedrigzinsversprechen der EZB sollten überdacht werden. Die Notfall-Anleihekäufe sollten eingestellt werden. "Der stimulierende Effekt ebbt ab", so der Gouverneur Robert Holzmann. Vgl. Wettach, Silke: Der stimulierende Effekt ebbt ab, in: WiWo 37, 10.9.21, S. 40f. 2023 will Holzmann, dass Geldinstitute für den Krisenfall mehr Kapital beid er EZB hinterlegen - zinslos (Mindestreserve von 5 bis 6%, 2023 1%). Er ist EZB-Ratsmitglied. Er hat zuvor für die OECD, den IWF und die Weltbank gearbeitet. Vgl. Interview in WiWo 40/ 2023, S. 44f.

Frankenkurs (Schweizer Nationalbank, SNB; Situation der Schweiz): Der Schweizer Franken (von den Schweizern liebevoll "Stutz" genannt) wird von Anlegern und Spekulanten bei den Schuldenkrisen in der EU und den USA als "Fluchtwährung" benutzt (Anleger, die das Risiko scheuen, lieben die Schweiz als Sicherheit). 2007 bekam man für einen Euro noch 1,65 Franken, 2011 waren es zeitweise nur ca. 1 Franken. Die Exportindustrie der Schweiz hat große Schwierigkeiten (Exportquote 54%). Mehr als die Hälfte der Schweizer Exporte gehen in den Euroraum. Als EFTA-Mitglied hat die Schweiz immer die Zoll-Vorteile der EU genutzt. Sie wollte nicht Mitglied in der EU werden, um nicht Nettozahler zu werden und Freiheiten aufzugeben.  Am 06.09.11 muss die Schweiz den Franken an den Euro koppeln. Die Schweizer Nationalbank setzt einen Mindestkurs von 1,20 Franken zu einem Euro. Um dieses Kursziel durchzusetzen muss sie Devisen, insbesondere Euro, kaufen. Würde sie dies nicht tun, käme es zur Auswertung und Rezession. Voraussichtlich bleibt auch das Wirtschaftswachstum hinter den Erwartungen zurück (2011: 1,9%; 2012: 1,3%). Unter dem hohen Kurs leiden auch Hunderttausende von Osteuropäern, die ihre Kredite in Franken aufnahmen. Der Steuerstreit mit der EU kann beigelegt werden, auch eine Annäherung an die USA erfolgt. Es soll ein Steuerabkommen zwischen Deutschland und  der Schweiz geschlossen werden. Grundprinzip ist die Wahrung des Bankgeheimnisses bei automatischer Erhebung der Steuern. Das Abkommen steht Mitte 2012 vor dem Aus. Vielleicht wäre es besser, den Druck auf die Steueroasen insgesamt zu verstärken. 2012 scheint die Schweizer Wirtschaft der Krise zu trotzen. Die Schweiz hat enorme Wettbewerbsvorteile und begann früh mit der Globalisierung (Nestle, Swatch, Novartis). Auf der anderen Seite ist sie ein Hort für Schwarzgeld (2200 Mrd. € von ausländischen Kunden, wobei ca. die Hälfte nicht versteuert ist). Am 09.02.14 findet eine Volksabstimmung über eine Änderung des Abkommens mit der EU über Einwanderung und Arbeit statt. Die Mehrheit stimmt knapp dafür, dass Kontingente eingeführt werden. Damit wird auch die Zuwanderung aus Deutschland begrenzt (binnen drei Jahren ein Gesetz; 23% bzw. 8 Mio. sind Ausländer; die größten Einwanderergruppen sind Italiener und Deutsche). Ende 2014 stimmt die Schweiz noch mal über die Begrenzung der Einwanderung ab (die Öko-Bewegung liefert die Argumente). Die Schweiz ist eng mit der EU verbunden: 56% aller Exporte gehen in die EU; 75% der Importe kommen von der EU. Die Schweiz ist quasi im EU-Binnenmarkt (über ein Abkommen zwischen EU und Efta). Ende 2014 führt die Schweiz auf Einlagen der Banken bei der Zentralbank erstmals in der Geschichte Negativzinsen ein (0,25%), um den Kurs des Franken gegenüber dem Euro stabil halten zu können. Am 15.01.14 gibt die Notenbank (SNB) den Mindestkurs auf (vorher umfangreiche Verkäufe des Franken, um den Kurs zu halten). Auch die Zinsen werden weiter gesenkt. Daraufhin fällt der Euro sowohl zum Franken (0,86) als auch zum Dollar (1,16). Am Schweizer Aktienmarkt kam es zu riesigen Tagesverlusten (Maschinenbau, Uhren- und Pharmaindustrie werden die großen Verlierer sein). Die Deutsche Bank hat alleine Verluste von 130 Mio. Euro. Viele Spekulanten wurden kalt erwischt (vor allem Hedgefonds). Der Franken ist gegenüber den Weltwährungen massiv überbewertet. Das Vertrauen in die Schweizer Notenbank ist erschüttert. Der Wert des Franken hat sich um ca. 20% erhöht. Der aufgewertete Franken bringt Osteuropa in Bedrängnis. Viele Fremdwährungskredite verteuern sich (vor allem Kroatien betroffen). In der Schweiz reagieren die Unternehmen mit Lohnkürzung, Jobverlagerung und Preissenkung. Die  Konsumenten aus der Schweiz stürmen deutsche Onlinestores. Implizit ist die Schweiz mittlerweile zu einer Wechselkursbindung zurückgekehrt (?). Die dauernden Leistungsbilanzüberschüsse und das Nettoauslandsvermögen (Fremd-Währungs -denominiert) sorgen für einen permanenten Aufwertungsdruck. Wahrscheinlich findet die Schweiz zu einer festen Bindung an den Euro in absehbarer Zeit. Im ersten Quartal 2015 hat die SNB -30 Mrd. Franken aufzuweisen. Die WK-Verluste liegen bei 41,1 Mrd. Franken. Im ersten Halbjahr 2015 macht die SNB einen Fehlbetrag von 50,1 Mrd. Franken (47,2 Mrd. €). Zunehmend leiden europäische Banken am Franken. Sie haben in bestimmten Ländern Kredite in Franken gewährt. Die Länder erwägen einen Zwangsumtausch in Landeswährung (z. B. Polen). Die Banken in der Schweiz bekommen auch zunehmend Probleme durch die Steuerbereinigung. 120 Mrd. Franken sind aus diesem Grunde seit 2010 abgeflossen. Die Margen sinken und der Regulierungsaufwand steigt. Nach dem "Frankenschock" sind viele Produkte im Ausland weniger gefragt (Uhren, Schmuck, Präzisionsinstrumente). Zu den größten Verlierern gehört die Tourismusbranche. Das BIP dürfte 2015 stagnieren. Ende Januar 2016 verliert der Franken stark an Wert (1 Euro 1,11 Franken). Wahrscheinlich ist die SNB mit im Spiel (Einfluss über Devisenhandel). Nach dem Brexit am 23.06.2016 kommt es zu einem Höhenflug des Franken. Die Schweizer Notenbank stemmt sich mit Interventionen am Devisenmarkt dagegen. 2017 will die Schweiz mit der EU einen Rahmenvertrag über die Beziehungen abschließen. Die22 Schweiz hat bereits über Verträge Zugang zum EU-Binnenmarkt. Nach den USA und China ist sie der drittgrößte Handelspartner der EU. 2017 zeigt sich, dass die Schweiz den Franken-Schock besser als erwartet weggesteckt hat (2015 und 2016 wuchs die Wirtschaft noch moderat). 2018 stimmen die Bürger über ein Experiment ab: Das Recht zur Geldschöpfung soll allein bei der Notenbank liegen (Einführung des Vollgeldes). Die Abstimmung ist am 10. Juni 2018. Die Schweizer Notenbank achtet ab 2019 verstärkt auf Klimawandel. Durch die Corona-Krise wird der Franken stärker ("Fluchtwährung", "Sicherer Hafen"). Dann ändert sich das Bild. Am 27.1.22 beträgt der Wechselkurs je Euro 1,0392 sfr. Bald könnte ein Euro nur noch einen Franken wert sein. Deutschland bleibt das wichtigste Exportland 2020 (8,3%) vor den USA, China, Italien und Frankreich.  Im März 2022 interveniert die SNB stärker zur Schwächung des Frankens am Devisenmarkt. Im April 2022 beginnt die Schweizer Neutralität zu wanken. Der Ukraine-Krieg lässt viele Eidgenossen grübeln. Munition will die Schweiz wegen der Neutralität nicht liefern. Dei Bundeswehr will nicht abhängig sein und Rheinmetall soll mehr in Deutschland produzieren. 2023 macht die Schweizer Nationalbank 3 Mrd. Franken Verlust. Sie schüttet damit kein Geld aus.  "In der Schweiz will niemand, der noch alle Tassen im Schrank hat, in die EU", Ueli Maurer, Verteidigungsminister der Schweiz 2012. Einige Kommunen in NRW haben Kredite in Schweizer Franken aufgenommen. Statt Geld zu sparen wird es jetzt richtig teuer. Probleme haben auch mittlerweile die Schweizer Unternehmen. So bricht der Gewinn bei Roche ein. Im ersten Quartal 2015 sinkt das BIP gegenüber dem Vorquartal um -0,2% (erstmals Schrumpfung seit 2011; 2014 noch + 2,0%; Kurs Mai 2015: für 1 Euro 1,03 Franken). Mittlerweile zeigen sich Mitte 2015 zwei andere dramatische Folgen: Der Euro wird zur Parallelwährung. 72% der Schweizer Unternehmen streichen Arbeitsplätze wegen der Aufwertung des Franken.   Zum 31. März 2016 hat die Schweizer Nationalbank eine Bilanzsumme von 634,6 Mrd. Euro. Der Wert der gekauften Aktien an US-Unternehmen beträgt 55,3 Mrd. €. Im April 2017 legt die Apothekenfirma Galencia Sante ein starkes Debüt an der Schweizer Börse SIX hin. Ende 2017 kauft die Notenbank (SNB) einen Papierlieferanten (Firma Lanqart mit 250 Mitarbeitern, stellt auch Geldscheine her). 2018 wächst die Wirtschaft der Schweiz kräftig. Grund ist die Nachfrage aus dem Ausland (größte Märkte Deutschland und USA). Im Mai 2019 stimmen die Schweizer in einer Volksabstimmung für die Verschärfung der Waffengesetze. Damit akzeptiert die Schweiz auch die schärferen Waffenregeln der EU.

Zentralbank der Türkei: Im September 2020 erhöht die Zentralbank den Leitzins deutlich um 2,0 Prozentpunkte auf 10,25 %. Das ist eine Trendwende. In letzter Zeit seit September 2019 gab es nur Zinssenkungen (damals Leitzins bei 19,75%). Die türkische Lira fällt auf ein Rekordtief im Oktober 2020 (7,955 gegenüber Euro, 9,3662 zum Dollar; ein Drittel seit Jahresanfang; Probleme für Haushalte und Unternehmen; Devisenreserven verschwinden). Doch geht noch tiefer: Neuer Rekord im November 2020 (1€ = 10,18 Lira). Das entspricht einem Plus des Euro von 60% binnen Jahresfrist. Der Zentralbank-Chef wird entlassen. Kurz darauf tritt der Finanzminister zurück (Schwiegersohn Erdogans). Internationale Anleger ziehen Milliardensummen ab. Der Investitionsstandort Türkei nimmt schweren Schaden. Neuer Zentralbankchef wird im November 2020 Naci Agbal. Er soll Einfluss auf den Präsidenten haben. Die Kriege in Syrien, Libanon, Libyen und Aserbaidschan sind teuer. Steigende Zinsen würden Konsum und Investitionen drosseln. Erdogan nimmt 2021 die Zentralbank an die kurze Leine. Daraufhin werden die Zinsen mehrmals gesenkt. Die Niedrigzinspolitik ist umstritten. die Lira schwächelt total. Am 1. Dezember 21 sinkt die Lira auf einen neuen Tiefststand: 16 Lira für einen Euro (WK 6,46; 0,08 $ 29.11.21). Der Leitzins der Zentralbank steht bei 15%. Die Teuerungsrate beträgt 20%. Erdogan wirkt, als stünde er am Ende seiner Kräfte. Die nächsten Wahlen sind 2023. Wenn Erdogan bis dahin durchhält, könnte es der teuerste Abschied in der Geschichte der Türkei werden. Mitte Dezember 2021 kommt es zu einem weiteren Eingriff der Zentralbank: Nach dem Lira-Verfall verkauft man Dollar-Reserven. Die schwache Lira treibt den türkischen Export in Rekordhöhen; auch die Touristen freuen sich. Umgekehrt ist der Effekt für die deutschen Exporteure. Der Euro wertete gegenüber der Lira 2021 um 14,6% auf. Das dämmt die deutschen Exporte in die Türkei. Ein teures Maßnahmenpaket bringt Ende 2021 eine Erholung für die türkische Lira. Erdogan lässt verbreiten, dass in der Stadtverwaltung in Istanbul Terroristen arbeiten. Er will den Bürgermeister madig machen, der von der Gegenpartei ein Konkurrent sein könnte. Im Vergleich zur US-Währung hat die Lira 2021 um 44% abgewertet. Der Kursverfall spiegelt den Vertrauensverlust des Finanzmarktes gegenüber Erdogans Politik wider. Erdogan kündigt den Besuch in Saudi-Arabien an. Die wirtschaftlich angeschlagene Türkei will die Beziehungen normalisieren (rote Liste, Schulschließungen). Die Türkei braucht konkrete wirtschaftliche Zusagen (Investitionen). Wenn das System in der Türkei zusammenbrechen sollte, droht Massenemigration. 2022 gibt es Währungsexperimente mit Nebenwirkungen. Der türkische Staat sichert Wechselkursrisiken von Lira-Anlegern ab. Immer mehr Sparer nutzen das Konstrukt. Der Lira-Kurs ist stabil. Trotzdem geht viele Geld verloren. 2023 wird Hafize Gaye Erkan neue Notenbankchefin. Sie muss dringend die Lira stabilisieren. Sie erhöht gleich den Leitzins auf 15%, was aber kaum Auswirkungen hat. Eine zweite Erhöhung kommt im September 23 auf 25%. Dadurch verteuern sich die Kredite. Es könnte eine Rezession kommen. Bis Jahresende wird trotzdem noch eine Inflation von bis zu 60% erwartet, für 2024 noch über 30% (Prognose). Anfang 2024 gerät die Zentralbankchefin  Hafice Gaye Erkan ins Zwielicht. Es wird der Vorwurf der Vetternwirtschaft erhoben. Für Vater und Mutter gibt es Büros in der Zentralbank. Im Januar 2024 erhöht die Zentralbank den Leitzins auf 45% (Anstieg um 2,5 Prozentpunkte). Im Jahr 2023 betrug die Inflation 65%. Die türkische Zentralbank bekommt die Preissteigerung nicht unter Kontrolle. Notenbankchefin Hafize Gaye Erkan tritt im Januar 24 zurück (auch wegen der Korruptionsvorwürfe). Nachfolger wird Fatih Karahan. Die Lira ist auf einem neuen Rekordtief.  "Wir sind im Kampf gegen jene, die die Türkei durch fesselnde Zinssätze, Devisenkurse und Inflation zur Kapitulation zwingen wollen", R. T. Erdogan, Präsident der Türkei, im November 2020.

Zentralbank Norwegens: Sie betreut auch einen der größten Staatsfonds der Welt. Er geht auf die hohen Energievorkommen Norwegens zurück. Ab September 2022 sollt der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (vorher lange Regfierungschef in Norwegen) Chef der Notenbank werden. Wegen des Ukraine-Krieges wird sein Mandat aber verlängert. Vorübergehend übernimmt Ida Wolden die Leitung der Zentralbank. Das Mandat von Stoltenberg soll noch mal verlängert werden.

Kapitalschlüssel: Die EZB verfügt über ein Grundkapital, damit sie unabhängig agieren kann. Die Höhe des Anteils eines Landes richtet sich nach der Größe im Verhältnis zur EU (jeweils zur Hälfte Bevölkerung und BIP). Deutschland kommt 2014 auf einen Schlüssel von 17,9973%. Der Schlüssel wird alle fünf Jahre neu berechnet zum 1. Januar. .

Geldinnovationen und -reformen seit dem Zweiten Weltkrieg: Schon 1944 wird in Bretton Woods in den USA eine neue Weltwährungsordnung mit festen Wechselkursen eingeführt mit dem IWF und der Weltbank. 1947 fließt US-Kapital nach Deutschland (Marshallplan) und Japan (Clarkplan). In der Währungsreform 1948 wird die Reichsmark durch die Deutsche Mark ersetzt nach einer Hyperinflation. 1960 wird mit Diner`s Club die erste Kreditkarte eingeführt. 1962 gibt es Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten wegen Mauerbau und Cuba - Krise.  1979 wird das EWS gegründet. 1986 werden die Provisionen im Wertpapiergeschäft und die volle Computerisierung des Handels eingeführt. 1990 beginnt die deutsch-deutsche Währungsunion. 1997 beginnt die Asienkrise. 2008 mit dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers wird eine Weltwirtschaftskrise eingeläutet. Die Zentralbanken der Welt erschaffen seit der Finanzkrise 1,5 Billionen €.  "In einem Produktionssystem, wo der ganze Reproduktionsprozess auf Kredit beruht, wenn da der Kredit plötzlich aufhört und nur noch bare Zahlung gilt, muss augenscheinlich eine Krise eintreten, ein gewaltiger Andrang nach Zahlungsmitteln", Karl Marx, Das Kapital, 3. Band, 1894.

Aktuelle Geldpolitik 2015 und später: Das Thema Deflation scheint Mitte 2015 erledigt zu sein. Auf mittlere Sicht kann man wieder 2% Inflation anstreben (harmonisierter Verbrauchsgüterindex). Die Messung der Inflation bleibt umstritten. Es gibt so etwas wie eine "Zukunftsgüterinflation" jetzt schon (Vermögensblasen, asset-prices). Die Transmission der geldpolitischen Instrumente bleibt relativ intransparent: Das hängt erstens mit den kurzfristigen Aktionen zusammen (Fixed Income Trading,  Intraday-Volatility). Zweitens ist das Anlegerverhalten in der Praxis weiterhin hoch komplex (Home Bias, Selbstüberschätzung, Herdenverhalten).  Die strukturellen Probleme im Euroraum sind nicht geklärt: Flexibilität der Arbeitsmärkte, signifikante Anpassung der Lohnstückkosten, Verlust an Produktionskapazität. Die Banken haben sich weitgehend von den Griechenlandrisiken befreit. Weiterhin problematisch ist, dass die Banken für Staatsanleihen keine Eigenkapitalunterlegung brauchen. So Joachim Nagel, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, auf einer Volkswirte - Tagung im Juni 2015 in Nürnberg. Am 16.12.2015 läutet die amerikanische Zentralbank Fed die Zinswende nach fast 10 Jahren ein: Erhöhung des Leitzinses auf das Niveau zwischen 0,25 und 0,50 %. Die EZB senkt aber die Zinsen weiter, am 10.03.2016 auf ca. 0,0%. Auch die Fed muss 2016 wegen verhaltener Wirtschaftsdaten Zinserhöhungen aufschieben. Diese kommen aber dann und setzen sich 2017 fort (auf zuletzt 0,75 bis 1,0%). Geldpolitische Entscheidungen kündigt die EZB erst für das zweite Halbjahr 2017 an. Der IWF erwartet im April 2017, dass in der EU erst in vier Jahren eine Kerninflation von 2% erreicht wird. Im Oktober 2018 werden dann aber schon 2,2% Inflation in der Euro-Zone erreicht, der höchste Stand seit 6 Jahren. Die Impulse der lockeren Geldpolitik laufen auch aus. Das stellt mittlerweile 2018 eine Belastung der Euro-Wirtschaft dar. Der Chefvolkswirt Peter Praet warnt im Januar 2021 vor einem schwierigen Ausstieg aus der Geldpolitik. Er mahnt, Regierungen und Märkte müssten sich rechtzeitig aus steigende Zinsen einstellen. "Eines Tages werden wir eine neue schwere Finanzkrise bekommen, und dann könnten wir negative Zinsen von minus sechs oder minus fünf Prozent brauchen, um schnell aus der Krise zu kommen", Kenneth Rogoff, Ökonom, früherer Chefökonom des IWF. 2021 im September legt das ZEW/ Mannheim (Heinemann, Jan Kemper) eine Studie über das Verhalten der EZB vor: Die EZB steht unter Verdacht, nicht mehr unabhängig in ihren geldpolitischen Entscheidungen zu sein. Sie habe zu wenig Interesse an der Preisstabilität. Sie kaufe zu viele Staatsanleihen von Euro-Ländern. 

Price Level Targeting (PLT): Die niedrigen Zinsen sind vor allem eine Folge der Demographie in den Industrieländern. Wegen der zunehmenden Lebenserwartung sparten die Menschen verstärkt fürs Alter; das hohe Kapitalangebot drücke den natürlichen Zins  (bei der die Wirtschaft mit normaler Auslastung ihrer Kapazitäten wächst und das Preisniveau stabil ist) gegen null. Die Zentralbanken werden daher gezwungen, ihre Leitzinsen den Marktzinsen anzupassen. Drohe eine Rezession, müssten sie den Leitzins unter den natürlichen Zins und damit unter null Prozent drücken, um die Konjunktur zu stützen. Dann gibt es ein Problem: Bei negativen Zinsen fliehen die Menschen ins Bargeld, und die Banken in eine Krise. Eine höhere Inflation könnte dieses Problem lösen. Genau hier setzt das PLT - Konzept an. Die Idee geht auf den ehemaligen Fed - Chef Ben Bernake zurück. Die Inflation dürfe auch mal den Zielwert von 2,0% überschreiten. Jahre mit zu niedriger Inflation dürften durch Jahre mit hoher Inflation ausgeglichen werden. die Mensche antizipieren das und ziehen in der Flaute geplante Käufe vor und kurbeln so die Konjunktur an.

Transmission Protection Instrument (TPI): Effektive Transformation der Geldpolitik in der eU. Normalisierung der Rahmenbedingungen. Kritik: 1. Realzins langfristig relevant. 2. Zinskanal nur eine runter vielen. 3. Wechselkurs. Vgl. Tilman, Peter: Europäische Zentralbank: Transmission Protection Instrument, in: Wirtschaftsdienst 8/2022, S. 578.

Remissen/ Geldtransfers: Geld, das Migranten in ihre Heimatländer (Familien, Freunde) schicken. In Regel läuft das von reichen Ländern in arme Länder. Das betrifft etwa 270 Mio. Migranten. 2019 erreichten die Remissen den Rekordwert von 554 Mio. Dollar (höher als DI). Das ist oft auch der einzige Grund, warum man das Heimatland verlässt. Für 2020 wird ein Rückgang um 20% von der Weltbank vorausgesagt. Das kann gravierende Auswirkungen auf Unterkünfte, medizinische Versorgung und Essen haben. Die Corona-Krise verschärft damit die globale Krise. Hauptgrund ist, dass die Migranten ihre Jobs verlieren. Quelle: Interview mit Weltbank-Ökonom Dilip Ratha, in: Der Spiegel Nr. 20, 9.5.20. Deutschland zählt 2020 neben den USA, Saudi-Arabien un der Schweiz zu den Ländern mit den größten Summen, die nach Hause überwiesen werden. 2018 waren es nach einer Analyse der Deutschen Bundesbank 5,1 Mrd. €. Der größte Teil, 800 Mio. €, floss in die Türkei, gefolgt von polen (468 Mio. €) und Rumänien (400 Mio. €). die wichtigsten Empfänger sind europäische Staaten - mit einer Ausnahme: Syrien (fast 200 Mio. €). Unklar ist noch, ob durch Corona die Überweisungen steigen oder fallen. Vgl. Böhm, Andrea u. a.: Dollars für die Heimat, in: Die Zeit Nr.1, 30 12.2020, S. 6f.

Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin): In der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 (im Oktober 2008 auf dem Höhepunkt der Finanzkrise) gegründet als staatliche Organisation (erster Chef J. Sanio, neu Elke König). Anträge auf Stabilisierungshilfe (Bankenrettung) können Finanzunternehmen mit Sitz in Deutschland stellen. Für Garantien stehen 400 Mrd. € und zur Rekapitalisierung und Risikoübernahme 70 Mrd. € zur Verfügung. Diese soll die Liquidität und das Vertrauen in die Banken sicherstellen. Die betreffenden Institute müssen eine angemessene  Eigenkapitalausstattung haben. Vorsitzender ist Hannes Rehm (Staatssekretär im Finanzministerium). Die SoFFin ist auch zuständig für die Befreiung der Bilanzen der Banken von so genannten toxischen Papieren. Mitte Juni 2009 wird das Volumen auf 230 Mrd. € beziffert. Favorisiert wird das Modell der "Bad Banks". Umstritten ist die Nachhaftungsregelung (zugeschnitten auf die Eigentümer der Landesbanken, insbesondere die Sparkassen). 2009 hat der Soffin 650 Mio. € Überschuss. Durch die Übernahme der HRE gerät er jedoch danach tief in die roten Zahlen. 2009 macht die Soffin 4 Mrd. € Verlust. Insgesamt half die Soffin den Banken mit Stillen Einlagen, Aktienkauf und Anleihegarantien. Die Soffin soll auch die Verwaltung des neuen Bankenfonds übernehmen, in die Banken einen Teil ihrer Gewinne als Krisenvorsorge zahlen (Bankenabgabe). 2013 soll die Soffin dann durch den Bankenfonds abgelöst werden. 2012 erzielt der Fonds einen Überschuss von 580 Mio. € (erstmals schwarze Zahlen). Der gescheiterte Verkauf der Depfa sorgt dann für Unruhe. Ein unterlegener Bieter beschwert sich in Brüssel.  "Die Politiker werden uns einmal mehr beruhigen wollen. Wir werden hören, man habe alles unter Kontrolle. Aber die Weltwirtschaft ist außer Kontrolle geraten. Und zwar in einem Maß, das sich vielleicht noch immer unserer Vorstellungskraft entzieht", Paul Krugman, Nobelpreis 2008. "Retten ist leider kein lukratives Geschäft", Hannes Rehm, Chef des Soffin.

Kapitalströme und Zahlungsbilanz: In der Zahlungsbilanz (-statistik) spiegeln sich die internationalen Transaktionen wider. Theoretisch unterscheidet man zwischen der Leistungsbilanz (wichtigster Bestandteil Handelsbilanz) und der Kapitalbilanz. In der Leistungsbilanz misst man die wirtschaftlichen Transaktionen mit dem Ausland. Exportiert ein Land mehr als es importiert entsteht ein Leistungsbilanzüberschuss. Ein Leistungsbilanzdefizit bringt einen Nachfrageüberschuss nach Devisen mit sich. Zur Leistungsbilanz rechnet auch die Dienstleistungsbilanz. In der Kapitalbilanz werden die Kapitalströme abgebildet, die zur Angleichung der Zinsdifferenz zwischen Ländern fließen und die ihre Ursache in den Unterschieden im internationalen Spar- und Investitionsverhalten haben. Ein Überschuss in der Kapitalbilanz entsteht, wenn ein Land weniger investiert als es anspart. hier werden auch die Direktinvestitionen erfasst. Die Zahlungsbilanz in Deutschland erstellt die Deutsche Bundesbank. Seit 2009 (Krisenjahr) hat Deutschland  Leistungsbilanzüberschüsse (von 140 Mrd. € 2009 auf 200 Mrd. € 2014).

Devisen: Devisen sind ausländische Währungseinheiten, aus Sicht der Europäer, z. B. US-Dollar. Vgl. Thieß Petersen, Fit für die Prüfung: Außenwirtschaft, Konstanz/ München 2013, S.195. Werden ausländische Währungseinheiten von inländischen Wirtschaftsakteuren nachgefragt, spricht man von Devisennachfrage. Sobald ausländische Währungseinheiten von ausländischen Wirtschaftsakteuren angeboten werden, handelt es sich um Devisenangebot. Der Handel auf dem Devisenmarkt ist das größte Segment im Finanzsystem. Gleichzeitig ist es das lukrativste für die Banken und das am wenigsten regulierte. Am Devisenmarkt bildet sich durch Angebot und Nachfrage der Wechselkurs bzw. der Devisenkurs. Daneben gibt es eine Reihe weiterer Einflussfaktoren (besonders wichtig Spekulation). Der schwache Eurokurs Anfang 2015 (1,19) hilft den Exporteuren. Am 08.01.15 fällt der Euro mit 1,17 sogar unter den Einführungskurs (nach der Aufgabe der Kursbegrenzung des Franken am 15.01.15 sogar bei 1,16). Der Ölpreisverfall trägt ebenfalls zum Konjunkturaufschwung bei.

Wechselkurs (Wk): Der Kurs, zu dem eine Währung auf den Devisenmärkten gegen eine andere umgetauscht wird (Preis auf dem Devisenmarkt). Insofern bestimmt der Wechselkurs das Tauschverhältnis zwischen zwei Währungen. Er kann in einer Mengen- oder Preisnotierung angegeben werden. Es gibt eine Reihe von damit verbundenen Spezialbegriffen: bilateraler Wk - Bedingungen für den Tausch zweier Währungen; effektiver Wk - Index, der den durchschnittlichen Wert des Wk gegenüber einer Reihe von Währungen angibt; realer  Wk - Verhältnis eines Betrages, was man in einem Land kaufen kann im Vergleich zu einem anderen; nominaler Wk - Austauschverhältnis zweier Währungen (je eine Einheit). In einem System fester Wechselkurse treten die Zentralbanken zusätzlich als Anbieter und Nachfrager auf dem Devisenmarkt auf.  Im Januar 2015 sackt der Euro zum Dollar sogar auf 1,11 ab (tiefster Stand seit 11 Jahren). Ursachen sind der Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB und die Wahl in Griechenland. Im Juli 214 gibt es eine Debatte in der EU über den Wechselkurs. Die Industrie fordert einen billigeren Euro. Paris will handeln, Deutschland nicht. Zusammen mit dem niedrigen Ölpreis sorgt der Wechselkurs zu Beginn von 2015 für einen Konjunkturaufschwung in Deutschland. Der Wechselkurs des Euro zum Dollar nähert sich immer mehr einem 1: 1 an. Der Wechselkurs des Dollar hat für viele Länder eine große Bedeutung. Sie haben sich in Dollar verschuldet. Die Schulden sind umso höher, je stärker der Dollar bewertet ist. In der EU verstärkt sich die importierte Inflation. Sie belastet Konsumenten und Unternehmen (Vorleistungen).

Wechselkurs als unabhängige und abhängige Variable: Vom Wechselkurs hängen maßgeblich die Exportchancen ab, d. h. eine Abwertung einer Währung begünstigt den Export und verteuert den Import. eine erklärung der Wechselkursbestimmung liefert die Kaufkraftparitätentheorie. Vgl. zu dieser Theorie und zu den anderen Theorien den Abschnitt Globalökonomik auf der Seite "Economics/ special" .

Ab- und Aufwertung einer Währung: Abwertung ist der Rückgang des Wertes einer Währung gemessen an der Menge an ausländischer Währung, die man mit einer Einheit inländischer Währung erwerben kann (s. Mankiw u. a.: Volkswirtschaftslehre, Stuttgart 2015, S. 497). Aufwertung ist der Anstieg des Wertes einer Währung gemessen an der Menge an ausländischer Währung, die man mit einer Einheit inländischer Währung kaufen kann (ebenda, S. 498). Vgl. zu einer ausführlichen Analyse der Thematik "Globalökonomik" auf der Seite "Economics/ special".

Gemeinsamer Währungsraum (Währungsunion): Ein abgegrenztes Gebiet (geographisch), in dem ein einziges Geld als Tauschmittel im Umlauf ist (z. B. Euro-Raum in der EWWU).

Vorteile einer gemeinsamen Währung: Die Vorteile einer gemeinsamen Währung liegen in der Verringerung von Wechselkursschwankungen, Beseitigung von Transaktionskosten und dem Abbau von Preisdifferenzierung. Verstärkt werden diese Vorteile durch eine hohe Handelsintegration (hohes Handelsvolumen zwischen den Ländern). Die Risiken einer gemeinsamen Währung bestehen in der fehlenden Möglichkeit zur Abwertung (Korrektur von schwacher Wettbewerbsfähigkeit) und im fiskalischen Föderalismus (Zwang zur Unterstützung, Trittbrettfahrer).

Price Level Targeting (PLT): Die niedrigen Zinsen sind vor allem eine Folge der Demographie in den Industrieländern. Wegen der zunehmenden Lebenserwartung sparten die Menschen verstärkt fürs Alter; das hohe Kapitalangebot drücke den natürlichen Zins  (bei der die Wirtschaft mit normaler Auslastung ihrer Kapazitäten wächst und das Preisniveau stabil ist) gegen null. Die Zentralbanken werden daher gezwungen, ihre Leitzinsen den Marktzinsen anzupassen. Drohe eine Rezession, müssten sie den Leitzins unter den natürlichen Zins und damit unter null Prozent drücken, um die Konjunktur zu stützen. Dann gibt es ein Problem: Bei negativen Zinsen fliehen die Menschen ins Bargeld, und die Banken in eine Krise. Eine höhere Inflation könnte dieses Problem lösen. Genau hier setzt das PLT - Konzept an. Die Idee geht auf den ehemaligen Fed - Chef Ben Bernake zurück. Die Inflation dürfe auch mal den Zielwert von 2,0% überschreiten. Jahre mit zu niedriger Inflation dürften durch Jahre mit hoher Inflation ausgeglichen werden. die Mensche antizipieren das und ziehen in der Flaute geplante Käufe vor und kurbeln so die Konjunktur an.

Modern Monetary Theory (MMT): Eine Regierung, die in der eigenen Währung Kredite aufnimmt, kann nicht zahlungsunfähig werden. Sie kann so viele Banknoten drucken lassen, wie sie für die Bezahlung ihrer Verbindlichkeiten benötigt. Einige Befürworter der Theorie rechtfertigen auf Basis des Konzeptes exzessive Staatsausgaben. Sie ignorieren die Probleme hoher Staatsverschuldung. Substanziell neu sind die Erkenntnisse nicht. Sie werden auch eher von Politikern zur Rechtfertigung genutzt. Vgl. Beck, Hanno/ Prinz, Aloys: Wie revolutionär ist die Modern Monetary Theory? in: Wirtschaftsdienst 2019/6, S. 415ff. In den USA wollen die Vertreter dem Weißen Haus Zugang zur Notenpresse verschaffen. Das könnte nach der nächsten Wahl zügig eingeleitet werden. In den USA ist Stephanie Kelton eine der Protagonistinnen der Theorie (The Deficit Myth). Sie spricht von einer "kopernikanischen Wende". Der Staat könne so viel Geld drucken wie er wolle. Der Staat sei der "monetäre Souverän". Mit Steuern könne er nur ein Teil seines Geldes wieder einziehen. In den USA hat diese Richtung viele Anhänger unter den Demokraten. Ein Wahlsieg könnte einen Schulden - Tsunami zur Folge haben. Es gibt viele Kritiker dieser Theorie. Man spricht von "modernem monetären Unsinn" oder "Voodoo-Ökonomik unserer Zeit" (Rogoff, Summers, USA). In Deutschland gehört H. W. Sinn zu den Kritikern: Der Geldüberhang lande in der "Liquiditätsfalle"  und überschuldete Staaten müssen vor steigenden Zinsen geschützt werden. Eine etwaige Inflation könnte durch eine Rückführung der Geldmenge nicht mehr gezügelt werden. Vgl. Sinn, H. W.: Zerstörung der Inflationsbremse, in: HB 4.1.2021, S. 10. Als geistiger Urheber der Theorie gilt ein Deutscher: Georg Friedrich Knapp (geb, 1842): Staatliche Theorie des Geldes, Berlin 1905. Kritiker waren Keynes und Schumpeter. 2022 hat die Theorie auf die Stagflation keine Antwort. Sie würde die Inflation noch befeuern. Vgl. Heissler, J./ Losse, B.: "Diese Illusion ist zerplatzt", in: WiWo 33/12.8.22, S. 36f. Sehr kritisch zu dem Ansatz: Fendel, Ralf/ Schmidt, Andre: Verglüht der Stern der Modern Monetary Theory, in: Wirtschaftsdienst 1/ 2023. "Wenn sie Politikern die Notenpresse aushändigen, ist es eine Frage der Zeit, bis die Inflation steigt - mögen die Politiker am Anfang noch so große Schwüre leisten, sie nur im besten Sinne zu bedienen", Otmar Issing, ehemaliger Chefvolkswirt der EZB und Professor in Würzburg. Quelle: WiWo 31/26.7.2019, S. 24. "Die Hysterie um Haushaltsdefizite ist vorbei", Stephanie Kelton, Stony-Brook-Uni New York, eine der führenden Vertreterinnen der MMT. Sie kämpft gegen Schuldenbremsen. Quelle: WiWo 44, 23.1020, S. 38.

"Ich frage mich, ob wir in der Makroökonomie wirklich mehr wissen als vor 25 oder 50 Jahren", Clive Granger, San Diego, Ökonomie-Nobelpreisträger 2003, in der Wirtschaftswoche, Nr. 1/2, 2007, S. 40.

 

 

"Die Vorurteile eines Professors nennt man Theorie", Mark Twain, US-Schriftsteller (sehr scharfsinnig: Ökonomie kann sich nie ganz von der gesellschaftlichen und zeitlichen Umgebung lösen, hier hatte K. Marx mit seiner These des Überbaus recht).

 

Albrecht Dürer Haus in Nürnberg. Dürer (Zeitgenossen Luther, Melanchthon, Fugger, Götz von Berlichingen) ist wahrscheinlich der berühmteste deutsche Künstler in der Welt. Er bildete unter anderem das Nashorn ab (auch einen Walrosskopf 1521), ohne es je selbst in Natura gesehen zu haben. Sein letztes Werk, das zu Lebzeiten von Dürer erscheint, ist die "Unterweisung der Messung" von 1525.  Die "Vier Bücher von menschlicher Proportion" erschienen posthum 1528.  Damit kehrte Dürer nach Venedig zu Luca Pacioli zurück. Am bekanntesten sind wahrscheinlich die "Betenden Hände" (bekannt auch sein Selbstbildnis). Im Mittelalter (15. und 16. Jahrhundert) war Nürnberg das Zentrum des deutschen Handwerks, Handels und Mittelstands. Nürnberg war die zweitgrößte Stadt im deutschsprachigen Raum nach Köln und freie Reichsstadt. Jeder neu gewählte König musste hier seinen ersten Reichstag abhalten. Alle Könige waren mehrmals in Nürnberg. Über diese Stadt liefen fast alle wichtigen Handelsstraßen in Deutschland der damaligen Zeit (dadurch auch mit der ganzen damals bekannten Welt vernetzt; insofern galt Nürnberg als Knotenpunkt der nördlichen Verlängerung der Seidenstraße). Deshalb wurden auch nahezu alle damals bekannten Handwerksberufe in größerem Ausmaß benötigt. Im Mittelalter war das Handwerk der wirtschaftliche Mittelstand. Mittlere mittelständische Industriebetriebe gibt es erst seit der industriellen Revolution. Die Stadt wurde des "Deutschen Reiches Schatzkästlein" gerühmt. Während der Blütejahre lebten hier berühmte Künstler wie Albrecht Dürer (siehe oben), Adam Kraft, Veit Stoß, Peter Vischer, Hans Sachs u. a. Im Mittelalter waren die Handwerker die KMU. Sie produzierten Möbel, Werkzeuge, Fliesen und Fliesenboden (gegen Ratten), Transportmittel, Waffen und vieles mehr. Die wichtigsten Berufe waren: Herbalist (Pflanzenheilmittel), Schmied, Schreiber, Knappe (Diener des Ritters), Rattenfänger (Ratten verbreiteten Krankheiten, Pest), Barbier, Hofnarr (Unterhaltung), Herold (Wappen), Spinnerin. Einige Namen sind noch heute berühmt und man findet Produkte bei Funden und Ausgrabungen. So z. B. der Nürnberger Waffenschmied Ulrich Feurer (1416 auf der Einwohnerliste). Die Waffen fand man auf der "Gribshunden" vor der Küste der Insel Stora Ekön (Flaggschiff eines Dänenherrschers). Dürer war nicht nur einer der größten deutschen Künstlergenies. Er war auch ein Zeitzeuge, der in Briefen, Tagebüchern und Aquarellen seine Zeit beobachtete. Es war die Umbruchzeit zwischen Mittelalter und Neuzeit. Vgl. dazu aktuell: Romedio Schmitz-Esser: Um 1500. Europa zur Zeit Albrecht Dürers, wbg Darmstadt 2023.

Mittelstandsökonomik (Kleine und mittlere Unternehmen/KMU, Entrepreneurship: Innovation, Finanzierung/ Steuern, Managerial Economics bzw. Entrepreneurial Economics, Familienunternehmen; in diesen Bereich werden auch immer mehr die Grundlagen der BWL eingebaut und mit der VWL integriert; insofern Allgemeine BWL/ Business Economics/ Business Administration; Internationales Management/ International Business):

Gliederung: Die Bedeutung von Unternehmen und die Wissenschaft für Unternehmen, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft,  Definitionen/ Grundlagen/ Konzepte, Empirische Erhebungen/ Daten, Personal/ Arbeitsmarkt, Management/ Organisation, Digitalisierung/ IT, Werteorientierung/ Umweltmanagement, Marketing/ Internationalisierung, Produktion/ Logistik/ Energie, Branchen, Controlling/ Rechnungswesen, Finanzierung, Gründung, Steuern, Innovation/Investition, Mittelstandspolitik/ Umfeld/ Rahmenbedingungen, Industrie- und Mittelstands-Psychologie. (Die Veranstaltungen dazu, die aktuell angeboten werden oder die ich mal als spezielle Vorlesung gemacht habe, sind fett gedruckt). Vgl. auch:  Erfolgsmodell Mittelstand! Die mittelständische Struktur der deutschen Wirtschaft als Grundlage des ökonomischen Erfolges Deutschlands. Viele Vertiefungen dieser betriebswirtschaftlichen Bereiche finden sich bei Economics/ special. Dahinter steht die ganzheitliche Perspektive einer Managerial Economics.

 

Die Bedeutung von Unternehmen und die Wissenschaft für und von Unternehmen: Betriebswirtschaftslehre/ BWL:

Unternehmen sorgen für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen und hängen von der Zufriedenheit ihrer Kunden ab. Dies wird manchmal auch verkürzt als Definition der Ökonomie genommen: "Economics is the study of the production and distribution of goods and services". Dienstleistungen, die die Wirtschaftsstruktur moderner Länder prägen (Dienstleistungssektor vor Industrie und Landwirtschaft), haben eigene Gesetzmäßigkeiten im Preis- und Qualitätsmanagement. Das wirkt sich bis in die Besteuerung aus. Von der Fähigkeit, Waren und Dienstleistungen zu produzieren, hängt der Lebensstandard eines Landes weitgehend ab. Die Trennung von Arbeit und Kapital (Unternehmen) wird oft als gegeben vorausgesetzt, obwohl sie Gegenstand der Analyse sein muss (z. B. ein wichtiger Punkt bei Karl Marx). Gleichartige Unternehmen von der Produktion her werden zu Branchen zusammengefasst. Immer wichtiger werden heute Unternehmen, die Informationen und Wissen produzieren oder Dienstleistungen dafür bereitstellen (Google, Apple, Amazon; chinesische Gegenunternehmen Tencent, Baidu, Alibaba). In der digitalen Welt droht eine Dichotomisierung (USA, China). In der ersten Phase der Digitalisierung ging es in erster Linie um Informationen, in der zweiten um Produkte, heute steht die Kombination von Infos und Produkten im Mittelpunkt.

Investitionen und Innovationen, die von Unternehmen getätigt werden,  sorgen für Dynamik und erhöhen den Erfolg, der mit Ressourcen zu erzielen ist. Dieser wird in Gewinn gemessen und kontrolliert. Hauptträger von Investitionen und Innovationen sind die kleinen und mittleren Unternehmen (in öffentlichen Haushalten die kleinsten Einheiten, die Kommunen). Das Innovationsmanagement wird zu einem immer wichtiger werdenden Standortfaktor und Indikator der Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Mit Innovationen müssen die führenden Industrieländer ihren technologischen Vorsprung und ihren Wohlstand sichern. Der Schutz geistigen Eigentums fördert Innovationen. Bildung ist nicht nur für Innovationen notwendig, sondern steigert auch den Lebensstandard. Investitionen bestimmen den Wechsel zwischen Gipfel und Talsohle, was als Konjunktur angesehen wird. Viele Innovationen waren in den letzten 250 Jahren nur auf der Grundlage der fossilen Energieträger (Kohle, Öl, Gas) möglich. Die entscheidende Frage ist, was passiert, wenn diese Energieträger zur Neige gehen? Die Digitalisierung macht das Internet zum wichtigsten Produktionsfaktor heute. Das Internet beeinflusst entscheidend die Entwicklung der übrigen Produktionsfaktoren (z. B. Produktion 4.0). Plattformen werden zu einer wichtigen, vielleicht sogar entscheidenden, Grundlage. Die nächste wichtige Phase wird durch das Metaversum geprägt werden. Unternehmen können dann virtuell abgehandelt werden.

Unternehmen befriedigen aber  nicht nur Konsumbedürfnisse. Sie schaffen Arbeitsplätze und Einkommen, Sie verbessern unsere Lebensqualität. Sie tragen in hohem Maße zu den staatlichen Einnahmen, den Steuern, bei. Die Wissenschaft in und für Unternehmen ist die Betriebswirtschaftslehre (BWL).

 

Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft (BWL, wissenschaftstheoretische und -soziologische Betrachtung; Gegenstand; Gliederung):

Die strikte Trennung von Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre ist eine Besonderheit im deutschsprachigen Raum. Im angelsächsischen Kulturraum spricht man von Economics und meint erstmal beides. Business Economics wendet die Theoreme und Methoden dann auf Unternehmen an. Business Administration ist die reine  Verwaltung bzw. das Management von Unternehmen in der Praxis. Man geht aber von einer gemeinsamen Grundlage aus. Im deutschsprachigen Raum wurde die gemeinsame Grundlage einst in der Mikroökonomik deutlich: Wenn man in das Standardlehrbuch der BWL von Wöhe reinguckt, erkennt man die Gemeinsamkeiten leicht, vor allem in der Produktionstheorie. Die Mikroökonomik hat aber heute den wissenschaftlichen Anschluss etwas verpasst, trotz neuerer Entwicklungen wie Industrieökonomik (sie ist durchaus in Zügen  formalisiert und  ideologisch geprägt).

Durch die letzten Krisen der Weltwirtschaft (Finanzkrise, Klimakrise, Produktionskrise, Corona-Krise, Ukrainekrise, Rohstoffkrise, Flüchtlingskrise) ist eine paradoxe Situation entstanden: Die Volkswirtschaftslehre verliert an Boden in der Wissenschaft und an den Hochschulen, weil sie oft erklärungsleer geworden ist (manchem auch zu schwierig, vor allem an angewandten Hochschulen). Die BWL kann die Lücke nicht schließen. Die Betriebe brauchen aber dringend Studenten, die mehr über die Weltwirtschaft, die Umwelt, die Digitalisierung und die globalen Zusammenhänge wissen. Das übertriebene Effizienzdenken auf  Kosten der Resilienz und Nachhaltigkeit gerät zunehmend in die Kritik. Immer mehr Hochschulen werben mit Abschlüssen in nachhaltiger Betriebswirtschaftslehre. Dei Angebote unterscheiden sich stark. sie müssen sich auch gegen den Vorwurf des Etikettenschwindels wehren ("Greenwashing im Hörsaal?"). "Es passt nicht zusammen, dass wir das Gefühl haben, unsere Wirtschaft müsse sich ändern, dei BWL aber auf dem Stand von vor 20 Jahren ist", Dodo zu Knyphausen-Aufseß. Siehe WiWo 25/ 17.6.22, s. 92ff.

Der Inhalt der BWL ist sehr wichtig, weil sie mit fast einer Viertelmillion Studierenden das mit Abstand beliebteste Studienfach in -Deutschland ist (2023  250.000). Betriebswirtinnen und Betriebswirte finden schneller einen Job als andere Akademiker und sie verdienen im Durchschnitt mehr Geld. Sie haben auch eine große Chance auf Karriere. BWL soll die Fähigkeiten vermitteln, Unternehmen zu führen und zum Erfolg zu verhelfen. BWL ist sicher kein Verlegenheitsfach. Man kann mit Herzblut seinen Interessen und Talenten optimal folgen. Die Abbrecherquote ist vergleichsweise gering.

Im Jahre 2016 findet wieder eine intensivere Diskussion über den Inhalt und das Konzept der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (ABWL) im deutschsprachigen Raum statt. Vgl. Köhler, Richard: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre - ein tragfähiges Konzept? , in: DBW 6/16, S. 131ff. In der gleichen Ausgabe: Backhaus, Klaus/ Carlsen, C: Das Allgemeine in der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre, S. 424ff. Im Jahre 2021 erscheint sogar ein Buch, das die Erneuerung der BWL mit 16 Thesen angeht: 1. Weniger sind mehr (Studierende). 2. Weniger sind mehr (Universitäten). 3. Departments sind besser als Lehrstühle. 4. Mehr ist besser (Forschung). 5. Anwendungsorientierte vs. theoretische Forschung? Beides! 6. "Rigor" ist wichtig - aber Relevanz auch! 7. Graduiertenschulen sind der bessere Weg zur Promotion! 8. Incentives sind wichtig - und sollten erweitert werden! 9. "Rigor" zählt - auch in der Lehre! 10. Neue Themen sind wichtig. Fächerübergreifend. 11. Für eine neue Didaktik - Frontalunterricht war gestern! 12. Analog bleibt wichtig - die Universität als Wissensort! 13. Lehre ist wichtig! 14. Englisch ist die bessere Sprache! 15. Bücher sind wichtig! 16. Die steile These zählt!  Siehe Schwenker u. a.: Erfolgsfaktor Betriebswirtschaftslehre BWL? BWL! Was sie leistet und warum wir sie brauchen, München (Vahlen) 2021, S. 127ff.

Meine Inhalte hier stellen eine Mischung von Mittelstandsökonomik und ABWL dar und sind stark subjektiv geprägt von eigenen Erfahrungen. Das Hauptbetätigungsfeld von Betriebswirten sind nicht börsennotierte Konzerne, sondern Familienunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen/ KMU sowie Start-ups. BWL und VWL werden und müssen auch in Zukunft noch stärker zusammenwachsen und auf Probleme lösen ausgerichtet werden. Auf die Folgen von Digitalisierung muss stärker eingegangen werden, ebenso mehr auf den Klimawandel und den Machtkampf zwischen den USA und China (Globalisierung, Decoupling). All das versuche ich, im Folgenden umzusetzen und das erklärt die starken Abweichungen von Standardlehrbüchern (die oft größtenteils veraltet sind bzw. das Lehrbuch hat als Medium eher bald ausgedient). Vgl. auch Jörg Rocholl, Aus zwei mach eins, in: Wirtschaftswoche 27/ 30.6.2017, S. 42.  Die BWL sollte also mehr über den Tellerrand schauen: Auch medizinisches Wissen sollte mehr integriert werden, ebenso wie mehr Energiewissen. Hinzu kommt eine Beschäftigung mit Ethik, Informationswesen, Wertschöpfungsprozesse. Dies zeigt die Corona-Krise 2020. Die praxistaugliche Theorie des Unternehmens sollte weiter entwickelt werden.  Vgl. Friedl, Gunther (Dekan der TU München) und Hutszenreuther (TU München), Schaut über den Zaun, in: die Zeit Nr. 28, 2. Juli 2020, S. 35.

Die klassische BWL scheint auch in einer Sinnkrise zu sein. Sie ist zu wenig praxistauglich, vor allem im Hinblick auf Gründen und Digitales. IT - Kenntnisse müssen sehr verstärkt vermittelt werden. Routineaufgaben wie Controlling, Teile der Personalwirtschaft und des Marketings werden zukünftig von Maschinen übernommen werden. Folge könnte ein BWL - Prekariat sein. Auch dem versuche ich mit der innovativen Konzeption Rechnung zu tragen. Vgl. Guldner/ Losse/ Scmidt: Bedingt praxistauglich, in: Wirtschaftswoche 43/ 13.10.17, S. 18ff. Ganz negativ zur BWL vgl. Axel Gloger: Betriebswirtschaftsleere, 2016. Buchführung muss vielleicht sogar gar nicht mehr gelernt werden, weil die IT besser ist. Auf jeden Fall ist das BWL-Studium an vielen Hochschulen heute rückständig. Digitalisierung muss das A und O sein. Zumindest müssen die Studenten wissen, was mit IT - Technologie möglich ist und wo die Grenzen liegen. deshalb habe ich dafür extra eine ganze Site eingerichtet (Mercator/ digital). Vgl. Reintjes, Dominik: Jetzt kommen die besseren BWLer, in: Wiwo 38/ 17.9.21, S. 90f.

Die WiWo bringt im Januar 2019 eine Liste der forschungsstärksten Betriebswirtschaftsprofessoren im deutschsprachigen Raum: Es führen Helmut Krcmar, TU München und Nils Boysen, Uni Jena vor Martin Bichler, TU München. Vgl. WiWo 4 18.1.2019, S. 40. Grundlage waren die 860 Fachzeitschriften. Die Rangliste der forschungsstärksten Unis in BWL führen die Universität St Gallen/ Schweiz vor der TU München und der WU Wien an. Vgl. WiWo 50, 4.12.20, S. 48. Bei der Erhebung der Wirtschaftswoche 2020 (51, 11.12.2020) gewinnt Nils Boysen von der Uni Jena als forschungsstärkster Betriebswirt im deutschsprachigen Raum (Operations Management, logische Prozesse über Algorithmen). Bei den forschungsstärksten Betriebswirte unter 40 Jahre liegt Christoph Glock von der TU Darmstadt an der Spitze (Optimierung der Lagerhaltung, Wertschöpfungsketten). Beim Lebenswerk erreicht Christian Homburg von der Uni Mannheim den ersten Platz (Marketing). Beim Ranking der Universitäten für Betriebswirtschaftslehre führt 2022 München (LMU) vor Mannheim, und Köln. Vgl. WiWo Nr. 17/ 22.4.22, S. 18. 2022 kommt eine neue Rangfolge. Den ersten Platz der Ranfolge hat nun Patrick Velte aus Lüneburg vor Sascha Kraus (FU Bozen). Bei den Jungstars unter 40 Jahren führt Martin Jacob von der WHU Koblenz/ Vallendar. Vgl. WiWo 16.12.22, S. 40f. 2023 ist das Ranking in Betriebswirtschaftslehre der CHE am bekanntesten. Vgl. Die Zeit 20/ 11.5.23, S. 34. Auch die WiWo veröffentlicht ihr Ranking weiter. Es ist allerdings zu pauschal. Es kommt immer auf die Schwerpunkte und Fächerkombinationen an. In BWL führt die LMU München genauso wie in VWL. Vgl. WiWo 20/ 12.5.23, S. 18. Bei den Fachhochschulen führt die HTW Berlin vor Reutlingen. Vgl. Ebenda, S. 20.

Die BWL in Deutschland müsste folglich dringend erneuert werden: 1. Das Bild des Betriebswirts in der Gesellschaft muss aufpoliert werden. Er gilt oft als skrupelloser Profit - Maximierer. 2. Die Struktur an Hochschulen mit Lehrstühlen ist hoffnungslos veraltert. 3. Das föderale deutsche Bildungssystem gleicht einem Flickenteppich. Es führt nicht mehr zu mehr Wettbewerb, sondern zur Ausbildung von Betriebswirten als Fachidioten, die nicht mehr "über den Tellerrand hinausschauen können". Im Wettbewerb mit den USA, Japan und China werden andere Ökonomen gebraucht. Vgl. Siegers, R.: Die BWL erneuern, in: HBM Juni 2019, S. 48ff. 4. An den deutschen Hochschulen wird in der BWL zu viel auswendig gelernt, wobei das eigenständige Nachdenken auf der Strecke bleibt. Theorie hilft, denken zu lernen. Fallstudien helfen, Entscheidungen zu trainieren und zu fragen, ob sie auch in Zukunft gelten. Vgl. Interview mit Burkhard Schwenker, Ex - Ceo von Roland Berger Unternehmensberatung, in: HBM März 2021, S. 70ff. Des.: Drei Forderungen an die BWL der Zukunft, in: WiWo 15/ 9.4.21, S. 10. Vgl. auch: Walgenbach, Peter: Die BWL muss sich weiter verwissenschaftlichen, in: ZBW-News Open Science Magazin, April 2022.  Der Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaftslehre feiert 2021 den 100. Geburtstag.

Die Leistungs- und Erfolgsmessung in der BWL sowie in der ganzen Wirtschaftswissenschaft ist nicht unproblematisch. Man setzt zu sehr auf bestimmte Fachzeitschriften. "Wissenschaftler werden heute an der Zahl ihrer Publikationen in fünf US-Fachzeitschriften gemessen - und nicht daran, was sie mit ihren Arbeiten erreicht haben. Das gilt nicht nur in den USA, sondern auch in Asien und Europa", James Heckman, Ökonomie-Nobelpreisträger.

Die Betriebswirtschaftslehre sollte systematisch ihr mangelndes Werteverständnis angehen. Es herrscht eher Verwirrung darüber, was Werte eigentlich sind. Die Ursachen liegen auch hier in falschen Studienordnungen, die keine philosophischen Grundlagen mehr enthalten. Dazu haben die angewandten Hochschulen (Fachhochschulen) einen großen negativen Beitrag geleistet. Ein Werteversprechen ist Grundlage jeden Geschäftsmodells. So muss auch die BWL sagen, was eigentlich ihr Wert ist und welche Werte sie vermitteln will. Sie kann nicht einfach nur Pragmatismus betreiben mit Werten wie Geld und Effizienz  und sehen, ob ihre Absolventen einen Job bekommen. Hinter den rein ökonomischen Kriterien müssen Werte erkennbar sein wie z. B. Gemeinschaft, Nachhaltigkeit, Zufriedenheit. Abgemildert spricht man von "Purpose" oder "Vision/ Mission". Apple zum Beispiel ist heute eines der wertvollsten Unternehmen der Welt (vom Börsen- also Marktwert her). Der Gründer Steve Jobs folgte drei Werten: Schönheit, Perfektion und Einfachheit. Er war inspiriert von der Kalligrafie, der japanischen Kultur und wollte etwas besonders machen. Diese Werte gingen direkt in die technische Entwicklung ein. Vgl. Spiekermann, Sarah: Digitale Ethik. ein Wertesystem für das 21. Jahrhundert, München (Droemer) 2019.

Die betriebswirtschaftliche Denkweise wird immer wieder mit dem ökonomischen Prinzip verbunden. Maximum - Prinzip: Bei gegebenem Mitteleinsatz soll ein maximales Ergebnis erzielt werden. Minimum - Prinzip: Mit minimalem Mitteleinsatz soll ein bestimmtes Ergebnis erzielt werden.. Optimum - Prinzip: Es soll ein möglichst günstiges Verhältnis zwischen Mitteleinsatz und Ergebnis realisiert werden. Weiterhin ist eine betriebswirtschaftliche Denkweise dadurch gekennzeichnet, das bei allen Entscheidungen Kosten-Nutzen-Abgleiche eine wichtige Rolle spielen. Mittlerweile geht es aber nicht mehr allein um Optimierung und Kostenreduktion. Der forschungsstärkste Betriebswirt 2022 Patrick Velte forscht über Nachhaltigkeitsberichte und Greenwashing. Vgl. Wiwo 16.12.22, S. 26.

Produktionsfaktoren sind eine zentrale Grundlage der BWL (Gutenberg gliederte die BWL danach; ähnlich noch Albach): Inputs in den Produktionsprozess. Mindestens sind Arbeit, Kapital und Boden (Rohstoffe, Umwelt) zu nennen. Manchmal wird noch das Humankapital (zwischen Arbeit und Kapital) und der dispositive Faktor (Management) erwähnt.  In der Economics in China wird der Produktionsfaktor "Boden" aufgeteilt in Material Force (Bodenschätze), Freight Force (Infrastruktur), Natural Force (Natur), Time Force (Zeit). Eine solche Präzisierung würde auch der Ökonomie bei uns gut tun. Daneben stehen normal Labor Force und Capital Force. Durch Künstliche Intelligenz entsteht einen neue Produktionsfunktion. Der Output als abhängige Variable ist eine Funktion der unabhängigen Variablen Daten, Kapital, Arbeit. KI macht Daten zum dritten Produktionsfaktor. Die Daten sind rückgekoppelt mit Kapital und Arbeit. Der Output hat eine Interdependenz mit Daten, Arbeit und Kapital. KI kombiniert Kapital und Arbeit, KI definiert das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit neu. Die industrielle Ordnung (vertikale Wertschöpfungsketten) wird durch die digitale Ordnung ersetzt (hybride Unternehmen mit Kollaboration und Integration). Vgl. Vöpel, Henning: Wie künstliche Intelligenz die Ordnung der Wirtschaft revolutioniert, in: Wirtschaftsdienst 2018/11, S. 828ff.

In Deutschland hat man in der Regel die funktionelle Gliederung der Betriebswirtschaftslehre. Sie beruht auf der Einteilung betrieblicher Probleme nach den Funktionen, wie sie sich aus dem betrieblichen Umsatzprozess ergeben. Dem entspricht auch im Wesentlichen die folgende Gliederung. Sie enthält auch Elemente einer genetischen Gliederung (z. B. Gründungsphase). Die institutionelle Gliederung (Industrie, Banken, Versicherungen u. a.) spielt hier bei mir kaum eine Rolle.

"Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun", Johann Wolfgang von Goethe.

 

Definitionen und Grundlagen (Begriffe, Konzepte, Häufigkeiten, Unternehmenstypen, Rechtsformen, Familienunternehmen, Unternehmertum; KMU- bzw. SME-Abgrenzungen)

KMU-Definition: EU: bis 249 Mitarbeiter und Umsatz bis 50 Mio. € oder Bilanzsumme bis 43 Mio. €. Von diesen Kriterien hängen spezielle Fördergelder bestimmte bürokratische Vorschriften ab. Wirtschaftsministerium und IfM - Bonn: bis 499 Beschäftigte und bis 50 Mio. € Umsatz. Der BDI versucht beide Definitionen zu verändern, um die Fördergrenze auf 1000 Beschäftigte anzuheben. International gibt es weitere verschiedene Abgrenzungen.

Reform der KMU-Definition in der EU: 2018 arbeitet die EU an einer Revision der KMU-Definition. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs verlangt dies. Man will von quantitativen Kriterien abkehren und hin zu qualitativen Kriterien wie "Eigentümergeführt" und "hohe Kapitalquote". Unternehmen bis 3000 Beschäftigte sollen in eine eigene Kategorie kommen und "Mid-Cap" heißen.

Familienunternehmen: Keine allgemeingültige Abgrenzung. Merkmale: Kopplung Familie - Unternehmen; Einfluss der Familie; Generationen übergreifend (nachhaltig). Das IfM-Bonn hält die Kriterien Eigentum und Leitung in Verbindung für notwendig: Danach sind 95% aller deutschen Unternehmen Familienunternehmen (41% des Gesamtumsatzes, 16% Eigenkapitalquote). Weitere Punkte: Die Firma ist kein Business, sondern eher Lebenszweck. Ziel ist der Erfolg vor Geld. Hinzu kommt die besondere Beachtung der Mitarbeiter, und das Hören auf die Kunden. die emotionale Bindung ist ein Anker. Mittlerweile werden alle Familienunternehmen auch als Mittelstand definiert ohne Berücksichtigung der Beschäftigtenzahl (anders nur bei Unternehmen, in denen Besitzer und Geschäftsführer nicht identisch sind). Vgl. Klein, S. B.: Familienunternehmen, Wiesbaden 2004. Inhabergeführte Unternehmen sind keineswegs generell erfolgreicher. Wenn die Kinder das Ruder übernehmen, geht es oft bergab. Die beiden mächtigsten Familien ("Clans") in Deutschland sind Piech und Klatten/Quandt. Ihnen gehören nicht nur die Automobilfirmen (VW, BMW), sondern auch viele andere Unternehmen (Altana, Nordex, SGL Carbon, Datacard, Gemalto). Die Aktien der Familienunternehmen schlagen in den letzten Jahren den DAX. Die Organisation der Familien ist in ihrer Durchdachtheit mit Firmenorganisationen vergleichbar (z. B. Familie Henkel: Gesellschafterausschuss, Familienbesprechungen, Familienkomitee, Henkel Family Office für Finanzen). Familienunternehmen waren in den letzten Jahren ein Jobmotor. Hier sind besonders viele Arbeitsplätze in der Industrie entstanden: Die 4700 größten Firmen (mindestens 50 Mio. € Jahresumsatz) stellten zwischen 2012 und 2015 im Schnitt rund 7% neue Mitarbeiter ein (Quelle: BDI/ Deutsche Bank 2016). Die meisten großen Familienunternehmen hat NRW (1195) vor Bayern (914) und Baden-Württemberg (830). Das sind zwei Drittel aller großen Familienunternehmen. Gemessen an der Einwohnerzahl hat Hamburg die meisten Familienunternehmen.  Das größte nicht börsennotierte Familienunternehmen in Deutschland ist nach dem Umsatz (2010) die Schwarz-Gruppe (Lidl) vor Aldi, Haniel (Metro) und der Merkle-Gruppe. Mittlerweile (2015) liegt VW an der Spitze (202 Mrd. €). Dann folgen Heraeus, Bertelsmann und Boehringer Ingelheim. Vgl. auch Sabine B. Rau: Erneuern oder verkaufen, in: Handelsblatt, Mo. 29.12.2014, S.48: Die Autorin nennt drei Bausteine zur Überlebensfähigkeit: 1. Entrepreneurial legacy und Innovation; 2. Ausbildung, Lehr- und Wanderjahre; 3. Experimentieren der jüngeren Generation. Der Einfluss der Familien geht oft über einzelnen Unternehmen hinaus. Berühmt ist etwa die schwedische Familie Wallenberg. Sie ist zum Synonym für Schwedens Wirtschaft geworden. Sie  hat Einfluss auf fast alle Unternehmen in Schweden. Aber sie steht auch für patriarchalisch geprägte soziale Verantwortung, "Tatsächlich sind jedoch große familiengeführte Unternehmen, bei denen die Familienmitglieder noch in der Geschäftsführung aktiv sind, rentabler als managergeführte Unternehmen und das unabhängig von der konjunkturellen Lage, wie eine unserer aktuellen Studien anschaulich belegt: Hierfür waren im vergangenen Jahr erstmals die Bilanzdaten von 3.723 großen Familienunternehmen mit denen von 2.852 großen managergeführten Unternehmen im Zeitraum zwischen 2008 und 2012 verglichen worden. Als große Unternehmen galten in dieser Studie solche mit einem Jahresumsatz von mindestens 50 Millionen Euro". s. Jutta Gröschl/ ifm-Bonn, Vorteil Familie, in: Handelsblatt, am 16.02.2015, S. 48. In Deutschland gilt die Familie Quandt als eine der einflussreichsten (Stefan Quandt hält allein 25,8% der Stammaktien von BMW, viertgrößter Konzern Deutschlands; auch Eigentümer von Solarwatt, Kiwigrid, BHF-Bank, Logwin, Entrust Datacard). 2015 führt die Schwarz-Gruppe bei den Familienunternehmen sowohl bei Umsatz als auch bei Mitarbeitern. 2018 sind die vier umsatzstärksten Familienunternehmen in Deutschland (inhaberkontrolliert): VW, Lidl, Kaufland, BMW. 20 der 119 wichtigsten Familienunternehmen in Deutschland sind an der Börse. Vgl. Heidbreder, Stefan/ Mohnen, Alwine: Der Unternehmer muss sichtbar sein, in: FAZ Nr. 68, Montag 22. Märt 2021, S. 16. Vier DAX-Konzerne zählen zu Familienunternehmen: Volkswagen, Beiersdorf, Henkel, Merck. Familienunternehmen sind ein wichtiger Job-Motor. Supermarktbetreiber schufen in den letzten Jahren die meisten Stellen. Quelle: IfM, Mannheim. 

Größte Familienunternehmen in Deutschland: Die größten Familienunternehmen spielen laut eines Kennzahlen-Updates  der Forschungsreihe "Die größten Familienunternehmen in Deutschland", die das IfM-Bonn für die Deutsche Bank und den Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) durchführt, weiterhin eine zentrale Rolle für die deutsche Volkswirtschaft: Obwohl sie nur etwa 0,1 Prozent der insgesamt 3,47 Millionen Unternehmen in Deutschland ausmachen, betrug beispielsweise ihr Anteil am Gesamtumsatz aller Unternehmen im Jahr 2015 rund 23 Prozent. Zudem stellten sie mehr als jeden fünften (21 Prozent) der insgesamt 28,82 Millionen Sozialversicherten Arbeitsplätze in Deutschland. "Langfristiges, nachhaltiges Denken ist Dreh- und Angelpunkt für die Unternehmen. Gerade Familienunternehmern ist schon jetzt generationenübergreifender Erfolg wichtiger als kurzfristiger Gewinn", Annette Klein, Hochschule Koblenz (Quelle: WiWo 8, 14.2.2020, S. 48).

Börsennotierte Familienunternehmen: Sie haben in den letzten zehn Jahren (2009 - 2018) eine deutlich höhere Gesamtkapitalrendite  erwirtschaftet als Nicht-Familienunternehmen. Dabei weisen sie im Schnitt einen Return of Assets (Betriebsergebnis im Verhältnis zur Bilanzsumme) von vier Prozent auf. Der Wert liegt ansonsten bei 2,1%. Auch der Return of Equity wurde erhoben (Jahresüberschuss in Relation zum Eigenkapital). Daneben gibt es ein stärkeres Beschäftigungswachstum. Je stärker der Einfluss der Gründerfamilien in den  Familienunternehmen ist, desto stärker treten die positiven Effekte hervor. Quelle: Studie der TU München (Achleitner, Braun, Kaserer) 2019, im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen, Grundgesamtheit sind die Unternehmen des CDax. Als Familienunternehmen wird klassifiziert, wer die Kriterien Family Founding Definition (FFD) erfüllt. Dafür muss die Gründerfamilie noch mindestens 25% der Anteile halten oder im Vorstand oder im Aufsichtsrat vertreten sein.

Definition Familienunternehmen: Als Familienunternehmen wird klassifiziert, wer die Kriterien Family Founding Definition (FFD) erfüllt. Dafür muss die Gründerfamilie noch mindestens 25% der Anteile halten oder im Vorstand oder im Aufsichtsrat vertreten sein. Das strengere Substancial Family Influence (SFI)-Konzept hat folgende Kriterien: Anteil an den Stimmrechten, der Anteil an den Vorstandsposten und der Anteil an den Aufsichtsratsposten in der Summe muss mindestens 50 Prozent betragen.

Familienkontrollierte und Eigentümergeführte Familienunternehmen: Bei ersterer Gruppe gehört ein Großteil der Firma eine rkleinen Zahl von Personen. die Firma wird von denen nicht notwendigerweise geleitet. Bei der Teilgruppe Eigentümergeführte Unternehmen kontrolliert die Familie nicht nur, mindestens ein Familienmitglied leitet sie auch.

Family-Office: Hilft Familienunternehmen ihre Vermögensanlage zu managen. Es hat eine Schnittstellenfunktion zwischen Familie und ihrem Vermögen. Man unterscheidet zwischen Single Family Office (SFO) und Embedded Family Office (EFO). Letzteres ist eine informelle kaum institutionalisierte Organisation, die in das Unternehmen eingebunden ist. Das SFO ist eine rechtlich selbständige und hoch institutionalisierte Organisation. Die Kosten und Effizienz beider Formen hängen von folgenden Einflussfaktoren ab: Familienkomplexität, Ausgeglichenheit der Nachfrage nach FO-Diensten, Wissen um sensible Daten der Familie, Investment Know-how der Familie. Vgl. Gaska, Michael: Das Family Office: Fluch oder Segen? in: Clobal Investor 02/ 2016, S. 54 ff.

Familien - Governance: Regelt das Funktionieren der Familienunternehmen und auch die Freiräume. Es geht um Interessenausgleich in der Familie und Führung des Unternehmens. Entwickelt sich kontinuierlich weiter. In der Regel ist die Kontrolle über das eigene Unternehmen am wichtigsten.

Beirat: Immer mehr Unternehmen lassen ihre Geschäftsführer von einem Beirat kontrollieren. Manche Beiräte sind auch gesetzlich vorgeschrieben, zum Beispiel aus Gründen der Mitbestimmung. Wenn die Familienstämme breiter werden, braucht man einen Ausgleich: Der eine Stramm der Familie stellt den Geschäftsführer, der andere den Beiratsvorsitz. Es sollte aber immer die Kompetenz entscheiden, nicht Verwandtschaft oder Seniorität. Den Gremien fehlt es häufig an digitaler Expertise. Vgl. Höhmann, Ingmar: Im Dienste der Familie, in: HBM, Juni 2021, S. 10f.

Familienbonus: Viele Familienunternehmen verlieren mit der Zeit ihre Identität. Der Bruch entsteht, wenn das Eigentum an die Erben übergeht. Sie ziehen sich oft aus dem operativen Geschäft zurück und sind nur über Gewinnausschüttungen mit der Organisation verbunden. Eigentümer sollten aber gemeinsam ihre Werte definieren und diese dann auf das Unternehmen übertragen. Eigentümerfamilien sollten ihre Geschichte, ihre Werte und ihre langfristige Vision offensiv in der Öffentlichkeit kommunizieren. Vgl. Schwass, J./ Glemser, A.-C.: Wise Family Business, Palgrave 2016.

National Bank Vermögenstreuhand GmbH - Family Office: NBVT. Soll Werte, Nachhaltigkeit für Generationen schaffen. Unternehmen: www.nbvt.de . Multi Family Office. Planung und umsetzung zu "Sustainable Finance". Steuerung von Liquiditätsströmen.

Internationale Unternehmerfamilie: Die Globalisierung kann zu besonderen Schwierigkeiten führen. Beim Wohnsitzwechsel ins Ausland (in der Regel aus steuerlichen Gründen) ist zwischen der EU und Ländern außerhalb der EU zu unterscheiden. Der Wohnsitzwechsel hat auch zivilrechtliche Konsequenzen (Rechtswahl). Die Probleme bei der Ehe eines deutschen Gesellschafters mit einem ausländischen Ehepartner sind zu berücksichtigen. Vgl. Brun-Hagen Hennerkes und Rainer Kirchdörfer: Die internationale Unternehmerfamilie, in: FAZ, Mo. 11.05.2015, Nr. 108, S. 19.. Die ältesten Familienunternehmen der Welt haben sich in einer Vereinigung zusammengeschlossen (älter als 200 Jahre; im Besitz einer und derselben Familie): Sie heißt Henokiens ( www.henokiens.com ). Aus Deutschland sind vier Familienunternehmen Mitglieder (vgl. Links, Mittelstand, Unternehmen, älteste KMU in Deutschland). Das älteste Unternehmen hat seinen Sitz in Japan (seit dem Jahre 718, Hotel). Die höchsten Ausschüttungen strichen 2015 folgende Familien in Deutschland ein: Familie Schaeffler (Continental, Schaeffler) 549 Mio. €; Stefan Quandt (BMW) 449 Mio. €; Klaus-Michael Kühne (Kühne & Nagel, Hapag-Lloyd) 429 Mio. €.

Streitkultur in Familienunternehmen: In vielen Familienunternehmen gibt es eine ausgeprägte Streitkultur. Die setzt in der Regel ein, wenn die Die Gründer sterben und neue Führungsstrukturen gefunden werden müssen. Beispiele in Deutschland sind Aldi, Dr. Oetker, Müller, Tönnies, Bahlsen.

Firma: Geschäftsbetrieb, in dem zwei oder mehr Menschen zusammenarbeiten, um Waren oder Dienstleistungen anzubieten. Große firmen werden oft Unternehmen genannt. Vgl. Kernfragen Wirtschaft, München 2019, S. 153.

Firma als Kind: Unternehmer hegen gegenüber ihrer Firma ähnliche Gefühle wie gegenüber wie Väter gegenüber Kindern. Das wurde mit der Methode der Magnetresonanztomographie von Forschern der Universität Helsinki 2017 ermittelt.

Andere Unternehmensarten: Globales Unternehmen: unterhält Standorte in vielen Ländern mit einer einheitlichen Kultur und identischen Prozessen (Apple). Multinationales Unternehmen: ebenfalls in viele Ländern, aber mit jeweils eigener Kultur, die dem Standort angepasst ist (McDonald´s). Transnationales Unternehmen: im Unterschied zu Multis ohne Bezug zu einem bestimmten Herkunftsland. Plattform-Unternehmen: entwickeln nur Produkte und "outsourcen" die Produktion.

Entrepreneurship: Ein vages Konzept, das noch nicht allgemeingültig definiert ist. Ursprünglich im 18. Jh. beschrieb der Begriff jemanden, der ein Risiko eingeht, zu einem Festpreis zu kaufen, obwohl der Verkaufspreis noch nicht feststeht. Heute hat das Konzept insbesondere mit Gründung und Risiko zu tun und beinhaltet eine Innovations-, Wachstums- und Beschäftigungsfunktion. Der Begriff ist aber international in der Wissenschaft auf dem Vormarsch. Vgl. Dennis A. De: Entrepreneurship, München u. a. 2005, S. 1ff. und Arther Cole, An Approach to Entrepreneurship, 1946. Immer mehr zu nehmen die "serial entrepreneurs", Unternehmensgründer, die ständig etwas Neues machen.   Bei Gründungen liegt China natürlich vorn, vor den USA. Im Italien der Renaissance entstand eine besondere Art von Entrepreneurs: die Condottiere. Sie waren zu mieten und erledigten gegen Geld des Geschäft des Krieges. Die meisten dieser Unternehmer entstammten dem Adel, der durch das aufstrebende Stadtbürgertum an Macht verlor und Aufstiegsmöglichkeiten suchte. Vgl. hierzu: Contextualizing Entrepreneurship – Conceptual Challenges and Ways Forward", veröffentlicht 2011 in der Zeitschrift "Entrepreneurship Theory & Practice",  Autorin: Friederike Welter (ifm-Bonn). Vgl. auch: Low, M./ MacMillan, I.: Entrepreneurship: Past and future challenges, in: Journal of Management, 14/ 2, S. 139-161. Der US-Ökonom Israel Kirzner hat Entrepreneurship als Wachsamkeit ("Alertness") für "profit opportunities" definiert. Passive  Aufmerksamkeit durch ein Gefühl für die Gunst der Stunde.

Mass Entrepreneurship: Gründung und Finanzierung von Unternehmen über Crowdfunding. Ein berühmtes Beispiel ist das chinesische E-Rollerunternehmen Niu, das 2014 von Token Hu gegründet wurde (mit 20 Mio. € aus Crowdfunding). Der chinesiche Ministerpräsident Li Keqiang plädiert ausdrücklich für "mass entrepreneurship" in seinem Arbeitsbericht an den Nationalen Volkskongress 2017 (Ende des Jahres sogar Richtlinien).

Intrapreneurship: "Arbeitskraftunternehmer", "Binnenunternehmertum". Aus den englischen Begriffen "intracorporate" und entrepreneurship". Unternehmerisches Verhalten von Mitarbeitern im Unternehmen. Der Begriff soll 1978 von Pinchot Gifford III geprägt worden sein. Er umfasst Verantwortungsbewusstsein, Selbständigkeit, unternehmerisches Handeln im Unternehmen. Folgen sind flachere Hierarchien und besondere Anreizsysteme.

Social Entrepreneur: Unternehmer, die soziale Probleme mit unternehmerischen Mitteln lösen. Hierzu gehören mittlerweile auch viele Start-ups ebenso wie auch die Social Impact Labs, die von der SAP gefördert werden. Beispiel sind Coffee Circle, Ruby Cup und Morethanshelters.

Wantrepreneur: Träumer von einem Start-up. Irgendwas kommt immer dazwischen. Business Angel hat nie zurückgerufen.

Hybride Unternehmen (Social Enterprises): Unternehmen mit widersprüchlichen gesellschaftlichen Rationalitäten. Z. B. gewinnwirtschaftlich orientierte Banken im Mikrofinanzbereich. Vgl. Battilana, J./ Dorado, S.: Building Sustainable Hybrid Organizations, in: Academy of Management Journal 53 (6), S. 1419-1440.

Zombie-Unternehmen: Unternehmen, die nicht wettbewerbsfähig sind und künstlich am Leben gehalten werden, obwohl sie ein Fall für den Insolvenzverwalter wären. Niedrigzinsen und Rettungsprogramme haben seit der letzten Finanzkrise das Entstehen begünstigt. Insgesamt sinkt dadurch die Produktivität der Wirtschaft. Der Anteil ist besonders hoch in Südeuropa, wegen der Förderprogramme in der EU und des Insolvenzrechts. Zombie-Unternehmen sind auch ein Problem ehemaliger Zentralverwaltungswirtschaften. In China etwa werden eine Vielzahl von Unternehmen im staatlich kontrollierten Sektor am Leben gehalten (durch Subventionen oder Kredite). Besonders hoch ist auch ihr Anteil in Japan: Das hängt auch mit dem Wert der Kontinuität in Japan zusammen. einschränkend muss man allerdings sagen, dass es keine genaue Definition von Zombie-Unternehmen gibt. "Der Anteil von Zombieunternehmen in der Wirtschaft steigt", Giuseppe Nicoletti, OECD-Ökonom 2018.

Lifestyle-Entrepreneur: Optimale Verbindung von Lebensstil und Unternehmensidee. In der Regel kann von überall gearbeitet werden. Der Profit steht nicht im Mittelpunkt. Viele dieser Unternehmer starten parallel zum Job ihr Unternehmen. Entscheidend ist aber die Geschäftsidee, häufig kann es auch der Druck der Arbeitslosigkeit sein. Hinzu kommt das Motiv der Selbstverwirklichung.

Entrepreneurial Economics: Die Rolle der Unternehmer in der Volkswirtschaft steht im Mittelpunkt. Die "unternehmerische Ökonomik" gilt als Gegenentwurf zu unrealistischen, klassischen Gleichgewichtsmodellen. Die ideengeschichtliche Schule von Joseph Schumpeter steht dabei in der Regel im Vordergrund. Es sollen aber alle ideengeschichtlichen Schulen behandelt werden (zusammen mit Kulturgeschichte, Philosophie und Soziologie). Ich selbst folge diesem Ansatz ganzheitlich und gebe die Trennung von Volks- und Betriebswirtschaftslehre auf. Die Wirtschaft muss immer als Teil der Gesellschaft gesehen werden (Vgl. zu meiner Konzeption die Seite "Dozentenprofil"). Ein früher Vertreter dieser Schule war auch Wilhelm Röpke (1899-1966). Sein Ideal war eine mittelständische Gesellschaft mit vielen Selbständigen. Marktwirtschaft statt Kapitalismus, Subsidiarität statt Zentralismus. Familiäre, nachbarschaftliche, private Solidaritätsnetzwerke statt Wohlfahrtsstaat. Er hatte auch stets die sozialen und ethischen Wertefundamente im Blick. Vgl. W. Röpke: Jenseits von Angebot und Nachfrage, 1958.  Dafür tritt auch eine große Studentengruppe an der Uni Köln ein. Sie nennt sich "Oikos". An der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin findet ab 26.11.15 eine dreitägige Konferenz mit dem Titel "Ökonomische Lehre im 21. Jahrhundert" statt.

Mittelstand: Wird am besten qualitativ abgegrenzt. Eigentum, Führung und Haftung fallen zusammen. Das Unternehmen ist kleiner, nicht marktbeherrschend; Werte und ein gutes Betriebsklima herrschen vor. Laut Arbeitsgemeinschaft Mittelstand gibt es in Deutschland 3,4 Mio. mittelständischer Unternehmen (99,6%), in denen fast 70% aller Beschäftigten arbeiten und der 45% der gesamten Wirtschaftsleistung erbringt. 15,7 Mio. Beschäftigte, 3,4% F&E-Quote, 117.307 Euro Umsatz je tätige Person (2011; Markt und Mittelstand, 10/2014, S. 18ff.). In früheren Zeiten war er eine gesellschaftliche Schicht, die gemessen an Eigenschaften wie Einkommen, Vermögen und Beruf einen mittleren Status einnahm. Für "Mittelstand" gibt es aber verschiedene Definitionen: EU bis 249 Beschäftigte (B.), bis 50 Mio. € Umsatz (U.) im Jahr; IHK 499 B., 100 Mio. € U.; Bundesministerium für Wirtschaft und IMF - Bonn 499 B. und 50 Mio. U.. Manche zählen auch Eigentümer geführte Familienunternehmen dazu (diese werden bei den Links teilweise auch dazu gerechnet). Der Begriff selbst ist eigentlich nur in Deutschland. Er ist auch in den Niederlanden oder Dänemark gebräuchlich. Mittlerweile gilt er als deutsches Erfolgsmodell und wird sogar in den USA und Frankreich verwandt. "Le Mittelstand" steht für die duale Ausbildung, gute Arbeitsverträge, erfolgreiche Familienunternehmen in der Welt und Innovation. Der Wirtschaftshistoriker Hartmut Berghoff nennt folgende Kriterien des  klassischen" Mittelstandsmodells: im Familienbesitz und familiengeführt, Kontinuität über mehrere Generationen hinweg, emotionales Zugehörigkeitsgefühl, eine patriarchale Kultur und informelle Strukturen, Unabhängigkeit.

Gefühlter Mittelstand (subjektive Selbseinstufung bzw. Selbstbild): "Halten wir fest: der Mittelstand hat sich ausdifferenziert – und er wird sich weiter ausdifferenzieren. Er ist schwer fassbar bzw. messbar. Er ist heterogener, unbeständiger und kleiner geworden – zugleich aber auch internationaler und größer. Ist er deshalb ein Auslaufmodell? Mitnichten! Viele nicht-mittelständische Unternehmen wollen dem Mittelstand angehören, viele mittelständische Unternehmen identifizieren sich dagegen nicht mehr mit dem Mittelstand. Aus unserer Sicht ist und bleibt das Kriterium der Einheit von Eigentum und Leitung grundlegendes Mittelstandsmerkmal." s. Jutta Gröschl/ ifm-Bonn: Die Ordnung der Wirtschaft, 13.02.2015 in der F.A.Z, S. 16. "Grundsätzlich ist der – von uns so genannte – "gefühlte Nicht-Mittelstand" klein, jung und auch eher in "modernen" Wirtschaftszweigen wie der Informations- und Kommunikationstechnologie oder den Unternehmens­dienstleistungen zu finden. Also in Wirtschaftsbereichen, die im Zuge des Strukturwandels der vergangenen Jahrzehnte an Bedeutung gewonnen haben", ebenda. Je älter Unternehmen sind und und je größer sie sind, desto eher sehen sie sich beim Mittelstand.

Mittelstandsforum: Alle Parteien im Bundestag verfügen über eine solche Institution. Als letztes der größten Parteien wird 2015 das AfD-Mittelstandsforum gegründet. 120 Unternehmer gründen es in Kassel.

Homo mittelstandicus: Liebevolle Lateinfassung des Mittelstandes. Hier kann der Idealtypus eines Mittelständlers beschreiben werden.

Handwerk:  In manchen Mittelstandsuntersuchungen arbeitet man mit einer Abschneidegrenze von 20, so dass das Handwerk raus fällt. Im Römischen Reich und Mittelalter kann man das Handwerk als erste Ausprägung des Mittelstands ansehen (Zünfte, wenn man die Hauswirtschaft der Antike ausschließt). Heute ringt das Handwerk oft mit Klischees und ringt ebenso um Nachwuchs. Es ist schwer, gute Fachkräfte zu bekommen. Das Handwerk gilt als Stabilisator der konjunkturellen Entwicklung. Dies gilt gemessen an der Umsatzentwicklung generell. Diese Funktion beruht auf einer geringen Exportabhängigkeit bei stabiler Binnennachfrage. Vgl. Thomä, J.: Das Handwerk als Stabilisator der konjunkturellen Entwicklung, in: Wirtschaftsdienst 2011/2, S. 127ff. Viele Handwerker geraten in Schwierigkeiten, weil die Hersteller harte Bedingungen etwa für Ersatzteillieferung diktieren. So sind oft eine spezielle Werkstattausstattung und teuere Fortbildungen notwendig. Kleinbetriebe können oft nicht mehr mithalten (z. B. Uhrmacher). Die Zahl der Handwerksbetriebe ist 2017 auf 999.636 angestiegen (1998 850.586). Es gibt aber weniger Meister (-5% gegenüber 2008, 574.086). Am stärksten stieg die Zahl der Betriebe im Fliesen-, Platten- uns Mosaikleger-Bereich vor den Raumausstattern. 2009 blieben 10.000 Lehrstellen im Handwerk unbesetzt. 2010 werden es voraussichtlich genauso viele sein. Die Zahl der Schulabgänger sinkt stark. Es zieht ein Fachkräftemangel herauf. Nach einer Umfrage der Deutschen Handwerkszeitung 2011 (DHZ) wird ein Umsatzanstieg von 2,5% erwartet. Im ersten Quartal beträgt die Umsatzsteigerung schon 11,9%. 2013 war ein schwaches Jahr für das Handwerk (weniger Umsatz und Arbeitsplätze). Für 2014 zeichnet sich eine Trendwende ab. Eine Umfrage unter 3100 Betrieben, durchgeführt von Creditreform 2014, zeigt, dass die Stimmung auf einem Zehn-Jahreshoch ist. 2014 sollen 25.000 neue Stellen im Handwerk entstehen. Vor allem im Bau zeigt sich aufgrund des Wetters ein deutliches Umsatzplus. In der Stadt Neustadt an der Weinstraße und im Kreis Bad Dürkheim ist das Handwerk der größte Arbeitgeber (12.000 Mitarbeiter 2014). 2014 ist die Beschäftigung im Handwerk zurückgegangen (-0,1%, Umsätze +2,4%). 2014 hatte das Handwerk in Deutschland einen Umsatz von 533 Mrd. € (+2,4%). Im gleichen Jahr gab es 1.007.016 Handwerksbetriebe. Es waren 5.379.000 Erwerbstätige beschäftigt. Es gab 370.995 Auszubildende (27% aller Auszubildenden). Im Jahre 2015 hat das Handwerk eine Umsatzsteigerung von 2,2%. Es fehlen Nachwuchskräfte. Im 2.Quartal 2016 ist der Umsatz um 6,2% gestiegen (Beschäftigte +0,3%; Bauboom, gute Konjunktur; am stärksten im Gesundheitsbereich). Das Handwerk erwartet für 2017 ein Umsatzplus von 2,5% (2016 waren es 3,5%). Die Auftragsbücher sind gut gefüllt. 2017 geht es dem Handwerk so gut wie lange nicht mehr. Der Umsatz ist im Vergleich zum Vorjahr um 3,65% gestiegen. Industrienahe Sparten profitieren am stärksten. Der Boom dürfte 2018 anhalten. Die Schattenseite ist, dass man als Kunde lange warten muss. Die Preise steigen sprunghaft. 2019 beträgt die durchschnittliche Wartezeit auf einen Handwerker schon zehn Wochen. Die Anzahl der Betriebe im Handwerk geht zurück: 2019 waren es 565.000 Betriebe (-0,6% gegenüber Vorjahr; Quelle: ZDH). Das sind die zulassungspflichtigen. Insgesamt gibt es 1,01 Mio. Handwerksbetriebe in Deutschland. Die Corona-Krise 2020 führt zu einem Rückgang im Handwerk (-7,4% Umsatz im 2. Quartal, -1,7%  Beschäftigte). Am stärksten trifft es das Kraftfahrzeuggewerbe (-21,6%). 2020 waren 65.000 Stellen im Handwerk unbesetzt. Meister sind besonders rar. 2021 kommt es zu einem großen Engpass von Material  (Unterbrechung der Lieferketten durch die Pandemie; es fehlt an Holz, Metall, Kunststoff). 2022 werden massiv die Preise erhöht. Der Verband verweist auf höhere Kosten. Fachkräfte werden dringend gesucht. Die Belastungen im Handwerk sind 2023 "weltrekordverdächtig". Für 2024 sieht man "keinen goldenen Boden".

Struktur des Handwerks: Das Ausbaugewerbe hat den höchsten Anteil an Betrieben (38,7%, 2016). Dann folgen persönliche Dienstleistungen (23,6%), gewerblicher Bedarf (12,8%) Bauhauptgewerbe (11,7%) Kraftfahrzeuge (7,2%)), Nahrungsmittel (3,4%) und Gesundheit (2,6%). Die meisten Neuanfänger haben Hauptschulabschluss (41%). 41% haben einen Realschulabschluss (oder gleichwertig). 13% haben die Hochschulreife.

Beschäftigte im Handwerk in Zahlen: Das Handwerk hatte 2021 5,4 Mio. Beschäftigte. Fachkräftemangel ist am stärksten in folgenden Branchen (gemessen an Vakanzzeiten in Tagen): Kältetechnik 161, Pflegefachkräfte 136, Sanitär-, Heizungs-, Klimatechnik 127, Baulelektrik 112, Zahnmedizinische Fachangestellte 102.

Nachwuchs im Handwerk: Handwerk hat für die meisten Jugendlichen nicht mehr "goldenen Boden". In vielen Handwerksbereichen herrscht ein Mangel an Nachwuchs. Das hängt auch damit zusammen, dass weniger Menschen direkt mit Handwerk zu tun haben. Eine große Rolle spielen dabei die Herkunft und die Bildungserwartungen der Eltern. Wenn die Eltern oder ein Elternteil Handwerker sind, sind auch die Kinder dem Beruf eher zugeneigt (Forschungsergebnis des BIBB 2018). Immer mehr Eltern sind aber handwerksfern und wollen einen Hochschulabschluss für ihre Kinder. Das BIBB empfiehlt "Ausbildungsbotschafter" in Schulen. 2020 waren 65.000 Stellen im Handwerk unbesetzt. Meister sind besonders rar.

Handwerksordnung: Die deutsche Handwerksordnung regelt die Unternehmensgründung in handwerklichen Berufen durch die Vorgabe verpflichtender Qualifikationsstandards. Im Jahre 2004 wurde die Handwerksordnung dereguliert: in mehr als der Hälfte aller Handwerksberufe besteht keine Meisterpflicht mehr. Die Beseitigung von Marktzutrittsbeschränkungen löste ein Gründungswelle aus (niedriger Qualifizierte, Migranten). Vgl. Runst, P. u. a. Handwerksordnung: ökonomische Effekte der Deregulierung von 2004, in: Wirtschaftsdienst 2018/5, S. 365ff.

Meisterpflicht: Die Handwerksnovelle 2004 hat die Meisterpflicht in den meisten Berufen abgeschafft (Gebäudereiniger, Fliesenleger, Raumausstatter). Hintergrund war der Wettbewerb aus den europäischen Nachbarländern, z. B. aus Polen. Die Reform führte zu einem Gründungsboom im deregulierten Teil des Handwerks. Die neuen Betriebe waren meist sehr klein und wiesen eine geringe Überlebensrate auf. Die Ausbildungsleistung sank. die Gründungen von Migranten nahmen zu. Soziales Kapital ist durch die Abschaffung der Meisterpflicht wahrscheinlich verloren gegangen (Werte, Traditionen, Sozialisationsmuster).  Andererseits lässt sich die Qualität der Dienstleistung ganz schwer beurteilen. Aber es besteht ja die Möglichkeit des freiwilligen Meisterzertifikates. die Flexibilität dürfte gestiegen sein. Vgl. Thomä/ Runst, Institut für Mittelstand und Handwerk, Uni Göttingen: Pro und Contra Meisterpflicht, in: Wirtschaftsdienst 2018/8, S. 534ff. Der Bundesrat spricht sich im Februar 2019 für eine Rückkehr zur Meisterpflicht aus. Die große Koalition will in einigen Handwerksberufen die Rückkehr zur Meisterpflicht im September 2019 einführen.  Man will mehr Ausbildung, mehr Qualität, mehr Gewährleistungs- und Verbraucherschutz.

Re-Regulierung der Meisterpflicht: "Die Meisterpflicht für Existenzgründungen im Handwerk wurde 2004 in einigen Gewerken ausgesetzt, für einige davon aber im Jahr 2020 im Zuge der Rückvermeisterung wieder eingeführt. Wir präsentieren erste empirische Ergebnisse dieser Re-Regulierung und stellen sie in den Kontext der wirtschaftspolitischen Diskussion. Die Datenanalyse deutet auf eine Umkehrung der Deregulierungseffekte im Handwerk durch die Re-Regulierung hin. So ist nach 2020 ein starker Rückgang der Neugründungen und ein Anstieg der bestandenen Meisterprüfungen zu beobachten. Aufgrund des noch kurzen Zeithorizonts gibt es bisher nur schwache Hinweise auf positive Effekte auf die Ausbildungszahlen. Belastbare Effekte sind hier erst mittel- bis langfristig zu erwarten." Siehe Runst, P./ Thomä, J.: Deregulierung, Re-Regulierung - Auswirkungen der Rückvermeisterung im Handwerk, in: Wirtschaftsdienst 1/ 2024, S. 53-57.

Handwerk 4.0: Betriebsstrukturen, Arbeitsabläufe, Produkte und Dienstleistungen von Handwerksbetrieben, die in großem Maße digital vernetzt, adaptiv wissensbasiert und aus Kundensicht intelligente Technologien sind. Der Anteil manueller Routinetätigkeiten kann verringert werden.

Strukturprobleme des Handwerks: 2018 klagen Kunden über lange Wartezeiten und hohe Preise. Ausschreibungen für größere Projekte finden nur geringen Zuspruch. Die Auftragslage ist extrem gut. Gleichzeitung boomt der Bau und der Immobilienmarkt. Allerdings haben die Handwerksbetriebe auch ein Grundproblem: Sie finden keine Beschäftigten, auch keine Auszubildenden. 2017 setzt das Deutsche Handwerk mit 560 Mio. Euro etwa 13% mehr um als vor zehn Jahren. Aber es arbeiten immer weniger Menschen in dem Bereich (2003 5,93 Mio.; 2016 5,47 Mio.). Die Hanswerkerstunde liegt 2017 bei durchschnittlich 57,60 Euro. 14% mehr kosteten Handwerkerleistungen 2022 als 2021. Im Baugewerbe zogen die Preise um 16% an.

Klöster (Geschichte des Handwerks und der KMU): Sie haben in Europa Jahrhunderte lang Bildung und Kultur getragen. Mit dem Sterben der Klöster sterben damit auch uralte Bildungs- und Kulturtraditionen. Die Klöster waren auch Träger handwerklicher Künste. Bier brauen, Wein anbauen, Malerei, Buchbinden, Drucken und vieles mehr wurde in Klöstern gepflegt. In der Jungsteinzeit entwickelten sich zahlreiche neue Technologien (Steinaxt, Pflug, Sichel, Mahlsteine, Keramikgefäße). Diese Werkzeuge ermöglichten die Sesshaftigkeit und den Ackerbau. Die Hersteller waren die ersten Handwerker, die sich von den Bauern spezialisierten. In den Klöstern wurden die Technologien später gepflegt und verfeinert. Danach wurde das Handwerk von den Zünften in den Städten geprägt. Vor 10.000 Jahren begann der Mensch, sesshaft zu werden. Man spricht von der Neolithischen Revolution. Ihren Ursprung nahm die Entwicklung im Fruchtbaren Halbmond (vom Persischen Golf im Süden, des heutigen Iran, Irak über den Norden von Syrien, Libanon, Jordanien, Israel).

Unternehmer: Schon die frühen Ökonomen, z. B. J. - B. Say, beschrieben die Rolle des Unternehmers. Die Denkfigur des von Ideen und Innovation getriebenen Entrepreneurs geht auf Schumpeter zurück. 2010 erregt ein Buch großes Aufsehen, das zu belegen sucht, dass die wirklich erfolgreichen Größen der Wirtschaft ein Auge für Chancen, raschen Zugriff und die Bereitschaft komplett vom Plan abzuweichen hatten. Villette, Michel/ Vuilllermot, Catherine: From Predators to Icons - Exposing the Myth of the Business Hero, Cornell University Press. Damit geriete auch der Focus der Business Schools unter Druck. "The secret of business is to know something that nobody else knows", Aristoteles Onassis, 1906-1975, Greek shipping magnate. "Beim Unternehmertum geht es ums Überleben und das fördert die Kreativität. Es geht nicht um Finanzwissenschaft, sondern um den Handel - Kaufen und Verkaufen." Anita Roddick, Unternehmerin.

"Lebensunternehmertum": Unternehmerisches Handeln ist heutzutage "alltäglicher" geworden , wird fast schon zu einem Lebensgefühl. Dies nennt  der Schweizer Publizist Robert Nef "Lebensunternehmertum". Privates und Berufliches vermischen sich mehr und mehr. Die Vor- und Nachteile dieser Entwicklung kann man gut bei Soloselbstständigen (s. u.) beobachten. "Lebensunternehmertum" wird auch stark von den Unternehmen beeinflusst, die in bestimmten Bereichen früher Beschäftigte zu Selbständigen machen, um Kosten zu sparen (Vertrieb, EDV, Weiterbildung u. a.)

Mittelschicht: Zur Mittelschicht (oft auch als Mittelstand bezeichnet, soziologischer Begriff) in Deutschland zählen Menschen mit guter Ausbildung und einer leitenden Stellung im Beruf. Ökonomisch zählen Singles mit einem Nettoeinkommen von 1000 bis 2200 € und alle Familien mit einem Haushaltseinkommen von 2100 bis 4600 zur Mittelschicht. Der Mittelschicht werden typische Werte zugeordnet wie Bejahung der gesellschaftlichen Ordnung, gute Steuermoral, Familienorientierung, Eigenheim. Soziologen sprechen auch von "kulturellem Kapital" (drückt sich in Bildungsabschlüssen aus) Es gibt auch andere Abgrenzungen (kein Konsens!): Ökonomen nehmen das Medianeinkommen. 150 bis 250% des Medianeinkommens gilt als einkommensstarke Mitte, 80 bis 150% ist die Mitte im engeren Sinne, 60 bis 80% ist die einkommensschwache Mitte. Nach dieser Methode gehören in Deutschland 60% zur Mittelschicht. Die Mittelschicht ist immer stark von der Steuerpolitik betroffen, weil Steuererhöhungen hier am meisten bringen. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte hat zu einer Verteilungskrise geführt. Der Spitzensteuersatz könnte höher sein, auch die Kapitalertragsteuer kann verändert werden (Miet- und Aktieneinnahmen werden niedriger als Arbeit besteuert). Die Erbschaftssteuer kann höher sein (immer bei Ausnahmen für KMU, die weitergeführt werden). Die Mittelschicht profitiert von einem funktionierenden Gemeinwesen (Schulen, Hochschulen u. a. öffentlich). Also muss ein Gleichgewicht von Geben und Nehmen bestehen. Die Oberschicht kann sich durch Privatisierung öffentlicher Leistungen von Leistungsdefiziten der öffentlichen Hand frei machen. Man sollte die Gesellschaft aber grundsätzlich nicht auseinander dividieren lassen. Neuerdings bezieht man das Verhältnis zur Zeit ein: Oberschicht Vergangenheit; Unterschicht Gegenwart; Mittelschicht macht sich Sorgen um die Zukunft, will das Erreichte vermehren. Digitalisierung und Globalisierung bedrohen viele angestammte Jobs. 2016 bringt die Mittelschicht noch 72,8% des Einkommensteueraufkommens und 90% der Sozialversicherungsbeiträge auf (Quelle: IW). Die Mittelschicht ist besonders stark von staatlicher Umverteilung betroffen. Insofern ist sie vor Wahlen immer eine wichtige Zielgruppe. Allerdings würde es sehr teuer, die Mittelschicht zu entlasten (Steuerbelastung senken). Die Digitalisierung könnte die Mittelschicht in der Zukunft drastisch reduzieren. Die Fundamente der Mittelschicht werden bei der Lohnentwicklung, der Vermögensverteilung, durch prekäre Beschäftigung und Altersvorsorge angegriffen. Hohe Steuern, steigende Mieten und sinkende Renten machen Probleme. Inflation, hohe Mieten, Energiepreisschock wirken auch 2024. Die Mittelschicht fürchtet sich vor dem sozialen Abstieg - und schätzt sich gleichzeitig ärmer ein als sei ist. Vgl. FAZ 3.1.24, S. 9.   In dem Koalitionsvertrag der großen Koalition Ende 2013 sind keine grundsätzlichen Änderungen in der Einkommensteuer vorgesehen ("Kalte Progression"). Die Mittelschicht ist damit weiterhin Lastenesel. Eine Studie des DIW 2016 zeigt: Bezogen auf das Jahr 1983 (62% Mittelschicht) ist die Mittelschicht 2013 geschrumpft (54%). Besonders in der amerikanischen Gesellschaft wird die Kluft zwischen Arm und Reich tiefer. Die Mittelschicht schrumpft. Die Boomregion San Francisco ist Symbol für die neue Spaltung. Die Definition der Mitte ist recht umstritten in allen Gesellschaften. Es geht immer auch um eine Verständigung darüber, wer ins Zentrum der Macht vorstoßen darf bzw. kann. Die Bertelsmann-Stiftung stellt 2021 fest, dass die Mittelschicht in Deutschland schrumpft: der Bevölkerungsanteil sei seit 1995 von 70 auf 64% gefallen. Damit ist sie noch immer 2 Prozentpunkte höher als im Durchschnitt der OECD-Länder. Die Ursache liegt wohl in der Migration. 2022 herrscht Panik in der Mittelschicht. Steigende Mieten, hohe Abgaben, Corona, steigende Energiepreise, Inflation. Es gibt Existenzängste. Vgl. Goffart, D. u. a.: Panik in der Mitte, in: WiWo 41/ 7.10.22, S. 16ff. Auch: Kucsera, Denes/ Lorenz, Hanns/ Nagel, Wolfgang: Die Entwicklung der Mittelschicht in Österreich und Deutschland, in: Wirtschaftsdienst 10/ 2022, S. 789-794. Nach Berechnungen des Ifo-Instituts 2023 (Dorn) gehörten 2019 noch 63% der Deutschen zur Mittelschicht. Mitte der Neunzigerjahre waren es laut OECD 70%. Die Abgaben seien zu hoch, die Belastungsgrenze sei erreicht.

Freiberufler: Aus ökonomischem und sozialen Kalkül machen sich in Deutschland immer mehr Hochqualifizierte selbständig. Sie wollen sich nicht mehr an einen Arbeitgeber binden (die Festanstellungen gehen zurück). 2012 beträgt die Zahl der Selbständigen in Deutschland ca. 1.200.000. Im Jahre 1992  lag die Zahl noch bei 500.000.

Selbständige: Nach dem StBA gibt es 2014 nur noch 4,4 Mio. Selbständige in Deutschland. Das ist die geringste Zahl seit 10 Jahren. Sie dürfte mit der guten Situation auf dem Arbeitsmarkt zusammenhängen. 2016 wird eine bessere Absicherung für Selbständige gefordert. Ein Mindesthonorar soll eingeführt werden. Von 2012 bis 2014 gab es einen Rückgang der Selbständigen um 123.000 Personen. Seit der Einheit bis 2011 war die Zahl der Selbständigen gestiegen. Eine Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass der Rückgang mit gesunkenen Förderzahlen zu tun hat. Soloselbständigkeit wurde bekämpft, die erfolgreiche Ich - AG abgelöst. Vgl. Kreß, F./ Weber, E.: Warum sinkt die Zahl der Selbständigen? in: Wirtschaftsdienst, 2016/9, S. 696ff. 2018 sinkt die Zahl der Selbständigen auf den niedrigsten Stand seit 2003 (4,22 Mio.).  Die Coronakrise führt den Wert sozialer Sicherung dramatisch vor Augen. Während sozialversicherungspflichtig Beschäftigte durch den Anspruch auf Kurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld abgesichert sind, ist das bei Selbstständigen in aller Regel nicht der Fall. Daher sind viele Selbstständige in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Aus dem Stegreif mussten Unterstützungspakete geschnürt werden, die aber oft als zu eingeschränkt wahrgenommen werden. Gerade Lebenshaltungskosten – also die Unternehmerlöhne – waren nicht abgesichert, sieht man von der Grundsicherung ab, die jedoch trotz der in der Coronakrise vereinfachten Bezugsbedingungen für viele Selbstständige nicht infrage kommt. Notwendig ist also eine planbare Absicherung von Selbstständigen gegen gravierende Einkommensrisiken. Derzeit können sich Selbstständige in den ersten drei Monaten ihrer selbstständigen Tätigkeit für die freiwillige Arbeitslosenversicherung entscheiden. Diese Möglichkeit wird auch aufgrund der restriktiven Bedingungen allerdings kaum in Anspruch genommen. Auf dem Weg zu einer umfassenderen und effektiveren Absicherung gibt es ein großes Potenzial an Reformen. Im Koalitionsvertrag der Ampel wird die Absicht erklärt, den Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung zu erleichtern und zu prüfen, „ob und wie ein Zugang ohne Vorversicherungszeit möglich ist“. In der Tat: Für den Eintritt in die freiwillige Arbeitslosenversicherung sind Vorversicherungszeiten erforderlich. Faktisch handelt es sich also nicht um eine Arbeitslosenversicherung für Selbstständige, sondern um eine für ehemalige sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Vgl. Weber, enzo: Arbeitslosenversicherung: Zugang für alle Selbstständigen, in: Wirtschaftsdienst 2/2022, S. 74.

Solo-Selbständige: Von 1996 bis 2008 hat diese Zahl um 40% zugenommen (von 1,5 Mio. auf 2,1 Mio.). Der angestellte Selbstständige wird das Modell der Zukunft sein. Also muss der Angestellte von morgen denken und handeln wie Selbständige heute. Smartphone und Notebooks machen Büros immer mehr überflüssig und führen zum Arbeiten, wo immer man gerade ist. Immer mehr Selbständige beziehen 2011 Hartz IV ("Aufstocker"). Die Zahl ist von 2007 bis 2010 um mehr als 50.000 gestiegen (Jahresdurchschnitt 125.000). Dabei haben Selbständige mehr Möglichkeiten, ihr Einkommen herunterzurechnen (Betriebsausgaben). Auch viele Existenzgründungen seit dem Jahr 2000 waren fast ausschließlich Solo-Selbständige (2010 2,5 Mio.). 12,5% liegen laut IAB unter der Armutsgrenze von 925 Euro. Von den Solo-Selbständigen zu unterscheiden sind die Scheinselbständigen. Viele werden in Großstädten wie München, Frankfurt u. a. wie Tagelöhner angeheuert und auf der entsprechenden Basis beschäftigt. 2011 kommen die meisten Tagelöhner aus Bulgarien (türkische Minderheit). Eine weitere Sonderform sind die Schein-Ehrenamtlichen. Hierdurch drücken insbesondere kirchliche Arbeitgeber ihre Abgabenlast. Mehr als eine Million Selbständige in Deutschland liegen mit ihrem Stundenlohn 2013 unterhalb von 8,50 € (Quelle: DIW, StBA). In Japan sind 2014 mehr als ein Drittel der Beschäftigten freiberuflich tätig oder in befristeten Werkverträgen beschäftigt.  Bei den Solo-Selbständigen überwiegen folgende Berufsgruppen in Deutschland: Makler, Finanzdienstleister, Steuerberater, Buchhalter (zusammen 244,3 Tsd., 2011), Händler (205,5 Tsd.), Künstler, Artisten, Musiker (196,9 Tsd.). Deren Zahl stieg in Deutschland allein zwischen 1992 bis 2012 um 83 %. Das spiegelt den Strukturwandel der Arbeit hin zur wissensintensiven Arbeit wider – viele der Soloselbstständigen weisen einen akademischen Abschluss auf (auch wissenschaftlich-technische Dienstleistungen).

Mittelstandsboom und -Flaute: In und nach der Weltwirtschaftskrise singen die Ökonomen der Welt, auch in den USA, ein Loblied auf den deutschen Mittelstand. Die Flexibilität und Wendigkeit der KMU hat zum schnellen Aufstieg Deutschlands aus der Krise entscheidend beigetragen. Dieser Aspekt wird in der makroökonomischen Theorie völlig vernachlässigt (ich predige schon seit vielen Jahren davon, vgl. Krämer, W.: Mittelstandsökonomik, München 2003). 2011 dürfte der Boom weiter anhalten, was weitere Investitionen und Personaleinstellungen bedeutet. 2023 nach den vielen Krisen deutet sich eine Flaute an. Das neue Geschäftsmodell Deutschland (De - Globalisierung, De - Risking)  erfordert eine Umorientierung. Eine Umfrage beim Bundesverband mittelständischer Unternehmen ergibt folgendes: Jedes vierte Unternehmen will aufgeben. Bürokratie und Steuerbelastung werden dafür genannt. Viele Unternehmen planen auch eine Verlagerung.

Kern des deutschen Mittelstandes: Als solche sehen Experten die Mittelunternehmen. In der Studie von Eekhoff sind dies Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 20 Mio. und 1 Mrd. €. Die sind in Deutschland 1,2% der Unternehmen (nach Umsatz 32,5%; nach Arbeitnehmern 34,5%; nach BIP 30,8%). Vgl. Arentz, O./ Münstermann, L.: Wo liegt der Kern des deutschen Mittelstandes? in: Wirtschaftsdienst 9/ 2013, S. 622ff.

Mikrobetriebe: Es sind Kleinstbetriebe, die aufgrund ihres geringen Umsatzes von der Mehrwertsteuer befreit sind. Sie üben vor allem im Handwerk (Beispiel Friseurbetriebe) einen permanenten Preisdruck aus. Häufig arbeiten sie auch ohne Angestellte mit Schwarzarbeit.

Betrieb, Unternehmen, Firma: Ein Betrieb ist eine Wirtschaftseinheit, in der planvoll Güter und Dienstleistungen produziert werden. Betriebe können sowohl von privaten als auch von der öffentlichen Hand getragen werden. Private Betriebe haben ein Marktrisiko. Sie werden auch als Unternehmen bezeichnet. Die Bezeichnungen werden aber nicht einheitlich gebraucht. Manchmal ist das Unternehmen die übergeordnete Einheit, der Betrieb ist Teil oder untergeordnete Einheit. Nach § 17 HGB ist unter Firma der Name eines Unternehmens zu verstehen. Vgl. Schultz, Volker: Basiswissen Betriebswirtschaft, München 2019, S. 5f.

Unternehmenstypen: Einzel- und Kleinunternehmen (natürliche oder juristische Personen, in vielen Fällen persönliche Haftung). Private Unternehmen (kein Rechtsbegriff, je nach Rechtsform Haftung beschränkt, als Kapitalgesellschaft eigene juristische Person). Aktiengesellschaften (Aktien an der Börse gehandelt). Multinationale Unternehmen (in vielen und fast allen Ländern; die 100 grüßten Unternehmen sind für 7% aller globalen Wirtschaftsaktivitäten verantwortlich). Franchise-Unternehmen (Franchisegeber autorisiert eine Person, Filiale, für Erlaubnis Gebühr). Gemeinnützige Gesellschaften (Wohltätigkeit, Genossenschaften). Vgl. BWL kompakt, München 2016,S. 12ff.

Rechtsformen: Grundsätzlich kann zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften unterschieden werden. Personengesellschaften zahlen Einkommensteuer, Kapitalgesellschaften Körperschaftsteuer. Häufigste Personengesellschaft ist bei KMU das Einzelunternehmen. Häufigste Kapitalgesellschaft ist die GmbH. Ansonsten gibt es auch viele Mischformen bei KMU. Beim Wechsel der Rechtsform spricht man von Umwandlung.

Einzelunternehmung: Ein Einzelunternehmer haftet persönlich und unbeschränkt für die Schulden des Unternehmens. Re hat Anspruch auf den vollen Gewinn. Die Verluste trägt er alleine. Dies ist in Deutschland die häufigste Rechtsform, auch bei KMU.

Personengesellschaften: Gbr, OHG, KG. Kapitalgesellschaften: GmbH, AG.

Kapitalgesellschaften: Papst Innozenz IV. beschloss im Mittelalter, die Klöster selbst als juristische Personen anzusehen, damit die Mönche, die ein Armutsgelübde abgelegt hatten, entlastet wurden. Diese Konstruktion wurde dann später auch auf die Wirtschaft übertragen. Die Anteilseigner von Kapitalgesellschaften haften nur in begrenztem Umfang für das Tun des Unternehmens. Hinzu kamen externe Effekte, also Folgen von Handlungen, die die Verursacher nicht tragen mussten (Lücke zwischen Buchführung und realer Welt). In der Globalisierung kam dann später noch das Lösen von nationalen Steuern dazu. Kapitalgesellschaften sind oft dem Profit verpflichtet und vernachlässigen die Umwelt. Sie fördern die Internationalisierung und Globalisierung.

GmbH: Unternehmen mit einem oder wenigen Eigentümern und mit einem oder mehreren Mitarbeitern. Kapitalgesellschaft. Haftet mit dem Gesellschaftervermögen Gesellschafter haben Anteile am Unternehmen. Gewinnanteil richtet sich nach ihrer Stammkapitaleinlage. Es gibt auch gemeinnützige GmbH (gGmbH).

Aktiengesellschaft (AG): Leitung hat ein Vorstand, der vom Aufsichtsrat berufen wurde. Jährlich ist die AG verpflichtet, einen Geschäftsbericht zu veröffentlichen (Buchführung). Es besteht eine klare Trennung zwischen den Aktionären und der Unternehmensleitung. Das unternehmen kann Aktien und Anleihen verkaufen, um das Grundkapital zu erhöhen. Durch den Aktiebkurs und die Rechnungslegungsdokumente im Geschäftsbericht ist der Wert gut zu bestimmen. Die Zahl der Aktionäre ist unbegrenzt. Rechtsgrundlage ist in Deutschland das Aktiengesetz.

Stakeholder: Als Interessierter (Stakeholder) wird jede Person bezeichnet, die von der Tätigkeit des Unternehmens betroffen ist. Aktionäre (Shareholder) besitzen Aktien der Firma und sind daher Teileigentümer. Stakeholder sind Nicht-Regierungsorganisationen, Gemeinden, Regierung, Kunden, Gewerkschaften, Zulieferer, Mitarbeiter, Gläubiger. 

Zukunft der AG: Es gibt immer mehr Kritiker. Die börsennotierte Aktiengesellschaft erfüllt ihren Zweck nicht mehr. Das hat Gründe: Bei den heutigen Kapitalmärkten führt das Modell dazu, das Unternehmenslenker in winzig kleinen Zeitfenstern denken - und den langfristigen Erfolg außer Acht lassen. Damit erfüllen sie das zentrale Bedürfnis der wichtigsten Stakeholder nicht mehr: erstens derjenigen, die für ihr Alter vorsorgen wollen. Und zweitens der Wisssensarbeiter, die heute für Wertschöpfung sorgen. Besser sind Beteiligungsprogramme. Vgl. Roger L. Martin: Das Ende der AG, in: HBM Mai/2021, S. 22ff.

Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA): Am bekanntesten und wichtigsten ist die Mischform "Kommanditgesellschaft auf Aktien". Sie gilt aber als Kapitalgesellschaft. Sie gibt es als Rechtsform seit mehr als 100 Jahren. Das Gesamtkapital einer KGaA setzt sich aus den Vermögenseinlagen eines oder mehrer Komplementäre, der Vollhafter, sowie dem Kapital der Kommanditaktionäre zusammen. Dabei muss der Komplementär weder Aktien besitzen, noch eine Einlage leisten. Es obliegt dem Komplementär das Unternehmen weitestgehend selbständig zu leiten (er kann also ohne Aktien oder Aktienmehrheit großen Einfluss nehmen). Auch bei Aufsicht und Mitbestimmung gelten spezielle Regeln (Vetorecht des Komplementärs; Aufsichtsrat hat keine Personalkompetenz). Viele Familien sichern durch diese Rechtsform ihren Firmeneinfluss. Die Vorteile der Kapitalgesellschaft (Börsenfähigkeit, Haftungsbeschränkung) wird mit denen der Personengesellschaft verbunden. So gibt es große Spielräume bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages. Auch ein großer Gesellschafterkreis lässt sich gut organisieren. Bei einem Verwaltungsrat gibt es kaum Beschränkungen. Beim Jahresabschluss wirkt die Hauptversammlung mit. Das Aktienrecht ist restriktiver. Die Rechtsform ist beliebt bei Familienunternehmen und Fußballclubs. 2018 geht auch die Deutsche Bank-Tochter DWS als KGaA an die Börse.

GmbH & Co. KG: Nicht gesetzlich definiert. Sie ist eine Kreation der Praxis, die versucht, die Vorteile der Personengesellschaft (keine Körperschaftsteuerpflicht) mit denen der Kapitalgesellschaft (beschränkte Haftung) zu verbinden. Es besteht die Möglichkeit, die Haftung auf die Einlagen der Kommanditisten und auf das Gesellschaftsvermögen der GmbH als Komplementär zu begrenzen.

Societas Europaea (SE) als Rechtsform für den Mittelstand: in der gesamten EU einheitlich. Kapitalmärkte sind einfacher zugänglich. Ca. 100 Unternehmen in Deutschland (z. B. BASF, EON). Umfirmierungen (teuer, lang) entfallen. Unterschied zur deutschen AG: kleinerer Aufsichtsrat, Größe muss mit Arbeitnehmern ausgehandelt werden und ist dann fix. KMU schrecken zurück, aber insgesamt wenig AG bei kleinen Unternehmen.

Societas Unius Personae (SUP): Diese Konstruktion soll Unternehmen im EU-Binnenmarkt die Gründung ausländischer Tochtergesellschaften erleichtern. Es geht also um grenzüberschreitende Unternehmensgründung. Es solol auch eine elektronische Ferngründung möglich sein. Das Stammkapital kann theoretisch auf einen Euro festgelegt werden.

Unternehmensverbindungen: Kooperation, Abgestimmtes Verhalten, Wirtschaftsverband, Arbeitsgemeinschaft (Konsortium), Kartell, Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture), Konzentration, Holding, Fusion.

Standortwahl: Standortfaktoren sind: Die potentielle Nachfrage in der Region, konkurrierende Unternehmen, Kaufkraft, Kundennähe; Grundstücke und Immobilien, Arbeitnehmer, Betriebstoffe; Infrastruktur; soziale und wirtschaftliche Rahmenbedingungen (Steuern, Subventionen, rechtlicher Rahmen).

Weltmarktführer ("Hidden-Champions"): Der Begriff scheint 1987 entstanden zu sein (Frage von Theodore Levitt aus Harvard: Warum sind deutsche Unternehmen im Export so erfolgreich? Begriff wurde von Hermann Simon dann eingeführt, Professor und Unternehmensberater). Vgl. Simon, Hermann: Hidden Champions. Dei neuen Spielregeln im chinesischen Jahrhundert, Frankfurt/ New York 2021, S. 15. Es gibt drei Definitionskriterien: 1) In der Branche Nr. 1,2 oder 3 und auf dem Weltmarkt Nr. 1. 2) Der Jahresumsatz liegt in der Regel höher als 5 Milliarden Euro. 3) Geringer Bekanntheitsgrad auf Basis qualitativer Beurteilung.  Sie beherrschen Nischen bzw. Segmente des Weltmarktes. Sie werden auch als "Hidden-Champions" bezeichnet. Darunter sind viele KMU und Familienunternehmen. Zwischen 1100 und 1500 Unternehmen in Deutschland gelten als Weltmarktführer auf speziellen Gebieten (manche Experten nennen nur 455). Mehr als 20 Prozent sind in ländlichen Gebieten, die meisten in Süddeutschland (wichtige Bedeutung der KMU für die Region). Gute Beispiele sind Selb, Künzelsau, Albstadt und Biberach (Quelle: Weissman Gruppe für Familienunternehmen, Leibniz-Institut für Länderkunde). Vgl. auch die Seite "Links" (Mittelstand/ Unternehmen/ Hidden Champions). Folgende Merkmale gelten für diese Unternehmensgruppe: Focussierung auf spezielle Kompetenzen, Innovation und Kundennähe, Globalisierung, Wettbewerbsvorteile. Heute geht man von sechs Faktoren aus, die Weltmarktführer stärken: 1. Zwang zur Innovation. 2. Lokal verwurzelt. 3. Nischen besetzt. 4. Global focussiert. 5. Nah am Kunden. 6. Langfristig denken. Insgesamt da A und O ist aber die Nische: 1. Sie finden. 2. Sie vertiefen. 3. Sie verteidigen. Nach einer Erhebung der Unternehmensberatung Simon Kucher & Partners 2015 gibt es folgende Häufigkeitsverteilung bei den "Hidden Champions" nach Ländern: Deutschland 1307, USA 366, Japan 220, Italien 76, Frankreich 75, Großbritannien 67, China 69, Korea 23, Russland 14, Spanien 11, Brasilien 11. Quelle: Unternehmermagazin 7/8, 2015, S. 20. Die Universität St. Gallen /Christoph Müller ermittelt regelmäßig die 500 Weltmarktführer aus Deutschland. 2020 wird über 458 Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von 1748 Mrd. € berichtet. Sie beschäftigen 6,4 Mio. Menschen. Die Rangfolge der Häufigkeiten nach Bundesländern sieht wie folgt aus: B. - W.: 159; NRW: 98; Bay: 97; Hessen: 36; Niedersachsen: 22; RLP: 12; Hamburg: 8. 2022 sind noch 446 Unternehmen übrig. Sie beschäftigen zusammen fast 6,2 Mio. Mitarbeiter und setzen mehr als 1,7 Billionen Euro um. Das entspricht einem Viertel der Erlöse aller 3,4 Mio. Unternehmen in Deutschland.

Digitale Hidden-Champions: Sie haben entweder digitale Produkte (1), digitale Prozesse (2) oder digitale Services (3). Zu (1) zählen etwa Volocopter, Bruchsal (elektrischer Hubschrauber); DeepL, Köln (Übersetzungsprogramm, leistungsfähiger als Google Translate); MK Technology, Grafschaft bei Bonn (Investment Casting); Phoenix Contact, Göppingen (schnellstes Batterieladesystem). Zu (2) gehören: Kärcher (Hochdruckreiniger); Knauf (Baustoffe); Trumpf (Lasermaschinen). Zu (3): Teamviewer (Feinwartung von Computern; Flixmobility (Organisation von Systemen); Wirecard (Financial Services). Vgl. Simon, Herman: Die digitalen Hidden Champions, in: HBM, November 2019, S. 62ff.

Häufigkeiten in der Unternehmensstruktur in Deutschland: Quellen sind die Umsatzsteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes (StBA), der Mikrozensus des StBA, Sonderauswertungen des Unternehmensregisters (Arbeitstättenzählung, StBA) und Berechnungen des IfM, Bonn. Vgl. auch FAZ Nr. 248, 25. Oktober 2013, S. 14. Es gibt ca. 18.000 Großunternehmen in Deutschland (zur Abgrenzung vgl. diese Homepage, IfM-Bonn oder Wirtschaftsministerium bzw. EU). 66.500 Unternehmen sind Mittlere Unternehmen. 238.000 Unternehmen werden als Kleine Unternehmen bezeichnet. Kleinste Unternehmen sind 740.000. Selbstständige ohne Beschäftigte machen 2.513.000 aus. Unternehmen unterhalb der 17.501 Euro Schwelle sind 2.197.000. Betrachtet man die eigentümer- und familiengeführten Unternehmen, so kommt das Ifm-Bonn für 2014 auf einen Anteil von 93,8% (1998: 94,8%; Materialen 253).   In RLP sind 99,7% aller Unternehmen KMU. Den meisten Umsatz macht der Handel vor dem produzierenden Gewerbe. RLP hat die rentabelsten Kleinunternehmen. Im Mittel wird eine Umsatzrendite von 7,9% erzielt. Auf dem zweiten Platz liegen Mittelständler aus Hamburg (6,9%). Am niedrigsten ist die Kennziffer in Sachsen-Anhalt mit 4,6%. Quelle: Studie der KfW, Frankfurt 2018. Vgl. auch: WiWo Sonderheft Nr. 1, 2.11.2020.

Mittelstandshäufigkeit  komparativ zu anderen EU-Ländern:  Deutschland hat nicht die höchste Dichte in der EU. Wir haben 3039 KMU pro 100.000 Einwohner. Der EU-Durchschnitt liegt bei 4875. Die höchste KMU-Dichte verzeichnet Tschechien (9827), gefolgt von der Slowakei (8710) und Portugal (8645). Die Erklärung dafür ist: In Deutschland gibt es weniger Kleinstunternehmen (<10 Beschäftigte). Dafür aber mehr kleinere (<50 B.) und mittlere (<250 B.). Im Schnitt haben KMU in Deutschland 7,6 Beschäftigte, der höchste Wert in der EU (Durchschnitt 3,9). 99,5% sind in Deutschland KMU, sie beschäftigen 64% der Arbeitnehmer und tragen 54% zur Wertschöpfung bei. Quelle: Institut für Mittelstandsforschung, Bonn (ifm, Bonn: Eurostat - Daten. Stand Januar 2019).

Mittelstand/ KMU in Ostdeutschland (neue Länder): In Ostdeutschland sind wenig Weltunternehmen oder große Unternehmen tätig (Ausnahmen: Daimler, BMW, VW). Internationale Direktinvestitionen kommen erst allmählich  (Tesla/ USA, CATL/ China). So basiert die Wirtschaftsstruktur in erster Linie auf KMU und Mittelstand. Das sind häufig Unternehmen, die schon immer Familienunternehmen waren oder nach der Wende als solche wieder gebildet wurden (Beispiele: Gutena, Bauerfeind). Es gibt mittlerweile 2020 auch immer mehr Start-ups (Berlin, Thüringen , Sachsen). Im Osten sind die Lebenshaltungskosten und Löhne noch geringer. Die Infrastruktur ist überwiegend gut. Verglichen mit den Mittelstandsmusterländern wie Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern gibt es im Ost aber relativ wenig Mittelstand und vor allem Weltmarktführer. Am besten steht noch Thüringen da (Familienunternehmen).

Mittelstandsregionen in Deutschland: Grundsätzlich ist die dezentrale Struktur mit vielen erfolgreichen Regionen ein deutsches Erfolgsmodell. KMU-Ballungszentren sind um Stuttgart, Südlich Ruhrgebiet/ Bergisches Land, Großraum München, Rhein-Main, Rhein-Neckar.

Mittelstand/ KMU im Ausland: Mittelständische Unternehmen spielen in der Schweiz eine ähnliche Rolle wie in Deutschland. Zwei Dritte aller Beschäftigten arbeiten in KMU (bis 249 Beschäftigte). Diese Unternehmen machen 99,6% aller Unternehmen aus. Als großer Vorteil der Schweiz gelten die Rahmenbedingungen: Sozialpartnerschaft, Nähe zur Wissenschaft und Groß-Industrie, lockeres Arbeitsrecht, wirtschaftsfreundliche Politik (mit Volksentscheiden). Vgl. Wirtschaftswoche 37, 4.9.15, S. 50. Mehr noch als Deutschland lebt auch Österreich von den KMU. Aber schon mehr als 75% investieren 2015 nicht mehr im eigenen Land. Es gibt Klagen über die hohen Arbeitskosten, die wuchernde Bürokratie und das Arbeitsschutzgesetz (Wirtschaftswoche 46/ 6.11.15, S.58ff.). In Polen können die KMU nicht mehr mit niedrigen Preisen punkten. Sie müssen innovativer werden. Die Steuergesetze sind sehr kompliziert. Vgl. Wirtschaftswoche 49, 27.11.15, S. 54f. In Frankreich ist French Tec auf dem Vormarsch. Das Land hat eine sehr erfolgreiche Gründerszene. Die Vorzeige-Start-ups heißen Blablacar (Mitfahrzentrale), Criteo (Internetwerbung), Drivy (Auto-Sharing), Captain-Train (Zugticket-Verkauf), Parrot (Drohen). Frankreich hat aber keinen klassischen Mittelstand, so wie Deutschland. Nach der Corona-Krise 2020 kommt ein Hilfspaket von 100 Mrd. €, das Deutschland als Benchmark hat.   In den USA gibt es 2014 eine Welle der Produktions-Rückverlagerung. Mehr als 800 Unternehmen haben ihre Fertigung wieder zurückgeholt. Zum Mittelstand zählen nur ca. 200.000 Unternehmen , die zwischen zehn Millionen und einer Milliarde Dollar umsetzen und rund 40 Mio. Menschen beschäftigen. Die Produktionskosten in den USA sind gesunken und die Kunden wollen "Made in USA" (vgl. Wirtschaftswoche 2/8.1.2016, S. 42). Unternehmen mit beschränkter Haftung heißen in den USA Corp. oder Inc. (kurz für "Corporation" oder "Incorporated"). Dies entspricht in etwa der deutschen GmbH. Es gibt abweichende Regelungen in den einzelnen Bundesstaaten. Der Unternehmensname ist lediglich in dem Bundesstaat geschützt, in dem er eingetragen wurde.

Facebook und Mittelstand: Etwa 40% der KMU in Deutschland haben keine Website. Sogar in den USA sind es bei KMU 35% (2016). Facebook appelliert an alle KMU in der Welt, also 60 Mio. Unternehmen, dem Netzwerk beizutreten. Der Hintergedanke bei Facebook liegt natürlich wie immer in der Vergrößerung der Werbeplattform. 2019 nutzen schon 80 Mio. KMU weltweit Facebook. Unternehmen sollten aber darauf achten, die persönliche Note nicht zu vergessen.

Neugestaltung des Unternehmens als solches in der digitalen Welt:  Der Schlüssel sind die Entscheidungen über Grenzen, vor allem die Festlegung der Unternehmensgrenzen. Die Entwicklung geht von der Hierarchie zum Monopol. Als Kriterien dienen: 1. Suchkosten. 2. Vertragskosten - Intelligente Verträge, Multisignatur: Intelligente komplexe Verträge. 3. Koordinationskosten. 4. Die Kosten des (Wieder-) Aufbaus von Vertrauen. Vgl. Don Tapscott/ Alex Tapscott: Blockchain Revolution, Kulmbach 2016, S. 123ff.

 

Empirische Erhebungen (empirische Forschung, Datenquellen, Sekundäranalysen, Informationen, quantitative BWL, BWL als empirische Sozialwissenschaft; empirische Projekte von und an Hochschulen. Statistik in Betrieben)

Ständige empirische Erhebungen über KMU in Deutschland:  MIND (Mittelstand in Deutschland), Mittelstandsmonitor, BDI - Mittelstands -Panel. Das Mittelstandsbarometer (KfW, Frankfurt und Ifo, München; 5000 Unternehmen mit weniger als 50 Mio. € Umsatz) misst die Stimmung/Klima im Mittelstand mit einem Index. Im Mittelstands - Panel wird die konjunkturelle Entwicklung, aber auch das Finanzierungsverhalten gemessen. "Intellektuelle Erkenntnisse sind Papier. Vertrauen hat immer nur der, der von Erfahrungen redet", Hermann Hesse. Im Juli 2010 verzeichnet das Mittelstandsbarometer einen so starken Sprung nach oben wie noch nie.

Umfrage der Wirtschaftsauskunftei Creditreform: In unregelmäßigen Abständen. 2012 werden 4100 mittelständische Firmen befragt. Fast 59% schätzen ihre aktuelle Lage als gut oder sehr gut ein (positivster Stand seit der Wiedervereinigung). Das Beschäftigungswachstum und das Wachstum der Investitionen soll sich fortsetzen. Creditreform macht eine Reihe von Untersuchungen im Mittelstand.  Eine Umfrage unter 3100 Betrieben, durchgeführt von Creditreform 2014, zeigt, dass die Stimmung im Handwerk auf einem Zehn-Jahreshoch ist.

KfW-Mittelstandspanel: Eine repräsentative Umfrage bei 12.500 Firmen. 2010 ist die Kreditwürdigkeit der Unternehmen gut geblieben. In den nächsten drei Jahren rechnen 44% der Mittelständler mit steigenden Umsätzen. Der Konjunktureinbruch wurde gut überstanden. Die Eigenkapitalquote verbesserte sich 2009 auf 26,4%. Der Mittelstandspanel 2016 widmet sich vor allem der Azubi-Situation. Im laufenden Jahr wird mit einem Rückgang an Auszubildenden gerechnet. In den vergangenen Jahren lag die Zahl bei etwa 1,2 Mio. (2008: 1,61 Mio.). Je kleiner der Betrieb ist, desto seltener bilde er aus.  Ausnahme ist das Handwerk. Die Integration von Flüchtlingen sei aktuell die zentrale Herausforderung (berufsvorbereitende Maßnahmen?)..

KfW-Geschäftsklima-Indikator: Dieser wird von der KfW-Bankengruppe monatlich für den Mittelstand erhoben. Im Februar 2011 erreicht er mit 30,7 einen Rekordwert (im Vergleich zum Vormonat um 2,3 Zähler gestiegen).

KfW-Ifo-Mittelstandsbarometer: "Das KfW-Ifo-Mittelstandsbarometer deutet darauf hin, dass die kleinen und mittleren Unternehmen 2012 eine wichtige Stütze der konjunkturellen Entwicklung sein werden", Norbert Irsch, Chefvolkswirt der KfW (nach Handelsblatt, 6./.7. 1. 2012, S. 19). Das Mittelstandsbarometer 2015 zeigt eine positive Grundstimmung für 2016 (KfW Chef-Volkswirt Jörg Zeuner). Im Dezember 2015 trübt sich das Barometer etwas ein. Man geht mit leichtem Dämpfer ins neue Jahr.

KfW-Gründungsmonitor: Jährlich ermittelt. Gründungsmonitor 2015: 2014 stieg die Zahl der Gründungen um 47.000 auf 915.000. Das Plus lag vor allem in freiberuflichen Bereichen wie Unternehmensberatung, Coaching oder Softwareengineering. Durch die Neugründungen sind 745.000 Vollzeit-Jobs entstanden. 2016 sank die Zahl der Neugründungen um 91.000 auf 672.000. Das hängt auch mit der zurückgehenden Arbeitslosigkeit zusammen. Nur noch 9 von 100 Gründern waren vorher arbeitslos. Am beliebtesten bleibt der Dienstleistungsbereich. 2020 fragt man nach den Rahmenbedingungen für Gründung in Deutschland (Bewertung in Schulnoten): Freier Marktzugang 2,4; Infrastruktur 2,7; Gesetzliche Regelungen 3,1; Berichtspflichten 3,6; Steuerliche Belastung 3,7; Engagement der Politik 3,7.

KfW-Innovationsbericht: Laut Innovationsbericht 2017 hat sich seit 2004 der Anteil innovativer Unternehmen nahezu halbiert.

KfW- Kommunal - Panel: KfW - Research. Umfrage bei Kämmereien von Kommunen. Messung des Investitionsrückstands für Infrastruktur: 2020 149 Mrd. €.

KfW-Sonderuntersuchungen: Die KfW macht Umfragen und Studien zu Sonderthemen. 2020 kommt eine Untersuchung zu den Folgen von Corona für den Mittelstand. Die Ergebnisse werden im Oktober 2020 vorgelegt: 16% der befragten Unternehmen wollen ihre Zahl der Mitarbeiter reduzieren. Die Mitarbeiterzahl im Mittelstand könnte sich um 3,3% reduzieren. Jedes zweite Unternehmen rechnet mit einem Umsatzrückgang.

BDI-Mittelstands-Panel: regelmäßige Umfrage bei 1200 Mittelständlern. Gefragt wird nach der aktuellen Lage, nach der Wirtschaftspolitik und nach der Zukunft. Durchgeführt wird die Erhebung vom Institut für Mittelstandsforschung in Bonn. Befragt werden KMU des Verarbeitenden Gewerbes, des Baugewerbes und der Energie- und Wasserwirtschaft mit maximal 50 Mio.€ Umsatz und höchstens 499 Beschäftigten. Bekannt gegeben werden die Ergebnisse in der Regel vom Vorsitzenden des BDI-Mittelstandsausschusses. 2012 beteiligen sich 939 Unternehmen. Planungen sind eher kurzfristig. Man blickt wegen der Euro-Krise pessimistischer in die Zukunft.

IfM-Bonn - Zukunftspanel: Von Zeit zu Zeit. Herausforderungen für mittelständische Unternehmen. Befragt werden Geschäftsführer von Berufsverbänden sowie von Wirtschaftsverbänden und -kammern, renommierte Wirtschaftsforscher auf nationaler und internationaler Ebene sowie Mittelstandsexperten in den Wirtschaftsministerien auf Bundes- und Landesebene (Expertenbefragung). Es geht darum, welche Themen ihrer Ansicht nach aktuell und zukünftig relevant sind. Befragung Frühjahr 2014. Letzte Befragung 2017: Wichtig sind Rahmenbedingungen, Unternehmensnachfolge und Digitalisierung. Vgl. Ifm-Materialien, Nr. 229, 2017

DIHK-Mittelstandsreport: befragt werden in der Regel mehr als 20.000 KMU (bis 500 Beschäftigte). Sie werden nach Geschäftserwartungen, Exporterwartungen und Beschäftigungserwartungen befragt. 2001 wollen KMU 300.000 neue Jobs schaffen.

DIHK-Industriereport: Grundlage ist eine Umfrage bei Hunderten Industriebetriebe. Es werden Lage, Investitionen und Beschäftigungsaussichten der Industrie erfragt. Die Befragung zum Jahreswechsel 2011/2012 ergibt, dass jeder dritte deutsche Industriebetrieb seine Kapazitäten ausbauen will. Es sollen 60.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Der Umweltschutz ist ein wichtiges Investitionsmotiv.

DIHK-Gründerreport: 2014 nehmen die Pioniergründungen zu. 59% haben sich von der IHK beraten lassen. 43% waren Frauen.

Global Entrepreneurship Monitor (GEM; weltweit größte Studie zur Analyse von Gründungsaktivitäten; wird in bestimmten Zeitabständen durchgeführt; enthält auch Rahmenbedingungen von Start-ups). Beteiligt sind wissenschaftler aus 70 ländern. Integriert ist ein Deutscher Startup-Monitor. Erhoben werden auch psychologische Faktoren (Angst vor dem Scheitern, Einschätzung der Toleranz der Gesellschaft gegenüber dem Scheitern). Im internationalen Vergleich hat Deutschland nach dem GEM folgenden Rang: Öffentliche Förderprogramme 5; Finanzierungsbedingungen 10; Engagement der Politik 10; Berater und Zulieferer für neue Unternehmen 11; Regulierungen, Steuern 12; Wissens- und Technologietransfer 13; Marktzugangsbedingungen 13; Schulische Gründungsbildung 17; Gesellschaftliche Werte und Normen 18; Physische Infrastruktur 19 (Quelle: GEM, 29 Volkswirtschaften). Die GEM - Bevölkerungsbefragung 2017 (Zeitraum 2001 - 2016) kommt zu folgenden Ergebnissen: Nur 37,4% der Deutschen glauben, dass sie die Fähigkeiten einer Firmengründung haben. Gründungsexperten sehen Vorteile in Deutschland in der physischen Infrastruktur, der Wertschätzung neuer Produkte. Nachteile im Engagement der Politik und in der schulischen Gründungsausbildung.

Gründungsklima weltweit 2019: Der Anteil der Bürger, die sich eine Firmengründung zutrauen sieht in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich aus: Am höchsten ist der Anteil in den USA (65,5% vpr Großbritannien (55,2%). Hinten liegt Japan mit 14%. Deutschland hat 45,5%. Quelle: Total Entrepreneuerial Activity-Quote (TEA), GEM (Global Entrepreneuerial Monitor). Zusätzlich gibt es in diesem Monitor eine Experteneinschätzung zu den gründungsbezogenen Rahmenbedingungen: Die USA liegen vor den Niederlanden und der Schweiz. Deutschland liegt auf dem 9. Platz.

Deutscher Start-up Monitor (DSM): Gefördert von der KPMG. Seit 2013 durchgeführt. Letzte Ergebnisse 2017: Start-ups als Job-Motor und Quelle der Innovation. Internet:  deutscherstartupmonitor.de. Bekannter Wissenschaftler als Autor: T. Kollmann, Uni Duisburg/Essen. Die wichtigsten Ergebnisse für 2017 sind: Gründungen im digitalen Bereich sind attraktiv. Die Zahl der Gründerinnen steigt. Durchschnittlich werden 13 Arbeitsplätze geschaffen. Die TU München ist die Top-Gründerhochschule.

Mittelstandsbarometer von Ernst & Young: 3000 mittelständische Unternehmen werden von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft befragt. Gefragt wird nach Zufriedenheit mit Rahmenbedingungen und dem Standort. 2011 halten 77% der KMU den Standort für gut. Ende 2017 kommt man zu folgenden Ergebnissen: Jedes dritte Unternehmen will 2018 investieren und neue Mitarbeiter einstellen.

Start-up-Barometer Deutschland von Ernst & Young: Januar 2019 kommt es zu dem Ergebnis, dass die meisten Start-up-Finanzierungen in Berlin (247) und Bayern (124) stattgefunden haben. An dritter Stelle liegt Hamburg vor Baden-Württemberg. Bei den Branchen liegt der E-Commerce vorne vor Software und FinTech.

Mittelstands-Umfrage des BDO (Wirtschaftsprüfungsgesellschaft): Befragt wurden 2011 750 mittelgroße Unternehmen aus 13 Ländern. Der Anteil des internationalen Geschäfts steigt. Die größte Herausforderung ist die Suche von qualifiziertem Personal vor Ort.  Beliebtestes Land ist China vor den USA. 69 Prozent der Unternehmen habe keine Probleme, Finanzmittel zu bekommen.

Die 100 besten Mittelständler: Erhebung der Wirtschaftswoche. Die Rangfolge ergibt sich bei mittelständischen Weltmarktführern (Nischen) nach der Wachstumsstärke. Dabei liegt der Birch-Index (David L. Birch, MIT) zugrunde. Die Untersuchung wird jährlich durchgeführt.

Commerzbank ("Mittelstandsbank"): Studie "Initiative Unternehmensperspektiven" 2019. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa führte die Erhebung 2019 durch. Dafür befragte es 2000 mittelständische Unternehmen, darunter 240 Firmen mit mehr als 100 Mio. € Umsatz. Von den befragten Firmen bestand eine Abhängigkeit durch den Vertrieb im Ausland (52%; 42 keinen Vertrieb im Ausland; 6% sind einen möglichen Vertrieb im Ausland). Die größten Sorgen in den nächsten zwei Jahren waren: geringe Planungssicherheit, konjunkturelle Eintrübung, zunehmende Handelsbarrieren, geringere Nachfrage am deutschen Markt, Absatzrückgänge in den Auslandsmärkten, positive Effekte durch Handelskonflikte. Die Forderungen waren: einheitliche europäische Haltung im Wirtschaftsstreit mit den USA, gute Wirtschaftsbeziehungen zu China, gute Wirtschaftsbeziehungen zu GB nach Brexit.

Universität St. Gallen:  Die Universität St. Gallen /Christoph Müller ermittelt regelmäßig die 500 Weltmarktführer aus Deutschland. 2020 wird über 458 Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von 1748 Mrd. € berichtet. Sie beschäftigen 6,4 Mio. Menschen. Die Rangfolge der Häufigkeiten nach Bundesländern sieht wie folgt aus: B. - W.: 159; NRW: 98; Bay: 97; Hessen: 36; Niedersachsen: 22; RLP: 12; Hamburg: 8. Vgl. auch: WiWo Sonderheft Nr. 1, 2.11.2020.

Verbandsumfragen: Die Mittelstandsverbände (z. B. Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft, Verband der Familienunternehmen) führen eigene Umfragen durch. Befragt werden in der Regel um die 500 bis 1000 Unternehmen in einer Stichprobe. Dabei werden auch Zukunftsaussichten erfragt, besonders die Schaffung neuer Stellen.

Umfrage der Union mittelständischer Unternehmen (UMU): Ende 2012 beurteilen 53 Prozent der Unternehmen (von UMU) die wirtschaftliche Lage als derzeit gut. Im Vorjahr hatten noch 45% mit einer Verschlechterung gerechnet.

Frühjahrsumfrage der genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken und der DZ Bank zur Geschäftslage im Mittelstand (seit 1995). Befragt werden 1500 Unternehmen. Ergebnis 2011: Jedes dritte Unternehmen will neues Personal einstellen. Die Aussichten werden sehr positiv eingeschätzt. Im Frühjahr 2017 ist die Stimmung im Mittelstand auf Rekordhoch. Sorgen macht nur der Fachkräftemangel.

Studien des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) über den Mittelstand (z. B. Diagnose Mittelstand, Januar 2015. Werden in unregelmäßigen Abständen durchgeführt. Stichprobe sind die Unternehmensbilanzen von 250.000 KMU. 2014 hat die Eigenkapitalquote einen Rekordwert erreicht mit 22,3%. Trotz hoher Rücklagen und günstiger Kreditmöglichkeiten wird zu wenig investiert.

ZEW-Länderindex der Standortfaktoren für Familienunternehmen: Bisher viermal vom ZEW/Mannheim durchgeführt. Am wohlsten fühlen sich Familienunternehmen in der Schweiz, vor Finnland, Dänemark und Großbritannien. Deutschland liegt in Europa an elfter Stelle vor Frankreich und hinter Österreich. In die Bewertung fließt stark das Steuersystem ein, insbesondere die Steuerbelastung. Mittlerweile sind auch Energiefaktoren im Index.

Umfrage des BDI und der Deutschen Bank über die größten deutschen Familienunternehmen: Erste Befragung 2016 bei 4700 Unternehmen (mindestens 50 Mio. € Jahresumsatz).

Global Family Business Survey (PwC; seit 2000): Ca. 2600 Familienunternehmen werden zu Zukunftsplänen und aktuellen Entwicklungen befragt. Etwa 100 Unternehmen sind darunter aus Deutschland.

Edelman Trust Barometer: Erhebt subjektive Faktoren bzw. Einstellungen zum Mittelstand. 2014 sind Familienunternehmen und KMU Vertrauensweltmeister (in Deutschland noch mehr als weltweit). Als besonders glaubwürdig werden folgende Faktoren eingeschätzt: Kundenorientierung, Verantwortungsvolles Handeln, Produktqualität, langfristiges Denken, Transparenz in der Geschäftspraxis.

Facebook: Es gibt ein Netzwerk "Mittelstand". Facebook liefert auch Daten zur Start-up-Szene.

Statista: Der Datenanbieter liefert besonders interessante Daten zur digitalen Start-up-Szene. Viele der Daten sind auch aus der amtlichen Statistik verfügbar. Nicht in der amtlichen Statistik sind Zahlen über das digitale Marketing (Follower, Influencer, Contents).

OECD: Die OECD in Paris geht in ihren empirischen Analysen der Mitgliedsländer immer wieder auf die Situation des Mittelstandes ein.

Small Business Act: 10 Grundsätze der Europäischen Kommission zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Gründer und bestehende Klein- und Mittelbetriebe 2008. Es gibt ca. 23 Mio. KMU in der EU. Hier einige Auszüge: Die Verwaltungsbehörden sollen stärker auf die Bedürfnisse der KMU ausgerichtet werden. Die Unterstützung in Finanzierungs-, Innovations- und Bildungsfragen soll verbessert werden. Die Darlehen der EIB sollen erweitert werden. http://ec.europa.eu/enterprise/entrepreneurship/sba_de.htm

US-Census Bureau: Die Statistik-Behörde der USA liefert Daten zum Überleben bzw. Scheitern kleinerer unternehmen in den USA (auch Start-up: 30% überleben 10 Jahre).

Mittelstandsneutralität: Sie besteht, wenn wirtschaftspolitische, insbesondere umweltpolitische, Maßnahmen KMU nicht stärker negativ treffen als größere Unternehmen.

Pfadforschung im Mittelstand: Pfadabhängigkeit bedeutet, dass jetzige Entscheidungen stark von in Entscheidungen in der Vergangenheit beeinflusst werden. So werden auch Investitionsentscheidungen aus Kostengründen ungern rückgängig gemacht oder Geschäftsmodelle werden nicht geändert. Pfade können Unternehmen blind machen und die Neigung ist groß, auf dem eingeschlagenen Pfad zu bleiben. Dagegen müssen Strategien entwickelt werden. Vgl. Grünewald, S.: Pfadabhängigkeit der Unternehmensentwicklung, Vdm, 2007.

Neuroökonomie: Die ökonomische Theorie wird mit den Methoden der Neurowissenschaft angereichert. Im Mittelpunkt steht das Gehirn als System. Sie ist überall dort nützlich, wo die Entscheidung zwischen Alternativen rational nicht mehr möglich ist, weil man emotional in verschiedenen Atmosphären ist. So könnte sie für das Marketing (Konsumentenverhalten) und für KMU (Unternehmerverhalten) die Theorie voranbringen.  Eine große Rolle spielt sie auch im Finanzverhalten: An den Börsen müssen Menschen mit einer Art Risiko umgehen, an das das Gehirn möglicherweise nicht angepasst ist. Bestimmte Teile des Belohnungssystems im Gehirn reagieren auf einen höheren Geldbetrag mit einer deutlich stärkeren Aktivierung. Die Neuroökonomie arbeitet vor allem mit Experimenten. Am bekanntesten ist das Ultimatum-Spiel (Caltech, Colin Camerer). Hier wird mit Laboren gearbeitet, die mit Magnetresonanztomografen ausgestattet sind. Der antike Philosoph Platon bekommt immer mehr Recht (die Menschen lenken einen Wagen mit zwei Pferden: mit Vernunft und Gefühl). Klare Handlungsempfehlungen können noch nicht abgeleitet werden. 2009 wird das Buch von Martin Lindstrom Buy .Ology zum Bestseller (Ergebnisse einer Studie mit 2000 Teilnehmern in fünf Ländern). Das Neuromarketing unterscheidet 4 Konsumentengruppen: 1 Realistisch/ analytisch, 2 Realistisch/ Emotional, 3 Intuitiv/ Analytisch, 4 Intuitiv/ Emotional. Relativ bekann in Deutschland und international ist die Neurowissenschaftlerin Tania Singer Leipzig uns Berlin). Im Rahmen der Mind & Life Institute kooperiert sie mit dem Dalai Lama.

M-Dax (Mittelwerte-Index, Midcap): Deutscher Aktienindex, der 1996 an der Börse eingeführt wurde. 50 mittelgroße Industrie-Unternehmen, die überwiegend in Deutschland tätig sind. Daneben gibt es noch einen Smallcap-Index der Kleinwerte. Beide unterliegen dem Prime Standard höchster Anforderungen.

Hidden-Champion-Index: Es wird der Stellenwert der Marke untersucht. Es handelt sich um Unternehmen mit einer führenden Position auf dem Weltmark ("Hidden Champions"). Befragt werden 250 Experten aus Branchen- und Fachverbänden. Berechnet werden zunächst zwei Teilindices: der Marken-Performance-Index und der Unternehmens-Performance-Index. Aus der Summe ergibt sich der Hidden-Champion-Index. 2013 gewinnt die Firma Herrenknecht.

Mind the Bridge (Organisation für Start-ups): Führt zusammen mit der Online-Datenbank Crunchbase Studien über Start-ups durch, vor allem über Verkäufe weltweit. Rund 1300 Gründungsunternehmen wurden zwischen 2012 und 2016 in Europa verkauft. Fast jedes zweite Unternehmen ging an US-Unternehmen (jedes Fünfte an ein Unternehmen im Silicon Valley) Die meisten Sart-ups kaufte Google. Die Daten wurden ausgewertet von der Online-Datenbank Crunchbase und der Organisation Mind the Bridge.

Einzelhandel, Kaufkraft: Verschiedene kleinere Marktforschungsinstitute ermitteln regional entsprechende Werte. Gearbeitet wird in der Regel mit folgenden Indikatoren: Kaufkraftindex (wie viel von verfügbaren Einkommen steht zur Verfügung für einzelne Zwecke), Einzelhandels-Umsatz-Kennziffer, Zentralitätskennziffer, Einwohnerdichte. Online-Konkurrenz und Märkte auf der Grünen Wiese setzen den Innenstädten zu.

Washingtoner Global Entrepreneurship and Development Institut: Erhebt und berechnet den Female Entrepreneurship Index (FEI). Abhängig von Kultur und Rollenverständnis sowie von Geschäftsmodellen in der Finanzierung. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 03.07.2017, S. 18 (Redaktion Jutta Gröschl vom ifm-Bonn). Nach der Erhebung 2015 hat sich die Situation für Frauen in den Staaten Schwarzafrikas und Ostasiens verbessert.

Transparenzregister: Es dient zur Bekämpfung von Geldwäsche. In der Datenbank werden seit 2017 Informationen über Eigentümer von Unternehmen gespeichert. Das Register soll helfen, Personen hinter verschachtelten juristischen Konstruktionen zu identifizieren. In den ersten neun Monaten gab es 5500 Anträge auf Einsichtnahme. Mehr als 4600 wurden genehmigt. Unternehmen stellten 444 Anträge, Daten sperren zu lassen. Nur 32 hatten Erfolg.

Global Competitiveness Report (World Economic Forum): 2019 wurden 141 Länder untersucht. Es führte Singapur vor den USA und Hongkong. 

World Competitiveness Ranking (IMD Lausanne, 2020): Hier führt Singapur vor Dänemark und Schweiz.

Doing Business Index (World Bank 2019): In 190 Ländern. Es führt Neuseeland vor Singapur und Dänemark.

Accounting for Transparency (TRR 266), German Business Panel, Uni Mannheim 2022 folgende. DFG-Projekt.

Korn Ferry: Analyse von mehr als 360.000 Datensätzen aus 764 Unternehmen. Grundgehalt auf den einzelnen Managementebenen in verschiedenen Branchen.

DIHK - Innovationsreport 2023: Innovationskraft in Deutschland. Deutschland gilt als Land er Tüftler und Ingenieure. Das scheint sich allerdings zu wandeln. Immer mehr Unternehmen sind bereit, noch in Deutschland zu investieren. Diesen Eindruck vermittelt der Innovationsreport 2023 des DIHK  2023 sinkt die Innovationsdynamik dramatisch. Personalmangel und Bürokratie bremsen. Trotz Förderprogrammen wird mehr Eigenkapital eingesetzt. Viele Unternehmen investieren stärker im Ausland.

 

Personal (Human Resource Management, Personalwesen, Personalmanagement; Beschäftigung, KMU als Arbeitsmarktsegment, Unternehmensnachfolge, Compensation & Benefits; vgl. auch zur Vertiefung Arbeitsökonomik, Personalpolitik und andere Aspekte dort; ganzheitlicher Personalansatz vom Produktionsfaktor "Arbeit" her wie z. B. bei Erich Gutenberg/ Köln, einem der Gründungsväter der BWL in Deutschland. Zu diesem Bereich habe ich viele Fachaufsätze in den führenden betriebswirtschaftlichen Zeitschriften und Bücher verfasst, Vgl. Dozenten-Profil/Author). Personalmanagement ist aber heute ein eher reaktives Gebiet, das immer stark von der Unternehmenspolitik abhängt. Das behindert auch das Karrierepotential von Personalspezialisten. Viele spezielle Aspekte der Personalwirtschaft sind auf der Seite "Economics/ special" bei Arbeitsökonomik dargestellt. Ich halte eine umfassende, ganzheitliche Perspektive, wie dort vertreten, für viel fruchtbarer als die  Systematik, die in vielen Personallehrbüchern üblich ist. Auch dann verschwindet wieder die Trennung zwischen Betriebs- und Volkswirtschaftslehre (Economics of Human Resources/ Personalökonomik; in den USA üblicher und öfter anzutreffen: Beispiel Edward Lazear und sein Lehrbuch in Deutsch zusammen mit Backes-Gellner, Lazear ist verstorben Ende November 2020).

Dynamische Unternehmer (Joseph A. Schumpeter , 1883-1950, vgl. www.schumpeter.cz): Der kleine, selbständige , hoch motivierte Unternehmer ist der Erfolgsgarant für das kapitalistische Wirtschaftssystem, der auch Quell des technischen Fortschritts ist. Seine Funktion besteht darin, "die Produktionsstruktur zu reformieren oder zu revolutionieren entweder durch die Ausnützung einer Erfindung oder, allgemeiner, einer noch unerprobten technischen Möglichkeit zur Produktion einer neuen Ware bzw. zur Produktion einer alten auf eine neue Weise, oder durch die Erschließung einer neuen Rohstoffquelle oder eines neuen Absatzgebietes oder durch die Reorganisation einer Industrie usw.", Ders.: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, München 2005, S. 214. Schumpeter startete an der Uni Graz, war kurz österreichischer Finanzminister, Partner eines Bankhauses in Wien, dann an der Uni Bonn, bevor er nach Harvard wechselte. Er unterschätzte immer die Rolle des Staates in modernen Volkswirtschaften. Er sah den Kapitalismus als ein "Prozess der schöpferischen Zerstörung". Berühmt ist sein Vierphasenmodell der Konjunktur. (vgl. auch: Th. K. McCraw, Joseph A. Schumpeter. Eine Biografie, Hamburg 2008). Neuere Entwicklungen in der Ökonomie setzen wieder auf das Unternehmertum als Kernpunkt. So die Entrepreneurial Economics ((Vgl. auch das Netzwerk "Plurale Ökonomie)..

Beschäftigung im Mittelstand (Mittelstand und Arbeitsmarkt): 70,5% aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (einschließlich Azubis und tätige Inhaber) arbeiten in KMU. 83,1% aller 1,7 Mio. Auszubildenden haben einen Ausbildungsplatz in KMU, (Schlüsselzahlen des IfM - Bonn 2009). Mittelständische Unternehmen haben nach einer Schätzung von Creditreform allein  in 2007 400.000 Arbeitsplätze geschaffen (2003-2005 nach KfW - Mittelstands - Panel auch 400.000, 2009 in der Krise werden aber allein im Maschinenbau 50.000 Stellen abgebaut). Im Handwerk sollen in der Krise 40.000 Arbeitsplätze verloren gegangen sein. Mit einem Wachstum und damit mehr Arbeitsplätzen wird erst ab 2011 gerechnet (ZDH). 2011 ist der Mittelstand im Stimmungshoch. Jedes vierte Unternehmen will Personal aufstocken. Für 2016 erwartet der Mittelstand eine deutliche Zunahme der Beschäftigung (Jobwunder, 450.000 neue Stellen). 2016 ist die Zahl der Beschäftigten im Mittelstand so hoch wie noch nie: +4,6% auf 30,9 Mio. (Quelle: KfW-Studie 2017).  "Für Familienunternehmer sind Entlassungen eine persönliche Niederlage", Jürgen Thömmes, Mittelstandsforscher.

Arbeitsteilung: Eine der wichtigsten Grundbegriffe der Ökonomie. Schon Adam Smith sah hierin die Quelle aller Produktivität. Berühmt ist sein Stecknadelbeispiel (siehe unten). Man unterscheidet betriebliche, zwischenbetriebliche und internationale Arbeitsteilung. Berühmt ist die Gliederung der Arbeit nach dem deutschen Wissenschaftler Bücher von 1919: Arbeitsvereinigung, Arbeitsgemeinschaft und Arbeitsteilung. Perfekte Arbeitsteilung zeigt das Bienenvolk: es gibt Berufe, Leistungsträger und Krisen (wenn Rohstoffe fehlen). Jeder macht das, was er am besten kann. In vielen Entwicklungsländern, wie z. B. in Kenia,  müssen die Frauen die Defizite ausgleichen, die die Ehe-Männer hinterlassen, die trinken, Drogen nehmen oder einfach faul sind. Dadurch werden sie "Mädchen für alles". Sie kommen damit wieder der Form der Arbeitsvereinigung nahe. "Last jedermann das tun, was er am besten versteht!", Cicero

Gruppenarbeitsmodelle vs. Fließbandarbeit: Letztere wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von dem Ingenieur Frederik M. Taylor konzipiert und zuerst von Henry Ford in seinem Unternehmen umgesetzt. Gruppenarbeitsmodelle wurden vor allem in Japan konzipiert . Kein Modell dürfte grundsätzlich dem anderen überlegen sein. Es kommt auf die Rahmenbedingungen an. Vgl. zu den Gruppenmodellen aus Japan auch Management/ Japan auf der Asienseite.

Familienunternehmen als Arbeitgeber: Mehr als 90 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind Familienunternehmen. Sie gelten als Marke des Vertrauens mit Vorteilen beim Recruiting. Die fünf wichtigsten Arbeitsplatzcharakteristika sind: Gute Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten, gute Arbeitsatmosphäre/ Teamgeist, Internationalität, Möglichkeit zum eigenverantwortlichen Arbeiten und attraktive Vergütung und Sozialleistungen. Vgl. Stefan Heidbreder: Familienunternehmen als Arbeitgeber, in: bdvb aktuell Nr. 135, S. 12f.

Frauen in der Führung von Familienunternehmen: Bei den Top 500 Familienunternehmen in Deutschland sind 432 ohne Frauen in der Führung. 68 Unternehmen haben Frauen in der Führung. Quellen: PwC, Handelsblatt Nr. 237, Montag 7.12.20, S. 26. Stand Juni 2020.

Human-Resources-Management-Zyklus: Ausschreibung, Einstellung, Vergütung, Leistungsmanagement, Entwicklung, Aufgabenwechsel, Ausscheiden. Vgl. BWL kompakt. Der visuelle Crashkurs, München 2016, S. 80ff.

Personalbereitstellung als Prozess: 1. Personalbedarfsermittlung. 2. Personalbeschaffung. 3. Einstellung und Einarbeitung.

Personalbedarfsermittlung: Quantitativ, qualitativ (Arbeitsplatzbeschreibung/ Stellenbeschreibung). Fluktuationsrate.

Personalrekrutierung: Die meisten festen Arbeitsstellen in Deutschland werden nicht ausgeschrieben. 27 Prozent aller Neueinstellungen kommen über persönliche Bekanntschaften in Deutschland zustande (IAB). Extrem wichtig ist der Weg über persönliche Kontakte und Bekanntschaften im Mittelstand. Jeder Achte findet einen Job durch blinde Bewerbung bei einem Unternehmen. Auch Plattformen, wie z. B. Xing, haben an Bedeutung gewonnen. Viele Hochschulabsolventen finden direkt über die Hochschule, z. B. durch Praktika oder Veranstaltungen, eine Stelle. Erfahrene Führungskräfte werden häufig durch "Headhunter" vermittelt. In größeren Organisationen steht am anfang die Grundsatzentscheidung, eine frei werdende Stelle aus dem internen Arbeitsmarkt oder extern zu besetzen. 2012 läuft ein Versuch in der Wirtschaft mit anonymen Bewerbungen. Dadurch soll die Verhinderung von Diskriminierung (Frauen, ältere Arbeitnehmer, Migranten) verhindert werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass gerade Frauen und Migranten von anonymen Bewerbungen profitieren. Rheinland-Pfalz will einen Feldversuch mit zweijähriger Dauer durchführen (für die Unternehmen eher aufwendig und teuer).  "I sent the club a wire stating, Please accept my resignation. I don`t want to belong to any club that will accept me as a member", Groucho Marx, 1959.

Maßnahmen der Personalbeschaffung: 1. Unternehmensintern: Mehrarbeit, Urlaubsverschiebung, Versetzung, Ausschreibungen. 2. Unternehmensextern: Internet, Bundesagentur für Arbeit, Stellenanzeigen, Personalleasing, Zeitarbeit.

Personalsuche und -auswahl: Die wichtigsten Suchwege sind über Eigene Mitarbeiter und persönliche Kontakte, vor Eigene Inserate und Arbeitsagentur. Dies habe ich schon vor 35 Jahre in einer Untersuchung festgestellt. Hieran hat offenbar das Internet Nichts geändert. Zum gleichen Ergebnis kommt 2012 das IAB der Bundesagentur für Arbeit. In die BA haben Mittelständler relativ wenig Vertrauen. Das zeigt eine Umfrage des Verbandes der Familienunternehmer 2016. Onlinestellenbörsen gewinnen an Bedeutung. Es gibt den Vorschlag, schwierige Personalauswahlprozesse durch Zufall zu lösen (Vorstandsposten sollten verlost werde; günstiger, fairer, sinnvoller; Margit Osterloh/ Bruno S. Frey, in: Wirtschaftswoche, 47/ 11.11.16, S. 111).,

Online-Recruiting:  Smarte Suche nach passenden Profis. Job-Apps, Messenger, Active Sourcing, Jobportale.

Speed-Dating: Immer mehr Unternehmen laden alle interessierten möglichen Bewerber ein, um mit ihnen kurze Gespräche zu führen und sie kennen zulernen. Als erster Schritt eines Bewerbungsverfahrens hat sich diese Technik bewährt. Als eines der ersten Unternehmen arbeitet in Deutschland die Deutsche Bahn damit.

Mobil Recruiting: Bewerbung übers Handy. Auch verbunden mit Nutzen von beruflichen Netzwerken wie Xing oder LinkedIN. Nutzung hält sich bisher in Grenzen.

Persönlichkeitstypen: Die Persönlichkeitstypen sind wichtig für die Personalauswahl, für Kooperationen und für Konflikte. In der Regel werden die Typen in Persönlichkeitstests ermittelt. Grundsätzlich kann man erst mal zwischen extrovertierten und introvertierten Typen unterscheiden. eines der einflussreichsten Testmodell ist der Myers-Briggs-Typen-Indikator. Er unterscheidet 16 verschiedene Charaktertypen: Techer/ Lehrer, Berater, Denker, Lenker, Kämpfer, Heiler, Architekt, Erfinder, Entertainer, Verfasser, Handwerker, Macher, Verkäufer, Konservator, Treuhänder, Promoter. Vgl. Management einfach erklärt, München 2021, S. 130f.

Personaleinführung (neuer Mitarbeiter): Die Vorteile einer Integrationsunterstützung sind erkannt. Früher konzentrierte man sich zu stark auf das Recruiting. Es geht um Hilfe bei der Einarbeitung in ein neues Gebiet. Einfaches "Onboarding" reicht nicht mehr aus. Man sollte ein Programm erstellen.

Personalstrategie: Sie wird beeinflusst von den Unternehmenszielen, den Werten bzw. der Kultur, dem Organisationsaufbau und den Mitarbeitern bzw. deren Leistung. Teile der Strategie sind Auswahl und Bindung, Nachfolge- und Karriereplanung, Leistungsmanagement, Weiterbildung und Entwicklung, Vergütung und Anreize, Mitarbeiterengagement.

Personalplanung: Sie umfasst die Planungsfristen, den Personalbedarf (Arten), die organisatorischen Hilfsmittel (z. B. Stellenpläne), die statistischen Instrumente (z. B. Manpower Requirement). Für betriebliche Teilbereiche gibt es Formeln (z. B. von Rosenkranz). Die Personalplanung enthält Personalstrategien, eine Personaleinsatzplanung, eine Personalbeschaffungsplanung, eine Personalkostenplanung und eine Personalentwicklungsplanung.

Personalstruktur: Die Belegschaft eines Unternehmens nach Merkmalen. Besonders wichtig sind Alter, Geschlecht, Ausbildung/ Qualifikation, Diversität. Die Personalstruktur ist eine wichtige Grundlage für Personalplanung und Personalrekrutierung. Die Personalstruktur der BASF 2017 hat folgendes Problem in der Altersstruktur: Ab 2020 ist die Hälfte der Belegschaft älter als 50 Jahre. Bis 2030 sind rund 50% der Mitarbeiter in der Produktion in Ruhestand.

Personalentwicklung: Die moderne Personalentwicklung umfasst die Bildung (Ausbildung, Fortbildung), Aufgabenstrukturierung, Karriereplanung. Wichtige Komponenten sind die Bedeutung, die Maßnahmen, die betriebliche Bildung (Ablauf, Bildungsbedarfsanalyse), Erfolgskontrolle. Die Personalentwicklungsmaßnahme Nummer 1 ist mittlerweile das "Coaching". Es ist allerdings keine geschützte Bezeichnung und damit auch keine geschützte Berufsbezeichnung.

Softwaregestützte Personalentwicklung (HR-Tools in der Cloud): Elemente sind BambooHR, HeavenHR, Recrutee, Softgarden, Sage HR Suite, Zoho Recruit.

Schulungen: Unternehmen geben sehr viel für Schulungs- und Personalentwicklungsprogramme aus. Diese Investitionen zahlen sich oft nicht aus. Es fehlt an der Umsetzung in die Praxis. Also sollten zuerst auf organisatorischer Ebene die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Mit einer klaren Strategie, ein Mitarbeiterfeedback und der Beseitigung der größten Hindernisse kann das Coaching beginnen und dann folgt eine Prozessberatung. Dann können Schulungen mit Erfolgsmessung folgen Vgl. Beer, M./ Finnström, M./ Schrader, D.: Woran Schulungen scheitern, in: Harvard Business Manager, Nov. 2016, S. 30ff. "Wer aufhört zu lernen ist alt. Er mag zwanzig oder achtzig sein", Henry Ford, Gründer von Ford/ USA, 1863-1947.

Personalführung: Sie veranlasst die Mitarbeiter zu einem Handeln im Hinblick auf bestimmte Betriebsziele. Hauptdimensionen sind Aufgabenbezogenheit und Personenbezogenheit (Managerial Grid). Hauptziel ist die Mitarbeitermotivation. Zur Führung gehört auch die Personaleinführung. Es können vier idealtypische Führungsstile unterschieden werden, deren Effizienz von der Situation abhängt. Wichtiges Element der Führung ist die Personalbeurteilung. Hier ist besonders auf die Vermeidung möglicher Fehler zu achten. Personalführung befindet sich im Wandel. Führungskräfte der Zukunft sind nicht mehr so sehr Kontrolleure, sondern eher Moderatoren. Die Beschäftigten wandeln sich eher zu freien Mitarbeitern in Projekten verschiedener Firmen, die Selbstmanagement betreiben müssen. "Wer Menschen führen will, braucht drei Eigenschaften: Menschlichkeit, Klarheit und Mut", chinesische Weisheit.

Führungskompetenz: Sieben Stufen: Ergebnisorientierung, Strategieorientierung, Zusammenarbeit und Einfluss, Teamführung, Entwicklung organisatorischer Fähigkeiten, Change - Leadership, Marktverständnis, Integrationsfähigkeit. Vgl. Claudio Fernandez-Araoz u. a. : Aus Potential wird Kompetenz, in: Harvard Business Manager, Juni 2018, S. 28ff.

Personaleinsatz: 1. Personaleinsatzplanung. 2. Arbeitsorganisation. 3. Arbeitsplatzgestaltung. 4. Arbeitszeitgestaltung.

Personalbeurteilung:  Sie kann aus einem konkreten Anlass oder periodisch erfolgen; sie kann frei oder gebunden sein. Besonders interessant sind die Fehler: Tendenz zur Mitte, Tendenz zur Milde, Tendenz zur Strenge, Halo-Effekt, Vor-Urteil, Korrekturfehler. Als richtungweisend kann das Beurteilungsgespräch eingestuft werden. Arbeitszeugnisse sind oft wenig aussagekräftig, weil sie selten individuell angefertigt werden. und eine einheitliche Sprache fehlt. Die Frage ist, ob es überhaupt objektive Beurteilungen geben kann. Verzerrungen und Diskriminierung dürften oft vorkommen.  Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entscheidet 2014, dass ein Arbeitszeugnis nicht zwingend gut sein muss, sondern die Leistung adäquat widerspiegeln sollte. Ein Unternehmer aus Hessen geht 2021 vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Er will im Arbeitszeugnis erhebliche Verfehlungen eintragen. Arbeitgeber fordern Standardformulierungen. Eine Alternative wäre die Abschaffung von Arbeitszeugnissen und ein Ersetzen durch das aus den USA bekannte System von Empfehlungsschreiben.

Personalbewertung, neuere Ansätze (Teil des Talentmanagement): Der Wettbewerbsdruck zwingt Unternehmen dazu, das Talent ihrer Mitarbeiter aktiv zu entwickeln, statt nur zu beurteilen. Teamarbeit und gemeinsames Lernen werden in der täglichen Arbeit immer bedeutender. Beides kann gefördert werden, indem schnelles Feedback gegeben wird und regelmäßige Gespräche zwischen Vorgesetzten Mitarbeitern stattfinden. Im Talentmanagement schwankt das Pendel zwischen individueller Verantwortlichkeit und Betonung der Weiterentwicklung. Heute versucht man oft hybride Mittelwege. Vgl. Capelli, Peter/ Tavis, Anna: Die Bewertung von Mitarbeitern revolutionieren, in: Harvard Business Management, Nov. 2016, S. 40ff.

Arbeitszeugnis: Das Arbeitszeugnis in Papierform versehen mit handschriftlicher Unterzeichnung bildet immer noch eine wichtige Säule für die Chance zum beruflichen Wechsel. Das Bundesarbeitsgericht hat bestimmte Anforderungen für ein "wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis bestimmt. Syntaktische Elemente werden aktuell immer wichtiger.

Personalverwaltung/-Controlling: Aufgaben der Personalverwaltung: informieren, abwickeln, abrechnen, melden, überwachen. Personaldatenverwaltung und Datenschutz. Personalstatistik. Bestandteile des Personalcontrollings. Instrumente des Personalcontrollings. Personalcontrolling in der Praxis.

Interimsmanager (auch: Interim-Manager): Manager, die vorübergehend ein Unternehmen führen oder einen bestimmten Bereich im Unternehmen. Sie übernehmen zeitlich begrenzte Sonderaufgaben oder überbrücken Vakanzen. Sie werden in der Regel in KMU und Familienunternehmen eingesetzt. Die durchschnittliche Einsatzdauer liegt bei 10 Monaten (Tagesatz ca. 1000 Euro). Meist sind die Manager älter (zwischen 50 und 60 Jahren). Vorteile gibt es auf beiden Seiten.

Fachkräftemangel: Der Mittelstand dürfte stärker betroffen sein, weil er oft nicht so hohe Löhne zahlen kann und häufig in unattraktiveren Regionen liegt. Abhilfe könnten Arbeitgeberzusammenschlüsse schaffen. Dabei teilen sich mehrere Firmen Fachkräfte. In Deutschland fehlen der Digitalbranche Fachkräfte. Für 2017 werden allein 21.000 neue Jobs erwartet.

Behinderte, hoch qualifizierte Mitarbeiter: Der DIHK hat einen Leitfaden speziell für kleine und mittlere Firmen herausgegeben: Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung, www.dihk.verlag.de . Vgl. auch:  M. Niehaus/ J. Bauer: Chancen und Barrieren für hoch qualifizierte Menschen mit Behinderung, Hg. Aktion Mensch, 2013.

Personalfreistellung: Personelle Überhänge sollen abgebaut werden. Dafür gibt es betriebsinterne (Reorganisation, neue Technologien, Standortverlagerung, Betriebsstilllegung) oder betriebsexterne Gründe (Rückgang der Nachfrage, negative Umwelteinflüsse, Veränderung der Rahmenbedingungen). Maßnahmen können vorgelagert sein (Verzicht auf Einstellungen, Abbau von Überstunden), können Änderungen der Arbeitsverhältnisse mit sich bringen (Kurzarbeit, Teilzeitarbeit, Versetzung) oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein (Aufhebungsverträge, Kündigungen, Outplacement).

Kündigung: Das deutsche Kündigungsrecht verstößt gegen EU-Recht, weil es die Arbeitnehmer  diskriminiert, die unter 25 Jahren in einen Betrieb eingetreten sind (Dauer der Kündigungsfrist). Die Kündigungsnormen zählen zu den umstrittensten Regulierungsmaßnahmen des Arbeitsmarktes. Es gibt auch den Begriff "Innere Kündigung". Er steht für die Unlust an der Arbeit (geringe Motivation). Die größte Schuld daran haben die direkten Vorgesetzten, die Mitarbeiter nicht respektvoll behandeln oder vernachlässigen. Nach einer Studie des Beratungsunternehmens Gallup 2013 haben 24% der Mitarbeiter innerlich gekündigt (2001 15%). Eine Vorstufe der inneren Kündigung ist der "Dienst nach Vorschrift".  In Kleinunternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht (bis 1994 lag die Grenze bei fünf Beschäftigten). Das betrifft 80 Prozent aller Handwerksbetriebe.

Kündigungsstil: Die Art und Weise, wie Mitarbeiter kündigen, kann auf Führungsdefizite hindeuten. Es können sieben Stile unterschieden werden: Nach Vorschrift, Dankbar, Mit Vorankündigung, Oberflächlich, ausweichend, Impulsiv, Verbrannte Erde. Quelle: Klotz/ Bolino: Saying Goodbye: The Nature, Causes, and Consequences of Employees Resignation Styles, in: Journal of Applied Psychology, 2016.

Jobwechsel: Er will gründlich überlegt und geplant sein. Folgende Kriterien könnten eine Rolle spielen: Kindheitstraum, Familie, Engagement, Typ, Priorität (Geld?), Zufriedenheit, Gesundheit, Mobilität.

Loyalität: Loyale Mitarbeiter sind auch wertvolle Mitarbeiter. Es ist auch ein wichtiges mittel, um die Leistung der Mitarbeiter zu steigern und sie im Unternehmen zu halten. Kaum jemand arbeitet noch ein Leben lang beim selben Arbeitgeber. Die Unternehmen sollten aber sollten die Schlüsselpersonen halten. Viele Unternehmen hängen von wenigen Schlüsselpersonen ab. Das gilt um so mehr für KMU.

Brain Drain: Abwanderung von fachlich und akademisch hoch qualifiziertem Personal. Gründe können schlechte Arbeitsmarktsituation oder religiöse und politische Verfolgung in einem Lande sein.

War for Talents: Kampf der Firmen um hoch qualifizierte Mitarbeiter. Oft im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel gebraucht. Im WS 213/2014 sind erstmals mehr als 100.000 ausländische Studenten an deutschen Hochschulen. Das waren fast 6% mehr als im Vorjahr. Unter den wichtigsten Herkunftsländern sind die Türkei und China. Aber auch die Zahl der Studienanfänger aus Spanien und Frankreich hat sich erhöht.

Employer Branding: Wirkungen der Arbeitgebermarke: Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterbindung, Leistung und Ergebnis, Unternehmenskultur, Unternehmensmarke. Aus Sicht des Unternehmens geht es um Präferenzbildung, Kostenreduzierung und Bindung. Funktionen aus Sicht des Bewerbers sind Orientierung, Vertrauen und Identifizierung. Man unterscheidet internes und externe Employer Branding. Das Employer Branding hat drei Erfolgsfaktoren: 1. Positionierung als attraktiver Arbeitgeber. 2. Die Aufmerksamkeit interessanter Kandidaten gewinnen. 3. Mit interner Kommunikation punkten. Vgl. Schäfer, M.: Employer Branding, in: bdvb aktuell Nr. 133, S. 28f.

Talentmanagement: Der Begriff Talent wird nicht einheitlich gebraucht (mehr auf Strategie hin). Es ist eine Reaktion auf veränderte Bedingungen durch globale Märkte. Es richtet sich an Zielgruppen mit hohem Personalbedarf. Grundkonzept sind Personalgewinnung und -bindung sowie Personalentwicklung. Der Gestaltungsrahmen umfasst Führung, Organisation, Controlling, Technologie, Kultur (s. auch den Begriff bei wikipedia). Auch moderne Ansätze der Personalbewertung gehören dazu. Vgl. Artikel oben.

Arbeitsanforderungen: Es gibt viele Systematiken für Arbeitsanforderungen.  In unseren eigenen Projekten haben wir mit einer Dreiteilung gearbeitet: Wissensanforderungen, Kommunikative Anforderungen, Intellektuelle Anforderungen. Heute arbeitet man in der Regel mit differenzierteren Schemata.

Anforderungen, die vom Kontext abhängen: Globale Kultur, Konfliktkultur, Fusion oder Übernahme steuern, mit begrenzten Mitteln haushalten, durch Innovationen wachsen, den Marktanteil steigern, einen  Kostenvorteil erzielen, ein breites Portfolio von Produkten und Dienstleistungen managen. Vgl. The Power of Context in Driving Leader Success, CEB White Paper 2018.

Generation Y und die Konsequenzen für die Arbeitsnachfrage von Unternehmen: Technische Innovationen sind immer schneller geworden. Die Bevölkerung entwickelt sich von der Pyramide zum Döner. Jugendliche fühlen sich gestresst, weil ihnen immer mehr Leistung abverlangt wird. Die Gruppe der einen Ausbildungsplatz suchenden wird immer kleiner, weil immer mehr Jugendliche studieren. Also muss man wissen, wie die Jugendlichen für die duale Ausbildung "ticken". Die Jugendlichen rechnet man der Generation y zu. Die Rangfolge bei den beruflichen Werten hat sich in dieser Gruppe verschoben: Spaß kommt vor Neigung, Work-Life-Balance, Einkommen und Selbstverwirklichung. An Unternehmen sind ihnen besonders die sozialen Faktoren wichtig (hier punkten KMU). KMU müssen Weiterbildung und Karriere fördern, attraktive Standortfaktoren bewerten, Praktika anbieten und zielgruppenspezifisch kommunizieren. Die größten Chancen für eine duale Ausbildung hat man bei adaptiv-pragmatischen und konservativ-bürgerlichen Jugendlichen.

Die Mitarbeiterbindung an die Unternehmen sinkt in Deutschland beständig. 2008 fühlten sich neun von zehn Beschäftigten kaum an ihr Unternehmen gebunden (Umfrage von Gallup, 2000 Arbeitnehmer, seit 2001). Damit geht auch die Motivation der Mitarbeiter zurück. Davon ist die Leistungsfähigkeit und  die Zahl der Fehltage abhängig, ebenso die Fluktuation. Gallup ermittelt die Zahlen international: Deutschland liegt im unteren Mittelfeld. Ein besonders Problem ist die Mitarbeiterbindung in China. Als Faktoren, die Bindung herstellen können, gelten Einkommen, betriebliche Sozialleistungen, Personalentwicklung, Arbeitszeitflexibilität und Mitarbeiterbeteiligung. Weiterhin ist die richtige Führung wichtig: Mit den Mitarbeitern reden, Ratschläge annehmen, eigene Schwächen erkennen. Pläne und Fehler offen ansprechen, Lob. "People are definitly a company`s greatest asset. It doesn´t make any difference whether the product is cars or cosmetics. A company is only as good as the people it keeps", Mary Kay Ash (1918-2001), Founder of the cosmetics company Mary Kay Inc.

Fluktuation: Verlassen des Unternehmens durch die Entscheidung des Mitarbeiters. Die Fluktuation verursacht hohe Kosten für das Unternehmen. Nach Kobi sind mit der Fluktuation 5 Risiken verbunden: Austritt, Anpassung, Motivation, Engpass als Potentiallücke und Engpass als Bedarfslücke. Vgl. Kobi, J. M.: Personalrisikomanagement, Heidelberg u. a. 2012. Besonders hoch ist die Fluktuation in der VR China (insbesondere von ausländischen Unternehmen zu einheimischen).

Betriebliche Altersvorsorge in KMU: Eine Säule der Rentenversicherung neben der gesetzlichen Rentenversicherung und der privaten Vorsorge. Als Vorbilder gelten hier Schweden und die Schweiz. Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) kann bei der Mitarbeitergewinnung und -bindung helfen. Sie ist in KMU nicht so verbreitet wie in Großunternehmen. Bei KMU geht es in der Regel um Arbeitnehmer-Beteiligung und Arbeitgeberaufstockung (Mischfinanzierung). Bei der Einführung werden normalerweise externe Wege beschritten in Verbindung mit einer Unterstützungskasse. So können am besten Betriebswechsel, Insolvenz usw. berücksichtigt werden. Die bAV kann auch mit den Lebens-Arbeitszeitkonten verbunden werden.

Betriebliche Altersvorsorge (fünf Modelle): Der Arbeitgeber muss laut Gesetz den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten eine so genannte Entgeltumwandlung anbieten: 1. Direktzusage (Betriebsrente aus dem Betriebsvermögen). 2. Direktversicherung (Lebensversicherung zugunsten des Mitarbeiters). 3. Pensionskasse (ein oder mehrere Unternehmen, spezielle Lebensversicherung, Beiträge zum Teil sozialversicherungsfrei). 4. Pensionsfonds (rechtlich selbständig). Unterstützungskassen (Schutz über Pensions-Sicherungs-Verein, mit Darlehen).

Ruhestandsberatung: Immer mehr Unternehmen bereiten ihre Mitarbeiter, die in Rente gehen, auf diesen Ruhestand vor. Das Ende einer Karriere - das weiß man heute - ist mindestens so kompliziert wie deren Beginn. Vor allem Erfolgsmenschen, die sich über ihren Beruf definieren, haben Probleme. Für den Gang in den Ruhestand braucht man eine Strategie. Beispiel für Unternehmen ist Henkel mit dem Programm "55plus". Unternehmen helfen nicht uneigennützig: Es wird so einfacher, Senioren bei Bedarf aus dem Ruhestand zurück zu holen.

Flexibilisierungsinstrumente, die Kündigungen verhindern: Arbeitszeitkonten, Werksstilllegung, Abbau der Leiharbeiter, Kurzarbeit. Davon zu unterscheiden sind flexible Arbeitsplatzmodelle. 2013 war von allen flexiblen Arbeitsplatzmodellen das Home Office am verbreitesten (ZEW).

Zeitsouveränität: Das Prinzip fasst auch im Mittelstand Fuß. Seit 2014 stellt der Ventilatorenhersteller EBM Papst seinen Mitarbeitern frei, wann sie arbeiten. Das letzte Wort hat aber immer der Vorgesetzte. Die Verantwortung für die Auftragserledigung geht dadurch mehr auf die Mitarbeiter über. Beim Hidden-Champion "Delo" aus Windach in Bayern darf jeder Mitarbeiter 15% seiner Zeit für eigene Gedanken zu eigenen Wegen machen.

Berufliche Auszeiten: Die Zahl der Mitarbeiter, die dies in Anspruch nehmen, nimmt zu. Gleichzeitig gibt es hier besondere Probleme in KMU. Diese können nur davon profitieren, wenn eine gute Vorbereitung da ist, die Wiedereingliederung funktioniert und eine Evaluierung erfolgt. Die Auszeiten müssen auch rechtzeitig geplant und angezeigt werden. Die Gestaltung und die Integration in die Kultur der Organisation muss verbessert werden.

Mittelstandshypothese: die Beschäftigung in unteren Beschäftigungsklassen nimmt besonders stark zu, d. h. kleine und mittlere Unternehmen schaffen überproportional viele Arbeitsplätze (damit wird die Mittelstandspolitik gerechtfertigt und der nationale Bedeutungszuwachs der KMU in der Globalisierung erklärt). Die Mittelstandshypothese ist schwierig empirisch zu überprüfen, weil es eine Menge intervenierender Variablen gibt (Downsizing, Outsourcing, Rationalisierung u. a., Job-turnover Messungen sind teuer). Auch nach der Krise entstehen 2010 im Mittelstand wieder zahlreiche neue Arbeitsplätze (200.000). Mittelständische Unternehmen haben nach einer Schätzung von Creditreform allein  in 2007  400.000 Arbeitsplätze geschaffen (2003-2005 nach KfW - Mittelstands - Panel auch 400.000). In der Weltwirtschaftskrise versuchen deutsche KMU betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden mit folgenden Maßnahmen: Reduzierung von Arbeitszeitkonten, Kurzarbeit, Abbau von Zeitarbeitskräften, Betriebliche Bündnisse für Arbeit, Altersteilzeit. Laut einer Umfrage von Creditreform 2010 bei 4100 KMU will jedes fünfte Unternehmen Mitarbeiter einstellen, 44% planen Investitionen. Eine Befragung 2011 des Verbandes der Familienunternehmen kommt zu dem Ergebnis, dass 40% der mittelständischen Unternehmen 2011 neue Arbeitsplätze schaffen. Die Auftragslage ist sehr gut. Die 500 größten Familienunternehmen haben seit 2006 bis 2015 deutlich mehr Mitarbeiter eingestellt als die nicht familiengeführten Unternehmen (Quelle: ZEW; Institut für Mittelstandsforschung, Mannheim 2017). 2015 gibt es insgesamt 28,3 Mio. Beschäftigte in KMU (60,7% aller Beschäftigten; 18,9% in Kleinstunternehmen, 22,5% in Kleineren unternehmen, 19,3% in Mittleren Unternehmen, 39,3% in Großunternehmen, Quelle: Statista). Zum Jahresende 2017 waren 31,3 Mio. Menschen in KMU beschäftigt (Quelle: KfW 2018). 

Gibrat-Gesetz: Firmengröße und Firmenwachstum sind unabhängig voneinander. Danach muss auch der "Jobmotor Mittelstand" differenzierter gesehen werden. Bei größeren Mittelständlern sind Arbeitsplatzaufbau und -abbau in etwa gleich hoch wie in den größeren Größenklassen und in der Gesamtbeschäftigung. Dies widerspricht eindeutig der Mittelstandshypothese. Vgl. Bauer/ Schmucker/ Vorell: KMU und Arbeitsplatzdynamik, in: ZAF  2 und 3/2008, S. 199-221 und Wagner/ Koller/ Schnabel: Sind mittelständische Betriebe der Jobmotor der deutschen Wirtschaft, in: Wirtschaftsdienst 2008/2, S 130ff.

Duale Berufsausbildung: System der beruflichen Lehre in Deutschland, wobei gleichzeitig im Betrieb und in der staatlichen Berufschule ausgebildet wird. Sie gilt als der Erfolgsgarant mittelständischer Unternehmen. In mittelständischen Unternehmen werden 66% aller Auszubildenden herangezogen. Eine neue Studie der OECD 2009 zeigt eindeutig, dass Länder mit dualer Berufausbildung eine geringere Jugendarbeitslosigkeit haben. In vielen Ländern, z. B. USA und China, erweist sich das Fehlen als Bremse. Deshalb bilden deutsche Firmen im Ausland ihre Facharbeiter häufig mit dem dualen System vor Ort aus (sie müssen aber auch Traditionen der Ausbildung vor Ort beachten). Ein Mangel in Deutschland ist oft die fehlende Kooperation von Berufsschulen und Betrieben. 2013 sind 6 Mio. junge Menschen in der EU arbeitslos. Die duale Ausbildung rückt dadurch als Rezept immer mehr in den Mittelpunkt. 2013 will Obama in seiner zweiten Amtszeit das duale System in den USA einführen. Es wird eine "Skills Initiative" gestartet. Auch Trump lässt sich bei seinem Deutschlandbesuch 2017 bezüglich Duale Ausbildung informieren. Man erkennt immer mehr, dass hier ein Erfolgsgeheimnis des deutschen Exporterfolges steckt. Obwohl im September 2013 die Erwerbstätigenzahl erstmals seit der Wiedervereinigung auf über 42 Mio. steigt, sind noch 21.000 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. "Wer im Frühling nichts sät, hat im Herbst nichts zu ernten", Chinesische Weisheit. Der Anteil der auszubildenden Betriebe ist bei den einzelnen Betriebsgrößen wie folgt: Unter 5 Mitarbeitern: 5%; 5 bis 9 Mitarbeiter: 24%; 10 bis 49 Mitarbeiter 50%; 50 und mehr Mitarbeiter 76%.

Förderung von arbeitslosen Jugendlichen auf dem deutschen Arbeitsmarkt (vor allem bei KMU): Schon im April 2014 ist der Fördertopf für arbeitslose europäische Jugendliche (MOBIPRO) vorerst leer. Profitiert haben bisher vor allem kleinere Firmen. Bis dahin konnten 1200 Fachkräfte und 400 Auszubildende gefördert werden. Ausgezahlt wurden 17500 Förderanträge. Noch 2040 sind in Arbeit.

Meister-Bafög: 2016 gibt es wesentliche Verbesserungen. Höhere Förderbeiträge, Erfolgsbonus (Erlassung), Förderung für Studienabbrecher und Bachelor - Absolventen.

Entgeltgestaltung: Es gibt eine Unterscheidung zwischen Arbeitslöhnen und Entlohnung für Führungskräfte. Bei den Arbeitslöhnen kennt man eine Vielzahl von Differenzierungsmöglichkeiten: Nach der Art der Arbeit (Führung des HH, Ehrenämter, Zwangsarbeit, "do it yourself"); nach der Art des Arbeitenden (Arbeiter-Lohn, Angestellte-Gehalt, Beamter-Besoldung, Selbständiger-Unternehmerlohn); nach der Art der Güter (direkte Geldentlohnung, betriebliche Sozialleistungen); nach der Bemessungsgrundlage (Arbeitszeit-Zeitlohn, Arbeitsprodukt-Stücklohn, Betriebserfolg-Erfolgsbeteiligung); nach der Verfügbarkeit (Nettolohn, Bruttolohn); nach der Periodenbezogenheit (Stunde, Monat, Jahr); nach der Einbeziehung des Preisanstiegs (Nominallohn, Reallohn, Indexlohn); nach dem Zustandekommen (Tariflohn, Effektivlohn, Lohndrift); nach dem staatlichen eingriff (Mindestlohn, Höchstlohn).

Grundlagen des Lohnes: Probleme (Lohnhöhe, Lohngerechtigkeit). Rechtsgrundlagen (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Einzelarbeitsverträge).

Arbeitslöhne: Zeitlohn, Akkordlohn, Prämienlohn. Ergänzende Arbeitslöhne, Arbeitslöhne ohne Leistung, Sicherung der Arbeitslöhne.

Schritte der Entgeltabrechnung: Bruttorechnung, Nettorechnung, Zahlungsrechnung, Auswertungsrechnung.

Ausgewählte betriebliche Sozialleistungen: Verschiedene Gratifikationen (Weihnachten, Jubiläum). Betriebliche Altersversorgung. Fahrgeldzuschuss. Freiwillige betriebliche Trennungsentschädigung. Freiwilliger Umzugskostenzuschuss. Vermögenswirksame Leistungen. Zielsetzungen: Leistungssteigerung, Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und Motivation, Verbesserung de sBetriebsklimas, Senkung von Fehlzeiten, Verbesserung der Wettbewerbsposition auf dem Arbeitsmarkt.

Effizienzlohn: Lohn über dem Gleichgewichtsniveau, den Unternehmungen freiwillig, in erster Linie zur besten Selektion, zur Senkung der Fluktuation und zur Steigerung der Motivation (Shirking), bezahlen. Das berühmteste Beispiel für positive Wirkungen ist Ford (1941 verdoppelt er den Lohnin einer Rezession). In diesem Falle entscheidet weniger das Bargaining zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden in Tarifverhandlungen über den Lohn als der freiwillige Aufschlag. Insbesondere die Besonderheiten des Arbeitsvertrages werden in den Mittelpunkt gestellt. Die Theorie ist gut in die neoklassische Theorie des Lohnes einzubauen. Der Gedanke geht auf Alfred Marshall (1920) zurück. Hypothesen werden von Shapiro/ Stiglitz (Verhinderung von Drückebergerei) und Akerlof/ Yellen (soziale Gründe) entwickelt.  "Wer baute das siebentorige Theben?", Berthold Brecht.

Lohnnebenkosten: Anteil der Arbeitgeber  zur Sozialversicherung (Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung). Spielt in der Diskussion über Standortwettbewerb der Industrie eine große Rolle. Wird als Hauptgrund für kosteninduzierte Abwanderung in Billiglohnländer genannt. Produktivität und Infrastruktur bleiben leider oft unberücksichtigt. Außerdem haben die vermeintlichen Billiglohnländer eine hohe Lohndynamik (Beispiel China: +25% pro Jahr Steigerung).

Unternehmensnachfolge: Eines der größten personellen Probleme im Mittelstand. Häufig durch unerwarteten Generationenwechsel verursacht. Möglich ist eine familieninterne Nachfolge, ein außen stehender Geschäftsführer, eine Stiftung oder ein Verkauf des Unternehmens (MBO, MBI). Zwischen 2010 und 2014 suchen 110.000 Familienunternehmen einen Nachfolger (IfM - Bonn). Neun Phasen für eine erfolgreiche Unternehmensübergabe werden vom Wittener Institut für Familienunternehmen empfohlen (Rüse/ Schlippe/ Groth: Leitfaden 2013): 1. Erziehung zur Nachfolge; 2. Unsicherheiten akzeptieren; 3. Neigung ist wichtiger als Fachwissen; 4. Führungsstrukturen entwickeln; 5. Auswahl des Nachfolgers; 6. Einstieg als Lernphase konzipieren; 7. In der Übergangsphase klare Rollen definieren; 8. Wechsel mit klaren Kompetenzen; 9. Neuorientierung nach der Übergabe. Lau einer Umfrage des DIHK gibt es folgende Sorgen bei der Nachfolge: hohe Finanzierungsschwierigkeiten (59%), finden kein passendes Unternehmen (45%), unterschätzen Anforderungen (44%), haben unzureichende Qualifikation (32%), befürchten hohe Erbschaftsteuerbelastung (19%). Deutschlands Unternehmertöchter sind immer häufiger die Lösung des Nachfolgeproblems. Im weiteren Sinne könnte man auch das Verschenken der Firma an Nachkommen so interpretieren. Die Beschenkten müssen Pflichterben sein. Bei Kapitalgesellschaften müssen mindestens 50 Prozent verschenkt werden. Im Gegensatz lässt der Verschenker sich eine Rente aus dem Unternehmen zusichern. Die Zahlung ist für die Firma eine Sonderausgabe, die den Gewinn senkt. Firmenvermögen wird, wenn es dem Unternehmen erhalten bleibt, weitgehend von der Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer verschont. komplizierter wird die Sache, wenn mehrere Kinder da sind. Nach einer Studie des DIHK 2015 finden 43% der Senior-Chefs in Deutschland keinen Nachfolger. Es fehlen familiärer Automatismus und Fachkräfte. Die schwierigste Hürde bleibt die Finanzierung. Die Zahl der Unternehmen mit anstehender interner oder externer Nachfolge wird mittelfristig auf über 620.000 prognostiziert. Der Anteil der über 55-jährigen KMU-Inhaber ist inzwischen auf über 35% gestiegen (Quelle: Joerg E. Staufenbiel: Interne und externe Nachfolgeplanung, in: bdvb aktuell Nr. 135, S. 22f.). Die IHKs in RLP geben 2017 einen Nachfolgreport heraus: Viele Seniorchefs kümmern sich zu spät um ihre Nachfolge. Dabei spielen emotionale Gründe eine große Rolle. Nach einer Schätzung des IfM-Bonn 2018 sieht die Nachfolgesituation wie folgt aus: 150.000 Unternehmen suchen zwischen 2018 und 2022, also in den nächsten fünf Jahren, einen Nachfolger. Das ist seit der letzten Schätzung 2013 ein leichter Anstieg. Von der Nachfolgeproblematik sind 2,4 Mio. Beschäftigte betroffen, pro Jahr ca. 490.000 Arbeitsplätze. Diese Statistik wird seit Mitte der 1990-Jahre durchgeführt (zum Verfahren vgl. Homepage des Instituts).

Management-Buy-in oder Management-Buy-out: Änderung der Eigentumsverhältnisse durch Übernahme von außen (ersteres) oder durch Übernahme durch die eigenen Führungskräfte (zweites).

Arbeitsmarkt für kleine und mittlere Unternehmen: Es gibt ein spezielles Segment des Arbeitsmarktes für KMU. Persönliche Beziehungen und soziale Netzwerke spielen eine größere Rolle als normal. Hierzu habe ich einige Beiträge geschrieben (vgl. Veröffentlichungsliste). Vgl. auch: Cappelari, L./ Tatsiramos, K.: Friends` Networks and Job Finding Rates, CESifo Working Paper Nr. 3243 (Nov. 2010).

Wandel des Arbeitsmarktes durch die technologische Revolution und den demographischen Wandel: Firmenbewertungsportale wie "Glassdoor" und "Kununu" (gehört zu Xing) verschieben die Macht vom Arbeitgeber hin zum Arbeitnehmer. Mitarbeiter bewerten Chefs, Gehälter werden transparent, Arbeitsklima und Aufstiegschancen werden diskutiert. Natürlich können Bewertungsportale auch von Firmeninteressen unterwandert werden.

Fachkräftemangel: Eine Umfrage Von ASU/ BJU 2015 zeigt, dass der Fachkräftemangel im Mittelstand zunimmt: 700 Unternehmen wurden befragt. Als Hauptgründe für unbesetzte Stellen wurden "mangelnde Qualifikation" (68%) und das "völlige Ausbleiben von Interessenten" (58%) genannt. Besonders groß ist der Fachkräftemangel im IT-Mittelstand. Kleine und mittlere Unternehmen wachsen stärker als große Konzerne und müssen auf Digitalwirtschaft umstellen. 2017 kommen auch immer weniger Fachkräfte aus EU-Ländern. Die BA schaut sich in Nord-Afrika um. 2016 stehen 51.000 offenen Stellen 18.000 Neueinstellungen gegenüber.

Jobprofile in der digitalen Welt von morgen: Big Data Scientist, Category Manager, Chief Digital Officer, Data Strategist, Feel Good Manager, Mobile Developer, Netzplaner Energie, Operations Manager, Performance Marketing Manager, Produktionsingenieur, Social Media Manager könnte die Berufe der Zukunft in KMU sein.

Frauenquote: In mittelständischen Firmen ab 2,5 Mio. € Jahresumsatz sind 2,0 % Frauen auf der obersten Managementebene. 14% Frauen sind Inhaber oder Teilhaber. Im Jahre 2017 kletterte der Anteil von Frauen in der Geschäftsführung von mittelständischen Firmen auf 16,3%. Bei den 30 größten Unternehmen in Deutschland, die im DAX sind, betrug der Frauenanteil im Vorstand 13%. 2018 gibt es weniger Chefinnen in mittelständischen Betrieben. Von den rund 3,71 Mio. Unternehmen haben nur noch 16,4% eine weibliche Führung (Quelle: KfW 2018).

Rolle der Frau: Unternehmensgröße und Kultur haben einen starken Einfluss auf das Arbeitsleben. So finden sich in KMU in Japan und arabischen Ländern relativ wenig Frauen in Führungspositionen. In Saudi-Arabien gilt die Scharia und begründet eine Geschlechtertrennung.

Leadership und Gender: Frauengeführte Teams leisten mehr. Quelle: Maria De Pacia et al.: Teamwork, Leadership and Gender, IZA Institute of Labor Economics, September 2018.

Geschlecht ignorieren: Wie bedeutend sind Geschlechterunterschiede? Diejenigen, die sich auf Ähnlichkeiten zwischen Männern und Frauen konzentrierten, fühlten sich selbstbewusster als solche, die positive weibliche Eigenschaften herausstellten. These: Frauen sollten Unterschiede zu Männern herunterspielen. Quelle: Ashley Martin: Das Geschlecht ignorieren, in: HBM, Dezember 2018, S, 18ff.

Gender und Sex: Gender fällt in den Bereich der Kultur (kulturell bedingte Geschlechterrollen), Sex ist der Begriff der Biologie. Biologisch gibt es nur zwei Geschlechter. Man sollte normative und soziale Fragen nicht auf kosten naturwissenschaftlicher Erkenntnisse debattieren: Vgl. Vollbrecht, Marie-Luise: Der Vortrag, den ich nicht halten konnte, in: Die Zeit Nr. 28/ 7.7.22, S. 11.

Work Life  Balance: Viele Unternehmen in Deutschland bemühen sich um dieses Ziel für ihre Mitarbeiter. Es ist zunächst eine leere Formel. Die Prämisse, nämlich die Trennung von Arbeitsleben und Privatleben, ist nicht möglich. In der Regel scheitert das Konzept an der Praxis. In KMU ist die Reduktion auf gute Arbeit, die Sinn stiftet, wichtig. Gute Arbeit gibt den Menschen Selbstachtung und Identität. Im Vordergrund des Konzeptes sollte immer die Sicht des Arbeitnehmers stehen (individuelle Entscheidung). Entspannungsmöglichkeiten, Sport, Familie Kinderwunsch, usw. sollen in Einklang gebracht werden. Das Konzept kann auch Flucht vor Frust am Arbeitsplatz sein. "Solange man etwas tut, was einem Spaß macht, fühlt es sich nicht wie Arbeit an", Lena Heuermann, Google-Pressesprecherin.

Lebensphasenorientierte Personalpolitik: Sie  sollte nachhaltig und ganzheitlich jeden Mitarbeiter fördern, sowie auch an ein Unternehmen binden. Unabhängig davon, ob ein Mitarbeiter Single, Berufseinsteiger oder Elternteil ist, ein Ehrenamt bekleidet, sich weiterbildet oder die Pflege Angehöriger übernimmt bzw. krank ist oder ein Hobby ausüben will – jede Lebensphase wird dabei individuell unterstützt und mit verschiedenen Berufsphasen kombiniert. Diese Kombination wird als „Matching“ bezeichnet und bietet die Grundlage für unterschiedliche Konzepte der Personalentwicklung, welche beispielsweise je nach Unternehmensgröße oder den betreffenden Mitarbeitergruppen Anwendung finden.

Homeoffice: Es gibt viele positive Aspekte, vor allem was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie das Pendeln angeht. Wer ständig zu Hause arbeitet gefährdet seine Gesundheit und seine Karriere. Probleme sind: keine zufälligen Gespräche, keine Kontrolle, keine Grenzen, keine Freizeit.

Familienarbeitszeit: Partnerschaftliche Aufteilung der Arbeitszeit in der Lebensgemeinschaft. Es soll ermöglichen, in gleichem Umfang erwerbstätig und sich gleichermaßen um Haushalt und Familie zu kümmern. Es soll zur Entlastung der "Gestressten Generation" beitragen. Eine öffentliche Förderung würde etwa 140 Mio. Euro im Jahr kosten (DIW).

Mitarbeiterressourcengruppen (Employee Resource Groups, ERGs): Gruppen von Mitarbeitern, die gemeinsame Eigenschaften und Lebenserfahrungen an ihrem Arbeitsplatz haben. Sie begannen in den 1960er Jahren als Rasse-basierte Mitarbeiterforen (schwarze Frauen). Heute gibt es viele Arten von ERG. Sie sind vor allem in US-Firmen anzutreffen. ERGs sollen auch informelle Bestrebungen in Firmen auffangen. Informelle Gruppen haben eine große Bedeutung in der Personalwirtschaft, auch historisch gesehen. "Be friendly - but not friend: keine Freundschaften in der Firma", Kasper Ronsted, ab Oktober 2016 neuer adidas - Chef.

Diversity (Diversität): in der Personalwirtschaft ein Konzept, das die Verschiedenheit der Belegschaft als effizientes Instrument betrachtet. Es geht dabei um eine Betrachtung der Verschiedenheit von Frauen und Männern (Gender, auch Sexualität), älteren und jüngeren Mitarbeitern, Ausländern/ Migranten und Deutschen (Interkulturalität), Mitglieder verschiedener Religionen, Behinderten und Nicht-Behinderten (Handicap), um die Gruppen optimal zum Nutzen der Organisation und der Gruppen selbst einzusetzen. Grundhypothese ist, das die Verschiedenheit der Mitarbeiter den Erfolg der Organisation verbessert. Wichtigste Randbedingung ist der optimale Personaleinsatz gemäß den Merkmalen. Dazu gehören auch flexiblere Laufbahn- und Arbeitszeitmodelle und ein besseres Gesundheitsmanagement. Diversität wird auch als wichtigste Reaktion auf die Bevölkerungsentwicklung gesehen. Ungeklärt ist der genaue Zusammenhang zwischen Erfolgsmerkmalen und Personenmerkmalen (z. B. müssen sich Frauen in Organisationen männlich verhalten, um Erfolg zu haben?). Fälschlicherweise erfolgt oft eine Beschränkung des Themas auf das Geschlechterrollenproblem. Das ist ist weiterhin hoch sensibel. 2014 gibt es eine Diskussion über die Einbeziehung der Sexualität in den Stuttgarter Bildungsplan. "Kulturelle Vielfalt: Wir bekennen uns zu unserer regionalen und kulturellen Herkunft und betrachten zugleich Vielfalt als Zugewinn und als Voraussetzung für unseren weltweiten Erfolg", Homepage der Robert Bosch Gruppe. "Es kann ja heute keiner mehr öffentlich sagen, dass er gegen Diversity ist", Barbara Stolke, Diversity-Managerin, Thyssen-Krupp, 2015.

Diskriminierung: Sie ist in der Personalwirtschaft verboten. Deshalb greift man manchmal zur Strategie der Anonymisierung der Bewerbungsunterlagen. Das Thema kommt aus den USA, wo die Rasse/ Hautfarbe im Mittelpunkt steht. Diskriminierung ist faktisch/ empirisch so gut wie nicht nachzuweisen. Die Bundesregierung ernennt 2022 eine Antidiskriminierungsbeauftragte. Es wird die Publizistin _Ferda Ataman.

Interkulturelle Kompetenz: Fähigkeiten, sich zurecht zu finden, im Wirtschaftsleben einer globalisierten Welt. Dazu gehört die Kompetenz, kulturelle Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern und Unternehmen herauszufinden und zu berücksichtigen. Unterschiedliche Esskultur, Trink- und Ausgehkultur, Arbeitskultur müssen beachtet werden. Diese Fähigkeit ist auch immer mehr im Mittelstand erforderlich.

Expatriate: Der englische Fachbegriff, der mittlerweile auch in der deutschen Personalwirtschaft als Fachbegriff gebraucht wird, kommt vom Lateinischen "ex patria" (aus dem Heimatland). Er steht für Fachkräfte, meist Führungskräfte, in internationalen Unternehmen, die für eine Zeit (meist drei Jahre) in eine ausländische Zweigstelle entsandt werden. Die rein berufliche Motivation muss nicht immer im Vordergrund stehen, manchmal geht es um Abenteuer- oder Reiselust. So muss der Aufenthalt auch nicht immer vorübergehend sein, sondern kann als Neuanfang geplant sein. Früher galt die Aufenthaltsdauer als Indikator für die Auslandstauglichkeit der Kulturen. Heute geht es vor allem um den Nutzen (performance) solcher Aufenthalte für beide Seiten. Die Bereitschaft für Auslandsaufenthalte hat 2017 in Deutschland nachgelassen.

Personalwirtschaft in Asien: Arbeitszeugnisse sind eher unüblich. Informationen über Bewerber liefern Referenzen. Die Referenzen beziehen sich genau auf die erwarteten Punkte.

Flüchtlingsnetzwerker: Die Handwerkskammern in Deutschland arbeiten ab 2015 mit Flüchtlingsnetzwerkern. Sie sollen bei der Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt helfen und den Fachkräftemangel bekämpfen. In den Heimatländern ist Eigeninitiative oft nicht gefragt.

Intrapreneurship: Haltung, dass Angestellte in KMU sich im Geschäftsleben so verhalten. als wären sie nicht Angestellte, sondern Unternehmer. Es handelt sich um unternehmerisches Denken. "Gerade ehemalige Gründer, die unternehmerisch denken und die häufig auch mit neuen Technologien und Geschäftsmodellen gearbeitet haben, könnten hervorragende Mitarbeiter für Konzerne und den Mittelstand sein", Ann-Kristin Achleitner, TU München.

Künstliche Intelligenz: Die Arbeitswelt steht vor einer Welle der Automatisierung. In dieser Welle sind auch die Jobs der Wissensarbeiter bedroht. In Zukunft werden so nur noch wenige Menschen gutes Geld verdienen. Die Mittelschicht stirbt. Ziel ist es, eine Maschine zu entwickeln, die klüger als der Mensch ist. Vgl. etwa das Institut für die Erforschung Künstlicher Intelligenz (IDSIA) in der Schweiz.

Betroffenheit von der künstlichen Intelligenz: Folgende Berufe sind in den nächsten 20 Jahren am stärksten gefährdet: Telefonverkäufer, Packer, Kreditanalysten, Koch, Sachbearbeiter, Anlagenbediener, Versicherungsmakler, Immobilienmakler, Computertechniker, Busfahrer, Gefängniswärter, Piloten, Richter, Klempner, Mittlere Manager, Feuerwehrleute. Quelle: Frey/ Osborne; Wirtschaftswoche 26.01.15, Nr. 5, S. 18-23.

Karriere: Nach neusten Forschungsergebnissen entscheiden weniger Intelligenz und Durchsetzungsvermögen. Wichtiger sind Geduld und Disziplin. Im Weiteren hängen die Faktoren vom Typ der Organisation ab: In öffentlichen Verwaltungen kann die Parteimitgliedschaft förderlich sein. In großen Unternehmen sind Seilschaften besonders effektiv. Frauen steigen seltener auf. Eine neuere Theorie dazu lautet: Sie lassen sich von Niederlagen stärker entmutigen. Der Doktortitel wird immer unwichtiger. Ausnahmekultur ist hier China. Vgl. 2016 CEO Success Study. 2017 wird in einer Studie festgestellt, das ein Zusammenhang zwischen bestimmten Genen und sozioökonomischem Erfolg besteht, d. h. unser Erfolg im Leben ist genetisch vorherbestimmt (vgl. Daniel Belsky, in HBM, September 2017, S. 16ff.).

Leistung und Berufserfahrung: Berufserfahrung sagt nichts über den Erfolg von Bewerbern aus. Das brachte eine Auswertung von 81 empirischen Studien. Vgl. Van Iddekinge, Chad H.: Leistung sticht Erfahrung, in: HBM, November 2019, S. 18ff.

Weiterbildung 4.0: Lernen für die digitale Zukunft. Es geht um die Automatisierung und die digitale Fabrik. Die Integration des Menschen steht im Mittelpunkt. Der Mittelständler Festo hat schon vor 50 Jahren eine eigene Bildungssparte gegründet. Sie beschäftigt 2016 über 900 Menschen. Auch die Formen der Weiterbildung passen sich dem an. Neue App - Angebote kommen hinzu. Aber auch Online-Selbststudium, Training am Computer, virtuelles Klassenzimmer gewinnen an Boden neben Einzelcoaching, Workshop, Action Learning in Präsens und Lernen im Team.

Coaching: Vier einfache Tipps: 1. Bewerten Sie die Situation. 2. Hören Sie zu. 3. Stellen Sie offene Fragen. 4. Üben Sie nicht direktes Coaching. Es gibt vier Coaching-Stile: 1. Direktiv: Mehr Informationsinput, weniger Energiegewinn. 2. Laisser-faire: Weniger Informationsinput, weniger Energiegewinn. 3. Nicht direktiv: Weniger Informationsinput, nicht direktiv. 4. Situativ: Mehr Informationsinput, mehr Energiegewinn. Vgl. Ibarra, Herminia/ Scoular, Anne: Führen wie ein Coach, in: HBM Juli 2020, S. 22ff.

Chancenkonto: Es soll für Weiterbildung oder Gründung von Unternehmen zur Verfügung stehen. Es wird innerhalb einer regulären Arbeit aufgefüllt. Die idee wird 2017 von der SPD im Wahlkampf vertreten.

Stratege der Zukunft: Er steht zwei Unsicherheitsfaktoren gegenüber: 1. Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung. 2. Politische und wirtschaftliche Stabilität wichtiger Märkte. Es gibt vier Typen: 1. Der Weiterentwickler und Verbesserer. 2. Der Fels in der Brandung. 3. Der digitale Vorbereiter. 4. Der Weichensteller. In der Kompetenzpyramide gibt es drei Stufen: Stufe 1, 2 und 3. Vgl. Wulf, T./ Meissner, P./ Hutzschenreuter, T.: Der Stratege der Zukunft, in: HBM Dezember 2018, S. 38ff.

Chief Digital Officer (CDO): Seine Aufgabe besteht darin, analoge Prozesse ins digitale zu transformieren.  Er soll Innovationen hervorbringen und das Geschäftsmodell des Unternehmens für die Digitalisierung umbauen. Er muss sowohl technisches als auch kaufmännisches Verständnis haben.

Digitalisierung der Mitarbeiter und von HR: Die Verwaltung der Mitarbeiter mit HR-Software verlagert sich in die Cloud. HR-Dienste können auch aus der Cloud abgerufen werden. Damit verliert die klassische Personalverwaltung an Bedeutung. Anbieter sind z. B. Haufe (Umantis), IBM (Kenexa Talents Insights), Oracle (Human Capital Management Cloud), SAP (ERP Core Human Resources), Workday (Human Capital Management) und Sage (HR & Personalabrechnung).

INSEL: Fünf systemrelevante Kompetenzen nach einer Framework der OECD. 1. Informativität (Information und Aktivität). 2. Netzkompetenz (Interaktion in heterogenen Gruppen). 3. Selbstorganisation (Selbstmanagement, Lernfähigkeit, Selbstvermarktung). 4. Ethos (sittliche Verfasstheit). 5. Leadership.

Neue Jobs im Zeichen der Digitalisierung: Chief Digital Officer (CDO, s. o.), Data Strategist, Chief Disruption Manager, Data Scientist, Social Media Manager, Security Manager, Real-Time Advertising Manager.

Erfahrung und Routine im Bezug zu Industrie 4.0: Die fortschreitende Digitalisierung verlangt von den Beschäftigten, mit Komplexität und Wandel umzugehen. Bisher weiß man wenig über die dafür notwendigen informellen Anforderungen. Erste Ansätze bringt ein Index des Arbeitsvermögens mit folgenden Elementen: Situatives Umgehen mit Komplexität, Situative Unwägbarkeiten, Strukturelle Komplexitätszunahme, Relevanz Erfahrungslernen. Vgl. Pfeiffer, S./ Suphan, A.: Erfahrung oder Routine? Ein anderer Blick auf das Verhältnis von Industrie 4.0 und Beschäftigung, in: BWP 6/ 2015, S. 21ff.

Workplace Design: Die digitale Welt beginnt am Arbeitsplatz. Das Stichwort heißt Flexibilität. Wissen, Kompetenzen und Menschen müssen zusammengebracht werden. Die Innenarchitektur, Raumgestaltung müssen dies befördern. Vgl. Hentrich, C/ Pachmajer, M:: d.quarks, Hamburg 2017, S. 33ff.

Personalized Employment: Arbeit wird in der Digitalisierung individualisiert statt standardisiert. Talente wollen Flexibilität. Die Digitalisierung erweitert so die Möglichkeiten für die Menschen. Innovation ersetzt zunehmend Struktur. Es gibt auch neue digitale Rollen (Talent-Management).

People Analytics: Bewältigung der Personalauswahl und -entwicklung mit Big Data. IT-gestützte, automatisierte Analyse und Steuerung von Personalmaßnahmen (Bewerberauswahl, Personaleinstellung, Messung der Mitarbeiterzufriedenheit, Karriereplanung). Vielleicht können die quantitativen Analysen für mehr Fairness sorgen. Die Firmen sind noch eher vorsichtig (Angst vor Betriebsräten?). Die Algorithmen können natürlich Foto und Namen nicht auswerten. Wichtig ist People Analytics für Talentmanagement. Dazu dürfen nicht nur Eigenschaften, sondern auch Interaktionen analysiert werden. Vgl. auch: Paul Leonardi, Noshir Constractor: People Analytics. wie sie die besten Mitarbeiter finden, in: HBM Mai 2019, S. 60ff.

Tools für HR-Manager: Cloud-Lösungen: Sage, Lohnabrechnung; Zep, Projekte abwickeln, Arbeitszeiten erfassen, Reisekosten verwalten; Xpenditure, Reisekosten. auch HR-Analytics der Personalabteilungen wird zunehmen. 

Die digitale Personalakte: Mit modernen HR-Tools können KMU ihre Personalarbeit digitalisieren. Dabei stehen schlanke Tools versus All-In-One-Lösungen. Die meisten Tools gibt es für das Recruting. Dann folgen digitale Personalakte, Personalentwicklung, Zeitwirtschaft und Personalabrechnung. Anbieter sind Softgarden, Erecruiter, Coveto, Bite, Personic, Heaven HR, Javando, HR Works und andere. Vgl. Diego Wyllie: Die Digitale Personalakte, in: t3n Magazin 53/2018, S. 152ff.

Recruiting 4.0:  Neue Methoden der Personalauswahl, insbesondere Integritätstests und Sprachanalyse. Anhand der Sprache zieht man Rückschlüsse auf den Charakter eines Menschen (Precire Technologies).

Future Work Skills: Flexibilität, Urteilskraft, Digitale Teamfähigkeit, Denken wie ein Computer, Sinn für Prioritäten, Medienkompetenz, Kooperationsbereitschaft, Interkulturelle Kompetenz, Soziale Intelligenz (Quelle: IFTT, University of Phoenix, 2020). "Die Digitalisierung beginnt in den Köpfen und setzt die Bereitschaft zu ständiger Veränderung und Innovation voraus", Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des IT - Branchenverbands Bitkom 2017.

Soft Skills: Mitgefühl (Empathie), Interkulturelle Kompetenz, Blick in den Spiegel (eigene Grenzen), Professionalität, Respekt u. a.. Ergänzung zu den Fachkenntnissen. Oft auch umfassender gesehen: Fachliche Kompetenzen, soziale Kompetenzen, methodische Kompetenzen, personale Kompetenzen (Selbstbewusstsein, Leistungswille, Ausdauer).

Rolle der Personaler im Unternehmen (Irrtümer): 1.Irrtum: Zufriedenheit ist alles. Das kommt auch in Fehlbezeichnungen wie "Human Relations" oder "People and Culture" zum Ausdruck. Das Klischee vo der Personalabteilung als "Health and  Happiness Patrol" ist alt, entspricht aber nicht der Realität. 2. Irrtum: HR-Arbeit ist Sache der HR. Personaler sind reine Führungskraftunterstützer. Irrtum 3: Hilfsmittel helfen. Man braucht Personalführungsinstrumente. Sie müssen aber einen eindeutigen Bezug zu den Aufgaben der Personalführung haben. Vgl. Kaehler, Boris: Runter von der Wolke, in: HBM, November 2019, s. 70ff.

Einfluss der Corona-Krise 2020: Am wichtigsten sind den Personalern unbürokratische Maßnahmen und die Kurzarbeit. Arbeitszeit und Arbeitsort müssen flexibel sein und werden nach der Krise flexibler werden. Kopperationen unter den Unternehmen sind dringend notwenig. Vgl. Empirische Studie (Umfrage) des IBE der HWG-Lu 2020.

Arbeitsrecht: Grundpositionen sind in Deutschland im Grundgesetz geregelt. Ansonsten ist ein großer Teil Richterrecht. Es gibt darüber hinaus Sonderechte: z. B. kirchliches Arbeitsrecht. 2022 ändern die katholischen Bischöfe das kirchliche Arbeitsrecht (keine Diskriminierung mehr).

 

Management, Führung von Unternehmen/ Leadership, Organisation, Governance; Funktionen und Strukturen im Unternehmen; einschl. Krisen- und Turnaround -Management; Wirtschaftsberatung; Restrukturierung; Unternehmenssteuerung; Geschäftsprozessmanagement. Performance Management.

Management und Organisation: Eine Nominalisierung des englischen Verbs "to manage" (von lateinisch "manus" die Hand, später italienisch "maneggiare" handhaben). Im deutschen Sprachraum erst ab 1945. Erscheinungsform einer späten Stufe des Kapitalismus. Erste Theorien entstehen gegen 1920; die Harvard Business School führte 1921 zuerst den MBA ein. Im Mittelstand gibt es noch keine Globalmanager (mit hoher Mobilität). Nach der idealen Organisation sollte ständig gesucht werden, Unternehmensführung ist ständig im Wandel. Anpassungsfähigkeit, Offenheit, Demokratisierung und Experimentierfreude (Kreativität) werden immer wichtiger. Das nötige Wissen für das optimale Funktionieren von mittleren Unternehmen kommt immer mehr aus den Erkenntnisfortschritten von Bio- und Neurowissenschaften. Dies liegt auch daran, das die heutige Managementkultur dem schnellen technologischen Wandel nicht mehr gewachsen ist. Die Grundstruktur des Managements wurde vom Militär übernommen. So bildete sich der Fachbegriff "West Point Connection". Die Namen Thayer, Tyler und Whistler stehen für die Übernahme militärischer Traditionen in die Industrie.

Zwei Ebenen des Funktionierens: Allen Organisationen haben Sachaufgaben und Managementaufgaben (wird auch als Managerial Grid bezeichnet) . Die Komplexität der möglichen Kombinationen muss durch Politik, d. h. Regulieren mittels Gesetzen und Regeln gelöst werden. Das ist der Kern jeder Organisationswissenschaft.

Unternehmensstrukturen: Abteilungsstruktur, Bereichsstruktur, Matrixstruktur, Netzwerkstruktur, Teamstruktur. Dabei können folgende Funktionen auftreten: Aufsichtsrat, Hierarchieebenen, Interessengruppen, Unternehmenskultur. Eine Studie von 2016 zeigt große Unterschiede in der Qualität der Unternehmensführung, die auf die Produktivität durchschlagen. Vgl. Broszeit, Fritsch, Görg, Laible/ Ifw, IAB. "Je größer der Betrieb, desto strukturierter und in diesem Sinne besser ist das Management".

Funktionen im Unternehmen: Unternehmensstrukturen variieren je nach Rechtsform, Größe, Kultur und Branche. Aktiengesellschaften sind gesetzlich verpflichtet, einen Aufsichtsrat (Board of Directors) zu bestellen. In Deutschland gilt nach dem Aktiengesetz das Dualistische System: Aufsicht und Lenkung müssen streng getrennt sein. In den USA besteht das monistische System: Aufsicht und Leitung sitzen gemeinsam in einem Gremium. In den meisten Organisationen besteht eine Hierarchie mit mehreren Ebenen. Als Interessierter (Stakeholder) wird jede Person bezeichnet, die von der Tätigkeit des Unternehmens betroffen ist. Aktionäre (Shareholder) besitzen bei Aktiengesellschaften die Aktien (Anteile, Teileigentümer). Jede Unternehmung besitzt auch eine Kultur (Werte, Verhaltensnormen, Kontrollsystem).

Ziele des Unternehmens: Man unterscheidet zwischen Sachzielen und Formalzielen. Sachziele sind Leistungsziele, Finanzziele, Führungs- und Organisationsziele, soziale und ökologische Ziele. Formalziele sind ökonomisches Prinzip, Produktivität, Wirtschaftlichkeit, Rentabilität und Gewinn. Vgl. Thommen/ Achleitner: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 2003, S. 99ff.

Effizienz: Die BWL versteht sich als Wissenschaft, die dazu dient, Wirtschaftsunternehmen effizienter zu machen. Das zielgerichtete Streben nach Effizienz beeinträchtigt jedoch die Widerstandskraft von Unternehmen. Dafür gibt es folgende Ursache: Unternehmen , die durchweg effizienter arbeiten, vereinen einen immer größeren Anteil der Gewinne auf sich. So können sie den Markt stärker in ihrem Sinne beeinflussen. Mit der Zeit kommt es innerhalb der Branche zur Konsolidierung, die von einem einzigen Geschäftsmodell getrieben wird. Eine solche Entwicklung birgt ein enormes Risiko von katastrophalen Fehlschlägen und erhöht die Wahrscheinlichkeit von Missbrauch. Die Lösung: Manager, Regierungen und Bildungseinrichtungen müssen ihren Fokus deutlich stärker auf die Resilienz von Unternehmen legen. Vgl. Martin, Roger L.: Die Grenzen der Effizienz, in: HBM, März 2019, S. 18ff.

Management-Tools und Anwendung: Eine Studie von Bain & Company von 2017 kommt zu folgender Rangfolge in Deutschland (Quelle: Management Tools and Trends 2017, Bain & Company): 1. Benchmarking. 2. Strategische Planung. 2. Change Management. 4. Kundenmanagement 5. Lieferkettenmanagement. 6. Balanced Scorecard. 6. Mergers & Aquistions. 6. Digitale Transformation. 9. Qualitätsmanagement. 10. Strategische Allianzen.

Strategisches Management: Im Mittelpunkt steht die Unternehmenspolitik. Darunter versteht man sämtliche Entscheidungen, die das Verhalten des Unternehmens nach außen und nach innen langfristig bestimmen. Ziel ist die strategische Erfolgsposition (Bereiche: Produkte, Markt und Unternehmensfunktionen). Es geht darum, im Vergleich zur Konkurrenz und längerfristig die Existenz und Glaubwürdigkeit zu sichern. In KMU fehlt es oft. Mintzberg plädiert dafür, es eher auf ein entsprechendes Verhalten der Führungspersönlichkeiten herunter zu brechen.

Strategische Planung: 1. Strategische Zielbildung. 2. Umweltanalyse. 3. Unternehmensanalyse. 4. Strategieentwicklung. 5. Strategieimplementierung. 6. Strategische Kontrolle. Vgl. T. Amely: BWL kompakt für Dummies, Weinheim 2017, S. 177.

Projektmanagement: Aufgaben, die einmalig, speziell und zeitlich begrenzt sind. Phasen sind in der Regel die folgenden: Initiierung, Planung, Durchführung, Überwachung und Steuerung, Abschluss. Vgl. BWL kompakt, München 2016, S. 94/95.

Das Zeitalter des Projektmanagements: Projektarbeit wird zur dominierenden Arbeitsweise. Bis zum Jahre 2027 werden voraussichtlich 88 Mio. Menschen weltweit im Projektmanagement in Unternehmen tätig sein. Der Wert Projekt orientierter Wirtschaftsaktivitäten wird auf 20 Billionen US-$ geschätzt. Das Problem ist: Viele Führungskräfte verkennen die Bedeutung des Projektmanagements. Das liegt daran, dass die gängigen Methoden zu komplex und unflexibel sind. Infolgedessen sind nur 35% aller Projekte weltweit erfolgreich. Die Lösung: Unternehmen brauchen einen neuen Projektmanagement-Ansatz. Traditionelle und agile Methoden sind zu kombinieren. Dabei hilft das Tool "Canvas". Es besteht aus folgenden elementen: Fundament, Personen (Sponsor, Stakeholder, Ressourcen), Entstehung (Ergebnisse, Planung, Veränderungen). Vgl. Nieto-Rodriguez, Antonio: Das Zeitalter der Projekte, in: HBM Februar 2022, S. 20ff.

Wildwuchs bei Projekten stoppen: Immer neue Initiativen stemmen zu müssen, überlastet Führungskräfte und Mitarbeiter. Die meisten Unternehmen tun sich aber schwer damit, Projekte einzustellen. Wenn Manager wissen, wie Überlastung durch zu viel Initiativen entsteht, können sie die Risken besser diagnostizieren, intelligenter entscheiden, welche Projekte sie fortführen und welche nicht. Vgl. Hollister, Rose/ Watkins, Michael D.: Stoppt den Projektwahnsinn, in: HBM, März 2019, S. 39ff.

Lego-Prinzip in Projekten: Großprojekte werden immer teurer und dauern länger als geplant? Man sollte auf zwei Faktoren achten: die reprodizierbare Modularität im Design und dei Geschwindigkeit bei der Iteration. Vgl. Flyvbjerg, Bent: Projekte nach dem Lego-Prinzip, in: HBM Februar 2022, S. 30ff.

Zeitmanagement: Jeder CEO muss sich bewusst sein, welchen Einfluss er hat. Man kann ihn in sechs Dimensionen gliedern: direkt - indirekt, intern - extern, proaktiv - reaktiv, Hebel - Beschränkungen, konkret - symbolisch, Macht - Legitimität. Diese Widersprüche zusammenbringen, macht einen guten CEO aus. Effektive Chefs entscheiden nicht selbst, sondern schaffen Strukturen, die anderen gute Entscheidungen ermöglichen. Wichtig sind folgende Punkte: 1. Das Programm des CEOs verinnerlichen. 2. Alle relevanten Akteure einbeziehen. 3. Den Wert der Spontaneität erkennen. 4. Vehement private Zeit verteidigen. Siehe M. E. Porte/ N. Nohria: Wie Manager ihren Tag planen, in: Havard Business Manager, September 2018, s. 18ff.

Selbstmanagement: Sport, Musik oder andere Freizeitaktivitäten sind keine Zeitverschwendung für Führungskräfte. Diese können sogar davon profitieren, dass sie intensiv ihren Hobbys nachgehen. Fordernde Hobbys sind eine Möglichkeit zur ständigen Selbstverbesserung, als Chance Demut zu lernen, und als Weg, zumindest einen Teil ihres stressigen Alltags vollständig unter Kontrolle zu haben. Quelle: Emillia Bunea et. al.: Selbstmanagement. Out of Office, in: HBM Mai 2019, S. 80ff.

Hyperkompetitiver Wettbewerb: In einer immer turbulenter werdenden Umwelt gibt es kaum noch langfristige und nachhaltige Wettbewerbsvorteile. Daher wird es für Unternehmen immer wichtiger, kurzfristige Wettbewerbsvorteile zu generieren. Diese Konzeption ist im strategischen Management angesiedelt. Schöpfer und bekanntester Vertreter ist D`Aveni, R. A. (Hyperwettbewerb Strategien für die neue Dynamik der Märkte, Frankfurt, New York 1995). Als bekanntestes Beispiel gilt Samsung, das nahezu alle Erfolgeigenschaften aufweist (Vgl. Das Konzept des hyperaktiven Wettbewerbs. Marktführerschaft von Samsung Electronics, in: WiSt, H. 5, 2015, S. 232ff.).

Wettbewerbsstrategien nach Porter: Er geht von zwei Dimensionen aus: Strategisches Zielobjekt: branchenweit, Beschränkung auf ein Marktsegment. Strategischer Vorteil: Singularität aus Sicht des Käufers, Kostenvorsprung. so ergeben sich die Felder Differenzierung, Kostenführerschaft, Konzentration auf Schwerpunkte/ Marktnischen.

Benchmarking: KMU vergleichen sich mit der Leistung von anderen Unternehmen. Sie wollen in der eigenen Branche oder in anderen die besten Methoden finden, um Aufgaben zu lösen. Dazu braucht man Informationen über die Wettbewerber. Solche Daten findet man etwa in Social Media. Zum Benchmarking eignen sich etwa Kundenbewertungen, Vergütungen (einschließlich Sozialleistungen), Stückkosten.

Unternehmensstrategie: Bei einer Strategie geht es darum, wo ein Unternehmen in der Zukunft sein will bei Berücksichtigung seiner Konkurrenten. Am Anfang steht die Ausrichtung und Planung (Methoden z. B.: SWOT-Analyse, Matrixmodell der BCG). Dann wird ein Ansatz entwickelt (Ressourcenansatz, marktorientierte Strategien/ Differenzierung, Nischen, Analyse der Wertschöpfungskette). Im Mittelpunkt stehen die Preisstrategien (Kostenaufschlag, Deckungsbeitrag, Durchdringung, Psychologie, Abschöpfung, Lockvogelangebote, Premium, Konkurrenz, Preisführerschaft).

Ganzheitliche Unternehmensführung: Rückbesinnung auf die Naturgesetze und Lebensgesetze. Zuerst soll das Ganze gesehen werden. Es geht um die Erkenntnis, dass alles auf der Erde miteinander verbunden ist. Ein wesentlicher Punkt ist, das man Verantwortung übernimmt, was uns das Produkt oder unsere Dienstleistung erst ermöglicht. Mit zunehmender Komplexität und Wachstum wurde in der Vergangenheit zu sehr auf Spezialistentum und Teilaspekte gesetzt. "Zu einer wahren Führung gehören vier Zutaten: Gehirn, Seele, Herz und gute Nerven", Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtschaftsforums in Davos.

Faire Führung: Menschen- und umweltgerecht. Konzentration auf das Wesentliche. Beteiligung der Mitarbeiter. Nutzen der Stärken des Unternehmens und der Mitarbeiter. Dafür gibt es drei Säulen: Vertrauen, Wertschätzung und Nachhaltigkeit. Vgl. Heinz Siebenbrock, Fair führen, aber wie? in: Forum nachhaltig wirtschaften 4/2016, S. 76ff.

Führungsstile: Sie werden anhand der Kriterien Stil, Situation und Vor- und Nachteile  kreiert. Der Führungsstil kann gefühlsorientiert, coachend, befehlend, demokratisch, fordernd und visionär sein (Daniel Coleman). Normalerweise unterscheidet man die folgenden: Patriarchalischer Führungsstil, Charismatischer Führungsstil, Autokratischer Führungsstil, Bürokratischer Führungsstil, Demokratischer Führungsstil. Die Effizient der Führungsstile hängt von vielen Faktoren ab (z. B. Unternehmensgröße, Kultur, Alter, Rechtsform). Das gilt auch für den Aspekt, welcher der beste für KMU ist.  "Die besten Führungspersönlichkeiten tun alles, um das Selbstwertgefühl ihrer Mitarbeiter zu stärken", Sam Walton.

Analyse von Führungsstilen: Es gibt zwei Signale - Gruppen: attraktiv, durchsetzungsstark. Diese Kategorien kann man mit drei Merkmalsgruppen kennzeichnen: Verbaler Führungsstil, Nonverbaler Führungsstil, Statusmarker. Andere länder haben verschiedene Marker. Wichtig ist, das kritische Feedback zu entschlüsseln. Vgl. Peterson, S. J./ Abramson, R./ Stutman, R. K.: Finden Sie ihren Stil, in: HBM Februar 2021, S. 36ff. 

Purpose - Diskussion: Echte Sinnstiftung ist vielschichtiger als angenommen und eine zentrale Führungsaufgabe. Sinn ist individuell, jeder einzelne entscheidet aufgrund seiner Situation, Perspektive und Prägung., ob seine Arbeit sinnstiftend ist. Die quellen von Sinn sind höchst unterschiedlich, es gibt eine Beitrags-, eine Gemeinschafts- und eine Leidenschaftsorientierte. Purposeorientierte berücksichtigt diese Tatsache und ermöglicht ein Umfeld, welches Mitarbeitern erlaubt, für sich persönlich Sinn zu finden. Vgl. Jennewein, W./ Strecker, M./ Leisin, A. C.: Raum für Sinn, in: HBM Januar 2021, S. 54ff.

Feedback: Seit Jahren wird Managern eingetrichtert, sie sollten alles loben oder konstruktiv kritisieren, was ihre Mitarbeiter tun. Doch dieses Verständnis von Feedback beruht auf drei Irrtümern. Wenn man dem Team zu Spitzenleistungen verhelfen will, muss man anders vorgehen. Die Irrtümer sind: Erstens ist Kritik nie objektiv. Zweitens schränkt sie die Lernfähigkeit des Gehirns ein. Drittens sieht Exzellenz bei jedem Menschen anders aus. Führungskräfte müssen ihren Teammitgliedern helfen, ihre Stärken zu erkennen, und ihnen dies anhand hervorragender Leistungen vor Augen führen. Vgl. Buckingham, Marcus/ Goodall, Ashley: Die Feedback-Falle, in: HBM Mai 2019, S. 20ff.

Führungskulturen im internationalen Vergleich: Der Umgang mit entscheidungsprozessen lässt sich in einer matrix darstellen. Auf der senkrechten Achse wird Top-Down und Konsensorientiert verortet. Die waagerechte Achse bildet die Einstellung zum Thema Autorität ab (Egalitär - Hierarchisch). So können vier Führungskulturen in den vier Feldern gebildet werden: Konsensorientiert und egalitär sind Dänemark, Niederland, Norwegen und Schweden. Konsensorientiert und hierarchisch sind Belgien, Deutschland und Japan. Top-down und hierarchisch sind Brasilien, China, Frankreich, Indien, Indonesien, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien. Vgl. Erin Meber: Souverän führen, in Stuttgart, Seattle und Shanghai, in: Harvard Business Manager, Oktober 2017, S. 38ff. "I try to avoid looking forward or backward, and try to kepp looking upward", Charlotte Bronte, englische Schriftstellerin (1816-1855).

Veränderungen der Führungsrolle: Dei Führungsrolle hat sich in drei Punkten verändert: 1. Macht: Chefs und Chefinnen müssen heute für den Erfolg ihres Teams arbeiten, früher war es umgekehrt. 2. Fähigkeiten: Die Führungskraft wird vom Kontrolleur zum Coach. 3. Struktur: Das Umfeld ist heute stärker im Fluss. Unternehmen müssen ihre Führungskräfte unterstützen, um sich zu verändern. Von statisch und physisch zu fließend und digital. Die Führungsrolle muss an die Erfordernisse der modernen Arbeitswelt angepasst werden. Vgl. Gherson, Diane/ Gratton, Lynda: Manager können nicht alles machen, in: HBM Mai/2022, S. 22ff.


Hierarchie: Nach Umfragen halten die meisten Angestellten ihren Vorgesetzten für eine Fehlbesetzung. Je kenntnisreicher und selbstbewusster die Mitarbeiter sind, desto unzufriedener sind sie mit ihren Vorgesetzten. Laut einer Umfrage von Boston Consulting (2014 mit Jobbörse Stepstone) ist den meisten Mitarbeitern das Verhältnis zum Chef wichtiger als ihr Gehalt oder die Tätigkeit. Besonders die Generation y (nach 1980 Geborene) will mitreden, mitdenken und mitbestimmen. In KMU herrscht oft der autoritäre bzw. patriarchalische Führungsstil vor. Besonders wichtig in der Hierarchie ist die Fähigkeit, delegieren zu können. In jüngster Zeit überholen Netzwerke (intern, extern) die Hierarchien. "Führung hat sich verändert. Sie bedeutet heute, täglich verschiedene Rollen einzunehmen. Mit hierarchischen Strukturen werden Unternehmen die heutigen Anforderungen nicht mehr stemmen können", Janina Kugel, Personalvorstand von Siemens AG, 2018 (Quelle: com!professional 2/2018, S. 7).

Strategien der Abteilungen: Die Rolle der Funktionsbereich im unternehmen muss klar definiert sein. Führungskräfte der Abteilungen sollten eine Strategie entwickeln,. Das fängt mit der Frage an, was die unausgesprochene Strategie der Abteilung ist, die sich aus dem Tagesgeschäft ableiten lässt. Und es mündet in der Frage, was das eigentliche Unternehmensziel ist und ob die Abteilung einen passenden Beitrag dazu leisten kann. Vgl. Martin, Roger L./ Riel, Jennifer: Abteilungen brauchen eine Strategie, in: HBM, März 2020, S. 60ff. 

Hierarchielosigkeit: Merkmal der digitalen Ökonomie. Das erhöht für den einzelnen Beschäftigen ganz erheblich die Unsicherheit. Oft verbunden mit neuen Arbeitsformen (Crowdworking, Clickworking).

Mittelmanager: Eingeklemmt zwischen Vorstand und Abteilung. Sie stecken oft in einer Art Falle und können es niemandem recht machen. Einerseits funktionieren alte Hierarchien nicht mehr. Andererseits gibt es aber auch nicht Basisdemokratie. Außerdem hat man Zeitdruck (drei Jahre?).

Teamarbeit: Teams sind erfolgreicher als Einzelpersonen. Der Managementtheoretiker Meredith Belbin beschreibt neun Rollen, die für den Erfolg eines Teams von Bedeutung sind. "Die Mitglieder eines Teams suchen sich bestimmte Rollen und je stärker die Rollen ihrem Wesen entsprechen, desto mehr leisten sie", Meredith Belbin, Managementteams: Erfolg und Misserfolg, 1981 (deutsch 1996).

Teamwork: Inzwischen warnen Experten vor Kooperationswahn. Zu viel Zusammenarbeit könne dumm, faul und verlogen machen. Wichtige Kriterien sind: Ausgewogene Zusammenstellung. Richtige Größe (maximal sieben Mitglieder). Hilfreiche Rituale (Solidarität). Vg. Ich Team, du Work, in: WiWo 48/ 17.11.17, S. 18ff. "Teamwork ist eine Verschwörung der Mittelmäßigkeit", David Ogilvy, Werbelegende.

Multiteaming: Mitarbeiter wirken in mehreren Teams gleichzeitig. Das gilt als effizient, kommunikativ und modern. Es kann aber die Motivation verloren gehen oder es drohen Reibungsverluste. Kriterien sind Humankapital, Ressourcennutzung, Qualitätsmanagement und Kundenzufriedenheit. Vgl. Mortensen, M./ Gardner, H. K.: Die Überengagierten, in: HBM, 12/2017, S. 46ff.

Creative Team-System: Hierarchische, autoritär kontrollierte Systeme von Managern haben keinen Platz mehr. Die neue Ökonomie wird auf Dialog und Kooperation gegründet sein. Teams und jeder Einzelne können ihre Ideen, Vorschläge, Wissen, Erfahrung einbringen. Die alte, fremdbestimmte Arbeit hat damit ihr Ende gefunden. Dafür ist eine Bewusstseinsänderung der Menschen und ihr Verständnis für das Ganze erforderlich. Vgl. Jürgen Bruhn: Die Bestie zähmen. Wege aus dem Raubtierkapitalismus in eine Neue Ökonomie, Marburg 2015.

SMART-Management von Teams: Die Smart-Regel besteht aus folgenden Elementen: S wie spezifisch, M wie messbar. A wie ausführbar. R wie realistisch. T wie terminiert (time-based). Vgl. Management einfach erklärt, München 2021, S. 148f.

Meetings: Sie sollen Kreativität und Produktivität von Teams erhöhen. Manchmal finden sie zu oft statt oder sind schlecht geplant. Die Vedeudung der Zeit sollte genau betrachtet werden. Vgl. Perlow, l. A. u. a.: Stoppt den Meeting Wahnsinn, in: Harvard Business Manager, Oktober 2017, S. 21ff.

Schwarmstrukturen: Analog zur Crowd - Idee in vielen Bereichen der BWL (insbesondere in der Finanzierung). Es steht für das Aufbrechen hierarchischer Strukturen und den Einbau von mehr Flexibilität. Das Prinzip dahinter: Aus den Einzelintelligenzen soll die Weisheit der Masse werden. Es sollen bessere Entscheidungen getroffen werden, wenn mehrere unabhängige Meinungen aufeinander treffen. Aktuelle Ansätze finden sich bei Daimler. Pläne gibt es bei VW.

Agiles Unternehmen: Schnelle, flexible Innovationsmethoden. Vorbildliche Führung. Richtiges Vorgehen Organisationen in kleinere Module aufbrechen, in neuen Arbeitsabläufen und Schnittstellen neu zusammensetzen). Teamsystematik erarbeiten. Prioritäten festlegen. Groß angelegte Innovationen meistern. Bessere Zusammenarbeit (Werte, Grundsätze). Personalgewinnung und Motivation. Jährliche Planungs- und Budgetzyklen. Vgl. Rigby, D. K./ Sutherland, J./ Noble, A.: Das agile Unternehmen, in: HBM Januar 2019, S. 32ff.

Agile Methoden/ Agiles Management: Agile Innovationsmethoden stammen aus der IT (Software-Entwicklung). Sie haben diese mit revolutioniert. Jetzt werden diese Methoden auch in anderen Funktionen eingesetzt. Die Grundprinzipien sind die folgenden: Menschen sind wichtiger als Tools und Prozesse; auf Veränderungen reagieren, statt einen Plan abzuarbeiten; funkionierende Prototypen sind wichtig; Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als starre Verträge. Agiles Management hat folgende Schritte: 1. Lernen, wie Agilität funktioniert. 2. Verstehen, wann sich agile Methoden eignen. 3. Klein anfangen und auf Mundpropaganda setzen. 4. Erfahrenen Teams mehr Freiheit gewähren. 5. Agile Methoden im Topmanagement einführen.6. Alle Hindernisse aus dem Weg räumen. Vgl. Rigby, D./ Sutherland, J./ Takeuchi, H.: Schnell und Flexibel, in: Harvard Business Manager Oktober 2016, S. 58ff. Das agile Management wird auch als Zauberformel für Zukunftsfähigkeit gesehen. Hierarchien sollen möglichst verschwinden, dann sprudeln die Ideen automatisch. Mittlerweile haben sich in der Praxis Formen entwickelt: 1. Holokratie: Holons sind selbständige Einheiten, die mit anderen eine Struktur bilden (etwa 50 Organisationen weltweit). 2. Design Thinking: innovative Geschäftsmodelle. Menschen aus verschiedenen Disziplinen. 3. Scrum: Arbeitsschritte in Phasen zerlegen. Zwei Wochen. Der Scrum-Master überwacht die Regeln. Der Product Owner kümmert sich um die Wünsche des Auftragsgebers. Agile Methoden sollen in alle Funktionen des Unternehmens Eingang finden (Produktion, Marketing, IT, Personal). Agile Methoden haben besondere Vorteile für Innovationsprozesse. Damit das Ende der Patriarchen eingeläutet.

Agile Organisation: Man muss starker Netzwerker sein, um in dieser Organisation voranzukommen ("Lautsprecher" gewinnen). Grübler haben keine Chance mehr.  Animalische Trieben ersetzen oft Regeln. Entscheidungen bleiben offen. Wo Hierarchien ganz fehlen, bleiben Entscheidungen unbearbeitet. Es entwickeln sich wieder Bedürfnisse nach Strukturen. Diese Unternehmenskultur ist vor allem bei Start-ups anzutreffen. Es ist also typisch für kleinere Unternehmen.

Agile Chefetage: Um ein wirklich agiles Unternehmen zu schaffen, muss auch ein Topmanagement agile Grundsätze leben. Die Mitglieder des Führungsteams laben mehrere Rollen: System aufbauen, Geschäftsbereiche steuern, Mentoren sein, Krisen entschärfen. Das Topmanagement gewinnt mehr Zeit für Strategieentwicklung. Vgl. Rigny/ Elk/ Berez: Die agile Chefetage, in: HBM Oktober 2020, S. 20ff.

Wann ist Agilität sinnvoll? Unternehmen brauchen einen perfekten Mix aus klassischen und agilen Koordinationsmechanismen. Das Wassermodell zeigt, wie das funktioniert. Mithilfe der Stacey-Matrix können Unternehmen analysieren, in welchem Umfeld sie agieren (einfach, kompliziert, komplex, chaotisch).  Vgl. Heidbrink, Marcus/ Klaussner, Stefan: Wann machen wie zu viel agil? in: HBM Oktober 2020, S. 30ff.

Weitere Methoden sind: Stand-up-Meeting, Retrospektive, Kanaban (aus dem Japanischen, Projektmanagement, Open Friday, Fuck-up-Hour (Fehler und Rückschläge).

Culture Hacking: Ethisch umstrittene Maßnahmen. Gezielte Provokationen sollen die Transformation vorantreiben. Die Agilität soll gefördert werden. Es ist eine indirekte Methode. sie kann ausprobiert werden, wenn die Belegschaft zu erstarrt ist, um Veränderungen mitzumachen. Diese Methode ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: 1. Geringer Aufwand. 2. Regelverletzung. 3. Unmittelbare Auswirkungen. 4. Sichtbarkeit. 5. Emotionale Reaktionen. Hacks können von oben und unten kommen.

Business Continuity Management (BCM): Reaktion auf tief greifende Ereignisse im Unternehmen. Beispiele sind Cyberangriff oder Corona-Pandemie. Man sollte einen BC-Life-Cycle aufstellen: Analyse, Lösungsentwurf, Umsetzung, Testen, Wartung und Weiterentwicklung. Mittlerweile gibt es auch entsprechende Tools in der IT: BC Consulting, Controll IT u. a.

Holacracy: Management ist wie Theaterspielen mit Rollen. Konferenzen dienen eher zur Selbstdarstellung. Macht-Dynamiken werden widergespiegelt. Statussymbole sollten zurückgefahren werden. Hierarchien werden nicht mehr gebraucht. Vgl. Brian Robertson: Holacracy: Ein revolutionäres Managementsystem für eine volatile Welt, München (Vahlen) 2019.

Enterprise Service Management: Alles im Unternehmen wird zum Service. Unternehmensprozesse aller Art werden zunehmend als Dienstleistung verstanden. Effizienz soll gesteigert, Kosten sollen eingespart werden, Prozesse sollen optimiert werden.

Management of unexpected: Wird oft mit der "real world economics" verbunden. Es geht darum rechtzeitig vorbereitet zu sein, auf Ansprüche  und neue Inhalte in der Zukunft. Komplexe Problemstellungen sollen optimal bewältigt werden. . 

Organisationstheoretische Ansätze und Organisationsformen: Die Aufzählung der folgenden Ansätze folgt der historischen Entwicklung: Man unterscheidet Scientific Management (Taylor), Administrative Ansätze, Human-Relations-Ansatz, Situative Ansätze und Institutionen - ökonomische Ansätze. Bei den Organisationsformen werden unterschieden Funktionale Organisation, Spartenorganisation, Management-Holding, Matrix-Organisation, Netzwerk und virtuelle Organisation, Projektorganisation und Teamorganisation. Vgl. Thommen/ Achleitner, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 2005, S. 739ff. "Eine Stadt muss funktionieren, gemütlich bin ich selbst", Karl Kraus.

Aufbauorganisation: In der Praxis find folgende Prinzipien anzutreffen: Liniensystem, Funktionensystem, Stabliniensystem, Divisionale oder Spartenorganisation, Matrixorganisation. Vgl. Nöllke, M./ Mentzel, W.: Managementwissen, Freiburg 2012, S. 141ff.

Arbeitsorganisation in digitaler Produktion (Produktion 4.0): Industrie 4.0 wird neue Jobprofile, mehr Verantwortung, flachere Hierarchien mit sich bringen. Die Kompetenzen werden sich ändern müssen; mehr gefragt sind: Lebenslanges Lernen, interdisziplinäres Denken, aktive Problemlösung, höhere IT-Kompetenz, Austausch von vernetzten Systemen, Kenntnis der Gesamtprozesse (Fraunhofer Institut, Ergebnisse einer Befragung).

Beziehungs- und Verbindungsformen: Transportverbindungen (Logistik) und Kommunikationswege. Letztere gliedern sich in Informationswege und Weisungs- und Entscheidungswege.

Business by Opportunities": Weiter auf Unternehmenswachstum setzen, ohne klare Strategie. Das ist typisch für viele kleinere Unternehmen. Dazu gehören auch Kooperationen, die allein auf Vertrauen beruhen (ohne genaue Überprüfung des Partners: finanzielle und familiäre Hintergründe, Synergiepotential, Nachhaltigkeit). Damit fehlt in der Regel eine Risikoeinschätzung. Normalerweise geht Alles gut und die Unternehmen werden belohnt. Wenn es schief geht, kann die Insolvenz folgen.

Bürokratieabbau: Wird immer wieder angeführt als ein bestimmtes Bündel der Mittelstandspolitik. Dazu rechnen etwa eine Reform der Bilanzierungs-Vorschriften oder bessere Vergaberichtlinien. In den Koalitionsverhandlungen im Herbst 2009 werden entsprechende Punkte vereinbart.

Downsizing: Umstrukturierung von großen Konzernen in Richtung kleinere Einheiten. Abbau von Überkapazitäten an der Unternehmensspitze ("Wasserkopf"). In der Regel mit großem Arbeitsplatzabbau verbunden. In großen Unternehmen, insbesondere Multis, kann der Punkt kommen, wo die Internalisierung nicht mehr positive Effekte hat. Mit Downsizing verbunden ist oft Deregulierung. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen nach der Schrumpfung Pleite geht, steigt an.  Vgl. Michelle L. Zorn et al.: Cure or Curse? Does Downsizing increase the Likelyhood of Bankruptcy?, Journal of Business Research, Juli 2017. Die Studie arbeitet mit Daten von Unternehmen nach der Finanzkrise 2008/2009 in den USA.

Informationsmanagement: Information ist zu einer Schlüsselressource geworden als Rohstoff für Entscheidungen. Ohne den Einsatz von Informationstechnologie (EDV) geht nichts mehr. Informationen müssen gesammelt, verteilt und verstanden werden.  Der Gesamtumgang mit Informationen wird "Wissensmanagement" genannt. 

Entscheidungsprozesse: Experimentelle Wirtschaftsforschung und empirische Studien zeigen eindeutig, dass Gruppen (Teams) anders als Individuen entscheiden. Vom Erfolg her sind Gruppen auch besser als "Einzelkämpfer". "Drei Köpfe sind besser als einer", Matthias Sutter, Uni Innsbruck. Diese Erkenntnis hatte die BWL allerdings schon seit Jahrzehnten (vgl. zum Beispiel meinen Aufsatz von 1983 mit W. Biehl). Im individuellen Entscheidungsprozess  schaden zu viele Informationen und intuitive Entscheidungen sind oft ökonomischer und schneller. Fakten-huberei kann die Sicht vernebeln. In Grenzsituationen sollte man sich auf die Intuition verlassen. (G. Gigerenzer, MPI für Bildungsforschung, Berlin, Bauchentscheidungen, Wissenschaftsbuch 2007). Als der Klassiker der Entscheidungsforschung gilt H. A. Simon (1916-2001, Nobelpreis 1978). Er erforschte die eingeschränkte Rationalität in Entscheidungsprozessen.

Entscheidungen im Unternehmens: Sie müssen fortlaufend getroffen werden, vor allem auf folgenden Feldern: Investitionen, Expansion (partiell) und Wachstum (global) und Neukundengewinnung und Altkundenerhaltung (Kundenbindung). Der Art nach sollten Entscheidungen schnell und entschlossen getroffen werden, andere sollten darauf eingeschworen werden, Ergebnisse sollten zuverlässig abgeliefert werden, zum Anpassen sollte man bereit sein. "Besser eine schlechte Entscheidung als fehlende Führung. Die meisten Entscheidungen können rückgängig gemacht werden, aber sie müssen lernen, das richtige Tempo zu finden", Harvard Business Manager, Juli 2017, S. 19.

Entscheidungen und Fallen (Hirnforschung): Neurowissenschaften und die Psychologie werden künftig zu einer besseren Fundierung von Entscheidungen verhelfen. Neurologen haben häufige Fehler bei Entscheidungen ermittelt. Verzerren können Müdigkeit, Rationalität (zu wenig Bauchgefühl), Rabatt-Falle, natürlicher Sinn für Zahlen fehlt, Emotionen, Aufmerksamkeit, Angst, Herdentrieb, Gegenwartsfalle, Verführung durch Schönheit. Besonders wichtig bei Entscheidungen ist die Alternative zwischen sofortiger Entscheidung und späterem Treffen der Entscheidung.

Macht der Phantomanker: Ankereffekte haben in Entscheidungsprozessen eine große Wirkung. Bei dieser kognitiven Verzerrung fokussiert sich ein Gesprächsteilnehmer auf eine Information (den Anker) und kann sich nicht mehr davon lösen. Phantom-Anker (Phantom Anchoring) haben eine ähnliche Wirkung. Sie sollten aber sehr  vorsichtig eingesetzt werden. Bhatia, N./ Gunia, B. C.: I Was Going to Offer $ 10.000, but...: The Effects of Phantom Anchor in Negotiation, in: Organizational Behavior and Human Decision Processes, September 2018.

Entscheidungen in Krisen (Krisenmanagement): Sechs Regeln: 1. Wissenserwerb: Hören Sie gut zu und lesen Sie kritisch. 2. Vertrauen: Fördern Sie Vielfalt, nicht Bestätigung. 3. Erfahrung: Tiefes Wissen ist gut, breites ist besser. 4. Diatanz: Erkennen und hinterfragen Sie Vorurteile. 5. Alternativen; Stellen Sie zu einfache Lösungen infrage. 6. Umsetzung: Prüfen Sie, ob Ihr Plan machbar ist. Vgl. Andrew Likierman: Besser entscheiden in der Corona-Krise, in: HBM Mai 2020, S. 20ff.

Risikomanagement: Oft werden Unternehmen mit neuartigen Risiken konfrontiert, für die sie keinen Plan haben. Das ist ein Problem. Manche Risken sind so abwegig, dass kein Management sie sich vorstellen kann. Die Lösung: Auf Anomalien achten. Was macht ein Risiko neuartig? Es sollte erkannt werden. Dazu gibt es folgende Wege: 1. Topmanager beauftragen, sich gezielt Gedanken machen, was alles schief gehen könnte. 2. Risikomeldungen digitalisieren. 3. Was-wäre-wenn-Szenarien aufstellen. 4. Ein Krisenreaktionsteam einsetzen. 5. Die Krise auf lokaler Ebene bewältigen. Vgl. Kaplan, Rober S./ Leonard, H./ Mikes, A.: Wenn Krisenpläne nicht mehr greifen, in: HBM Februar 2021, S. 20ff.

Risiko-Szenarien: Im Normalfall können Unternehmen ihre Arbeit mithilfe von Standardabläufen erledigen. Manchmal müssen einfache Regeln und Improvisationen dazu kommen. 1. Routinen (standardisierte Arbeitsabläufe). Das Terrain ist vertraut. Das Umfeld ist stabil. 2. Heuristiken (Faustregeln für einfachere Entscheidungen). Wenn Entscheidungen ungewöhnlich schnell getroffen werden müssen. Kontext: Entscheidungsträger verstehen die Probleme, mit denen sie zu tun haben. 3. Improvisation. Spontane Ad-hoc-Reaktionen auf ein Problem oder eine Chance. Entscheidungsträger müssen über Experimente herausfinden, was funktioniert. Vgl. Suarez, F. F./ Montes, J. S.: Entscheiden im Everest-Modus, in: HBM Februar 2021, S. 28ff.

Gap - Analyse: Vergleich der aktuellen mit der geplanten oder beabsichtigten Leistung sowie einer anschließenden Analyse dieser "Lücke". Daraus lass sich Stärken und Schwächen einer Organisation feststellen und Beheben.

Change Management: Unternehmen, Märkte, Technik, Lebensmodelle verändern sich rasant. Noch nie vorher in der Geschichte war so viel Anpassungsfähigkeit verlangt. Die Zyklen, innerhalb derer sich Unternehmen erneuern müssen, werden immer kürzer. Der planvolle Umgang mit diesem Wandel ist der Gegenstand von Change Management, das immer mehr zur Daueraufgabe der Unternehmensführung wird. So werden Qualifikationen immer wichtiger, die für dieses Management notwendig sind: Ressourcen organisieren, Technologiesprünge managen, gesellschaftliche Akzeptanz herstellen. Hinzu kommt, dass die Digitalisierung bestehende Geschäftsmodell umkrempelt (vor allem in der Telekommunikation, Energie, IT, Logistik, Handel, Banken und Versicherungen). Große Unternehmen sammeln bereits Know-How durch Start-Ups und Nerds. "Take a chance for change", Werbespruch. "Auf der Welt gibt es nichts, was sich nicht verändert, nichts bleibt ewig, so wie es einst war", Dschuang Dsi, chinesischer Philosoph und Daoist.

Aufgaben, Treiber und Hindernisse von Change-Management: Wenn Veränderungsprozesse schief gehen (drei Viertel aller Projekte scheitern), liegt der Fehler darin, dass das Management anfangs falsch einschätzt, was überhaupt verändert werden soll. Bevor Prioritäten festgelegt werden, sollten die drei Faktoren analysiert werden: Treiber, Aufgaben und Hindernisse. Aufgaben sind Globale Präsenz, Kundenorientierung, Innovation, Wendigkeit und Nachhaltigkeit. Vgl. Anand Narasimhan/ Jean-Louis Barsoux: Warum Change-Management scheitert, in: Harvard Business Manager, Juni 2018, S. 18ff.

Digitale Strategien und neue Geschäftsmodelle, die Change auslösen: Überzeugung ist die Grundlage der Unternehmenskultur, die auch zur Kundenbindung führt. Digitalisierung muss intern und extern sein. Vor allem müssen immer neue Produkte angeboten werden mit dem entscheidenden Faktor "Service". Auf Bestandskunden sollte immer geachtet werden. Vgl. Spancken Christian: Digital denken statt Umsatz verschenken. Online-Strategien für den Mittelstand, Berlin (Econ) 2018, S. 63ff.

Stufen eines Change-Managements: 1. Schock. 2. Verneinung. 3. Einsicht. 4. Akzeptanz. 5. Ausprobiere. 6. Erkenntnis. 7. Integration.

DevOps als Aufgabe für das Change-Management (Software-Entwicklung, IT - Administration): Plan - Operate - Deploy - Release - Monitor - Test - Build - Code. Die Software-Entwicklung und -Bereitstellung wird mit einem ganzheitlichen Lifestyle verbunden. Im Management müssen Agile Deveopment, Continuous Integration, Continuous Delivery und Operations gekoppelt werden.

Krise als "neue Normalität" und zwei Muster der Reaktion: Überlebensmodus, Wachstumsmodus: Die Evolution hat uns mit zwei Systemen ausgestattet, mit denen wir auf Veränderungen reagieren. Traditionelles Change-Management löst oft unabsichtlich den Überlebensmodus aus. Angst, Furcht und Stress sorgen dann dafür, dass das Team den Fokus verliert und nicht mehr mitzieht. Unternehmen und Führungskräfte sollten den Überlebensmodus regulieren und den Wachstumsmodus aktivieren. Dieser sorgt für Engagement und Leidenschaft. Dazu müssen sie ihre Kommunikation anpassen, Störgeräusche reduzieren und Ungewissheiten beseitigen. Vgl. Kotter, John P./ Akhtar, Vanessa/ Gupta, Gaurav: Überleben allein reicht nicht, in: HBM Dezember 2021, S. 20ff.

Elemente der Change Power: Sinn, Zielgerichtetheit, Verbundenheit, Kapazität, Orchestrierung, Skalierung, Entwicklung, Handeln, Flexibilität. Es gibt vier Archetypen: 1. Auf der Suche nach einem Fokus. 2. Festgefahren und skeptisch. 3. Eingespielt, aber eingeschränkt. 4. Kann nur mit Mühe und Not Schritt halten. Vgl. Michels, David/ Murphy, Kevin: Wie viel Change Power hat ihr Unternehmen? in HB Dezember 2021, S. 28ff.

Resilienz - Strategie von Untermnehmen: Die Kunst der Anpassung. 1. Planen unter Vorbehalt. 2. Blickwinkel-Training. 3. robustes Risikomanagement. 4. Agile Taskforces. 5. Lernfähigkeit speichern. 6. Resilienz ist Flexibilität. 7. Geschäftsmodell anpassen. Vgl. Deters, J. u. a.: Es bleibt alles anders, in: WiWo 51/ 15.12.23, S. 14ff.

Kulturveränderung und Organisationsstruktur: Die Veränderung der Unternehmenskultur muss mit der Struktur der Organisation kompatibel sein. Jede Änderung sollte zuerst bei der Struktur ansetzen. Die besteht aus eine rSchauseite, der formalen Seite und der informalen Seite. Der Hebel liegt in der Formalstruktur. Change-Management darf nicht nur auf Worten beruhen (Schauseite). Vgl. Frank Ibold, Stefan Kühl, Kai Matthisen: Den Wandel richtig managen, in: HBM März 2018, S. 38ff.

Modes of Organisation (Organisationale Modi): Modus1: Normalbetrieb, Modus 2: Explizit forciertes Wachstum, Modus 3: Change, Modus 4: Sonderfall, Modus 5: Expliziter Rückzug, Modus 6: Das Meistern einer Krise, Modus 7: Der Notfall. Siehe Fredmund Malik: Navigieren in Zeiten des Umbruchs, Frankfurt 2015, S. 107ff.

Six Sigma: Managementkonzeption. Sie stammt von General Elektric (GE). Wurde von Zhang, dem Gründer von Haier, sehr erfolgreich 1991 übertragen.

Geschäftsmodelltransformation: Der technische Fortschritt ermöglicht heute Newcomern, Marktführer anzugreifen und innerhalb weniger Jahre auszuschalten. Es gibt vier Wege, ein stagnierende Unternehmen wiedr in Fahrt zu bringen. Die vielen Dutzend  existierender Geschäftsmodelle lassen sich in vier Typen kategorisieren: Produkt-, Plattform-, Projekt-, und Lösungsgeschäft. Ein Wechsel in jedes dieser Modelle ist denkbar, aber jeder Pfad ist mit spezifischen Herausforderungen verbunden. Wichtig ist die Vollständigkeit einer Transaktion ("inclusiveness") und die Individualisierung des Angebots ("customization"). Erfolgreiche Unternehmen passen ihr Geschäftsmodell in drei Bereichen an: Frontend, Backend, Ertragsmechanik. Vgl. Linz, C./ Müller-Stevens, G./ Zimmermann, A.: Fit für die zukunft, in: Harvard Business Manager, Juli/2017, S. 44ff. und Diesselben: Radical Business Model Transformation. Gaining the Competitive Edge in a Disruptive World, Kogan Page 2017.

St. Galler Business Model Navigator: Ein "magisches Dreieck", das die vier Hauptdimensionen eines Geschäftsmodells darstellt. An den Ecken sind die Fragen "What?", "How", "Value".

Balanced Scorecard: Man spricht heute von einer neuen Balanced Scorecard. Sie muss eine zusätzliche Dimension berücksichtigen. Sie muss also aktualisiert werden. Erfolge werden in drei verschiedenen Berechen angestrebt: ökonomisch, ökologisch und gesellschaftlich. Vgl. Kaplan, Robert S./ McMillan, David: Neue Balanced Scorecard, in: HBM Mai 2021, S. 71ff.

Sustainability Balanced Scorecard (SBSC): Die Finanz-, Kunden-, Prozess- und Lern-/ Entwicklungsperspektive der BSC werden mit der ökonomischen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit kombiniert, so dass daraus 12 Handlungsfelder der SBSC entstehen. Diesen werden jeweils strategisch bedeutsame Indikatoren zugeordnet, wodurch die Nachhaltigkeit in der Strategie sowie in der Strategieumsetzung verankert ist. Vgl. Ernst/ Sailer/ Gabriel (Hg.): Nachhaltige Betriebswirtschaft, München 2021, S. 412.

Disruptive Geschäftsmodelle: Sie haben folgende Merkmale: Eine digitale Strategie, die nicht nur die IT, sondern alle Geschäftsbereiche umfasst. Anstoß für innovative Projekte sollte von oben kommen. Engere Zusammenarbeit mit externen Partnern und Start-up-Initiativen. Förderung der Unternehmenskultur. Ausbau der technischen Kompetenzen. Schnelligkeit. Kundenbedürfnisse und Kundennutzen als Ausgangspunkte. Vgl. com!professional 8/2017, S. 20ff.

Führung in digitalen Zeiten: Es soll eine Konzentration auf den Kunden, die Kooperation und die Kreativität erfolgen. Vgl. Reinhard Sprenger: Radikal Digital, Deutsche Verlagsanstalt 2018.

"Leadership 2020": Neue Führungskultur bei Daimler für Innovationskraft. Akzeptanz für Projekte mit höherer Innovationskraft. Entscheidungen gehen nicht mehr über alle sechs Hierarchieebenen, mit zwei soll Schluss sein. Die Entwicklung neuer Technologien soll beschleunigt werden (Digitalisierung, autonomes Fahren, E-Mobilität). Die Vorstellung hier ist nur exemplarisch. Andere Unternehmen verfolgen ähnliche Konzeptionen (VW, BMW). "Entscheidend ist, dass unsere Teams vernetzt miteinander arbeiten und nicht in Hierarchie stecken. Dazu gehört Vertrauen, Teamfähigkeit und das Loslassen der Führungskräfte", Dieter Zetsche, Daimler-Vorstandschef, 2016 (Handelsblatt, 31. 10.16, S. 6).

New Leadership: Moderne Führung bedeutet nicht, alles Bewährte zu vergessen. Was sollten Chefs heute wissen? Die fünf größten Mythen der Personalführung: 1. New Leadership eignet sich nur für Technikunternehmen. 2. Es geht nur um Neues. 3. New Leadership hat man drauf - oder nicht. 4. New Leadership bedeutet weniger Führung.  5. New Leader sind immer nett. Vgl. HB 19.12.23, S. 26f.

WM und Weltmeisterschaft 2014 im Fußball: Übertragung der Erfolgsformel auf das Management von KMU.  Das Team ist alles. Du musst die besten Ideen nicht selbst haben, sondern sie nur finden. Der kopf entscheidet, nicht der Bauch. Thin big - aber bleib gelassen dabei. Kreiere eine Marke, und tue dann alles für sie. Vgl. Handelsblatt, 15. Juli 2014, Nr. 133, S10f.

Wissensmanagement: Mittlerweile ein Begriff, der zuerst definiert werden muss. Er kann für alles verwendet werden, was mit dem Wandel und der Beeinflussung von menschlichem Wissen zu tun hat. Das Phänomen hat schon immer eine Rolle gespielt. Nach dem Griechen Pythagoras, der auch die Erde schon fast als Kugel sah und auf den π zurückgeht, ist Lernen eine Sache zwischen Alten und Jungen: Ich bin alt und gebe euch etwas. Ich verliere dabei nichts, und ihr gewinnt etwas, deshalb ist Lernen schön - womit die "Modeidee" des Wissensmanagements uralt ist. Neben der Übergabe von Wissen (spielt in der Personalwirtschaft eine große Rolle) ist auch die Anpassung von Wissen an sich verändernde Anforderungen wichtig. Viele verstehen heute Wissensmanagement auch als die Bearbeitung und Konservierung von Wissen durch die Informationstechnologie. Wenn wir heute in einer Wissensgesellschaft leben, ist auch das Wissensmanagement extrem wichtig. Zuerst hatte der amerikanische Soziologe Daniel Bell 1973 Wissen als "zentrale Achse" der Wirtschaft postuliert. Bahnbrechend war das Buch der japanischen Innovationsforscher Ikujiro Nonaka und Hirotaka Takeuchi von 1995 mit dem Titel "The Knowledge-Creation Company". Danach ist der Innovationsprozess ein Prozess, in dem Wissen erfasst, erzeugt, wirksam eingesetzt und bewahrt wird. Mittlerweile ist Wissen ein vierter Produktionsfaktor. Vgl. hierzu den klassischen Aufsatz von Friedrich August Hayek: The Use of Knowledge in Society, in: AER, 1945. "El saber no ocupa lugar" - Wissen schadet nicht. "Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt", Albert Einstein.

Implizites Mitarbeiterwissen: Erfahrungswissen im KMU, das nicht explizit irgendwo dokumentiert wird (Akten, IT - Datensatz). Es kann sich um Fachkenntnisse, Kundenwissen, Kontakte u. a. handeln. Schon lange besteht im Rahmen des Wissensmanagement der Wunsch, diese Komponente mehr sichtbar und nutzbar zu machen. Sie ist besonders wichtig, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und den Übergang zwischen Generationen zu verbessern.

Soziale Kompetenzen: Führung und Kommunikation, Projektmanagement, Verhandlungsgeschick.

Insolvenz: 2013 werden so wenige Insolvenzen erwartet wie seit 14 Jahren nicht mehr (Creditreform). In den ersten neun Monaten gab es knapp 20.000 Firmenpleiten. Das waren 8,6% weniger als in der Vorjahreszeit (Statistisches Bundesamt). Nach Daten der Amtsgerichte gab es 2013 nur 25.995 Firmenpleiten, so wenige wie seit 1996 nicht mehr. Von Januar bis Juni 2014 gibt es einen weiteren Rückgang der Insolvenzen (12.032, Statistisches Bundesamt). So wurde 2014 insgesamt ein neuer Rekord erzielt: 24.085 Insolvenzen (-8,9%, niedrigster Stand seit 15 Jahren). Die Anzahl der Pleiten sinkt noch einmal 2015: 23.230 (-3,3%). Das Bundesjustizministerium will 2015 das Insolvenzrecht ändern: Es soll Insolvenzverwaltern erschwert werden, frühere Geschäftspartner eines Pleiteunternehmens auf die Rückzahlung von Einnahmen zu verklagen (Insolvenzanfechtung). Unregelmäßige Zahlungen können als Beweis für die Zahlungsunfähigkeit eines Geschäftspartners genügen. Im ersten Halbjahr 2016 ist die Anzahl der Pleiten in Deutschland weiter gesunken (60.500, -5,3%). Die Insolvenzquoten sinken zwischen 2013 und 2015. Sie unterscheiden sich stark nach Bundesländern. Am höchsten ist die Quote in NRW. Am niedrigsten ist der Wert in BW. Einflussfaktoren sind Eigenkapital und Wachstum. Vgl. Röhl, K. - H./Vogt, G.: Zahl der Unternehmensinsolvenzen rückläufig, in: Wirtschaftsdienst 2016/11, S. 852 ff. Im Jahre 2012 trat das neue Insolvenzrecht in Kraft (ESUG: Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen). Bisher scheint es sich bewährt zu haben (plan- und steuerbar, für beide Seiten Gläubiger und Unternehmen Vorteile, zeitlich gangbar; 40% scheitern). Zum Streit kommt es immer wieder wegen Insolvenzverschleppung. Im März 2017 wird das Insolvenzrecht für Konzerne reformiert. Sämtliche Verfahren können bei einem Gericht gebündelt werden. Ein Verfahrenskoordinator kann berufen werden. Töchterfirmen können einzeln saniert werden. 2020 kommt eine Richtlinie der EU zur flexiblen Sanierung von Unternehmen.  Die Niederlande sind bei der Umsetzung am schnellsten. Am Ende könnte es eine Abwanderungswelle geben. Im Sommer 2021 wird die Insolventanmeldungspflicht für betroffene Unternehmen der Flutkatastrophe teilweise ausgesetzt. 2022 will die EU noch einfachere Insolvenzverfahren: Restrukturierer plädieren für eine vorübergehende Verkürzung des Prognosezeitraums auf drei Monate. Die bekanntesten Fälle waren die Baumärkte Praktiker und Max Bahr sowie der Solarkonzern Conergy. Ende 2012 war der Solardienstleister SIC Processing zahlungsunfähig. Der chinesische Solar-Produzent Yingli hatte heimlich eigene Produktionsanlagen errichtet und dann offene Rechnungen an SIC nicht bezahlt. Das deutsche Insolvenzrecht verunsichert die Wirtschaft. Geht ein Unternehmen Pleite, können frühere Geschäftspartner vom Insolvenzverwalter auf Rückzahlung von Einnahmen verklagt werden. 2016 gehen 123.800 Firmen insolvent (3% weniger als 2015). In den ersten sechs Monaten sank die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 5,9% auf 10.300 (gute Konjunkturlage, niedrige Zinsen). Kleinstunternehmen sind am stärksten betroffen (Quelle: Creditreform). Ende 2017 ist die Pleite von Niki. Zehntausende Flugpassagiere sind betroffen. Sie erhalten aber den Flugpreis zurück oder werden umgebucht. Im Jahre 2017 meldeten 20.093 Unternehmen bei den Amtsgerichten Insolvenz an. Das waren 6,6% weniger als 2016.  Im ersten Quartal 2018 sinkt die Anzahl der Insolvenzen weiter (5020; -3%). Die Schäden durch Insolvenzen werden immer höher Die wirtschaftlichen Folgen sind deutlich größer geworden (Quelle: Euler-Hermes). 2018 sinkt die Zahl der Insolvenzen auf den niedrigsten Stand seit 24 Jahren. 19.900 Unternehmen gingen Pleite (Quelle: Creditreform). 2019 droht aber eine Pleitewelle: Autozulieferer. Gegenüber 2010 hat sich 2019 die Zahl der Pleiten halbiert: 19400 (-0,1% gegenüber dem Vorjahr; niedrigster Stand seit Ende der 1990er-Jahre). In Zukunft wird mit steigenden Insolvenzen gerechnet, vor allem in den Bereichen Logistik, Handel und Gastronomie. 2020 sinken die Insolvenzen aber auf ein Rekordtief: 17.060. Quelle: IW, Köln. Das Institut liefert zwei Erklärungen: 1. Corona-Hilfen. 2. Zombie-Unternehmen. Die Aussetzung für Insolvenzanträge soll über den Januar 2021hinaus verlängert werden. Im September 2022 verrent sich Bundeswirtschaftsminister Habeck bei der Insolvenzfrage. In der Talkshow von Maischberger offenbart er, dass er nicht viel Ahnung hat. Das führt zu viel Spott. Im August 2022 lag die Zahl der Insolvenzen um 6,6% höher als im Vormonat. In den ersten sechs Monaten 2023 gab es 8400 Firmenpleiten. Das ist ein Anstieg um 16,2% zum Vorjahreszeitraum. Vgl. grundsätzlich zu Insolvenzen: Müller, Steffen: Unternehmensinsolvenzen, in: Wirtschaftsdienst 11/ 2023, S. 788-790. 2023 wird Zahl der Insolvenzen auf 17400 geschätzt. Das wäre ein Anstieg von+19% gegenüber 2022. Quelle: Studie Ende 2023 von IW/ Köln und DVR/ Frankfurt. Die Creditreform, eine andere Quelle, geht von 18.100 Insolvenzen aus (fast +24%). In den elf Monaten von Januar bis November 2023 stieg die Anzahl der Insolvenzen um rund 23% auf über 16.000 Fälle. Quelle: StBA, Wiesbaden, 2024.

Maß zur Vorhersage eine Insolvenz (Altman´s Z Score): Altman ist Professor an der New York University. Mit einer Formel versucht er, Bankrotte und Insolvenzen vorherzusagen. Die Formel lautet: Z = 1.2 X1 + 1.4 X2 + 3.3 X3 + 0,6 X4 + 1,0 X5 .      X1 = Working Capital/Total Assets; X2 = Retained Earnings/ Total Assets; X3 = Earnings before Interest and Taxes/ Total Assets; X4 = Market Value of Equity/ Book Value of Total Liabilities; X5 = Sales / Total Assets.

Resilienz von Unternehmen: Der Begriff stammt aus der Psychologie. Er bezeichnet die Fähigkeit, mit Krise umzugehen und gestärkt aus ihnen hervorzugehen. Mittlerweile wird er auch auf Unternehmen und die ganze Volkswirtschaft übertragen.

Historische Pleitewellen in Deutschland in jüngster Zeit: 2000  26.476 (Folgen des Einheitsprozesses). 2005  39.320 (Ende des New-Economy-Booms). 2010  32.697 (Finanzkrise). 2020  19.736 (Prognose; Corona-Krise). Quelle: Statistisches Bundesamt; Commerzbank; Die Zeit Nr. 41, 1.10.20, S. 27. Im ersten Quartal 2021 am Ende der Corona-Krise steigt die Zahl der Privatinsolvenzen auf eine Rekordhöhe von 31.821. Das waren 56,5% mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum.

"Treuhandanstalt 2.0": Sie wird von Experten in der Corona-Krise 2020 gefordert. Sie soll an die alte Treuhandanstalt bei der deutschen Wiedervereinigung 1990 anknüpfen. Es wird eine Insolvenzwelle in Deutschland erwartet.

Corona-Krise und Insolvenzen: Normalerweise vergleicht man die Jahre 2019 (vor der Krise) mit 2021 (nach der Krise). Für das Jahr 2021 handelt es sich aus der Sicht von Mitte 2020 um eine Prognose. Man muss verschiedene Daten und Quellen zusammenfügen (Statistikämter, Euler-Hermes, Allianz Research u. a.). Dabei ergeben sich folgende Vorhersagen bei der Zunahme von Insolvenzen in Prozent: USA 55, Brasilien 45, Großbritannien 42, China 40, Welt insgesamt 35. In Deutschland wird eine Zunahme von 11% erwartet. 2021 rechnet man in Deutschland mit einem Angriff der Firmenjäger. Finanzinvestoren und Hedgefonds suchen verstärkt nach Einstiegsmöglichkeiten bei deutschen Unternehmen. Experten erwarten Megadeals. Als Ziele der Aktivitäten gelten Bayer, Hugo Boss, Manz. Quelle: Boston Consulting Group.

"Winterschlaf" für insolvente Unternehmen: Mit einem vereinfachten Insolvenzrecht will der Wirtschaftsflügel der CDU (MIT) in der Corona-Krise 2020 ein Massensterben im Mittelstand verhindern. Es soll ein Sonderinsolvenzrecht kommen. Firmenchefs sollen bis zu zwei Jahre nach der Insolvenz ihres Betriebes ein besonderes Wiederkaufsrecht erhalten (darunter fallen auch Patente und Schutzrechte). Sie sollen auch leichter unter einen Schutzschirm schlüpfen können. Das Bundesjustizministerium verlängert die Pflicht bis zum Insolvenzantrag bis März 2021. Damit sollen massenhafte Pleiten vermieden und Arbeitsplätze erhalten werden. Die Antragspflicht war schon einmal bis Mitte September 2020 ausgesetzt worden.  Prognose sehen bis zu 1,4 Mio. Pleiten bei KMU durch Corona.

Corona 2020 und Veränderung des Managements: Die Krise könnte folgende Veränderungen hervorrufen: 1. Vertrauenskultur entwickeln. 2. Mehr Tools für mobiles Arbeiten. 3. Weniger Meetings und so Produktivitätsgewinn. 4. Dynamische Teamvarianten und weniger statische Organisationsstrukturen. 5. Weniger Abhängigkeit von China durch Differenzierung von Lieferketten. Mehr soziale Verantwortung. Vgl. Harvard Business Manager (HBM) 13, Mai 2020, S. 12.

Corona und Restrukturierung: Viele Unternehmen hätten einen Leitfaden gebraucht, der ihnen den Weg durch den Lockdown weist. Dabei helfen folgende Schritte: 1. Taskforce einrichten. 2. Arbeitsorganisation klären. 3. Gemeinwohl unterstützen. 4. Liquidität absichern. 5. Mit Stakeholdern kommunizieren. 6. Szenarien entwickeln. 7. Geschäftsmodell anpassen. 8. Krisenfestigkeit testen Vgl. Michailov, G./ Grabow, H. - J.: So bleiben sie am leben, in: HBM November 2020, S. 56ff.

Peter-Prinzip: In einer Hierarchie tendiert jeder dazu, bis zu der Ebene aufzusteigen, auf der sich seine Inkompetenz zeigt. Dazu gibt es im Mittelstand nicht so viel Gelegenheit.

Elena: Staatliche Datenbank zur Erfassung der Einkommensdaten. Es gibt Kritik von Datenschützern, weil auch Absentismus, Gesundheit und Abmahnungen enthalten sind. Es gibt auch Zweifel an der Praxistauglichkeit für kleine und mittlere Unternehmen. So erwägt 2010 der Bundeswirtschaftsminister einen Stopp.

Größenvorteile: Normalerweise gilt die Hypothese, je größer die Fabrik, desto niedriger die Kosten. Sie war lange in der Ökonomie bekannt. So war schon John Stuart Mill 1848 der Auffassung, dass nur große Unternehmen bestimmen Veränderungen "stemmen" können. P. j. Verdoom analysiert 1949 die Größenvorteile durch höhere Produktivität. 

Beratung für KMU (externe): Es kann verschiedene Gründe für die Inanspruchnahme solcher Beratungsleistungen geben: Probleme in bestimmten Bereichen, Kostenvorteile, fehlendes Know-how in speziellen Gebieten, Implementierungsaspekte und psychologische Rahmenbedingungen. Häufig werden auch routinemäßige Dienstleistungen eingekauft (Lohnabrechnung, Controlling, Personalberatung). Strategische Beratungen - wie häufig in Großunternehmen - sind eher selten. "The Definition of a consultant is someone who borrows your watch, tells you the time and then charges you for it", Joke. "Wer die Produkte von Unternehmensberatungen probiert, wird das Gleiche erleben wie bei Fast-Food-Ketten: Zuerst ist alles noch überraschend, aber bald wird es ziemlich vorhersehbar". Siehe: Kärreman, Dan/ Spicer, A./ Hartmann, R. K.: "Slow Management", in: Scandinavian Journal of Management, Juni 2021.

Berater-Denglisch: Action required - Bitte handeln; Hunting Ground - gute Uni; Rocket Science - anspruchsvolle Tätigkeit; Head down and deliver - stillhalten und Arbeit abliefern; Insecure Overachiever - unsicherer Ehrgeizling; Bullshit Bingo - inhaltslose Managementsprache; Where to play and how to win - auf welchen Märkten wie konkurrieren; People Business - Netzwerke entscheidender Erfolgsfaktor; Battle Call - tägliche Sitzung. Siehe Benedikt Herles: Die kaputte Elite, München 2015.

Projektmanagement: 2018 werden schätzungsweise 40 Prozent der Wertschöpfung deutscher Unternehmen auf Projektarbeit beruhen (Quelle: HBM, 10/2018, S.3). Bei einer Untersuchung von McKinsey kam heraus, dass 45 Prozent der Vorhaben ihr Budget überschritten, 17% waren Fehlschläge (Basis: 5000 Projekte). Einer der führenden Experten für Projektmanagement hat folgende Erfolgsfaktoren ermittelt: 1. Zuständigkeiten festlegen. 2: Business Case entwickeln. 3. Projektumfang bestimmen. 4. Termine setzen, 5. Budget planen. 6. Qualität sichern. 7. Risiken reduzieren. 8. Personal auswählen. 9. Stakeholder identifizieren. 10. Kommunikationsplan aufstellen. 11. Dienstleister koordinieren. 12. Organisation verändern. Antonio Nieto-Rodriguez: Das Geheimnis erfolgreicher Projekte, in: HBM 10/2018, S. 16ff.

Scrum ist ein Vorgehensmodell des Projekt- und Produktmanagements, insbesondere zur agilen Softwareentwicklung. Es wurde ursprünglich in der Softwaretechnik entwickelt, ist aber davon unabhängig. Scrum wird inzwischen in vielen anderen Bereichen eingesetzt. Die empirische Verbesserung fußt auf drei Säulen: Transparenz: Fortschritt und Hindernisse eines Projektes werden regelmäßig und für alle sichtbar festgehalten. Überprüfung: Projektergebnisse und Funktionalitäten werden regelmäßig abgeliefert und bewertet. Anpassung: Anforderungen an das Produkt, Pläne und Vorgehen werden nicht ein für alle Mal festgelegt, sondern kontinuierlich und detailliert angepasst. Scrum reduziert die Komplexität der Aufgabe nicht, strukturiert sie aber in kleinere und weniger komplexe Bestandteile, die Inkremente. Quelle: Wikipedia.

Selbstmanagement: Manager verbringen etwa 85% ihrer Arbeitszeit mit Emails, Meetings oder am Telefon. Effizientes Selbstmanagement sollte diese zu hohe Quote abbauen.

Der CEO-Lebenszyklus: Es lassen sich fünf typische Phasen unterscheiden. Das Wissen darum erleichtert die Arbeit von Boards und Topmanagern. Die fünf Phasen sind: Jahr 1 Die Flitterwochen. Jahr 2 Der Leistungsbereich. Jahre 3 bis 5 Die Erholung. Jahre 6 bis 10 Die Selbstgefälligkeit. Jahre 11 bis 15 Die Goldenen Jahre. Vgl. Citrin, James M. et al.: Der CEO-Lebenszyklus, in: HBM, März 2020, S. 23ff.

Firmenmodelle für die Zukunft: Grundlage kann etwa die Formtheorie von Spencer-Brown sein. Das Zukunftsinstitut entwickelte daraus die Methode der Re-Gnose. Die Position eines Unternehmens wird in Markt und Gesellschaft ganzheitlich verortet. Damit wird die Grundlage für einen Wandlungsprozess gelegt. Produkt, Verfahren, Organisation, Markt, Wirtschaft, Gesellschaft, Mensch werden verbunden mit Arbeit, Management, Business Modell, Unternehmenskultur, Kommunikation, Grundbedürfnissen. Vgl. Horx, Matthias: Die Zukunft nach Corona, Berlin (Econ) 2020.

Shiny-Object-Syndrom: Wenn ein Unternehmen oder ein Führungsteam jedem neuen Trend hinterher jagt. Es beschreibt die Neigung von Menschen, sich immer wieder neuen, angesagten Konzepten zuzuwenden. so ist es schwierig, eine langfristige Strategie anzustreben.

Vatikan: Der Vatikan ist eine der ältesten noch bestehenden Organisationen der Welt. Vielen Organisationsforschern dient er als Vorbild und Untersuchungsobjekt. Es ist eine hierarchische Organisation. An der Spitze steht der Papst, den von den Kardinälen gewählt wird. Ihm zur Seite steht das Wirtschaftssekretariat, das die Finanzaufsicht hat. Darunter, auf der zweiten Ebene, ist da sStaatssekretariat mit 3 Sektionen. Auf der dritten Ebene stehen stehen vier Bereche: 9 Kongregationen, 3 Dikasterien, 5 Päpstliche Räte, 3 Gerichtshöfe. Quelle: Deutsche Bischofskonferenz 2021.

 

Digitalisierung/ digitale Transformation/ Mittelstand 4.0; IT - Beratung, IT/ EDV/ ERP; IT - Management, Wirtschaftsinformatik; Informationen und Daten als Produktionsfaktor; Informationswirtschaft, Informatik, Operations Management/ logische Prozesse über Algorithmen (Hinweise: digitales Marketing bei Marketing oder auf der Seite "Mercator/ Digital"; Arbeit 4.0 bei Mercator/ digital/ Digitale Mission und Digitalisierung und Arbeit; Produktion 4.0 bei Mercator/ digital/ Produktion 4.0; Digitalisierung allgemein mit den wichtigsten Unternehmen bei Mikroökonomik! Mittlerweile gibt es auch eine eigene Seite dazu: Mercator/ Digital). Das Thema nimmt immer mehr Raum ein und ist sehr dynamisch (kaum noch abzubilden).

Mittelstandssoftware: 2013 stoppt die SAP die Weiterentwicklung der Mittelstandssoftware Business By Design. Es ist der größte Flop der Unternehmensgeschichte. KMU behelfen sich in der Regel mit Microsoft Office und mit Modifikationen dieses Programms. Weitere bekannte Anbieter sind DATEV (insbesondere für Steuern) und Haufe (Lexmark). ERP-Systeme tun sich schwer damit, dass die KMU einzelne Prozesse auslagern (Steuerbüro, Buchführung). Weiterhin haben die KMU vor allem im Produktionsbereich spezielle Anforderungen, auf die einzugehen zu teuer ist. Neue Entwicklungen wie Produktion 4.0 oder Energiemanagement können aber zu einem Wandel führen. Softwarepaket für den Mittelstand: Die meisten KMU haben Einzelprodukte, die lose miteinander verknüpft sind. Im Mittelpunkt stehen in der Regel die Business bzw. Professional Pakete "Windows Office". Das Mittelstandspaket "Business by Design" von SAP wartet noch wie alle Versuche vorher auf Erfolg. Die SAP baut auch den neuen Geschäftsbereich "SMB Solution Group" auf. Der Markt für Lösungen für Unternehmen unter 500 Beschäftigten soll neu definiert werden. Marktforscher rechnen mit einer Erhöhung der IT-Ausgaben von KMU bis 2018 auf 680 Mrd. US-Dollar. "Never change a running system", Glaubensbekenntnis vieler IT-Abteilungen.

Enterprise Resource Planning (ERP): Ein solches System besteht aus einer zentralen Datenbank und Anwendungs -Modulen drum herum (für Controlling, Personalwirtschaft, Produktion, Finanzwirtschaft, Warenwirtschaft, Versand und Logistik, Marketing und Vertrieb. Am bekanntesten in Deutschland ist sicher SAP. Systeme stellen aber auch Microsoft, Oracle, Comarch, Sage, Planat, Weclapp und Scopevisio zur Verfügung. Wichtig ist, das passende ERP-System fürs Unternehmen zu finden (Qualität der Prozessaufnahme, Unternehmenskultur, Kosten, Dauer der Implementation). Im Zeitalter von Industrie 4.0 ist das ERP die Schaltzentrale für die smarte Fabrik. Hier laufen alle Fäden zusammen. SAP HANA ist ein solches integriertes System. Es besteht aus drei Faktoren: 1. Asset/ Anlage (Device, Connector). 2. Platform as a Service (PaaS, IoT-Applikationen & Services, Hana Cloud, Hana Cloud Integration, Datenmanagement) 3. Business Suite Systems (ERP,CRM, et cetera).

Unternehmenssoftware: Optimierung der Geschäftsabläufe. SAP ist hier Weltmarktführer. Probleme gibt es immer wieder bei der Einführung des Systems. Viele Projekte dauern länger, werden deutlich teurer oder scheitern ganz. Es gibt fünf Faustregeln: Ordentlich aufräumen, keine Sonderwünsche, Unterstützung von oben, Sprints statt Big bang, nur nicht entmutigen lassen. Flops gab es bei Deutsche Post, Edeka, Lidl, Otto. Vgl. Kroker, M.: Überforderung made in Germany, in: Wirtschaftswoche 11, 8.3.2019, S. 15ff.

Aufwand für IT-Produkte: 3,7 Billionen Dollar geben Unternehmen 2018 weltweit für IT-Produkte aus. Investiert wird vor allem in Block-Chain, Internet of Things, Cloud und Künstliche Intelligenz. Das sind 4,5% mehr als im Vorjahr. Quelle: Gartner.

My Open Factory: ERP-Systeme unterschiedlicher Hersteller lassen sich mit Hilfe der per Internet zugänglichen Plattform gegenseitig verständlich machen. Zahlreiche Kommunikationsformate können untereinander Daten austauschen.

Unternehmens - IT vor dem Aus?: Viele Experten bezweifeln mittlerweile, das ihre IT - Organisatoren mit den Herausforderungen der Digitalisierung fertig werden. Unternehmenswachstum und steigende Ansprüche bei der Entwicklungs- und Bereitstellungsgeschwindigkeit überfordern die IT. Also wird sie vielleicht als selbständige Einheit verschwinden. Auswege sind Cloud und Outsourcing.

Performance-Measurement-Systeme (PMS, CPM): Setzt bei Defiziten klassischer Steuerungselemente an (Unternehmensstrategie, immaterielle Kenngrößen, externe Stakeholder, Zeit). Informationssystem als Kern des Performance-Management-Prozesses. Konzepte sind z. B. Performance Pyramid, PM-Matrix, Balanced Scorecard, Wissensbilanz, Six Sigma. In KMU ist der Einsatz erst am Anfang. PMS hat seinen Erfolg in ganz unterschiedlichen Organisationen nachgewiesen: Banken, Bundeswehr, Flughäfen, Kirchen, Hotels u. a. Probleme bereiten die Berücksichtigung der Abhängigkeiten zwischen Zielen und die Beachtung von Ursache- Wirkungsketten. Die Zukunft dieser Technik liegt sicher in der Cloud (siehe unten).

Performance-Monitoring für KMU: Erleichterung bei KMU in administrativen Aufgaben. Schaffen automatisierter Prozesse. Vor allem in Unternehmen bis zu 50 Mitarbeiter.

Data-Warehouse: Daten aus dem internen System eines Unternehmens (Rechnungen, Vertriebsprotokolle) werden zusammen mit Daten aus externen Quellen in einem elektronischen Lager abgespeichert. Die Rohdaten müssen so verarbeitet werden, das sie lesbar sind (lesbares Format). Die Daten werden als Metadaten, zusammenfassende Daten und Rohdaten gespeichert. Auf diese Daten kann zugegriffen werden (spezifische Fragen/ OLAP, Berichte, Data-Mining).

Slack: Gleicht dem Messenger-Dienst "WhatsApp" und bietet mehr. Der Arbeitsalltag könnte sich radikal verändern. Im Vordergrund steht die unmittelbare Kommunikation. Alle können in Echtzeit die Kommunikation verfolgen. Noch gibt es Datenlecks und die Speicherung ist problematisch. Der soziale Zusammenhalt könnte verloren gehen. Die Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben verschwimmen. Der Boss kann kontrollieren. Durch die digitale Kommunikation setzt Slack aber auch Kapazitäten frei. Persönliche Gespräche können dann Themen behandeln, die mehr Gefühl und Nuancen erfordern.

Beacons: Kleine Sender, die per Bluetooth - Technologie Nachrichten an Smartphones senden können. Sie werden heute verstärkt für Shop Analytics und Retargeting eingesetzt. die eigentliche Ansprache findet schon außerhalb des Geschäftes statt.  Das Nutzungsszenario ist hauptsächlich im Handel. Aber auch außerhalb kann man die Technik einsetzen (Kreuzfahrtschiffe, Gebäudemanagement)..

Sicherheitsbewusstsein: Seit 2011 befragt DsiN (Initiative Deutschland sicher im Netz) 1500 Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern. Ergebnis 2014: Nur 43 Prozent der Firmen schützen Emails mit Maßnahmen wie Passwort, Signatur oder Verschlüsselung. Sieben Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Hauptgrund scheint Fatalismus zu sein ("man kann sowieso nichts machen"). Das Sicherheitsbewusstsein muss aber immer besser werden, wenn man an die Produktion 4.0 denkt. Mittlerweile gibt es Sicherheitspakete, etwa für den Rundumschutz (etwa von Norman). Sicherheit in der Cloud: wichtigstes Problem. Lücken müssen identifiziert werden. Dann müssen sie geschlossen werden. Risiken müssen erkannt werden. Am besten arbeitet man mit Hackern zusammen. Versicherungen sind noch nicht möglich.

Schutz vor Cyberangriffen: Das Idaho National Laboratory, eine US-Forschungseinrichtung, hat eine vierstufige Methode entwickelt: Unternehmen identifizieren ihre wichtigsten Prozesse und reduzieren dann die digitalen Wege, über die Angreifer dort eingreifen können. Das Grundprinzip lautet: Raus aus dem Netz. Vgl. Andy Bochman: Raus aus dem Netz! in: HBM, September 2018, S. 38ff.

Business Continuity Management (BCM): Sicherung gegen Cyberangriff, Naturkatastrophe oder Brand. Bewertung von Risiken. Notfallplan und Checklisten. Ständige Tests. Es gibt auch spezielle Tools dafür.

Datenschutz: Der Europäische Gerichtshof setzt Anfang Oktober 2015 der Übertragung personenbezogener Daten in die USA Grenzen. Die EU-Kommission will nun neue Richtlinien für Internetfirmen wie Facebook erarbeiten. Die USA wird nicht mehr als "Safe Harbor" gesehen. Die EU-Kommission erarbeitet neue , einheitliche Datenschutzregelungen für die EU: Recht auf Vergessen werden; Übertragung von Bildern und  Kontakten zwischen sozialen Netzwerken; Entscheidung über Löschen u. a.

Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO): Schutz personenbezogener Daten. Unternehmen müssen wissen, wo Daten zu Personen gespeichert sind. Am 25.Mai 2018 tritt die Grundordnung in Kraft. Bei Verstößen drohen Bußgelder bis zu 20 Mio. €. Für viele Unternehmen wird die Zeit knapp.

Consent Management Platform (CMP): Sie steuern Anfragen, speichern Daten und lassen Kunden wählen, welchem Anbieter sie welche Einwilligung erteilen. Es ist ein digitales Tool, um die Einwilligungserklärung der Kunden zu managen.

Künstliche Intelligenz: Ein Computer trifft analog einem Menschen Entscheidungen in einem nicht klar definierten (nicht eindeutigen) Umfeld, kann somit Probleme eigenständig lösen. Die nächste Stufe ist maschinelles Lernen: Eine Maschine wird für bestimmte Aufgaben trainiert. Sie lernt nicht einfach nur Beispiele auswendig, sondern erkennt Muster, so dass sie auch unbekannte Daten einordnen kann. Beim Deep Learning besteht ein künstliches neuronales Netz mit mehreren Schichten. Es löst aufgaben, die sich kaum mathematisch beschreiben lassen. Es erkennt z. B. automatisch Sprache, Gesichter oder Bilder. Die Anwendung im unternehmen liegen im Marketing, Fertigung und Logistik, Business Intelligence und Verwaltung, Produktentwicklung und Innovation. Siehe Wilson, James H./ Daugherty, Paul R.: Mensch und Maschine als Team, in: HBM 10/2018, S. 54ff.

Narrow intelligence: Das sind spezifische KI-Systeme. Es handelt sich um "general intelligence". Vorerst ist sie Domäne der Menschen. Aber es werden domänen-spezifische KI-Systeme erfolgreich entwickelt, die für bestimmte Funktionen den Menschen ersetzen können: Lead Prediction im Sales-Service-Bots im Kundenkontakt oder Prognosen von Bonität.

Embedded Al: Integration von KI in Produkte, Devices und Prozesse. Der Sprung von KI in Business. Ein gutes Beispiel ist Alexis von Apple oder Bixby von Android.

Unsupervised and Reinforcement Learning: Das dynamische System lernt aus der Interaktion. Es sind keine Trainingsdaten mehr notwendig.

Conversational Commerce: Optimierung der Kundenkommunikation und der Customer Journey. Lernen aus der Verhaltensweise beider Seiten.  

Mensch und Maschine als Team: Künstliche Intelligenz (KI) verändert Unternehmen grundlegend. Den größten Nutzen hat sie, wenn sie dazu eingesetzt wird, menschliche Fähigkeiten und Stärken zu unterstützen statt Personal zu ersetzen. Unternehmen sollten ihre Geschäftsprozesse neu denken und sich darauf konzentrieren, KI dort einzusetzen, wo sie größere Flexibilität oder Geschwindigkeit, neue Größenordnungen, bessere Entscheidungen oder eine stärkere Personalisierung von Produkten und Dienstleistungen anstreben.

Blockchain: Neue, innovative Verschlüsselungstechnologie. Sie kann für die Abwicklung von digitalen Transaktionen genutzt werden. Das geht auf der Grundlage eines dezentral organisierten Computernetzwerks. Mittlerweile sind smarte Verträge möglich (Geschäfte laufen ohne Zutun von Menschen ab). Der Vollzug von Verträgen kann automatisiert werden. Das führt zu Kostensenkungen, Zeiteinsparungen, Minimierung von Fehlern und dem lückenlosen Nachverfolgen vertragsrelevanter Ereignisse. Es fehlen noch geeignete technische Standards, Datenschutz und Cybersicherheit.

Blockchain und KI: KI eröffnet der Blockchain - Technik besondere Perspektiven. Sie stellt einen sicheren Hub für Genom-Daten dar. Sie ermöglicht Training für KI-Algorithmen. Genauere Vorhersagen sind möglich. Transparenz kann geschaffen werden. Verteilte Transaktionen sind möglich. Vor Angriffen von außen kann geschützt werden.

Glossar zur Blockchain: 1. Distributed Ledger: Zentral gesteuerte und weltweit verteilte Datenbanksysteme. Die Blockchain gehört dazu. 2. Tangle: Transaktionsdaten werden nicht - wie bei der Blockchain - chronologisch hintereinander angeordnet, sondern in einem netzwerkartigen Gewirr (Tangle) mit vielfältigen Knotenpunkten (Nodes). "Miner" fallen hier weg. 3. Smart Contracts: Eine beliebige Transaktion wird automatisch unter der Voraussetzung abgewickelt, dass alle beteiligten Parteien die zuvor in der Blockchain niedergelegten Konditionen erfüllt haben. 4. DApps: dezentralisierte, automatische Apps. Open Source, öffentlich in einer Blockchain gespeichert. 5. DAO (Decentralised Autonomous Organization): Ein eneue Form der Organisation, deren Geschäftsordnung, Gesellschaftsvertrag oder Satzung durch einen Smart Contract festgelegt und automatisch ausgeführt wird. 6. ICO: Bei einem Initial Coin Offering (ICO) werden quasi digitale Wertpaiere aufgelegt. 7. Kryptokatze: Eine der erfolgreichsten Anwendungen auf der Blockchain - Plattform Ethereum. Anwender können virtuelle Kätzchen (Cryptokities) züchten und mit ihnen handeln. Vgl. Sommer, Sarah: Vertraut den Daten, in: brand eins 06/18, S. 20ff.

Ethereum - Plattform und andere: Das 2018 beliebteste Blockchain - System. Die größten anderen Systeme sind: Stellar, Litecoin, Ripple, Bitcoin, EOs, Cardano, IOTA, NEO, Bitcoin Cash.

Allianzen: Es geht um Standards für Blockchain - Anwendungen. Sie werden geschlossen zwischen internationalen Organisationen, Unternehmen und Softwarespezialisten. 2018 sind die wichtigsten folgende Allianzen: 1. Enterprise Ethereum Alliance (EEA). Sie ist sehr beliebt bei Entwicklern. 2. Hyperledger Netzwerk: Dachorganisation. 3. Trusted IoT Alliance: Bosch und Cisco mit dem Finanzdienstleister BNY Mellon. 4. Deutsche Telekom Blockchain Group: Zusammen mit der Tochter T-Labs. 5. EU-Blockchain. 6. UN-Blockchain.

Peer-to-Peer-Ansatz: Im Internet der Dinge werden Millionen Transaktionen generiert. Verteilte Sensoren tragen die Informationen zusammen. Das können zentralisierte Transaktionsmodelle nicht schaffen. Man benötigt dafür die Blockchain.

Cloud:  Es gibt immer mehr Anbieter für KMU. Mit der Plattform "Azure" steigt auch Microsoft massiv ein. Microsoft will dies mit der Nutzung von Office 365 verbinden. 90 Prozent aller Office-365-Kunden sind Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten. KPMG und Bitkom legen 2014 eine Untersuchung vor ( www.bitcom.org : Cloud-Monitor 2014). Allerdings ist die Skepsis im Mittelstand noch sehr groß. Bei einer Umfrage bei 140 Unternehmen in der Region Mainfranken äußern sich nur 53 Prozent der Befragten positiv (vgl. Com -  professionell, 10/2014, S. 6). Die Unternehmen fürchten die Abhängigkeit vom Cloud-Anbieter, die Datenhaltung im EU-Ausland, die Datensicherheit, den Verlust der Kontrollmöglichkeit und die Rechtsunsicherheit. 2014 bilden sich Cloud-Kompetenz-Zentren. Diese werden von Start-ups inspiriert. Die Richtung geht in Verbindung mit Produktion 4.0. Wahrscheinlich ist der Trend nicht mehr aufzuhalten, weil die Cloud große Kostenvorteile für KMU bringt. Es gibt folgende Betriebsmodelle: Private Cloud (nur für ein KMU), Community Cloud (teilen einer Cloud Infrastruktur von mehreren KMU), Public Cloud (Behörde oder akademische Einrichtung betreibt), Hybrid Cloud (Kombination aus den anderen Modellen). Es gibt auch eine Gegenbewegung zur Cloud, die für KMU sehr wichtig ist. Das Hamburger Start-up Protonet verspricht eine Cloud für zuhause. Es handelt sich um orangefarbene Serverboxen. Das Unternehmen gewinnt dafür einen Preis nach dem anderen. Trotzdem setzt sich wohl auch bei KMU der Siegeszug der Cloud fort, das gilt für jede Größe und Branche. Verlockend sind zunächst die reinen Kostenvorteile, hinzu kommt die Flexibilität. Zunehmend werden auch unternehmenskritische Anwendungen in die Cloud verlagert. die Migration von Kernprozessen erhöht die Flexibilität weiter. Man sollte allerdings die Steuerung in der Hand behalten. Im Trend liegen Multi-Cloud-Strukturen.   44% der Unternehmen nutzen 2014 Clouddienste. Nur 31% der KMU nutzen aber 2015 Software aus der Cloud. Damit liegt Deutschland 15% unter den internationalen Durchschnitt. Am stärksten wird die Cloud für CRM genutzt. 2015 freunden sich aber immer mehr Mittelständler mit der Cloud an (Umfrage bei 220 Unternehmen, Crisp Research). Über 85% der befragten KMU setzen sich mit der Cloud auseinander. 2016 haben schon 65 Prozent aller deutschen Unternehmen Cloud-Dienste. Damit schließt sich auch das Gefälle zwischen Großunternehmen und KMU.

Formen des Cloud-Computing: 1. IaaS (Infrastructure as a Service): Der Dienstleister stellt lediglich die elementaren IT-Ressourcen wie Rechenleistung, Speicher und Netzwerkanbindung zur Verfügung. Der Kunde ist für die Installation, den Betrieb und die Wartung selbst verantwortlich. 2. PaaS (Platform as a Service): Der Deinstleister stellt auf der IT-Hardware ein lauffähiges System etwa mit Datenbanken bereit. Der Kunde führt innerhalb des Systems Cloudanwendungen aus. 3. SaaS (Software as a Service): Der Dienstleister stellt dem Kunden auf einem Cloud-System eine Software zur Miete zur Verfügung.  Speziell mittelständische Cloud-Anbieter sind: Cancom, Comarch, Freudenberg IT, Pironet NDH. Die Technologiekonzerne Amazon, Microsoft, Google und IBM machen mit dem Geschäft Milliardenumsätze.

Hybrid Cloud: Intelligente Verknüpfung von Public und Private Cloud. Damit können Flexibilität und Sicherheit verbunden werden. Vgl. com! professional 9/2017, S. 16ff.

Cloud-Plattformen: Sie regelt den Zugang zu KI und Blockchain. Größte Anbieter sind Alibaba (Alibaba Cloud), Amazon (Amazon Web Services), Microsoft (Azure) und Google (Google Cloud Plattform) und IBM (Watson IoT). Die Wahl der Plattform hängt von der Digitalisierungsstrategie ab. Der Weg in die Cloud wird Cloud-Migration genannt. Ihr sollte eine Cloud - Migrationsanalyse voraus gehen. Für die passende auswahl können folgende Kriterien berücksichtigt werden: Services der Plattform, Netzwerkanbindung (Connectivity), Erfahrung, Edge-Infrastrukturen, Integration in IoT-Komponenten, Datentarife, Komplettpakete, Device-Management, Update, Ökosystem.

Vorteile von Cloud bei KMU: Hohe Zugangsschranken für Hacker, moderne Anwendungen sind flexibel und integrierbar, schnelle Reaktion auf Sicherheitsbedrohungen, Kosten werden gespart. 

Cloud-Service-Provider: Systemhäuser erweitern ihr klassisches Geschäftsmodell mit dem Vertrieb der Cloud. Cloud - Dienste umfassen Planung und Design der Cloud-Architektur, Migration, Entwicklung und Implementierung neuer Applikationen und Systeme, Infrastrukturumgebung, Schulungen und Workshops, Beratung bei Datenschutz, IT - Security und Compliance.

Iaas (Infrastructure as a Service): Sie wird aus der Public Cloud genommen und ist immer verfügbar, schnell eingerichtet und sehr flexibel. Ob sie kostengünstiger ist, hängt vom Einsatzzweck sowie den Rahmenbedingungen ab. Es gibt zahlreiche Anbieter wie z. B. Amazon Web Services, Google Cloud Platform, IBM Cloud, Microsoft Azure und Rackspace.

Künstliche Intelligenz (KI) als Service: Mittlerweile werden fertige Module und API-Services angeboten. Anbieter sind gegenwärtig Amazon Web-Services/ Amazon KI, Google/Cloud AI, IBM/Watson, Microsoft/Cognitive Services. Folgende hilfen werden geboten: Bildanalyse, gesprochene Sprache und Text, Sprachanalyse, Wissen.

Machine Learning (ML): Bereich der künstlichen Intelligenz. Treibt mittlerweile auch den Finanzsektor. Robotergestützte Services, Kredit - Scoring sind auf dem Vormarsch. 

Deep Learning (DL): Wird oft mit KI gleichgesetzt, was nicht korrekt ist. DL ist eine Methode des maschinellen Lernens. Der entscheidende Unterschied zwischen DL und anderen Methoden des maschinellen Lernens ist, dass beim ML der Mensch in die Analyse der Daten und den Entscheidungsprozess eingreift. Beim DL muss der Mensch nicht mehr eingreifen. Der Mensch sorgt nur noch für Infos und Dokumentation. Die Analyse und das Ableiten von Prognosen und Entscheidungen überlässt er dem DL-Algorithmus.

Brücke zwischen digitaler und physischer Realität (Augmented Reality, AR): Neue Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Es verändert die Wertschöpfung von Unternehmen: Produktion, Personalentwicklung, Kundenkontakt. Technik: Mithilfe erweiterter Realität können digitale Bilder und Daten auf reale Gegenstände projiziert werden. Dadurch werden Daten direkt in den Kontext gestellt, in dem wir sie brauen. Dadurch können Informationen besser als Handlungsgrundlage genutzt werden. AR kann visualisieren, anweisen bzw. anleiten und auch interagieren. Vgl. Michael E. Porter, James E. Heppelmann: Eine Brücke zwischen Digitaler und Physischer Welt, in: HBM, Februar 2018, S. 20ff.

Hosting: Jegliche Art der Bereitstellung von externen IT-Services, bei denen die Hardware im Rechenzentrum eines Dienstleisters untergebracht ist. Hosting ist heute mehr als Webhosting, also das Zurverfügungstellen von Webseiten. Langsam aber sicher wandert Hosting in die Cloud. Es gibt beim Hosting Co-Location oder Housing (eigene Server im Rechenzentrum des Service-Providers), Dezidiertes Hosting (Anmietung von Rechenleistung) und Virtuelles Hosting (mehrere Kunden teilen sich einen Server).

Private und Public Cloud verbinden (Cloud-Integration): Hier sehen mittelständische Unternehmen den größten Bedarf. Es geht um die Integration möglichst vieler Plattformen. Man spricht auch von Hybrid - Cloud (wie und wann?).

Safe Harbor: Das seit 2000 zwischen der EU und der USA geltende Safe-Harbor-Abkommen ist nicht mit dem europäischen Datenschutzrecht vereinbar. Das hat der EuGH im Oktober 2015 entschieden. Die Frage ist, ob jetzt noch legal US-Cloud-Dienste genutzt werden können. Zumindest personenbezogene Daten dürfen nicht in die USA übermittelt werden (Informationspflicht, Wahlmöglichkeit, Sicherheit, Datenintegrität, Auskunftsrecht).  Ein soll ein neues Abkommen geschlossen werden mit Namen "Privacy Shield". Der Inhalt bleibt aber im Prinzip der gleiche. Das Datenschutzverständnis zwischen EU und USA ist zu unterschiedlich. Ein Heer von Billig-Dienstleistern auf den Philippinen rüstet sich dafür, die Sünden der digitalen Gesellschaft (Kinderpornographie, Gewalt, abstoßende Inhalte) aus den sozialen Netzwerken zu entfernen. Algorithmen helfen hier wenig.

Digitalisierung der Unternehmen/ digitale Transformation: Durch die Digitalisierung treten immer neue Mitbewerber auf (z. B. in der Automobilindustrie will Google zukünftig selbst steuernde Autos bauen; in der Logistikbranche kann es Drohnenflüge mit Transporten geben). Viele Unternehmen werden wegdigitalisiert (Kodak, Videotheken). Die Digitalisierung ist umfassend  (Alles wird digitalisiert): Es ist ein IT-Paradigma, eine Organisations-Paradigma, ein Business-Paradigma und ein Customer-Experience-Paradigma. Daten müssen optimal genutzt werden. Fähigkeiten müssen angepasst werden (neue Spezialisten). Der Zugang zu den Kunden muss gesichert werden. Alles wird schneller ablaufen. Die Datensicherheit muss erhöht werden. Der deutsche Weg in die Digitalisierung ist eher langsamer und nachhaltiger. Es fehlen die Leuchttürme wie Google und Amazon in den USA. Der Mittelstand zögert noch (liegt auch an fehlendem Wagniskapital). Die Infrastruktur ist mangelhaft. Mittlerweile gibt es den Digital Readiness Index (Wirtschaftswoche, Karl-Heinz Land). Er misst die Digitalisierung der Wirtschaft. Prof. Land hat zwei Bestseller zu dem Thema geschrieben: Karl-Heinz Land, Digitaler Darwinismus - der stille Angriff auf ihr Geschäftsmodell und ihre Marke, 2013. Dematerialisierung - Die Neuverteilung der Welt in Zeiten des digitalen Darwinismus, 2015. Vgl. auch www.neuland.digital . "Immer mehr Unternehmen verlagern die IT-Verantwortung in die Vorstandsebene, um die Bedeutung des Themas zu betonen. Diese Funktion ist von Natur aus strategisch und ein Werkzeug für viele Unternehmen", Laurie Miller, CIO Bayer Material Science. In diesem Zusammenhang entstehen auch eine Reihe von IT-Start-ups: Scanbot archiviert Belege in der Cloud; Blue Yonder liefert Prognosen mit Big Data; Protonet hat eine Personal Cloud. "Alles, was sich digitalisieren lässt. wird digitalisiert. Alles, was sich vernetzen lässt, wird vernetzt. Alles, was sich automatisieren lässt, wird automatisiert", Karl-Heinz Land, in: bdvb aktuell Nr. 131, S. 8. 63% der KMU habe 2016 die digitale Transformation abgeschlossen (internationale Studie im Auftrag der SAP 2016). Hauptziel ist eine höhere interne Effizienz. Eine Studie der KfW, Frankfurt, 2018 kommt zu folgenden Ergebnissen: Von 2014 bis 2016 haben lediglich 26% der kleinen und mittelgroßen Firmen in neue und bessere Digitaltechnologie investiert. Es wurde vor allem in neue IT investiert (54%). Die Studie umfasst 11043 Unternehmen.

Digitalisierung und Hidden Champions: Unterschieden wird die Digitalisierung insgesamt, Automatisierung von Prozessen, Analytics (datengetriebenes Entscheiden), digitale Kommunikation, digitale Vertriebskanäle, digitale Geschäftsmodelle. Bei der Digitalisierung insgesamt liegen die Hidden Champions knapp vor den KMU und hinter Konzernen und allen Unternehmen. Quelle: Alexander Jake Freimark et al.: Hidden Champions Champions der digitalen Transformation?, Hidden Champion Institute an der ESMT Berlin, November 2018.

Digitalisierung bei KMU: Die Deutsche Telekom erstellt einen Digitalisierungsindex. Der wird auch speziell für KMU gemacht: Digitalisierungsindex Mittelstand.  Der Gesamtindex aller KMUs liegt bei 100. Daran gemessen ergeben sich für einzelne Sparten folgende Werte 2020: Digitalisierung der Dienstleister 51, 05. Beziehung zum kunden 48, -7. Digitale Angebote und Geschäftsmodelle 39, -9. IT-Informationsicherheit, Datenschutz 68, 0.

Digitale Prozesse: Digitale Prozesse bestehen aus fünf Bausteinen: 1. Infrastruktur. Dafür braucht man vor allem gute Netze (Highspeed-Internet, Breitband). 2. In Europa fehlen die Basisunternehmen wie in den USA Apple, Google, Amazon. Die europäische Industriepolitik müsste vorhandene Unternehmen strategisch unterstützen. 3. Big Data muss ausreichend installiert werden und funktionieren. 4. Der Arbeitsmarkt muss eine ausreichende Flexibilität aufweisen, um sich zu wandeln. 5. Ein transatlantisches Datenschutzabkommen wäre sinnvoll. Vgl. Ries, Florian: Die Digitalisierung in fünf Fakten, in: bdvb aktuell, Nr. 131, S. 20f. Auch Unternehmensprozesse laufen zunehmend digital ab. Dazu gehören digitale, elektronische Rechnungen, digitale Verträge, digitales Personalmanagement, digitales Marketing (direkter Kundenkontakt, Produkt- und Serviceinnovation, Unternehmen 3.0) . "Ohne ausgebildete Fachkräfte und den tatkräftigen Einsatz Tausender, besser Hunderttausender unternehmerisch denkender kluger Köpfe in unserem Land werden wir den Wettbewerb um die digitalen Märkte der Zukunft nicht gewinnen können", Winfried Kretschmann, Ministerpräsident BW.

Digitale Strategie der KMU: Unternehmen mit einer solchen Strategie sind innovationsaktiv, haben eine eigene IT - Abteilung, haben einen Anteil an Smarten Produkten im Sortiment und achten auf die digitale Schnittstelle zum Konsumenten (Quelle: Institut für Mittelstandsforschung, Bonn, 2017).

Digitales Denken in KMU: 1. Digitale Strategie, weil der Kunde es erwartet und fordert. Denken und Technik. 2. Erwartungen moderner Kunden: digital, serviceorientiert und interaktiv. 3. Change überall: erfolgreiche Geschäftsmodelle. 4. digitales Marketing: ganzheitlich, strategisch, Kunden fokussiert. 5. Controlling: Tests, Analysen, Steuerungsmöglichkeiten ohne Streuverluste. 6. Experten für die Umsetzung. 7. Der klassische Vertreib stirbt aus. Vgl. Spancken, christian: Digital Denken statt Umsatz verschenken, Berlin 2018.

Digtal Labs: Es gibt vier Grundtypen: 1. Innovation Lab. Sie sollen neue Produkte, Services und Geschäftsmodelle kreieren. 2. Company Builder. Sie sollen Ideen für Start-ups, Spin-offs oder Tochterunternehmen entwickeln. 3. Accelerator. Temporärer, projektbezogener Charakter. 4. Incubator. Entwicklung bei der Unterstützung von Geschäftsideen. Sie sind im Gegensatz zu 3. auf Dauer angelegt.

Servitization: Aus Produkten werden Dienstleistungen. Vernetzung und Digitalisierung führen zu einer anderen Art des Wirtschaftens. Man will nicht mehr unbedingt besitzen, sondern mehr nutzen. Servitization bietet Vorteile für Anbieter und Kunden: Für Anbieter: Bessere Margen als bei Produkten, bessere Kundenbindung, intensivere Beziehung zum Kunden, Alleinstellungsmerkmale. Vorteile für Kunden: Fixkosten werden zu variablen Kosten, Kunde hat zeit fürs Kerngeschäft, höhere Zuverlässigkeit.

Datenintegration in KMU: Es sollte ein einheitlicher Blick auf Firmendaten herrschen. Mittlerweile gibt es Datenintegrationsplattformen. Die Ziele sind Extract, Transform, Load. Mögliche Lösungen sind Actian, Adepta, Attunity und Denodo sowie Talend.

Stufen der Digitalisierung: 1. Grundlegend: extern: stationäres Internet, Homepage; intern: PC, ERP-Software. 2. Vernetzte Informationen und Kommunikation. 3. Vernetzte Produkte und Dienste. Vgl. Digitalisierung ist für den Mittelstand ein IT -Thema, in: com!professional 2/2018, S. 40ff.

Digitale Dividende: Es gibt einen Zusammenhang zwischen digitalem Reifegrad und Geschäftserfolg. Unternehmen mit einem überdurchschnittlichen Digitalitätsindex von 58 Punkten haben ihren Umsatz im vergangenen Jahr 2017 um mindestens 10% gesteigert. Quelle: Telekom-Studie "Digitalisierungsindex Mittelstand" , 2017.

Digital Leadership: In der Regel in der Fort- und Weiterbildung für Führungskräfte. Es geht um die Durchsetzung und Begleitung digitaler Prozesse im Unternehmen. Vgl. Sattelberger, Thomas u. a. (Hrsg.): Das demokratische Unternehmen. Neue Arbeits- und Führungskulturen im Zeitalter digitaler Wirtschaft, Haufe 2015.

Plattformstrategie (Plattform-Ökonomie): Plattformunternehmen bringen Produzenten und Konsumenten zusammen. Die größten Werte einer Plattform sind ihre "Community" und die Ressourcen der Mitglieder. Der Schwerpunkt verlagert sich vom Kontrollieren zum Organisieren von Ressourcen. Externe Interaktionen müssen Vorrang vor dem Optimieren interner Prozesse haben. Nicht nur Kundenwert, sondern der Wert des gesamten Ökosystems (gemeint ist das Umfeld) soll gesteigert werden. Traditionelle KMU müssen versuchen, Plattformen anzubieten und damit verbundene neue Strategien lernen. Konkurrenten können sehr leicht aus fremden Branchen auftauchen. KMU sollten intelligent entscheiden, wen sie auf die Plattform lassen und was die Teilnehmer dort tun dürfen. Mit neuen Kennzahlen sollten die Interaktionen überwacht werden. Das Grund-Modell eines Plattformunternehmens sieht also wie folgt aus: Produzenten, also KMU,  sind in der Regel die Urheber der Plattform. Sie verbinden sich mit Konsumenten, die kaufen und nutzen wollen. Wichtig ist die Infrastruktur: Mobilfunkgeräte ermöglichen die Plattform. Inhaber der geistigen Eigentumsrechte und die Entscheider über den Zugang und die Nutzung der Plattform müssen sich ausreichend absichern. Vgl. O. V.: Plattform statt Pipeline, in: Harvard Business Manager, Juni 2016, S. 23ff.

Data-Management-Plattform (DMP): Eine einzige Plattform integriert alle Daten. Marketing- und Analytic-Teams können hier gemeinsam arbeiten.

Low-Code-Plattformen: Sie ermöglichen Software-Entwicklung fast ohne Programmierkenntnisse. Es ist eine Art Software-Baukasten. Vorteile sind die schnelle Bereitstellung von Business-Anwendungen, sehr geringer Programmieraufwand, niedrige Entwicklungskosten. Man kann Low Code in vier Bereiche unterteilen: 1. Visuelle Modellierung. 2. Drag-and-Drop-Interfaces. 3. Plattformübergreifende Funktionen. Deklarative Tools. Mittlerweile gibt es viele Low-Code-Plattformen. Hier eine Auswahl: Mendix, Salesforce, Simplifier, Agilepoint, K2, opentext, zoho.

Shopify: E-Commerce-Plattform. Seit 2004 (zuerst Onlineshop für Snowboards). Sie wurde von dem Deutschen Tobi Lütke (aus Koblenz, Schulabbrecher) aufgebaut. Er war Unternehmenschef des Jahres in Kanada 2014. 2018 ist das Unternehmen mehr wert als die Lufthansa (15 Mrd. Dollar). Das Unternehmen stellt den Software-Hintergrund für den Online-Verkaufsladen auf (Bezahlsystem, Design, Buchführung, Produktversand, App, Social-Media-Management).

Netzwerkeffekte und Kettenreaktionen (Wirkungsketten):  Positive Wirkungsketten sorgen dafür, dass Plattformen schnell wachsen. Die Dynamik ist dann am größten, wenn es um gleichartige Interaktionen geht. So entstehen Kettenreaktionen, die für beide Seiten wertvoll sind. Vgl. Geoffrey Parker et al.: Platform Revolution: How Networked Markets are Tranforming the Ecomomy - and How to Make Them Work for You, Norton & Company 2016.

Internet der Dinge (Internet of Things, IoT): Die Entwicklung geht rasend schnell. Den Endpunkt bildet das Internet of Everything. Systeme sind z. b. automatische Verkehrssysteme, intelligente Straßen, intelligentes Stromnetz, vernetzte Geschäfte, intelligente Krankenhäuser, intelligente Stadt, Logistiksysteme. Die Gefahr könnte sein, dass die künstliche Intelligenz in einigen Jahren den Menschen überlegen ist. Im Unternehmen können Algorithmen bisherige Managementaufgaben übernehmen. Die Unternehmen haben Zugriff auf einen riesigen digitalen Datensatz. Marktforscher sind leicht ersetzbar; Kundenprofile können auf Knopfdruck erstellt werden. Große Gefahren sind der Kontrollverlust, die fehlende Transparenz, falsche Analysen, Diskriminierung. Anwendungsbereiche sind die Automobilelektronik, branchenspezifische Geräte (Produktion, Transport, Versorgung), allgemeine industrielle Anwendungen (Bankautomaten, Terminals), Konsumenten. IoT verunsichert viele Unternehmenslenker. Sie müssen teilweise völlig neue Strategien entwickeln. Vor allem der Wettbewerb ist immer schwieriger einzuschätzen (Quelle: Bain). Chancen und Risiken sind ganz schwer einzuschätzen: Es es zu einem Verlust von Arbeitsplätzen oder werden mehr entstehen? Auch persönlich sind die Folgen schwer abzuschätzen: Es kommt zu Effizienzsteigerungen, gleichzeitig steigt die Ablenkung und der Autonomie- und Privatsphäreverlust. Zum Internet der Dinge gehört auch folgendes: Facebook, Microsoft und andere arbeiten an digitalen Parallelwelten. Per Datenbrille erfüllen sich Simulationen, die sich wie echt anfühlen. Bald können Menschen so arbeiten, leben und shoppen an Orten, die nur im Computer existieren. Die Firmen erkennen nach und nach das Potential von IoT. Die Einsatzbereiche kennen so keine Grenzen. Produkte können selbstständig Berichte erstellen oder Eigendiagnose. Arbeitsprozesse werden automatisiert. Die Maschine-zu-Maschine Kommunikation wird selbständig. Das größte Wachstum wird bei digitalen Lösungen bestehen. Wichtig ist das Schaffen allgemeingültiger Standards. Ein gutes Beispiel ist die Vision einer Smart City (öffentliche Gebäude, Straßenbeleuchtung, Energie).

IoT und neue Geschäftsmodelle: 1. Smarte Produkte (Überwachung oder Steuerung). 2. Business Chancen  (Smart City, Smart Supply Chain, Smart Energy, Connected Car, Connected Health, Smart Agriculture). 3. Monetarisierung von Produkten. 4. Smart Services.

Blockchain - Technologie: A trifft eine Vereinbarung mit B. Diese wird in einem Datenblock festgehalten (Smart Contract). Der neue Datenblock wird an alle Mitglieder  verteilt und so durch alle Mitglieder der Chain bestätigt. Dieser Datenblock wird an die bestehende Blockchain gefügt und kann nicht mehr verändert werden. Die Vereinbarung trifft in Kraft. McKinsey zweifelt 2019 in einer Studie am Erfolg der Technologie in der Praxis. Quelle: Higginson, Matt et al.: Blockchains´s Occam problem.

Blockchain - Glossar: 1. Distributed Ledger: Zentral gesteuerte und weltweit verteilte Datenbanksysteme (dezentraliisert). Die Blockchain gehört dazu. 2. Tangle: Transaktionsdaten werden nicht - wie bei der Blockchain - chronologisch hintereinander angeordnet, sondern in einem netzwerkartigen Gewirr (Tangle) mit vielfältigen Knotenpunkten (Nodes). "Miner" fallen hier weg. 3. Smart Contracts: Eine beliebige Transaktion wird automatisch unter der Voraussetzung abgewickelt, dass alle beteiligten Parteien die zuvor in der Blockchain niedergelegten Konditionen erfüllt haben. 4. DApps: dezentralisierte, automatische Apps. Open Source, öffentlich in einer Blockchain gespeichert. 5. DAO (Decentralised Autonomous Organization): Ein eneue Form der Organisation, deren Geschäftsordnung, Gesellschaftsvertrag oder Satzung durch einen Smart Contract festgelegt und automatisch ausgeführt wird. 6. ICO: Bei einem Initial Coin Offering (ICO) werden quasi digitale Wertpapiere aufgelegt. 7. Kryptokatze: Eine der erfolgreichsten Anwendungen auf der Blockchain - Plattform Ethereum. Anwender können virtuelle Kätzchen (Cryptokities) züchten und mit ihnen handeln. Vgl. Sommer, Sarah: Vertraut den Daten, in: brand eins 06/18, S. 20ff. Weiterhin ist die Blockchain konsensbasiert, dezentralisiert, sie nutzt Kryptographie, jeder Datensatz ist mit dem vorhergehenden verbunden, Datensätze können nur schwer manipuliert werden, es kann nahezu in Echtzeit aktualisiert und reproduziert werden. 8. Token: Digitale Münze bzw. Schlüssel. Sie wird mithilfe eines Smart Contract erstellt. Bei Ethereum heißen die Münzen ERC20-Token. Ein Token kann verschiedene Funktionen haben: Sollen Eigentümer ihn einsetzen, um Dienstleistungen eines Start-ups zu nutzen, handelt es sich um einen Utility-Token. Soll er Anteile an einem Unternehmen repräsentieren, also einer Aktie gleichkommen, heißt er Equtiy- oder Security-Token und fällt unter die Kontrolle der Finanzaufsicht. 9. Whitepaper: Projektbeschreibung des Start-ups zum ICO. Verbindliche Zahlen fehlen fast immer. Es ist kein Börsenprospekt.

Ethereum: Plattform, die Softwareentwicklern ermöglicht, die unterschiedlichsten Anwendungen auf einer Blockchain zu schreiben.

Bots: Sie stellen ein Element künstlicher Intelligenz dar. Sie verbessern die Kommunikation mit Kunden. Sie werden bei Shopping und Wetter eingesetzt. Ein Beispiel ist check24 oder Tay von Microsoft. Sie spielen auch eine wichtige Rolle in sozialen Netzwerken.

Botnetz: Infrastruktur, meist krimineller Natur, um fremde Geräte zu kontrollieren und persönliche Informationen wie Passwörter auszuspähen (Pishing). Sehr bekannt wird das Netzwerk "Avalanche", das beim Online - Banking die Zugangsdaten ausgespäht hat und viele Kunden um Geld erleichtert hat.

Bimodale IT: In größeren Unternehmen braucht man zwei Arten von IT, die parallel laufen. Sie basiert in der Regel auf einem 3-Säulen-Modell: 1. Organisation (digitale Geschäftsprozesse, Sourcing Strategie, Business-Models), 2. Prozesse (Innovation, Agile Entwicklung, Continuous Testing und Delivery), 3. Technologie (Private & Public Cloud, CEP & Big Data, API-Management). Vgl. com! professional, 2/2016, S. 114ff.

Virtualisierung der Business-IT: Virtualisierungsansätze von Hardware gab es schon in den 1960er und 1970er Jahre bei Großrechnern von IBM. Das technologische Herzstück der Server- und Hardware-Virtualisierung ist der Hypervisor. Es ermöglicht insbesondere eine optimale Auslastung. Weiterhin gehören dazu die Anwendungs - Virtualisierung sowie Netzwerke und Speichersysteme. Hinzu kommen virtuelle digitale Arbeitsplätze. Insgesamt entsteht so ein "Rechenzentrum to go" (für einpaar  Stunden oder Tage).

Process Mining: Ein Workflow - System hält die digitalen Spuren fest, die jeder Schritt eines Prozesses produziert. Die digitalen Spuren können in betriebswirtschaftlichen Systemen entstehen, wie z. B. SAP. Unterschiedliche Aspekte eines Prozesses können berücksichtigt werden., um Schwachstellen aufzuzeigen.

Videos fürs Intranet: In Kürze könnten 80 Prozent des Intranet auf Videos entfallen. Eine Integration gibt es schon bei 60 Prozent aller Unternehmen.

Business-Chats: Das professionelle Miteinander verlagert sich von der E-Mail-Kommunikation zu Chat-Diensten. Als Überflieger gilt Slack. Facebook bietet Workplace an. Weitere Anbieter sind Microsoft (Team) und RingCentral (Glip).

Business Intelligence (Analysewerkzeuge): Man beobachtet auch eine starke Zunahme im mittelständischen Bereich. Haupteinsatzgebiete 2015 bei KMU sind Groupware (Kalender, E-Mail), Customer Relationship Management, Telefonie aus der Cloud, Collaboration-Anwendungen, Security as a Service, Branchenspezifische Anwendungen,  Office-Anwendungen, Enterprice Resource Planning.

Management by Null und Eins: Werden nicht nur Facharbeiter durch Roboter ersetzt? Sind Maschinen vielleicht die besseren Entscheider? Das kommt darauf an. Es gibt Bereiche, wo Computer überlegen sind, etwa im Controlling. Generell fehlen den Computer aber wichtige Fähigkeiten, die ein Manager braucht: komplexe Mustererkennung, gute Verhandlungsführung, Kreativität. Das alles kann ein Computer schlechter.

Collaboration: Mitarbeiter werden vom Informationsempfänger (klassische Email) zum aktiven Teilnehmer am Wissensmanagement. (vgl. Hochschule Mainz, www.trends-in-der-it.de ). Unternehmen werden zu Teilen von Netzwerken. Arbeit ist nicht mehr an Ort gebunden, sondern wird unabhängig von Zeit, Ort und Endgerät. Eine moderne Collaborations-Lösung muss die Teilnehme an Online- und Videokonferenzen von überall und mit jedem Endgerät ermöglichen. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Produkten (Auswahl: Asana, Basecamp, Jive, Slack, Trello). Folgende Element gehören in der Regel dazu: Ganzheitlichkeit, Best-of-Breed-Ansatz, Integration in den Workflow, Geschäftsprozesse, Verbindung zu Social Media, Sicherheitskonzept, kulturelle Aspekte beachten, Migrationskonzept, Leistung und Verfügbarkeit sicherstellen.

Agile Collaboration: Teams sollten multidisziplinär zusammengesetzt sein. Zum Netzwerk sollten auch externe Kollaborationspartner gehören. Kollaborationstools sollten zur Unterstützung bereit stehen.

Agile Methoden: Design thinking (komplexe Problemstellungen) Innovationslabore (Förderung innovativer Prozesse), Personal Kanaban (Organisation des Tagesgeschäftes), Lean Startup (Methode, um Produkt auf den Markt zu bringen), Instant Open Space (Meetingmethode), Scrum (Rahmenwerk für multidisziplinäre Teams), Lean Coffee (kollegialer Wissensaustausch), Delegation Poker (Delegation von Entscheidungen üben)

Agile Unternehmen (von der Mode zur Notwendigkeit, Firmenkultur, Frameworks): Das wichtigste ist, Agilität braucht ein echtes Ziel. Ohne das funktioniert Agilität nicht. Weiterhin müssen Unternehmen auf dem langen Weg zum agilen Unternehmen ihre Firmenkultur verändern. Agile Transformation muss bei jedem Mitarbeiter stattfinden. Dann müssen die Entscheidungsprozesse agil gestaltet werden (erhöht Engagement, Selbstorganisation, Beschleunigung). Es stehen eine Reihe von Frameworks bereit für agile Prozesse: Kanban, XP, SAFe, LeSS, OKB, Scrum.

Emotional Computing: Mitfühlende Computer. Eine einst absurde Idee wird immer realer. Menschen verstehende Avatare werden entwickelt. Die Maschine stellt eine einzige Wahrheit dar (die Individualität ginge verloren). 

Veränderung der Arbeitswelt durch Digitalisierung: 1. Backoffice: Durch direkte Erfassung und Verarbeitung von Daten verschwinden traditionelle Bürotätigkeiten. 2. Deep Learning: Systeme sind mit Datenbanken verknüpft und erkennen Muster. Dies kann auch höher qualifizierte Fachkräfte ersetzen. 3. Gig-Economy: Freie Mitarbeiter suchen auf virtuellen Plattforen nach Arbeit, die Unternehmen global ausschreiben. 4. Selbstfahrsysteme (Drohnen) ersetzen Taxi- und LKW-Fahrer, Lageristen, Post- und Paketboten. 5. Robotisierung: 3-D-Drucker ersetzen hoch qualifizierte Handarbeit (Zahntechnik, Wartungs- und Arbeitsroboter in Fertigungsstraßen).

Augmented Reality und Virtual Reality: Ersteres: Bildschirme, auf denen real existierende Aufnahmen mit graphischen Objekten angereichert werden. Zweites: VR-Brillen, mit denen Nutzer digital simulierte Welten direkt vor Augen haben. VR kann zum Innovationstreiber für den B2B-Bereich werden. Interne Prozesse eines Unternehmens können optimiert werden und die Interaktion mit den Kunden kann neu gestaltet werden. Für Ingenieure und Designer können Anwendung - Szenarien realitätsnah simuliert werden. Dreidimensionale Marken-, Produkt- und Innovationswelten können unmittelbar für den Kunden erlebbar gemacht werden. Am meisten wird die Technik im Computerspielesektor eingesetzt.

Assisted, Augmented und Mixed Reality, Cross Reality: Bei Assisted Reality werden Zusatzinformationen, die einen Vorgang unterstützen und vereinfachen, am Rande des Sichtfeldes transparent eingeblendet. Beispiele sind die Head-up-Displays mancher Navigations- und Assistenzsysteme, die Informationen auf die Windschutzscheibe in die periphere Sicht des Fahrers projizieren. Augmented Reality geht einen Schritt weiter und blendet computergenerierte 3D-Welten statt dürrer Zahlen oder einfacher Symbole in die reale Umgebung ein. Die echte Realität wird um virtuelle erweitert. Die Mischung aus virtuellen und physischen Komponenten bezeichnet man als Mixed Reality, es sind also VR-Anwendungen. Cross-Reality (XR) oder auch Extended Reality wird als Oberbegriff für VR, AR, und MR verwendet und bezieht sich auf alle Erfahrungswelten, die von Computern und tragbaren Geräten erzeugt oder verändert wird.

Datenbrillen: Man unterscheidet zwischen Monokularen Datenbrillen für Assisted Reality und Binokularen Datenbrillen für Assisted/Augmented)Mixed Reality. Hersteller ersterer sind z. B. Vuziz, Telepathy, Google und Fujitsu. Letztere kommen z. B. von Epson, ODG oder anderen. Die Hololens von Microsoft hat eine Sonderstellung. Windows Mixed Reality ist eine durchgängige Plattform zur Erstellung und Nutzung von Mixed-Realty-Anwendungen.

Einsatzmöglichkeiten von Assisted, Augmented und Mixed Reality: Mehrwerte könnten in folgenden Bereichen erzielt werden: Logistik (Kommissionierung, geringere Fehlerquote, mehr Produktivität, höhere Mitarbeiterzufriedenheit); Fertigung (Anweisungen als Schritt-für-Schritt-Anleitung, komplexe Montagevorgaben); Bauwesen (Gebäude lassen sich visualisieren); Medizin (erweiterte Information während der OP); Qualitätssicherung (Prüfprotokolle); Marketing (Produkte in der realen Umgebung); Zusammenarbeit (Schulungen, Design); Service und Wartung (Wartungshandbücher, graphische Darstellungen); Aus- und Weiterbildung (Training an virtuellen Objekten); Militär (Informationssysteme in Fahrzeugen, Befehle). Vgl. com!professional 3/2018, S. 20.

Soziales VR-Netzwerk: Fans können mit fotorealistischen 3D-Abbildern ihrer Lieblingsstars aus Sport, Film oder Entertainment interagieren. Das Start-up "STARAMBA SE" arbeitet daran. die Firma ist Technologieführer bei fotorealistischen 3D-Avataren.

E-Learning: Ist auf dem Vormarsch in der Fortbildung bei KMU. Digital lässt sich eine Menge Geld einsparen. Die Methode muss zum Zweck mit ihren Stäken und Schwächen passen. Eingesetzt werden kann Virtuelles Lernen (Webinare/Podcasts), Integriertes Lernen (Schulungsvideos), Computergestützte Informations- und Kommunikationssysteme, Fachforen und 3-D-Plattformen.

Digitalkompetenz: Digitale Fähigkeiten bei Unternehmen und Mitarbeitern. Neun von zehn Jobs werden in Zukunft diese Kompetenz erfordern. Informatik und digitale Medien müssen stärker in die Bildung einfließen. Die Mittelschicht dürfte von Robottern am stärksten gefährdet sein (auch qualifizierte Kräfte in Büros, Kanzleien und Praxen).

Social Tools: Soziales Intranet im Unternehmen. Meist handelt es sich um Cloud basierte Anwendungen. Dabei sollten folgende Punkte beachtet werden: Sinn und Zweck festlegen. Ein Bewusstsein schaffen. Verhaltensregeln definieren. Vgl. Paul Leonardi und Tsedal Neeley: Social Tools richtig eingesetzt, in: HBM, Februar 2018, S. 52ff.

Bring Your Own Devise (BYOD): Private Mobilfunkgeräte (Smartphones, Tablets, Notebooks) werden im Unternehmen eingesetzt. Das bringt den Unternehmen Vorteile und Risiken. Die Vorteile liegen in der Optimierung von Geschäftsprozessen, der erhöhten Flexibilität und Mobilität der Mitarbeiter, der erhöhten Effizienz der Mitarbeiter, der schnellern Entscheidungsprozesse. Die Risiken stellen eigene Anwendungen, Viren, Spionage u. a. dar. Also sollte es ein Mobile Device Management 8mit Risk Management) geben. 

Business Process as a Service (BPaaS): Verlagerung von Geschäftsprozessen in die Cloud. Prozesse wie Marketing und Buchhaltung lassen sich komplett in der Cloud abwickeln. Geeignet sind auch Personalverwaltung, Beschaffungswsen, Projektmanagement, Supply-Chain-Management.

Netzneutralität: gleichberechtigte, neutrale Übertragung von Daten im Internet, unabhängig von Sender und Empfänger der Daten sowie deren Art und Funktion. Ausgewählte Datenpakete sollen in Zukunft bevorzugt transportiert werden. Diese Möglichkeit schafft eine Verordnung der EU.

Internet-Infrastruktur: Die KMU versorgen den ländlichen Raum mit Arbeitsplätzen. Das schnelle Internet ist aber noch nicht auf dem Land angekommen. Der teure Netzausbau lohnt sich für die Anbieter kaum. "Digitale Feldwege"  zwischen Standorten von Unternehmen müssen systematisch bekämpft werden. Ohne öffentliche Förderung geht es dabei nicht. So fördert vor allem das Land Baden-Württemberg gezielt Glasfaseranschlüsse in Gewerbegebieten. Das Bundesförderprogramm ist eher für Haushalte gedacht.

WebRTC (Echtzeit-Kommunikation über den Browser): Die Relevanz von Endgeräten geht in Unternehmen zurück. Die Arbeitsplätze werden digital. Unterschiedliche Plattformen werden zusammengeführt.

Sonderwege in der Cyber-Technologie: China versucht mit einem scharfen Cyber-Sicherheitsgesetz einen Sonderweg in der Digitalisierung zu gehen. Man hat auch Angst vor einer Dominanz der USA. Ausländische Verbande, wie der Verband der deutschen Maschinenbauer, warnen davor.

SAP HANA 2: Neue Version der In-Memory-Datenbank. Sekundärsysteme können für leseintensive Workloads eingesetzt werden. Erweiterung beim Datenmanagement (Unternehmensmodellierung, Datenintegration, Datenqualität). 2017 rücken SAP und Mikrisoft im Cloud-Geschäft näher zusammen. HANA wird voll in Azure integriert.

Data-Science-Plattformen: Datengetriebene Geschäftsmodelle im operativen Alltag. Als Elemente gelten Import unterschiedlicher Datenformate, Konsolidierung der Daten, Integration verschiedenster Werkzeuge, Analysemöglichkeiten für unterschiedliche Zielgruppen, Finden von Mustern, Erstellen prädiktiver Modelle, Integration in Geschäftsmodelle, Anpassung. Entscheidende Voraussetzung ist, genug Daten in der richtigen Qualität zu haben.

Deep Learning: Hocheffizienter Mechanismus, der es ermöglicht, Speicheranforderungen in Deep Neuronal Networks (DNN) auf verschiedene Maschinen zu verteilen. Auf diese Weise kann die Kapazität bestehender IT - Infrastrukturen ausgeweitet werden. Im Moment ist Fujitsu aus Japan führend. Dell holt auf. Dell EMC bringt neue Lösungen. Es gibt "Ready Bundles".

Index der digitalen Wettbewerbsfähigkeit: Deutschland liegt 2017 auf dem 17. Rang. Berechnet wird der Index vom World Competitiveness Center des International Institutes of Management Development der Universität Zürich. Vorne liegen Singapur, Schweden, USA, Finnland und Dänemark.

Drohnenwirtschaft: Drohnen werden mit den Komponenten Drohne, Apps und Cloud betrieben. Sie werden benutzt von einer Bastlerszene, Privatnutzern und Unternehmern sowie vom Militär und öffentlichen Institutionen. Sie sind das Internet der fliegenden Dinge. die kommerzielle Nutzung wird der Wirtschaft einen Schub verleihen. Die Informationen über den öffentlichen Raum können in der Landwirtschaft, in der Bauwirtschaft, in der räumlichen Orientierung (Katastrophenschutz, Versicherung) verwendet werden. Extrem ist der Nutzen in der Logistik bzw. beim Transport. Zunehmend helfen Drohnen auch den Energieversorgern. Zum Beispiel kann die Drohne Stromleitungen inspizieren.  2017 soll es in Deutschland 600.000 Drohnen geben. Immer mehr werden Drohen im Verkehr eingesetzt: Inspektionsdrohnen beim Transport gefährlicher Güter, Cargo-Drohen, Flugtaxi, Rettungsdrohne mit Defibrilator, Aufklärungsdrohnen für die Polizei.

Geschäftsfelder für den Drohneneinsatz: Paketboten und Schwerlastesel. Flugtaxis für Großstädte. Wartung aus der Luft. Säen, Düngen und Spritzen. Lagerverwaltung. Intelligente Auswertung. Nach Bauart unterscheidet man zwei Typen: Multikopter, Kippflügler. Nach Größe und Gewicht unterscheidet man drei Typen: Nano - Drohnen, Mikro - Drohen, Mini - Drohnen.

Verantwortlicher für KI-Strategie und Bezeichnung: Die ausführliche Bezeichnung wäre "Chief Artifical Intelligence Officer". Als weitere Funktions- bzw. Berufsbezeichnungen werden verwendet: Chief Information Officer, Chief Technology Officer, Chief Executive Officer, Chief Data Officer, Chief Digital Officer, Chief Operations Officer.

Industrial Analytics: Veredeln von Daten mit Analytic-Tools. Maschinendaten sollen so Umsatztreiber werden. Tools sind: Advanced Analytics Platforms, Business Intelligence Tools, Predictive Analytics Tolls, Simulation Tools, Statistical Package, Artifical Intelligence, Streaming Analytics Tools, Cognitive Analytics, Fog Analytics.

Tracking-Software: 77,4% der Webseiten (page loads) werden getrackt. Gostery hat dafür 850.000 Nutzer aus mehr als 20 Ländern untersucht. Ganz vorne ist Google vor Facebook.

E-Privacy: Kampf um den Datenschutz im Internet. Die EU plant eine neue Verordnung. Sie soll die Nutzung von Cookies und Tracking weit reichend einschränken. Die Medien- und Werbebranche läuft Sturm dagegen.

Digitalisierung und soziale Änderungen im Betrieb: Digitalisierung ist ex definitione die Summe von Zusammenhängen. Die Menschen müssen mehr denn je im Team zusammenarbeiten. Reinhard Sprenger spricht von einem Füreinander, das ein qualitatives Mehr schafft.

Wert von Digitalem: Digitale Produkte vermitteln nicht das gleiche Eigentumsgefühl wie physische Güter. Weil wir sie nicht anfassen, festhalten und kontrollieren können, empfinden wir sie nicht richtig als Eigentum. Vgl. Atasoy/ Morewedge: Digital Goods Are Valued Less Than Physical Goods, in: Journal of Consumer Research, Oktober 2017.

Composable Infrastructure: Flexible Ressourcen. Infrastructure as a Code. Modular aufgebaute integrierte Infrastrukturplattform.

Tools für Projekt-Nomaden: Start-ups, die sich mit Projektentwicklung befassen, setzen auf agile Entwicklung. Dabei werden oft so genannte remote - Fachkräfte eingesetzt. Diese Mitarbeiter sind nicht mehr im Büro ansässig. Sie arbeiten auch mit meist kostenfreien Tools. solche sind scoro, workzone, N, huddle, Wrike, connectwise, toggl oder meistertask (auch zoho, when I work).

Datengetriebenes Business/ Datenablagen/ Vermeiden von Datensilos: Datensilos sollten kontinuierlich beseitigt werden. Dazu gehören folgende Elemente: 1. Bestandsaufnahme (Datenqualität, Datenschutz, Recht). 2. Durchführung (Themen generieren, Lösung evaluieren). 3. Pilot-Projektstart (Daten ermitteln, Daten analysieren). 4. Technische Umsetzung (Datenextrahierung, Adapter). Vgl. Datengetriebenes Business statt Datensilos, in: com!professional 3/2019, S. 74ff.

Reifegradmodelle der Digitalisierung für Unternehmen: Sie zeigen mögliche Handlungs- und  Optimierungsfelder. Digitale Reife macht erfolgreicher, flexibler und krisenfester. Ansatzpunkte sind: 1. Agiles Steuerungsmodell. 2. Digitale Geschäftsprozesse. 3. Data Mastery. 4. Tech-Fitness. 5. Zusammenarbeit mit Ökosystemen. 5. Digitals Portfolio. Kriterien zur Ermittlung der digitalen Reife sind: 1. Strategie. 2. Technologe. 3. Produkte & Dienstleistungen. 4. Organisation. 5. Mitarbeiter. Vgl. Mauerer, Jürgen: Digital reife Unternehmen sind krisenfester, in: com!professional 1/2021, S. 14ff.

 

Werteorientierung (Value-orientation, Ethic, Moral; auch: Unternehmensethik, Unternehmenskultur, Umweltmanagement, Nachhaltigkeit, Social Compliance bzw. Social Sustainability, Verantwortung, Purpose, neuere Entwicklungen; Sustainable Entrepreneurship; Ethik allgemein in der Philosophie/ Methodenseite oder auf der Site "Culture/ Socio/ Psycho")

Praktische Philosophie von Aristoteles: Ethik bildet zusammen mit Ökonomie (Hauswirtschaft) und Staatsführung die Säulen der Gesellschaft. Sie dienen dem Wohlstand der Gesellschaft. Oberstes Ziel ist Glück.

"Triple-Theory" der Ethik: Neuester Ansatz der Philosophie. Er stammt von Derek Parfit (1942-2017). Der Titel seines Monumentalwerkes lautet "Worauf es ankommt" (2011; 1400 Seiten). Eine Handlung ist nur dann moralisch falsch, wenn sie von Prinzipien verboten wird, die (1) optimierend sind, (2) alleinig universal gewollt sind und (3) nicht vernünftigerweise zurückgewiesen werden können.

Die Theorie der Gerechtigkeit: John Rawls (1921-2002). Er nennt "Gerechtigkeit als Fairness". Demnach sollte eine gerechte Gesellschaft von Gerechtigkeitsprinzipien bestimmt werden, die unter fairen Diskussionsbedingungen entstehen.

Institution der Moral: Bernhard Williams (1929-2003). Für ihn ist die zentrale Frage der Ethik: Wie sollen wir leben? In seinem Buch "Ethik und die Grenzen der Philosophie" bestreitet er die Objektivität der Ethik.

Die Methoden der Ethik: Henry Sidwick (1838-1900). Der Titel seines grundlegenden Werkes lautet "Methoden der Ethik" (1874). In der Philosophie gibt es drei wichtige Methoden: Utilitarismus (Maximierung des allgemeinen Glücks), egoistischer Hedonismus (Maximierung des persönlichen Glücks), Intuitionismus (man handelt ungeachtet der Konsequenzen). Vgl. Bassham, Gregory: Das Philosophie-Buch, Librero 2018, S. 128.

Trennung von Recht und Moral: Die Idee geht auf John Austin (1790-1859) zurück. Man darf das, was Recht ist nicht mit was Recht sein sollte verwechseln. Das Recht bestehe aus Anordnungen (Gesetzen), erlassen von "De-facto-Autorität".

Der kategorische Imperativ: Immanuel Kant (1724-1804). "Handele nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde".

Gefühl als Quelle der Moral (David Hume, 1711-1776): Er identifiziert zwei natürliche menschliche Gefühle, die er für die Wurzel jeder Ethik hält: Wohlwollen und Sympathie. Was wir Tugenden nennen, sind sie für die Person selbst und für andere nützlich oder angenehm.

Ethik (Baruch de Spinoza, 1632-1677; das Buch gleichen Namens erschien 1677): Es existiert nur eine Realität ("Substanz"), die er Gott und Natur nennt. Diese Realität ist ewig, unendlich und vollkommen. "Alle ausgezeichneten Dinge sind so schwierig wie selten", Spinoza.

Konfuzianische Ethik: Sie geht auf Kong Qiu (551-479 v. Chr., geboren in Qufu). Er stellt konkrete moralische Regeln auf. Am bekanntesten ist die Goldene Regel "Shu": "Was man mir nicht antun soll, will ich auch anderen Menschen nicht zufügen".

Allgemeines Sittengesetz: Marcus Tullius Cicero (106-43 v. Chr.). Er interpretiert das universelle Moralgesetz der Stoa. 

Nikomachische Ethik: Sie geht auf Aristoteles zurück (384-322 v. Chr.). Er unterscheidet zwischen der Qualität des Menschen selbst und der Qualität seiner Lebensführung. Ethik ist für Aristoteles der Weg zum Glück. In der Muße über das Denken nachzudenken, ist gemäß Aristoteles der Weg zu höchstem Glück. Denn darin entfaltet sich das ureigene Potenzial des Menschen, mithin verwirklicht er sich in dieser Form des Denkens selbst. Christliche Autoren ersetzten später die Verwirklichung des menschlichen Potenzials durch die Schau Gottes. Vgl. Thomas Jürgasch: Ethik. Der Weg zum Glück, in: Spektrum Spezial 2/2018, s. 26ff.

Neue Idee des Konservativen (Winfried Kretschmann): Inhalt: Vorwort. Auf der Suche nach Orientierung. 1. Das konservative - ein Kind des Wandels. 2. Schöpfung bewahren. 3. Heimat und Zusammenhalt. 4. Familie, Religion und Sicherheit. 5. Nation, Europa und das Regionale. 6. Soziale Marktwirtschaft - ökologisch und digital. 7. Zukunft braucht Herkunft. Fazit: Bewahren und Gestalten - die konservative Idee unserer Zeit. "Im Lauf meines Lebens ist mein Respekt vor dem, was die zivilisierte Menschheit schon immer für richtig gehalten hat, stetig gewachsen. Vor grundlegenden Gedanken, Werten und Tugenden, die sich bewährt haben und die uns Orientierung geben. Etwa das Prinzip von Maß und Mitte, so wie es bei Aristoteles zu finden ist. Oder die Einsicht, wie wichtig Vertrauen und Verlässlichkeit sind, wenn wir miteinander umgehen. Diese Tugenden müssen immer wieder neu bekräftigt werden, damit das Zusammenleben funktioniert", Winfried Kretschmann: Worauf wir uns verlassen wollen, Frankfurt am Main 2018, Umschlagtext und S. 11. 

Konzeption von Georges Bataille: Der französische Philosoph wirft der Ökonomie vor, dass sie einseitig fokussiert sei auf das Haben wollen, auf Bereicherung. Dabei werde ein wesentlicher Urtrieb in der Natur des Menschen vernachlässigt: ein unhintergehbares Bedürfnis nach "unproduktiver Verausgabung".  Keine Macht der Welt vermag zu erreichen, "dass wir und abwenden von einer Verschwendungstendenz, die uns beherrscht, ja, die uns ausmacht". "Nicht die Notwendigkeit, sondern ihr Gegenteil, der Luxus, stellt der lebenden Materie und dem Menschen ihre Grundprobleme".

Kohlbergs Moralstufen: Moralisches Bewusstsein bildet sich bei Kindern automatisch heraus und basiert auf dem grundlegenden Prinzip der Gerechtigkeit. Lawrence Kohlberg lebte von 1927 bis 1987. Er studierte die Entwicklung der Moral, indem er Kinder mit Situationen konfrontierte, die einen Konflikt zwischen zwei und mehreren moralischen Prinzipien aufwiesen. Dass etwas strafbar ist, entscheidet sich auf Stufe 1 darüber, ob das Kind es für richtig oder falsch hält, auf Stufe 2, ob andere es wollen und ob es belohnt wird. Auf Stufe 3 bedeutet gutes Verhalten, es gefällt anderen und hilft ihnen. Auf Stufe 4 ist der Respekt vor Autoritäten. Auf Stufe 5 verstehen die Kinder, dass manchmal die Rechte des Individuums vorgehen. Auf Stufe 6, der höchsten, werden Handlungen durch selbst gewählte ethische Prinzipien wie Gerechtigkeit, Gleichheit und Achtung der Menschenwürde bestimmt. Vgl. Jarett, C.: Psychologie, Librero 2019, S. 42.

Materiale Wertethik: Sie wird in Max Schelers Werk "Der Formalismus in der Ethik und die Materiale Wertethik" entwickelt. Scheler war Soziologe und Philosoph. Ich beziehe mich auf ein Sekundärwerk dazu: Spiekermann, Sarah: Digitale Ethik. Ein Wertesystem für das 21. Jahrhundert, München (Droemer) 2019, S. 36ff: Vertrauen in menschliche Gefühle. Objektiv erfahrbare Werte sind der Schlüssel zur Ethik. Es werden drei Wertebenen unterschieden. Zusammenspiel von Werten und Technik. Aufmerksamkeit für Werte. Tugenden.

Ethik: "Den griechischen Philosophen ging es um ethische Fragen des "guten Lebens", nicht um effizientes oder rationales Wirtschaften", Mikl-Horke, G.: Sozialwissenschaftliche Perspektiven der Wirtschaft, München/ Wien 2008, S. 8.  Aristoteles unterschied zwischen "oikonomia" (Hauswirtschaft, daher kommt der Begriff "Ökonomie"), "chresmatia" (Erwerb von Geld, Bereicherung) und "katallage" (Austausch, Ausgleich). Dieser Gedanke findet sich auch in der chinesischen Philosophie. Im Jahre 1759 entstand "Die Theorie der ethischen Gefühle" von Adam Smith. Der schottische Moralphilosoph  beobachtete die Prinzipien hinter dem menschlichen Verhalten (Einfühlungsvermögen, Wohlwollen, Fairness, Gewissen). Empirische Studien deuten darauf hin, dass sich Ökonomen eher von Effizienzkriterien und Laien eher von Fairness und Moral leiten lassen. Ende 2010 starten in Deutschland Spitzenmanager die Initiative "für verantwortliches Handel". Die Unterzeichner verpflichten sich zu fairem Wettbewerb, Sozialpartnerschaft, Leistungsprinzip und Nachhaltigkeit. Der tschechische Ökonom Tomas Sedlacek landet mit dem Buch "Die Ökonomie von Gut und Böse" einen großen Erfolg. Er fundiert die ethische Bindung der Ökonomie in der Ideengeschichte, die auch eine Geschichte der Menschheit ist. David Graeber, einer der führenden Köpfe der "Occupy Wall Street" - Bewegung sieht eine feste Verbindung zum Markt: "These I  Weder der Egoismus noch der Altruismus stellen natürliche Triebe dar; sie erwachsen vielmehr aus der wechselseitigen Beziehung zueinander und wären ohne den Markt undenkbar" (Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus, München 2012, S. 120). Ein früher Vertreter dieser Schule (Ethik als Basis) war auch Wilhelm Röpke (1899-1966). Sein Ideal war eine mittelständische Gesellschaft mit vielen Selbständigen. Marktwirtschaft statt Kapitalismus, Subsidiarität statt Zentralismus. Familiäre, nachbarschaftliche, private Solidaritätsnetzwerke statt Wohlfahrtsstaat. Er hatte auch stets die sozialen und ethischen Wertefundamente im Blick. Vgl. W. Röpke: Jenseits von Angebot und Nachfrage, 1958. "Wenn die Sittenlehre nur eine Glückseligkeitslehre wäre, so würde es ungereimt sein, zum Behuf derselben sich nach Prinzipien a priori umzusehen", Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Stuttgart 1986. "Die moderne Ökonomie ist um ein Vielfaches ärmer geworden durch die Distanz zur Ethik", Amartya Sen (Harvard, geb. 1933 in Indien, 1998 Nobelpreis, Ökonomie für den Menschen). "Moral ist, wenn man moralisch ist", Georg Büchner, Woyzeck. "Der Weise hat keine unumstößlichen Grundsätze, er passt sich anderen an", Laotse. Vgl. zum Thema: Lütge, C./ Uhl, M.: Wirtschaftsethik, München 2018.

Ethik-Kodex der deutschsprachigen Ökonomen im Verein für Sozialpolitik (VfS): Der Kodex wurde 2012 von den Mitgliedern des VfS beschlossen. Vor allem Transparenz und Unabhängigkeit sollen gewahrt bleiben. Es gibt die Institution einer Vertrauensperson. Das brennende Thema "Sponsoring" wird allerdings ausgeklammert. "Act the way you´d like to be and soon you´ll be the way you act", Leonard Cohen, born 1934, Canadian singer, songwriter and poet.

Moral: Moral und Fairnessregeln beeinflussen ökonomische Entscheidungen. Moralische Normen sind aber nicht unabänderlich, sondern werden situationsbedingt interpretiert. Vg. F. Heinemann: Zurück durch die Hintertür, Wirtschaftswoche, Nr. 31, 28.07.14, S. 38. Damit kann das Konzept des Homo oeconomicus immer noch gerettet werden. Auch die Anbieter moralischer Normen (religiöse Gemeinschaften, säkulare Organisationen) verfolgen oft ein Eigeninteresse. "Also darf keiner dem anderen ein Ding teurer verkaufen als es wert ist", Thomas von Aquin, 1265. "Die Moral ist immer die letzte Zuflucht der Leute, die die Schönheit nicht begreifen", Oscar Wilde, irischer Schriftsteller. "Moral ist nur eine Wichtigtuerei der Menschen gegenüber der Natur. Denn in der Natur, auch in unserer inneren Natur, ist alles ohnehin festgelegt. Die Zehn Gebote stecken in uns. Das gilt auch in Extremsituationen", Reinhold Messner 2019, Quelle: Interview im Focus 37/2019, S. 26.

Fairness: ist im Sinne von Akerlof und Shiller (animal spirits, Frankfurt/ New York 2009, S 29 ff.) ein wichtiger Erklärungsfaktor und ökonomisches Handlungsmotiv, das auf Albert Rees zurückgeht. Entsprechendes Verhalten kann in Experimenten nachgewiesen werden. Fairness wirkt positiv beim Tauschen und beim Beraten. Gegenpart ist die Arglist, die in der Regel zu Korruption führt. Besonders wichtig ist auch Vertrauen (Vgl. den gleichnamigen Band von Niklas Luhmann dazu). Es ist eine Art riskante Vorleistung und spielt bei allen Transaktionen eine Rolle. George A. Akerlof und Robert J. Shiller setzen sich in dem Buch "animal spirits" (Frankfurt/ New York: Campus, 2009) für mehr psychologische Ansätze in der Wirtschaftstheorie ein. Sie weisen auf die Bedeutung von Vertrauen, Fairness, Arglist und Geldillusion hin.

Unternehmens-Ethik: Den Konflikt zwischen Gewinnmaximierung und Moral gibt es so lange, wie Menschen wirtschaften. Die Aufgabe der Unternehmensethik besteht darin, auf eine ökonomisch realisierbare Art zur Entschärfung dieses Konflikts beizutragen. Gewinnstreben und und ethisches Handeln müssen auch im Mittelstand in Einklang gebracht werden. Nachhaltigkeit, Vertrauen und die eigene Vorbildfunktion sind wichtige Elemente. Haftung, persönliche Integrität, Fairness und Beteiligung sind wichtige Bedingungen. Ohne Reputation kann Marktwirtschaft nicht funktionieren und können KMU nicht agieren. Dieser gute Ruf muss aufgebaut werden. Die Theorien, die heute an Business Schools gelehrt werden, erzeugen oft die Amoral der Manager mit (so Sumantra Ghoshal). Mitarbeiter (Employer Branding), Gesetze, Öffentlichkeit und Aktionäre (Shareholder Value) verlangen von den Unternehmen anständiges Verhalten. Die Ethik wird von den Unternehmen immer mehr entdeckt (vgl. Die Moralapostel, in: Die Zeit Nr. 3, 09.01. 2014, S. 19). Bei mittelständischen Unternehmen rückt dabei die Persönlichkeit des Unternehmers in den Mittelpunkt. Ganz oben zählt nur die Persönlichkeit und ihre Fähigkeit, andere entsprechend zu beeinflussen. Ethische Schulung für Manager hilft auch nur, wenn das Unternehmen ethisches Handeln zulässt. Die entscheidende Frage ist dann, an welchen Werten sollte man sich orientieren ("Gott, Geld und Gewissen", "Ora et labora", "gemeinsam geschöpfte Gewinne gerecht verteilen",  "Wertschätzung des Menschen", "Ausgewogenheit und Inspiration am Arbeitsplatz", angewandte Religion").  "Der Markt ist kein moralfreier Raum. Nur moralische Handeln bringt langfristig ökonomischen Erfolg," Reinhard Marx, Erzbischof von München. Neuer Grundsatz der Deutschen Bank: "Wir tun das, was nicht nur rechtlich erlaubt, sondern auch richtig ist". Aus ethischen Gründen gehen 2014 eine Reihe von Firmen aus China raus. Der Wirbel um Tierversuche für Naturkosmetika in China  bringt eine Branche zum Umlenken. Logocos geht aus China raus; Lavera und Kneipp wollen folgen.

Das ethische Unternehmen: Eine Idee von Paul Collier. Er ist Professor in Oxford, GB. Er war Leiter der Forschungsabteilung der Weltbank. Er schreibt in seinem neuen Buch "Sozialer Kapitalismus! Mein Manifest gegen den Zerfall unserer Gesellschaft", München 2019 (Siedler), ein Kapitel über das "ethische Unternehmen (Kapitel 4, S. 104f.). Er beklagt den Werteverfall bei führenden Unternehmen (Beispiel ICI, GB). Unternehmen seien in erster Linie dazu da, ihre Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden und Mitarbeitern zu erfüllen. Hohe Gewinne seien nicht das Ziel. Unternehmen brauchen einen klaren moralischen Kompass. Wichtig ist, wer die Kontrolle im Unternehmen ausübt. Die Folgen der Übertragung der Kontrolle an die Eigentümer muss abgemildert werden. Es muss eine eine neue Machtverteilung geben. Dies sollte in einer neuen Unternehmensverfassung geregelt werden: Besteuerung nach der Betriebsgröße, Zusatzgewinne für die Gesellschaft anrechnen. Das öffentliche Interesse in den Leitungsgremien repräsentieren. Das öffentliche Interesse überwachen.

Treuhänderisch wirtschaften - Das anthroposophische Unternehmen: Die Idee geht auf Rudolf Steiner in 1919 zurück ("Damit Eigentumsrecht nicht Eigentumsunrecht wird"). Ein wichtiges und historisches Beispiel ist das Unternehmen Carl Zeiss, Jena, das in Stiftungshand ist. Ein weiteres Beispiel ist die GLS-Bank, die allerdings mittlerweile genossenschaftlich organisiert ist. Die Wala Heilmittel GmbH aus Schwäbisch Gemünd ist in Stiftungsbesitz (heute Dr. Hauschka). Weiterhin gibt es das modell der Purpose-Stiftung. Dazu gehören der Waldorfshop und der Waschbär-Versand. Vgl. Heisterkamp, Jens: Treuhänderisch wirtschaften - jenseits des Privateigentums. Idee und Praxis am Beispiel anthroposophischer Unternehmen, in: Peper, Iris u. a. (Hrsg.): Jenseits von Wachstum und Nutzenmaximierung, Bielefeld 2019, S. 135ff.

Methoden für Ethik: Regeln und Strafen halten Mitarbeiter nicht von Verstößen ab. Wohl aber eine Kultur, die ethisches Verhalten mit sozialer Anerkennung verknüpft. Wer anderen einen Bonus geben darf, leistet mehr, wenn er selbst den Bonus bekommt.  Vgl. Epley, N./ Kumar, A.: Das Ethische Unternehmen, in: HBM April 2020, S. 64ff.

Mehrwert von Ethik: Kaum jemand spricht sich gegen Ethik aus. Unklar ist, worin sich Ethik auf Märkten konkretisieren kann und was sie bringt. Die Fachliteratur ist der Ansicht, dass immaterielle Vermögenswerte wie Glaubwürdigkeit, Reputation und Markenimage für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens von entscheidender Bedeutung sind.  "Ethik auf Märkten ist eine Investition in die eigene Zukunftsfähigkeit", Nick Lin-Hi, Professor in Vechta (s. Global Investor 02/ 2016, S. 76.

Werte (für Unternehmen): Unternehmen gelten als erfolgreich, wenn sie schnell wachsen oder hohe Gewinne haben. In arbeitsteiligen, globalen Gesellschaften müssen Werte dazukommen. Gerade am Finanzmarkt kann man beobachten, was das Fehlen von Werten in einem Gewirr von Finanzmechanismen bewirken kann. Am besten ist es, wenn Unternehmen für den Kunden Werte schaffen. Die wichtigsten Werte 2014 waren: Menschenrechte, Demokratie, Freiheit des Einzelnen, Respekt gegenüber menschlichem Leben, Rechtsstaatlichkeit, Toleranz, Solidarität, Respekt gegenüber anderen Kulturen, Selbstverwirklichung, Gleichheit, Religion; Quelle: EU-Kommission. Wichtige Fragen sind die folgenden: Wer bestimmt den Wertekanon? Was macht den Wertekanon so vielschichtig? Was können greifbare Werte sein? Anpassungsfähigkeit, Sinnhaftigkeit des Tuns, Kooperationsqualität, Hilfsbereitschaft, Professionalität, Sparsamkeit, Fairness, Vertrauen, Wertschätzung der menschlichen Arbeitskraft. Wer bestimmt die Werte im Unternehmen? "Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünscht in dieser Welt", Mahatma Gandhi (1869-1948). "Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn Sie Ihnen nicht gefallen, dann habe ich auch andere", Groucho Marx.

Höherer Wert von Unternehmen: Purpose, Vision, Leitbild, Mission. Warum sind wir hier? Wie kann ich meiner Macht einen Sinn geben? Unternehmen brauchen ein klares Purpose - Statement. Dieses muss im Alltag mit Leben gefüllt werden. Unternehmen, die sich von einem Purpose leiten lassen, haben klare Vorteile. Deshalb brauchen Unternehmen ein klar formuliertes Purpose - Statement, das folgende Fragen beantwortet: Worin besteht ihr Daseinszweck? Welchen Mehrwert bieten sie ihren Kunden? Warum ist ihr Unternehmen dazu besser in der Lage als jedes andere? Vgl. Blount, Sally/ Leinwand, Paul; Warum sind wir hier? in: HBM, Februar 2020, S. 20ff.  "Purpose ist kein Gutmenschentum", Timo Meynhardt, Leipzig. a. a. O.

Satisficing statt Maximierung: Eine Strategie innerhalb bestimmter Nischen mit hinreichenden Gewinnerträgen zu arbeiten. Sie könnte eine Marktlogik ablösen, die sich rein an Zahlen orientiert. Der Modus der Maximierung soll Aktionäre und Konsumenten befriedigen. Besser ist es, auf die Sinnbedürfnisse des Menschen einzugehen ("Shares Value" statt Shareholder Value). Vgl. Lisa Herzog: Die Rettung der Arbeit. Ein politischer Aufruf, Berlin (Hanser Verlag) 2019.

Verantwortung der Gesellschaft und Verantwortung des Individuums: Jede Gesellschaft muss ein Maß zwischen beiden Werten finden. Dieses Maß spiegelt sich auch in den Parteien wider: FDP mehr für Individuum, SPD mehr für Gesellschaft. CDU und Grüne liegen vielleicht dazwischen.

Konkurrenzdruck und Vergleiche mit anderen, Vermeidung von Regelverstößen durch Ethik: 1. Pre-Mortem: Vor wichtigen Entscheidungen ethische Fragen bedenken. 2. Ethik-Workshops: Teammitglieder zusammen bringen. 3. Training für Reflexion: Achtsamkeit, Mindfulness. Ethik in die Unternehmenskultur: Richtlinien und Werte. Vgl. Jain, Kriti: Die dunkle Seite der Boni, in: HBM März 2019, S. 8ff.

Verantwortung der Unternehmen für die Gesellschaft: Gibt es neben Gewinn und Eigennutz diese Verantwortung von Unternehmen? Oder ist jede Moral- und Wertvorstellung in einer liberalen Wirtschaftsordnung akzeptabel? 1. Man muss über den Zweck von Unternehmen in der Gesellschaft nachdenken. 2. Es sind Kriterien für erfolgreiche Unternehmen zu entwickeln. 3. Moralische Verantwortung setzt Freiheit voraus. 4. Moral muss in der Ökonomie gedacht werden können. Siehe Beschorner, T./ Kolmar, M. Richtig oder nur nützlich, in: Die Zeit 23.12.2015, S. 39. Technologischen Großvorhaben mangelt es oft an der Vision und der Teilhabe der Gesellschaft. Daher ist es kein Wunder, dass sie scheitern. Einige Unternehmen haben mittlerweile den Bereich "Unternehmensverantwortung" geschaffen. Es geht dabei hauptsächlich um Nachhaltigkeit.  "Manche Unternehmen sehen sich nicht als Teil der Gesellschaft, sondern als deren Gegenüber", ebenda. "Die Herzen und Köpfe vieler gewinnt man heute nicht mehr durch Projekte einer Elite, sondern nur noch für Zukunftsbilder der Gesellschaft", Thomas Sattelberger, Ex-Vorstandsmitglied bei Continental und Telekom. Tchibo hat auch den Bereich "Unternehmensverantwortung" geschaffen. Es gibt etwa ein Lieferanten-Qualifizierungsprogramm. Tchibo beteiligt sich auch an der Clean Clothes Campaign. Im Fordergrund steht hier eine Regulierung fairer Löhne in Entwicklungsländern

Soziale Verantwortung: In Entwicklungsländern leben noch mehr als eine Milliarde Menschen in extremer Armut und außerhalb der formellen Wirtschaft. Statt die Probleme vor Ort zu lösen, müssen sich die Unternehmen mit anderen Akteuren zusammenschließen, um regionale Ökosysteme von Grund auf neu zu gestalten. Die Neuausrichtung eines Ökosystems setzt voraus, Möglichkeiten zu finden, wie sich das System sektorübergreifend verbessern kann. Dazu müssen Partner mobilisiert werden, die sich gegenseitig ergänzen. Neben der Finanzierung durch Unternehmen lässt sich auch Startkapital von privaten und öffentlichen Organisationen einwerben. Erfolgreiche Beispiele sind Syngenta, und Walmart. Vgl. Kaplan, Robert S./Serafeim, G./ Tugendhat, E.: CS groß denken, in: HBM 10/2018, S. 72ff.

Messung der sozialen Verantwortung: Wirkung sozialer oder ökologischer Investitionen. Ausdrücken in Geldeinheiten. Berechnung einer Kennzahl in sechs Schritten: 1. Relevanz und Größenordnung bewerten. 2. Das angestrebte Ergebnis bestimmen. 3. Den wirtschaftlichen Wert schätzen. 4. Unschärfe bei der Übertragung berücksichtigen. 5. Den Restwert ermitteln. Wirkungsmultiplikator berechnen. Vgl. Addy, Chris/ Chorengel, M./ Collins, M./ Etzel, M.: Der Wert der guten Tat, in: HBM April2019, S. 20ff.

Verantwortung von Führungspersonen: Weder Karrierelevel, noch Höhe des Gehalts oder Geschlecht haben einen Einfluss. Stattdessen wächst das Verantwortungsbewusstsein mit den Lebensjahren. Auch die Geburt von kindern scheint bei Mitarbeitern einen Verantwortungsschub auszulösen. Quelle: Verantwortungsindex des Grundl Leadership Instituts, Ergebnisbericht 2018.

Ethisch handeln: Menschen wollen gute Menschen sein im Berufsleben. Doch wenn es stressig wird, bleiben Ethik und Moral oft auf der Strecke. Drei simple Schritte können helfen, den Prinzipien treu zu bleiben: 1. Bereiten sie sich vor. 2. Treffen sie gute Entscheidungen (Öffentlichkeitstest, Verallgemeinerbarkeitstest, Spiegeltest). 3. Lernen sie aus ihren Fehlern. Vgl. Kouchaki, Maryam/ Smith, Isaac H.: Das Richtige tun (auch wenn es schwerfällt), in: HBM, März 2020, S. 84ff.

Philantrophie (Philantropen, die "Donations" geben):  Der Begriff kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Menschenfreund, also menschenfreundliches Denken und Verhalten. Im englischen Sprachraum häufig gebraucht. Der Geschenkaspekt überwiegt weit alle Nutzenaspekte. Deutsche Unternehmer finanzieren zum Beispiel Klinikschiffe in Myanmar, die die medizinische Versorgung in tropischen Flussdörfern verbessern sollen. Der Eigenanteil der Patienten ist ganz gering. International hat Philanthropie eine lange und große Tradition in den USA. Erfolgreiche Unternehmer spenden Milliarden über Stiftungen (Mark Zuckerberg, Warren Buffet, Bill Gates, George Soros). Häufig steckt dahinter auch eine krude Philosophie: Jeff Bezos von Amazon nutzt die Mechanismen des Kapitalismus bedingungslos aus und verspricht, mit seinem Geld - wenn die Erde zerstört ist - vorher den Weltraum bewohnbar zu machen. Aber auch Google, Apple, Microsoft und Facebook entwickeln eine "Illusion guter Taten" (Gewinn wird für gute Zwecke eingesetzt, nur zum kleinen Teil). In Deutschland liegen als Spender Michael Otto, Susanne Klatten und Heinz-Horst Deichmann vorne. 2020/ 2021 ist das Stiften eher in der Krise in Deutschland: wirkt auf junge Leite verkrustet, zu viel mit Bewahren beschäftigt, werden nicht als Labore genutzt.  Der Schweizer Hansjörg Wyss hat 2019 angekündigt, eine Milliarde Dollar seines Privatvermögens für den Schutz der Wildnis zu spenden (hat wohl 5,9 Mrd. Dollar, Verkauf der Medizintechnikfirma Synthes an die US-Firma Johnson & Johnson). Bis 2030 sollen jährlich 100 Mio. $ aus der Wyss Foundation für Naturschutz (Projekte für das Montana Legacy, für die Bären der Karpaten, für das Corcovado-Gebiet in Costa Rica) gespendet werden.

Inside Philanthropy: Website. Gründer David Callahan. Gibt guten Überblick über die Stiftungen (z. B. Bill und Melinda Gates, MacKenzie Scott).

Philanthropie in Deutschland: Sie steckt im 21. Jahrhundert in der Krise. Die Reichen werden reicher, scheinen aber im Schnitt mehr für sich zu behalten. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen spricht von einer Lücke von 20 bis 40 Mrd. €. Soviel fehlen zu dem, was die 20% Reichsten in Deutschland prozentual vor 20 Jahren gestiftet haben.  Es gibt 2019 23.230 Stiftungen in Deutschland. Auf 200 Mrd. e wird das gesamte Stiftungsvermögen geschätzt. Die größten Stiftungen sind: 1. Privaten Rechts:/ Robert Bosch Stiftung, Volkswagenstiftung. 2. Öffentlichen Rechts/ Alexander von Humboldt-Stiftung. 3. Politische Stiftungen/ Hans-Böckler-Stiftung. Im Jahre 2020 haben die 40 Dax-Unternehmen mehr Geld als je zuvor gespendet: 860 Mio. € für Geld- und Sachspenden, ein Großteil in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Dei größten Spender waren Bayer und Deutsche Telekom. Den Spendern fehlt in der Regel die Strategie. Vergebene Chancen. Zu wenige Dax-40-Konzerne nutzen Corporate Ctizenship zur Stärkung ihrer Nachhaltigkeit, Wider Sense( Goetzpartners, Dezember 2021. 

Center for Philantropy & Civic Society (PhiCS) in Karlsruhe (Karlshochschule, Stephan A. Jansen). Forscht zu der zentralen Frage, wer was bezahlen soll: Staat oder Markt. https://karlshochschule.de/de/hochschule/menschen/professoren/prof-dr-stephan-a-jansen .

Phineo, Berlin (Rating - Agentur für gemeinnützige Organisationen; seit 2009; auch Rickert-Investment, vom einstigen McKinsey-Berater Andreas Rickert gegründet. Man will Reichen das Spenden erklären, "Africa-Green Tec, Solarstrom für ländliche Regionen)

Soziale Innovationen: Sie liegen zwischen den Feldern öffentlicher Sektor, Wirtschaft, Forschung/ Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Sie lösen sozialen Wandel aus mit neuen Wegen für soziale Ziele (Zapf). Konkrete Beispiele sind:  neue Genossenschaften im Bereich Energie, Repair - Cafes, Mehrgenerationenhaus. Nach den technologischen Revolutionen (Second Machine Age) beginnt das Zeitalter der sozialen Innovationen.

Religiöse Kunden gönnen sich weniger: Ist das richtig und was bedeutet es für den Einzelhandel? Weil Käufer rund um religiöse Feiertage und Kirchenfeste ein größeres Bedürfnis nach Schlichtheit und Enthaltsamkeit haben, sind sie in dieser Zeit empfänglicher für Rabatte und Werbeaktionen., insbesondere bei Impulskäufen. Wollen Händler ihren Kunden zeigen, dass sie deren religiöse Werte schätzen, können sie auch einen Anteil vom Umsatz eines Produktes an eine lokale Wohltätigkeitsorganisation spenden. Siehe Didem, Kurt et. al.: "Religious shoppers spend less money", Journal of Experimental Social Psychology, 2018.

Effektiver Altruismus: Gutes tun, aber richtig. So viel Reichtum war noch nie auf der Erde. In den Ländern des Südens nimmt zwar die Armut ab, aber recht langsam. Es wird genug für alle erwirtschaftet, aber nicht gerecht verteilt. Das ist aber das Ziel der Bewegung der Effektiven Altruisten. Es könnte für alle genug geben. Spenden sind wichtig, wenn sie denn sinnvoll eingesetzt werden. Gut gemeint muss nicht immer gut gemacht sein. Die effektiven Altruisten wurden 2014 gegründet. Sie betreiben die Website " www.ea-stiftung.org ".  Zur deutschen Facebook-Gruppe gehören etwa 2000 Aktivisten. Davon sind zwei Drittel Frauen. Das Durchschnittsalter beträgt 26 Jahre. Es gibt auch die Seite " www.effektiveraltruismus.de ". Weltweit spendeten die EA im Jahr 2016 4,5 Mio. Dollar für Projekte zur Bekämpfung der Armut, Tierschutz und Zukunftsforschung . Vgl. auch: William McAskill: Gutes besser tun. Wie wir mit effektivem Altruismus die Welt verändern können, Ullstein Verlag, 2016. Moskitonetze für zwei Dollar pro Stück gehören zu den effektivsten Maßnahmen, um Menschenleben zu retten.

Social Entrepreneurship: Das Konzept entstand mit der Aufgabe vom Primat des Politischen und Öffentlichen. Die Balance zwischen Leistungsprinzip und Solidarität ist verloren gegangen. Auf den Markt ist kein Verlass mehr. Also sucht man nach Auswegen. Die Frage ist aber, ob Sozialunternehmertum die gesellschaftliche Lösung ist. Vgl. Louis Klein: So geht es nicht, in: agora 42, 2018, S. 19ff. Das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn (IfM-Bonn) beurteilt die Sozialen Unternehmen nach drei Kriterien: 1. Marktaktivität. 2. Soziale Mission. 3. Gewinnverwendung. Soziales Unternehmertum kann die Gesellschaft verändern. Doch haben Social Start-ups große Probleme. Woran liegt das? 1. Wie viel Gutes ist gut genug? 2. Viel Motivation, wenig Geld. 3. Vom Engagement zur guten Kennzahl. 4. Kollaboration unter den Akteuren. Vgl. Heckel, Manuell: t3n, digital pioneers 1/2019, S. 108ff.

Corporate Citizenship (auch Corporate Social Responsibility, CSR): Das Engagement von Unternehmen in wohltätigen, insbesondere kulturellen, Aktivitäten. Rund 94% aller KMU in Deutschland sind hier aktiv und wenden im Durchschnitt 0,07% des Jahresumsatzes für Geldspenden, Schenkungen, kostenlose Dienste, Mitarbeiterfreistellungen, Nutzungsgestattungen und anderes auf. Das Rahmenthema ist Mittelstand und Gesellschaft. Dazu gehört auch die Abhängigkeit der KMU von den Umfeldbedingungen der Wirtschaft und Gesellschaft. Die soziale Verantwortung der Unternehmen hat in der globalen Wirtschaft rapide zugenommen. Drei Punkte werden an Bedeutung gewinnen:  die Analyse schlechter Nebenfolgen, Kontrolle durch unabhängige Dritte, Ausdehnung entlang von Wertschöpfungsketten. Insgesamt hat CSR drei Dimensionen: die wirtschaftliche, d.h. Unternehmen sollen Produkte und Dienstleistungen anbieten, aber auch Arbeit und Wissen zur Verfügung stellen. Eine ökologische Dimension, d. h. Unternehmen müssen die physische Umwelt schützen (Öko-Effizienz). Drittens eine soziale Dimension, d. h. Unternehmen sollen die grundlegenden Menschenrechte schützen. ISO 26000 soll bei der Internationalen Organisation für Normung (ISO) zum Standard für gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen und Organisationen werden. In Deutschland ist die Wirtschaft strikt dagegen (zu schwammig formuliert) Seit 2004 wird um diese "Ethiknorm" für unternehmerische Initiativen gerungen. Staatliche Förderung für CSR ist für Erweiterung oder Intensivierung möglich. Mittlerweile gibt es eine Reihe von Preise: Es gibt den Deutschen CSR-Preis (seit 2011), den Deutschen Engagement-Preis und den Mittelstandspreis für soziale Verantwortung (Caritas B.-W.). Die CSR hat auch eine starke kulturelle Komponente. Zum Beispiel ist das Leitbild der CSR in China ganz anders. Viele Wirtschaftspioniere in Deutschland sind auch durch ihr soziales Engagement aufgefallen (z. B. Bosch, Otto). "The Social Responsibility of Business is to increase its Profits", Milton Friedman, New York Times, 1970. Vgl. auch: Karolina Kuta et al.: CSR and the European Refugee Crisis: An Assessment of the CSR Initiatives by German Firms, Working Paper 2017. Auch: Schleer, C.: Corporate Social Responsibility und die Kaufentscheidung der Konsumenten, Wiesbaden 2014.

Gesellschaftliche und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig: "Erfolgreich sein und Gutes tun", Julie Battilana, Harvard Business School. Unternehmen stehen zunehmend unter Druck, ihre einseitige Fokussierung auf den wirtschaftlichen Erfolg aufzugeben und das Gemeinwohl stärker in den Blick zu nehmen. Aber wie lassen sich beide Ziele miteinander vereinbaren? Manager müssen vier Hebel bedienen, wenn sie Rendite und soziale Verantwortung unter einen Hut bringen wollen: sich für beide Bereiche Ziele setzen und deren Erfolg messen; eine Struktur schaffen, die beides fördert; Mitarbeiter finden und einbinden, die sich beidem verpflichtet fühlen; eine Führung etablieren, die in der Lage ist, beides zu vereinen. Vgl. Battilana, Julie/ Pache/ Sengul/ Kimsey: Erfolgreich sein und Gutes tun, In: HBM, Februar 2020, S. 35ff.

CSR Europe: 59 internationale Großkonzerne, die das 4P-Modell des Marketing (product, place, promotion, price) um die Komponenten people, planet, profit ergänzen. Damit versucht man, ethischen Aspekten gerecht zu werden.

CRM aus der Cloud: Das sind Tools für CRM in Cloud-Systemen. Die größten in Deutschland sind CAS PIA, centralstationCRM, macooa, weclapp, wice, Bitrix24, Hubspot, insightly, pipedrive, zohoCRM. Teile davon sind auch kostenlos. Durch diese Systeme können Kundenzufriedenheit und Kundentreue optimiert werden.

Corporate Governance (CG): Mittlerweile auch im Mittelstand. C. G. umfasst die Steuerung und Überwachung von regulatorischen Anforderungen innerhalb der Unternehmensorganisation. Es ist insofern ein Konzept für gute Unternehmensführung, das allerdings wegen der Heterogenität von KMU nicht einheitlich sein kann. Als die drei Säulen gelten unternehmensexterne Elemente, familiengerichtete Elemente und unternehmensinterne Elemente. Besonders bei mittelständischen Unternehmen kann ein Interessenausgleich zwischen verschiedenen Stakeholdern als wichtiges Unternehmensziel neben der Unternehmenswertsteigerung angesehen werden.

Corporate Governance Kodex: Aktuell 2019 soll der Kodex von der EU neu gefasst werden. Wünschenswert wäre eine Zwangsbeteiligung von Vorständen und Aufsichtsräten. Dann würden sie die Folgen ihres Handelns und ihrer Entscheidungen auf dem eignen Konto spüren. eine bessere Kontrolle gibt es nicht.

Corporate Governance Kodex für Deutschland: 2020 kommt ein Gesetzentwurf. Ihr liegt die Arbeit einer Regierungskommission zugrunde. Das Gesetz von 1969 für Ordnungswidrigkeiten im Unternehmen muss überarbeitet werden. 1. Leitungspersonen sollen mit einbezogen werden. 2. Konzerngewinn als Grundlage. 3. Rahmen-System. 4. Öffentlichkeit. 5. Bundeskartellamt.

Compliance (Recht und Integrität): Unternehmen und deren Mitarbeiter müssen Gesetze und interne Richtlinien befolgen. Es umfasst Regeln und Systeme, die deren Erhaltung garantieren sollen. Dazu gehören Risikoanalysen, Pläne und deren Umsetzung (z. B. Compliance-Beauftragter). Hiermit soll vor allem der Kampf gegen die Korruption geführt werden. Viele Unternehmen basteln an Regeln und Kontrollen, um Korruption und Gemauschel zu verhindern. Andererseits gehören in vielen Kulturen (z. B. China, Arabische Länder) Geschenke zu Geschäften dazu. Für KMU ist Compliance in der Regel schwieriger umzusetzen, da sie keine Rechtsabteilungen haben. So spielen Mitarbeiterschulungen eine große Rolle. 2013 sind über 7000 Unternehmen dem UN Global Compact verpflichtet. Dazu gehören Prinzipien wie Schutz der Menschenrechte, Verbot der Zwangs- und Kinderarbeit, Beseitigung von Diskriminierung, Schutz der Umwelt, gegen Korruption. Mittlerweile gibt es in Deutschland ein Deutsches Institut für Compliance e. V. (DICO, über 300 Einzelmitglieder). Auffällig ist, dass nur die USA rigoros gegen Verfehlungen vorgehen und sie auch am häufigsten aufdecken. Es sei an die Beispiele VW, Banken und Fifa erinnert. In dieser Hinsicht haben die deutschen Behörden einiges nachzuholen.  "Grundlage des erfolgreichen Wirkens des Kaufmanns ist immer noch: Gewinne erwirtschaften und Werte schaffen. Werte schaffen aber bedeutet mehr als Cash-Flow", Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Springer AG (Handelsblatt 18.11.11, S. 13). "Unternehmen stehen heute vor deutlich größeren moralischen Herausforderungen als früher: Sie werden an Werten gemessen", Die Zeit, a. a. O., S20. 2014 kommt in Deutschland ein neues "Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr" (Auslöser EU-Richtlinie von 2011): Öffentliche Auftraggeber müssen innerhalb von 30 Tagen zahlen. Längeres Zahlungsziel nicht im "Kleingedruckten". 30 Tage für Abnahme und Überprüfung. Zinssatz für Verzug wird angehoben. Im Juli 2017 sind SAP und Thyssen-Krupp in Korruptionsvorwürfe verwickelt. SAP mit der Regierung in Süd-Afrika (Cupta-Clan) und Thyssen-Krupp bei U-Boot-Geschäften mit Israel. Bei VW gibt es einen Integritätsvorstand (Hiltrud Werner; nach der Dieselaffäre). Es wird ein neuer "Ethikkatalog" aufgelegt. Es werden strengere Prüfungen eingeführt. Die Telekom löst 2019 das Ressort Compliance auf. Die Aufgaben werden an die anderen Ressorts verteilt.

Compliance im Mittelstand: auch hier sollen Compliance - Systeme Betrug und Korruption verhindern. Viel KMU hatten halten Compliance jedoch für überflüssig ("Ich kenne mein unternehmen doch"). Entweder geht es den Unternehemn blendend und sie wollen nichts ändern oder sie halten sich für zu klein und unbedeutend. Hinweisgeber werden oft als "Netzbeschmutzer" gesehen. Weiterhin wird auf hohe Kosten verwiesen. Vgl. meinen  Vortrag von 2014 über Compliance im Handwerk.

"Shared Value" und "Collective Impact": Ein Unternehmen hilft, soziale Probleme zu lösen. Unternehmen greifen die Idee des Shared Value auf, und versuchen, geschäftlichen Erfolg mit sozialem Engagement zu koppeln. Doch dabei kann übersehen werden, dass sie Teil eines gesellschaftlichen Ökosystems sind und isolierter Aktionismus schnell ins Leere läuft. Eine Bewegung namens Collective Impact hat es sich zum Ziel gemacht, erfolgreiche Kooperationen im sozialen Sektor anzustoßen. Fünf Elemente sind hierzu nötig: gemeinsames Ziel, gemeinsame Bemessungskennzahlen, sich wechselseitig bestärkende Aktivitäten, kontinuierliche Kommunikation, engagierte Verwaltung, die von unabhängigen Organisationen übernommen wird. Vgl. Kramer, M. R./ Pfitzer, M. W.: Sozial und Profitabel - Das geht, in: Harvard Business Manager, März 2017, S. 61ff.

Public Value: Wertbeitrag und Nutzen, den eine Organisation für eine Gesellschaft erbringt. Man spricht auch von dem Gemeinwohlbeitrag eines Unternehmens.

Impact Investing: Privates Vermögen für das Allgemeinwohl einsetzen. Neuer Anlagetrend. Junge Superreiche legen ihr Geld so an, dass es etwas Gutes bewirken soll. Man will die Gesellschaft umkrempeln und positiv beeinflussen.

Transformationale Führung: Es wird nicht mehr nur über einen Austausch von Leistung und Gegenleistung oder über Belohnung und Bestrafung motiviert, sondern über ein erstrebenswertes, größeres Ziel angespornt. Das Unternehmen muss dann aber auch einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Es muss ein positiver "Purpose" da sein. Der Sinn fürs Gemeinwohl muss erzeugt werden. "Wer Leistung fordert, muss seinen Mitarbeitern einen gesellschaftlich verankerten Sinn bieten". "Für viele Gründer steht heute nicht mehr die Gewinnabsicht im Vordergrund, sondern das Lösen sozialer Probleme". Vgl. Timo Meynhardt, Paul Neumann, Fabian Christandl: Sinn für das Gemeinwohl, in: HBM, März 2018, S. 66ff.

Soziales Engagement von Marken: Die Marke wird mit einem guten Zweck verbunden. Das kann zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden. Eine wirksame Strategie sieht so aus, dass sie einen Mehrwert schafft, Zentrale Attribute der Marke müssen gestärkt werden. Das Risiko negativer Assoziationen und Akzeptanzprobleme bei Stakeholdern muss reduziert werden. Es gibt eine Pyramide des sozialen Engagements: Oben ist der Wettbewerbsfaktor. Dann kommt der Anspruch. Die dritte Ebene ist die Praxis. Unten ist das Aussortierte. Elemente sind die Markenattribute, die angrenzenden Geschäftsbereiche, die Assoziationen der Verbraucher und die Akzeptanz der Stakeholder. Vgl. Omar Rodriguez-Vila/ Sundar Bharadwaj: Geschäfte mit guten Gewissen, in: HBM, Februar 2018, S. 66ff.

Menschenorientiertes Marketing: Als die sechs Attribute menschenorientierter Marken gelten: 1. Körper. 2. Geist. 3. Soziale Fähigkeiten. 4. Emotionalität. 5. Persönlichkeit. 6. Moralität. Diese sollen durch "Social Listening" ergründet werden. Die menschliche Seite ihrer Marken sollten die Marketing-Fachleute herausarbeiten. "Marken sollten physisch attraktiv sein, intellektuell überzeugend, sozial engagiert und emotional ansprechend. Gleichzeitig sollten sie eine starke Persönlichkeit und Moralität demonstrieren", siehe Kotler u. a.: Marketing 4.0, Frankfurt/ New York 2017, S. 145.

Ehrenamt: Anfänge liegen bei Turnvater Jahn 1811. Wurzeln gehen in Deutschland auch auf die preußische Städteordnung und der Begriff findet sich erstmals 1856 in der Landesgemeindeordnung Westfalen. Dahinter stehen Religion und Bildungsbürgertum. Am stärksten ist das Ehrenamt in den USA ausgeprägt. Im Zusammenhang mit KMU müsste das Ehrenamt positiv in die Personalbeschaffung einbezogen werden. Im Rahmen von Compliance-Konzepten (auch Sponsoring)  unterstützen KMU in hohem Maße ehrenamtliche Arbeit. Es wird aber immer schwieriger, Menschen für Vorstandsarbeit zu gewinnen. Dafür gibt es konkrete Gründe: Veränderte Arbeitswelt, Scheu vor Verantwortung, Angst vor Haftung, Wertewandel in der Gesellschaft. In Deutschland gibt es ca. 500.000 Vereine, fast 80% werden ausschließlich mit ehrenamtlichem Engagement getragen. Die Robert-Bosch-Stifung hat ein Programm "Engagement braucht Leadership". Das "Freiwilligensurvey" des Bundesfamilienministerium 2016 zeigt folgende Ergebnisse: 46,8 % aller Deutschen engagieren sich ehrenamtlich (rund 30 Mio.). Unter den Migranten gibt es 31,1% Ehrenamtliche. 2021 sinkt die Zahl der Ehrenamtlichen auf 40% der Deutschen. "Ruhm muss erworben werden, die Ehre hingegen braucht nur nicht verloren zu werden", Arthur Schopenhauer, deutscher Philosoph.

Familienfreundlichkeit: Sie kann förderlich für das Employer Branding und das Recruiting sein. Kriterien sind: Teilzeitarbeitsplätze, Gleit- und Vertrauensarbeitszeiten, Jobsharing-Modelle, Home Offices, Betreuung für Mitarbeiterkinder, Möglichkeit, Kinder mit ins Büro zu nehmen, Hilfestellung bei Notfällen, Gestaltung des Wiedereinstiegs. 2014 rückt der Vorschlag von Familienministerin Schwesig in den Mittelpunkt, die 32-Studen-Woche für junge Eltern einzuführen (Finanzierung?).

Gerechtigkeit: Michael Sandel sieht insgesamt drei philosophische Traditionen bei dem Gerechtigkeitskonzept: Utilitarismus (Maximierung von Glück und Wohlstand), Immanuel Kant (Gerechtigkeit als Respekt vor individueller Freiheit und persönlicher Würde), Aristoteles (Gerechtigkeit als Ziel eines gelingenden Lebens und Zusammenlebens, Kultivierung der Tugenden). Aus seiner Sicht spricht viele für den Gerechtigkeitsbegriff von Aristoteles.

Vertrauen: Vertrauen ist eine zentrale Ressource für junge Unternehmen und ältere Unternehmen, die Kooperationen planen. Risiko, Unsicherheit und Informationsasymmetrie spielen dabei eine große Rolle. Vertrauen in die Investoren und Vertrauen in die Kooperationspartner unterliegt bestimmten Bedingungen. Vgl. Welpe, I. M.: Die Entstehung von Vertrauen im Kontext von Unsicherheit und Informationsasymmetrie, in: ZfB 2008, H. 12, S. 1251-1283. Die Bedeutung von Vertrauen als ökonomisches Handlungsmotiv im Rahmen der "animal spirits" (Adam Smith) wird zunehmend gesehen, auch um der gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Vgl. auch Beise, M./ Diederichs, L. (Hg.): Hoffnung Mittelstand, München 2009, S. 47 ff. Auch in der Weltwirtschaftskrise 2008 zeigt sich die Bedeutung des Vertrauens für die Marktteilnehmer, hier insbesondere das Vertrauen im Interbankenmarkt. Gesellschaftliches Vertrauen und Systemvertrauen stellen eine übergeordnete Ebene dar, die die Interdisziplinarität aufzeigt. Auf den Finanzmärkten muss der Staat in und nach der Weltwirtschaftskrise als Vertrauensgeber einspringen. Dadurch wird das Risiko von der Wirtschaft auf die Gesellschaft überwälzt. Vertrauensverlust ist auch ein zentrales gesellschaftliches Thema unserer Zeit: aktuelle Beispiele sind Toyota, die Kirche, die Banken. Vertrauen fördert das Wirtschaftswachstum insgesamt (Reduktion von Transaktionskosten, Lösung für Probleme kollektiven Handelns wie Trittbrett fahren, Prinizipal-Agent-Problem; Paul Whiteley, Essex). Einige Unternehmen sind ganz besonders auf Vertrauen angewiesen. Dazu gehören etwa die Fluggesellschaften. Ein einziges Unglück, wie der Absturz durch Selbstmord 2015 bei der Lufthansa/ German Wings, kann das Vertrauen zerstören. Die Kategorie "Vertrauen" rückt in den ganzen Sozialwissenschaften und der Medizin immer mehr in den Mittelpunkt. So weiß man mittlerweile um das Hormon "Oxytocin, das uns vertrauen lässt. Vertrauen ist auch extrem wichtig im Sport (Bergsteigen). Ohne Vertrauen würde der Gebrauchtwagenhandel zusammenbrechen. Einige Plattformen haben digitale Vertrauenswerkzeuge entwickelt. Bekannt ist das D.R.E.A.M.S.-Gerüst von Blablacar. Es besteht aus sechs Säulen: persönliche Angabe (Declared Information), Bewertungen (Ratings), Engagement, Aktivität, Moderation und soziale Netzwerke. Ohne Vertrauen könnte es keine Sharing Economy geben. Warum genießen aber wildfremde Online-Plattformen mehr Vertrauen als manche Nachbarn? Das hängt mit der Konstruktion digitaler Vertrauensnetzwerke zusammen (siehe oben). Empirisch ist die Studie "Trusted Company 2017" eine der wenigen Studien. 168 Unternehmen werden ausgezeichnet. Vertrauen führt volkswirtschaftlich zu geringerer Regeldichte und höherer Flexibilität. Auch die positive Reziprozität wird erhöht.  GPRA ermittelt einen Vertrauensindex. 2017 liegt Wikipedia an der Spitze. Gering ist das Vertrauen für Facebook. Mit im Spiel ist auch immer das Hormon Oxytoxin. Vertrauen hängt auch stark von Erfahrungen ab. Auch die Rahmenbedingung ist wichtig: In armen Ländern sind die Menschen viel weniger vertrauensselig als in den reichen Nationen. Wer aber ein reiches Sozialleben hat (und mehr vertraut) lebt länger, glücklicher und gesünder. Mit der Künstlichen Intelligenz wird das Vertrauen noch wichtiger, weil KI es nicht ersetzen kann. Über die Bedeutung von Vertrauen für eine Gesellschaft hat auch die Wirtschaftsnobelpreisträgerin 2009 Elinor Ostrom gearbeitet (Wege, die sicherstellen, dass andere vertrauenswürdig sind). Nach einer repräsentativen Studie für die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) 2013 haben die Deutschen wenig Vertrauen in den Markt. Vor allem bei Finanzprodukten gilt dies. Aber auch beim Kauf von Lebensmitteln. Der Verband fordert ein Frühwarnsystem. Die Bürger vertrauen den folgenden Institutionen am meisten, ihre Interessen als Verbraucher zu vertreten: Stiftung Warentest,Verbraucherzentralen, Bundesamt für Verbraucherschutz, Bundeskartellamt. Die Wirtschaftswoche berechnet einen Vertrauensindex (Elektronikmärkte vor Baumärkten und Unterhaltungselektronik). In den USA will man versuchen, mit dem Zerstören von Vertrauen im Darknet den Drogenhandel zu bekämpfen. Forscher  (Duxbury/ Haynie, Ohio State) haben herausgefunden, dass beim Drogenkauf weder Preis noch Auswahl entscheidend ist, sondern das Vertrauen. Also will man systematisch schlechte Bewertungen erzeugen  "Je länger ich über die Bedeutung von Vertrauen nachdenke, desto wichtiger kommt es mir vor", Jaron Lanier, Veteran des Internets, Informatiker.

Wahrheit und Vertrauen: Koordination zwischen Einzelnen findet typischerweise auf Märkten durch das Aushandeln von Preisen statt. Doch sogar wo Kommunikation zwischen Beteiligten möglich ist, gibt es Fehler in der Interaktion. Die Koordination kann verbessert werden, wenn Teilnehmende an Spiel-Experimenten sich durch einen Eid zur Wahrheit verpflichten, bevor sie ins Labor gehen. Die Aussagen werden vertrauenswürdiger, die Entscheidungen werden effizienter. Dahinter steckt die sozialpsychologische Theorie der Verpflichtung. Dieses Spiel-Experiment geht auf Robert W. Rosenthal und Reinhard Selten zurück. Vgl. Stephane Luchini: Menschen auf Märkten. können wir uns besser koordinieren, wenn wir die Wahrheit sagen? in: WZB Mitteilungen, Heft 159, März 2018, S. 38ff.

Vertrauen aufbauen: Gehen Sie verantwortungsvoll mit Problemen um. Beweisen Sie soziales Bewusstsein. Sprechen Sie über persönliche Werte. Verhalten Sie sich transparent. Haben Sie Vertrauen. Vermeiden Sie Gerüchte. Übertragen Sie Verantwortung auf dei Teammitglieder. Geben Sie Fettback und nehmen Sie es an. Vgl. Management einfach erklärt, München 2021, S. 150f.

Verbraucherranking und Vertrauen: Das Beratungs- und Marktforschungsunternehmen ServiceValue erhebt für die Wirtschaftswoche jährlich ein Verbraucherranking in Deutschland. Bei den Unternehmen gewinnt 2018 Rewe vor Samsung und AEG. Es zeigt sich, dass gesellschaftliche Verantwortung und betriebswirtschaftlicher Profit nicht miteinander im Widerspruch stehen. 2019 liegt Rewe vor Sony, AEG und Acer, vgl. WiWo 40, 27.9.2019, S. 62f.

Reputationsmanagement: Aktives Management für den guten Ruf. Das sollte professionell betrieben werden. Dabei gelten vier Maximen: Das Versprechen machen. Klarheit schaffen. Das Versprechen halten. Das Gute hervorbringen. Vgl. Fischer, Andreas: Was Unternehmen für den guten Ruf tun können, in: com!professional 2/2020, S. 36ff.

Gemeinwohl-Ökonomie: Das Konzept wurde vom österreichischen Attac-Mitbegründer Christian Felber entwickelt. Im deutschsprachigen Raum gibt es etwa 1400 Unternehmen, überwiegend kleinere, die sich dem Konzept verpflichtet fühlen. Ein Drittel legt jährlich eine entsprechende Bilanz vor. Langfristig wird angestrebt, eine solche Bilanz gesetzlich verpflichtend zu machen. Unternehmen mit einer guten Gemeinwohlbilanz sollen von niedrigeren Steuern, günstigeren Krediten und Bevorzugung bei der Auftragsvergabe profitieren. Manche zählen auch die Sozialunternehmen dazu. So etwa "morethanshelters" (2012 von Daniel Kerber gegründet). Das Unternehmen betreut soziale Projekte, wie etwa das Flüchtlingscamp Saatari in Jordanien., das modulare Zeltsystem Domo und eine Innovations- und Planungsagentur. Hier gehen auch Crowdfunding - Gelder und Fördergelder ein. Am besten haben die Genossenschaften diese Idee berücksichtigt. Sie ist also schon viel älter. Das Credo der Genossenschaftsidee ist: Eigenverantwortung durch Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung.  Das Revolutionäre seiner Idee liegt darin, Kredite und Geschäftsanteile als soziales Bindemittel zu sehen. Kreditgeber und Kreditnehmer sind Mitglieder. Es herrscht Symmetrie der Macht. Die Mitglieder helfen sich selbst, es fließen keine Mittel an Investoren. Das Motto lautet "Hilfe zur Selbsthilfe", Mildtätigkeit reicht nicht aus. Menschen verfolgen nicht nur egoistisch wirtschaftliche Ziele, sondern können partnerschaftlich zusammenarbeiten und kooperieren bei Geschäftsprojekten. Das schont ganz erheblich Ressourcen. Die Genossenschaftsidee ist damit auch nachhaltig. Versucht man die Genossenschaftsidee auf den Punkt zu bringen, besteht sie aus drei Prinzipien: Selbstversorgung (Menschen nehmen ihre eigenen Interessen in die Hand), Selbstverwaltung (jedes Mitglied hat das gleiche Stimmrecht), Selbstverantwortung (alle Mitglieder haften für die Genossenschaft). Die Genossenschaft ist von der Finanzierung her ein Beteiligungsmodell. Jedes Mitglied zahlt in das Genossenschaftsvermögen ein und erhält Anteile. Sie bilden das Eigenkapital des Unternehmens. Jedes Mitglied hat eine Stimme unabhängig von der Höhe der Einlage (anders als bei der AG). Entscheidungen dauern länger, haben aber eine breitere Basis. Wenn man die Idee der Gemeinwohl-Ökonomie umfassend sieht, ist sie schon sehr alt und geht auf Raiffeisen zurück, wenn man sie speziell auf Felber bezieht, ist sie etwas über 10 Jahre alt. Grundwerte sind Menschenwürde, Solidarität, Mitbestimmung, soziale Gerechtigkeit, Ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz. Sehr interessant ist die Verknüpfung von Markt und Unternehmen: Das geschieht durch Gemeinwohl-Matrix und Gemeinwohlbilanz. Sie beziehen ein: Lieferanten, Geldgeber, Mitarbeiter, Kunden, gesellschaftliches Umfeld. In Deutschland gibt es Anfang 2021 über 40 regionale Gruppen. International ist das Konzept besonders in Südamerika sehr verbreitet. Vgl. https://www.ecogood.org/de .

Gemeinwohl-Bilanz: Mit diesem Instrument wird der Beitrag eines Unternehmens zum Wohl der Gesellschaft messbar gemacht. Es ist die Säule der Gemeinwohl-Ökonomie. Ausgangspunkt ist die Gemeinwohl-Matrix: Auf der horizontalen Achse sind die Werte eingetragen. Es sind Menschenwürde, Solidarität/ Gerechtigkeit/ ökologische Nachhaltigkeit und Transparenz/ Mitentscheidung. Auf der vertikalen Achse stehen Stakeholder, also die Lieferanten, die Geldgeber, die Mitarbeiter, die Kunden und Kundinnen sowie die Gesellschaft. Daraus kann man eine Bilanz erstellen mit Punktezahl und verbaler Beschreibung. Es gibt ein Handbuch dazu. In der Regel vergibt ein zertifizierter Auditor die Punkte. Zuerst kann man natürlich eine Selbstbewertung machen. Es werden Bewertungsstufen angeboten: Basislinie, erste Schritte, Fortgeschrittene, Erfahrene, Vorbildlich. Eine wichtige Rolle spielt die Lieferkette. Als Benchmark wird oft die Firma "Vaude" genannt.

Gemeinnützigkeit: Gemeinnützige Gesellschaften verfolgen die Interessen ihrer Mitglieder und wohltätige Ziele. Es handelt sich um ein weites Feld: Private Stiftungen, Kooperativen, Bruderschaften, Verein auf Gegenseitigkeit, Soziales Unternehmen, NGO, Gemeinnützige Organisation.  Die Struktur dieser Organisationen ist unterschiedlich: Vorstand, Geschäftsführung (Kuratorium), Komitee, Verwaltung. Diese Formen gibt es in vielen Ländern, z. B.: Japan Zen Noh; Frankreich Credit Agricole; USA Nationwide Mutual Assurance; Deutschland Edeka AG; Großbritannien Co-operative Group.

Buy one Give one (Aus eins mach zwei): Neues Geschäftskonzept, dass mittlerweile einige Startups ausprobieren. Bei dem Verkauf von Produkten, z.B. LED, Schal, Brot, Schuhe oder Handtuch, versprechen die Unternehmen, ein gleiches oder ähnliches Produkt an Hilfsbedürftige zu spenden. Es gibt auch Spendenplattformen wie http:// www.betterplace.org .

Charity shopping: Online-Einkauf verbunden mit einer wohltätigen Spende. Auf der normalen Einkaufsplattform wird man vor dem Kauf mit wohltätigen Zwecken verbunden. Ein bestimmter Prozentsatz des Kaufpreises geht dann an die wohltätige Organisation. Spezielle Sonderplattformen in diesem Bereich arbeiten allerdings auch gegen Provisionen.

"Ich klaue nicht, ich zahle nur an die Richtigen": Initiative im Internet 2018. Die Kampagne wird vertreten etwa vom deutschen Peng!-Kollektiv.  Der Preiskampf der Discounter stehle den Menschen in den Produktionsländern ihre Menschenwürde. Es wird dazu aufgefordert, Orangen, Bananen oder Schokolade (Kakao, Kaffee, Orangensaft) im Discounter zu stehlen  und das Geld für soziale Zwecke zu spenden. Es soll damit Produzenten in Entwicklungsländern geholfen werden. Der Erfolg scheint aber fraglich. Besser ist sicher die Fairtrade - Idee. "Fast jeder Einkauf ist eine Form von Diebstahl", Gil Schneider, Sprecherin von Peng 2018 (DER SPIEGEL 13/24.3. 2018, S. 77.

Ehrbarer Konsument: Der Konsum ist abhängig vom Budget. Wir müssen uns mit dem Lebensnotwendigen am Markt versorgen. Wer auf Almosen angewiesen ist, verliert die eigene Freiheit, den Respekt der anderen und auf längere Sicht die Selbstachtung. Einkaufen ist insofern Teilhabe am kulturellen Leben und Voraussetzung für ein Leben in Würde. Deshalb gibt es die Vorstellung vom ethischen Konsum. Konsum soll rücksichtsvoll sein und sich an der Komplexität des Marktes orientieren. Vielleicht werden mal "Genossenschaften der ehrbaren Konsumenten" entstehen. Die Textilindustrie zählt zu den dreckigsten Industrien der Welt. Gerade in China, Bangladesch oder der Türkei sind soziale und ökologische Mindestanforderungen nicht geschätzt. Unmenschliche Produktionsbedingungen, Verstoß gegen die einfachsten Umweltregeln sind häufiger. Entscheidend sind die ehrbaren Konsumenten, die aber eher impulsiv als rational handeln. Clean Clothes Kampagnen sollen das Image der Branche aufpolieren.

Fairness: Kleine Kinder haben einen angeborenen Sinn für Fairness. Der Einfluss von Beziehungen wird umso größer, je älter die Kinder werden (Seilschaften). Fairness gehört auch zu den "Moral Sentiments" von Adam Smith. In Experimenten der Verhaltensforschung ist Fairness ein wichtiges Motiv. 58% der Erwerbstätigen in Deutschland sehen in Fairness (das heißt, alle Mitarbeiter werden fair und gleich behandelt) den wichtigsten Faktor, um sich ihrem Arbeitgeber zugehörig zu fühlen. Quelle: LinkedIn, Onlineumfrage von YouGov Deutschland unter 2040 Personen 2018.

Ehrlichkeit: Sie wird von Kunden belohnt. Daher stellt sie eine entscheidende Dimension bei der Marke dar und so auch beim Image. Besonders ein "Shitstorm" kann das Markenimage ganz schnell zerstören. Die negativen Kommentare bleiben lange, vielleicht für immer, im Internet.

Anstand: Das moralisch-ethische Verhalten jedes Einzelnen. Grundgedanke ist, dass Menschen nur im zusammenleben existieren können. Manche ziehen sich in die Sicherheit der eigenen sozialen Schicht zurück. Andere verlieren sich in der Arbeit an der eigenen "Performance". Viele Menschen arbeiten zu sehr am Ego und zu selten am Wir. Vgl. Axel Hacke: Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen, 2017 (Kunstmann-Verlag). Vgl. auch: Ders.: Anstand, in: die Zeit, Nr. 35, 24. August 2017, S. 51ff. "Nicht die Dinge beunruhigen die Menschen, sondern ihre Meinungen über die Dinge", Epiktet, Handbüchlein der Moral. "Je mehr ein Mensch sich schämt, desto anständiger ist er", George Bernhard Shaw, irischer Schriftsteller.

Werte in der Politik: Ein berühmtes Zitat von Napoleon enthält sicher einen Kern, über den es sich lohnt nachzudenken: "Um politisch richtig zu handeln, muss man in jeder Lage immer nur das Niederträchtigste tun. Der Erfolg rechtfertigt im Nachhinein alles. Er adelt das ursprünglich Böse, bis es als das sittlich Wertvolle erscheint", Napoleon.

Werte und Transparenz in der EU (Rechtsstaatlichkeit, Medien): Neue Kommissarin dafür ab Ende 2019. Es ist Vera Jourova. Sie war vorher schon EU-Kommissarin für Justiz.

Marken im Wertedilemma: Viele Marken vertreten Werte nur halbherzig. Klimasünden beklagen, aber dicke SUVs bauen. Regenbogenflaggen zeigen, aber nicht in totalitären Ländern. Kunden strafen das immer mehr ab. Vgl. Rieke, Nina/ Schwingen, H.-C.: Wie Werte Marken stark machen, Haufe 2021.

Ehrbarer Kaufmann: Die Wurzeln gehen in Deutschland bis ins frühe Mittelalter zurück. Europas Wirtschaftsordnung wurde damals von den Hansekaufleuten im Norden und italienischen Kaufleuten im Süden bestimmt. Die ersten Kaufleute, häufig zu Fuß unterwegs, waren auf ihren langen Reisen mit großen Herausforderungen konfrontiert. Kaufleute schlossen sich deshalb zu Gemeinschaften zusammen, um die Bedingungen des Wirtschaftens zu verbessern. Grundlage wurde das Kaufmannrecht von "Treu und Glauben". Das legte den Grundstein für den Ehrbaren Kaufmann. Heute spricht man von "Fairness-Regeln", deren Einhaltung zu einem "Well-Being" führt (durch die Gefühle Scham und Schuld empfindet man ein Optimum des eigenen Wohlbefindens).  "Nur ein tugendhafter Mensch ist bereit für die Freiheit", Benjamin Franklin, 1787, US-Präsident. Vgl. auch F. L. Sell: Homo oeconomicus und der ehrbare Kaufmann - ein unvereinbarer Gegensatz?, in: WISU 12/2015, S 1323.

Thales-Akademie, Freiburg: Sie tritt für gute Sitten im Geschäftsleben ein. Es geht auch um Wirtschaftsethik insgesamt.

Kongress christlicher Führungskräfte: Er findet alle zwei Jahre statt, 2019 in Karlsruhe. Veranstalter ist die evangelikale Nachrichtenagentur Idea.  Teilnehmen können Menschen in Leitungspositionen in Kirche, Diakonie, Gemeinden und aus anderen Organisationen. Man will die Werte des "ehrbaren Kaufmann", Verlässlichkeit, Vertrauen und Steuerehrlichkeit leben.

Führen durch Flunkern: So überschreibt die Wirtschaftswoche einen Artikel 2019. In der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts zählen nicht Anstand, Sitte, Ehrlichkeit und Offenheit. Wer nie lügt, schadet sich selbst, seinen  Kollegen und seiner Karriere. Die bekanntesten Fälle von Lüge werden aufgezählt (Sheryl Sandberg, Martin Winterkorn, Elisabeth Holmes, Donald Trump). Ebenso entsprechende Studien. Rettig, Daniel: Führen durch Flunkern, in: WiWo 24, 7.6.2019, S. 16ff.

Fair Trade: Organisation, die den fairen Handel fördert: Internationale Föderation/Assoziation für fairen Handel (IFAT). Am zweiten Samstag im Mai jeden Jahres ist der Welttag des fairen Handels. Der Fair Trade Tag in den europäischen Ländern wurde von Safia Minney, der britischen Gründerin von People Free (Modefirma, die nur fairen Handel betreibt und biologisch angebaute Produkte verwendet), begonnen. Das Sortiment fair gehandelter Produkte umfasst in Deutschland 2012 12.000 Artikel. Der Umsatz hat sich seit 2009 verdoppelt. Den meisten Umsatz bringen Lebensmittel. Zwei Drittel der Lebensmittel werden biologisch angebaut. Es gibt auch andere Organisationen, die sich dem Ziel verschrieben haben. So zum Beispiel die Kampagne für Saubere Kleidung (CCC). Sie wacht über die Nachhaltigkeit von Textilproduzenten. Immer wieder in der Kritik ist H&M. Kritisiert werden die Niedriglöhne der Näherinnen oder die fehlenden Lieferantenlisten. Nun fordert die Firma selbst Fair-Trade-Siegel für Textilien.  Billigfirmen wie Kik halten sogar ihre Zusagen für Entschädigung in den Produktionsländern nicht ein. Beim Schokoladenkauf sollte man fragen, woher der Kakao stammt und ob die Firma nachhaltig arbeitet (Label: Fair-trade, Rainforest-alliance, UTZ certified). Davon profitieren Kleinbauern, vor allem in Westafrika. Vor etwa 40 Jahren kam der erste fair gehandelte Kaffee auf den deutschen Markt (GEPA - Fair Trade Company, Wuppertal). Die Initiative ging von Misereor (Gesellschafter von GEPA) aus. Die Gesamtstrategie lautet "Fair plus". Die GEPA wurde für ihre Verdienste um die Nachhaltigkeit und den Fairen Handel vielfach ausgezeichnet (z. B. Deutscher Nachhaltigkeitspreis 2011). Für fair produzierte Kleidung setzt sich die unabhängige Non-Profit-Organisation "Fear Wear Foundation" ein. Sie setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen in Näh - Fabriken, bei Zulieferern und Subunternehmern ein. 2014 gibt es in der Hamburger SPD einen Vorstoß, fair gehandelten Kaffee mit einem Steuervorteil zu belegen, damit er konkurrenzfähiger wird. Daran schließt sich eine Debatte an, was "fair" bedeutet. Viele faire Produkte stecken voller konventioneller Zutaten. Einerseits hat für immer mehr Verbraucher Konsum auch eine moralische Seite; andererseits sind die Siegel unzuverlässig, insbesondere was Rohstoffe angeht. Entsprechende Siegel in Deutschland vergeben Gepa, Rainforest Alliance, Fairtrade, utz und Naturland.   Im ersten Halbjahr 2013 stieg der Umsatz fair gehandelter Waren gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 20% auf auf 300 Mio. €. 1,72 Euro gibt jeder Deutsche im Schnitt für Produkte mit dem Fairtrade - Siegel aus. In Europa führen die Schweizer mit 21,06 Euro. In Deutschland sind 450 Städte, die sich "Fair-trade-Stadt" nennen dürfen: In der Pfalz gehören dazu Speyer, Schifferstadt, Germersheim, Eisenberg, Kichheimbolanden und Rumbach. 2019 wird für Fair Trade ein Rekordjahr. Die Corona-Krise 2020 bringt unabsehbare Risiken mit sich: Einerseits wächst das Bewusstsein für fairen Handel. Andererseits sind ei globalen Lieferketten großen Störungen ausgesetzt (Lieferketten zerbrechen, Flugzeuge können nicht fliegen, Häfen sind geschlossen). 2020 konnte Fairtrade mehr Kaffee und Zucker verkaufen. Der Umsatz ist 2020 auf 1950 Mio. € gestiegen (2000: 52 Mio. €). Ganz oben bei den Produkten stehen Kaffee und Kakao. Der Marktanteil ist am höchsten bei Rosen (33%) und Bananen (17%). 2022 überspringt der Umsatz mit fair gehandelten Produkten die Schwelle von 2 Mrd. € Umsatz (2,2). Kaffee macht rund ein Drittel aus. Dann folgen in der Rangfolge: Südfrüchte, Textilien, Eiscreme, Blumen, Schokolade, Tee.

Gepa: Ein bekanntes Fair-Trade-Unternehmen. Es ist ein Handelsunternehmen, hinter dem mehrere kirchliche Organisationen stecken.

Bio Mainstream: Im Einzelhandel ist das Geschäft mit Biolebensmitteln die große Wachstumshoffnung. Der Umsatz mit Biolebensmitteln ist 2015 auf 9 Mrd. € gestiegen (2000 unter 3 Mrd. €). Mittlerweile gibt es aber Preiskämpfe, Massenproduktion und Expansion. Andererseits ist Bio in den Sortimenten auch zum Standard geworden. In Deutschland gibt es 2017 13.972 Bioerzeuger nach Verbandsstandard (Biokreis, Biopark, Demeter, Ecoland, Ecovin, Bioland, Naturland, Gäa, Verbund Ökohöfe). Dann gibt es nochmals 12.883 Betriebe nach EU-Standard (EU-Biosiegel, nur das Nötigste). Immermehr Bioprodukte werden nach Deutschland importiert (2013-2015 +384%). Quelle: Wirtschaftswoche 26/23.06.17, S. 14.

Zahlungsmoral: Säumige Kunden können Unternehmen die Existenz kosten. Das "Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr" von 2014 soll Abhilfe schaffen: Als Frist ist die Zahlung sofort fällig. Die Begrenzung bei freier Vereinbarung wird eingeschränkt. Es muss eine Bestätigung erfolgen. Verspätete Zahlungen werden teurer. Es wird auch eine Pauschale eingeführt. Notfalls kann die Rechnung an eine Factoring-Gesellschaft abgetreten werden (vgl. Finanzierung), die eine hohe Gebühr berechnet. Die Zahlungsmoral in Europa ist 2017 angestiegen (78% aller Rechnungen werden pünktlich bezahlt). Die Deutschen zahlen am zuverlässigsten (vor Schweiz und Österreich). Gründe für das Nichtbezahlen sind Liquiditätsengpässe und Überschuldung. 

Corporate Identity: Sie besteht aus Corporate Behaviour, Corporate Communication und Corporate Design. Dahinter verbergen sich die Unternehmensgrundsätze und die Unternehmensphilosophie. Alle bisher genannten Elemente zusammen bilden die Unternehmenskultur. Vgl. Regenthal, G.: Ganzheitliche Corporate Identity, Wiesbaden 2009.

Unternehmenskultur: Die Unternehmenskultur in KMU ist stark von der Rechtsform und der Größe beeinflusst. Bei Einzelunternehmen, die von der Häufigkeit her vorne liegen, ist die Persönlichkeit des Unternehmers prägend. Weil Männer und männliche Nachkommen in der Vergangenheit dominierten, spricht man deshalb auch von patriarchalischer Kultur (aus dem Griechischen; Vaterrecht, bzw. Erster unter den Vätern; männliches Oberhaupt einer Familie oder Organisation). Grundlage eines patriarchalischen Unternehmers ist sein Charisma und seine Autorität (natürlich auch abgestützt durch die Fähigkeit Lohn und Sanktionen zu geben). Diese Kultur dürfte auch in Familienkontrollierten Unternehmen und Eigentümergeführten Unternehmen insgesamt dominieren (wenn die Nachfolge von einer Frau ausgefüllt wird, bleibt der Fachausdruck trotzdem erhalten; wir haben mal auf einer Tagung in Istanbul erfolgreiche von Frauen geführte Familienunternehmen betrachtet). Insgesamt ist aber auch in mittelständischen Unternehmen die teamorientierte Führung (zwei bis drei Personen) auf dem Vormarsch (Umfrage der Commerzbank 2011 bei 4000 KMU). Schein (Corporate Culture, 2003) unterscheidet grundsätzlich drei Ebenen der Unternehmenskultur: Basisannahmen, Werte und Normen und Artefakte/ Symbole. Als Varianten werden auch oft unterschieden  Rollenkultur, Clubkultur, Aufgabenkultur und existenzielle Kultur. Mittlerweile redet man auch von Kultur 4.0. Vgl. Canal, S.: Berührungspunkte zwischen Corporate Identity, Unternehmenskultur und Personalpolitik, Hamburg 2007. "Verantwortung für ein Unternehmen zu übernehmen, bedeutet permanente Arbeit an der Unternehmenskultur", Antje von Drewitz, VAUDE Sport GmbH & Co. KG, Geschäftsführerin, Familienunternehmen.

Varianten der Unternehmenskultur: Rollenkultur, Clubkultur, Aufgabenkultur, Existenzielle Kultur. Einflussfaktoren sind Größe des Unternehmens, Struktur (Shamrock bzw. formale Organisation), Grundwerte (Paradigma), Führung, Symbole, Kontrollsysteme.

Nationale Kulturen und Unternehmenskultur: Es besteht sicher ein Zusammenhang zwischen der jeweiligen Kultur eines Landes und der Unternehmenskultur. Genauere Untersuchungen darüber wären wünschenswert. Besondere nationale Einflüsse zeigen sich in folgenden Elementen: Datenschutzverständnis (USA: Unternehmen haben das Recht auf möglichst viele Daten, weil sie ja kostenlos Service anbieten, z. B. Google). Einstellung zu Misserfolgen (USA: Misserfolge und Pleiten sind unwichtig; entscheidend ist, wieder aufzustehen). KMU bilden Netzwerke der Solidarität (Japan: Solidaritätsnetzwerke gehen vor Profit).

Acht Kulturstile: Acht Faktoren prägen die Unternehmenskultur. 1. Fürsorglichkeit. 2. Sinn. 3. Lernen. 4. Freude. 5. Ergebnisse. 6. Autorität. 7. Sicherheit. 8. Auftrag. Damit kann jede Unternehmenskultur identifiziert werden. Ergebnisse liegt empirisch an der Spitze, Fürsorglichkeit an zweiter Stelle. Darauf folgen Auftrag und Lernen. Vgl. Boris Groysberg, Jeremiah Lee, Jesse Price, J. Yo-Jud Cheng: Eine Frage der Kultur, in: Harvard Business Manager, März 2018, S. 21ff.

Stakeholder-Kapitalismus statt Shareholder - Value: Unternehmen weltweit verabschieden sich vom Prinzip der Gewinnmaximierung. Sie versprechen, die Interessen des Kapitals künftig mit denen der Mitarbeiter, Kunden und Zulieferer in Einklang zu bringen. Vgl. Carsten Lotz: Das Ende des Shareholdervalue? in: WiWo 42, 15.10.21, S. 40f.

Transparenz: Sie wird zunehmend als Grundlage guter Unternehmensführung verstanden, auch transparentes Management genannt. "Open Innovation" oder "Open Strategy" kennzeichnen dies etwa. Transparenz soll auch nützen. Transparenz bedeutet für die Wissenschaft einen besseren Datenzugang. Vgl. Guido Möllering, Interview, in: bdvb aktuell, Nr. 137, S. 18f.

Clash of Cultures: Generationenkonflikt. Der Senior im Unternehmen hat noch die Macht, der Junior kann operativ nicht durchgreifen. Das kann problematisch in der digitalen Transformation sein. Erforderlich ist eine generationenübergreifende Zusammenarbeit und der Abbau klassischer Hierarchien. In der digitalen Ökonomie findet eine Verknüpfung von Struktur und Kultur statt.

Wirtschaftsmediation: Konflikte in der Arbeitswelt nachhaltig lösen. Es geht um eine Verständigung der Gegner und eine tragfähige Lösung. Sie soll Gerichtsverfahren verhindern. Normalerweise kommen folgende Phasen vor: Vertraulichkeit herstellen, individuelle Sichtweise der Beteiligten, Moderation, Entwicklung einer Lösung, Vereinbarung.

Umweltmanagement: In den vergangenen Jahren ist der betriebliche Umweltschutz zu einem eigenständigen Unternehmensziel geworden. Das betriebliche Umweltmanagement stellt eine neue unternehmerische Führungsaufgabe dar. Instrumente sind z. B. das Öko-Audit oder Öko-Bilanzen.

Umweltrechnungswesen: Es umfasst zwei Teile: Die mengenmäßige Input-Outputrechnung (stoffliche und energetische Mengenbilanzen, stoffliche und energetische Flussrechnungen). Die wertmäßige Aufwand- und Ertragsrechnung. Sie münden in Umweltberichten (nach ISO 14.001 und ISO 14040ff. bzw. EMAS).

Umweltorganisation: Funktionen: Umweltbeauftragter. Immissionsschutzbeauftragter. Abfallbeauftragter. Abwasserschutzbeauftragter.

Nachhaltigkeitsmarketing: Nach Belz (Nachhaltigkeits-Marketing, Wiesbaden 2005) als duale Führungskonzeption zu planen. Das im doppelten Sinne. Einmal durch Einbeziehung der Beschaffungs- und Absatzmärkte. Zum anderen durch eine marktorientierte und umweltorientierte Führungsphilosophie. Dabei sind die Stufen Beschaffung, Produktion und Marketing zu beachten. Es wird auch ein Nachhaltigkeitsimage verschiedener Marken ermittelt. 2016 führt Miele vor Erdinger, Radeberger und Landliebe (Quelle: Serviceplan).

Konstitutive Elemente der Nachhaltigkeit nach der Brundtland-Kommission: Bericht von 1987. Benannt ach der Vorsitzenden der UN-Weltkommission für Umwelt und Entwicklung.  1. Bedürfnisorientierung. 2. Intergenerative Gerechtigkeit. 3. Intragenerative Gerechtigkeit. 4. Integrativer Aspekt (vgl. nächsten Abschnitt).

Nachhaltigkeit als normatives Leitkonzept: Der Begriff geht Carl von Carlowitz in der preußischen Forstwirtschaft des 18. Jahrhunderts zurück. Ein Meilenstein war 1972 die Studie "Grenzen des Wachstums" des Club of Rome. Der Brundtlandbericht förderte 1987 die Nachhaltigkeitsdebatte. Im 21. Jahrhundert prägen die Klimakonferenzen die Diskussion. Vgl. G. Grunwald/ J. Schwill: Nachhaltigkeitsmarketing, in: WISU 12/17, S. 1364ff.

Vier Leitlinien bei der Umsetzung der Nachhaltigkeit: Verantwortungsprinzip, Kreislaufprinzip, Kooperationsprinzip, Stakeholder-Prinzip.

Instrumente des operativen Nachhaltigkeitsmarketings: 1. Nachhaltige Produktpolitik: alternative Produkte, Produktkern, Produktperipherie. 2. Nachhaltige Preispolitik: nachhaltiger Nutzen sichtbar, Mischkalkulationen, Sharing. 3. Nachhaltige Distributionspolitik: umweltfreundliche Transportmittel, Ressourcen schonende Verpackungen, Mehrwegsysteme. 4. Nachhaltige Kommunikationspolitik: Sponsoring, Lieferkettenkommunikation.

Neue Nachhaltigkeit: Die Ausrichtung der Unternehmen allein auf Rendite-Maximierung ist vorbei. Sie brauchen einen neuen Ansatz für Nachhaltigkeit. Das soll der "Game-Changer" sein. Sogar Larry Fink, der Chef des weltgrößten Vermögensverwalters "Blackrock" weist darauf hin.

ESG-Kriterien: Environmental, Social & Governance. Diese Kriterien werden auch zertifiziert, z. B. von der Non-Profit-Organisation Luxflag. 

Institutionelle Innovationen für mehr Nachhaltigkeit in Unternehmen: Physisch und kulturell dauerhaftes Produktdesign. Reparabilität und Modularität. Nutzungsdauerverlängerung.

Greenwashing: Vortäuschen von Umweltschutz in der Werbung oder im Verkauf. Dies geschieht oft mit Hilfe von Siegeln, die nicht geschützt sind. Es werden also falsche bzw. unvollständige Informationen durch eine Organisation verbreitet, um ein umweltverantwortliches Image der Öffentlichkeit zu vermitteln. Die Formen reichen von "lockerer Sprache" über "Öko-Jargon" bis "Lügen".  Eine besondere Rolle spielt auch die Verpackung, die das Produkt beschreibt. Von besonderer Bedeutung ist auch die Farbe "Grün". 2024 verbietet die EU Greenwashing. Eine bewusste Täuschung und damit Betrug im Marketing bezeichnet man als Greenscamming (Masche, Betrug). Hier ist das Risiko des Enttarnens hoch, woraus großer Schaden entstehen kann.  2017 gerät Aldi in die Kritik , weil Nackensteaks ganz günstig angeboten werden mit dem Tierwohl-Siegel. Die Tierrechtsschützer von Peta sprechen von einer perfiden Marketingstrategie. Vgl. Furlow, N.: Greenwashing in the New Millenium, in: Journal of Applied Business & Economics, Vol. 10, Nr. 6, 2010. Staud, T. Grün, grün, grün ist alles, was wir kaufen: Lügen, bis das Image stimmt, Köln 2009.

Deep Marketing: Die Wirtschaft kauft  bzw. finanziert Ethikinstitute. Beispiele 2019 sind die Lungenärzte, die Lobbyarbeit für die Automobilindustrie betreiben oder Facebook, das ein Ethik-Institut an der TH München kauft.

Nachhaltigkeit: Unternehmen gelten als nachhaltig, wenn sie eine positive Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft entfalten. Die Vorteile von Nachhaltigkeit sind: 1. Mehr Loyalität. 2. Bessere Manager. 3. Mitarbeiter. Wichtig sind ethische Standards. Konzepte sind CSR und United Nations Sustainable Development Goals. Vgl. Management einfach erklärt, München 2021, S. 86f.

Nachhaltigkeit und KMU: Durch nachhaltiges Wirtschaften kann der Erfolg erhöht werden. Im Zertifikathandel kann es zu Wettbewerbsverzerrungen kommen. Öko-Dumping im Ausland hat sich als zu risikoreich mittlerweile erledigt.  Viele Staaten setzen positive Anreize beim Umweltschutz (z. B. China). Die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit ist ein globaler Megatrend. Wenn Unternehmen zukunftsfähig bleiben wollen, müssen sie ökologische und soziale Aspekte integrieren. Wichtig ist mittlerweile auch das Nachhaltigkeitsimage verschiedener Marken: Serviceplan ermittelt 2015 als größte Aufsteiger Hipp, Miele, Milupa und Toyota. Größte Absteiger sind Audi, Wrigley und Esprit. Die Nachhaltigkeit beeinflusst den ganzen Ruf (Reputation) stark. Auch Apple steckt viel Geld in eine Ökokampagne. Vgl. auch: Grunwald, A./ Kopfmüller, J.: Nachhaltigkeit, Frankfurt/ New York 2012 (2. Auflage).   

Soziale Nachhaltigkeit in KMU (Social Sustainability): Normalerweise wird sie aus Social Compliance, nachhaltiger Personalwirtschaft (Nachfolge, Familie) und nachhaltiger Finanzierung (Selbstfinanzierung, Eigenkapital) gebildet. Im Master des Weinbaustudiengangs habe ich dazu eine Veranstaltung in Englisch mit StudentInnen weltweit. Gefährlich ist, die Social Sustainability als Brand Purpose  zu kommunizieren. Kunden wollen in der Regel keine moralischen Belehrungen, sondern wissen, was sie für ihr Geld bekommen.

Nachhaltigkeitsbericht: Das Bilanzieren der Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung. Die Global Reporting Initiative (GRI) hat eine weltweiten Standard entwickelt. Zwischen 2008 und 2012 gab es in Deutschland eine Verdreifachung der Reporte. In erster Linie sind diese Berichte auf den Kapitalmarkt ausgerichtet (vor allem bei AG). Deshalb sind sie im Mittelstand noch die Ausnahme. Das ändert sich 2023. auch Mittelständler müssen bald Nachhaltigkeitsberichte vorlegen. Vgl. Velte, Patrick: Politische Offensive gegen das Greenwashing, in: WiWo 9/ 24.2.23, s. 41.  2018 geben Daimler, VW und BMW Nachhaltigkeitsberichte nach dem Dieselskandal heraus. Man sieht in diesem Berichten, dass es mehr um Aufpolieren und Reinwaschen geht und weniger um aussagefähige Statistiken. Die Berichte enthalten nur "frohe Botschaften". "Am Ende dürften die neuen Nachhaltigkeitsberichte zu einer komplexen ökologischen Bilanz der betrieblichen Wertschöpfung mutieren", Velte, ebenda.

Nachhaltigkeitsbewertung von Unternehmen (Nachhaltigkeitskodex): Drei Bereiche: 1. Ökologische Verantwortung. Unterkategorien: Emissionsintensität, Ressourcenintensität, Müllaufkommen und Recycling, Kontrolle der Lieferkette. 2. Ökonomische Verantwortung: Innovationsfähigkeit, wirtschaftliche Leistung, Qualität, Corporate Governance. 3. Soziale Verantwortung: Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Qualität der Beschäftigungsverhältnisse, Abwesenheit von Diskriminierung, Produktsicherheit. Hinzu kommt das Vorhandensein und die Struktur eines Nachhaltigkeitsberichts. Vgl. Der Focus 36/2020, s. 92ff.

EU-Finanzmarktregulierung für Klimaschutz: Die EU will ab 2019 bis 2024  die Monetarisierung der Klimapolitik mit der Regulierung der Finanzmärkte verbinden. Jahresberichte sollen zukünftig mehr Informationen zur Nachhaltigkeit enthalten, damit Investoren dies bei ihren Entscheidungen berücksichtigen können. Nachhaltigkeitsfaktoren sollen auch zukünftig eine größere Rolle bei Ratings spielen. Erwogen wird zudem, Hypothekarkredite für Energieeffizienz in den Bilanzen der Banken bevorzugt zu behandeln. Mit anderen Ländern soll auch eine internationale Plattform für einen globalen Ansatz entwickelt werden.

EU-Verzeichnis für nachhaltige Unternehmen: Es soll 2020 kommen. Es definiert, wie nachhaltig Unternehmen wirtschaften. Anlagen sollen sich nicht nur rechnen, sondern Gutes tun.

Zertifikate der Nachhaltigkeit: Entweder selbst zertifizieren lassen oder bei Anbietern mit Siegel kaufen. Branchenübergreifend gibt es Fairtrade (siehe oben). Bei Textilien werden viele Siegel angeboten (global-standard.or; fairwear.org; naturtextil.de). Bei Lebensmitteln kann man auf folgende zurückgreifen: msc.org, sternenfair.de. Dutzdende von Siegeln gibt es in der Landwirtschaft (bioland.de; demeter.de; naturland.de). Für Möbel liegt vor: fsc-deutschland.de. Focus-Money vergibt Nachhaltigkeitspreise an Unternehmen. Es geht hier um die Sicht der Verbraucher. Auf dem Prüfstand stehen 1400 Unternehmen bzw. Marken aus über 100 Branchen.

Rang Nachhaltigkeit: Wird von Harvard Business Manager vergeben. Wird aus den beiden Komponenten Sustainalytics und CSRHub gebildet und auf die Bewertung von CEOs angewandt.

Grüne alternative Masterpläne: Auch Unternehmensinitiativen beschäftigen sich mittlerweile mit dem Thema. Sie wollen auch eine Verbindung mit den Spielregeln an den Aktienmärkten. Wachstum soll neu vermessen werden, gesellschaftliche Faktoren und der Schutz der Umwelt sollen besser honoriert werden. So entwickelt eine Gruppe um das Vorstandsmitglied Saori Dubourg der BASF einen Value for Society: Er besteht aus den drei Faktoren Ökonomischer Wert, Sozialer Wert und Ökologischer Wert. Vgl. Niejahr, Elisabeth: Grüner Masterplan, in: WiWo 23, 31.5.19, S. 54f.

Nachhaltiges Engagement: Ökologische, ökonomische und soziale Verantwortung von Firmen. Ermittelt in einem Deutschland-Test von dem Analyse- und Beratungshaus ServiceValue Anfang 2019 im Auftrag von Focus Money. Einbezogen werden 500.000 Verbraucherurteile. Die Testsieger werden nach Branchen bekannt gegeben. Vgl. Focus 16. März 2019, S. 94ff.

Finanzsektor und Nachhaltigkeit: Der Finanzsektor soll zukünftig auch Klimaschutzzielen unterworfen werden. Anleger und Investoren wollen für Nachhaltigkeit Rendite kassieren. Das ganze läuft unter dem Motto "Nur grünes Geld ist gutes Geld" (vgl. WiWo 17, 18.4.2019, S. 28). So wird auch der DAX einem Nachhaltigkeits-Check unterworfen. Äußerst positiv werden Allianz und Münchener Rück bewertet. Sehr positiv sind SAP, Infineon, und Deutsche Börse. Positiv Merck, Wirecard, Deutsche Telekom, Henkel, Siemens, Adidas, Deutsche Post, Neutral Covestro, Continental, BMW, FMC. Negativ werden die restlichen unternehmen bewertet. Quelle: Globalance Footprint. Ebenso werden Investitionen in ihrer positiven Wirkung auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft bewertet: 2018 wurden 2900 Milliarden Euro investiert. Quelle: Forum Nachhaltige Geldanlagen.

Institutionelle Anleger (Investoren) und Nachhaltigkeit: Institutionelle Anleger machen Ernst beim Thema Nachhaltigkeit. Aktiengesellschaften müssen ihnen jetzt Rechenschaft darüber ablegen, was sie für Umwelt und Gesellschaft tun ("Environmental, Social and Governance, ESG). Fünf Maßnahmen helfen Unternehmen, sich auf das neue Zeitalter einzustellen: 1. Erklären, welchen übergeordneten Sinn ihr unternehmerisches Handeln hat. 2. Investoren einen integrierten Bericht vorlegen. 3. Ihre Mittelmanager bei ESG-Themen stärker einbinden. 4. In neue Software investieren. 5. ESG-Ziele besser messen. Vgl. Eccles, R. C./ Klimenko, S.: Revolution der Investoren, in: HBM, September 2019, S. 30ff.

Klimakapitalismus: Kapitalanlagen in karbonfreier Produktion. Erhaltung der natürlichen Grundlagen unseres Lebens. Kooperationen zwischen Unternehmen, NGOs und Regierungen.

Umweltschutz am Produkt: Er richtet sich nach folgenden Grundsätzen: 1. Je kleiner ein Produkt ist, desto geringer sind die Mengen am Altprodukten (Miniaturisierung). 2. Je leichter das Produkt ist, desto umweltfreundlicher ist es (Gewicht). 3. Je länger das Produkt lebt, desto geringer der Abfall an Altprodukten (Lebensdauer). 4. Je benutzerfreundlicher das Produkt ist, desto seltener sind Ersatzprobleme (Benutzerfreundlichkeit). 5. Je geringer die Produktionsrückstände sind, desto umweltfreundlicher ist das Produkt (Abbaubarkeit). Vgl. Albach, Horst: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 2000, S. 390.

Umweltschutz bei Produktionssystemen: End-of-Pipe-Produktionssysteme, Integrierte Produktionssysteme, Produktionsplanung mit Abprodukten.

Berliner Erklärung zu nachhaltigen und sicheren Lieferketten in der Industrie (Berliner Konsens): Kooperation von OECD, BMA, DAX-Unternehmen, BDI, BDA und NGO. Abschluss nicht mehr vor der Bundestagswahl 2017 Umstritten sind Haftungsfragen für den Mittelstand und Sozialstandards. Nachhaltige Lieferketten sind auf den G20-gipfeln und G7-Treffen bekräftigt worden.

Peerproduktion und Commons: Gemeingutfertigung durch Ebenbürtige. Sie basiert auf dem Bedürfnisprinzip. Die heute schon greifbaren Resultate sind freie Softwareprojekte wie Linux und Firefox oder auch Wikipedia. Die Trennung von Produzent und Konsument ist überwunden. Die Beteiligten produzieren - ohne Hierarchie und Machtstrukturen - in freiwilliger Kooperation. Eine bewährte Organisationsform ist die Genossenschaft, die heute eine Renaissance erlebt (vgl. das Genossenschaftsmodell bei Finanzierung und Share-Economy bei Mikroökonomik).

Kollaborative Commons: Die kapitalistische Gesellschaft entwickelt sich zu einer hybriden Wirtschaft. Der eine Teil besteht aus dem kapitalistischen Markt. Der andere Teil aus einem neuen System des Gemeinguts. Durch die Digitalisierung entwickeln sich immer neue Formen des Kollektivs als Wirtschaftsform (Teilen von Wohnungen über Airbnb; gemeinsame Nutzen von Autos; Masssen-Onlinekurse). Jeremy Rifkin spricht von einem Paradigma der kollaborativen Commons. Vgl. Ders.: Die Null-Grenzkostengesellschaft, Frankfurt (Campus-Verlag) 2014.

Spenden: Zahlungen von Firmen oder von Privatpersonen für das Gemeinwohl. In der Regel können Spenden Steuer senkend geltend gemacht werden.  In den USA wird kulturell erwartet das Erfolgreiche der Gesellschaft etwas zurückgeben. In Deutschland sieht man das mehr als Aufgabe des Staates. Stiftungen sind von ihrer Konstruktion her als Steuersparmodell aufgebaut. Die großen Spender dieser Welt, die mit Stiftungen arbeiten sind: Bill Gates (75 Mrd. $), Mark Zuckerberg (45 Mrd. $), Larry Page (35 Mrd. $ für Moonshots), Susanne Klatten (19 Mrd. €), Richard Branson (5 Mrd. $), Ted Turner (2 Mrd. $). Es gibt auch auf Spenden spezialisierte Berater (Foundation Strategy Group, Phineo, New Pilanthropy Capital). Im Slicon Valley gibt es ein Philanthropie-Center. In Deutschland gibt es mehr als 20.000 Stiftungen. Es werden auch philosophische Ideen dazu entwickelt (effektiver Altruismus, Peter Singer, William MacAskill). Es gibt sogar mittlerweile Berater, die Spendern Marktdenken beibringen wollen. Es geht darum, Gutes zu bewirken, statt nur Gutes zu tun (z. B. Phineo). 2016 geraten Spitzenpolitiker von SPD und CDU in die Diskussion. Sie haben Treffen gegen Spenden organisiert. Sogar die Bundeskanzlerin hat Spendendinner  veranstaltet (Fundraising-Dinner).  Der Deutsche Spendenrat erwartet für 2016 das zweitbeste Ergebnis der vergangenen zehn Jahre (5 Mrd. € Spenden). Die Deutschen spendeten 2017 5,2 Mrd. €. Das waren 1,4% weniger als 2016. Es spendeten weniger Menschen, dafür aber häufiger. Die Kirchen sind die Verlierer der Spendenbilanz. "Generation 70plus" unterstützt großzügig. 2018 ging die Anzahl der privaten Spender  zurück auf insgesamt 24,4% der Bevölkerung. Das Volumen der Spenden könnte leicht steigen (das hohe Volumen kommt durch die Mehrfachspenden; Quelle: GfK). Folgende Organisationen sammeln die meisten Spenden ein: Ärzte ohne Grenzen e V., Plan International Deutschland e. V., SOS-Kinderdörfer e. V. Interessant ist "Common Goal". hier spenden Profis, Trainer und Funktionäre des Fußballs ein Prozent ihres Gehalts für wohltätige Zwecke. Dazu gehört auch Jürgen Klopp. Die größten Spender der Welt (Finanziers von NGOs) sind: Jeff Bezos, MacKenzie Scott (Amazon), Michael Bloomberg, Knight, Jack Dorsey (Twitter).

Nudging und Spendenbereitschaft: Nudging kann soziales Engagement erhöhen. Dazu eignen sich Defaults oder Anker. Es kommt auf die Feinheiten im Design an. Vgl. Ein Stupser, um Gutes zu tun, in: WZB Mitteilungen, Heft 158, 2017, s. 26ff. "Sich ernsthaft um andere zu sorgen, sowohl im privaten wie im öffentlichen Leben, würde uns der Welt, nach der wir uns so sehnen, sehr viel näher bringen!" Nelson "Madiba" Mandela (1918 -2013).

Spendenbereitschaft und Beobachtung: Menschen spenden mehr Geld, wenn sie sich beobachtet fühlen. Dafür kann schon ein Foto genügen oder ein künstliches Augenpaar. Durchschnittlich wurde so 80% mehr gespendet.

Online-Spenden: Sie sind auf dem Vormarsch. Das geschieht auch über Plattformen. Eine führende Plattform ist betterplace.org. Sie bietet unternehmen jeder Größenordnung Lösungen an. Es geht um digitale Lösungen von CSR-Strategien. Unternehmen sollen ihr gesellschaftliches Engagement digital denken und online sichtbar machen. Im Gegensatz zu Crowdfunding geht es hier nur um eine Spende. Es gibt auch keine Mindestkapitalmenge.

Parteispenden: Die Spenden von Unternehmen spielen in der Parteienfinanzierung eine große Rolle. Sie spendeten jährlich Millionen Euro. Siemens, Volkswagen und Daimler beenden diese Praxis. Am höchsten sind die Spendenanteile bei FDP und AfD (ca. 40%). Ein Drittel des Geldes bekommen die Parteien vom Staat (nach der Anzahl der Wähler). 20 bis 30% stammen aus Mitgliederbeiträgen.

Sponsoring: Förderung von Einzelpersonen oder Organisationen durch Institutionen in Form von Geld-, Sach- und Dienstleistungen in der Erwartung einer den eigenen Marketingzielen unterstützende Gegenleistung zu erhalten. Hauptsächlich geht es um die Finanzierung von Ereignissen durch Unternehmen, um einen Werbeeffekt oder ein anderes Ziel zu erreichen. Von Jahr zu Jahr steigen die Ausgaben deutscher Unternehmen für Sponsoring (gehören in der Regel zum Werbebudget). Gleichzeitig klagen die Konsumenten über eine Informationsüberflutung. Wann kann sich Sponsoring lohnen? Insbesondere dann, wenn der Logik der Aufmerksamkeitsökonomie entsprochen wird: nicht Informationen stellen das knappe Gut dar, sondern die Aufmerksamkeit. diese gilt es zu maximieren (Vgl. Breuer, C./ Boroncyyk, F.: Ist Sportsponsoring wirklich sein Geld wert? in: bdvb aktuell Nr. 133, S 6f.). Die Unternehmen und Verbände etwa rücken immer mehr von Parteispenden ab (bei Spenden von mehr als 50.000 Euro ist eine rasche Veröffentlichung vorgeschrieben). Sie stellen auf Sponsoring um, z. B. Sponsoring von Parteitagen. Eine große Rolle spielt Sponsoring auch bei sportlichen Großereignissen (Volksläufe, Stadtläufe u. a.). 

Stiftung: Oft Wohltätigkeitsorganisation. Sie nehmen Geld von Reichen und Mächtigen. Sie werden auch als Steuersparmodell genutzt. Deutschlands Vermögende gründen immer mehr Stiftungen. Seit 2001 sind 10.789 gemeinnützige Stiftungen in Deutschland gegründet worden. 649 wurden aufgelöst. Ein Beispiel ist die Clinton Foundation. Sie wurde 2001 gegründet und verfügt 2016 über 2 Milliarden Dollar. Projekte liegen im Klimabereich, in der Entwicklungshilfe, in der Gesundheit und bei Bildung und Rechte. Spender sind Persönlichkeiten, Unternehmer, Konzerne, Staaten und Organisationen.

Wohltätigkeitsorganisationen in der Welt (privat): An der Spitze liegt die Chan Zuckerberg Initiative (65 Milliarden Dollar), gefolgt von der Bill & Melinda Gates Foundation (44,3 Mrd. ). Dahinter liegen die Ford Foundation (13) und der J. Paul Getty Trust (12). Dann kommen Robert Wood Johnson Foundation, Lilly Endowment und the William and Flora Hewlett Foundation. Die Großspenden könnten einen gefährlichen Trend verstärken. Wohltätigkeitsorganisationen sind immer stärker auf Ultrareiche angewiesen, während die Spenden der Mittelklasse und der Geringverdiener stetig schrumpfen.

KMU und Region (Provinz, Land): In Deutschland sitzen viele erfolgreiche KMU auf dem Land. Sie beliefern aber nicht nur den Heimatmarkt, sondern die ganze Welt. Der Heimatmarkt der Region ist viel zu klein. Der Fachkräftemangel kann für die Unternehmen zum Problem werden, weil viele Experten nicht aufs Land wollen.

Standortschließung und Wirtschaftsethik: Der bekannteste Fall der letzten Zeit ist die Ankündigung des Siemens-Konzerns, Standorte in strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands zu schließen oder Arbeitsplätze abzubauen, trotz guter Gewinnlage. Hierzu gibt es zwei Thesen: Betriebsschließungen sind ein unglück, aber kein Unrecht. Betriebsschleißungen erwachsen aus einem Konflikt Arbeit versus Arbeit (nicht Arbeit versus Kapital). Siehe Pies, Ingo: Fall Siemens: Darf ein profitabler Weltkonzern ostdeutsche Standorte schließen? in: Wirtschaftsdienst 2018/ 3, S. 209ff.

Nachbarschaft: Lokale Plattformen versuchen mittlerweile, Menschen in der realen Welt zu vernetzen. Größtes Unternehmen in diesem Bereich ist Nextdoor aus den USA. 200 Mio. Dollar Wagniskapital stecken 2017 in dem Unternehmen. Das Unternehmen will auch nach Deutschland. Mittlerweile gibt es in Deutschland schon eine Plattform für den Austausch von Waren und Nettigkeiten unter den Nachbarn. Es ist das Start-up "Nebenan.de".

Nachbarschaftshilfe 2.0: In den RLP läuft das Forschungsprojekt digitale Dörfer. Bestellungen können im Internet mit einer App abgegeben werden. Nachbarn liefern die Bestellungen dann bei Gelegenheit aus. Das Projekt soll Richtung Car-Sharing und Online-Sprechstunden ausgeweitet werden.

Normen und Werte in der digitalen Welt: 1. Nur mit Zustimmung der Kunden in die Privatsphäre eindringen. 2. Bei individualisierten Preisen keine Notlagen ausnutzen. 3. Daten nur mit Aufklärung und Zustimmung der Kunden erheben. 4. Digitale Identitäten nicht ohne Zustimmung und Korrekturmöglichkeiten der Kunden anlegen. 5. Unternehmen transparent machen. 6. Krankheiten nicht auf Verhalten gründen ohne soziale, genetische und umweltbedingte Faktoren zu berücksichtigen. 7. Daten müssen der ursprünglichen Absicht entsprechen. 8. Kunden, die Rohdaten generieren, sollten dafür entschädigt werden. Vgl. Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften: Big Data - Ethische Herausforderungen für Unternehmen, 2018. "Der Mensch ist nichts an sich. Er ist nur eine grenzenlose Chance. Aber er ist der grenzenlos Verantwortliche für diese Chance", Albert Camus.

Digitaler Humanismus: Die Digitalisierungsindustrie  wirbt mit Transparenz, Berechenbarkeit, ökonomischem erfolg, Weltverbesserung und mäzenatischem Engagement. Sie nimmt damit humanistische Impulse als Ausgangspunkt und transformiert sie zu anti-humanistischen Utopien. Die Bedingungen der Humanität werden infrage gestellt. Die Big - Data - Ökonomie lebt von der Enteignung der Menschen, sie verlieren die Kontrolle über ihre persönlichen Daten. Vgl. Nida-Rümelin/ Weidenfeld: Digitaler Humanismus, Eine Ethik für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz, München (Piper) 2018.

Die Ethik der Algorithmen: Der Algorithmus ist so etwas wie die unsichtbare Hand der digitalen Wirtschaft. Er sollte transparent sein, verantwortlich, Gesetzen folgen und ein klares Ziel haben.

Artifical Morality: Durch die Fortschritte der Technik wird die künstliche Intelligenz in Zukunft mehr moralische Entscheidungen fällen. Dabei sollten Entscheidungen über Leben und Tod immer beim Menschen bleiben. Menschliche Verantwortung und Selbstbestimmung haben Priorität. So muss also der Mensch folgende Kriterien auf sich nehmen: 1. Verantwortungsübernahme. 2. Mensch muss Infos der Maschine überprüfen. 3. Qualitätssicherungsprozesse müssen installiert sein.

Schritte für den Einzelnen im Fortschritt des digitalen Zeitalters: 1. Schritt: Wertebewusstsein (Selbstreflektion): Aufmerksamkeit für Werte, eigene Werteprioritäten in die Gemeinschaft einbringen, die richtigen Vorbilder für den Fortschritt, sich selbst erkennen und die Bedeutung der Technologie. 2. Schritt: Werte verstehen. Konzeptionelle Tiefe der Werte. 3. Schritt: private Gewohnheiten, Technik und Politik. Bedeutung des Maßhaltens. Rhythmus und Rituale. Technische und politische Maßnahmen, um Werte leben zu können. Vgl. Spiekermann, Sarah: Digitale Ethik. Ein Wertesystem für das 21. Jahrhundert, München (Droemer) 2019, S. 258ff.

Wertkonflikte und -folgen aus der Natur des Digitalen: 1. Effizienz versus Würde. 2. Vertrauen versus Vorsicht. 3. Macht versus Sucht. 4. Erreichbarkeit versus Freiheit. Vgl. Sarah Spiekermann, a. a. O., S. 122ff.

Ethik, Gesellschaft und Technologie: Neue Initiative der Stanford Universität 2018, der Kaderschmiede des Silicon Valley. Es geht um die Bekämpfung von Hasskampagnen, Fake News und Manipulationen in sozialen Netzwerken. Der ehemalige Google - Manager Tristan Harris gründete das "Center for Humane Technology" und fordert eine stärkere Ausrichtung an menschlichen Bedürfnissen. Bekämpft werden sollen auch die "Dark Patterns". Das sind User-Interface-Muster in Apps und Websites, die die Nutzer unbewusst dazu motivieren, bestimmte Aktionen durchzuführen (z. B. Like-Dynamik). Informatik ohne Ethik sollte nicht mehr gelehrt werden. Es muss ein Grundverständnis darüber vermittelt werden, was Ethik ist, wie Politik funktioniert und wie Technik auf Gesellschaften wirkt. "Die ethische Naivität, die den Aufstieg der sozialen Medien begleitet hat, wird bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz fatale Folgen haben", Luca Caracciola, in: t3n Magazin 53/2018, S. 56.

Interessengruppen: Im Englischen wird dafür der Begriff "Stakeholder" gebraucht. Er bezeichnet jede Person oder Gruppe, die von der Tätigkeit des Unternehmens betroffen ist. Dabei kann es auch um Werte gehen, die übereinstimmen oder verschieden sind. Interessengruppen sind Nichtregierungsorganisationen, Gemeinden/ Kommunen, Gewerkschaften, Regierung, Kunden, Zulieferer, Mitarbeiter, Gläubiger. Interessengruppen wirken direkt auf das Unternehmen, indirekt über Verbände oder soziale Medien.

Relationaler Altruismus: Das soziale Engagement eines Freundes hat Einfluss auf das eigene Spendenverhalten. Je größer das Netzwerk eines Spendensammlers ist, desto mehr Menschen kann er über "relationale" Aspekte für sich gewinnen. Je mehr Menschen sich beteiligen, desto höher ist der individuelle Beitrag. Vgl. Scharf, Smith: Relational Altruism and Giving in Social Groups, CES Paper, Juni 2016.

Ethisches Verhalten in der Psychologie: Wer wird sich eher unethisch verhalten - eine Einzelperson, zwei Freunde oder zwei Menschen, die einander fremd sind? Zwei Fremde ohne soziale Bindung brechen am ehesten die Regeln. Quelle: Hristina Nikolova et al.: Stranger Danger: When and Why Consumer Dyads Behave Less Ethically Than Individuals, Journal of Consumer Research, Juni 2018.

Typen von Nachhaltigkeitsmanagern: Typ 1: Leugner (Profis im Greenwashing). 2. Die Sturköpfe (Reduzierung der strategischen Argumente). 3. Die Oberflächlichen (wollen nicht vorangehen). 4. Die Selbstzufriedenen (zufrieden mit der Vergangenheit). 5. Die Überzeugten (verstehen Nachhaltigkeit). Vgl. Smith, n. C./ Soonieus, R.: Von Leugnern, Oberflächlichen und Überzeugten, in: HBM, September 2019, S. 40ff.

Reputation: Der "gute Ruf". Er ist wichtig für Organisationen und für Individuen. Es gibt auch Verbindungen. Eine Skandalfirma im Lebenslauf ist Gift für die Karriere. "Reputation färbt ab. Sie geht vom Kollektiv auf das Individuum über", Gloria Origgi, Philosophin.

Marke Deutschland: Auch Länder sind Marken. Sie sind wichtig als Rahmenbedingungen zur Einschätzung von Produkten, um Marken zu stärken.  Deutschland gilt noch immer als "Land der Dichter und Denker". Auch als Vorreiter erneuerbarer Energien wird Deutschland gesehen. Nach einer Untersuchung der Wharton School 2016 (Reibstein/ Dahlhoff) liegt Deutschland an der Spitze im Markenvergleich. Auf den ersten Plätzen liegt Deutschland bei "Unternehmertum", "Bürgerschaft/Lebensqualität" und "Kultureller Einfluss". Quelle: Global Investor 3/2016, S. 72.

Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung in Deutschland: Es sollte eine Art Gerechtigkeitspakt sein, der 2017 initiiert wurde. Zehn Ministerien waren involviert. Die Frage ist allerdings, wie die Bundesregierung in den internationalen Lieferketten die Menschenrechte garantieren will. Es fehlen verbindliche Vorschriften. Unternehmen haben auch bis 2020 Zeit, ihre Wertschöpfungsketten zu überprüfen. NGO stehen dem Plan überwiegend kritisch gegenüber.

Feindschaften pflegen: Unternehmen sollten Feindschaften pflegen. Eine offen ausgelebte Unternehmensrivalität in einem gepflegten Schlagabtausch kann das Markenprofil schärfen. Vgl. Berendt, Johannes: Profitables Prügeln, in: HBM 10/2018, S. 14ff.

Existenz schenken: Geschenke für jeden Anlass (Weihnachten, Geburtstage, andere Anlässe. Oxfam unverpackt (bei Oxfam Deutschland e. V. angesiedelt). Im Online-Spendenshop kann man aus vielen Geschenken wählen. Dazu gehören etwa Marktschulen.

Attitude-Behaviour-Gap und Sustainable Marketing: Obwohl Konsumenten positive Einstellungen zum nachhaltigen Konsum haben, spiegelt sich dies nicht im Kaufverhalten wider. Marketing allein kann sicher nicht helfen, diese Lücke zu schließen. Hier ist noch ein sozialer Wandel in der Gesellschaft notwendig.

Kodex für Investoren: Regelwerk. Es gibt einen deutschen Kodex für gute Unternehmensführung von 2002. Dieser muss überarbeitet werden. Bei Fondsgesellschaften, Pensionsfonds, Vermögensverwalter sollte Abstimmung auf der Hauptversammlung offen gelegt werden. Mehr Mitspracherechte für Anteilseigner.

Renaissance der Solidarität: 2019 entsteht eine Diskussion darüber, das Zeitalter des Einzelnen vorbei ist und mehr Solidarität gefragt ist. Es gebe eine neue Sehnsucht nach Bindungen. Bei den Werten der Menschen unter 20 stehe auf Platz eins Freundschaft - nicht Glück, Reichtum. Erfolg oder Liebe. Viele setzen Solidarität mit mehr Staat gleich, weil sie sonst schwierig zu organisieren ist. Das zweite Problem ist, dass unter Solidarität etwas sehr unterschiedliches verstanden wird.  Vgl. Bude, Heinz: Solidarität: die Zukunft einer großen Idee, 2019.

Dankbarkeit macht ehrlich: Haben Mitarbeiter Gefühle der Dankbarkeit, halbiert sich die Wahrscheinlichkeit, dass gemogelt wurde (Experimente). Noch stärker war der Effekt, wenn die Lüge für die Mitspieler negative Konsequenzen hatte. Eine Kultur der Dankbarkeit verbessert Produktivität und Wohlbefinden der Mitarbeiter, genauso wie die Ehrlichkeit. Das wirkt besser als Schulungen, Kontrollen und Strafandrohungen. Vgl. David DeSteno et al.: The Grateful Don`t Cheat: Gratitude as a Fount of Virtue, Psychological Science 2019.

Sozial- und Umweltstandards in globalen Lieferketten: Ende 2019 planen Arbeitsministerium und Entwicklungshilfeministerium ein solches Gesetz. Sie wollen Standards in der globalen Produktion erreichen. Ein solches Gesetz könnte bahnbrechend und sehr wirkungsvoll sein.

Preis des Lebens: Der Wert eines Menschenlebens wird von Ökonomen versucht zu ermitteln. Das ist ein ethisch ganz schwieriges Thema. Man wendet verschiedene Messmethoden an. 1. Man berechnet zusätzliche Lebensjahre. 2. Value of statistical life: Wie viel Geld würde man ausgeben, um eine Todesgefahr abzuwenden. 3. Wert eines gewonnen Lebensjahres: QALY, Quality Adjusted Life Years. 4. Erfolgsaussicht: DIVI. Wer kommt an Beatmungsgeräte bei Engpass.

Bessere Unternehmen und neue Organisationsformen: 1. Bessere Bilanzen: https://www.ecogood.org . 2. Benefit Corporations: https://www.bcorporation.eu . 3. Kompass für globale Nachhaltigkeitsziele (Global Compact): https://sdgcompass.org . 4. Regionalwert AG (Bürgeraktiengesellschaften zur Verbindung von Kapitalgebern und nachhaltiger Regionalwirtschaft deutschlandweit): https://www.regionalwert-treuhand.de . 5. Verantwortungseigentum als Mitarbeiter orientierte Rechtsform von Unternehmen: https://www.entrepreneurs4future.de .

Value Balancing Alliance: Ein System für neue Standards. Wertbeitrag von Unternehmen. Ganzheitliches Werteverständnis. Eine Initiative von BASF, Bosch, Novartis u. a.

Green Commerce: Nachhaltige Handelsmodelle. Dazu gehört etwa Recommerce (gebrauchte Produkte). Auch Vermietung wird immer beliebter. Hinzu kommen zunehmend Refurbished-Produkte (generalüberholt).

Unternehmensstrafrecht: Die Bundesregierung plant 2020, dass Unternehmen Aufgaben der Staatsanwaltschaft übernehmen und gegen sich selbst ermitteln. In der Wirtschaft herrscht Empörung gegen den Gesetzentwurf.

Nachhaltigkeit zahlt sich aus: Man muss die "begünstigenden Faktoren" verbessern und quantifizieren. Dann wird der finanzielle Erfolg des Unternehmens verbessert. Man muss folgende Bereiche betrachten: 1. Innovation. 2. Operative Effizienz. 3. Marketing und Vertrieb. 4. Kundenbindung. 5. Risikomanagement. 6. Mitarbeiterengagement. 7. Lieferantenbeziehungen. 8. Medienberichterstattung. 9. Einbinden von Stakeholdern. Man spricht von der ROSI -Methode (Return on Sustainability Investment): Man macht zunächst eine Bestandsaufnahme der Nachhaltigkeitsprojekte und findet heraus, welche Gewohnheiten un dMethoden sich dadurch verändern lassen. Anschließend ermitteln Sie den immateriellen, den finanziellen Nutzen und den monetären Gesamtwert. Vgl. Whelan, Tensie/ Douglas, Elyse: Nachhaltigkeit zahlt sich aus, in: HBM April 2021, S. 66ff.

Purpose Readiness Index: Die vertrauenswürdigsten Marken. Nachhaltig, authentisch, zukunftsfähig. 2021 führt dm vor Zeiss, Bosch und Kärcher.

Virtuelle Lernplattform "Wi.Fo!-Lab": Sie umfasst zwölf brandaktuelle multimediale Module zu den Themen digitale Ökonomie, Wirtschaftsethik und Eigenverantwortung. Vgl. auch: www.pwc-stiftung.de . und Wirtschaftsforscher-Programm www.wirtschafts-forscher.de .

ISO 26000: Eine von der International Organization for Standardization im Jahre 2010 veröffentlichte Nachhaltigkeitsleitlinie, welche Standards  zur sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen enthält.  Durch die umnfassende internationale Akzeptanz gilt dies als dominierender Leitfaden für verantwortliches Wirtschaften.  Vgl. Vgl. Ernst, D./ Sailer, U./ Gabriel, R.: Nachhaltige Betriebswirtschaft, München 2021, S. 408.

International Sustainability Standards Board (ISSB): Unabhängiges Gremium. Soll den Wildwuchs an Regeln für ESG, also Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung eindämmen und Standards entwickeln. ESG-Kriterien liegen mittlerweile auch für die Boni der obersten Führungskräfte zugrunde. 

ESG: Soziale, ethische und ökologische Standards. Der größte Investment-Trend der nächsten 30 Jahre. Bis 2026 sollen die Investments um 84% steigen. Blackrock geht vorne weg.

Social Procurement: Beitrag der Unternehmen für eine bessere Welt. Sie nutzen ihre Beschaffungsbudgets, um damit Sozialunternehmen zu fördern. Diese Strategie hilft nicht nur der Gesellschaft sondern auch der Firmenbilanz. Viele Unternehmen haben sich für Social Procurement entschieden: Barclays, EY, Johnson & Johnson, SAP, Suez, Unilever, Wates. Ein bekanntes Sozialunternehmen ist Yunus Social Business. Vgl. Mhhammad Yunus/ Sakia Bruysten: So (be-)schaffen wir eine bessere Welt, in: WiWo 19/ 5.5.23, S. 10f.

nebenan.de: Nachbarschaftsnetzwerk. Gehört zu Good Hood GmbH. Internetplattform. Dienstleistungen, Aufbau, Führung. Gründer Till Behnke.

 

Marketing (Vertrieb, Absatz, Absatzwirtschaft, Internationalisierung, Grundlagen, Marketing-Mix, Marktforschung, Kooperation, Kommunikation, neue Märkte, neuere Tendenzen: Digitalisierung und Marketing)

Gliederung: Marketing-Grundlagen, Marketingstrategie (bzw. -konzeption), Marketing-Mix (Operative Marketing-Planung: Preispolitik, Distributionspolitik, Kommunikationspolitik, Produktpolitik), Marktforschung (Marketingforschung), Institutionelle Bereiche des Marketing, Digitales Marketing (Lehrbücher hinken oft hinterher!), Internationales Marketing. Ich selbst habe einige Jahre eine Marketingfunktion in der Praxis ausgeführt. Schwerpunkt war dabei Öffentlichkeitsarbeit einschließlich Veröffentlichungen.

Marketing (Grundlagen): Erstreckt sich als Querschnittsfunktion über alle Abteilungen und Hierarchieebenen. Insgesamt hat weltweit Philip Kotler aus den USA die Disziplin geprägt wie kein anderer. Er gilt als Marketing-Papst ("Vater des modernen Marketings"; seit 1932 Marketingprofessor an der Kellogg School of Management in Illinois). In Deutschland hat Heribert Meffert die Konzeption von "Marketing als marktorientierte Unternehmensführung" geprägt. Vgl. Meffert, H.: Marketing. Grundlagen der marktorientierten Unternehmensführung, Wiesbaden 2000. So wird Marketing eher als Konzeption und Strategie gesehen. Andere Strategien können sein: aktivitätsorientiert, beziehungsorientiert, führungsorientiert (siehe oben), integrativ (vgl. wikipedia). Man kann Marketing auch als Unternehmensfunktion (Teilprozess) sehen. Es kann sich auf Beschaffungsmärkte und Absatzmärkte beziehen. Marketing ist in jedem Falle eine spezielle BWL.  Professor Ralph Butler führt in einer Vorlesung um 1910 wohl den Begriff "Marketing" ein (von engl. Markt). Lehrstühle für Marketing gab es in Deutschland erst relativ spät Ende der 1970er Jahre. Vorher gab es in den 1950er Jahren fast nur Distributionsprofessoren (bzw. Absatzwirtschaft). In den 1960er Jahren kam Marketing als Engpassfunktion und Produktpolitik dazu (ich habe den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts an der Universität zu Köln studiert. Die WISO-Fakultät war damals die größte in Europa. Der Begriff "Marketing" taucht bei keinem Lehrstuhl auf. Köln hatte damals die meisten BWL-Lehrstühle in Deutschland). In den 1970er Jahren etablierte sich dann Marketing als Führungsoption und -konzept (marktorientiert, strategisch). "Das Marketing hat die Kraft, all unser Denken zu durchdringen", Philip Kotler (Autor des Buches "Grundlagen des Marketing, München u. a. 2016, Neuauflage" und über 50 weitere Bücher). Vgl. auch: Hoffmann, S./ Akbar, P.: Konsumentenverhalten: Konsumenten verstehen - Marketingmaßnahmen gestalten, Wiesbaden 2019 (2. Auflage).

Phasen des Marketing in der Geschichte: 1950er Jahre Produktionsorientierung. Ab 1960 Verkaufsorientierung. Danach Marktorientierung. Seit 1970 Umweltorientierung. Heute eher CRM (Customer Relationship Management). Vgl. Thommen/ Achleitner: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 2005, S. 117ff.

Markt: "Ein Markt ist die Gesamtheit von Akteuren, die zusammenkommen, um durch Austausch Vorteile zu erzielen", Steffenhagen, H.: Marketing - Eine Einführung, 6. Auflage, Stuttgart 2008, S. 17.

Markttypologien: Man kann Märkte nach der Anzahl der Marktakteure, nach der Produktart (Konsumgütermarkt, Investitionsgütermarkt) oder nach der Marktphase klassifizieren. Vgl. O.V. Marketing, WRW-Verlag. Durch verschiedene Kombination der Merkmale eines Marktes entstehen Marktsegmente (siehe auch weiter unten).

Marktakteure: Nachfrager, Anbieter, Staatliche Einrichtungen, Interessenvertretungen, Vertriebspartner. Vgl. Lorberg/ Vergossen: Marketing: Grundlagen und Strategie, Herne 2015, S. 14.

Marktkräfte: Der Ökonom Michael Porter identifizierte 5 Kräfte im Wettbewerb, die auf jeden Industriezweig einwirken. Es sind: Die Verhandlungsmacht der Lieferanten. Bedrohung durch neue Anbieter. Verhandlungsmacht der Käufer. Bedrohung durch Ersatzangebote. Rivalität der bestehenden Wettbewerber. "Der Schlüssel zum Wachstum - oder auch zum bloßen Überleben - ist es, eine Position einzunehmen und zu behaupten, die nicht anfällig für Angriffe der ...Konkurrenten ist." Michael Porter, HBR, 1979. Vgl. Management einfach erklärt, München 2021, S. 80f.

Marktgrößen: Wichtig sind Marktvolumen, Marktpotential und Marktanteil. Marktvolumen ist effektiv realisiertes oder geschätztes Absatzvolumen eines bestimmten Gutes oder einer bestimmten Dienstleistung. Marktpotential ist die maximale Aufnahmefähigkeit eines Marktes für ein bestimmtes Gut oder eine bestimmte Dienstleistung. Der Marktanteil ist das von einem Unternehmen realisierte Absatzvolumen in Prozent des Marktvolumens. Siehe Thommen/ Achleitner, Allgemeine BWL, Wiesbaden 2005, S. 134ff.

Marketingtheorie (Ansätze): Aus der Volkswirtschaftslehre abgeleitet sind Handels- und Exportlehre sowie die Marktlehre (Marktpolitik), die als klassische Ansätze bezeichnet werden. Als neuere Ansätze gelten die Informationsökonomie, die Transaktionsökonomie (Relationship - Marketing, Beziehungsmarketing) und der Prozessorientierte Ansatz. Vgl. H. Meffert: Marketing, Wiesbaden 2000, S. 19 ff.

Dimensionen des Marketing: Beschaffungsmarketing, Internes Marketing, Absatzmarketing mit zwei Unterebenen: Gewinnorientiertes Marketing (Produkte, Beziehungen, Gebiete) und Nicht gewinnorientiertes Marketing (Non - Profit - Marketing, Sozio - Marketing). Vgl. Weis, H. C. : Marketing, 16. Auflage, 2012, S. 25.

Perspektiven des Marketing: Es gibt grundsätzlich drei: Führungsorientierte Perspektive (marktorientierte Unternehmensführung). Kundenorientierte Perspektive ("Käufermärkte"). Aktionsorientierte Perspektive (Marketing als Prozess der Analyse, Planung, Umsetzung, Kontrolle).

Einteilung des Marketing: Man unterscheidet zwischen Konsumgütermarketing (Beispiele: Kamera, Lebensmittel) und Investitionsgütermarketing (Beispiele: Rohöl, Schiffe).

Marketing-Programm: Zuerst sollte man die Kunden kennen lernen. Dann folgt im Wesentlichen die Analyse der fünf P (vgl. auch Marketing-Mix): Produkt, Preis, Platzierung, Promotion, Personen. Das Programm muss definiert werden. Dann sollte man es unter Kontrolle haben. Ziel sollte es sein, die Wirkung des Marketings zu optimieren. Vgl. auch: Runia, P.: Marketing: Eine prozess- und praxisorientierte Einführung, München 2007 (2. Auflage).

Steuerung des Marketing-Problemlösungsprozesses: 1. Analyse der Ausgangslage. 2. Marketing-Ziele. 3. Marketing-Instrumente Produkt, Distribution, Konditionen, Kommunikation). Marketing-Mix. 5. Realisierung des Marketing-Konzept. 6. Evaluation der Resultate. Vgl. Thommen/ Achleitner: Allgemeine BWL, Wiesbaden 2005, S. 120.

Marketingziele: 1. Ökonomische Ziele (Umsatz, Absatz, Deckungsbeitrag, Kostensenkung, Gewinn, Marktanteil. 2. Psychologische Ziele (Kundenzufriedenheit, Kundenbindung, Cross-Selling, Bekanntheitsgrad, Kaufpräferenzen, Inage und einstellung, Kaufanregungen). Vgl. Becker, J.: Marketing-Konzeption, München 2009, S. 61ff.

Marketingmanagementprozess: 1. Bestimmung der Ziele. 2. Festlegung der Strategie. 3. Einsatz der Instrumente des Marketing-Mix. 4. Marketingcontrolling. 5. Markt- und Umfeldanalyse. Vgl. T. Amely: BWL kompakt für Dummies, Weinheim 2017, S. 87.

Marketingkoordination: Integrierte Planung des Marketing-Mix, funktionsübergreifende Koordinierung, Marketingorganisation, Marketingimplementierung, Marketing-Controlling. Vgl. Meffert, H.: Marketing, Wiesbaden 2000, S. 969ff.

Strukturelemente der Marketingentscheidung: Marktorientiertes Zielsystem, Marketing-Aktivitäten, Umfeld (beeinflussbar, nicht beeinflussbar). Vgl. Ebenda, S. 59.

Bestimmungsfaktoren des Erfolgs von Marketing: 1. Geschäftspolitik (Unternehmensführung und Organisation, Marketingpolitik). 2. umweltfaktoren (Konkurrenzsituation, Infrastruktur, Markttrends u. a.). 3. Definition von Erfolg (Kundenzufriedenheit, Gewinn u. a.). Vgl. Müller-Hagedorn u. a. : Der Handel, Stuttgart 2012, S. 243.

CMO: Chief Marketing Officer/ Marketing-Chef: CMOs haben die höchste Fluktuationsrate in den Chefetagen von Unternehmen. In der Regel entsprechen die Erwartungen nicht zu den gegebenen Kompetenzen oder den Erfolgskennzahlen (die durchschnittliche Verweildauer der CMOs 4,1 Jahre). Das hängt auch mit unklaren Rollen zusammen (falsche Zuständigkeiten, unrealistische Erwartungen). Die Arbeitsteilung/ Rollenverteilung zwischen Geschäftsverantwortung, Vermarktungsrolle und Strategischer Rolle muss stimmen. Psychologisch ist wichtig, dass man sich mit Widersprüchen wohl fühlen kann.

Marketingverständnis der AMA (American Marketing Association): Funktion des Unternehmens, die eine Reihe von Prozessen darstellt, um einerseits Werte zu schaffen, diese zu kommunizieren und an den Kunden zu bringen und andererseits Kundenbeziehungen in einer Weise zu managen, die der Organisation und ihren Shareholdern zugute kommt.

Käuferverhalten: Fragen: Wer kauft? Warum wird gekauft? Was wird gekauft? Wie wird gekauft? Wie viel wird gekauft? Wann wird gekauft? Wo bzw. bei wem wird gekauft? Man konstruiert dazu auch Modelle. Bekannt ist das SOR-Modell. Daneben gibt es auch Prozessmodelle Käuferentscheidungsprozess). Vgl. Pepels, W.: Käuferverhalten: Basis für Kaufentscheidungen von Konsumenten und Organisationen, Berlin 2018 (3. Auflage). Auch der Klassiker: Katona, G.: Das Verhalten der Verbraucher und Unternehmer, Tübingen 1960.

Abgelenkte Käufer/ Kaufalternativen: Kunden führen einen geplanten Kauf mitunter nicht durch, weil sie anfangen zu überlegen, ob sie ihr Geld auch für etwas anderes ausgeben könnten. Die Entscheidung zum Kauf eines Produkts beruht auf der Wichtigkeit des Ziels, für das eingekauft wird. Und das Nachdenken über ein ganz anderes Produkt aktiviert ein konkurrierendes Ziel, das letztlich die Oberhand gewinnen könnte. Dies enegativen Effekte lassen sich minimieren, indem man sorgfältig auswählt, auf welche Produkte die Aufmerksamkeit gelenkt werden soll. Vgl. Elizabeth M. S. Friedman et al.: Apples, Oranges, and Erasers: The Effect of Considering Similar Versus Dissimilar Alternatives on Purchase Decisions, in: Journal of Consumer Research, Dezember 2018. Vgl. auch: Foscht, T./ Swoboda, B./ Schramm-Klein, H.: Käuferverhalten. Grundlagen -Perspektiven - Anwendungen, Wiesbaden 2017 (6. Auflage).

Konsumententypen: Rationaler Typ (kognitive Prozesse). Emotionaler Typ (Bauchgefühl). Daran knüpfen Modelle an: Das Stimulus-Response-Modell (Reiz-Reaktion) misst, wie einzelne Käufergruppen auf verschiedene Marketinginstrumente reagieren. Das Stimulus-Organismus-Response-Modell (S-O-R) ist eine Erweiterung des ersten. Es nimmt Rücksicht auf den menschlichen Organismus, der als Black-Box gesehen wird. Vgl. Meffert/ Burrmann/ Kirchgeorg: Marketing, S. 96ff.

Werte und Denkweisen der Verbraucher: Einschätzung der neuen Verbraucherkultur. Die Kluft zwischen den Generationen überbrücken. Vertrauenswürdigkeit schaffen in einer vertrauensarmen Gesellschaft. Customer Journeys verbessern. Vgl. McMurty, Jeanette Maw: Marketing für dummies, Weinheim 2024, S. 29ff.

Kunden und Partner/ Rollen: Wer Daten basierte Dienstleistungen anbietet, muss kunden zu neuen Formen der Zusammenarbeit bewegen. Solche Services funktionieren nur, wenn sie eng mit den Geschäftsprozessen und IT - Systemen der Kunden verzahnt sind. Doch das führt zu Abhängigkeiten und schreckt viele potentielle Kunden ab. Das ändert sich, wenn der Anbieter drei Strategien folgt: 1. Mehr wert aufzeigen. 2. Erfahrungen kommunizieren mit Pilotprojekten. 3. Sowohl Nutzen als auch Risiken mitteilen. Vgl. Enders, T./ Brandt, T.: Sie brauchen keine Kunden, sondern Partner, in: HBM Februar 2022, S. 54ff. 

Kaufentscheidung und Kaufentscheidungsprozess: Die Kaufentscheidung knüpft an die Konsumententypen im letzten Abschnitt an. Indem eine Matrix gebildet wird zwischen Rationalität hoch/ niedrig und Emotion hoch/niedrig werden vier Typen entschieden: Impulsive Kaufentscheidung, Extensive Kaufentscheidung, Habitualisierte Kaufentscheidung, Limitierte Kaufentscheidung. Der Kaufentscheidungsprozess hat 5 Phasen: Problemerkennung, Informationssuche und -verarbeitung, Alternative Bewertung/ Auswahl der Alternative, Entscheidung: Kauf, Entscheidungsfolgen (Nachkauf-Evaluation). Kroeber-Riel, W.: Konsumentenverhalten, 2009, S. 416.

Ethische Grundvoraussetzung für den Beruf des Marketing-Managers: Das Marketing nutzt die Schwäche des menschlichen Gehirns. Dieses ist bereit zu glauben, es gebe eine käufliche Chance, selbst den "Apfel vom Baum der Erkenntnis zu pflücken". Menschen wollen Gesundheit, Ruhm, Status, Anerkennung u. a. mit Gütern kaufen. Dahinter steckt eine Banalität des Denkens. Das menschliche Gehirn scheint über unendlich große Möglichkeiten zur Ausblendung der Realität zu verfügen. Man muss als Marketingexperte diesen einfachen Materialismus als Instrument akzeptieren und damit im Prinzip immer bereit sein, Menschen auch "übers Ohr zu hauen". Darüber hinaus muss man wollen, immer eine neue "Marketing-Sau" durch die Straßen zu treiben. Kaum ein anderes Gebiet der Ökonomie ist so großen Moden und Strategiewechseln unterworfen. Weiterhin sollte man eine gewissen Robustheit mitbringen. In Rezessionen oder Krisen, wenn der Absatz des Unternehmens zurückgeht, wird oft zunächst die Marketingabteilung dafür verantwortlich gemacht. So ist in der Regel im Marketingbereich die Fluktuation höher als in anderen Unternehmensbereichen. Heute muss man bereit sein, über den Tellerrand hinauszuschauen, wenn man Erfolg haben will (Informatik, Produktionswirtschaft, Psychologie, Globalökonomik).

Bedarfsdeckung versus Bedarfsweckung: In den ersten drei Industrierevolutionen wurde die menschliche Arbeitskraft optimiert. Die vierte industrielle Revolution beeinflusst unsere Konsumfähigkeit. Apple, Amazon und Google geht es um Bedarfsweckung. Die großen Plattformkonzerne wollen keine Kunden mehr, sondern das Produkt, das sie nach ihrem Vorteil optimieren, um es der Werbeindustrie zu verkaufen. Niemand ist mehr fähig, alle Waren der Unterhaltungsindustrie zu konsumieren. Die Industrialisierung hat uns Wohlstand beschert (200 Jahre). Sie uns auch viel freie Zeit geschenkt, die wir Freizeit nennen. Das Wachstum der letzten 20 Jahre konsumiert freie Zeit, insofern ist es Zeitraub. Vgl. Lotz, Carsten: Wir lassen uns zu Tode unterhalten, in: WiWo 51/ 17.12.21, S. 44f. "Es ist so bequem, unmündig zu sein, (...) Ich hab es nicht nötig zu denken, wenn  ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen", Immanuel Kant, 1784

Psychologische Grundvoraussetzung: Man sollte eher extrovertiert sein. Die Kunst Selbstvermarktung (Kunst des Prahlens, Humblebragging) sollte man auch beherrschen. Wie können wir unsere Leistungen betonen, ohne als Angeber dazustehen? Wie leitet man den Blick elegant auf eigene Leistungen, ohne dafür abgestraft zu werden? 1. Erzählen auf Nachfrage. 2. Anderen gleich tun (übliche Situationen). 3. Einen Unterstützer finden. 4. Ausgewogenheit. 5. Kleinere Schwächen offenbaren (macht authentischer). Vgl. Leslie K. John: Die feine Kunst des Prahlens, in: HBM Juni 2021, S. 78ff.

Praxisbezug (Deutscher Marketing Tag): Die Praktiker des Marketings treffen sich jährlich auf dem Deutschen Marketing Tag. 2019 ist der 46. Vgl. www.marketing-tag.de

Die zehn häufigsten Marketingfehler: 1. Von Annahmen ausgehen. 2. Kundenbeschwerden ignorieren. 3. Popularität vorgaukeln. 4. mit unsauberen Daten arbeiten. 5. Preiskämpfe führen. 6. Die emotionalen Entscheidungsfaktoren ignorieren. 7. Die Qualitätskontrolle vergessen. 8. Anbieten, was sie nicht liefern können. 9. Kunden unpersönlich behandeln. 10. Kunden den Schwarzen Peter zuschieben. Siehe McMurty, Jeanette Maw: Marketing für dummies, Weinheim (Wiley) 2024 (6. Auflage), S. 383ff.

 

Marketingstrategie (Marketingkonzeption): Längerfristige (10 Jahre) Grundorientierung des Marketing, was in einem Marketingplan bzw. einer -konzeption konkretisiert werden kann. Dabei können verschiedene Bausteine zum Einsatz kommen: Nutzung von Wachstumswellen; Expansionen planen; Markt segmentieren; Marktanteile festlegen; Positionierung umschreiben; innovative Produkte; Qualität. Im Kern geht es um die längerfristige Festlegung von Unternehmens- und Marketingzielen. Entscheidungs-Felder sind die Marktwahl und strategische Geschäftsfelder und Analyseinstrumente. Insgesamt spricht man auch von Strategischem Marketing.

Marketingziele: Positives Feedback. Trendbewusstsein. Nachhaltigkeit. Klarer Markencharakter. Ethikrichtlinien. Vertrauen. Vgl. Management einfach erklärt, München 2021, S. 45.

Strategien für Krisenzeiten: Verlustzonen beseitigen, Subunternehmer, Minimierung der Lagerbestände, bei Großaufträgen aufpassen, Angebot weiter differenzieren, Kundenstamm erweitern, Fixkosten weiter senken, kostengünstigere Marketingmethoden. Vgl. Vgl. Marketing für Dummies, Weinheim 2011.

Marketing in der Rezession: Marketing kann in der Rezession niemals einfach sein. Oft ist es erforderlich, entgegen den eigenen Instinkten und betrieblichen Standardmethoden zu handeln. Es ist der völlig falsche Weg, das Marketingbudget zu schrumpfen. Wer klug investiert, kommt schneller aus der Krise. Kunden sollten auf einen neuen, veränderten Weg begleitet werden. Vgl. Kumar, N./ Pauwels, K.: Weiter Geld ausgeben - aber anders, in: HBM Januar 2020, S. 10ff.

Marketingfehler typischer Art und Marketing in Krisenzeiten: Weit verbreitete Fehler in KMU sind: kein Marketing machen; verärgerten Kunden aus dem Weg gehen; den Kunden die Schuld geben; die Marke nicht betonen; Preise um jeden Preis senken; an die falschen Leute verkaufen; Anbieten, was man nicht leisten kann (vgl. Hiam, A. Marketing für Dummies, Weinheim 2013, S. 355ff.). Krisenzeiten lassen sich am besten mit folgenden Wegen überbrücken: kostengünstigere Marketingmethoden; Verlustzonen beseitigen; Fixkosten senken; Minimieren der Lagerbestände; Großaufträge vorsichtig annehmen; Kundenstamm und Angebot erweitern.

Swot-Analyse: Wichtiges Instrument im strategischen Marketing und der strategischen Planung insgesamt.  Es geht um Situationsanalyse und Strategiefindung. SWOT steht für Strengths, Weaknesses, Opportunities (Chancen), Threats (Risiken). Sie fasst die Ergebnisse der externen und internen Analyse zusammen und vereint die Stärken-Schwächen-Analyse des Unternehmens mit der Chancen-Risiko-Analyse des Umfeldes. Die Analyse geht auf den amerikanischen Managementberater Albert Humphrey zurück (1960er Jahre).

Marketingplan: 1. Wichtige Inhalte mit kleinen Schritten anfangen). 2. Tun und Lassen (Details, nicht imitieren, eigenes Erfolgsrezept). 3. Kurzfassung. 4. Situationsanalyse. 5. Steuerung. 6. Ausgaben und Einnahmen planen. 7. Kontrollmaßstäbe. Vgl. A. Hiam: Marketing für Dummies, Weinheim 2013, S. 65ff.

Handlungsschritte im Marketingplan: 1. Situationsanalyse. 2. Bezugspunkt festlegen. 3. Ziele definieren. 4. Aus bisherigen Erfahrungen lernen. 5. Strategie formulieren. 6. Maßnahmen festlegen. 7. Lernpläne entwickeln. Vgl. McMurty, Jeanette Maw: Marketing für dummies, Weinheim 2024, S.148ff.

Marketing von Angesicht zu Angesicht: Bei KMU besonders wichtig und als Oberbegriff aller Ansätze dort geeignet. Dazu gehören der persönliche Verkauf, Sonderveranstaltungen, eigene öffentliche Veranstaltungen, Präsenz auf Messen und Ausstellungen. Englisch spricht man von "face to face" (F2F; persönlich, von Angesicht zu Angesicht). Vgl. Hiam, Alexander: Marketing für Dummies, Weinheim 2011, S. 245 ff.

Guerilla Marketing: Besonders geeignet für KMU, weil Kosten sparend, klein und wirkungsvoll. Kann eingeteilt werden in Trittbrettfahrermarketing (Moskito, Ambush/"Go Heinrich go"), Empfehlungsmarketing (Virales Marketing, Buzz), Lebensumfeldmarketing (Ambiente, Sensation). Warum? (wenig Geld, wenig Zeit, wenig Personal); Wie? (Schlacht um Aufmerksamkeit, Bekanntmachung von Produkten);, Wann? (sofort); Wer? (Originalität); Wo? (überall. wo es passt).  Vgl. Marian Prill, Crashkurs Guerilla Marketing, in: Startup Valley, 2/2017, S. 54f. Hauptmarketingziel ist in der Regel die Aufmerksamkeit gewinnen. Vgl. auch: Beller, C.: Guerilla-Marketing als kommunikationspolitisches Instrument im Privatkundengeschäft deutscher Banken, 2007

Empfehlungsmarketing (auch: Referenzmarketing): Einsatz von Kunden in der Werbung. Dies erhöht den Markenwert und zieht neue Kunden an. Dazu gehört auch das im Folgenden beschriebene Tupper-Prinzip. Weitere Strategien sind: Kunden sprechen lassen (z.B. in Videofilmen); mit Extras überraschen; richtig danke sagen; Netzwerke nutzen. Folgenden Weg sollte man wählen: Treue Kunden finden, sich um die Kunden kümmern, die empfehlen; um eine Empfehlung bitten; Netzwerke einsetzen. Empfehlungsmarketing läuft in folgenden Schritten ab: Analysieren, Strategie festlegen, Planen und umsetzen, Erfolge analysieren. Im Vordergrund steht immer, Vertrauen zu schaffen. Der Empfehlungsgeber hat einen Vertrauensbonus. Wichtig ist der Empfehlungskreislauf. Vgl. auch: Fink, K.-H.: Empfehlungsmarketing, Wiesbaden (6. Auflage) 2014.   "Wer heute nicht empfehlenswert ist, ist morgen nicht mehr kaufenswert - und übermorgen tot", starting up 2/16, S. 16. "Alles, im Kleinen und Großen, beruht auf Weitersagen", Christian Morgenstern (1871 - 1914).

Sales-Promotion: Steigerung des Verkauf.

Personalisierte Kommunikation: Überzeugung der Kunden.

Stakeholder-Marketing: Interessengruppen beeinflussen. Vgl. Gelbrich, K./Wünschmann, S./Müller, S.: Erfolgsfaktoren im Marketing, München 2018 (2. Auflage), S. 225.

Virales Marketing bzw. virale Werbung: Verbreitung wie ein Lauffeuer. In der Regel wird mit wenig Geld gearbeitet (Pull-Marketing). Als Paradebeispiel gilt der Erfolg der "First Kiss" - Kampagne.  Künstlerin Tatia Pilieva ließ für die Modemarke "Wren" 20 Fremde miteinander knutschen (screenshot: youtube). Die Videos dürfen nicht aufdringlich sein (offensive Werbung wird nicht geteilt). Das Moorhuhn wurde 1999 sogar nicht als Werbung erkannt (Jonny Walker). Als Negativbeispiel gilt die Werbung von VW mit einem Selbstmord in den USA (2006, 2007). Virales Marketing wird eingesetzt, um Publicity durch Mundpropaganda (WOM - "Word-of-Mouth"-Marketing) zu erzeugen. Dabei muss die Mundpropaganda gesteuert werden (Produkt zu etwas besonderes machen; etwas Erwähnenswertes im Namen des Produktes; Verkaufsförderungsaktionen und Werbeartikel aufregend gestalten). Vgl. A. Hiam:  Marketing für Dummies, Weinheim 2013, S. 232. Um 1970 als Erster untersucht der Psychologe George Silverman die Wirkung der Mundpropaganda. Die Verbreitung des Webmail-Service Hotmail ist eines der ersten Beispiele für virales Marketing im Internet.

Bewährtes Marketing: Marketing vor dem digitalen Zeitalter: Fernsehen, Radio, Presse, per Post, Veranstaltungen, Telefon.

Engagement-Marketing: Einbeziehung der Kunden bei der Entwicklung einer Marke. Kunden sollen ihre Meinung mitteilen und sich so der Marke näher fühlen. Wichtige Hilfsmittel sind Handy - Apps, Social CRM und Gamification. So kann die digitale Erfahrung optimiert werden und eine Markenaffinität erzeugt werden. .

Franchise: Selbstständiges Unternehmen (KMU), das für eine bekannte Marke Produkte verkauft. Form der Kooperation. Die Franchise-Riesen in Deutschland sind McDonald` s, Schülerhilfe, Fressnapf, Burger King, Subway und TUI (nach der Zahl der Standorte). Das Geschäftsfeld, das in den USA, China, Südkorea und Frankreich sehr etabliert ist,  wächst in Deutschland sehr stark (mehr als 60 Mrd. € Umsatz, 73.000 Franchise-Nehmer).  In den Großstädten prägen die Franchise-Läden schon das Bild. Man profitiert vom Wiedererkennungswert des Firmen-Logos. Es gibt allerdings eine hohe Rate des Scheiterns (weil der Franchise-Nehmer in der Regel das Risiko trägt). Darüber sind kaum Informationen zu bekommen. In der Regel sind eine Einstiegsgebühr, eine Monatsgebühr und Gebühren für Werbung zu zahlen. Social-Franchising: Die Idee kam nach den vielen Skandalen im Franchising auf (z. B. Arbeitsbedingungen bei Burger King). Es stellt sich die Frage, ob sich die Branche neu erfinden muss und nennt es Social Franchising. Darin wird der Profitgedanke nicht durch eine soziale Komponente ersetzt, sondern ergänzt. Es ist nicht "greenwashing". Die Einstellung dahinter muss stimmen. In der Regel geht es um Nahversorgung. Die wichtigsten Formen von Franchising sind Produktionsfranchising, Vertriebsfranchising, Dienstleistungsfranchising.  Die weltweit am schnellsten wachsenden Unternehmen sind Subway, McDonald´s, KFC, Burger King, 7-Eleven, Pizza Hut, GNC, Wyndham Hotel Groups, Dunkin´Donuts, Dia.

Öffentliche Auftragsvergabe: Sie hat für mittelständische Unternehmen eine große Bedeutung (vor allem Aufträge von den Kommunen). Sie unterliegt auch bei geringem Auftragsvolumen dem EU-Vergaberecht. Dieses soll 2014 flexibler und moderner werden.

Marketing-Flipper: Steht für die wachsende Unsicherheit im aktuellen praktischen Marketing. Dafür gibt es folgende Ursachen: 1. Die Konsumenten sind immer besser informiert und haben eine neue Gestaltungsmacht. Auf vielen Märkten ist vollständige Transparenz durch das Internet möglich. 2. Es tauchen immer neue Wettbewerber auf. Das ist besonders auffällig bei digitalen Produkten. Kaufbereite Kunden müssen bei gesättigten Märkten und ähnlichen Produkteigenschaften im richtigen Moment angesprochen werden. 3. Die Menschen und auch die Wissenschaft sind überfordert. Wohin geht der Weg im Marketing? (Bedeutung sozialer Netzwerke, die Halbwertszeiten von Erkenntnissen sinken ständig). Vgl. Range, Thomas, Flipper statt Bowling, in: Brand eins, 02/15, S. 38ff. Damit könnte sich auch die Rolle des Marketing im Unternehmen verändern. Es wird aus der zentralen Position verdrängt. Das Marketing wird mehr zum Dienstleister. 

Ethno-Marketing: Spezialisierung auf kulturelle Minderheiten, in der Regel Migranten. In Deutschland bilden die türkischen Migranten die größte Gruppe. Als Parade-Unternehmen gilt Mox Telecom aus Ratingen. Die Firma ist in 50 Ländern vertreten und hat 20 Millionen Kunden. Die deutschen  Konzerne entdecken immer mehr ihre türkischen Kunden (fast 1 Mio. HH). Sie entwickeln dafür eigene Marken (Beispiele: Eon, E-Plus, Targobank, Deutsche Bank). Mittlerweile gibt es auch spezielle Ethno-Marketing-Agenturen (z. B. Ethno-IQ). Die Werbung läuft in der Regel in türkischen Zeitungen und Fernsehsendern. In Anbetracht der hohen Flüchtlingszahlen 2015 (1 Mio.) wird die Bedeutung des Ethno-Marketings in Deutschland zunehmen. Gezielt umwerben einige deutsche Unternehmen schon Flüchtlinge, vor allem bei speziellen Konsumgütern bzw. Dienstleistungen: Ethno-Mobilfunktarife, Dienstleiter für Geldtransfers in die Heimat (MoneyGram), Nahrungsmittel (Fladenbrot, Sonnenblumenkerne, Bohnen, Gummibärchen ohne Schwein). Es gibt mittlerweile Ethno-Marketing-Agenturen. Gegner sprechen von Ghetto-Marketing. Vgl. Anja Reiter: In diesem Bärchen  steckt kein Schwein, in: Die Zeit Nr. 17, 14. April 2016, S. 26.

Marktsegmentierung: Verbraucher und Abnehmer mit ähnlichen Bedürfnissen und Gewohnheiten bilden als Gruppe so genannte Marktsegmente. Marktsegmente sind z. B. Silversurfer, Generation X oder Generation Y. Wendet man sich mit seinem Produkt an eine eng begrenzte Gruppe spricht man von Nische. Will man möglichst viele Kunden ansprechen spricht man von Massenprodukt. Die Segmente werden durch Kombination von folgenden Feldern gebildet: Soziographie, Psychographie, Geographie, Demographie, Verhalten.  "Marktsegmentierung ist das natürliche Ergebnis der enormen Unterschiede zwischen den Menschen", Donald Norman, Kognitionswissenschaftler.

Kriterien der Marktsegmentierung: Geographische Segmentierung, demographische Segmentierung, sozialpsychologische Segmentierung, verhaltensbezogene Segmentierung.

Marktgrößen: Marktpotential, Marktvolumen, Marktanteil.

Marketing-Controlling: Zentrale Führungsgrößen sind Liquidität, Erfolg und Erfolgspotentiale. So muss eine operative finanzielle Planung und Kontrolle erfolgen, eine operative erfolgswirksame Planung und Kontrolle und eine strategische Planung und Kontrolle. Vgl. Meffert, H.: Marketing, Wiesbaden 2000, S. 1128.

Kundenzufriedenheit: Kunde glücklich=Geld gespart. Kundenzufriedenheit führt zur Reduzierung künftiger Vertriebskosten. Initiativen zur Kundenzufriedenheit werden oft von der Unternehmensspitze nicht unterstützt. Vgl. Gim, Leon u. a.: Customer Satisfaction and its Impact on the Future Costs of Selling, in: Journal of Marketing, Mai 2020.

Marketing für Start-ups: Der Marketing-Plan gibt die Orientierung. Er sollte aus sieben Schritten bestehen: 1. Ist-Analyse bzw. Swot - Analyse. 2. Sorgfältige Auswahl und Segmentierung relevanter Zielgruppen und -segmente. 3. Klare Zielformulierung. 4. SMART-Prinzip. 5. Strategie und Handlungsrahmen. 6. Maßnahmen- und Ressourcenplanung. 7. Controlling und Monitoring permanent. Vgl. Rüdiger Frankenberger: Marketing für Startups, in: Startup Valley 03/2017, S. 52f.

Components of User Experience (CUE - Modell): 1. Interaktionsmerkmale von System, Nutzer und Kontext. 2. Wahrnehmung nicht - aufgabenbezogener Qualitäten (Visuelle Ästhetik, Status, Bindung), Emotionen (positiv, negativ), Wahrnehmung aufgabenbezogener Qualitäten (Nützlichkeit, Benutzbarkeit). 3. Konsequenzen: Gesamturteil, Akzeptanz, Nutzung, Wahl (Produktloyalität, Nutzungsintention, global Gesamturteil).

4P-Ansatz: Product, Price, Promotion, Place (McCarthy 1960). Deutsch: Marketing-Mix: Produktpolitik, Preispolitik, Kommunikationspolitik, Distributionspolitik.

7P-Marketing: Zusätzlich zu 4P: People, Process, Physical Facilities.

SAVE-Marketing: Kunde im Mittelpunkt interaktiv mit Solution, Access, Value, Education. Vgl. Knowles, J./ Teenson, R./ Conrado, E.: Reconceiving the 4Ps of Marketimg,

Marketing-Trends: Einen hohen Aussagewert hat hier die Salesforce - Studie von 2018 "State of Marketing Report 2018". Hier wurden 4100 Marketing-Führungskräfte aus aller Welt befragt. Trends sind: 1. Kunden wollen als Person und nicht als Datensatz behandelt werden. Deshalb sollte die Ansprache in Echtzeit und auf Augenhöhe an den richtigen Touchpoints stattfinden. 2. Marketing ist der wichtigste Treiber für ein einheitliches Kundenerlebnis. 3. Die Bedeutung der Datenvereinheitlichung wächst. 4. KI und Kundenvertrauen gehen Hand in Hand. 5. Marketingspezialisten streben nach Real Time Engagements über alle Kanäle hinweg. www.salesforce.com .

Nachhaltigkeitsmarketing in der Praxis: Die meisten Verbraucher behaupten, umweltfreundlichen Produkten und Dienstleistungen positiv gegenüberzustehen. doch oft sind sie nicht bereit, den Preis dafür zu zahlen. Aus der Verhaltensforschung kommen fünf Lösungswege: 1. Sozialen Einfluss nutzen (soziale Normen, öffentlich machen, positive Assoziationen). 2. Prägen Sie gute Gewohnheiten (Standard, Anreize). 3. Setzen Sie den Dominoeffekt ein (erste Aktion besonders aufwendig). 4. Entscheiden Sie: Herz oder Hirn (Gefühle der Hoffnung und des Stolzes nutzen, Schuldgefühle). 5. Bieten Sie Erlebnisse an statt Eigentum ( Geschäftsmodelle, umfunktionieren). Vgl. White, K./ Hardisty, D. J./ Habib, R.: Wann Kunden grün kaufen, in: HBM, September 2019, S. 21ff. Vgl. auch Balderjahn, I.: Nachhaltiges Marketing-Management: Möglichkeiten einer umwelt- und sozialverträglichen Unternehmenspolitik, 2003.

Guter Vertrag: 1. Grundlagen schaffen. 2. Eine Vision und ziele erarbeiten. 3. Leitprinzipien etablieren. 4. Erwartungen und Interessen abstimmen. 5. Einig bleiben. Verhaltensregeln: Gegenseitigkeit, Autonomie, Ehrlichkeit, Loyalität, Gerechtigkeit, Integrität. Vgl. Frydlinger, D./ Hart, O./ Vitasek, K.: Der Weg zum besseren Vertrag, in: HBM, Februar 2020, S. 68ff.

Strategisches Umfeld im E-Business: Es wird durch sechs Kräfte bestimmt. 1. Konvergenz (Neue Marktbedingungen und Dekonstruktion von Wertschöpfungsketten). 2. Digitalisierung und Innovationsdynamik (E-Produkte und E-Services). 3. Komplexität von Markt und Wettbewerb (Marktstruktur - Veränderung durch Digitalisierung). 4. Digitale Disintermediation und digitale Disruption (Veränderung von Wertschöpfungskonstellationen). 5. Digitale Transformation und digitale Organisation (andere Interaktions- und Organisationsformen). 6. Customer Enpowerment und Social Networking (Internet als Buyer Market). Siehe Wirtz, Bernd W.: Electronis Business, Wiesbaden (Springer, Gabler) 2020 (7. Auflage), S. 320 und 320ff.

Geschäftsmodelle im E-Business: Man unterscheidet 2 Typen: 1. B2C-Geschäftsmodell (Content, Commerce, auch hybride Modelle). 2. B2B-Geschäftsmodell (Sourcing, Sales, supportive Collaboration, Service Broker). a. a. o. S. 481ff..

Die richtigen Tools fürs Marketing: Es geht um die richtige Marketingtechnologie. Drei Schritte schützen vor Fehlinvestitionen (strategischer Ansatz; Martech-Matrix): 1. Aufteilen. 2. Aufschlüsseln. 3. Aufbauen. Zu 1.: Kundengewinnung, Kauf, Wachstum, Kundenbindung. Zu 2.: Werbung, direkte kommunikation, Verkaufsförderung, Vertrieb, Public Relations, Kundensupport, Kundenverhalten. Zu3.: Inbound-Marketing-Plattformen, E-Mail-Automatisierung, Event-Plattformen, CRM-Systeme, Content-Marketing und Influencer-Plattformen, Kundensupport-Software, Kundendatenmanagement und -analysen. Vgl, Mela, C. F./ Cooper, B.: Die richtigen Tools fürs Marketing, in: HBM April 2022, S. 68ff.

 

Marketing-Mix (operative Marketingplanung, absatzwirtschaftliches Instrumentarium): Im angelsächsischen Sprachbereich wird dieses Instrumentarium durch die vier "P´s" umschrieben (1960 von Jerome McCarthy): product (Produkt- und Sortimentspolitik); price (Preis- und Konditionenpolitik); place (Distributionspolitik); promotion (Kommunikationspolitik). Marketing - Mix ist als integrierte Gesamtkonzeption zu sehen.

 

Preispolitik: Vgl. auch Mikroökonomik/ Preise/ Preispolitik (deshalb ist der Abschnitt an dieser Stelle so kurz). Perspektiven sind Kosten, Konkurrenz und Nachfrager. Preispolitische Strategien sind Positionierung (Höchstpreis, Mittelpreis, Niedrigpreis), Verfahren (Preisführer, Preiskampf, Preisfolgerschaft) und Wege (Skimming, Penetration). Informationen über den Preis eines Produktes beeinflussen das Gehirn und damit die Wahrnehmung. Dies - die Angst vor Verlusten - ist offenbar fast älter als die Menschheit. Eine bestimmte Gehirnstruktur erhöht die Anfälligkeit für Etikettenschwindel. Affen entscheiden oft rationaler als Menschen. Vgl. auch zu wesentlich mehr Stoff über Preispolitik Mikroökonomik/ Preise.

"Ist der Preis zu billig, wirst du leicht betrogen", aus China.

Konditionenpolitik: Die Preispolitik ist Teil der Konditionenpolitik neben Rabattpolitik und Liefer- und Zahlungsbedingungen. Manche sprechen auch von Kontrahierungspolitik.

Yield Management (Ertragsmanagement): System der Preisgestaltung, das auf maximale Einnahmen durch intelligente Steuerung der Auslastung zielt. Es wird vor allem im Luftverkehr und bei Eisenbahnen eingesetzt.

Richtige Preisgestaltung: Man muss die Chancen und Grenzen der Preisgestaltung kennen. Der Einfluss des Preises auf Kundenkäufe wird durch die Preiselastizität gemessen. Der Listenpreis muss vernünftig festgelegt und verändert werden. Besonders ist die Psychologie des Preises zu beachten (gebrochene Preise, Einheitspreis, Wettbewerbspreis). Sonderangebote müssen sinnvoll gestaltet werden (Gutscheine, Medium). Vgl. Alexander Hiam, Marketing für Dummies, Weinheim 2013, S. 299ff.. 

Mindestpreisforderung für Lebensmittel: Sie wird 2020 diskutiert. Die Bundeskanzlerin trifft sich im Februar 2020 mit den Handelsriesen in Deutschland (Aldi, Lidl, Rewe, Edeka). Es geht um die schwache Position der Erzeuger ("David gegen Goliath"). Der Handel verbittet sich jede Einmischung in die Preissetzungsfreiheit. Die Preise werden auch vom Verbraucher und dem Weltmarkt beeinflusst.

Individuelle Preise: Sie kommen in steigendem Maße im Internet vor. Eigentlich ist dies verboten, weil es den Sachverhalt der Preisdiskriminierung erfüllt. So gibt es Preiszuschläge für Benutzer bestimmter Geräte. Finanziell besser gestellte Kunden werden abgeschöpft. Big Data macht es in Zukunft prinzipiell möglich, Preise je nach Vermögen, Kontostand und Konsumverhalten zu kalkulieren. Insbesondere problematisch ist, dass wer mehr zu zahlen bereit ist, durch persönliche Preise zur Ader gelassen wird (wer z.B. mit Apple-Geräten surft, zahlt bei den meisten Buchungsportalen mehr). Damit können klassische Märkte entfallen, an dem sich für jedes Produkt ein verbindlicher Preis bildet.

Preiselastizität: Eine der wichtigsten Kennzahlen im Marketing. Prozentuale Änderung der Nachfrage geteilt durch Prozentuale Preisänderung (direkte Preiselastizität der Nachfrage). Es gibt auch eine indirekte Preiselastizität (Kreuzpreiselastizität, vgl Mikroökonomik).

Preispolitische Strategien: Primärstrategie, Promotionspreisstrategie, Preisdifferenzierung, Abschöpfungspreisstrategie, Penetrationspreisstrategie.

Preisunterschiede bei Produkten für Frauen und Männer (in den USA "Pink Tax" genannt): Die Unterschiede fangen schon bei Spielwaren an. Produkte für Mädchen sind teurer. In der Preispolitik gibt es einen klaren Geschlechterunterschied bei den Preisen: Frauenprodukte und -dienstleistungen sind teurer. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nimmt sich der Frage 2017 an (Preisdifferenzierung nach Geschlecht in Deutschland"). Es wird ein Monitoring des Verbraucherschutzministeriums vorgeschlagen. Ein konkretes Beispiel ist der Friseur. Wegen längerer Beratung und größerem Service zahlen die Frauen mehr, sagt das Friseurhandwerk.

Preisbündelung: Reine Preisbündelung (nur im Bündel). Gemischte Bündelung (sowohl im Bündel als auch einzeln). Entbündelung.

E-Pricing: 1. Elektronische Preispolitik. 2. Strukturrahmen (Komplexität). 3. Aktionsparameter (Preisdifferenzierung, nichtlineare Preissetzung, Preisbündelung, dynamic Pricing). 4. Potentiale (Erfolgspotentiale, Risiken). 5. Implementierung (Implementierungsstrategien). Vgl. Wirtz, Bernd W.: Electronic Business, Wiesbaden 2020 (7. Auflage), S. 647.

Dynamic Pricing: Dynamische Preisgestaltung (variable Preise). Ist bisher vor allem im Handel gang und gäbe. 2019 passen 43% der Online-Händler mindestens einmal monatlich ihre Preise an. Preisdifferenzierung sorgt allerdings auch für einen Vertrauensverlust auf ganzer Linie. Die Wettbewerbshüter sind eher gegen KI (selbst lernende Algorithmen).

Aktionspreis gegen Produkt- und Markenpiraterie: Branchenübergreifender Verband. Es werden immer mehr gefälschte Produkte verkauft. Vor allem Konsumgüter wie Schuhe, Kosmetik, Spielzeug sind betroffen. Weltweit wurden 2016 gefälschte oder unerlaubt hergestellte Waren im Wert von 460 Mrd. Euro gehandelt. Damit ist der Anteil von gefälschten Waren an den Importen bei 7%. Quelle: OECD.

Paywall versus Gratiskultur: Der Trend geht Richtung Paywall. Den Anbietern stehen im Internet eine Reihe unterschiedlicher Bezahlmodelle zur Verfügung. Es gibt eine Reihe Pay-Wall-Dienstleister.

Geschenke und ihre Wirkung: These: Kleine Geschenke bringen große Erlöse. Das konnte empirisch bestätigt werden. Vgl. Marechal, Michael Andre/ Thöni, Christian: Geschmierte Geschäfte, in: HBM , Juli 2020, S. 18f.

Nachhaltige Preispolitik: 1. Orientierung am Kundennutzen und Kosten (keine Ausnutzung von hoher Zahlungsbereitschaft für Öko-Produkte ohne Mehrwert). 2. Berücksichtigung sozialer Belange (Preisdifferenzierung für lenesnotwendige Produkte nach sozialen Kriterien). 3. Hochpreispolitik (keine Ausgrenzung von einkommensschwachen Konsumenten). 4. Niedrigpreispolitik (keine niedrigen Preise auf Kosten von Sozial- und Umweltstandards). 5. Kredite und Leasing (Verschuldungsfalle bei bestimmten Zielgruppen vermeiden). 6. Captive Pricing (klare Kommunikation der Folgekosten). 7. Preisbündel (Vermeidung von unattraktiven Bündelelementen). 8. Preisvertrauen (keine kaschierten Preiserhöhungen und ehrliche Kommunikation). Vgl. Ernst/ Sailer/ Gabriel (Hg.): Nachhaltige Betriebswirtschaft, München 2021, S. 209.

Marken und Preise/ Inflation: Eine Inflation wird zum Stresstest für Unternehmen. Nur wer starke Marken aufgebaut hat, kann höhere Preise durchsetzen. Der Rest endet in einer Margenfalle. Man braucht also ein funktionierendes Geschäftsmodell, das eine Inflation überstehen kann. Corona, Ukraine-Krieg und Geldpolitik der EZB haben wohl eine vorerest bleibende Inflation geschaffen. Vorprodukte, Lieferketten und Produktion selbst werden teuerer (Energiepreise, Rohstoffe). Also kann nur, wer die Einzigartigkeit der Marke aufgeladen hat, am Markt bestehen. Natürlich wird es auch Unternehmen geben, die versuchen, ihre Marktmacht zu missbrauchen.

 Shrinkflation: Fachbegriff für verdeckte Preiserhöhungen (von Englisch "shrink" für schrumpfen sowie "Inflation" zusammen; "inflare" im Lateinischen = aufblähen).  Produkte werden bei weniger Inhalt zum gleichen oder höheren Preis verkauft. Seit 10 Jahren gibt es den Negativpreis "Mogelpackung des Jahres". Erster Gewinner war 2014 der US-Konsumgüter-Konzern Procter & Gamble. Unglücklicher Sieger 2023 wurde Mondelez. Der Lebensmittelkonzern verkauft in Deutschland Milka, Toblerone und Philadelphia. Beim konzerninternen Markenwechsel seiner Brotchips schrumpfte der Inhalt von 7days zu Tuc bei gleicher Verpackungsgröße von 250 auf 150 Gramm. Das entsprach einer Preiserhöhung von 127 %.

Greedflation bzw. Gierflation: In den USA wird schon länger über Greedflation diskutiert. In Deutsch spricht man von Gierflation. Gemeint ist, dass die Preissteigerungen zum großen Teil auf den "Profit-Hunger" der Hersteller zurückgehen. Viele Ökonomen in Deutschland halten die These für gerechtfertigt. Andere sprechen von einem Mythos. So hätten von den 32 in der Produktion tätigen Dax-Konzerne nur sechs ihre Rohertragsmarge verbessert (Eon, Infineon, Porsche AG, Daimler Truck, Qiagen). Bei den MDax-Konzernen sind es 14. Rohertrag=Umsatz abzüglich Materialaufwendungen. Quelle: Geschäftsberichte, HB 2.5.23, S. 4f.. Die Gewinnmargen sind insgesamt deutlich gestiegen. Die Entwicklung war in den Branchen aber sehr unterschiedlich. Der Preiskampf der Discounter wirkt bei Lebensmitteln sicher dagegen.

Preise bei Markenherstellern: Zu Beginn 2024 steigen die Preise für Alltagsprodukte erneut. In Europa stärker als im Rest der Welt. Markenhersteller verlieren Marktanteile. Steigende Preise führen zu sinkenden Verkäufen. Das deutet auf eine hohe Preiselastizität hin. Betroffen sind Mondelez, Beiersdorf, Pepsico, Unilever, Nestle und Henkel.

 

Distributionspolitik: Man kann akquisitorische und physische Distribution unterscheiden. Bei der akquisitorischen Distributionspolitik kann zwischen direkten (Produzent - Konsument ohne Zwischenstufen) und indirekten Vertriebswegen getrennt werden. Die physische Distribution betrifft die Marketing-Logistik (richtige Menge, richtiger Zustand, richtiger Zeitpunkt, richtiger Ort).  E - Commerce, vor allem auch B2B..

"Hohe Preise ziehen ferne Käufer an", aus China.

Vertriebswege: Sie liegen zwischen Hersteller und Endverbraucher. Es kann einen direkten Absatz geben. Normalerweise läuft der Absatz über Handelsvertreter, Großhandel und Einzelhandel. Manchmal werden auch Franchisenehmer eingesetzt. Als Verkaufsorgane können Einzelhandel, Großhandel, Filialketten, Vertragshändler, Handelsvertreter (Agenturen), Kommissionshandel und Makler agieren.

Vertrieb durch Handlungsreisende: Die Corona-Krise erwischt den Bereich stark, der schon vorher in einem starken Wandlungsprozess war. Unternehmen ersetzen das Face-to-Face (Verkaufsgespräche vor Ort) zunehmend durch das Call-to-Call (per Videochat). Die Revolution ist unumkehrbar.

Vertrieb als Arbeitsbereich: Immer weniger Arbeitskräfte wollen im Vertrieb arbeiten. Nötig ist ein Imagewandel  - und eine bessere Ansprache von Frauen. Intrinsische Motivation muss gestärkt werden. Es ist an der Zeit, den Vertrieb neu zu denken. Vgl. Homburg, Christian/ Lanzrath, Aline/ Ruhnau, R.- C.: Die neue No-go-Area, in: WiWo 4/ 19.01024, S. 37.

Die richtigen Vertriebskanäle wählen: 1. E - Commerce - Programm (sich von  der Konkurrenz abheben, Onlinebesuche in Verkäufe umwandeln)  . 2. Online-Shop. 3. Digitale Schaufenster bei Drittanbietern (eBay, Amazon)  4. Offline - Vertriebsstrategien. 5. Stationärer Handel (einladende Atmosphäre. Kaufanreize am Point of Sale). Vgl. McMurty, Jeanette Maw: Marketing für dummies, Weinheim 2024, S. 339ff.

Arbeitsteilung in der Distribution: Die alte Logik funktioniert nicht mehr. Hersteller, die produzieren, verkaufen off- wie online. Immer mehr Händler produzieren auf der anderen Seite selbst. Die Kunden haben sich daran gewöhnt, ihre Wünsche auch online jederzeit zu erfüllen. Für KMU ist es allerdings gar nicht leicht, einen Online-Shop auf die Beine zu stellen (Kosten für Marketing, Retouren, Präsentationen). Wichtig ist eine starke Marke für den Erfolg im E-Commerce. Eine alternative sind die großen Plattformen Amazon und Zalando. Möglich ist auch ein "Highlight-Shop" als Kompromiss, um sich bekannt zu machen. Die Grenze zwischen Produktion und Handel ist fließend. Vgl. Maike Brzoska: Da braut sich was zusammen, in: Die Zeit, 10.11.2016, S. 32.

E-Distribution (Wertkette): 1. Produktpräsentation (Online-Kataloge, Online-Präsentation). 2. Information und Kommunikation (Versorgung der Kunden mit kaufrelevanten Infos). 3. Produktbereitstellung. 4. Finanzierung und Zahlung (Abwicklung). 5. Beratung und Service. Vgl. Wirtz, Bernd W.: Electronic Business, Wiesbaden 2020 (7. Auflage), S. 619.

Business-to-Business (B2B): In der Sprache des E-Commerce Geschäfte von Unternehmen zu Unternehmen (Firmenkundengeschäft). Besonderheiten im B2B-Geschäft sind die erhöhte Komplexität der Produkte und die langfristig angelegten Geschäftsbeziehungen. Die Transparenz ist aufgrund der geringen Anzahl von Anbietern und Käufern hoch. Daneben gibt es noch Business-to-Consumer (B2C Verkäufe von Waren und Dienstleistungen an Endverbraucher bzw. Kommunikations- und Handelsbeziehungen zwischen Unternehmen und Privatpersonen), Business-to-Employee (B2E) und Business-to-Government (B2G).

Reklamation: Beschwerde von Kunden, auch im B2B-Bereich. Das muss nicht unbedingt die Geschäftsbeziehung gefährden. Werden die Probleme richtig behandelt, kann sogar die Kundenbindung steigen. Folgende Schritte sind zu empfehlen: 1. Beschwerde ernst nehmen. 2. Entschuldigung aussprechen. 3. Problem sofort lösen. 4. Wenn keine Lösung, an den Chef weitergeben. 5. Kunden informieren. 6. Wiedergutmachung staffeln. Vgl. Harvard Business Manager Oktober 2016, S. 18f.

B2B und Online-Shops: Die Digitalisierung verändert den Handel zwischen Unternehmen. Immer mehr B2B-Händler setzen auf eigene Online-Shops. Der Mittelstand-4.0-Agentur Handel ist Teil der Initiative "Mittelstand 4.0 Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse", die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert wird. Sie empfiehlt folgende Checkliste für die Implementierung eine sB2B-E-Commerce-Geschäftsmodells: Autoriiserungsstufen, Benutzerfreundlichkeit, Bestellauslösung, Flexibilität und Skalierbarkeit, Konsistentes Cross-Channel-Management, Kundenservice, Lagerbestandsabgleich, Mobile Commerce, Neue Medienkanäle, Online-Shop-zugang, Personalisierung, Reporting und Analytics, Preisgestaltung, Social Media, Zielgruppe. Ob Unternehmen für den Vertrieb ihrer Produkte nun auf einen eigenen Online-Shop oder auf spezielle B2B-Marktplätze setzen, hängt vom Einzelfall ab. Vgl. Pfliegl, Konstantin: B2B-Händler setzen auf eigene Online-Shops, in: com! professional 8/ 2019, S. 28ff.

Marktplätze für das B2B-Geschäft (B2B-E-Commerce): Typologie: 1. B2B-Marktplatz mit Geschäftskunden-Dependance. 2. Online-Marktplatz statt Branchenbuch. 3. Der Platzhirsch macht den Marktplatz (Sortimentserweiterung, Beispiele Metro, Wucato, Klöckner). 4. VC - getriebene Spezialisten (Branchennischen). Vgl. Lommer, Ingrid: Das Rennen um die Spitzenplätze ist offen, in: com!professional 10/2020, S. 30ff.

Online-Kauf bzw. Online-Handel zwischen den Regalen: Immer mehr Kunden ordern Ware per App, während sie im Geschäft stehen, Dabei beobachten sie den Preis und lassen sich oft von Fachpersonal beraten. Dabei spielt auch der mobile Zugang zu Preisvergleichsportalen eine Rolle. Immer wichtiger werden die Bezahldienste. Der E-Commerce - Umsatz ist inzwischen auf 39 Mrd. € (2014) gestiegen. Rechnung, Paypal, Lastschrift und Kreditkarte sind die häufigsten Bezahlformen. Die deutschen Banken wollen ein eigenes Bezahlsystem im Netz starten. Der Online-Handel in Deutschland konzentriert sich immer mehr. Die drei größten Unternehmen Amazon, Otto und Zalando erzielten 2015 gemeinsam über 11 Mrd. € Umsatz. Der Online-Umsatz stieg 2015 um gut 13% (Quelle: Handelsforschungsinstitut EHI und Statista). Vgl. H. Ahlf: Digitales Marketing, in: WISU 1/2016, S. 31ff. 2017 entscheidet der EuGH, Dass Luxusanbieter den Online-Handel beschränken dürfen (Sperrung von Amazon und Ebay). Im Februar 2018 untersagt die EU das Geo-Blocking. Das soll das Ende der Diskriminierung beim grenzüberschreitenden Internet-Shopping sein. Es gibt aber immer noch Ausnahmen. Das britische Research - Haus Juniper prognostiziert für den globalen Onlinehandel 2024 4,8 Billionen Dollar Umsatz.    Prognosen sagen, dass der E-Commerce (B2C) jährlich um 11% wachsen wird. Mit folgenden Umsätzen wird gerechnet: 2019 299,2 Mrd. €, 2020 332,9, 2012 368,8 (Quelle: Forrester Online Retail Forcast). 2018 dominiert noch der stationäre Handel (Ladenlokal): 85%; 33% eigener Online-Shop; 11% Ebay; 8% Amazon; 6% andere überregionale Online-Marktplätze; 3% andere regionale Online-Marktplätze. Es gibt 2019 zunehmend Probleme bei der Zustellung. Der starke Verkehr in den Städten behindert. Das ist eine Bremse für den Online-Handel. Die Corona-Krise macht den Online-Handel nicht unbedingt zum Gewinner: Der Nachfrageschock bremst die Umsatzentwicklung. Profitieren können nur Lebensmittel, Apotheken und Drogerien. Im 2. Quartal 2020 (Corona-Krise) wächst der Online-Handel in Deutschland aber um 32%.

Struktur des Online-Shoppings in Deutschland: Die Verbraucher in Deutschland kaufen begeistert im Internet ein, wenn es um Mode, Elektronik oder Reisen geht. Sie sind sogar in Teilen Vorreiter in Europa. Bei Lebensmittel, die im Internet bestellt werden, sind sie jedoch Schlusslicht. Quelle: NielsenIQ 2021. Das Angebot wäre da mit Gorillas, Picnic oder Flink (Rewe ist hier beteiligt), aber nicht die Nachfrage. Ein Grund liegt in der großen Anzahl von stationären Supermärkten Deutschland. Ein zweiter Grund ist die geringe Online-Präsenz der Märkte und Handelsketten. also haben Rewe, Edeka, Aldi, Lidl u. a. es eher selbst in der Hand.

Einzelhandel und Lieferdienste( Online-Konsumgüterhandel): Die Einzelhändler verbünden sich mit Lieferdiensten. Edeka arbeitet mit Picnic zusammen. Rewe ist mit Knuspr verbündet. Weltweit führt ganz klar Asien. In Südkorea macht 2022 der Online-Konsumgüterhandel 29% aus. Es folgt China (Festland 27%) vor Taiwan (17%). Auf den nächsten Plätzen liegen die USA und GB.

Online-Handel als Corona-Gewinner: Die Läden in der City sind dagegen der Corona-Verlierer. Der Online-Handel profitiert auch langfristig. Es sind langfristige Änderungen im Konsumverhalten da, die auch auf das Homeoffice zurückzuführen sind. . Quelle: Studie des Ifo-Instituts 2023.

Verflixte letzte Meile: Besonders für Lebensmittelhändler ist bei der Nach - Hause - Lieferung die letzte Meile (Haustür des Kunden) das Problem. Hier zahlen Unternehmen (Rewe, Real, Picnic) oft drauf. Sie macht 41% der Kosten der Lieferkette aus. Allerdings wäre nur 1% der Kunden bereit, diese Kosten selbst zu übernehmen. Hilfe könnte ein spezieller Service bieten: Onlinebestellungen werden in der Nachbarschaft abgeliefert oder per Croudsourcing. Quelle: Jacobs, Kees: The Last-Mile Delivery Challenge, in: Capgemini Research Institute, Januar 2019.

E-Commerce mit Plattformen: Markenhersteller müssen nach den richtigen Marktplatz-Strategien suchen. Gesamtziel ist ein zusätzlicher Umsatz über Marktplätze. Man will die Reichweite erhöhen, die Marken - Bekanntheit steigern, neue Kundensegmente erschließen und evtl. Overstock verkaufen. Die Produkte müssen optimal darauf abgestimmt werden. Vgl. zimmer, Daniel: Auf Plattformen erfolgreich agieren, in: com!professional 5/2021, S. 40ff.

Glaubwürdigkeit: Hohe Glaubwürdigkeit kann zum Erfolgsfaktor werden. Kommunikation sollte ehrlich sein. Das gilt gerade für E-Commerce. Nur dann gilt ein Unternehmen auch als nachhaltig.

Handelsplattformen Joom, Wish, AliExpress: Gemeinsam ist diesen Plattformen, dass sie Alternativen zu den großen wie Alibaba und Amazon darstellen. Sie vertreiben außerdem überwiegend in China produzierte Waren. Diese Waren haben oft große Mängel oder stellen Fälschungen dar. Trotzdem dürften die Plattformen in den nächsten Jahren steil nach oben gehen, weil der Preis extrem günstig ist. 

Lokale Online-Marktplätze: Sie sollen die Innenstädte beleben. Sie funktionieren aber in der Regel im Internet nicht. Es fehlt ihnen an Attraktivität (Auswahl, günstige Preise).

Online-Marktplätze: Es gibt im deutschsprachigen Raum im E-Commerce eine Plattform-Hype. Sie schießen wie Pilze aus dem Boden. Die Landschaft ist sehr vielfältig, so dass man die Qual der Wahl hat.

Social Shopping: Soziale Medien wie Facebook, Instagram oder TikTok bieten in Corona-Zeiten Ersatz für shoppen an und schließen die Erlebnislücke. Sie bieten Einkaufbummel im Internet an - mit Live-Shopping-Shows. Besonders junge Kundinnen und Kunden sind dafür aufgeschlossen. 

Voice-Commerce: Steht noch vor sehr hohen Hürden. Die Authentifizierung per Sprache ist der Schlüssel.

Everywhere Commerce: Einkaufen digital ohne Online-Shop. Der Shop ist quasi überall.

Stationärer Handel: fester physischer Standort mit Absatzkanal (Ladengeschäft, Kaufhaus, Supermarkt). In den USA baut der US-Handel Läden aus. Der stationäre Handel ist stabil. Mehr Umsatz, mehr Profit. Vgl. HB 13.2.23, s. 30f.

US-Shoppingmalls: Sie erleben 2023 ein Comeback. eigentlich schien die große Zeit vorbei zu sein. Das Internet nahm ihnen die Kunden weg. Nun erleben sie eine überraschende Renaissance. Sie könnten zu einem Ort der Begegnung werden, mit modernem Familienbild. Vgl. Bock, Simon: Erst shoppen, dann Joga, in: Der Spiegel 52/ 23.12.23, S. 56ff.

Farben beim Verkauf: These: Wer sein Lächeln unterstreichen möchte, sollte Rot, Orange oder Gelb tragen. Die Kleidungsfarbe kann positive Emotionen verstärken. In einem Experiment gaben die Teilnehmer und Teilnehmerinnen eine rlächenden Bedienung mehr Trinkgeld, wenn diese warme Farben trug. HBM Januar 2022, S. 18f.

Supermarkt: Der erste Supermarkt wurde 1920 in Memphis/ Tennessee aufgemacht Er hieß "Piggly Wiggly". Den Einkaufswagen erfand Sylvan Goldman (1898 - 1984) aus Oklahoma. Er hatte das so wohl das Wohl der Damen im Sinn als auch seinen Umsatz. Ihm war aufgefallen, dass die Frauen den Einkauf beendeten, sobald ihr Korb oder ihre Tasche voll war. Das war 1937. 1957 eröffnete der erste deutsche Supermarkt in Köln-Ehrenfeld (Herbert Eklöh).

Kontaktfrei kaufen (Geschäfte der Zukunft ohne Personal): Es gibt grundsätzlich dazu vier Szenarien: 1. Pickstation (Waren an Automaten kaufen). 2. Selbstservice-Laden (Kassiervorgang überflüssig, Kunde hat App oder Kundenkonto). 3. Virtueller Laden (Virtual-Reality-Läden bringen den physischen Laden nach Hause). 4. Automatisiertes Kaufsystem (Einkaufsentscheidung an Haushaltsgeräte wie Kühlschränke delegiert). Dei Akzeptanz dafür steigt, auch durch Corona. Zumindest sollten Einzelhändler diese Wege ergänzend einsetzen. Vgl. Kralle, Nora/ Rudolph, t./ Bischof, S.: Kontaktfrei kaufen, in: HBM März/ 2021, S. 56ff.

Evolution des Point of Sale: Der digitalisierte Store soll neue Technologien und menschliche Qualitäten verbinden. Eine Reihe von Innovationen bewähren sich: 1. Smart Mirror kann via Smartphone QR-Codes zu Angeboten und Kampagne lesen. 2. Das Selbstbedienungsformat bei Teegut (Teo) besteht aus App und Terminal. Öffnen kann man so rund um die Uhr. 3. Roboter Paul hilft bei Saturn dem Kunden, das gewünschte Produkt zu finden. Bei Conrad hilft Roboter Alex bei der Bedienung. 4. Virtual Fitting. Kunden lassen sich scannen und erhalten ihr digitales Ebenbild, einen Avatar bei H&M. so kann eine virtuelle Anprobe stattfinden. 5. Self-Checkout. Kann bald zum Alltag werden. Vgl. com!professional 4/2021 (verschiedene Artikel).

Tegut, Fulda (Handelskette, erster Markt im Februar 2021 ohne Personal; Supermarkt in Fulda; Chef 2021 Thomas Gutberlet; 283 Filialen in mehreren Bundesländern; 8000 B.; seit 2018 im Besitz von Migros/ Zürich)

Einkaufswagen beeinflussen Kaufverhalten: Eine Studie der City - University in London findet heraus, dass Parallelgriffe die Kauflust um 25% steigern. Schuld ist ein Muskel im Oberarm.

Kauf-vor-Ort-Bon: Zur Unterstützung des lokalen Einzelhandels schlagen die Grünen diesen Gutschein vor, den die Bundesregierung pro Kopf verteilen soll. Er soll eine Höhe von 250 € haben.

Kioske: Kioske, Büdchen, Trinkhallen, Spätis können in den Städten in Corona geöffnet bleiben. Hier kann noch ein gewisser sozialer Austausch stattfinden. Sie wirken gegen die Einsamkeit in anonymen Großstädten. Allerdings hat sich ihre Zahl in den letzten Jahren stark reduziert durch die langen Öffnungszeiten im Lebensmitteleinzelhandel. 2008 gab es noch 26.000 Kioske in Deutschland. 2021 23.100. Der Gesamtumsatz liegt bei 7,5 Mrd. €. Vgl. WiWo 13/ 26.3.21, S. 10.

Trends aus den USA: Gerade New York gilt als richtungsweisend. Einst war der Einzelhandel identitätsstiftend. Die Einzelhändler gerieten in die Krise. Dann kamen die Shoppingmalls, die heute in der Krise sind. Investoren versuchen, sie zu gigantischen Vergnügungsparks umzubauen. Wahrscheinlich treffen uns die gleichen Entwicklungen. 

Verkäufer zu Verbündeten des Stationären Handels machen: Der größte Vorteil der traditionellen Ladengeschäfte ist der Kontakt zu echten Menschen. Die Zufriedenheit der kunden hängt von der Verfügbarkeit und Kompetenz der Verkäufer ab. Sparen um jeden Preis ist nicht der richtige Ansatz für Einzelhändler. Statt in Verkaufspersonal nur einen Kostenfaktor zu sehen, sollten sie ihre Mitarbeiter als wichtigstes Kapital im Wettbewerb mit den Onlineshops behandeln. Vgl. Fisher, M./ Gallino, S./ Netessine, S.: Machen Sie Verkäufer zu Verbündeten, in: HBM, September 2019, S. 66ff.

Video-Chat: Kann zur Beratung im Ladengeschäft eingesetzt werden. Die Videotechnik bringt Online-Kunde und Offline - Verkäufer zusammen. Es gibt mittlerweile auch eine Reihe von Anbietern: Snapview, Go instore, Avatimes. Auch B2B-Beratung ist per Video möglich.

Vaund Store: Könnte ein Konzept für das Ladengeschäft der Zukunft sein. Er steht in Hannover. Produkte von mehr als 70 Herstellern und Händlern werden präsentiert und zum Verkauf angeboten. Man spricht von einem Multibrand Store.

Nicht-stationärer Handel (Distanzhandel): Handel über ein Medium ohne physischen Standort. Absatzkanal: Katalog-Versand, Internet-Handel, Markenshops auf Online-Plattformen, eigene Webshops, mobile Shops.

Omnichannel Retailing: Alle Kanäle umfassender Verkauf. Der Begriff wird vor allem in Zusammenhang mit E-Commerce und dem Wandel dabei eingesetzt.

Omnichannel Marketing: Integration der besten Online- und Offline - Kanäle. Kunden wechseln von einem Kanal zum anderen und erwarten eine reibungslose Erfahrung. Die Kanäle müssen aufeinander abgestimmt sein. Dazu müssen die wichtigsten Schnittstellen bekannt sein. Vgl. Kotler, P./ Kartajaya, H./ Setiawan, I.: Marketing 4.0, Frankfurt/ New York 2017, S. 181. Der Handel muss die Stärken aller Welten nutzen. Kunden wollen nicht differenzieren.

Kanal-Agnostisch: Es ist den Unternehmen in diesem Falle egal, auf welchem Wege Kunden mit ihnen in Kontakt kommen oder bei ihnen kaufen. Sie bedienen alle Kanäle - egal ob Online-Bestellung, Telefon, soziale Medien oder Ladengeschäft. Die Kunden sollen sich überall willkommen fühlen.

Channel-Modelle im Vergleich: Singlechannel: Verkauf über einen einzelnen Kanal, ein herkömmliches stationäres Ladengeschäft oder auch ein Online-Marktplatz. Multichannel: Verkauf über mehrere Kanäle, die jedoch nicht miteinander verknüpft sind. Der Kund ekann daher bei einem Kaufvorgang nicht zwischen den Kanälen hin und her wechseln. Cross Channel: Stationäre Geschäfte, die den Käufer auch zu Online-Bestellungen bringen. Mehrere Verkaufkanäle sind vorhanden, die verknüpft sind. Omnichannel: Mehrere Verkaufskanäle sind vorhanden. Im Unterschied zu Crosschannel können Kunden nahtlos von einem Kauf zum anderen wechseln.

Omnichannel-Strategie: Omnichannel ist auch eine Kunst. Handelshäuser und Dienstleister müssen Kunden eine konsistente Customer Journey bieten. In Deutschland nutzen 2018 56 Mio. Bundesbürger sowohl Online-Shops als auch stationäre Händler. Die Handelshäuser stehen vor der Herausforderung, alle Kommunikations- und Vertriebskanäle abzudecken. Digital und analog muss verknüpft werden. Mittlerweile gibt es eine reihe von Lösungen und Services für Omnichannel (Auswahl): abi Social Federation, Adobe, Evergage, Oracle, Salesforce, SAP, SAS. Vgl. Omnichannel, in: com! professional 9/2019, S. 14ff.

Click & Collect: Online kaufen und in der Filiale abholen. Das ist für den Handel billiger und für den Kunden oft praktischer. Deshalb steigt die Bedeutung dieser Distributionsform immer mehr an.

Stationäres Vertriebsmodell: Verkauf über Geschäfte, meist Fachgeschäfte. Das wird zum Problem, wenn die Konsumenten ihr Verhalten ändern und online kaufen. Mit 1.124.000 qm und über 1200 Geschäften ist die Dubai Mall die größte Einkaufspassage der Welt.

Handel und digitales Optimum: Der Handel ist in einem Spagat zwischen zu viel und zu wenig digitalen Services. Digital Convenience kann umfassen: Click & Collect, Ladenausstattung online prüfen, vorgefertigter Warenkorb, Shopping guide mit Lageplan, Informationen über Displays, App etc.

App statt Kasse: Sensoren erkennen, was die Kunden kaufen. Daher gibt es keine Kassen mehr. Es gibt Vor- und Nachteile dieses neuen Ladenkonzeptes. Die größte Herausforderung ist die Warensicherung. Mit diesem Konzept arbeiten: Amazon Go in den USA; Alibaba Fururemart in China; Albert Hejn, Niederlande; Apple Store, USA. Schögel, M./ Lienard, S.: Cashierless Stores - The New Way to the Customer, in: Marketing Review, St. Gallen, 2020.

Online-Verkauf mit wenigen beratenden Fachhändlern (Flagship-Stores): Alternative zum stationären Modell. Es spart Kosten in hohem Ausmaß (Provisionen für Zwischenhändler).

Vorteile von Ladengeschäften (erfolgreiche Händler): Drei Ebenen/ Eigenschaften sollten erfüllt sein, über die differenziert werden kann: 1. Probleme lösen (breites und tiefes Sortiment, Verfügbarkeit, Beratung und Service: multisensorisches Erlebnis). 2. Aufenthalt gestalten (moderne Architektur, Eventmanagement, Gastronomie, Warenpräsentation: Inspiration). 3. Kunden ansprechen (Informationsvermittlung, Tools und Apps, CRM-System: Personalisierung von Produkt und Kommunikation). quelle: Reinartz, Werner/ Hudetz, Kai: Attraktiv auf der Fläche, in: HBM Juli 2019, S. 34ff.

Stadtsoziologie/ Innenstädte und Handel: Bisher setzen die Städte und der Handel selbst immer auf die gleichen Rezepte: Verlängerung der Öffnungszeiten und mehr Parkplätze. Das sind die beiden Größen, die leichter (auch von der Politik) zu steuern sind. Sie lösen aber längst nicht mehr die Probleme des Einzelhandels. Die Lösung liegt in der Einzelhandelsstruktur der Städte. Die Innenstädte werden immer unattraktiver, je gleicher sie aussehen: Wenn nur noch immer die gleichen Filialen von den gleichen Ketten da sind, lohnt sich ein Besuch nicht mehr. Die Verkaufzonen der Innenstädte müssen sich wandeln: kleinere Fachgeschäfte, individueller, mehr Erlebnis (Cafe, Gartenlokale u. a.), mehr Produkte und Waren zum Anschauen (Buchhandel).

Handel in China als Vorbild: Chinesische Unternehmen erfinden das Kundenerlebnis neu. Sie verbinden Hightech und Handel. Einzelhändler aus Europa und den USA hinken ihren chinesischen Mitbewerbern in Sachen Digitalisierung hinterher. Westliche Einzelhändler können an fünf Stellschrauben drehen: 1. Anlaufstellen schaffen Ökosysteme, Große Plattformen, Produktvorschläge)2. Bewertungen ausbauen (Kundenbeurteilungen, Influencer, Video-Livestreams, unabhängige Plattformen). 3. Vertriebskanäle integrieren (Vernetzung von Online- und Offlinekanälen, Einkaufsmöglichkeiten überall,  Künstliche Intelligenz im Service) 4. Logistik überdenken (Günstige Zusteller, Ausgefeilte Routingtechnologie, Keine Lieferkosten für Kunden). 5. Nah am Kunden sein (Excellenter Service, Treueprogramme auf allen Kanälen, Influencer-Beziehungen, Fan-Marketing). Vgl. Greeven, Mark J./ Xin, K./ Yip, G. S.: Paradies für Händler, in: HBM März 2022, S. 66ff.

Lebensmittel online kaufen und Effekte: Online kaufen ist gesünder. Menschen treffen bessere Entscheidungen, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. In diesem Falle hilft die Verzögerung zwischen Online-Bestellung und Wareneingang den Käufern, gesündere Lebensmittel zu bestellen. Hinzu kommt, dass im Internet die in Geschäften übliche ablenkung wegfällt (Lärm, die Anwesenheit von Kindern), ebenso der Einfluss durch geschickte Produktplatzierung. Die Verbraucher haben es somit leichter, beim Einkauf die Selbstkontrolle zu üben. Vgl. Harris, Katherine A.: The Effect of Online Shopping on Grocery Demand, Working Paper, Oktober 2018.

Digitale Techniken am Point of Sale: Verzahnung von Offline und Online. Jeder Verkäufer mit Tablet. Interaktives Schaufenster. Virtual Reality. Bezahlen ohne Kasse.

Virtuelle Einkaufsberater: Lebensgroße Bildschirme, z. B. des Digitalunternehmens Ameria. Virtuelle Einkaufsberater machen Kunden auf Produkte und Aktionen aufmerksam und treten mit ihnen in einen Dialog. Erfolgreich läuft das Konzept seit 2019 bei Engelhorn Modehäuser in Mannheim.

Versandkosten: Möglichkeit der Onlineshops ihre Rentabilität zu erhöhen. Als besonders profitabel erweist sich die Strategie, Kunden ihre online gekauften Waren nur dann kostenlos zu liefern, wenn der Warenkorb einen bestimmten Bestellwert überschreitet ("contingent free shipping"). Vgl. Chen, C./ Ngwe, D.: Shipping Fees and Product Assortment in Online Retail, Harvard Business School Working Paper, September 2018.

Hybrider Handel: Kombination von stationärem und Online-Handel. Der stationäre Handel geht immer mehr auch online (z. B. Walmart). Der Online-Handel baut Geschäfte auf (z. B. Amazon, Zalando).

Showrooming und Webrooming: Kaufverhalten, bei dem Kunden online informieren, aber letztlich im stationären Handel kaufen (Webrooming). Kunden lassen sich im Laden beraten und kaufen im Internet (Showrooming).

Bezahlsysteme bei Online-Kauf: 1. Auf Rechnung. 2. Mit Lastschrift. 3. Via Paypal & Paydirekt. 4. Über Vorkasse. 5. Mit "Sofort Überweisung". 6. Per Kreditkarte. 7. Im Laden zahlen (Click & Collect).

Bargeld: Vorteile: Die Zahlung ist anonym. Abgesehen vom Verkäufer weiß niemand, wo bei wem man gekauft hat. Niemand muss in Vorleistung gehen. Für die Nutzer ist Bargeld günstig. Man muss niemand etwas dafür zahlen, dass die Transaktion abgewickelt wird. In Europa finden 2018 noch 79 % aller Transaktionen in Bargeld statt. In Nordamerika sind es nur noch 50%.

Digitale Zahlsysteme: In einigen Ländern boomt der Markt. So in Schweden und China. In China verschärft die Notenbank die Vorschriften für die Anbieter solcher Systeme ab 2018: Ab April müssen Zahlungsabwickler 42 bis 50% ihrer Kundenreservegelder auf zinsfreien Konten parken. In China ist der Markt rasant gewachsen. 2016 sollen es Transaktionen im Wert von 2,4 Billionen Euro gewesen sein. Die Regierung bemüht sich darum, den Markt gläsern zu machen. In der EU wurden 2016 noch 79% aller Einkäufe bar bezahlt. Doch digitale Bezahlsysteme wie Amazon Go oder Pay Pal expandieren (auch Apple Pay, Visa Checkout, Google Pay, Alipay, Samsung Pay, Masterpass, Square Cash). Sie locken mit Bequemlichkeit. Doch es besteht die Gefahr der totalen Überwachung. In China sind die Smartphone - Zahlungen im digitalen Handel am höchsten vor den USA.

Supermarktkonzepte der Zukunft: 1. Selbst fahrender Einkaufswagen (Walmart experimentiert damit. Zusammenarbeit mit dem Start-up Five Elements Robotics. Kassen werden überflüssig. Kunden zahlen mit dem Smartphone). 2. Kunde scannt selbst (schon in der niederländischen Kette Albert Hejin üblich; Am Eingang bekommt Kunde Scanner). 3. Totale Überwachung (Amazon will mit Kameras und Sensoren alle Kunden und Waren überwachen; der digitale Warenkorb des Handys ist immer parallel). Quelle: US-Patentamt.

Einkaufscenter: In Deutschland gibt es 2018 ca. 480 Einkaufscenter (Shoppingcenter). Viele haben die beste Zeit hinter sich. Wichtige Mieter schwächeln. Online-Rivalen ziehen Kunden ab. Es könnte eine entwicklung wie in den USA drohen, wo viele Malls zu Konsum-Ruinen werden.

Vertriebsstruktur von KMU: Unter Vertrieb werden alle Aktivitäten verstanden, die zur Öffnung, Bedienung und Sicherung des Marktes erforderlich sind. KMU bedienen überwiegend lokale und regionale Märkte (Vertriebsradius). Die Zahl der international agierenden KMU wächst (als Barrieren wirken Finanzen, Risiko und Kontrollverlust). Kooperationen können relative Nachteile ausgleichen und die Eigenständigkeit erhalten. Das Internet wird zunehmend genutzt. Vgl. De, D. : Entrepreneurship, München 2005, S. 223ff .

Tupperparty als Verkaufsstrategie: Sie wurde Anfang der Fünfzigerjahre von Brownie Wise (gestorben 1992) in den USA erfunden. Für die Frischhalteboxen luden Frauen ihre Freundinnen nach Hause zu Partys ein, auf denen zum Kauf der Plastikdosen animiert wurde. Die Veranstalterinnen wurden unsatzabhängig belohnt. Hausfrauen wurden so zu Geschäftsfrauen, weshalb Wise auch als eine Pionierin der Emanzipationsbewegung gilt.  Viele KMU haben diese Strategie aufgegriffen. Das Marketing von Angesicht zu Angesicht (siehe oben) als übergeordnete Methode gilt als Erfolgsmodell für KMU.

Trichtermanagement im Vertrieb (Sales Funnel): Wichtig beim Aufbau und bei Start-ups. Er hilft, die Vertriebsaktivitäten zu priorisieren und zu professionalisieren. Ständig werden neue Kontakte und Leads im oberen Trichtersegment generiert.

Handelsketten (Distribution über...): Schwierig für Start - up. Eine der Hauptgründe für das Scheitern junger Unternehmen. Mögliche Strategie: Hartnäckig bleiben; auf Messen gehen; persönliche Kontakte herstellen; Überzeugungsarbeit leisten; Nerven behalten; rechtzeitig guten Vertrieb aufbauen.

Wandel des Verbrauchermarktes durch den technologischen Wandel: Vergleichsportale im Internet, große Online-Anbieter (Amazon, Ebay u. a.) haben den Verbrauchermarkt revolutioniert und verändern ihn weiter.

"Point of Sale": Ort des Kaufes. Mittlerweile laufen Tausende von Mikrojobber durch Läden und fotografieren heimlich Produkte. Der Point of Sale von morgen dürfte digital sein. Roboter und Drohnen gehen zur Hand.

Franchise: Selbstständiges Unternehmen (KMU), das für eine bekannte Marke Produkte verkauft. Form der Kooperation. Die Franchise-Riesen in Deutschland sind McDonald` s, Schülerhilfe, Fressnapf, Burger King, Subway und TUI (nach der Zahl der Standorte). Das Geschäftsfeld, das in den USA, China, Südkorea und Frankreich sehr etabliert ist,  wächst in Deutschland sehr stark (mehr als 60 Mrd. € Umsatz, 73.000 Franchise-Nehmer).  In den Großstädten prägen die Franchise-Läden schon das Bild. Man profitiert vom Wiedererkennungswert des Firmen-Logos. Es gibt allerdings eine hohe Rate des Scheiterns (weil der Franchise-Nehmer in der Regel das Risiko trägt). Darüber sind kaum Informationen zu bekommen. In der Regel sind eine Einstiegsgebühr, eine Monatsgebühr und Gebühren für Werbung zu zahlen. Social-Franchising: Die Idee kam nach den vielen Skandalen im Franchising auf (z. B. Arbeitsbedingungen bei Burger King). Es stellt sich die Frage, ob sich die Branche neu erfinden muss und nennt es Social Franchising. Darin wird der Profitgedanke nicht durch eine soziale Komponente ersetzt, sondern ergänzt. Es ist nicht "greenwashing". Die Einstellung dahinter muss stimmen. In der Regel geht es um Nahversorgung. Die weltweit am schnellsten wachsenden Franchise-Unternehmen sind Subway (Fastfood-Sandwiches), McDonald´s (Fastfood-Kette), KFC (Fastfood-Kette) und Burger King (Fastfood-Kette).

Servicification (Deutsch: Servicifizierung): Umwandlung klassischer Geschäftsmodelle in solche, bei denen statt physischer Produkte Dienstleistungen im Mittelpunkt stehen (Beispiel: kein Bürodrucker mehr, Ausdruck wird einzeln abgerechnet).

Öffentliche Auftragsvergabe: Sie hat für mittelständische Unternehmen eine große Bedeutung (vor allem Aufträge von den Kommunen). Sie unterliegt auch bei geringem Auftragsvolumen dem EU-Vergaberecht. Dieses soll 2014 flexibler und moderner werden.

Gamifikation: Einsatz von Spielen in der Ausbildung, vor allem in der Vertriebsschulung. So kann kompliziertes Wissen besser vermittelt werden. Es wird auch mit Besten - Listen und Belohnungen gearbeitet, was für den Vertrieb gut geeignet ist. Beispiel sind Nike+, Foursquare, Wii Fit u. a.

Fast Moving Consumer Goods (FMCG, Schnelldrehende Produkte): Warenrotation in Handelsunternehmen. Bezieht sich auf die Lagerumschlagshäufigkeit eines Produktes (Rotation pro Jahr/Monat/Woche pro Branche). In der Regel geht es um Lebensmittel.

Kunde als Abonnent ("Loyalität to go"): Im modernen Konsum ist der Zugang wichtiger als das Eigentum, das Benutzen geht über das Besitzen. DA Abo bringt drei Merkmale: 1. Der Kunde ist königlicher denn je. 2. Der Plattformkonzern ist König der Könige. 3. Das Abo muss Emotionen wecken. Vgl. Wirtschaftswoche 20/ 11.5.2018, S. 20ff. Adidas bietet Turnschuhe und -shirts im Abo. Daimler verlangt 2018 750 € für ein Abo (bis zu 12 Modelle testen). Es gibt auch B2B-Abos. Besonders im IT-Markt. So vor allem bei der Cloud.  In den USA haben 118 Millionen US-Haushalte 200 Millionen Abonnement-Verträge abgeschlossen. Bis 2017 sollen es 350 Millionen sein.

Warteschlangen an der Supermarktkasse oder sonst wo: Niemand will der Letzte sein. Schlangenspringer warten aber letztendlich länger. Vgl. Ryan W. Buell: Last Place Aversion in Queues, Working Paper, Harvard Business School, 2018.

Digitale und Physische Distribution: Hängt stark vom Produkt ab. Hoch ist die digitale Distribution bei Software, Musik und auch bei Reisen. Die Physische Distribution ist verbreitet bei Baumärkten und bei Automobilen.

Mythen des Kaufverhaltens bezogen auf die Distribution: Mythos 1: Einkaufen findet heute kanalübergreifend statt. Fakt: Die allermeisten Einkäufe laufen immer noch innerhalb eines Kanals ab. Mythos 2: Der Vertriebskanal spielte keine Rolle. Fakt: Onlinekunden kaufen mehr. Mythos 3: Beim Onlineshopping geht es um sofortige Belohnung. Fakt: Einkäufe im Internet dauern meist länger als im Laden. Mythos 4: Der Händler ist egal. Fakt: Kunden geben in Geschäften und auf Websites einzelner Marken viel mehr aus als bei Händlern, die mehrere Marken führen. Mythos 5: Konsumenten wollen andauernd etwas Neues. Fakt: Oft sind sie damit zufrieden, das Gleiche noch einmal einzukaufen oder ein ähnliches Produkt zu erwerben. Siehe Sporn, Jeremy/ Tuttle, S.: Shopping entschlüsselt, in: HBM, 10/2018, S. 8ff.

Absatzlogistik: Aufgabenbereiche sind Auftragsabwicklung, Lagerhaltung, Verpackung und Transport. Wichtig ist der Lieferservice (Lieferzeit, Lieferzuverlässigkeit, Lieferungsbeschaffenheit, Lieferflexibilität).

Fehler im Vertrieb: Fehler 1: Noch mehr Verkaufsgespräche vereinbaren. Fehler 2: Noch mehr Berichte, Kennzahlen und Forecasts einfordern. 3. Die Spätphase des Verkaufsprozesses überschätzen. Vgl. Edinger, Scott: Die größten Fehler im Vertrieb, in: HBM Juli 2020, S. 48f.

Netzwerk-Effekt und Plattform: Jede Plattform braucht einen Kernzweck. Es kann dann um weitere Geschäftsbereiche ergänzt werden. Man braucht eine klare Nutzergruppe. Hinzu kommt eine gute Vorbereitung. Man sollte schrittweise weiterentwickeln. Aktuelle Standards sollten gewahrt ein. Zusatzdienste sollten angeboten werden. Man braucht aber immer einen langen Atem. B2B-Plattformen sind im Kommen.

B2B-Marktplätze in Deutschland (Auswahl): Mercateo, Conrad, Metro Markets, Visable, IoT-Plattformen.

CEOs und andere Topmanager in Verkaufsverhandlungen: Sie können dem Deal den entscheidenden Schub geben. Sie können ihn aber auch abwürgen. Man muss raus finden, in welcher Rolle sie ihrem Unternehmen am meisten nützen. Man kann Beziehungsaufbau (gering bis hoch, senkrechte Achse) und Umsatzgenerierung (von gering bis hoch, waagerechte Achse) kombinieren. Dann erhält man vier Typen: 1. Geringer Beziehungsaufbau, geringe Umsatzgenerierung: Der Unberechenbare. 2. Geringer Beziehungsaufbau und hohe Umsatzgenerierung: Der Dealmaker. 3. Hoher Beziehungsaufbau, geringe Umsatzgenerierung: Der Gesellige. 4. Hoher Beziehungsaufbau, hohe Umsatzgenerierung: Der Wachstumskönig. Vgl. Capon, Noel/ Senn, Christoph: Mitmischen oder Raushalten, in: HBM Juli 2021, S. 20ff.

Services statt Produkte: Viele Unternehmen steigen auf nutzungsbasierte Vertriebsmodelle um. Vor allem in der Tech -Branche setzt man nutzungsbasierte Geschäftsmodelle (Beispiel Microsoft). Kunden kaufen also nicht mehr einmalig ein Produkt, sondern zahlen für die Dauer der Nutzung. Dann müssen aber auch Änderungen im Vertrieb vorgenommen werden: 1. Kunden neu segmentieren. 2. Vertriebsorganisation umbauen. 3. Vertriebsmitarbeiter einbeziehen. Vor allem die technischen Anforderungen erhöhen sich. Vgl. Chung, Doug J.: Wie Sie Services verkaufen statt Produkte, in: HBM Juli 2021, S. 28ff.

Closed Loop Ansatz: Beachtung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Distributionspolitik von der Produktion über den Kauf, den Gebrauch bis zur Entsorgung von Produkten. Vgl. Vgl. Ernst, D./ Sailer, U./ Gabriel, R.: Nachhaltige Betriebswirtschaft, München 2021, S. 405.

 

Kommunikationspolitik: Klassische Instrumente sind Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Verkaufsförderung, Messen und Ausstellungen, Sponsoring. Zu den modernen Instrumenten gehören Product Placement, Direktmarketing, Onlinemarketing, Eventmarketing, Ambient Media, Content-Marketing.

"Wer Handel treibt, muss freundlich sein", aus China.

Kommunikation: Prozess der Übertragung von Nachrichten zwischen Sender und Empfänger. Es gibt die verschiedensten Systematiken: Mikro- und makroökonomische Kommunikation, direkte und indirekte Kommunikation, einstufige und mehrstufige Kommunikation, gegenseitige und einseitige Kommunikation, private und öffentliche Kommunikation, Online- und Offline- Kommunikation.

Kommunikation, Arten: Man unterscheidet externe Kommunikation (Unternehmen - Kunden), interne Kommunikation (Unternehmen - Mitarbeiter), Interaktive Kommunikation (Mitarbeiter - Kunden). Vgl. Bruhn, m. Unternehmens- und Marketingkommunikation, München 2014, S. 4.

Spezielle externe Kommunikation: Speziell bei KMU? (weil mehr Investitionsgüter, keine Marken, also eher Öffentlichkeitsarbeit im Hinblick auf Netzwerke). Wie sieht es mit der Kulturabhängigkeit aus?

Internes Marketing: Förderung marktorientierter Verhaltensweisen. 1. Entwicklung des Marktbewusstseins. 2. Schaffung von Akzeptanz. 3. Motivation zu marktorientiertem Verhalten. 4. Vermittlung von Fähigkeiten zur schnellen Reaktion auf Marktinformation. Vgl. Gleitsmann, B. M.: Internes Marketing, Unternehmenskultur und marktorientiertes Verhalten, Wiesbaden 2007.

Interne Kommunikation: Etablierung von neuen Führungs- und Kommunikationskulturen, Meinungsaustausch und Dialoge, Kommunikationsplattformen bereitstellen, Koordinierung, Steuerung und Durchführung von übergreifenden Kommunikationsmaßnahmen. Vgl. Huck - Sandhu, S.: Interne Kommunikation im Wandel, Wiesbaden 2016.

Kommunikationswege der internen Kommunikation: Face-To-Face, Printkommunikation, elektronische Kommunikation. Vgl. Bruhn, M.: Unternehmens- und Marketingkommunikation, München 2014, S. 213.

Psychologische Ziele der Mitarbeiterkommunikation: Kognitiv-orientierte Ziele, Affektiv-orientierte Ziele, Konativ-orientierte Ziele, Ebenda, S. 1140.

Aufmerksamkeit: Eine wichtige Grund-Voraussetzung für Marketing, insbesondere Kommunikationspolitik. Es handelt sich um ein Konzept der Informationsökonomie. Es geht auf Georg Franck zurück (Ökonomie der Aufmerksamkeit, 1998). Aufmerksamkeit wird als knappes Gut betrachtet.

Content-Marketing: Kommunikation im Online-Zeitalter. Es geht um die spezifische Gestaltung der Kommunikationspolitik eines Unternehmens.  Kern ist, den Zielpersonen und Zielgruppen informierende, beratende und unterhaltende Inhalte zu präsentieren, die häufig nur einen indirekten Bezug zum Leistungsangebot des kommunizierenden Unternehmens haben. Kanäle des Content-Marketings sind die Quadranten "Unterhalten", "Inspirieren", "Bilden" und "Überzeugen". Vgl. Kreutzer, r. T.: Content-Marketing. Buzzword oder Erfolgsstrategie? in: WiSt, Heft 5/ 2016, S. 263ff. Ein anderer Begriff für diesen Sachverhalt ist  Journalismus-Marketing: Unternehmen jagen mit als Nachrichten getarnten Internetseiten nach Kunden. Nebenbei werden Daten über den Alltag der Kunden gesammelt. Den Nutzern werden unterhaltsame und informative Inhalte geboten. Es ist keine neue Erfindung. Eine der ältesten Beispiele ist der Guide Michelin. Heutige Formen sind meist Internet basiert (Blogs, Whitepaper, Tweets, Posts). Insofern ist es also datengesteuert. In einer weiten Interpretation ist dies Content Marketing an sich. Kein Wunder also, dass nach einer Studie 2016 (Oracle) 77% aller Unternehmen ihr Budget aufstocken wollen. Das Grundproblem von Content-Marketing sind viele Inhalte, aber keine Aufmerksamkeit ("digitales Nirwana"). "Republishing" kann dagegen helfen.

Content-Management-Systeme: Nummer eins ist WordPress. Es gibt aber auch gute andere Systeme: Web-Builder wie Jimdo, schlanke Wordpress-Alternativen wie Anchor CMS, CMS-System für kleine Projekte wie Concrete CMS, Headless CMS wie Butter CMS, Enterprises CMS wie Alfresco, Digtal Experience Plattform wie Adobe Experience Cloud.

Zielsgruppen: Meist unterscheidet man primäre und sekundäre Zielgruppe. Der Unterschied liegt häufig im Know-how. Die erste Gruppe umfasst die Meinungsführer (Multiplikatoren). Zur sekundären Zielgruppe gehören etwa Kunden (auch potentielle) und Stakeholder. Eine besonders wichtige Zielgruppe im Konsumentenmarketing sind mittlerweile Kinder. Sie werden im Marketing besonders angesprochen, weil sie beim Einkauf mit verhandeln und damit großen Einfluss auf ihre Eltern haben.

Modelle des Konsumentenverhaltens: Es gibt im Marketing eine Vielzahl von Modellen (Meffert, Howard/ Sheth, Kotler/ Bliemel u. a.). Das Grundmodell besteht darin, dass der Konsument als "Black Box"  bestimmten endogenen und exogenen Faktoren ausgesetzt ist. Am Ende steht der realisierte Kauf.

Konsumentengruppen: 1. Lohas (Lifestyle of Health and Sustainability), Lebensstil, der auf Gesundheit und Nachhaltigkeit setzt (Wertedimensionen: Gesundheit und Nachhaltigkeit, Genuss und Verantwortung, Technik und Design, Individualität und Community). 2. Scuppies (Socially Conscious Upwardly-mobile Person), jemand, der dabei ist, gerade die Karriereleiter nach oben zu klettern und sich dabei ein aufrechtes Gewissen mit Verantwortungsgefühl für Mitmenschen bewahrt. 3. Lovos (Livestyle of voluntary simplicity), Lebensstil freiwilliger Einfachheit. 4. Parkos (Lohas, die online überdurchschnittlich aktiv sind).  5. Yawns (Young and Wealty but Normal), Jung, reich, aber total normal. Es handelt sich in der Regel um Cluster von 15 Megatrends. 6. Pank: professional aunt, no kids. Investieren viel Geld und Zeit für den Nachwuchs ihrer Geschwister und Freunde (das männliche Pendant heißt Punk). Konsumentengruppe der Verzichter: Verzicht als Modetugend. Verzichtet wird oft auf Auto, Urlausflüge, Fleisch, Einkäufe beim Discounter. Wunsch nach einfachem Leben. Verbunden wird die mit Sharing (Car-Sharing), Sabitical usw. Mäßigung wird zum Statussymbol. Man macht sich unabhängig von Geld, Karriere und Konsum. Vgl. Brauck, M./ Hawranek, D.: Überdruss am Überfluss, in: Der Spiegel, 14/ 2014, S. 34-41.

Silver Hairs, Best Age (Senioren als wachsende Konsumentengruppe): Die älteren Menschen sind in allen Gesellschaften eine schnell wachsende Konsumentengruppe mit hoher Kaufkraft. Unternehmen, die ihre Aktivitäten auf eine alternde Gesellschaft ausrichten, weisen ein überdurchschnittliches Wachstum auf. Demographiewandel ist ein weltweites Phänomen. Besonders betroffen sind folgende Branchen: Reise und Freizeit, Finanzunternehmen, Betreuung, Körperpflege bzw. Well-Being, Sicherheit, Gesundheit, Medizintechnologie. Unternehmen, deren Aktivität auf eine alternde Gesellschaft ausgerichtet sind, weisen ein überdurchschnittliches Wachstum aus, das sich wahrscheinlich noch beschleunigen wird. Der Demographiewandel ist ein weltweites Phänomen.  Japan ist das erste Land, in dem durch eine alternde Gesellschaft mit der Inkontinenz von Senioren mehr Geld verdient wird als mit der Notdurft kleiner Kinder. So verdienen die Windelhersteller ihr Geld vor allem mit Senioren. Ein Viertel der japanischen Bevölkerung ist 2015 65 Jahre und älter.

Generation Z: Die nächste Generation wird oft als Z bezeichnet (nach 1995 geboren). Sie bildet sich vorwiegend selbst, sie hat keine Vorbilder, sie hat andere Werte. Sie ist in sozialen Netzwerken zuhause und bevorzugt die digitale Kommunikation (sie sind als Kinder mit Computer und Internet aufgewachsen). Sie legt Wert auf die strikte Trennung zwischen Beruf und Privatem. Gegenüber dem Unternehmen gilt das Motto "Don´t manage me unterstand me". Die Wünsche dieser Generation sind aufgrund der Arbeitsmarktsituation auch einforderbar. Entsprechende Wertemuster finden sich auch bei Älteren. Mittlerweile werden auch andere Bezeichnungen kreiert (in GB Katnis Everdeen). Die Generation protestiert oft gegen den Kapitalismus, für Klimaschutz und eine andere Wirtschaft. Die großen Parteien haben diese jungen Menschen als Wähler verloren (wählen überwiegend Grün). Nun bemühen sich die Unternehmen, nicht den gleichen Fehler zu machen. "Diese Generation weiß, dass auch Konsum eine politische Äußerung sein kann", Sven Koesling, Agentur BBDO Berlin. Vgl. auch: Verschiedene Autoren, Wer seid ihr? in: Die Zeit Nr. 1, 2020, 27.12.2019, s. 23ff. Die besten Daten über die junge Generation in Deutschland stammen aus der Shell-Studie. Sie 1953 werden Stimmungen, Sichtweisen, Erwartungen von Jugendlichen erhoben. 2019 wurde so die 18. Jugendstudie veröffentlicht. Seit 2002 ist die Universität Bielefeld federführend. Die Studie stützt sich auf rund 2600 Jugendliche (Stichprobe).

Kundenbindung (Beziehungsmarketing): Beim Mittelstand ein besonders wichtiger Faktor. Es ist günstiger bestehende Kunden zu halten als ständig in Neukunden zu investieren. Customer-Relationship-Management (CRM) soll Kundenpflege und die Interaktionsmöglichkeiten mit dem Kunden verbessern (Kundenpflege, Kundenbeziehungsmanagement). Das Offenlegen aller Produktionsschritte z. B. kann ein Weg sein. In Netzwerkstreffen kann dies vertieft werden (Authentizität statt Marketing; Value Netzwerke). Die Gehirnforschung bestätigt, dass der Schlüssel zum Erfolg die Gefühle sind. Damit wird die Emotionalisierung von Kauf- und Geschäftsbeziehungen zentral bleiben. Der Internetkäufer dagegen ist eher von Bequemlichkeit und der Suche nach dem Schnäppchen geleitet. Man muss zwischen Gebundenheit und Verbundenheit unterscheiden. Theoretisch spielen die Theorie der kognitiven Dissonanz /L. Festinger), die Lerntheorie und Risikoansätze eine große Rolle. Wird Kundenbindung negativ betrieben, spricht man vom Rockefeller-Prinzip: Das gibt es beim Geschäft mit Rasierklingen oder mit Kaffeekapseln (Anfangs billig bzw. Infrastruktur billig: "gelockt und dann gefesselt"). Der Service aus der Cloud kann helfen, Kunden enger zu binden. Die Kunden haben das Gefühl, nicht allein gelassen zu werden.

Neue Art der Kundenbindung: Früher hatten Unternehmen nur sporadisch Kontakt zu ihren Kunden - nämlich immer dann, wenn diese zu ihnen kamen. Unternehmen müssen die kontinuierliche Verbindung zu ihren Kunden zu einem wesentlihen Bestandteil ihrer Geschäftsmodelle machen. Dazu eignen sich vier Strategien: auf Wünsche reagieren; Angebote kuratieren; Coach sein und Umsetzung automatisieren. Siggelkow, N. J./ Terwiesch, C.: Die neue Art der Kundenbindung, in: HBM Juli 2019, S. 20ff. Unternehmen sollten verunsicherten Kunden auch die Möglichkeit geben, einen menschlichen Ansprechpartner zu kontaktieren (Roboter reichen nicht).

Effektivität von Kundenbindungsmaßnahmen: Kundenkarten sind keineswegs so attraktiv, wie viele Einzelhändler glauben. Am ehesten lassen sich Kunden mit Bonusprogrammen, Coupons und Rabatten anlocken. Jüngere Kunden stehen solchen Aktionen positiver gegenüber als ältere, und Frauen finden sie interessanter als Männer. Im einzelnen sieht die Rangfolge der Maßnahmen bei Endkunden wie folgt aus: 1. Individuelle Vorteile. 2. Coupons/ Rabatte. 3. Kundenkarte. 4. Bonusprogramme. 5. Versand von Katalogen. 6. Give-aways. 7. Newsletter. 8. Gewinnspiele. 9. Visitenkarten. Vgl Sickel & Team in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Marketing: Der stationäre Handel 2020, Befragung unter 133 Händlern und 577 Endkunden, Mai 2020.

Bonusprogramme als Kundenbindungsmaßnahme: Man sollte aufpassen, dass im Service nichts schief geht. Wenn ein Unternehmen das Vertrauen seiner Kunden verletzt hat, sollte man eine Reihe von Angeboten in der Hinterhand haben. Das sind Zusatzleistungen, die Kündigungen verhindern. Vgl. Thomas S. Robertson/ Paula Courtney: The New Reality: Understanding the Retail Consumer Experience During a Pandemie, Wharton/ WisePlum. "Kundenloyalität funktioniert wie eine Freundschaft", Janey Whiteside, Chief Customer Officer, Walmart, 2021.

Ermittlung des Kundenwertes: Der Kundenwert teilt sich in Barwert der Bestandskunden und Barwert der zukünftigen Kunden. Der Barwert ist der Wert, den für die Zukunft erwartete Zahlungen in der Gegenwart besitzen. Er wird durch Abzinsung der zukünftigen Zahlungen  und anschließendes Summieren ermittelt. Der Barwert der Bestandskunden ist die Anzahl der Bestandskunden x Werte pro Bestandskunden. Die Werte werden ermittelt: Variabler Deckungsbeitrag pro Bestandskunden x Erwartete Dauer der Bestandskundenbeziehung - durchschnittlicher Umsatz pro Kunden. Der Barwert der zukünftigen Kunden ist: Anzahl der Neukunden x Werte pro Neukunden - Kosten pro Kundengewinnung. Die Werte pro Neukunden: Variabler Deckungsbeitrag pro Neukunden x Erwartete Dauer der Neukundenbeziehung - Durchschnittlicher Umsatz pro Kunden - Variable Kosten. Vgl. Rob Markey: Geschätzte Kunden, in: HBM November 2020, S. 20ff.

Bessere Emails und Zufriedenheit der Kunden: Einfache Sprache überzeugt. Die Komplexität der Sprache sollte reduziert werden. Die Kommunikation sollte direkter und schneller sein. Dem Kunden sollte ein einziger, einheitlicher Ansprechpartner gegeben werden. Diese Faktoren steigern die Zufriedenheit der Kunden. Vgl. Gloor, Peter et al.: The Impact of Virtual Mirroring on Customer Satisfaction, in: Journal of Business Research, Juni 2017.

Customer Relationship Management (CRM): Sechs Hersteller dominieren 2014 den weltweiten Markt: Salesforce (18,4%), SAP (12,1%), Oracle (9,1%, Microsoft (6,2%) und IBM (3,8%). Das Umsatzwachstum ist bei Salesforce am stärksten (28,2%).  Kundenzufriedenheit, Kundenpräferenz, Kundennutzung nehmen in ihrer Bedeutung drastisch zu. Bei den Internet-Giganten hat Jeder das Gefühl kostenlos große Macht ausüben zu können. Dabei liefert er nur seine Daten und vernachlässigt die eigentlichen Einflussprozesse in der Demokratie.

CSR und Kunden: Wer Mitarbeiter fair behandelt, wird von Kunden belohnt. Vgl. Ryan W. Buell/ Basak Kalkanci: How Transparency into Internal and External Responsibility Initiatives Influences Consumer Choice, in: Management Science, Mai 2020

Kundenservice: Die meisten Callcenter sind wie Fabrikhallen. Die Kundenzufriedenheit ist gering, die Fluktuation unter den Telefonisten hoch. Viele Unternehmen organisieren die Callcenter ganz neu. Die Mitarbeiter werden in Teams eingeteilt, die an einem Standort zusammenarbeiten und jeweils für die Kunden einer bestimmten Region verantwortlich sind. Gemeinsames ziel sind innovative Problemlösungen. Ein ein gutes Beispiel gilt T-Mobile. Vgl. Dixon, Matthew: Die Neuerfindung des Kunden Service, in: HBM, März 2019, S. 56ff.

Kundenservice nicht automatisieren: Menschen sind soziale Wesen. Wenn Mitarbeiter Beziehungen aufbauen und die Probleme von Kunden eigenständig lösen dürfen, zahlt sich das für das Unternehmen aus. Merkmale: 1. Im entscheidenden Moment da sein. 2. Aufgaben neu definieren. 3. Kunden zum Teil der Lösung machen. 4. Dem Team zeigen, was es bewirkt. 5. Jobs zukunftsfähig machen. Vgl. Buell, Ryan W.: Als wären es gute Freunde, in: HBM März 2022, S. 60ff.

Crowdsourcing: Kunden- und Nutzercommunitys liefern gute Ideen für neue Produkte und können sehr erfolgreich im Marketing sein. Der Hinweis "von Kunden entwickelt" findet sich vielleicht bald auf Verpackungen. 

Sponsoring: Förderung von Einzelpersonen oder Organisationen durch Institutionen in Form von Geld-, Sach- und Dienstleistungen in der Erwartung einer den eigenen Marketingzielen unterstützende Gegenleistung zu erhalten. Hauptsächlich geht es um die Finanzierung von Ereignissen durch Unternehmen, um einen Werbeeffekt oder ein anderes Ziel zu erreichen. Die Grundidee des Sponsoring wird in Laborexperimenten bestätigt: Die Freizügigkeit der Spender lässt sich erhöhen, wenn diese einen Vorteil erhalten (vgl. A. Herr, H.- T. Normann: Organ Donation in the Lab). Von Jahr zu Jahr steigen die Ausgaben deutscher Unternehmen für Sponsoring (gehören in der Regel zum Werbebudget). Gleichzeitig klagen die konsumenten über eine Informationsüberflutung. Wann kann sich Sponsoring lohnen? Insbesondere dann, wenn der logik der Aufmerksamkeitsökonomie entsprochen wird: nicht Informationen stellen das knappe Gut dar, sondern die Aufmerksamkeit. diese gilt es zu maximieren (Vgl. Breuer, C./ Boroncyyk, F.: Ist Sportsponsoring wirklich sein Geld wert? in: bdvb aktuell Nr. 133, S 6f.).  Die Unternehmen und Verbände etwa rücken immer mehr von Parteispenden ab (bei Spenden von mehr als 50.000 Euro ist eine rasche Veröffentlichung vorgeschrieben). Sie stellen auf Sponsoring um, z. B. Sponsoring von Parteitagen. Es gibt Firmen, die Sponsoren und Vereine zusammenbringen, z. B. Sponsoo. Sie arbeiten mit ca. 20% Provision.

Promotion: Soll das Interesse an einem Produkt und dessen Verkauf fördern. Dazu ist eine spezielle Kommunikation mit Kunden und Multiplikatoren wie Peer - Groups erforderlich. Diese Kommunikation ist komplex und mit hohen Kosten verbunden. Vgl. BWL kompakt, München 2016, S. 189ff. Besonders wichtig sind eine integrierte Marketingkommunikation (Verbreitung einer einheitlichen Markenbotschaft in allen Kanälen) und MarCom (Gesamtheit aller Werbe- und Promotionsaktivitäten, die den Zielmarkt erreichen sollen.

Werbung: Umstritten ist die Rolle der Werbung vor allem im Rahmen der monopolitischen Konkurrenz. Dies ist mit den Namen Galbraith und Hayek verbunden: Ersterer stellte in seinem Buch "The Affluent Society" von 1958 die These auf, Werbung schaffe Nachfrage nach Produkten, die Menschen nicht brauchten. Hayek dagegen argumentiert in seinem Buch "Der Weg zur Knechtschaft" von 1944, das dies ein Teil des Phänomens sei, dass Präferenzen durch das soziale Umfeld beeinflusst würden. Nach: Mankiw/ Taylor: Volkswirtschaftslehre, Stuttgart 2008, S. 424f. Bei KMU eher geringe Werbebudgets. Eine relativ große Rolle spielt die Öffentlichkeitsarbeit. Eine Auftragsvergabe an professionelle Institute ist in der Regel nicht möglich. "Gute Werbung darf alles - nur keinen kalt lassen", Guido Heffels, Kreativchef der Agentur Heimat (Hornbach, Otto, V&R-Banken). "Ich weiß, die Hälfte meiner Werbung ist heraus geworfenes Geld. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte", Henry Ford, US-Autobauer, wird ihm zugeschrieben. Den höchsten Werbeetat 2014 hatten folgende Firmen: 1. Procter & Gamble (527,9 Mio. Euro), 2. L`Oreal (411,8 Mio. €). Die Bundesregierung plant 2016 ein Gesetz gegen sexistische Werbung.

Werbung und Vorurteil bzw. Kultur: Werbung ist Teil der Kultur einer Region oder eines Landes. Sie kann Vorurteile und Stereotype widerspiegeln, was häufiger geschieht. So gab es in China etwa einen Werbespot eines chinesischen Waschpulverherstellers. Die Firma heißt Qiaobi. In dem Spot wird ein afrikanischer Malergeselle von einer chinesischen Hausfrau in eine Waschmaschine gesteckt. Nach dem abgeschlossenen Waschgang wird er als Chinese herausgezogen.

Werbung und Glück: Werbung macht unglücklich. 900.000 Menschen aus 27 europäischen Ländern wurden in den Jahren 1980 bis 2011 untersucht und mit den jährliche Werbeausgaben verglichen. Die Forscher stellten einen negativen Zusammenhang fest. Je höher die Ausgaben für Werbung eines Landes waren, desto unzufriedener waren die Bürger ein oder zwei Jahre später. Vgl. HBM, März 2020, S. 16ff.

Werbung und Rollenbilder: Rollenbilder von Männern und Frauen spielen in der Werbung eine große Rolle. So muss man in der Geschlechterdebatte auch Position beziehen. Man ist ganz nah dran an Gesellschaftspolitik.

Werben mit KI: Typische Fehler sind: 1. Ausrichtung: Die falschen Fragen stellen. 2. Asymmetrie: Die relativen -Fehlerkosten ignorieren.. 3. Aggregation: Zu grobe Daten heranziehen. Das bessere Modell: 1. Welches Marketingproblem wollen wir lösen? 2. Gibt es in unserem aktuellen Ansatz Verschwendung oder vertane Chancen? 3.  Was verursacht die Verschwendung und die vertanen Chancen? Vgl. Ascara, Eva/ Ross, M./ Hardie, Bruce G. S.: Richtig werben mit KI, in: HBM Januar 2022, S. 68ff.

Kindermarketing: 2021 wird in einer Selbstverpflichtung (Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft) die Altersgrenze für die Werbeansprache von 12 auf 14 Jahre heraufgesetzt. Sollte sich dies als unzureichend erweisen, soll eine gesetzliche Regelung kommen. Zuständig sind eigentlich die Länder in Deutschland, weil Lebensmittelwerbung in den Medien in einem Staatsvertrag geregelt ist.

Wettbewerbszentrale: Kontrollinstanz der deutschen Werbewirtschaft. Verein gegen den unlauteren Wettbewerb. Ihm gehören 800 Verbände und 1200 Unternehmen an. 2021 wird gegen mehrere Unternehmen geklagt. Es geht immer um den Begriff "klimaneutral". Die verklagten Unternehmen erreichen den Status nur, weil sie kompensieren. Das geschieht durch den Kauf von CO2-Zertifikaten. Die Aussichten vor Gericht sind gering.

Werbewirkungsmessung, Methoden: 1. Performance Marketing: Messen anhand von Nutzerreaktionen. 2. Marktpsychologische Befragungen:  Unbewusste Einstellungen erkennen und nutzen. 3. Net Promotor Score: Kundenzufriedenheit auf unkomplizierte Art ermitteln. 4. Realtime-Marketing: Den Kunden im richtigen Moment erwischen. 5. Markentrichter: Wo kann Marketing im Kaufprozess nützen? 6. RCQ (Reach, Cost, Quality): Die optimalen Medien finden. 7. Neuro-Marketing: Messen von Hirnströmen. 1840 entsteht die erste Werbeagentur der Welt in Philadelphia/ USA.

Werbewirkungsmessung bei Blockchain: Plattformen wie Facebook oder Google werden überflüssig. Es gibt fast kostenlose Transaktionen.  Damit ist Schluss mit Betrug und Spam. Entscheidungswege verändern sich strukturell. Menschen werden mehr Kontrolle darüber haben, wie sie private Daten preisgeben und wie sie mit Werbung interagieren. In Marketingaktivitäten wissen die Unternehmen genauer, wie sich die Kunden verhalten. Vgl. C. r. Harvey/ C. Moorman/ M. Toledo: Wie die Blockchain das Marketing revolutioniert, in: HBM Januar 2019, S. 66ff.

Werbung und Authentizität: Werbung sollte bloß nicht zu authentisch sein. Es gibt vier Dimensionen der Authentizität: 1. Markenkern. 2. Markenherkunft. 3. Realistische, alltagsnahe Handlung. 4. Glaubwürdige Werbebotschaft. Quelle: Maren Becker et al.: Does It Pay to Be Real? Understanding Authenticity in TV Advertising, Journal of Marketing, January 2019.

Werbeblocker: Der BGH stellt 2018 fest, dass Werbeblocker erlaubt sind. Richter sehen keine Gefährdung der Pressenfreiheit. Werbeblocker verhindern im Internet Werbeanzeigen, indem sie sie herausfiltern.

KI und personalisierte Werbung: In der Praxis eines der Hautpeinsatzgebiete von KI. Hier werden auch die höchsten Profite erwirtschaftet. Dieses Geschäft wird von den USA und China dominiert. Wenn die kommende Welle kommt, d.h. die KI für das Netz der Maschinen hat der deutschsprachige Raum bessere Karten, weil hier die Maschinen sind.

Greenwashing: Vortäuschen von Umweltschutz in der Werbung oder im Verkauf. Dies geschieht oft mit Hilfe von Siegeln, die nicht geschützt sind. Es werden also falsche bzw. unvollständige Informationen durch eine Organisation verbreitet, um ein umweltverantwortliches Image der Öffentlichkeit zu vermitteln. Die Formen reichen von "lockerer Sprache" über "Öko-Jargon" bis "Lügen".  Eine besondere Rolle spielt auch die Verpackung, die das Produkt beschreibt. Von besonderer Bedeutung ist auch die Farbe "Grün". Eine bewusste Täuschung und damit Betrug im Marketing bezeichnet man als Greenscamming (Masche, Betrug). Hier ist das Risiko des Enttarnens hoch, woraus großer Schaden entstehen kann. 2017 gerät Aldi in die Kritik , weil Nackensteaks ganz günstig angeboten werden mit dem Tierwohl-Siegel. Die Tierrechtsschützer von Peta sprechen von einer perfiden Marketingstrategie. BP ändert in der Jahrtausendwende seinen Namen in Beyond (statt "British") Petroleum. 97% werden weiterhin in Öl investiert (Rebranding). Vgl. Furlow, N.: Greenwashing in the New Millenium, in: Journal of Applied Business & Economics, vol. 10, Nr. 6, 2010. Auch: Hartmann, K.: Die grüne Lüge: Weltrettung als profitables Geschäftsmodell, München 2018. Kreutzenberger, S.: Die Ökolüge: Wie Sie den grünen Etikettenschwindel durchschauen, Berlin 2011 (4. Auflage). Staud, T. Grün, grün, grün ist alles, was wir kaufen: Lügen, bis das Image stimmt, Köln 2009. Im Jahre 2022 verklagt die Deutsche Umwelthilfe zahlreiche Konzerne die Werbung für "klimaneutrale" Produkte zu untersagen. Betroffen sind unter anderem Beiersdorf, Shell, dm. 2023 wird DWS, der zu der Deutschen Bank gehört, zu 19 Mio. € Strafe verurteilt. Sie gaben vor nachhaltiger zu sein als sie tatsächlich waren. Da Signal: Greenwashing lohnt sich nicht.

Deep Marketing: Die Wirtschaft kauft  bzw. finanziert Ethikinstitute. Beispiele 2019 sind die Lungenärzte, die Lobbyarbeit für die Automobilindustrie betreiben oder Facebook, das ein Ethik-Institut an der TH München kauft.

Datenmanagement-Plattformen (DMPs): Sie sind das Fundament für eine effizientere Werbung. Man spricht von Programmatic-Advertising.

Outbound- und Inbound-Marketing: Zum Outbound-Marketing rechnet man die traditionelle Werbung, die Direktwerbung und die Werbung im Internet sowie die Telewerbung. Zum Inbound-Marketing gehören Blogs, Social-Media-Marketing und Suchmaschinenoptimierung. Vgl. BWL Kompakt. Der visuelle Crashkurs, München 2016, S. 210ff. Inbound-Marketing ermöglicht mehr Leads. Die Marketing-Aktivitäten werden auf einer Plattform gebündelt. Eine optimale Abstimmung von Vertrieb und Marketing ist möglich. Insgesamt kann die Marketing-Strategie optimiert werden.

AIDA - Modell: Attention (Aufmerksamkeit), Interest (Interesse), Desire (Verlangen), Action (Aktion). Das Modell soll auf Strong Jr. oder Lewis zurückgehen. "In der Praxis führt kaum eine Botschaft die Kunden von der Aufmerksamkeit bis zum Kauf, aber das AIDA-Modell zeigt, welche Eigenschaften gute Botschaften haben", Philip Kotler, Begründer des Marketing-Management.

Native Advertising (in Deutschland auch Advertorial genannt): Werbung, die den redaktionellen Inhalten des Mediums, in dem sie erscheint, so weit wie möglich gleichen soll. "Schleichwerbung" trifft es nicht ganz, weil der komplette Inhalt der Werbebotschaft dient. Ein bekanntes Beispiel ist die Website Buzzfeed. Branded content ist auch ein Synonym für diese Methode. Interessant ist für Studenten www.freiskript.de . Unternehmen können Studenten direkt im Vorlesungsskript erreichen.

Programmatic Advertising: Automatisierung von Werbung. Maschinen sorgen dafür, dass jedem Nutzer das individuell passende Produkt zum richtigen Zeitpunkt präsentiert wird. Das ist kühl, präzise, datenbasiert. Das könnte der Untergang der emotionalen Markenwerbung sein. Deshalb kommt es  auf den richtigen Weg an, damit emotionale Markenwerbung erhalten bleibt.

Sensorik-Marketing: Beeinflussung der Kaufentscheidung durch Sinneseindrücke. Hauptsächlich wird mit der Hirnforschung gearbeitet. Das kann erfolgen über Gesichtssinn, Geruch, Gehör (Musik), Geschmack oder Berührung. Sinneseindrücke wirken sich kurz- und langfristig aus auf Einstellung, Gedächtnis, Verhalten und Stimmung. Im Gehirn sind Wahrnehmung, Kognition und Emotion beteiligt. Man arbeitet mit Sensorik-Test und Haptischer Technologie.

Definition "Marken" (Brand): "Vorstellungsbilder in den Köpfen der Konsumenten, die eine Identifikations- und Differenzierungsfunktion übernehmen und das Wahlverhalten prägen", Esch, F. R.: Strategie und Technik der Markenführung, München 2008, S. 22. Volumenmarken sind Marken, deren Markennutzungsversprechen die breite Masse anspricht. Die wertvollsten Marken waren 2019 Amazon vor Apple und Google (Quelle: BrandZ - Report 2019 der 100 wertvollsten Marken).

Marken im Mittelstand (Brand Management): Die Firmen im Mittelstand sind nicht so bekannt wie Oligopolisten oder Multis. Das hängt auch mit den fehlenden bzw. unbekannten Marken zusammen. Viele Mittelständler zögern, ihre erfolgreichen Geschäftsmodelle konsequent zu vermarkten. Normalerweise lohnt sich die Investition in die Markenführung, Nach einer Studie von McKinsey gibt es eine Verbindung von Markenstärke und Finanzkennzahlen (Rendite liegt um 20% über der normaler Unternehmen). Bisher werden in der EU nur Nahrungsmittel durch geographische Ursprungsbezeichnung geschützt (Champagner, Parmaschinken). 2014 soll eine Ausdehnung auf andere Produkte erfolgen (Kuckucksuhren, Solinger Messer). Nach dem Mutabor Brand Report 2014 sind folgende Marken am innovativsten: Tesla bei Mobilität, Apple bei Vernetzung, Nike bei Kleidung. Der Wert bei Unternehmen mit eigenem Markenvorstand liegt um 30% höher. Nur wer sich ändert, bleibt erfolgreich.  Traditionsmarken bekommen wieder Aufwind. Sie geben den Menschen Orientierung und Sicherheit (Beispiele: Weck, Leica, Birkenstock). Die ersten Marken gab es bereits seit 3200 vor Christus. Die Ägypter markierten Gegenstände wie Kleidung oder Wein mit Hieroglyphen, um ihre Herkunft kenntlich zu machen. 2013 und 2014 ist der Streit um Markenrechte zwischen Haribo und Lindt um den Goldbär sehr bekannt. In der ersten Instanz siegte Haribo, in der zweiten Lindt. Entschieden wird der Streit nun in der letzten Instanz. Vorher verlor Lindt schon einmal bei den Schokohasen in Goldfolie.Vor dem BGH siegt 2015 Lindt: Der Lindt-Bär ist unverwechselbar. 2021 schützt der BGH Lindts "Goldhasen". 2014 kommt es auch zu einem Markenstreit zwischen dem DFB und Real um das Adler-Logo. Der Bundesgerichtshof entscheidet 2016, dass die spanische Bank Santander in Deutschland nicht die Farbe Rot beanspruchen kann. Sie gehört den Sparkassen in Deutschland. Die Rangliste der Marken führen 2016 Samsung, dm und Wikipedia an. Weltweit führen als Marke Apple, Google, Coca-Cola, Microsoft, Toyota und IBM. als beste deutsche Marke liegt Mercedes-Benz auf 9. Manchmal kämpfen Konsumenten auch um ihre Marke. Als Panasonic den Plattenspieler "Technics" 2010 aus dem Programm nehmen wollte, gab es weltweite Proteste. So wurde die Marke 2014 wieder belebt (unter der Chefin Michiko Ogawa, die auch Pianistin ist). Als große internationale Marke gilt auch "Fisherman`s Friend". Sie wurde in den Siebzigerjahren des 19. Jahrhunderts vom englischen Apotheker James Lofthouse in London entwickelt. Sie ist heute in über 100 Ländern erhältlich.  Im September 2021 ist "Oktoberfest" jetzt eine geschützte Marke. Die EU-Behörde schiebt Kopien des größten Volksfestes der Welt einen rechtlichen Riegel vor.

Bedeutung von Marken: Marken waren mal Institutionen. Heute scheinen sie es schwer zu haben. Vor allem junge Kunden sind nicht mehr treu. Kleine Labels sind bei den jungen Leuten begehrter. Die großen Handelsketten reagieren darauf und nehmen einzelne Marken aus den Regalen. Die großen Konsumgüterproduzenten merken das am Wachstum (jeweils Vergleich zum Vorjahr): Colgate Palmolive (2011 4,0%, 2018 1,5%), Danone (2011 7,8%, 2018 2,9%), Nestle (2011 7,5%, 2018 3,0%), Unilever (2001 6,5%, 2018 2,8%). Schuld daran sind nach der Meinung von Marktforschern drei Faktoren: Start-ups mit neuen Ideen; Händler, die selbst zu Herstellern werden; Marken, die den Anschluss verpasst haben. Vgl. Gnirke, K. u. a.: Die greisen Riesen, in: Der Spiegel Nr. 24/ 8.6.2019, S. 67ff. 2020 tobt eine Schokoladen-Fehde in Deutschland. Wem gehört das Schokoladen-Quadrat? Seit Jahrzehnten präsentiert sich Ritter Sport mit prägnantem Werbespruch. Das Quadrat hat sich der Hersteller schützen lassen. Aber Milka greift jetzt an und rüttelt am Monopol.

Marken-Namen: Es gibt hier auch Trends. So etwa war Zalando zuerst, dann kam Lieferando und dann kamen viele andere nach dem Prinzip. Das ist sicher nicht sinnvoll. In den USA und China gibt es den Trend deutsch klingende Namen zu nehmen: Uber, Bauhaus (Modehändler in China). Genial ist der Markenname "Apple", weil er Emotionen auslöst. Markennamen dürfen nicht gegen die guten Sitten verstoßen. Doch wo verlaufen genau die Grenzen? 2018 taucht immer häufiger der Begriff "Fuck" auf: "Fucking Hell" für Bier wurde erlaubt, "Ficken Liquors" wurde von der EU abgelehnt. Die DDR hatte an ihrem Ende ca. 42.000 Marken registriert. Davon bestehen 2020 noch 3948.

Markenbotschafter: Sie sind die Multiplikatoren für Markenprodukte, vor allem im Konsumgüterbereich. Eine wichtige Rolle spielen Markenbotschafter bei den Sportartikelherstellern. Rihanna und Selena Gomez sind Markenbotschafterinnen für Puma.

Marke und Werbegesicht: Prominente werben oft für bestimmte Marken. Wenn prominente Werbegesichter aber in einen Skandal verwickelt sind, sollten Unternehmen schnell reagieren. Dabei ist es fast egal, welche Entscheidung sie treffen. Hauptsache, sie melden sich zu Wort. Die Art der Entscheidung hängt dann von vielen Faktoren ab: Ist der Vorwurf richtig? Ist der Prominente sowieso schon umstritten? Wie ist die Beziehung zu dem Prominenten? Ist die Werbung spezifisch? Vgl. Schweigen schadet, in: HBM Juni 2019, S. 2f.

Prominenten-Faktor: Promi und Produkt müssen zusammenpassen. Es kommt also auf die Wahl der richtigen Testimonial - Strategie an. Im ersten Schritt muss man sich über das Wertversprechen der Marke im klaren sein. Im zweiten Schritt muss man aus drei Strategien auswählen: 1. Expertise (Glaubwürdigkeit des Absenders, Performance). 2. Transfer kultureller Bedeutungen (Persona). 3. Transfer von Eigenschaften (Image). Es gibt also drei Kategorien von Nutzenversprechen. Vgl. Schimmelpfennig, Christian: Der Prominentenfaktor, in: HBM, Februar 2020, S. 54ff.

Konzept des "Wertversprechens": Besonders wichtig bei Luxusgütern. Luxus ist heute ein globales Phänomen. Man muss klar definierte Kundensegmente ansprechen. Marken müssen führen und verführen. Das wichtigste Asset ist die Glaubwürdigkeit. Deshalb sollte man Marken nicht lokalisieren.

Ehrlichkeit: These: Wer ein hässliches Produkt verkaufen will, sollte es hässlich nennen. Vgl. Mookerjee, Siddhanth: Die unschöne Wahrheit, in: HBM Dezember 2021, S. 16f.

Mischung zwischen Status- und Nicht-Status-Marken: Immer mehr Menschen können sich Luxusmarken leisten. Reiche suchen daher nach neuen Wegen, ihren Status zu signalisieren. Fündig werden sie dabei beim Discounter. Luxusdesigner nehmen sich heute Aldi-Tüten und Ikea-Taschen zum Vorbild. Die Elite experimentiert mit der Kultur und dem Geschmack der unteren Einkommensklassen. Luxusmarken bringen Luxusversionen von Alltagsgegenständen auf den Markt (limitiert und teuer). Quelle: Silvia Bellezza, Jonah Berger: Trickle-Round Signals: When Low Status is Mixed with High, in: Journal of Consumer Research, Oktober 2019.

Krise der Marken: Verbraucher verschmähen immer öfter die großen Namen und greifen lieber zu den Eigenmarken der Einzelhändler. Das liegt nicht nur am Preisunterschied, der durch die Inflation stärker wird. Einmal liegt es am Siegeszug der Handelsmarken, die sich deutlich verbessert haben. Der Handel hat ein neues Selbstbewusstsein und stärkt systematisch seine Eigenmarken. Es gibt auch Marken, die sich selbst demontieren. Man kann sich nicht mehr allein auf den Namen verlassen. Auch die Mittelmarken sind in einem Abstieg. Hinzu kommt der Erfolg junger Marken. Eine Bedrohung kommt durch das Werbeverbot. Vgl. HB 1.8.23, S. 18f.

Branding und Rebranding: Eine Marke wird durch die speziellen Eigenschaften eines bestimmten Produktes definiert. Branding kommuniziert diese Besonderheiten an die Verbraucher und schafft eine dauerhafte Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden. Rebranding ist die Neuentwicklung zurück zum Anfang des Prozesses.

Brand Confusion: Marken können sich allmählich zu Gattungsnamen (oder "generischen" Marken) entwickeln. Beispiele sind Tempo, Uhu, Styropor. Eine falsche Markenführung kann diese Verwirrungen auslösen und zu einem Verwässern der Marke führen. Dadurch kann der Markenwert abnehmen und es kann zu Gewinnrückgängen führen. Die Verwässerung wird auch Markenerosion oder Abnutzung von Marken genannt. Dagegen müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Brand Confusion kann in die Ebenen "Markenattraktivität, Markenzufriedenheit und Markenloyalität" zerlegt werden.

Markengesetz: Seit 1995 in Deutschland. "Als Marke können alle Zeichen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihre Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden" (WarenG § 3 Abs. 1).

Entstehung einer Marke: Eine Marke will stark sei. Dann ist sie eine "Wir-Marke". Folgende Elemente gehören dazu: 1. Verantwortung für sich selbst übernehmen. 2. Werte: nicht nur darüber reden. 3. Emotionen verkaufen - nicht Produkte. 4. Storytelling schlägt Fakten. 5. Vertrauen verdienen. 6. In Bewegung bleiben. 7. Positionierung ist eine Kopfsache. Siehe Wala, H.:  Wie eine starke Marke entsteht, in: bdvb aktuell Nr. 138, S. 16ff. und Ders: Meine Marke, 2015.

Markenwechsel als Kauferlebnis: Die Verbraucher haben in Deutschland zunehmend Spaß daran, beim Einkauf etwas Neues auszuprobieren. Sie bleiben ihren Lieblingsmarken nicht mehr so treu wie in der Vergangenheit. Die Deutschen legen sich bei Marken und Produkten immer weniger langfristig fest. So macht die wachsende Anzahl von Lebensmittel-Start-ups zunehmend den etablierten Marken Konkurrenz. einen entscheidenden Einfluss auf die Markentreue hat das Preis-Leistungsverhältnis. Quellen: Nielsen, GfK.

Eigenmarken: Alle größeren Einzelhändler haben Eigenmarken. In Inflationszeiten wie 2022 werden auch sie teurer. Die Händler inszenieren sich gerne als Inflationsopfer: Die Markenhersteller würden "Mondpreise" verlangen. Eigenmarken sind z. B. bei Aldi (Milsani reine Buttermilch, Hofburger Frischkäse, Doppelragmstufe), bei Lidl (Milbona Cremosano Creme, Crownfield Haferflocken), bei Edeka (Gut&Günstig Jodsalz, Skyr natur), bei Rewe (ja! Spagetti, Mineralwasser medium).

Corporate Brand Identity Matrix: Extern: Leistungsversprechen, Beziehungen, Position; extern/ intern: Ausdruck, Markenkern, Persönlichkeit; intern: Mission und Vision, Kultur, Kompetenzen. Vgl. Greyser, Stephen A./ Urde, Mats: Wofür steht ihr Lonzern? in: HBM April 2019, S. 48ff.

Best Global Brands: Rangliste der Beratung Interbrand. Als wichtigster Vorteil wird die Kundenbindung gesehen. Positiv macht sich die Beschäftigung mit Zukunftsthemen bemerkbar: Nachhaltigkeit, Diversität. Es führt 2020 Apple vor Amazon, Microsoft und Google. Den stärksten Wertzuwachs hat Amazon. Den höchsten Wertverlust hat Hewlett-Packard.

Image: Psychologisch die Verbindung von Marke zu Status. Es geht insofern um Statusgewinn. Image kann man auch steuern durch Kommunikationspolitik. Image ist mit Emotionen verbunden, so wohl bei der Entstehung als auch bei der Wirkung. "Wenn du willst gelten, rede schön, aber rede selten", Spruchweisheit.

Logos bzw. #Hashtags der Mode: Manchmal ist der Mensch eine lebende Litfaßsäule. Plakative Logos und oft auch Statements sind auf den Kleidungsstücken. Entweder gefällt die Marke bzw. die Gestaltung oder es handelt sich um ein ironisches Statement. Das Logo kann auch ein Bekenntnis zur Marke sein. Mode hat auch immer etwas mit Ideen und der Art, wie wir leben, zu tun. Es gibt auch das Gegenteil: Leise sprechende Mode, Maßanzug oder unauffälliges Kleid.

Product Placement oder Advertorial News: Wird im Netz immer wichtiger. Es geht in Richtung versteckte Botschaften und Native Advertising ("Werbung im Schafspelz"). Auch bei mir häufen sich die Anfragen - sogar von Werbeagenturen aus den USA - danach, Produkte in meinen Artikeln auf der Homepage  zu "verstecken".

Klassische Verkaufsstrategien: Überzeugendes Konzept (High Concept), Kurzdarstellung (Elevator-Pitch), Ausführliche Präsentation (20-Minute-Deck).

Robocalls: Werbung von Firmen über automatische Anrufsysteme bei Telefonkunden.  Mittlerweile ein großes Ärgernis, vor allem in den USA. Allein 2016 gab es 5,3 Mio. Beschwerden bei der Federal Trade Commission (FTC).

Verkaufsförderung durch Erkenntnisse der Hirnforschung: Gewohnheiten können im Rahmen von Big Data leicht ermittelt werden (vor allem bei Oneline-Händlern). Otto etwa sammelt gigantische Datenmengen über die Konsumlandschaft in Deutschland.  Die Art der Hintergrundmusik hat einen Einfluss auf den Kauf bestimmter Produkte (Nicolas Gueguen, Uni Südbretagne). Der wahre Wert ist einem Produkt oder einer Dienstleistung oft nicht anzusehen. Menschen nehmen die meisten Informationen über die Augen auf. Glaubwürdigkeit entsteht aber am schnellsten über den Tastsinn. Haptik nutzen Babys auch am ersten. Die Erfassung ist präziser. Anfassen ist also sehr wichtig bei Produkten. Barzahlung wird als Schutz empfohlen, damit man spürt, wenn der Geldbeutel dünner wird.

Einfluss auf die Kunden und das Einkaufsverhalten: Einfluss haben Musik, Duft und Licht. Musik soll das Wohlbefinden steigern. Duft zielt auf das Unbewusste und wirkt stark auf Erinnerungen und Gefühle. Licht kann Produkte attraktiver erscheinen lassen.

Stadtmarketing bildete sich Ende der 60er Jahre in Deutschland heraus. Das betriebswirtschaftliche Marketing-Konzept wird auf den öffentlichen Sektor übertragen. Heute wird die Stadtmarketingorganisation in der Regel  speziell von einer GmbH durchgeführt (Umfrage der Deutschen Bundesvereinigung für City- und Stadtmarketing Deutschland e. V. (BCSD, 2014). Das Stadtmarketing umfasst der Organisation nach normalerweise folgende Bereiche: Standortmarketing (Zielgruppe: Unternehmer, Gründer; Förderung von Handel und Gastronomie), Tourismusmarketing (Touristen, Geschäftsreisende; Infos, Messen), City-Marketing (Stadt, Umlandbevölkerung; Innenstadtentwicklung, Infrastruktur), Verwaltungsmarketing (Bürger und Politik; interne Services). Quelle: Bayrisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie: Best-practice-Leitfaden Stadtmarketing, 2009 (PDF, Internet, 2018). Im Mittelpunkt stehen die Merkmale einer Stadt in ihrer Bedeutung für die Markenkommunikation. Vgl. Meffert, H./ Block, J./ Spinnen, B. Praxishandbuch City- und Stadtmarketing, Wiesbaden 2018. Auch: Zerres, M./ Zerres, I.: Kooperatives Stadtmarketing. Konzepte, Strategien und Instrumente  zur Erhöhung der Attraktivität einer Stadt, Stuttgart 2000.

Warnhinweise und ihre Wirksamkeit: Warnhinweise wirken am besten, wenn sie drastisch sind. Allein das drastische Warnschild mit Schockfotos hat einen Effekt. Vgl. Leslie John et al.: The Effect of Graphic Warnings on Sugary-Drink Purchasing, in: Psychological Science, August 2018.

Erfolgsmessung im Marketing (Performance Marketing): MarTech-Lösungen machen die Wirksamkeit von Kampagnen messbar. Grundprinzipien dabei sind: Vergütung erfolgt strikt leistungsbezogen. Qualität geht vor Quantität. Vergütung gegen Leistungsnachweis. Realismus schlägt Idealismus. Auf Alt folgt Neu. Anreize fördern Engagement. Synergien durch mehrere Kanäle. Vgl. Kobylinska, Anna: Erfolgsmessung im Marketing, in: com!professional 5/2020, S. 66ff. Vgl. auch: Nielsen, M.: Nachhaltigkeit in der Wirtschaftskommunikation, Wiesbaden 2013 (24. Auflage).

Manipulation der Verbraucher auf Internet-Plattformen: Es gibt Schwarze Schafe im Online-Handel. Sie versuchen, Kunden mit verbotenen Mitteln zu manipulieren und zu Kaufentscheidungen zu drängen. 2023 führt die EU-Kommission eine Untersuchung in 25 EU-Ländern durch. 148 von 399 untersuchten Internetseiten von Einzelhändlern wurden dabei beanstandet. Mittel sind: 1. Verstecken wichtiger Informationen (z. B. über Lieferkosten). 2. Countdown-Zähler, dei Kunden mit willkürlich festgelegten Fristen zum Kauf drängen. 3. Bewertungen auf Online-Portalen. Hier ist immer Zweifel angebracht.

 

Produktpolitik: Produktgestaltung: Produkt und Produktprogramm. Produktpolitische Maßnahmen sind Produktinnovation, Produktdiversifikation, Produktdifferenzierung, Produktvariation  und Produktelimination. Es besteht eine enge Beziehung zu Sortimentspolitik, Markenpolitik, Servicepolitik und Verpackungspolitik, Produkt- und Brandmanagement. 

"Selbst im Reis, den wir essen, kommen wohl Spelzen und Grannen vor", aus China.

Produktpositionierung: Grundsätzlich stehen vier Strategien zur Verfügung: Wertorientierung, Qualitätsorientierung, Demographische Orientierung und Wettbewerbsorientierung. Meist wird eine Matrix erstellt, dass die beiden wichtigsten Eigenschaften des Produkts als Variablen auf der x- und y-Achse darstellt. "Positionierung hat weniger mit dem Produkt zu tun und mehr mit der Einstellung des Kunden", Al Ries und Jack Trout, US-Marketingexperten (Quelle: BWL kompakt, 2015, S. 182/183)

Produktlebenszyklus: Der Lebenszyklus eines Produkts umfasst in der Regel sechs Phasen: Start, Einführung, Wachstum, Sättigung, Rückgang, Nachlauf. Oft wird mit der Portfolioanalyse gearbeitet (Aufsteigende Stars, Melkkühe, Fragezeichen, Arme Hunde). Wichtig ist die Akzeptanz von Innovationen beim Kunden. Ein Produkt kann durch Rebranding, Neuverpackung, neuen Preis oder neue Märkte wieder belebt werden (Relaunch).

Fast Mover Consumer Goods (FMCG): Schnelllebige oder schnell drehende Konsumgüter. Dazu gehören Produkte wie zum Beispiel Milch, Toilettenpapier, Seife, Obst, Gemüse. Es sind Güter des täglichen Bedarfs, die schnelllebig sind und eine hohe Umschlagshäufigkeit haben. Die Güter machen mehr als die Hälfte aller Konsumgüterausgaben  aus und sind die größte Gruppe unter den Konsumgütern. Der Preis ist tendenziell niedriger, trotzdem haben die Güter durch die Menge einen hohen Anteil am Umsatz. Segmente sind Speisen und Getränke, Körperpflege- und Kosmetikprodukte, Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel, Arzneimittel  sowie Tabakwaren. Die Beziehung zwischen Konsumenten und Herstellern kann größtenteils anonym sein.

Konsumgüter: Es gibt verschiedene Klassifikationen. Eine lautet: 1. Gewohnheitsartikel (Convenience Goods). Sie werden regelmäßig und jederzeit nachgekauft, meist beim Einzelhändler. 2. Spezialerzeugnisse (Speciality Goods, Luxusgüter). 3. Gezielt ausgesuchte Güter (Shopping Goods; mehr Planung und Nachdenken, z. B. Möbel, Fernseher), 4. Nicht erwünschte Produkte (Unsought Goods; z. B. Lebensversicherungen).

Produktlebensdauer (Entwicklung eines neuen Produkts): Neue Produktidee, Tests und Entwicklung, Verpackung und Design, Qualitätsmanagement, Produkt-Prozess-Matrix. Innovationsauslöser, Brainstorming, Aktion, Produkt.

Produkteinführung: Wer ständig neue Produkte auf den Markt bringt, überfordert sich und die Kunden. Geschwindigkeit und Regelmäßigkeit der Releases sind sehr wichtig. Branchenkonferenzen und Kundenforen sind wichtige Anhaltspunkte. Kriterien sind Kostensenkung und effiziente Betriebsabläufe.

Portfolio Analyse: Instrument zur Beurteilung der Produkte. So arbeitet die Boston Consulting Group mit einer Matrix: Marktwachstum, relativer Marktanteil: Question Marks, Stars, Cash Cows, Poor Dogs.

Technischer Fortschritt und Produktpolitik: Es besteht ein großer Einfluss. Heute vor allem durch Nachhaltigkeit, Smarte Produkte, Dienstleistungsinnovationen.

Permanent Beta: Keiner kann sich mehr leisten, dass ein Produkt floppt. Deshalb sollen Kunden möglichst früh eingebunden werden. Sie werden mit Beta-Versionen konfrontiert.

Product-Information-Management (PIM): Sie verwalten Produkt-Daten und -spezifikationen wie Artikelnummer, Größe, Preis oder Gewicht. Sie sind zudem speziell für den Zusammenfluss von Produktdaten und Publishing-Daten.

Sortimentspolitik: Maßnahmen zur Gestaltung und Veränderung aller Verkaufsobjekte (Waren, Dienstleistungen) in einem bestimmen Zeitintervall.

Design: Kriterien sind Funktionalität, Ästhetik, Innovation, Bedienung, Schlichtheit, Langlebigkeit, Umweltfreundlichkeit. "Digitalisierung hat wenig mit Technologie und viel mit Design von Produkten zu tun", Oliver Bäte, Vorstandschef Allianz, 2018.

Ästhetik: Sie spielt im Marketing in der Form (Produkt), in der Kommunikation (periphere Botschaft) und in der Symbolik (räumliche Gestaltung, Struktur) eine Rolle. Besonders prägend ist die Ästhetik im japanischen Marketing. "Wabi Sabi" (Einsamkeit, Freisein) und "Kawai" (kindisch) sind berühmte Konzepte. Eine besondere Rolle spielt hier die Verpacklung. Design 2.0 bezeichnet nachhaltige Produkte von morgen. In Berlin-Kreuzberg gibt es einen Supermarkt der dem Konzept "Original-Unverpackt" folgt. Er stößt auf enorme Resonanz.

Verpackung: Hier gibt es besonders große kulturelle Unterschiede. Allerdings ist die Rolle für KMU zu relativieren, da die meisten deutschen erfolgreichen KMU im Investitionsgüterbereich aktiv sind. Verpackung hat eine Vielzahl von Aspekten: Geschlechtsunterschiede, Kinder, Online-Shopping, Preis, veränderte Wahrnehmung, Erfahrung, Differenzierung homogener Produkte, ökologisch (ohne Verpackung), Gefühle (Neuro-Ökonomie), Praxis. Mittlerweile gibt es immer mehr Verpackungsfrei-Läden. Sie basieren auf dem Zero-Waste-Prinzip (fünf R, refuse, reduce, reause, recycle, rot/ kompostieren; als Erfindern gilt Bea Johnson). Im Juni 2015 fällt Europäische Gerichtshof ein wichtiges Urteil: Was auf der Verpackung steht, muss  auch im Produkt drin sein. Es betraf den Hersteller Teekanne. 2023 gibt es Streit um Käse aus der Holzschachtel. Dei geplante Verpackungsordnung der EU stellt Frankreichs Camenbert - Hersteller vor Probleme. Es soll Ausnahmen für Holzverpackungen geben.

Mehrweg-Verpackung: Normalerweise dominieren Wegwerfverpackungen. Das soll sich bald ändern. Ein emögliche Lösung für das Abfallproblem testen 2023 Nestle, Rewe und das Frankfurter Start-up Circolution. Es gibt Verpackung zur Miete. Pfand soll ein Anreiz sein.

Unverpackt - Läden: Sie sind in Deutschland relativ selten verbreitet, obwohl die Menschen offen dafür sind. Lediglich 22% der Verbraucher kauf dort schon mal ein. Quelle: Umfrage von Yougov 2023. Der feste Kundenstamm ist wesentlich kleiner (5%). 70% der Menschen sind aber der Meinung, dass das Konzept Zukunft hat.

 Shrinkflation: Fachbegriff für verdeckte Preiserhöhungen (von Englisch "shrink" für schrumpfen sowie "Inflation" zusammen; "inflare" im Lateinischen = aufblähen).  Produkte werden bei weniger Inhalt zum gleichen oder höheren Preis verkauft. Seit 10 Jahren gibt es den Negativpreis "Mogelpackung des Jahres". Erster Gewinner war 2014 der US-Konsumgüter-Konzern Procter & Gamble. Unglücklicher Sieger 2023 wurde Mondelez. Der Lebensmittelkonzern verkauft in Deutschland Milka, Toblerone und Philadelphia. Beim konzerninternen Markenwechsel seiner Brotchips schrumpfte der Inhalt von 7days zu Tuc bei gleicher Verpackungsgröße von 250 auf 150 Gramm. Das entsprach einer Preiserhöhung von 127 %. 2024 wird Sanella sogar von einem Gericht verurteilt. Es gibt weniger Inhalt bei gleicher Packungsgröße. Das Gericht spricht von Irreführung. Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Hamburg gegen den Lebensmittelhersteller Upfield Holdings mit Hauptsitz in Amsterdam.

Optische Kompetenz: Verpackung des Menschen durch Kleidung. Die Kleidung zeigt etwas, indem sie eine Markenbotschaft ist (sie vermittelt auf jeden Fall Botschaften). Die Passform macht den Unterschied.

Visuelle Suchmaschinen: Nach der Voice-Search kommt das visuelle Suchen. Google Lens kann physische Gegenstände scannen. Anschließend zeigt die App Informationen zu dem Gegenstand an. Darin liegen große Chancen für die Produktpolitik und für E-Commerce insgesamt. Insbesondere in der Gastronomie, dem Tourismus oder dem Monitoring visueller Markenbestandteile liegen Möglichkeiten.

Produktrückrufe: Der Rückruf einer Marke kann auch für Wettbewerber schädlich sein. Wissenschaftler bezeichnen diesen Effekt als "perversen Spill-over". Der Rückruf einer Marke löst bei Verbrauchern oft auch Bedenken in Bezug auf konkurrierende Marken aus, was die Verkäufe und Marktkapitalisierung verringerte. Das gilt vor allem für das gleiche Herkunftsland. Vgl. A. Borah/ G. J. Tellis: Do Product Recalls of One Brand Hurt or Help Rival Brands?, in: Journal of Marketing Research 2016.

Sensorik: Gerüche dringen ins Unterbewusstsein vor und beeinflussen das Kaufverhalten. Die Nase gehört zu den empfindlichsten Sinnesorganen. Sie eine direkte Verbindung zu Emotionen und Erinnerungen. Dies machen sich Unternehmen bewusst zu Nutzen. ein gutes Beispiel ist der Geruch in neuen Autos, der kompliziert auch erzeugt wird.

Duft-Marketing: Einfluss über die Nase mit Düften. Wirkt am schnellsten und unbewusst. Emotionen und nachhaltig. Auslösen bestimmter Gefühle. Arbeiten mit Duft-Kopien. Wahrnehmung der Marke. Sehr wichtig etwa im neuen Auto, um Plastik zu überdecken. Ur-Instinkte der Sexualität.

Functional Alibi: Käufer von Luxuswaren fühlen sich oft schuldig, weil sie so viel Geld für Dinge ausgeben. Sie brauchen etwas, was ihr Gewissen beruhigt. Das nennt man "Functional Alibi". Das Produkt sollte über einen Zusatznutzen verfügen (nützliche Extras erhöhen die Zahlungsbereitschaft). Vgl. Anat Keinan et al.: The Functional Alibi, Journal of the Association for Consumer Research, 2016.

Mass Customization: Maßgeschneidertes zum Preis von Massenware. Philips macht dies z. B. mit Rasierapparaten. Der Autobauer Daihatsu lässt individuell Autos gestalten. Beispiele sind aber auch Textilien, Uhren, Schuhe, Fertighäuser, Küchen, Möbel, Lebensmittel. Der Bergriff ist ein Oxymoron: aus mass production und customization. Im Deutschen könnte man von Kundenindividueller Massenproduktion (individualisierte Massenfertigung) sprechen. Einerseits werden die Vorzüge der Massenfertigung Skaleneffekte, Erfahrungskurvenvorteile, Automation mit andererseits optimaler Befriedigung der Kundenbedürfnisse verbunden. Man unterscheidet Hard und Soft Customization. Die Produktionsweise beinhaltet Modularisierung (siehe oben) und "Open-Innovation". Wertschöpfungsprozesse werden durch digitale Vernetzung der einzelnen Stufen und dank immer genauerer Big-Data-Analysen tatsächlich immer kleinteiliger und feingliedriger. Das begünstigt Individualisierung. Das kann auch zu größerer Gründungsdynamik mit beruflicher Selbständigkeit (mit Selbstorganisation, Selbstvermarktung) führen, worauf Bildungseinrichtungen reagieren müssen. Vgl. Schonfeld, E.: The customized, digitized, have-it-your-way economy Mass cusomization will change the way products are made-forever, in: Fortune, Nr. 6, S. 114-121. Davis, S.: Vorgriff auf die Zukunft, Freiburg 1987.

Agile Produktplanung: Lean-Product-Roadmaps verbinden die strategische Vision eines Unternehmens mit den konkreten Aufgaben im Tagesgeschäft. und geben Mitarbeitern auf allen Hierarchieebenen eine Basis für kollaborative Produktplanung. Sie reagieren auf neue Anforderungen und Bedingungen am Markt und bleiben damit flexibel. Es gibt mittlerweile Roadmapping-Tools: Aha, Prodpad, Productboard, Productplan, Roadmunck. Sie können ganz hilfreich sein. Man muss wissen, was erfasst wird und von wem. Die Zeitplanung steht unter dem Motto "Make it lean".

Ressourcensparende Produkte: Insbesondere bei Konsumgütern (Endkonsument als Einzelperson oder Haushalt). Produkte, die möglichst wenig natürliche Ressourcen (Rohstoffe, Wasser) bei der Produktion verbrauchen, zur Rohstoffwiederverwertung recycelt werden und Fora und Fauna nachhaltig erhalten. Es soll ein Leitbild für nachhaltige Produktionsmuster entwickelt werden (UBA, European Environment Agency).

Rückrufe: Es gibt immer mehr Rückrufe in der Industrie (Quelle: Analyse der Allianz). Ursachen sind der Kostendruck, die Auslagerung der Forschung und verkürzte Produktionszeiten. Auch soziale Medien haben einen Einfluss auf den Umfang von Rückrufen. 

Produktionsmängel und "Warning Letter": In den USA können verschiedene Behörden (z. B. die Gesundheitsbehörde) eine so genannte "Warning Letter" an Firmen schicken, wenn sie Produktionsmängel vermuten.

Premium Mediocre: Premium - Mittelmäßigkeit. Es ist alles, was nur gerade so viel Premium in sich trägt, dass die wesenseigene Mittelmäßigkeit des Produkts nicht ruiniert wird. Man sagt, so wird einem zunehmenden Prekariat ästhetisch erfüllt, was politisch und ökonomisch nicht möglich ist. Der Begriff wurde vom Blogger Venkatesh Rao geschaffen. Beispiele sind die A-Klasse von Mercedes, Speedy-Boarding, Trüffel-Öl. Vgl. Niklas Maak: Es gibt sie noch, die mittelmäßige Zukunft, in: FAZ, 2912.17, Nr. 301, S. 9.

DIN: Deutsche Institut für Normung e. V. Bedeutendste nationale Normungsorganisation in Deutschland. Sie sorgt für gemeinsame Normen und Standards. KMU profitieren davon im internationalen Wettbewerb.

Stiftung Warentest: 1964 wurde die Einrichtung gegründet. Sie ist über 90% aller Deutschen bekannt. Die Urteile werden monatlich in der Zeitschrift "test" veröffentlicht (erste Ausgabe 1966). Sie soll die Qualität der Produkte steigern und zur Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands beitragen. "Der Verbraucher soll kein Lamm sein, dass zur Schlachtbank geführt wird", Ludwig Erhard, erster Bundeswirtschaftsminister.

Weinmarketing: Es gibt in RLP ein zentrales Marketing (Kompetenzzentrum Weinmarkt & Weinmarketing, Oppenheim) und ein Bereichsmarketing. Die Bereichsweinwerbungen Mittelhardt und Südliche Weinstraße schließen sich 2018 zusammen. Daneben betreiben die jeweiligen Weingüter individuelles Marketing.

Weihnachtsgeschäft: Ein saisonales Geschäft mit Vorrang für bestimmte Produkte. Deshalb bei Produktpolitik eingeordnet. Hierzu sind folgende Fakten wichtig: 1. Weihnachtsgeschäft boomt vor allem im Einzelhandel. 2. Onlinekanal immer wichtiger. 3. Handel spaltet sich auf. 4. Immer mehr Geld für Geschenke. 5. Geschenkgutscheine weit vorn. 6. Schokoladen - Nikoläuse sind ein Exportschlager. 7. Weihnachtsmärkte stammen aus Österreich. 8. Dreaming of a White Christmas ist tatsächlich ein Traum. Siehe bdvb aktuell, Nr. 142, 2018, S. 6ff.

E-Products (digitales Produkt): 1. By Composion (Produkt nur in digitaler Form, z. B. Software). 2. Digital präsentierbare Produkte (tangibles Element: Flug und Ticket). 3. Information (mit monetärem Wert, Online-Varianten). a. a. O. S. 676.

Potentiale für nachhaltige Produktpolitik: 1. Produktbeschaffenheit (langlebiges Material, Ressourcen schonende Produktion, Öko-Bio-Produkte, Reparatur statt Ersatz und langfristige Verfügbarkeit von Ersatzteilen). 2. Verpackung (Ressourcen schonende Verpackung). 3. Entscheidungen über Markenbildung (Entwicklung von nachhaltigen Marken). 4. Produkt-Mix (keine geplante Obsolezenz, Innovation für Nachhaltigkeit, Recycling von Altprodukten). Vgl. Ernst/ Sailer/ Gabriel (Hg.): Nachhaltige Betriebswirtschaft, München 2021, S. 207.

Duty Free: Vor der Pandemie war Zollfreishopping das wachstumsstärkste Segment im Einzelhandel. Lockdowns und der Stillstand im Reiseverkehr brachten es nahezu zum Erliegen. Jetzt bricht wieder eine neue Phase mit hohem Wachstum an. Das weltweite Passagieraufkommen wird voraussichtlich 2024 wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Bis 2040 könnte es dann zu einer Verdopplung kommen. 2019 wurden 86,4 Mrd. $ umgesetzt, 2022 waren es 69,1 Mrd. $. Asien-Pazifik hat mit 68,2% den weitaus größten Anteil. Bei den Firmen führen CDFG (China), Lotte duty Free (Südkorea) und the Shilla Duty Free (Südkorea).

 

Marktforschung (Marketingforschung, Marketing Analytics; angewandte Statistik für Marketing, Beschaffung von Informationen, digitale Marktforschung): Es geht um die Erforschung der Kunden, der Konkurrenten und der Branchen. Oft arbeitet man mit Sekundäranalysen, d. h. mit Daten, die schon vorliegen. Der Vorteil liegt in der schnellen Informationsbeschaffung bei niedrigen Kosten. Die durch Primärforschung gewonnen Informationen sind aktueller und können genau auf den eigenen Informationsbedarf zugeschnitten werden. Bei KMU geschieht dies meist "quick and dirty" aus Zeit- und Kostengründen. Nur in wenigen Ausnahmefällen werden Vollerhebungen durchgeführt. Zumeist arbeitet man mit einer repräsentativen Auswahl. Diese kann  entweder nach dem Zufallsprinzip (für die meisten Auswertungsmethoden erforderlich) oder durch Stichproben erhoben werden (z. B. Quota - Verfahren). Als Arten der Datenerhebung gibt es Befragungen, Beobachtungen, Experimente und Panel. Preiswerte Marktforschung ist auch mit folgenden Instrumenten möglich: Kundenprofil erstellen; Kunden einladen, um ihren Input zu erhalten: E-Mails für Kurzumfragen nutzen. Im Gegensatz zur Statistik, die in ihren mathematischen Regeln eher puristisch ist, gilt für die Marktforschung folgendes Motto: "Forschung + Intuition = Entscheidung. Das wird für KMU oft Richtung "quick and dirty" erweitert, was heißt, dass in Anbetracht von Kosten- und Zeitdruck eher grob gearbeitet wird.

Unterschied zwischen Marketing- und Marktforschung: Nicht alle Experten sehen diesem Unterschied. Einige beziehen Marktforschung auf die Beschaffungsmärkte (Rohstoffe, Kapital, Arbeit). Die Marketingforschung wird auf absatzrelevante Themen angewandt. Vgl. Schneider, W.; Marketing-Forschung und Käuferverhalten, 2013, S. 227. Die Marketing-Forschung arbeitet mit internen und externen Informationen. Bei den externen Infos werden Mikro- und Makroumwelt unterschieden.

Stellenwert der Marketingforschung: Sie steht am Anfang des Marketingprozesses. Sie ist dort zuständig für Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung. Dann folgen Identifikation von Problemen und Problemlösung in den Bereichen Marketingstrukturen, Marketingprozessen, Marketingaktivitäten und Marketingwirkung. Vgl. Bruhn, M.: Marketing. Grundlagen für Studium und Praxis, Wiesbaden/ Gabler 2016, S. 88. Vgl. auch: Fantapie, Altobelli: Marktforschung: Methoden, Anwendungen, Praxisbeispiele, Konstanz/ München 2017 (3. Auflage). Raab, G./ Unger, A./ Unger, F.: Methoden der Marketing-Forschung, Wiesbaden 2009 (2. Auflage).

Informationen, die gewonnen werden sollen: 1. Wettbewerber. 2. Markt (Trends). 3. Umfeld (Rechtsnormen, Technologie, Kaufkraft). 4. Kunden (Zufriedenheit, Verhalten, Bedürfnisse). 5. Lieferanten. 6. Unternehmen (Transaktionsdaten, ERP-Systeme, Vertrieb). Vgl. Lerchenmüller, M.: Handelsbetriebslehre, Herne 2014, S. 49.

Primär- und Sekundärforschung: Bei der Primärforschung erhebt man die Daten selbst: Kundenbeobachtung, Kundenbefragung, Test, Experimente (Labor). Die Daten können qualitativ oder quantitativ erhoben werden. Bei der Sekundärforschung benutzt man vorliegende Daten, die bereits zu anderen Zwecken erhoben wurden. Es kann sich um innerbetriebliche oder außerbetriebliche Quellen handeln.

Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS): Es handelt sich um eine amtliche Statistik bei einer Stichprobe von Haushalten in ganz Deutschland. Die Teilnahme ist freiwillig und wird bezahlt. Die Sekundärstatistik liefert für die Marktforschung wichtige Informationen über Konsumgewohnheiten. Aus der Statistik wird auch der Warenkorb gebildet, der Grundlage des Preisindex ist, der für die Preispolitik wichtig ist.

Einbeziehung der empirischen Wirtschaftsforschung: Finanzpolitik und Geldpolitik haben Einfluss  auf die Wirtschaftssubjekte. In der Makroökonomik werden dadurch das Verhalten der privaten Haushalte und der Unternehmen beeinflusst. Die Finanzpolitik wird vom Staat über Einnahmen und Ausgaben betrieben, die Geldpolitik liegt bei der EZB. Beide bewirken Änderungen bei wichtigen Parametern: bei privaten Haushalten Konsum und Sparen, bei Unternehmen Investitionen, Kreditaufnahme u. a. Wichtig sind für Unternehmen sind auch die Subventionen als Teil der Finanzpolitik, weil sie stark auf das Unternehmensverhalten wirken. Empirische Wirtschaftsforschung kann insoweit Marktforschung sein, sowohl als Primär- als auch als Sekundärforschung. Nach den Gütern geordnet sind das Konsumgütermarketing und das Investitionsgütermarketing betroffen. Weitere Infos enthält die Seite "method/ econometric"

Qualität der Marktforschung: Mittlerweile ist auch der Branchenverband ADM kein Beweis für Seriosität mehr. Standards und Ethos sind zum Teil verloren gegangen. Der Preisdruck hat die Branche stark verändert. Die Anfälligkeit für gefälschte Umfragen ist da, insbesondere bei Feldinstituten (als Subunternehmer). Immer noch wichtig ist die Beantwortung der Warum - Frage. Das kann Big Data in der Regel nicht beantworten.

Agile Marktforschung (Online-Marketing): Marktforschung der Online-Shops. Diese Methode hat viele Vorteile: Gute Datenqualität, echte Repräsentativität, Dialog und Feedback, Schnelligkeit, Reporting.

Eyeballing (Pi mal Daumen): Grobe Einschätzung, wenn genaue Methoden nicht einsetzbar sind. Kommt da zum Einsatz, wenn es um die Zukunft geht, die eher dem Orakel von Delphi ähnelt (Deshalb manchmal Delphi-Methode genannt). In der Marktforschung gibt es eine ähnliche Vorgehensweise, die man "quick and dirty" nennt. Es geht um ganz einfache Verfahren, die Zeit und Geld sparen. Deshalb findet man sie häufiger bei KMU.  Sehr einflussreich ist folgende Studie: Carl Benedikt Frey/ Michael Osborne, Oxford: The Future of Employment (Ursprünglich und heute noch im Internet). Danach sollen etwa die Hälft der Arbeitsplätze von 2013 bis 2030 wegfallen. Die Studie umfasst 72 Seiten und wurde als Thesenpapier veröffentlicht. Es wird eine Liste von 702 Berufen in den USA aufgestellt. Dann wird gesagt, welche Berufe gefährdet sind. Die Methode ist "eyeballing" (Pi mal Daumen). Diese Studie hat sich verselbständigt, weil ein Mangel an Alternativen vorliegt.

Käuferverhalten (Kundenverhalten, Konsumentenverhalten): Bestimmungsfaktoren sind Kaufentscheidungsprozesse (Involvement, Emotion, Einstellung, Werte: intrapersonal) und Motive (Motivtheorien, Kosten-/Nutzenabwägung). Interpersonale Bestimmungsfaktoren sind Kultur, soziale Schicht, Normen, Gruppen und Familien. Vgl. Lorberg/ Vergossen: Marketing: Grundlagen und Strategien, Herne 2015, S. 44ff.

Moment of Truth: Der Begriff stammt von Jan Carizon, Vorstandsvorsitzender von SAS Scandinavian Airlines (Buch: Alles für den Kunden). Es bezieht sich auf den Zeitpunkt, wann der Kunde zum ersten Mal mit einem Produkt in Berührung kommt. Dabei kann der Eindruck positiv oder negativ sein. Die deutsche Übersetzung ist "Kontaktpunkt". Man spricht auch von Kundenkontaktmanagement. Oft wird "first" moment of truth hinzugefügt. Daneben gibt es den "zero moment of truth", wenn dieser erste Stimulus im Internet lag.

Kundenerwartungen: Sie verändern sich im Zuge der Vierten Industriellen Revolution. Sie werden mehr als Erfahrungen umdefiniert. Anhand digitaler Kriterien (Zugriff und Nutzung von Daten) erfolgt eine Zielgruppenidentifizierung. Einerseits entsteht mehr Transparenz (Peer-to-Peer-Vergleiche). Andererseits erhöht sich die Gefahr der Manipulierung.

Kundenprofile: Dimensionen: 1. Wie sieht der ideale Kunde aus? (psychographische Sicht, soziographische Sicht, demographische Sicht). 2. Wo wohnt er? (geographische Sicht). 3. Wofür gibt er sein Geld aus? (sichtbares Verhalten: Einkaufsorte, Kaufgewohnheiten, Treue). Segmentierungsmodelle bündeln diese Variablen und Merkmale. Kundenprofile können bewertet werden (z. B. Einteilung in gute und schlechte Kunden).

Beschwerdemanagement: Beschwerden sollten als Schatztruhe gesehen werden. Der Service der KMU kann dadurch wesentlich besser werden. Hier liegt auch ein Schlüssel für die Kundenbindung bei KMU.

GfK-Testmarkt Haßloch: Seit mehr als 25 Jahren ist Haßloch in der Pfalz Testmarkt. Hier wohnen die "durchschnittlichsten" Deutschen (Bevölkerung, Vorlieben, Geburtenrate, Einkommen). Jeder zweite Haushalt der 8.500 Haushalte macht mit einer Chip-Karte mit. Bei einigen ist auch das Fernsehen manipuliert. Es gibt auch einen Stresstest, der seit 2014 läuft. Haßloch ist das größte Dorf der Pfalz. Es hängt stark an der BASF als Arbeitgeber.

Sammeln von Verbraucherdaten: 1. Technik an den Kassen (Treueprogramm, Point-of-Sale-Software, Mobile Endgeräte), 2. Umfragen Social Media (Feedback per E-Mail, SMS u. a.), 3. Callcenter, 4. Preisausschreiben, 5. Website-Tracking, 6. Beobachtungen.

Ökonomische Rankings: Sie sind allgegenwärtig und eines der Hauptanwendungsgebiete der Statistik. Viele Produzenten von Statistiken haben darauf ihr Geschäftsmodell gegründet. Rankings haben zahlreiche Fallstricke: unpassende Bezugs- oder Vergleichsgröße, keine Sorgfalt auf den Nenner, Schwierigkeiten nur im Kleingedruckten, nur als Grundlage für politische Forderung.

Datenanalyse in der Digitalisierung: Hier ist ein neues Betätigungsfeld der Statistik. In digitalisierten Unternehmen und anderen Organisationen schafft die Datenanalyse zusätzliches Wachstum. Daten sind der Rohstoff der Zukunft in der Wissensgesellschaft. Geschäfte werden  datengetrieben ablaufen (Programmic Advertising). Die Wettbewerbsvorteile der Unternehmen ergeben sich in einem besseren Verständnis der Märkte. Kürzere Produktzyklen, hohe Bedarfsschwankungen und eine verstärkt individualisierte Produktion erfordern eine engere Anbindung der Unternehmen an Lieferanten und Abnehmer.

Robotic und Analytics: Automatisierung von Prozessen und Abläufen in Anbieter - Kundenbeziehung. So können etwa Software-Roboter Kommentare und Routineentscheidungen durchführen. Web Analytics analysiert das Verhalten von Besuchern auf Webseiten. Retail Analytics: Dient dazu, möglichst viel über die Kunden und ihre Wünsche herauszufinden. Bei Online-Shops gehört die Analyse von Besucherströmen zum Alltag. Insofern ist Webseiten-Analyse das Vorbild. Predictive Analytics: Auf Grundlage von Mustern aus historischen Daten werden zukünftige Ereignisse vorausgesagt. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass sich Muster wiederholen. Ziel ist die Optimierung (direkte Verarbeitung von Daten, um eine optimale Durchführung zu erreichen). Vielleicht können Zahlen irgendwann das Bauchgefühl ersetzen (ich selbst glaube nicht daran, weil die Annahme kühn ist). Knackpunkte sind Business Case, Datenqualität und Umsetzung. Die Methode kann auch zur Findung des idealen Preises eingesetzt werden. So optimiert die Methode Warenverfügbarkeit und Preise bei Otto.de .

- Machine Learning: Kluge Maschinen (geistige Arbeit von Maschinen). In der Datenanalyse sind die Anwendungsmöglichkeiten beeindruckend. Beim Supervised Learning  sind Klassifizierungen und Regressionsanalyse möglich (logistische Regression, Entscheidungsbäume, Random Forest). Anwendungsmöglichkeiten sind hier Klassifikation von Bildern und Dokumenten, Betrugserkennung, Empfehlungssysteme. Beim Unsupervised Learning geht es um die Clusteranalyse und die Hauptkomponentenanalyse. Anwendungsmöglichkeiten sind Kunden- und Marktsegmentierung, Spracherkennung, Spam-Filter, Sentimentanalyse.

"Jobs to be done" in der Marktforschung: Es handelt sich um Aufgaben, die Kunden erfüllt haben wollen. Nicht bestimmte Eigenschaften des Kunden, sondern seine Wünsche bestimmen, für welches Produkt er sich entscheidet. Man muss also Produkte, Erlebnisse und Prozesse, die auf diese Aufgaben zugeschnitten sind, entwickeln. Die Aufgaben sind oft komplex und manchmal nicht einmal dem Kunden selbst bewusst. Weil dies nicht beachtet wird, ist die Erfolgsquote von Innovationen seit Jahrzehnten erschreckend gering. Daran ändern auch die Möglichkeiten von "Big Data" nichts. Man konzentriert sich dabei zu sehr auf Kundenprofile und bedeutungslose Korrelationen in Datensätzen. Vgl. Christensen, C. M./ Hall, T./ Dillon, K./ Duncan, D.S.: Erledigen Sie die Jobs ihrer Kunden, in: Harvard Business Manager Oktober 2016, S. 32ff.

Insights Engine; Consumer and Market Insights (CMI): Neue Konzeption für Aufbau und Funktionsweise der Marktforschung im Unternehmen. Sie schafft es, über die reine Datenerhebung hinaus echte Erkenntnisse zu liefern: "Dank der engen Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen, dem innovativen Einsatz neuer Technologien und einer ganzheitlichen Mentalität, die kreatives und analytisches Denken in Einklang bringt", s. Frank van den Driest, Stan Sthanunathan, Keith Weed: So werden aus Daten Erkenntnisse, in: Harvard Business Manager Oktober 2016, S. 47. Insights Engine integriert Datenquellen, Innovationsinput, Maßnahmen und betriebliche Kapazitäten.

Predictive Analysis: Auf Grundlage von Mustern aus historischen Daten werden zukünftige Ereignisse vorausgesagt. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass sich Muster wiederholen. Ziel ist die Optimierung (direkte Verarbeitung von Daten, um eine optimale Durchführung zu erreichen). Vielleicht können Zahlen irgendwann das Bauchgefühl ersetzen (ich selbst glaube nicht daran, weil die Annahme kühn ist). Knackpunkte sind Business Case, Datenqualität und Umsetzung. Die Methode kann auch zur Findung des idealen Preises eingesetzt werden. So optimiert die Methode Warenverfügbarkeit und Preise bei Otto.de .

Retail Analytics: Dient dazu, möglichst viel über die Kunden und ihre Wünsche herauszufinden. Bei Online-Shops gehört die Analyse von Besucherströmen zum Alltag. Insofern ist Webseiten-Analyse das Vorbild.

Wichtige soziodemographische Merkmale: Geschlecht, Alter, Bildungsgrad, Einkommen. Daneben sind interindividuelle Unterschiede zu beachten (Region/Geographie, Verhalten, Psychografie).

Einflussreiche digitale Subkulturen: Dazu werden die Jugend, die Frauen und die Netizens (Netzbürger) gerechnet. Meistens werden sie von Unternehmen als getrennte Kundengruppen gesehen. Ihre kollektive Stärke ist bisher wenig erforscht. Junge Menschen sind oft die Ersten und damit auch Trendsetter. Sie legen neue Spielregeln fest. Frauen sind holistische Käuferinnen, Finanzchefinnen, Einkaufsmangerinnen und mehr. Netzbürger sind der Schlüssel in die digitale Welt. Emotionen spielen eine große Rolle. Vgl. Philip Kotler/ H. Kartajaya/ I. Setiawan: Marketing 4.0 . Der Leitfaden für das Marketing der Zukunft, Frankfurt/ New York 2017, S. 57.

Marketing ROI: Return on Investment. Formel: Nettoumsatz minus Produktkosten-Werbekosten geteilt durch Werbekosten. Probleme: Die Abgrenzung der einzelnen Posten ist nicht einfach. Besonders schwierig ist der finanzielle Wertzuwachs (Nettoumsatz abzüglich Produktionskosten). Vgl. Mark Jeffery: Data-Driven Marketing, 2010.

Kennzahlen der Marketingproduktivität: 1. Gibt es den PAR (Purchase Action Ratio). Er misst, wie gut es einem Unternehmen gelingt, aus Menschen, die eine Marke kennen, Käufer zu machen. Statistisch ist ein Bruch mit Kauf im Zähler (berechnet als Anzahl oder Prozentsatz der Verbraucher auf dem Markt, die die Marke kaufen) und spontane Wiedererkennung im Nenner (berechnet als Anzahl oder Prozentsatz der Verbraucher auf dem Markt, denen die Marke auf die Frage nach einer bestimmten Kategorie spontan einfällt). 2. Kann der BAR (Brand Advocacy Ratio) benutzt werden. Er misst, wie gut es einem Unternehmen gelingt, aus Menschen, die seine Marke kennen, loyale Botschafter zu machen. Es handelt such um einen Bruch, bei dem im Zähler die spontane Weiterempfehlung steht (Berechnet als Anzahl oder Prozentsatz der Verbraucher auf dem Markt, die die Marke spontan weiterempfehlen) steht. Im Nenner ist die spontane Wiedererkennung (berechnet als Anzahl oder Prozentsatz der Verbraucher auf dem Markt, denen die Marke auf die Frage nach einer bestimmten Kategorie spontan einfällt). Vgl. Kotler ebenda, S. 94.

Messgrößen für Kundenzufriedenheit: Net Promoter Score (NPS).  Wahrscheinlichkeit auf einer Skala. Generelle Zufriedenheit. Customer Satisfaction (CSAT). Frage direkt nach dem Kauf. Unmittelbares Erlebnis. Customer Effort Score (CES). Aufwand des Kunden für eine bestimmte Aufgabe oder Interaktion.

Markenwert, Erfolgsmessung: Wirkungsvolle Maßnahmen sind: hohe Bekanntheit, einzigartiges Image, emotionale Bindung, starke Begehrlichkeit, Preis-/Mengen - Premium. Vgl. Biesalski, A.: Erfolgsmessung: Sinn und Unsinn der Markenbewertung, in: bdvb aktuell, Nr. 138, S. 12f.

Scoring: Die digitale Durchleuchtung und Bewertung des Verhaltens von Konsumenten und Bürgern nach einem Punktesystem. Grundsätzlich ist dies ein Merkmal repressiverer Staaten wie etwa China. Aber auch bei uns arbeitet man mit diesen Methoden in der Gesundheitsversorgung und in der Finanzwirtschaft sowie bei Versicherungen. Es sollten Mindeststandards geschaffen werden, um den Bürger zu schützen. Folgende Grundsätze sind wichtig: 1. Identifizierung und Transparenz. 2. Verifizierung. 3. Relevanz und Nützlichkeit. Vgl. Oehler, A.: Grundsätze ordnungsgemäßer Bewertung durch Scoring, in: Wirtschaftsdienst 2017/10, S. 748ff.

Online-Experimente: Die digitalen Konzerne führen jedes Jahr unzählige Online-Experimente durch mit Millionen Nutzern. Die Ergebnisse bleiben in der Regel intern. Meist wird mit A/B-Testes gearbeitet. Zwei Szenarien werden gegenübergestellt. "A" ist die Kontrollversion. "B"" ist eine veränderte Version. Beide bekommen nach dem Zufallsprinzip Nutzer zugewiesen. Es gibt viele Firmen, dei mittlerweile diese Methode einsetzen: EBay, Walmart, Pinderest.

Kultur des Ausprobierens: Wenn nicht Tools und Technologien Unternehmen daran hindern, Online-Experimente durchzuführen, fehlt oft eine Kultur des Ausprobierens. Unternehmen müssen eine Umgebung schaffen, in der die Mitarbeiter neugierig sein dürfen. Daten sollen mehr zählen als Meinungen. Vgl. Thomke, Stefan: Eine Kultur des Ausprobierens, in: HBM April 2020, S. 21ff.

Kennzahlen in Paid-Traffic-Kampagnen: 1. Cost per Action (CPA). Die Summe der Werbeausgaben geteilt durch die Anzahl gewonnener Kunden. 2. Cost per Lead (CPL). Die Summer der Werbeausgaben geteilt durch die Anzahl generierter Leads. 3. Klickrate (CTR). Cost per Click (CPC). Die Summe der Werbeausgaben geteilt durch die Anzahl der Klicks auf die Anzeige, den Werbeeinsatz oder die Werbekampagne.

Strategisches SEO: Das muss ein Kennzahlensystem sein. Kennzahlen sind SEO-KPI, Sichtbarkeit, Verlinkende Domains, Verweis-Traffic, Seiten mit SEO-Traffic, Brand-Suchen, CTR (Google), Engagement-KPI. Vgl. Stefan Fischerländer: Kennzahlen mit System, in: t3n, digital pioneers 1/2019, S. 150ff.

Search Engine Optimization (SEO): 1. Content. 2. Backlinks. 3. Click-Through Rate. 4. Keywords. 5. Externe Links. 6. Textstruktur und Multimedialität. 7. Mobile friendly. 8. URL. Vgl. Specht, P.: Die 50 wichtigsten Themen der Digitalisierung, München 2019, S. 119ff.

Social-Media-Monitoring: Messgrößen: Share of Buzz. Anzahl der relevanten Beiträge zu einem Suchbegriff in einem bestimmten Zeitraum. Share of Voice. Wie schneiden eigene Marken im Vergleich zu Mitbewerbern ab. Engagement. Shares, Kommentare, Favorites und Likes zu einem Beitrag.

Daraus ergibt sich ein Social Listening. Letzteres wird auch als Weiterentwicklung gesehen. Man hat das Ganze im Blick, nicht nur Einzel-Posts. Es geht also um grundlegende Trends. Man ermittelt die allgemeine Stimmung von Usern gegenüber Marke, Unternehmen und Mitbewerbern. Daraus kann man eine neue Strategie ableiten. Spezielle Tools sind Hootsuite, Talkwalker oder Digimind.

Positive Bewertungen: Sie sind der Grundstein für erfolgreiches Verkaufen im Netz. Hier tummeln sich auch dubiose Agenturen, die Fake - Empfehlungen auf Bestellung liefern. Online-Riesen fürchten um ihre Glaubwürdigkeit. 400 Mio. $ gab der Handelsriese Amazon 2018 für die Jagd auf Rezensionsfälscher aus. 13 Mio. Bewertungen von fünf Mio. Usern wurden gelöscht.

Zielgruppen von morgen in sozialen Netzwerken aufspüren: Viele KMU tun sich noch schwer damit. Die wichtigsten Social-Media-Plattformen für KMU sind 2019: Facebook, LinkedIn, Instagram, Twitter, YouTube und Pinterest in der Reihenfolge. Wichtige Kennzahlen sind die Follower und die Reichweite. Die Bedeutung hängt aber wesentlich von der Zielgruppe ab. Einige Plattformen haben eine interne Erfolgsmessung. Es gibt auch eine Reihe von Analyse-Tools für Social - Media: Brandwatch Analytics, Quintly, Buzz Sumo, Snapshot, Social Report, Socialbakers, Cyfe. Sum All ist kostenlos. Vgl. Wie KMUs die Zielgruppen von morgen aufspüren, in: com!professional 7/2019, S. 28ff.

NextGen Analytics (Innovative Verfahren der Datenanalyse durch KI): I. Machine Learning: 1. Adaptive Machine Learning (Veränderung von Algorithmen während der Laufzeit). Transfer Learning (fertig trainiertes Netz). 3. Federated Learning (verteiltes Lernen). II. Beziehungen und Wissen: 1. Graph Analytics. 2. Knowledge Graphs. 3. Continues Intelligence. III. Augmented Analytics. Vgl. Klaus Manhart: NextGen Analytics - Vorsprung mit KI, in: com!professional 3/2020, S. 78ff.

Daten-Illusion: Kundendaten können Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Netzwerkseffekte ergeben sich dadurch aber nur selten. Außerdem sind diese womöglich nicht von Dauer. Um herauszufinden, welche Vorteile datenbasiertes Lernen für sie haben kann, sollten Unternehmen sieben Fragen beantworten: 1. Wie hoch ist der Mehrwert der Kundendaten? 2. Wie schnell nimmt ihr Grenznutzen ab? 3. Wie schnell werden sie obsolet? 4. Sind sie geschützt? 5. Können die Verbesserungen leicht nachgeahmt werden? 6. Verbessern sie das Produkt für den User selbst oder für andere User? 7. Wie schnell lassen sich dei Erkenntnisse in Produkte integrieren? Vgl. Hagui, Andrei/ Wright, Julian: die Daten-Illusion, in: HBM, März 2020, S. 42ff.

Erfolgsmessung im Marketing (Performance Marketing): MarTech-Lösungen machen die Wirksamkeit von Kampagnen messbar. Grundprinzipien dabei sind: Vergütung erfolgt strikt leistungsbezogen. Qualität geht vor Quantität. Vergütung gegen Leistungsnachweis. Realismus schlägt Idealismus. Auf Alt folgt Neu. Anreize fördern Engagement. Synergien durch mehrere Kanäle. Vgl. Kobylinska, Anna: Erfolgsmessung im Marketing, in: com!professional 5/2020, S. 66ff.

Analysen am Point of Sale: Messen des individuellen Verhaltens des Kunden in Filialen. Vor allem geht es um den Standort des Kunden. Die Echtzeitanalyse ermöglicht eine die genaue Bewegung der Ware zu verfolgen (RFID-Chips an den Verpackungen). So kann man auch messen, wenn der Kunde länger steht. Laufwege und Standzeiten werden analysiert. Der Self-Checkout (Kunde scannt die Ware selbst ein und bezahlt ohne Beteiligung einer Kassenkraft) nimmt zu.

Datenbereinigung: Datenqualität ist entscheidend in der Marktforschung. Die Daten entscheiden über den Erfolg oder Misserfolgs des Marketings. Die Qualität muss definiert werden. Dann muss ein Daten-Score festgelegt werden. So kann man Schritt für Schritt zu sauberen Daten kommen.

Appinio: Echtzeitmarktforschung. Gründer Max Honig, Kurfess und Granaß in Hamburg 2014. 650 zahlende Privatkunden. 500.000 Nutzer. 30 Mitarbeiter. Finanzierung: Privatinvestoren, laufende Einnahmen.

Ermittlung des Kundenwertes: Der Kundenwert teilt sich in Barwert der Bestandskunden und Barwert der zukünftigen Kunden. Der Barwert ist der Wert, den für die Zukunft erwartete Zahlungen in der Gegenwart besitzen. Er wird durch Abzinsung der zukünftigen Zahlungen  und anschließendes Summieren ermittelt. Der Barwert der Bestandskunden ist die Anzahl der Bestandskunden x Werte pro Bestandskunden. Die Werte werden ermittelt: Variabler Deckungsbeitrag pro Bestandskunden x Erwartete Dauer der Bestandskundenbeziehung - durchschnittlicher Umsatz pro Kunden. Der Barwert der zukünftigen Kunden ist: Anzahl der Neukunden x Werte pro Neukunden - Kosten pro Kundengewinnung. Die Werte pro Neukunden: Variabler Deckungsbeitrag pro Neukunden x Erwartete Dauer der Neukundenbeziehung - Durchschnittlicher Umsatz pro Kunden - Variable Kosten. Vgl. Rob Markey: Geschätzte Kunden, in: HBM November 2020, S. 20ff.

Unternehmensbewertung aufgrund der Kundenbeziehung: Dabei ist die Kohortenanalyse (Customer Cohort Chart, C3) ein neues Tool zur Unternehmensbewertung. Es funktioniert nach einem einfachen Prinzip: Der Gesamtumsatz wird für jeden Betrachtungszeitraum in die einzelnen Neukundenkohorten aufgeschlüsselt. Dieser Ansatz ist quer durch alle Branchen anwendbar. Vgl. McCarthym Daniel/ Faser, Peter: Wertsache Kundenbeziehung, in: HBM November 2020, S. 30ff.

Customer Experience (Kennzahlen): Es gibt nicht eine Kennzahl. Grundsätzlich gilt die Gleichung höhere Kundenzufriedenheit = geringere Abwanderung = mehr Wert pro Kunde. Eine Auswahl von möglichen Kennzahlen: 1. Net Promoter Score: Weiterempfehlung. 2. Customer Satisfaction Score: Zufriedenheit des Kunden mit allen relevanten Aspekten. 3. Verweildauer auf der Website. 4. Bounce Rate: Absprungrate. 5. Conversation Rate: Kaufinteressenten. 6. Customer Effort Score: Aufwand. 7. First Call Resolution: Agenten. 8. Reklamationsquote. 9. Customer Churn Rate. 10. Engagement der eigenen Mitarbeiter. Vgl. Mauerer, Jürgen: Im Mittelpunkt steht der Kunde, in: com!professional 12/ 2020, S. 12ff.

Kundentreue/ Messung: Dazu gibt es als Messinstrument den Net Promoter Score. Dazu hat der Schöpfer ein noch besseres Konzept entwickelt: "Die Rate des verdienten Wachstums."  Sie liefert Unternehmen einen klaren, Daten gestützten Zusammenhang zwischen Unternehmenserfolg, wiederholten und ausgeweiteten Käufen, Empfehlungen, einer positiven Unternehmenskultur und dem geschäftlichen Erfolg. Vgl. Reichheld, Fred u. a.: So wertvoll sind glückliche Kunden, in: HBM Mai 2022, S. 50ff.

- KI (Künstliche Intelligenz) und Datenflut: Man spricht von Augmented Data Management. Dabei sind folgende Punkte wichtig: 1. Use Cases definieren (Einsatzmöglichkeiten). 2. Mitarbeiter mitnehmen (Angst um Arbeitsplatz). 3. Data Governance (Datenschutzregelungen). 4. IT-Ressourcen anpassen. 5. Wahlfreiheit bei Implementierung und Nutzung. 6. Data Management und MLOps verknüpfen. Vgl. Reder, Bernd: Mit KI der Datenflut Herr werden, in: com!professional 1/2021, S. 54ff.

Anomalies wanted: "Anomalien erwünscht". Der Slogan stammt von Clayton Christensen, dem Erfinder der Theorie des disruptiven Wandels. Die Begegnung mit dem Unerwarteten bringt uns die größten Erkenntnisfortschritte. Der anomaliegetriebene Prozess kann wie folgt aussehen: 1. Werten Sie detaillierte Daten aus und visualisieren Sie sie. 2. Finden Sie heraus, welche Anomalien wichtig sind. 3. Geben Sie der Anomalie ein Narrativ oder einen Namen. 4. Prüfen und gestalten Sie das Neue - und legen Sie sich fest. Suchen Sie den Markt nach dem Überraschenden, dem Ungewöhnlichen, dem Widersprüchlichen ab. Vgl. Reeves, M./ Goodson, B./ Whitaker, K.: Wie Sie in winzigen Abweichungen Trends erkennen, in: HBM Januar 2022, S. 52ff.

Zehn Methoden, Ergebnisse zu messen: 1. Klare Ziele festlegen. 2. Ihre Kennzahlen mit ihren Zielen verknüpfen. 3. Lernen, Prioritäten zu setzen. 4. Einen Ziel-ROI festlegen. 5. Den Customer Lifetime Value kennen.  6. Die maximal zulässigen Akquisitionskosten kennen. 7. Benchmarks festlegen. 8. Den Marketingtrichter auf den Kopf stellen. 9. Ihre Schätzwerte anhand konkreter Daten anpassen. 10. Nicht in die Dashboard-Falle tappen. Siehe McMurty, Jeanette Maw: Marketing für dummies, Weinheim (Wiley) 2024 (6. Auflage), S. 387ff.

 

Institutionelle Bereiche des Marketing: Neben den unten ausführlich behandelten Bereichen Digitales Marketing und Internationales Marketing gibt es noch die Folgenden: Dienstleistungsmarketing, Handelsmarketing, Investitionsgütermarketing (Industriemarketing), Marketing für öffentliche Betriebe, Social Marketing, Öko-Marketing. Vgl. Meffert, H.: Marketing, Wiesbaden 2000, S..1159ff. Merkmale von Dienstleistungen, die das Marketing beeinflussen, sind: die Immaterialität, die Bereitstellung von Leistungsfähigkeiten (personelle, sachliche oder immaterielle Ressourcen) und die Integration eines externen Faktors. Besonderheiten des Handelsmarketings sind das Herbeiführen von Austauschprozessen, die Leistung besteht überwiegend aus Dienstleistungen, sie bieten sowohl privaten Haushalten als auch gewerblichen Nachfragern an, verändert werden Güter im physischen Sinne nur in beschränktem Maße. Investitionsgütermärkte haben Besonderheiten auf der Nachfrager-, Anbieterseite und im Austausch zwischen den Marktpartnern. Es handelt sich um eine abgeleitete Nachfrage. Weiterhin herrscht Multipersonalität und Multiorganisationalität. Phasen spielen eine große Rolle. Auf der Anbieterseite kennt man meist die Kunden genau. Der persönliche Verkauf ist wichtig. Kooperationen kommen häufig vor. Der Individualisierungsgrad und die Internationalisierung sind hoch. Der Austausch zwischen beiden Seiten ist interaktiv. Man legt auf dauerhafte Geschäftsbeziehungen wert. Vgl. Meffert, Heribert: Marketing, Wiesbaden 2000, S. 1157ff. Stadtmarketing bildete sich Ende der 60er Jahre in Deutschland heraus. Das betriebswirtschaftliche Marketing-Konzept wird auf den öffentlichen Sektor übertragen. Heute wird die Stadtmarketingorganisation in der Regel  speziell von einer GmbH durchgeführt (Umfrage der Deutschen Bundesvereinigung für City- und Stadtmarketing Deutschland e. V. (BCSD, 2014). Das Stadtmarketing umfasst der Organisation nach normalerweise folgende Bereiche: Standortmarketing (Zielgruppe: Unternehmer, Gründer), Tourismusmarketing (Touristen, Geschäftsreisende), City-Marketing (Stadt, Umlandbevölkerung), Verwaltungsmarketing (Bürger und Politik). Quelle: Bayrisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie: Best-Practice-Leitfaden Stadtmarketing, 2009 (PDF, Internet, 2018). Im Mittelpunkt stehen die Merkmale einer Stadt in ihrer Bedeutung für die Markenkommunikation. Vgl. Meffert, H./ Block, J./ Spinnen, B. Praxishandbuch City- und Stadtmarketing, Wiesbaden 2018. Auch: Zerres, M./ Zerres, I.: Kooperatives Stadtmarketing. Konzepte, Strategien und Instrumente  zur Erhöhung der Attraktivität einer Stadt, Stuttgart 2000.

 

Digitales Marketing (auch Internetmarketing oder Data-Driven Marketing; dieser Teil ist umfangreicher, weil er oft noch in Lehrbüchern fehlt; Social Media Marketing, Influencer-Marketing): Alle Maßnahme im Marketing, die über Computer und Internet ausgeführt werden. Technologien müssen integriert und Strategien angepasst werden. Zunächst muss "eine digitale Reife" entwickelt werden. Das Marketing muss optimal in das Management von Daten eingefügt werden. "Zero Trust" muss bei der Sicherheit das Konzept sein. Es muss eine Verbindung bzw. Schnittstelle zur Industrie 4.0 geben. Im Vordergrund steht "Augmented Reality" als Kombination aus wahrgenommener und vom Computer erzeugter Realität. Das Netzwerk der "Quantified Self" muss genutzt werden. Fog-Computing wird Cloud-Computing ablösen. Digitales Marketing heißt auch direkter Kundenkontakt, Produkt- und Serviceinnovation, Unternehmen 3.0 (Effizienzsteigerung entlang der Wertschöpfungskette). Die Aktivitäten im Digitalen Marketing sind entweder sichtbar oder unsichtbar. Sichtbar sind z. B. Internetauftritt, E-Commerce, Online-PR. Nicht sichtbar ist Suchmaschinen-Marketing, Suchmaschinen-Optimierung, Auswertung des Nutzungsverhaltens. Vgl. H. Ahlf: Digitales Marketing, in: WISU 1/2016, S. 49f. IT-Technik formt aber auch den Point of Sale der Zukunft. Im Einzelnen umfasst digitales Marketing folgende Elemente: Echtzeit-Transaktionen (Technologieprogramm für Werbekampagnen), Big Data (siehe folgenden Artikel), Datenanalyse, Mobile Technologie, Datenspeicherung, Social Media, Verfolgung (Schritte der Kunden bei ihren Internetaktivitäten und beim Kaufprozess).

Systematik des digitalen Marketings: Einteilungen sind möglich nach dem Wirkungsbereich, den Märkten, den Phasen, den Instrumenten und den Technologien. Häufig wird auch nach Schwerpunkten mit besonderer Bedeutung gegliedert: Social Media, Content Marketing, Personalisiertes Marketing, Marketing-Automation, Influencer-Marketing und Native Advertising.

Digitales Marketing als Antwort auf eine digitale Gesellschaft: Die Gesellschaft digitalisiert sich. Dann haben auch moderne Kunden neue Erwartungen. Diese richten sich auf die Eigenschaften "digital, serviceorientiert und interaktiv". Die digitalen Generationen sind Kunde, Mitarbeiter, Partner. Entscheider sind auf jeder Ebene: Personalstrukturen müssen neu gedacht werden. Kommunikation sollte auf Augenhöhe sein (schnell und bidirektional). Kooperation ersetzt Konkurrenz. Kundenbindung wird durch Begleitung erreicht. Vgl. Spancken, Christian: Digital Denken statt Umsatz verschenken. Online-Strategien für den Mittelstand, Berlin (Econ) 2018, S. 25ff.

Digitale Prozesse: Digitale Prozesse bestehen aus fünf Bausteinen: 1. Infrastruktur. Dafür braucht man vor allem gute Netze (Highspeed-Internet, Breitband). 2. In Europa fehlen die Basisunternehmen wie in den USA Apple, Google, Amazon. Die europäische Industriepolitik müsste vorhandene Unternehmen strategisch unterstützen. 3. Big Data muss ausreichend installiert werden und funktionieren. 4. Der Arbeitsmarkt muss eine ausreichende Flexibilität aufweisen, um sich zu wandeln. 5. Ein transatlantisches Datenschutzabkommen wäre sinnvoll. Vgl. Ries, Florian: Die Digitalisierung in fünf Fakten, in: bdvb aktuell, Nr. 131, S. 20f. Auch Unternehmensprozesse laufen zunehmend digital ab. Dazu gehören digitale, elektronische Rechnungen, digitale Verträge, digitales Personalmanagement, digitales Marketing (direkter Kundenkontakt, Produkt- und Serviceinnovation, Unternehmen 3.0) . "Ohne ausgebildete Fachkräfte und den tatkräftigen Einsatz Tausender, besser Hunderttausender unternehmerisch denkender kluger Köpfe in unserem Land werden wir den Wettbewerb um die digitalen Märkte der Zukunft nicht gewinnen können", Winfried Kretschmann, Ministerpräsident BW.

Marketing 4.0: Ein anderer Begriff für digitales Marketing. Die Betonung liegt aber auf der Kombination von Online- und Offline - Interaktionen, also um die Integration von klassischem und digitalen Marketing. Nach Kotler sollen die Ebenen Engagement, Experience und Enjoyment erreicht werden mit Aware, Appeal, Ask, Act und Advocate. Ziel soll WOW sein. Vgl. Kotler u. a.: Marketing 4.0, Frankfurt/ New York 2017, S. 59ff.

Digitale Marktstrategie: Digitales ändert alles. 1. Kundennutzen muss neu gedacht werden. Produkte und Dienstleistungen werden individualisiert. Ein digitaler Prozess hin zum Kunden setzt auf Einfachheit und Kundenerlebnis (Simplification/ Experience). Im Business-to-Business-Bereich ist Fernwartung möglich. 2. Wertschöpfung kann neu definiert werden. Wertschöpfungsketten können digitalisiert und automatisiert werden. 3. Market making neu denken. Verbindung industrieller Plattformen mit industrieller Wertschöpfung. Vgl. Thomas Hutzschenreuter, TU München in: FAZ 269, Mo. 20.11.2017, S. 18.

10 häufigsten Fehler beim digitalen Marketing: 1. Sich auf Endbenutzer statt auf Angebote konzentrieren. 2. Nicht die Kunden ansprechen. 3. Von potentiellen Kunden zu früh zu viel verlangen. 4. Nicht für Webseitenbesucher zahlen wollen. 5. Zu sehr auf das Produkt ausgerichtet sein. 6. Die falschen Kennzahlen verfolgen. 7. Seine Medieninhalte bei Dritten parken. 8. Bei Inhalten auf Quantität statt auf Qualität zu achten. 9. Marketingziele und Vertriebsziele nicht in Einklang bringen. 10. Sich ablenken lassen. Siehe  Ryan Deiss/ Russ Henneberry: Digitales Marketing, Weinheim 2018, S. 325ff.

Elemente eines digitalen Marketings: 1. Ganzheitlich: Pricing - der Preis ist variabel. Place - der Ort ist überall.  Produkt - Gesamtbild soll stimmen. 2. Strategisch: Branding vs. Performance - Ziele und Zielgruppe bestimmen, Maßnahmen wählen. Kommunikation statt Werbung.  3. Kundenfokussiert: Jeden Kunden im richtigen Moment abholen, begeistern, binden. Suchmaschinen als kommunikative Spielwiese. Vgl. Spancken, Christian: Digital Denken statt Umsatz verschenken. Online-Strategien für den Mittelstand, Berlin (Econ) 2018, S. 25ff.

Die richtigen Tools fürs Marketing: Es geht um die richtige Marketingtechnologie. Drei Schritte schützen vor Fehlinvestitionen (strategischer Ansatz; Martech-Matrix): 1. Aufteilen. 2. Aufschlüsseln. 3. Aufbauen. Zu 1.: Kundengewinnung, Kauf, Wachstum, Kundenbindung. Zu 2.: Werbung, direkte kommunikation, Verkaufsförderung, Vertrieb, Public Relations, Kundensupport, Kundenverhalten. Zu3.: Inbound-Marketing-Plattformen, E-Mail-Automatisierung, Event-Plattformen, CRM-Systeme, Content-Marketing und Influencer-Plattformen, Kundensupport-Software, Kundendatenmanagement und -analysen. Vgl, Mela, C. F./ Cooper, B.: Die richtigen Tools fürs Marketing, in: HBM April 2022, S. 68ff.

E-Business: E-Communication, E-Entertainment, E-Education, E-Commerce, E-Collaboration.

E-Distribution (Wertkette): 1. Produktpräsentation (Online-Kataloge, Online-Präsentation). 2. Information und Kommunikation (Versorgung der Kunden mit kaufrelevanten Infos). 3. Produktbereitstellung. 4. Finanzierung und Zahlung (Abwicklung). 5. Beratung und Service. Vgl. Wirtz, Bernd W.: Electronic Business, Wiesbaden 2020 (7. Auflage), S. 619.

Agile IT: Menschen reden miteinander, die früher Nichts miteinander zu tun hatten. Die IT muss heute die schnelle Umsetzbarkeit abbilden. Die IT wird zum Enabler. Sie eröffnet auch neue Flexibilitätsräume. Vgl. Carsten Hentrich/ Michael Pachmajer: d.quarks, Hamburg (Murmann), S. 25ff.

Social Listening: Überwachung des Social-Web und Kümmern um Kundendienstfragen und Problemen im Online-Reputations-Management, die dort auftauchen. Reputation muss gepflegt werden, Kundenabwanderung sollte reduziert werden, Produktlücken sollten ermittelt werden, ebenso Content Gaps. 

Brücke zwischen digitaler und physischer Realität (Augmented Reality, AR): Neue Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Es verändert die Wertschöpfung von Unternehmen: Produktion, Personalentwicklung, Kundenkontakt. Technik: Mithilfe erweiterter Realität können digitale Bilder und Daten auf reale Gegenstände projiziert werden. Dadurch werden Daten direkt in den Kontext gestellt, in dem wir sie brauen. Dadurch können Informationen besser als Handlungsgrundlage genutzt werden. AR kann visualisieren, anweisen bzw. anleiten und auch interagieren. Vgl. Michael E. Porter, James E. Heppelmann: Eine Brücke zwischen Digitaler und Physischer Welt, in: HBM, Februar 2018, S. 20ff.

Crowd: Wenn Unternehmen im Internet die Konsumenten über Produktideen abstimmen lassen. doch die Beziehungen der Teilnehmer untereinander, die schwer zu kontrollieren sind, verfälschen die Ergebnisse. Deshalb sollte man nicht sein ganzes Vertrauen in eine Crowd stecken.

Zum Inbound-Marketing gehören Blogs, Social-Media-Marketing und Suchmaschinenoptimierung. Vgl. BWL Kompakt. Der visuelle Crashkurs, München 2016, S. 210ff. Inbound-Marketing ermöglicht mehr Leads. Die Marketing-Aktivitäten werden auf einer Plattform gebündelt. Eine optimale Abstimmung von Vertrieb und Marketing ist möglich. Insgesamt kann die Marketing-Strategie optimiert werden.

Wandel der Kunde-Unternehmensbeziehung in der Digitalisierung: Mit dem Aufstieg der Social-Media-Plattformen tauschen sich Menschen untereinander stärker über Produkte aus. Marketingfachleute müssen kanalübergreifend kommunizieren und mit positiven und negativen Botschaften über ihre Marken umgehen können. Sie müssen bedeutungsvollere Beziehungen zum Kunden aufbauen. Big Data und künstliche Intelligenz müssen integriert werden. Kommunikation und Produkte werden immer mehr personalisiert. Insgesamt findet eine Machtverschiebung zum vernetzten Kunden statt. Marketing wird horizontal (F-Faktor: Freunde, Familie, Fans, Follower), inklusiv (weniger Barrieren, mehr Kopperationen)  und stärker sozial (soziales Umfeld, auch im Netz).

Paradoxien beim vernetzten Verbraucher: 1. Online- und Offline - Interaktion. 2. Informierter und abgelenkter Kunde. 3. Negative und positive Empfehlung. Das veränderte Umfeld in der digitalen Welt schafft diese Paradoxien. Vgl. Kotler u.a.: Marketing 4.0, Frankfurt/ New York 2017, S. 43f.

Customer Touch Points: Berührungspunkte zwischen Unternehmen und Kunden. Kunden beschaffen sich Informationen über die Kontaktpunkte. Am Ende steht die "Customer Experience". Die Anzahl der Punkte steigt rapide durch die Digitalisierung.

Beacons: Kleine Sender, die per Bluetooth - Technologie Nachrichten an Smartphones senden können. Sie werden heute verstärkt für Shop Analytics und Retargeting eingesetzt. die eigentliche Ansprache findet schon außerhalb des Geschäftes statt.  Das Nutzungsszenario ist hauptsächlich im Handel. Aber auch außerhalb kann man die Technik einsetzen (Kreuzfahrtschiffe, Gebäudemanagement)..

Kooperation zwischen Marketing und IT (CMO und CIO): Marketingfachleute und IT - Spezialisten müssen in Zukunft eng zusammenarbeiten. Einerseits weitet das Marketing seine Aktivitäten auf Websites, mobile Geräte, soziale Medien und E-Mail aus, andererseits muss die IT dafür eine funktionierende Infrastruktur bereitstellen. Die Grenzen der Verantwortungsbereiche werden unschärfer. Beide müssen daher auf gemeinsame Zielgrößen ausgerichtet werden. Daher sollten Boni nur an Ziele geknüpft werden, die beide gleichzeitig erreichen können. Vgl. CMO und CMI: die Powerpartnerschaft, in: Harvard Business Manager, September 2017, S. 32ff.

Content-Marketing: Kommunikation im Online-Zeitalter. Es geht um die spezifische Gestaltung der Kommunikationspolitik eines Unternehmens. Durch überzeugende Geschichten sollen Gespräche in Gang gebracht werden. Kern ist, den Zielpersonen und Zielgruppen informierende, beratende und unterhaltende Inhalte zu präsentieren, die häufig nur einen indirekten Bezug zum Leistungsangebot des kommunizierenden Unternehmens haben (nützliche Inhalte statt Wertversprechen). Kanäle des Content-Marketings sind die Quadranten "Unterhalten", "Inspirieren", "Bilden" und "Überzeugen". Vgl. Kreutzer, r. T.: Content-Marketing. Buzzword oder Erfolgsstrategie? in: WiSt, Heft 5/ 2016, S. 263ff. Ein anderer Begriff für diesen Sachverhalt ist  Journalismus-Marketing: Unternehmen jagen mit als Nachrichten getarnten Internetseiten nach Kunden. Nebenbei werden Daten über den Alltag der Kunden gesammelt. Den Nutzern werden unterhaltsame und informative Inhalte geboten. Es ist keine neue Erfindung. Eine der ältesten Beispiele ist der Guide Michelin. Heutige Formen sind meist Internet basiert (Blogs, Whitepaper, Tweets, Posts). Insofern ist es also datengesteuert. In einer weiten Interpretation ist dies Content Marketing an sich. Kein Wunder also, dass nach einer Studie 2016 (Oracle) 77% aller Unternehmen ihr Budget aufstocken wollen. Das Grundproblem von Content-Marketing sind viele Inhalte, aber keine Aufmerksamkeit ("digitales Nirwana"). "Republishing" kann dagegen helfen.

Ziel, Instrumente und Inhalte des Content-Marketing: Ziel ist es, aus potentiellen Kunden Kunden machen. Instrumente sind die Bekanntheit, die Evaluierung (Bewertung der Kunden) und die Konversion (kaufen oder nicht kaufen). Inhalte können sein: Blogs, Webinare, You Tube-Videos, Events, Produktvergleiche, Aussagen zufriedener Kunden.

Engagement-Marketing: Einbeziehung der Kunden bei der Entwicklung einer Marke. Kunden sollen ihre Meinung mitteilen und sich so der Marke näher fühlen. Wichtige Hilfsmittel sind Handy - Apps, Social CRM und Gamification. So kann die digitale Erfahrung optimiert werden und eine Markenaffinität erzeugt werden. .

Digitale Markenführung: Sie zerfällt in einzelne Disziplinen: Markenbotschaft im Netz (Wiedererkennungwert, Verlinkung), Kommunikation mit dem Kunden im Netz (Benutzerfreundlichkeit, Inhalt, vor allem Schnelligkeit), Nutzwert im Netz, Einsatz von Online-Trends (Innovationsfreude). Besonders Unternehmen, die ihre Kunden für sich einspannen, sind erfolgreich (Bewertungen, Kooperation in der Produktentwicklung, Inhalte weitergeben).

Plattformstrategie: Plattformunternehmen bringen Produzenten und Konsumenten zusammen. Die größten Werte einer Plattform sind ihre "Community" und die Ressourcen der Mitglieder. Der Schwerpunkt verlagert sich vom Kontrollieren zum Organisieren von Ressourcen. Externe Interaktionen müssen Vorrang vor dem Optimieren interner Prozesse haben. Nicht nur Kundenwert, sondern der Wert des gesamten Ökosystems (gemeint ist das Umfeld) soll gesteigert werden. Traditionelle KMU müssen versuchen, Plattformen anzubieten und damit verbundene neue Strategien lernen. Konkurrenten können sehr leicht aus fremden Branchen auftauchen. KMU sollten intelligent entscheiden, wen sie auf die Plattform lassen und was die Teilnehmer dort tun dürfen. Mit neuen Kennzahlen sollten die Interaktionen überwacht werden. Das Grund-Modell eines Plattformunternehmens sieht also wie folgt aus: Produzenten, also KMU,  sind in der Regel die Urheber der Plattform. Sie verbinden sich mit Konsumenten, die kaufen und nutzen wollen. Wichtig ist die Infrastruktur: Mobilfunkgeräte ermöglichen die Plattform. Inhaber der geistigen Eigentumsrechte und die Entscheider über den Zugang und die Nutzung der Plattform müssen sich ausreichend absichern. Vgl. O. V.: Plattform statt Pipeline, in: Harvard Business Manager, Juni 2016, S. 23ff.

Homo ludens: Der durch das Spiel sich entwickelnde Mensch. Diese Sichtweise ist nicht neu (Schiller: "der Mensch ist nur ganz Mensch, wo er spielt"). Die Digitalisierung fördert dieses Menschenbild wieder. Dahinter steckt die Vorstellung, dass Spielen die primäre Kulturtechnik ist und er wichtigste Grund für Gesellschaften (das wusste schon Niklas Luhmann:  Art der Kommunikation). Heute spricht man von einer Weltgesellschaft, die in ihrer Komplexität noch nicht ausreichend erforscht ist. Das Spielerische in der digitalen Welt kann motivieren. Man spricht auch von einem Trend zur "Gamifizierung". Vgl. Manouchehr Shamsrizi, Interview in: bdvb aktuell, Nr. 137, S. 6f.

Big Data: Entweder absolute Größe der Daten oder Wachstumsrate. Es könnte die größte Veränderung im Marketing sein seit dem Internet. Es geht um das Sammeln von Kundendaten, die Auswertung in Systemen und die zielgenaue Kundenansprachen daraufhin. Gemeint sind auch Applikationen auf mobilen Geräten (Handys). So wird der Wettbewerbsvorteil über die Datennutzung definiert. "Customer-Journey" heißt die Reise zum Verkauf und Vertrieb auch. Big Data läuft in mehreren Phasen ab: 1. Assessment: Potentiale für den Einsatz von Big-Data-Methoden; 2. Readiness: erforderliche Hardware- und Software-Infrastruktur und entsprechende Kompetenzen; 3. Implementierung und Integration: Verbindung mit vorhandenen Datenquellen; 4. Reporting und Predictive Analytics: Optimierung der Reporting-Prozesse und evtl. Prognose. Bestandteile von Big Data sind die Datenmenge (Volumen), die Datenvielfalt, die Geschwindigkeit und Analytics. Insgesamt werden die Menschen immer mehr vermessen (Werbung, Shoppen, Onlinehandel, Kreditwesen, Reisen, Gesundheit, Lebensplanung u. a.), um Verhalten vorherzusagen. Die Frage ist, wie die einzelnen Menschen ihre Freiheit schützen können.  "Wer aus Daten die richtigen Schlüsse zieht, hat die Macht", com professional 11/2014, S. 3. "Die Daten über unser Verhalten explodieren", Susan Athey, Stanford. 2015 entbrennt über die Daten der Autofahrer ein heftiger Verteilungskampf. die Autofirmen wollen ihre Märkte sichern. Internetkonzerne wollen werben. Versicherungen wollen bessere Tarife entwickeln. "Datenorientierung darf nicht auf Kosten der Kreativität gehen", Philip Kotler, in: HBM, September 2017, S. 50. Die Totalüberwachung in China soll auch im Marketing genutzt werden. Die Gesichtserkennung ist weit verbreitet. Alibaba will die Technik im Handel nutzen.

Einteilung von Big Data: 1. Datenmenge (Volume). 2. Datenvielfalt (Variety). 3. Datengenerierung, Geschwindigkeit (Velocity). 4. Erkennen von Zusammenhängen (Analytics, Muster, Vorhersagemodelle).

Data Science für Nichtprogrammierer: Selfservice - Plattformen sollen selbst anspruchsvolle Big - Data - Analysen bewältigen. Es gibt eine Reihe von Data Science Tools. Dazu gehören RapidMiner, DataRobot, Driverless AI. BigML. Vgl. com!professional 12/2018, S. 80ff.

Roadmap für KMU bei Big Data: Beginnen mit kleinen Projekten. eindeutige Definition der Ziele. Zuerst kostengünstige Tools. Am Anfang keine weit reichenden strategischen Entscheidungen aufgrund von Big Data treffen. Aufbau von eignem Know- how.

Algorithmus: Eine Formel: Wenn A eintritt, verhalte dich so - tritt B ein, verhalte dich so. Ein Algorithmus kann auch lernen und die richtigen Antworten geben. Er kann aber den Sinn nicht verstehen und die Bedeutung erkennen. In jedem Falle fehlt ihm die wichtige Komponente Empathie. Trotzdem sind die Menschen, die die Algorithmen schreiben, die Schwachstelle.

Algokratie: Herrschaft der Algorithmen durch künstliche Intelligenz. Nutzer werden ausgespäht und damit Entscheidungsmöglichkeiten entzogen.

Online-Marketing: Die Kampagnen werden mit Software überwacht und analysiert. Dazu können gehören Content Marketing (vgl. Artikel oben), soziale und mobile Plattformen (vgl. Artikel unten), Marketing-Software, Website-Architektur, Programmierung, Daten und Analyse, IT-Operations (siehe oben).

Agile Marktforschung (Online-Marketing): Marktforschung der Online-Shops. Diese Methode hat viele Vorteile: Gute Datenqualität, echte Repräsentativität, Dialog und Feedback, Schnelligkeit, Reporting.

Marketing mit Daten: Das traditionelle Marketing muss einem Change - Management - Prozess unterworfen werden. Optimal verknüpft werden müssen der Datenbestand, führende Technologien, die Marketing-Effizienz und das Team bzw. die Organisation. Das kostet Zeit, Geld und Geduld. Vgl. Katharina Meran: Das Marketing mit Daten erfordert ein umdenken, in: com!professional 4/2017, S. 34ff.

Marketing-Automation: Kundendaten können automatisch analysiert und genutzt werden. Individuelles Einkaufverhalten kann personalisiert werden. Rabattangebote können auf zögerliche Käufer zugeschnitten werden. Kunden können gezielt Chat-Fenster angeboten werden. Käufe können auf Social Media gepostet werden. Die voraussichtliche Warenkorbgröße kann vorausgesagt werden.

Tools zur Datenvisualisierung: Easelly, CARTO, Infogram, Tableau Online, Qlik Sense.

Tracking-Software: 77,4% der Webseiten (page loads) werden getrackt. Gostery hat dafür 850.000 Nutzer aus mehr als 20 Ländern untersucht. Ganz vorne ist Google vor Facebook.

Retargeting: Der Kunde hat im Oneline - Shop einen Besuch ohne Kauf gemacht. Beim nächsten Besuch erscheint Werbung in Bezug zu dem ursprünglich gesuchten Gut (Wiedererkennungseffekt).

Marketing-Cloud-Lösungen ("Marketing-Wolke"): Die IT-Riesen Adobe, Salesforce und Oracle bieten Lösungen an. Für KMU sind mögliche Alternativen Marketo, Experian und Hubspot.

Insights Engine; Consumer and Market Insights (CMI): Neue Konzeption für Aufbau und Funktionsweise der Marktforschung im Unternehmen. Sie schafft es, über die reine Datenerhebung hinaus echte Erkenntnisse zu liefern: "Dank der engen Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen, dem innovativen Einsatz neuer Technologien und einer ganzheitlichen Mentalität, die kreatives und analytisches Denken in Einklang bringt", s. Frank van den Driest, Stan Sthanunathan, Keith Weed: So werden aus Daten Erkenntnisse, in: Harvard Business Manager Oktober 2016, S. 47. Insights Engine integriert Datenquellen, Innovationsinput, Maßnahmen und betriebliche Kapazitäten.

Data Analytics: Descriptive Analytics (What happened?). Diagnostic Analytics (Why did it happen?). Predictive Analytics (What will happen?). Prescriptive Analytics (How can we make it happen?) Die Schwierigkeit steigt mit den letzteren Verfahren, da sie die Zukunft im Auge haben.

Predictive Analysis: Auf Grundlage von Mustern aus historischen Daten werden zukünftige Ereignisse vorausgesagt. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass sich Muster wiederholen. Ziel ist die Optimierung (direkte Verarbeitung von Daten, um eine optimale Durchführung zu erreichen). Vielleicht können Zahlen irgendwann das Bauchgefühl ersetzen (ich selbst glaube nicht daran, weil die Annahme kühn ist). Knackpunkte sind Business Case, Datenqualität und Umsetzung. Die Methode kann auch zur Findung des idealen Preises eingesetzt werden. So optimiert die Methode Warenverfügbarkeit und Preise bei Otto.de .

Retail Analytics: Dient dazu, möglichst viel über die Kunden und ihre Wünsche herauszufinden. Bei Online-Shops gehört die Analyse von Besucherströmen zum Alltag. Insofern ist Webseiten-Analyse das Vorbild.  

Chatbots: Ein Chatbot (to chat=unterhalten, bot=Robot) ist ein Computerprogramm, das einen menschlichen Gesprächspartner simulieren kann. Sie können heute auch gesprochene Sprache verstehen. Sie werden daher auch kognitive oder virtuelle Assistenten genannt. Künstliche Intelligenz (KI) macht die Chatbots also immer schlauer (24-Stunden-Service, Schnelle Antworten auf einfache Fragen, sofortige Reaktion, effizientes Beschwerdemanagement). Damit werden sie Märkte und Marktteilnehmer in Zukunft verändern. Mittlerweile werden auch immer mehr Frameworks (Baukästen) für Chatbots entwickelt und angeboten. Die großen Anbieter sind Amazon, Facebook, Google und Microsoft. Chatbots kann dem Menschen Routine-Aufgaben abnehmen und dadurch Kosten sparen helfen.  Microsoft machte im März 2016 ein Experiment: Ein Sprachcomputer mit künstlicher Intelligenz sollte auf Twitter Sprechen lernen. Nutzer brachten der Maschine rassistische Antworten bei. Für die Medien ein gefundenes Fressen. Das Suchinteresse verzehnfachte sich. Die BA verwendet einen Chatbot als Berufstest. "Bis Menschen Dialoge mit Maschinen führen können, vergehen noch Jahre", T. Wingenter, Leiter Digital Innovations, Lufthansa.

Chatbots - Einsatz: Chatsbots müssen funktionieren und dem Kunden weiterhelfen. Wenn Chatbots gut gemacht sind, erhöhen sie die Kundenbindung. Es gibt fünf Gründe für Chatbots: Beitrag zum Verkaufserfolg, wertvolle Insights, Abbau von Komplexität, Ständig rund um die Uhr erreichbar, Zeit und Geld. Vgl. com!professional 12/2018, S. 64ff.

Growth-Hacking: Marketing im Internet mit minimalen Kosten, wie etwa die Nutzung der sozialen Medien zur Absatzförderung.

Hype: Entstehen neuer Trends im Internet durch Disruption. Der Google Trend Index zeigt das Suchinteresse von bestimmten Begriffen. Durch ein abruptes Ansteigen des Suchinteresses entstehen auch Geschäftsmodelle.

Startup THE SAAS CO.: In Berlin. Vertriebs - Bot für den Posteingang. Künstliche Intelligenz schafft einen Assistenten, der neue Kunden automatisch aufspürt. Lisa: Learning Intelligent Sales Agent.

Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR), Mixed Reality (MR): Alle diese Verfahren dürften Marketing und Vertrieb revolutionieren. Die Kunden können das Produkt ihrer Wahl intensiv erfahren (Auto, Haus, Schiff u. a. ) und emotionalisiert werden. Auch Konstruktionsmängel oder unpraktische Details können erkannt werden. Einige Unternehmen setzen die Elemente schon erfolgreich ein (Ikea, Lego, DER Touristik). In der Reisebranche wird sich diese Technik sicher weit verbreiten. Dadurch kann mehr Umsatz erzielt werden. Bei Virtuel Reality unterscheidet man zwischen 360-Grad-Videos und "echten" VR-Welten. Augmented Reality (AR) ist eine Kombination aus wahrgenommener und vom Computer erzeugten Realität. In ein Displaybild werden zusätzliche Informationen und virtuelle 3D-Objekte eingeblendet. Virtual Reality wird in folgenden Bereichen zunehmend eingesetzt: Planung und Projektierung von Gebäuden, virtuelle Inbetriebnahme von Produktionsanlagen, Produktdesign, Medizin, Fortbildung, Bildung, Forschung, Marketing und Vertrieb, Dienstleistung. Zunehmend wird Virtual Reality auch in Meetings eingesetzt.

Assisted, Augmented und Mixed Reality: Bei Assisted Reality werden Zusatzinformationen, die einen Vorgang unterstützen und vereinfachen, am Rande des Sichtfeldes transparent eingeblendet. Beispiele sind die Head-up-Displays mancher Navigations- und Assistenzsysteme, die Informationen auf die Windschutzscheibe in die periphere Sicht des Fahrers projizieren. Augmented Reality geht einen Schritt weiter und blendet computergenerierte 3D-Welten statt dürrer Zahlen oder einfacher Symbole in die reale Umgebung ein. Die echte Realität wird um virtuelle erweitert. Die Mischung aus virtuellen und physischen Komponenten bezeichnet man als Mixed Reality, es sind also VR-Anwendungen.  AR hat ein großes Potential, vielleicht wie von Smartphones. Alle wichtigen IT - Firmen arbeiten daran (Apple, Google, Microsoft, Amazon, Facebook). Im Marketing wird die Technik zunehmend eingesetzt werden (Möbel in 3-D, Häuser besichtigen beim Makler, Produktansicht und -probe, weniger Retouren). Es funktioniert 2021 schon in Google Maps (man läuft einem Fuchs nach). Es könnte irgendwann so weit kommen, dass gewohnte Hardware ganz wegfällt (z. B. Fernseher, Computer-Bildschirm).

Extented Reality (XR): Umfasst AR, VR und MR zusammen. 2024 rechnet man mit einer Größe des Marktes von 800 Millionen Euro (Vervierfachung gegenüber 2020).  Bei VR hat man dann keine Realität. Bei AR ist Realität da. Bei Mixed Reality  wird in die Realität integriert. Genaueres siehe oben.

Augmented Reality: Smartphone als Umkleidekabine: Man kann so Kleidung anprobieren mit einem Klick. Das funktioniert über Filter fürs Smartphone. Das könnte dem Onlinehandel den nächsten Digitalisierungsschub geben.

Datenbrillen: Man unterscheidet zwischen Monokularen Datenbrillen für Assisted Reality und Binokularen Datenbrillen für Assisted/Augmented)Mixed Reality. Hersteller ersterer sind z. B. Vuziz, Telepathy, Google und Fujitsu. Letztere kommen z. B. von Epson, ODG oder anderen. Die Hololens von Microsoft hat eine Sonderstellung. Windows Mixed Reality ist eine durchgängige Plattform zur Erstellung und Nutzung von Mixed-Realty-Anwendungen.

Internetnetzwerke (soziale Netzwerke, Social Media): Soziale Netzwerke im Internet sind Plattformen, in denen man sich mit Freunden, Bekannten, Kollegen, Kunden u. a. verständigen kann. Jede zweite mittelständische Firma ist in sozialen Netzwerken im Internet aktiv. Am beliebtesten sind Facebook, Xing, You Tube und Twitter. Daneben gibt es u. a. noch LinkedIn und Google+. Besonders für Dienstleistungsunternehmen sind die Netzwerke interessant, weil sie auch kostenlos sind. Bei den großen Unternehmen ist es eine etablierte Marketing-Methode. Soziale Netzwerke sind zwar eine ideale, kostengünstige Methode, aber es gelingt vielen KMU noch nicht, die Vorteile zu nutzen. Es bestehen große Defizite beim Controlling der Aktivitäten.  58% der deutschen KMU sind in sozialen Netzwerken vertreten (2014). Bei Großunternehmen sind es mit 81% deutlich mehr. 32% der kleineren Firmen prüfen, welchen Erfolg sie mit Social Media haben. 5% sind reine Karteileichen.

Service via Social Media (für vernetzte Kunden): Digitale Kunden stellen zunehmende Ansprüche an den Service. sie erwarten, dass Facebook, Video, Chat in die Beratung einbezogen werden. Man spricht von Cross-Channel-Konzepten. Schon 86% der Kunden nutzen fünf oder mehr Support-Kanäle. Die größten Hürden für die Unternehmen liegen in der technischen Einbindung.

Produktplatzierung bei Online-Händlern: Dazu muss man die Marktplatzoptimierung (MPO) bei den führenden Händlern kennen und studieren. Produktmittel und Produktmerkmale müssen richtig eingesetzt werden. Die Ranking-Faktoren müssen erforscht werden. Allgemeine Schlüsselwörter sind wichtig.

E-Commerce: Elektronischer Handel, Internethandel oder Onlinehandel genannt. Das Handelsgeschäft wird zwischen Wirtschaftssubjekten über ein computergestütztes, elektronisches Medium abgewickelt. Eine Sonderform ist M - Commerce, wenn das Geschäft über Handy oder Tablet - PC abgeschlossen wird. Weltweit dominierend sind Anbieter aus den USA wie Amazon und Ebay. Die chinesischen Unternehmen wie Alibaba, Jingdong Mall holen auf. In China ist mittlerweile der führende Online-Sales-Market (2015 Waren für 590 Mrd. Dollar). E-Commerce steht in engem Zusammenhang mit Online-Payment-Systemen, Social Media und Cross-Border E-Commerce.

Webshop: Teil einer Plattform oder Homepage. Sozusagen eine kleine E - Commerce - Lösung. Angebotssortiment, Bestellungen und Buchungen.

Shopsoftware für kleine und mittlere Unternehmen: Cosmoshop, ePages, Gambio, Magento, Oxid eSales, Prestashop, Shopware, Websale.

Kundenbindungsprogramme im E-Commerce: Bonuspunkte (Gratispunkte), Cashback, Preisnachlass,  ohne Versandkosten.

Influencer: Von engl. "influence" - beeinflussen. Ursprung der Idee ist eine alte soziologische Studie: Paul F. Lazarsfeld, The People´s Choice, 1940. Er zeigte, das die Mehrheit der Wähler stark von Meinungsführern beeinflusst wurde (Opinion Leader, Multiplikatoren). Seit 2007 im Marketing durch das Buch von Paul Gillin, The New Influence. Quill Driver, Fresco 2007. Als Ursprung gilt folgendes Buch eines amerikanischen Psychologen: Robert Cialdini, Influence, Science und Practice, 2001. Das Konzept der Multiplikatoren wird auf Social Media übertragen. Es handelt sich um Personen, die aufgrund einer starken Präsens oder eines hohen Ansehens in den sozialen Netzwerken des kommerziellen Internets (Facebook, Twitter, You Tube, Instagram) großen Einfluss haben. Es geht also um Kooperationen mit Social-Media-Stars. Cialdini nennt unter anderem folgende Einflussfaktoren: soziale Autorität, Vertrauenswürdigkeit, Hingabe, konsistentes Verhalten. Eine Theorie komplexer Netzwerke ist in der Psychologie erst in der Entwicklung. Grundlage der Influencer sind "Relevance", "Resonance" und "Reach". Übernehmen bekannte Politiker oder Sportler die Rolle spricht man von Celebrity Branding. Ein empirisches Maß für die Bedeutung eines Influencer ist die Zahl der Follower. Stars wie Cameron Dallas haben 2017 ca. 35 Mio. Follower (Instagram, Snapchat, Facebook, Twitter). Einige Firmen starten Werbekampagnen mit ihnen (z. B. Calvin Klein). Einige Influencer vermarkten sich selbst über You Tube, auch mit eigenem Logo. Mittlerweile gehören Influencer zu den Großverdienern der Werbeindustrie. Man unterscheidet danach in Medi- und Micro-Influencer. Der Branchenverband Bitkom ermittelt 2017, dass immer mehr Online-Käufer Empfehlungen von Internet Meinungsführern folgen. Dazu gehören Blogger und Youtuber. 70 Prozent der Kunden seien aber enttäuscht. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Agenturen in Deutschland (z. B. Buzzbird, Divimore, Mediakraft,Pulse Group). Influencer schreiben auch zunehmend Bücher (Paola Maria, Pamela Reif, Paluten). Im Februar 2019 beginnt ein wichtiger Prozess gegen Cathy Hummels. Es geht um den Vorwurf unlautere Werbung ("Schleichwerbung"). Grundsätzlich geht es um den Rahmen von Influencern (in diesem Fall bei Instagram). Die Zahl der gut verdienenden Influencer wächst rasant. 2020 wollen auch die Finanzämter mehr vom Kuchen haben. Mit Taskforce, Leitfaden und Betriebsprüfungen gehen sie auf Steuerjagd. Auf Instagram verdienen Inflencer mit Werbung umso mehr, je mehr Follower sie haben. Diese sind allerdings nicht immer echt. Man schätzt acht Prozent Fake-Follower. Im Jahr 2022 zeigt sich, wie abhängig Konzerne mittlerweile von Influencern sind. Manche der Werber sind gut beratene Webcam-Profis, andere windige Vertreter des eigenen Geldvorteils. Besonders der Skandal um Rapper Kaye West rüttelt auf (Adidas, Anti - Semitismus). Es gibt 200 Mio. Influencer weltweit. 2022 werden 27,5 Mrd. Dollar für Influencermarketing ausgegeben. Die meisten Influencer sind sehr jung. Vgl. Dters, Jannik u. a.: Ich werbe, also bin ich, in: WiWo 48/ 25.11.22, S. 14ff.   Ein Star ist die Kölnerin Bianca Heinicke, genannt Bibi, mit eigenen Youtube-Kanal. Er heißt "Bibis Beauty Palace" und hat mehr als vier Millionen Abonnenten. Er erreicht eine passgenaue Zielgruppe. Damit ist Bibi selbst zur Marke geworden. Weiterhin sehr bekannt ist Leonie Hanne. Sie postet vor allem auf Instagram. Sie bekommt 2017  6000 US-Dollar für einen Marken-Post (Quelle: Statista). Werbe-Ikone ist auch Caro Daur. Einer der wenigen erfolgreichen Männer ist Flying Uwe aus Hamburg (Körper und Fitness). 2017 gerät das Geschäfts-Modell in Verruf. Es wird bekannt, wie leicht Follower zu kaufen sind (Dienstleister aus den USA arbeiten mit Bots). Außerdem werden die Blogs auch von Abmahnvereinen und Steuerfahndern gelesen, die für Ärger sorgen. Vgl. zu Daten über Influencer Handelsblatt, Montag, 21. August 2017, S. 24f. "Ich gucke mir einen Influencer an und denke: So eine Dumpfbacke. Warum macht der so einen Alarm?", Michael Huber, Generalbevollmächtigter der Brauerei Veltins. Vgl. auch: Schmitt, Wolfgang M.: Influencer. Die Ideologie der Werbekörper, Berlin 2021. Der Bundesgerichtshof entscheidet im September 2021, dass der Werbehinweis bei Influencern nicht zwingend ist. Influencer - Werbung muss nicht gekennzeichnet sein. Die erfolgreichsten deutschen Influencerinnen sind 2021 Leonie Hanne, Pamela Reif und Caro Daur. Die erfolgreichsten Kanäle 2023 auf Youtube sind MrBeast, Kids Diana Show und PewDiePie. Die Unternehmensausgaben für Influencer -Marketing steigen von Jahr zu Jahr. Vgl. Taylor Lorenz, Extremely Online, 2023.

Unterschied zwischen Werbung und Produktplatzierung: Spielt bei der Einschätzung von Influencer-Marketing eine große Rolle. Produktplatzierung liegt vor, wenn ein Produkt kostenlos zur Verfügung gestellt wird, damit der Influencer dieses in seine Posts oder Videos einbauen kann. Der Influencer unterliegt anders als bei Werbung keinen inhaltlichen Vorgaben. Deshalb muss das Post auch nicht als Werbung gekennzeichnet werden. Zunehmend tauchen Influencer auch auf Festivals auf (Musikfestivals). Sie nutzen diese als Bühne im Auftrag von Unternehmen. Das ist wieder Product Placement ("Marketing im Matsch").

Instagram: Momentan (2017) die effektivste Plattform für Likes und Shares. Die durchschnittliche Interaktionsrate ist am höchsten. Die visuelle Komponente ist sehr wichtig. Somit handelt es sich um den führenden Kanal.

Whats App Business als Marketing-Kanal für kleinere Firmen: Facebook will seinen Messenger-Dienst als Marketing-Tool für KMU etablieren. Firmen können sich ab 2018 auf dem Business-Account präsentieren. Eine Einwilligung der Kunden ist erforderlich.

Enterprise Marketing Management mit IT - Tools (integrierte Lösungen): Mittlerweile gibt es eine Reihe von Anbietern und Lösungen. Als Beispiele seien genannt: Adobe Marketing Cloud, IBM Unica, Microsoft Dynamics CRM 2015, Oracle Marketing Cloud, Salesforce Marketing Cloud. Die Konzepte unterscheiden sich durch ihre Preise, kostenlose Testversion, maximale Nutzer, Erfassung und Anwenderunterstützung.

Künstliche Intelligenz (engl. Artifical Intelligence): Computer können viele Aufgaben vereinfachen. Für die Menschen ergeben sich viele Konsequenzen. Denken, Führen, Einordnen, Erfinden werden Fähigkeiten bleiben, die Menschen und Mitarbeiter verstärkt einsetzen. Insofern werden Wissensarbeiter immer wichtiger. Damit steigt auch die Bedeutung des Denkens. Wer das nicht mehr in ausreichendem Maße schafft, wird auf der Seite der Verlierer stehen. Vgl. E. Brynjolfsson und A. McAffee: Von Managern und Maschinen, in: Harvard Business Manager, November 2017, S. 22ff. Der Begriff geht auf den Mathematikprofessor John McCarthy vom Dartmouth College und das Jahr 1955 zurück. Ein weiterer Vertreter der ersten Stunde war der Ökonom Herbert Simon (1957). Typische Anwendungen im Marketing liegen im Mapping: Kaufhistorie als Eingabe (Input) und als Ergebnis (Output) das zukünftige Kaufverhalten. Die Anwendung dient der Kundenbindung. Rezeptdaten als Eingabe, Kundenbewertungen als Ergebnis, die Anwendung liegt bei Essens- bzw. Kaufempfehlungen. Eingabe von Gesichtern, als Ergebnis Namen, Gesichtserkennung von Stammkunden. KI kann ungeliebte Fleißarbeit ersetzen (personalisierte Kampagnen über Emotionen).

KI im Marketing: KI unterstützt die Mitarbeiter bei der Steuerung von Kampagnen oder im Content-Marketing. Vielleicht können so Emotionen verdrängt werden. In der Automatisierung von Marketingprozessen zeigt KI heute schon einen hohen Reifegrad und Praxiseinsatz. KI ermöglicht es auch, neue Zielgruppen zu identifizieren - auf Basis von mehreren tausend Datenpunkten. Vgl. Peter Gentsch: Mit lernenden Algorithmen zu neuen Zielgruppen, in: t3n Magazin 53/2018, S. 136ff.

Conversational Commerce: Optimierung der Kundenkommunikation und der Customer Journey. Automatisches Lernen der KI aus der Verhaltensweise beider Seiten.  

Rettung vor dem Information Overkill: Die KI hilft die Informationen zu begrenzen und zu bewältigen. Hierzu ist NLP nützlich (Natural Language Processing). Sie können Filtersysteme herstellen.

Marketing-Automation: 1. Kundendaten sammeln. 2. Kampagnensteuerung (mit Bausteinen E-Mail, Landing-Pages, Formulare, Content). 3. Lead-Management (mit Marketing-Automation-Tools: Lead scoring, Lead Nurturing, Lead Routing). 4. Analyse und Erfolgskontrolle (Optimierungspotentiale). Vgl. com! Es muss eine Digtal Trust Strategie entwickelt werden. professional 1/2017, S. 34ff.

Location-based Marketing: Mobiles Marketing biete eine große Chance für den Handel. Es funktioniert wie folgt: Das Smartphone empfängt Signal vom Beacon. App sendet empfangenen Code an einen Cloud-Dienst. Cloud-Dienst sendet Informationen zu den mit dem Code verknüpften Angeboten. Kunde erhält Push-Mitteilung mit Angeboten. Vgl. com!professional, 11/2017, S. 40f.

Automatische IT-Analyse von Gefühlen und Schwächen: Einige Unternehmen setzen diese Software bereits in der Werbung oder am point-of-sale ein. Gesichtserkennung, die den Gemütszustand analysiert, kann Werbung und Kaufentscheidungen individuell steuern. Kernprodukt ist die Software Affdex. Ihre Grundlage sind 4,8 Mio. Gesichter aus 75 Ländern. Ein Konkurrenzprodukt ist Realeyes. Real-Geschäfte arbeiten 2017 in Deutschland damit. Man spricht von Gesichtsanalyse. Es handelt sich um ein Testsystem. Die Gesichter von Kunden werden analysiert, um ihnen zielgruppenspezifische Werbung zu zeigen. Die Deutsche Post arbeitet mit ähnlichen Systemen.

Mass Customization: Maßgeschneidertes zum Preis von Massenware (Produktion nach Kundenwünschen). Individualisierung durch Digitalisierung. Philips macht dies z. B. mit Rasierapparaten. Der Autobauer Daihatsu lässt individuell Autos gestalten. Beispiele sind aber auch Textilien, Uhren, Schuhe, Fertighäuser, Küchen, Möbel, Lebensmittel. Der Bergriff ist ein Oxymoron: aus mass production und customization. Im Deutschen könnte man von Kundenindividueller Massenproduktion (individualisierte Massenfertigung) sprechen. Einerseits werden die Vorzüge der Massenfertigung Skaleneffekte, Erfahrungskurvenvorteile, Automation mit andererseits optimaler Befriedigung der Kundenbedürfnisse verbunden. Man unterscheidet Hard und Soft Customization. Die Produktionsweise beinhaltet Modularisierung (siehe oben) und "Open-Innovation". Wertschöpfungsprozesse werden durch digitale Vernetzung der einzelnen Stufen und dank immer genauerer Big-Data-Analysen tatsächlich immer kleinteiliger und feingliedriger. Das begünstigt Individualisierung. Das kann auch zu größerer Gründungsdynamik mit beruflicher Selbständigkeit (mit Selbstorganisation, Selbstvermarktung) führen, worauf Bildungseinrichtungen reagieren müssen. Vgl. Piller, F.; Mass Customization: Ein wettbewerbsstrategisches Konzept im Informationszeitalter, in: Picot/ Reichwald/ Franck (Hrsg.): Markt- und Unternehmensentwicklung, Wiesbaden 2006, S. 1 - 389.

Integrative Bestellmöglichkeiten: Werden ab 2018 immer mehr kommen. Sie sind mehr in den Alltag integriert. Dazu zählen Sims Me und Whatsapp. Ziel dürfte das Bestellen von der Armbanduhr oder direkt vom Mülleimer aus sein.

Vorteile der Individualisierung: Zusätzliche Wertschöpfung. Minimale Lagerkosten bei On-Demand-Fertigung. Steigerung des subjektiven Werts des Angebots aus Sicht des Käufers. Erhöhung der emotionalen Bindungskraft der Marke. Stärkung der langfristigen Kundenloyalität. Steigerung der Wechselkosten zu einem alternativen Anbieter. Mehr Customer Intelligence für das Unternehmen. Personalisierung wird immer wichtiger. Intent Recognition lässt sich mit KI-basierter Analytik unterstützen. Der User erwartet zunehmend, dass sein individueller Kontext  über alle Kanäle berücksichtigt wird. Ein Cafebetreiber in Sydney/ Australien setzt 2018 Gesichtserkennung ein, um Kunden persönlicher bedienen zu können.

Personalisierung: Heute unverzichtbar in Online-Marketing und E - Commerce. Es geht darum zum richtigen Zeitpunkt das richtige Produkt anzubieten. Ca. 44% aller Unternehmen einer Umfrage arbeiten 2018 bereits damit. Quelle: Internet World Business. Begonnen hat Alles mit dem E-Mail-Marketing. Auch die Nutzer, die bereits personalisierte Angebote erhalten haben, hätten dies gerne wieder. Als tools werden eingesetzt: 1. Am häufigsten E-Mail-Marketing. 2. Dann folgt Shop-Software. 3. Marketing-Automation, Cloud. 4. CRM - Software. 5. Customer Data Platform. 6. Digital Experience Platform. Als nützlichen Service schätzen die Kunden den digitalen Produktberater, das begleitende Shoppen im Geschäft, Curated Shopping oder begleitetes Shopping online. 

Customer Centricity: Kundenzentrierung. Amazon gilt als Erfinder. Auch Ikea ist heute sehr weit. Es handelt sich um ein komplexes Konzept: Kundenzufriedenheit, Kundenbindung, Gewichtung zwischen Preisschiene und Kundenschiene, Individualisierung, Click&Collect, Haustürbelieferung, Beratung, kundenfreundliche Lieferung.

Bedeutung der Unsicherheitsabsorption: Der Umgang mit Unsicherheit und das Bedürfnis, Unsicherheit zu vermeiden,  beeinflussen das Verhalten am Markt. Die Dimension wird in fast allen Kulturstudien von Hofstede bis Globe  gemessen. Länder mit einem hohen Unsicherheitsvermeidungsindex zeigen ein spezielles Kaufverhalten im Bezug auf Konsumprodukte.

Digital Trust: Ohne Vertrauen gibt es keinen Zugang zu Daten, keinen Zugang zu User Experience, kein Teilen von Daten in der Cloud. Authentifizieren und Identifizieren werden zu Schlüsseln. Vgl. meinen Artikel über Vertrauen.

Digitalplattformen (bei KMU): Sie vernetzen die KMU mut Kunden und Lieferanten ("Kuscheln"). 2017 geht man von weltweit 1000 Industrieplattformen aus, die schon bestehen oder im Endstadium entwickelt werden. Für Großunternehmen sind dies Plattformen wie Predix (GE) und Mindsphere (Siemens). Für Mittelständler gibt es z. B. Axoom (Karlsruhe) und Accenture. Sie wollen helfen, neue Kunden zu gewinnen, effizienter zu produzieren, Anlagen zu vernetzen, alte Maschinen zu digitalisieren, Daten zu analysieren, schneller regieren zu können. Reine Produkt-Vergleichsportale verfolgen finanzielle Interessen. Hier bieten Internetseiten oft persönliche Meinungen ab.

Communications Platforms as a Service (CPAAS): Sie helfen Entwicklern, Kommunikationsfunktionen in jede Applikation zu integrieren. Es geht um Messaging, Sprachdienste, Contact-Center-Dienste, Videodienste, Sicherheit und Zusatzdienste. Es geht um standardisierte Schnittstellen (APIs) oder Software Development Kits (SDK).

Video-Plattformen: Die populärsten Plattformen für Videos und Bewegungsbildsequenzen sind youtube, Facebook, Vimeo, Vevo, Dailymotion, Twitch, Snapchat, Instagram und Musical.ly. Letztere sind vor allem bei Jüngeren angesagt.

Social-Media-Marketing: Besteht aus drei Elementen: Social Graph - Diagramm über die Verbindungen zwischen Nutzergruppen. Social-Media-Optimierung - Möglichst viele Postings über Produkte und Ereignisse. Social-Media-Monitoring - Aufzeichnungen , wie oft eine Marke oder Firma auf den Websites in Social Media erwähnt wird. Wichtig ist eine strategische Steuerung. Die aufgabe ist nicht leicht, weil sie viel Zeit und Ressourcen verschlingt. Mittlerweile sind eine ganze Reihe  von Tools entwickelt worden: AgoraPulse (All-in-One-Kommunikation), Buffer (Publishing), Hootsuite (fast aale Dienste), Lithium (Monitoring und Analysen), Sendible (Beitragsgestaltung), Zoho (KMU). eine andere Einteilung besteht aus vier Bausteinen: 1. Social Listenning. 2. Social Influencing. 3. Social Networking. 4. Social Selling. Vgl. R. Deiss/ R. Henneberry: Digitales Marketing, Weinheim 2018.  2013 nutzen 37% der Firmen in Deutschland Social Media.

Suchmaschinenoptimierung (SEO): 92% der Google - Sucher, die größte Suchmaschine, klicken einen Eintrag auf der ersten Seite. Wirksame Tools sind: Schlagwortauswahl, Schlagwortrevision, Messungen, Links, Wettbewerbsanalyse.

Effektivität von Social-Media-Kampagnen: Unternehmen investieren viel Geld in aufwendige Social-Media-Kampagnen. Sie glauben: Wer ein Produkt in einem sozialen Netzwerk wie Facebook liket, gibt anschließend auch mehr dafür aus. Vorliegende empirische Studien zeigen das Gegenteil. Viele Fans nutzen nur, wenn man sie nutzt um den einzelnen Gruppen die für sie passende Werbung zuzuspielen. Man muss mit Werbung in den Timelines der Follower auftauchen. Vgl L.K. John/ O. Emrich/ D. Mochon/ J. Schwarz: Was bringt ein Like? in: Harvard Business Manager Juli/ 2017, S. 80ff.

Effektivitäts-Tools: Es gibt mittlerweile viele, die aber nicht öffentlich bzw. transparent sind: TweetReach (Monitoring-Tool bei Twitter), Klout, Engagement Rate (Interaktionsrate, am wichtigsten), Sentiment, Traffic, Gutscheincodes, Zahl der Erwähnungen.

Social-Media-Monitoring: Messgrößen: Share of Buzz. Anzahl der relevanten Beiträge zu einem Suchbegriff in einem bestimmten Zeitraum. Share of Voice. Wie schneiden eigene Marken im Vergleich zu Mitbewerbern ab. Engagement. Shares, Kommentare, Favorites und Likes zu einem Beitrag.

Kundenbewertung (Onlinebewertung): Neun Sterne sind besser als zehn Sterne. Sie zeugen von einer akkuraten Bewertung. Wichtig sind ausführlich Rezensionen dabei. Vgl. D. Kupor/ Z. Tormala: The Persuasive Power of Deviatory Reviews, in: Journal of Consumer Behavior Research, Oktober 2018.

Einfluss der Digitalisierung auf die interne Kommunikation: Sie wird in der Regel schneller und einfacher. Sie kann weiterhin zu einer Vernachlässigung der "face-to-face"- Kommunikation führen. Es können neue Spannungsfelder durch permanente elektronische Anreize entstehen.

Native Advertising: Native Advertising umfasst Virales Marketing, darunter insbesondere Videos, Bilder und Musik, aber auch Artikel. Auch das Suchmaschinenmarketing, bei dem Werbeanzeigen gleichrangig mit den gewohnten und erwarteten Suchresultaten angezeigt werden, und verschiedene Werbestrategien auf Twitter, wie etwa bezahlte Tweets, Trends und Personen, zählen zum Native Advertising. Auch bei Facebook ist es üblich, bezahlte Inhalte in die Timeline der Nutzer einzuschleusen. Dasselbe gilt für Tumblr. s. Wikipedia.

Programmatic Advertising: Werbung automatisiert auf allen Kanälen. Datengetriebene Kampagnen-Automatisierung. Man arbeitet mit Demand-Side-Plattform (DSP) und Sell-Side-Plattform (SSP), die Werbetreibende, Publisher und Zielgruppen zusammenbringen.

Datensammeln als digitale Verkaufshilfe: Roboter, Interaktive Spiegel und Monitore werden im stationären Handel zunehmend eingesetzt.

Customer Journey: Zyklus, den ein Kunde durchläuft, bevor er sich zum Kauf eines Produktes entschließt. Fünf Phasen werden gesehen: Awareness, Favorability, Consideration, Intent to Purchase, Conversion. Der englische Ausdruck wird insbesondere im Zusammenhang mit Online-Marketing und Digitalisierung eingesetzt. Kotler sieht die Aspekte "aware, appeal, ask, act, advocate". Hier geht die "Reise" von der Wahrnehmung bis zur Empfehlung. Grundsätzlich geht es um das Verständnis, wie Menschen einkaufen. Vgl. Kotler u.a. : Marketing 4.0, Frankfurt/ New York 2017, S. 75ff. Sprachassistenten werden an Bedeutung zunehmen und mit anderen Smart Devices vernetzt.

Customer Journey Tracking: Die Kunden sollen im richtigen Moment angesprochen werden. Am besten geht dies mit Cross-Device Tracking auf Login-Basis. Wichtige Events sind Conversions. Alle Klicks und Views will man erfassen. Die Daten müssen dann richtig bewertet werden (intelligente Attribution).

Moment of Truth: Der Begriff stammt von Jan Carizon, Vorstandsvorsitzender von SAS Scandinavian Airlines (Buch: Alles für den Kunden). Es bezieht sich auf den Zeitpunkt, wann der Kunde zum ersten Mal mit einem Produkt in Berührung kommt. Dabei kann der Eindruck positiv oder negativ sein. Die deutsche Übersetzung ist "Kontaktpunkt". Man spricht auch von Kundenkontaktmanagement. Oft wird "first" moment of truth hinzugefügt. Daneben gibt es den "zero moment of truth", wenn dieser erste Stimulus im Internet lag.

Lead-Konvertierung: Das Interesse potentieller Neukunden sollte in einem Verkaufabschluss münden. Dieser Prozess wird als Lead-Konvertierung bezeichnet. Stufen dazu im Internet sind:  Besucher der Website, Interessenten, die Schaltfläche anklicken; Interessenten, die mit der Firma interagieren; wahrscheinliche Käufer; Kaufabschlüsse. Lead-Scoring ist ein System zur Bewertung der Kaufbereitschaft. Lead Nurturing ist die Pflege von Kontakten informeller Art. Adressen sind Raw Leads. Dead Lead ist eine Sackgasse. Vgl. BWL-kompakt, München 2016, S. 237f.

Customer Retention Apps: Aktive Kundenbindung. Vorhandene Kunden zu halten, ist weniger aufwendig, als neue zu gewinnen. Kundenbindungstools sind Collect Loyalty, Customer.io, Get Satisfaction, Talkus oder Yotpo.

Customer Success Management (CSM): Dahinter steckt die Formel "Kundenerfolg=Kundenbindung". Ziel ist es, die Produktnutzung für den Kunden so produktiv und profitabel zu machen wie möglich. Es muss dabei auch klar werden, wann die Verantwortung für den Kunden vom Vertrieb auf das Customer Success Management übergeht. Folgendes Vorgehen wird oft empfohlen: Implementieren von CSM - Lösungen als Teil eines umfassenden Kundenbindungs- und Kundenserfahrungsprogramms. Bewerten Sie die Produkte danach, wie gut sie den Kundenerfolg (Customer Health) messen können. Man sollte Tests mit mehreren Produkten durchführen, um die Genauigkeit der Vorhersageverfahren zu überprüfen (Predictive Analysis). Mittlerweile gibt es eine Reihe von automatisierten Lösungen (z. B. Amity, Client Success, Kapta, Salesmachine). Vgl. Thomas Hafen: Wie Kundenerfolg den Umsatz steigert, in: com! professional 1/2018, S. 20ff.

User Experience (UX) und Customer Experience (CX): Tiefes Verständnis für die Kunden, einschließlich des Interaktionsverhaltens. Für Erfolg sprechen: Kontextbasierung und Personalisierung. Reibungslosigkeit. Relevanz, Konsistenz.

Customer Experience Management (CEM): Das spielt in vielen IT - Abteilungen in Deutschland 2019 noch keine Rolle. Hauptgründe sind fehlendes digitales/ agiles Mind-Set und fehlendes Know-how der Mitarbeiter.

Custom-Audiences: Mit Wissen über Kunden, diese als potentielle Käufer über soziale Medien, wie z. B. Facebook, ansprechen. So sind auch Kampagnen möglich. Sehr erfolgreich hat der Baur Versand damit seine Neukundenquote um fast 100 Prozent gesteigert.

Filter in Suchsystemen: Wem nutzen die Filter mehr? Dem Kunden oder dem Händler? Die These lautet: Wer seine Kunden suchen lässt, gewinnt. Vor allem Händler profitieren also. Denn sie können mithilfe der Daten höhere Preise durchsetzen. Vgl. Hippel, Svenja: Fiese Filter, in: HBM Juni 2019, S. 14f.

Smarte Geräte, insbesondere Sprachassistenten, als Kauf - Entscheider: Sprachassistenten wie Alexa könnten zum Türsteher werden. Sie lassen z. B. nur bestimmt Produkte zu. Wer dabei sein will, muss zahlen.

Marke 4.0: Die Digitalisierung bringt Veränderungen mit sich. Die müssen auch aktiv mit beeinflusst werden. Dabei sind folgende Fragen zu beantworten: 1. Warum gibt es uns? Was treibt uns an? (Mission). 2. Wofür stehen wir? (Grundsätze). 3. Wer sind wir (Markenidentität). 4. Warum sollen die Kunden uns kaufen? (Positionierung). 5. Welchen Zielhafen möchten wir in zehn bis 15 Jahren erreichen? (Vision). Siehe Esch, F. - R.: Das Rückgrat starker Marken, Frankfurt 2016. In den sozialem Medien ist Authentizität besonders wichtig. Die Marke sollte wachsen können, innovativ sein, Komplexität muss in den Griff bekommen werden, die Marke muss wandlungsfähig sein. Vgl. Gietl, J.:  Marke: das unentdeckte Management-Instrument unserer Zeit, in: bdvb aktuell Nr. 138, S. 24f.

10 Tools, die den Kern von digitalem Marketing bilden: 1. Website erstellen. 2. Website hosten. 3. Software für E-Mail-Marketing. 4. CRM - Programme für Kundenbeziehungsmanagement. 5. Zahlungsabwickler. 6. Landing-Page-Software. 7. Bilder suchen und bearbeiten. 8. Social-Media-Auftritt verwalten. 9. Leistungsfähigkeit messen (Daten und Analysefunktionen). 10. Marketingoptimierung. Vgl. Ryan Deiss/ Russ Henneberry: Digitales Marketing, Weinheim 2018, S. 325ff.

Marketing-Suiten: All-in-one-Programme für Marketing von KMU. Man versucht den Kunden auf jedem Weg zu erreichen (Landing Pages, Blog, Social Media). Bekannte Systeme sind: Hatchbuck, Salesfusion, Sharpspring u. a.

Adtech: Adblocker und Spamblocker gegen die digitale Werbebranche. Vom Gesetzgeber fehlen klare Vorgaben. Verbraucher wehren sich gegen personalisierte Werbung. Politiker und Datenschützer haben ein Ohr dafür. Es müssten einheitliche Standards und rechtliche Rahmenbedingungen  geschaffen werden. Gegenwärtig wird auf Login-basierte Plattformen ausgewichen. So haben Google und Facebook große Vorteile.

"State of Marketing-Report" 2018: Salesforce befragte dafür 300-Marketingspezialisten. Das sind einige Ergebnisse: 1. 39% der befragten Marketer hierzulande verwenden Künstliche Intelligenz. 2. 41% der befragten Mareter betrachten die Balance zwischen Personalisierung und Privatsphäre als Herausforderung. 3. 86% berichten, dass Marketing und Werbung integrierte Technologielösungen nutzen.

Zielgruppen von morgen in sozialen Netzwerken aufspüren: Viele KMU tun sich noch schwer damit. Die wichtigsten Social-Media-Plattformen für KMU sind 2019: Facebook, LinkedIn, Instagram, Twitter, YouTube und Pinterest in der Reihenfolge. Wichtige Kennzahlen sind die Follower und die Reichweite. Die Bedeutung hängt aber wesentlich von der Zielgruppe ab. Einige Plattformen haben eine interne Erfolgsmessung. Es gibt auch eine Reihe von Analyse-Tools für Social - Media: Brandwatch Analytics, Quintly, Buzz Sumo, Snapshot, Social Report, Socialbakers, Cyfe. Sum All ist kostenlos. Vgl. Wie KMUs die Zielgruppen von morgen aufspüren, in: com!professional 7/2019, S. 28ff.

Facebook-Effekt bei Kaufentscheidungen: Wer unmittelbar vor einem Onlinekauf auf Facebook unterwegs ist, entscheidet sich beim Kauf für konventionellere Auswahlmöglichkeiten als andere Onlinekunden. Diesen Facebook-Effekt können Unternehmen nutzen, um ihre Rentabilität zu steigern. Wer konventionelle Produkte verkaufen will, der sollte seine  Kunden vorher auf Facebook locken. Quelle: Hildebrand, C./ Schlager, T.: Focusing on others before you shop: exposure to Facebook promotes conventional product configurations, Journal of the Academy of Marketing Science, August 2018.

KI-Agenten und Personalisierung der Kundenbeziehungen: 72% der deutschen Verbraucher wünschen sich personalisierte Services. 4,5 Mrd. Dollar geben Unternehmen 2019 für automatisierten Kundendienst aus (Quelle: Adobe Experience Index 2019). Im Marketing ist KI noch in den Kinderschuhen. Möglichkeiten bestehen in folgenden Bereichen; Account-based Marketing: KI unterstützt B2B-Marketer bei Aufgaben wie Lead-Qualifizierung, der Key-Account-Identifikation un der Absichtserkennung (Intent Identification). Audience Management: Zielgruppenfragmentierung durch die KI-gestützte kanalübergreifende Segmentierung. Bedarfsvorhersagen. Einzelhandel: Sensordaten aus Regalen und RFID-Chips in Ausstellungslücken. Kontextbezogene Individualisierung: z. B. Schmerzpunkte (Painpoints) aus der Customer-Journey entfernen. Vertrieb und Kundendienst: Chatbots und Konversationsagenten. Inbound-Marketing: automatische Inhaltserstellung. Programmatische Marken-Platzierung. Zielgruppenforschung und Produktdesign. Transaktionsvermittlung durch KI-Agenten. Vgl. Anna Kobylinska/ Martin, Filipe: KI-Agenten personalisieren die Kundenbeziehungen, in: Com! professional 8/ 2019, S. 20ff.

Werben mit KI: Typische Fehler sind: 1. Ausrichtung: Die falschen Fragen stellen. 2. Asymmetrie: Die relativen -Fehlerkosten ignorieren.. 3. Aggregation: Zu grobe Daten heranziehen. Das bessere Modell: 1. Welches Marketingproblem wollen wir lösen? 2. Gibt es in unserem aktuellen Ansatz Verschwendung oder vertane Chancen? 3.  Was verursacht die Verschwendung und die vertanen Chancen? Vgl. Ascara, Eva/ Ross, M./ Hardie, Bruce G. S.: Richtig werben mit KI, in: HBM Januar 2022, S. 68ff.

Intelligenter Kontakt zu den Kunden: Unified Communications & Collaboration (UCC). KI kann die Stimmungslage eines Anrufers erkennen und reagiert darauf. Dafür gibt e seine Reihe von KI - Angeboten. Man nennt sie UCC - Hersteller Dazu gehören Wildix, Starface, Mitel, Avaya.

Voice-Marketing: Sprachbasierte Assistenten kommen. So müssen Produkte und Services sprechen lernen. Die Stimme ersetzt den Klick und macht Audio über Voice messbar. Eine Stimme kann beim Konsumenten mehr Emotionen auslösen. Allerdings muss die akustische Identität stimmen.

Shopping-Websites und manipulative Elemente ("Drückerkolonne im Netz", "dark patterns"): Man versucht, mit fragwürdigen Tricks Entscheidungen der Konsumenten zu manipulieren. Typische Instrumente sind: 1. Dringlichkeit (urgency). 2. Knappheit (scarcity). 3. Sozialer Beweis (social proof). 4. Hinterlist (sneaking). 5. Irreführung (Misderection). 6. Erzwungene Handlung (forced action). 7. Behinderung (obstruction). Siehe Der Spiegel Nr. 12/ 14.3.2020, S. 100f.

Qaltrics: SAP-Tochter. Hat das Unternehmen 2018 für acht Milliarden Dollar übernommen. Will in den USA an die Börse (Nasdaq). Gilt als Erfinder des Experience Management. Misst auch Zufriedenheit von Mitarbeitern. Will Kundenemotionen messbar machen. Wird von unseren Marketing-Studenten für Interviews eingesetzt.

Daten als Erlösquelle: Oft fallen Daten an, deren Verkauf Geld einbringen kann. Das kann ohne Konflikt mit dem Datenschutz geschehen. Bei B2B-Datenmarktplätzen unterscheidet man zwischen dezentralisierten und einem zentralisierten Ansatz. Dezentralisiert: Einige Datenmarktplätze (z. B. Advaneo) agieren im Wesentlichen als reine Vermittler. Die Repräsentation verkaufter Daten findet in Form von Megadaten statt, während die eigentlichen Daten beim Unternehmen verbleiben. Erst im Falle eines Geschäftsabschlusses werden Daten im Peer-to-Peer-Verfahren übermittelt. Zentralisiert: Datensätze werden zentral hoch geladen. Vorteil liegt in zusätzlichen Tools. 

Marktplätze für das B2B-Geschäft (B2B-E-Commerce): Typologie: 1. B2B-Marktplatz mit Geschäftskunden-Dependance. 2. Online-Marktplatz statt Branchenbuch. 3. Der Platzhirsch macht den Marktplatz (Sortimentserweiterung, Beispiele Metro, Wucato, Klöckner). 4. VC - getriebene Spezialisten (Branchennischen). Vgl. Lommer, Ingrid: Das Rennen um die Spitzenplätze ist offen, in: com!professional 10/2020, S. 30ff.

B2B-Unternehmen in sozialen Medien: Sie gehen mittlerweile ähnlich professionell vor wie Konsumgüterhersteller. Abe rwer ist ihre zielgruppe? Und wo sollten sie ihre Inhalte posten? Im deutschen Sprachraum führt LinkedIn (Schweiz 83%, Österreich 82%, Deutschland 80%). An zweiter Stelle liegt Facebook. Dann folgen Xing und Youtube. Die Zielgruppen sind Geschäftspartner, Kooperationspartner, Neue Kunden, Allgemeine Öffentlichkeit, Potentielle Mitarbeiter, Bestandskunden. Vgl. Althaller, J.: Unbekannte Lautsprecher, in: HBM November 2021, S. 46ff.

Data-driven Commerce: Der Handel setzt immer stärker auf Daten. Die größten Schwierigkeiten liegen in der Menge und Qualität der Daten. In den Unternehmen fehlt oft das notwendige Umdenken. Es gibt eine Reihe von Daten gesteuerten Tools.

Direct Brands: Als Marke braucht man keinen stationären Handel mehr. Der Vertriebsweg hängt von der Branche ab. Im Kosmetikbereich benutzen 55% Shopify. 15% Woocommerce. 38% nutzen Amazon. Man steckt nur noch wenig Geld ins Marketing. 95% haben eine Instagram-Präsenz, 62% eine Facebook-Präsenz. 20% sind auf Pinderest, 15% auf Youtube. Vgl. com!professional 3/21, S. 30ff.

Mobile Shopping: Smartphone als Shopping Device. Das eröffnet dem stationären Handel neue Möglichkeiten bei Kundenansprache und Kunden-Tracking. Auch dei Beratung kann mit dem Smartphone gemacht werden (Instore-Navi, auch direkt am Regal). Auch eine Stadt-App mit ortsbezogenen Angeboten ist denkbar. Manche Shops zielen ausschließlich auf die Smartphone-Nutzung (Mobile only). Am besten sind die Teile aus China und in China. Vgl. Lommer, Ingrid: Volle Power auf Mobile, in: com!professional 4/2022, S. 50ff.

Liveshopping: Man braucht dazu nur ein Smartphone und ein ringlicht. Es ist eine Art Customer Experience im Webshop. Produkte werden online gestellt mit eigenem Content. Man setzt auf en Schlüssellocheffekt. Geeignet sind Instagram oder der eigene Webshop. Zimmer, Daniela: Liveshopping als Erlebniseinkauf, in: com!professional 5/2022, S. 32ff.

Manipulation der Verbraucher auf Internet-Plattformen: Es gibt Schwarze Schafe im Online-Handel. Sie versuchen, Kunden mit verbotenen Mitteln zu manipulieren und zu Kaufentscheidungen zu drängen. 2023 führt die EU-Kommission eine Untersuchung in 25 EU-Ländern durch. 148 von 399 untersuchten Internetseiten von Einzelhändlern wurden dabei beanstandet. Mittel sind: 1. Verstecken wichtiger Informationen (z. B. über Lieferkosten). 2. Countdown-Zähler, dei Kunden mit willkürlich festgelegten Fristen zum Kauf drängen. 3. Bewertungen auf Online-Portalen. Hier ist immer Zweifel angebracht.

 

Internationalisierung (Internationales Marketing, globale Rahmenbedingungen für Marketing): Wird das Wachstum des Welthandels so weitergehen oder gibt es Grenzen?  Für den Mittelstand ist die Internationalisierung ein wichtiger Innovationstreiber. Statt Güter müssen in Zukunft noch mehr Know-how und Kapital über die Grenzen fließen. Leider gibt es noch keine internationale Ordnungspolitik. So finden sich immer wieder neo-merkantilistische Exportorientierungen. Einer der berühmtesten wissenschaftlichen Ansätze zur Internationalisierung ist Porters Diamant. Vgl. auch Globalökonomik, wo sich wesentlich mehr Details zum Internationalen Marketing finden.

Interkulturelles Marketing: Der zentrale Kulturaspekt ist der, ob Marketing standardisiert oder spezifiziert ablaufen soll. Bei KMU stehen die Persönlichkeit, Beziehungen, Unternehmensstrukturen, Nischen im Vordergrund. Bausteine aus dem Interkulturellen Marketing finden sich auf den Seiten "Globalökonomik" und "Kultur"

Modell der kulturellen Innovation: Die meisten Unternehmen gehen Innovationen nach dem Prinzip der "besseren Mausefalle" an. Sie optimieren einzelne Funktionen eines Produkts. Wenige Unternehmen setzen stattdessen auf kulturelle Innovation. Der Ford Explorer verdrängte den Minivan als Amerikas beleibtestes Familienfahrzeug, indem er Prestige, Abenteuer, Lebensfreude versprach., obwohl er technisch keineswegs überlegen war. Schritt 1: Brechen sie die alte Kultur auf. 2. Schritt: Finden Sie die Schwachstelle. 3. Schritt: Beobachten Sie die kulturellen Vorreiter. 4. Machen Sie die Schwachstelle sichtbar. 5. Wählen Sie die passenden Symbole aus. Vgl. Douglas Holt: Finde den Schwachpunkt, in: HBM März/ 2021, S. 60ff. Er leitet die Marketingstrategieberatung "Cultural Strategy Group" mit Sitz in Boulder, Colorado. Vgl. auch von ihm: How Brands Become Icons: The Principles of Cultural Branding, 2004.

Mega-Marketing: Viele Staaten schotten ihre Märkte ab, um einheimische Unternehmen zu schützen. Im Jahre 1986 beschrieb Philip Kotler, wie Marketingmanager dagegen vorgehen können und prägte den Begriff. Vgl. auch HBM 2004.

Motive für Internationalisierung: 1. Marktsucher und Absatz orientierte Ziele. 2. Kosten - Reduzierer und kostenorientierte Motive. 3. Rohstoffsucher. 4. Suche nach politischer Sicherheit und passenden Rahmenbedingungen. Es handelt sich bei den Einzelmotiven um analytische Trennungen. In der Praxis dürften immer Mischungen vorkommen (in der Regel sind die Motive aber nicht transparent).

Globalisierung und Marketing: Brexit, D. Trump und die Rückkehr des Nationalismus verändern den Welthandel ab 2017 wieder. Global agierende Unternehmen müssen international darauf reagieren. Ausgangspunkte sind die folgenden: 1. Die Welt ist weniger globalisiert als die meisten denken. 2. Internationaler Handel und Direktinvestitionen spielen für jedes Unternehmen eine Rolle. Unternehmen sollten sich darauf einstellen. Sie können folgende Strategien wählen: 1. Anpassung: Produkte und Dienstleistungen auf die Vorleiben und Bedürfnisse des jeweiligen Marktes anpassen. 2. Aggregation: Größeneffekte durch die Ausweitung des Geschäftes auf regionale und globale Märkte. 3. Arbitrage: Unterschiede nutzen bei Personalkosten, Steuersystemen und anderen Faktoren. Vgl. Pankaj Ghemawat: Globalisierung in der Trump-Ära, in: HBM, September 2017, S. 52ff.

Markteintritt: Für die Unternehmen ist dies mit hohen Kosten verbunden. Diese liegen beim Export z. B. bei Anwälten für Importrechte und bei dem Aufbau von Vertriebskanälen. Diese Kosten ("sunkcosts") gingen verloren, wenn die Unternehmen den Auslandsmarkt wieder verlassen. Bei Direktinvestitionen im Ausland (Produktionsstätten) sind die Markteintrittskosten in der Regel am höchsten. Vgl. auch meinen Abschnitt über den Markteintritt in Ostasien. Besonders interessant sind die Chancen des Mittelstands in aufstrebenden Märkten wie Brasilien, Russland, Indien und China. Vor wenigen Jahren noch waren die niedrigen Produktionskosten Hauptmotiv für Investitionen. Heute ist es der Aufbau von neuen Vertriebsstellen. Folgende Entscheidungskriterien liegen der Art des Markteintritts zugrunde: Kapital, Kontrolle, Abhängigkeit, Geschwindigkeit.

Markt "Südostasien": Dort entsteht ab 2015 mit der AEC (Asean Economic Community) eine neue Wirtschaftsgemeinschaft (Marktpotential ca. 600 Mio. Menschen). Dahinter stehen die ASEAN-Länder. Welche Unternehmensstrategie man wählt, hängt insbesondere von der Branche ab: im Hightech-Bereich sollte man Malaysia, Singapur und Thailand ins Auge fassen. Bei Billigproduktion kommen Kambodscha, Laos und Myanmar in Frage. Für Massenproduktion eignen sich Indonesien und Vietnam. Für Dienstleistungen sind Brunei und die Philippinen geeignet. Vorteile in dieser Region sind große Investitionsanreize, Einsparen von Handelskosten, teilweise westliche Gesetzgebung, Steuerbefreiungen. Risken sind nationale politische Eigeninteressen, kleinteilige Märkte, unterschiedliche Geschäftskulturen. Vgl. Markt und Mittelstand 10/ 2014, S. 64ff. Singapur, Malaysia und Thailand gehören zu den wirtschaftsfreundlichsten Ländern. Die Ausfuhr deutscher Unternehmen in die Asean-Wirtschaftszone lag 2012 bei 22,6 Mrd. Euro (+15,7%, Destatis).

Ausrichten auf das asiatische Jahrhundert: China und Indien sind Märkte, an denen auch KMU nicht mehr vorbeigehen können. Diese Staaten werden die Weltwirtschaft bald dominieren. Japan ist immer noch stark. Hierauf muss man sich strategisch einstellen.

Emerging Market: Aufstrebender Markt. Wird oft auf Schwellenländer angewandt.

Neue Märkte schaffen (in unterentwickelten Volkswirtschaften): Einige Länder sind derart unterentwickelt, dass dort keine verbraucherorientierten Unternehmen erfolgreich sein können. Gründer, die auf diesen Märkten Erfolg haben, konzentrieren sich auf marktbildende Innovationen. Sie erkennen Probleme, für die es bislang keine Produkte und Dienstleistungen gibt, schaffen regionale Arbeitsplätze und expandieren rasch. Dann gibt es auch einen sozialen Gewinn: Grenzmärkte leiden oft unter Korruption, schlechten Straßen, mangelnder Stromversorgung et cetera. Die wichtigsten Entwicklungsschritte lassen sich jedoch von marktbildenden Innovationen in Gang setzen - und mit der Zeit ziehen Regierungen und Finanzinstitute nach und bieten ihre Unterstützung an. Quelle: Christensen, C. M./ O Jomo, E./ Dillon, K.: Neue Märkte schaffen, in: HBM Juli 2019, S. 54ff.

Exporte: Sie sind immer noch die wichtigste Internationalisierungsstrategie im Mittelstand, häufig indirekt durch Einschaltung von Handelsmittlern (indirekter Export). Die wichtigsten Exportgüter aller Unternehmen sind Kraftfahrzeuge und Kfz-Teile, gefolgt von Maschinen und chemischen Erzeugnissen. KMU werden erstaunlich gut mit dem hohen $ - Wechselkurs und der schwachen US-Konjunktur fertig (Modell der monopolischen Konkurrenz! doppelt geknickte Nachfragekurve). Die deutsche Exportquote ist von 24,0 im Jahre 1995 auf 40,1 im Jahre 2005  und fast 50% im Jahre 2008 nach oben geschnellt (Spitze vor Kanada und Südkorea). Im gleichen Zeitraum ist die Importquote von 23,5 auf 35,1 gestiegen. Vgl. auch Direktinvestitionen. Der Bund kann Exporte durch Hermes-Exportgarantien abstützen. Diese sichern das Ausfallrisiko der Zahlungen ausländischer Kunden ab. Im Haushalt 2009 sind dafür 117 Mrd. € vorgesehen. Damit werden allerdings auch umstrittene Rüstungsexporte abgesichert (etwa nach Saudi-Arabien). Weil der deutsche Heimatmarkt relativ klein ist, altert und schrumpft, sind dort die Absatzmöglichkeiten der hoch spezialisierten, effizienten deutschen KMU zu gering. Also hängt die Zukunft Deutschlands stark vom Export der KMU ab (es gibt keine Alternative zu diesem Geschäftsmodell). Allerdings wird es auch immer mehr aus dem Ausland kritisiert, weil uns Lohndumping vorgeworfen wird. Allerdings dürfte eine erfolgreiche Spezialisierung, auch mit regionalen Besonderheiten, eine große Rolle spielen. Bis 2008 war Deutschland Exportweltmeister. 2009 wird es von China überholt. 982 Mrd. € betrugen 2009 die Exporte, 40 % der Wertschöpfung. Den Ausschlag dürften die Wechselkurse gegeben haben. Im ersten Halbjahr 2009 kam es aufgrund der Weltwirtschaftskrise zu einem Einbruch, vor allem die Exporte nach Russland und den EU-Staaten schrumpften. Im Jahre 2010 kommt ein deutlicher Exportanstieg, vor allem aufgrund der Nachfrage aus China und den USA. Z. B. steigt der Export im dritten Quartal 2010 um 21,5%. Mitte 2011 gehen die Exporte wieder zurück, weil die Weltwirtschaft lahmt. Das "goldene Zeitalter" für die deutschen Exporteure geht weiter. 2011 steigen die Exporte insgesamt erstmals über 1 Billion Euro (1,06; Anstieg 2011 um 11,4%). Die Schwellenländer wollen ihre Infra-Struktur-Investitionen noch einmal deutlich steigern. Insbesondere befeuern die Türkei, Russland und China die deutschen Exporte. Es gibt in Deutschland und weltweit eine Debatte um die Exportorientierung, insbesondere um den Stellenwert der Einkommensungleichheit in den einzelnen Ländern. Unbestritten ist, dass eine Exportorientierung der beste Garant für Innovation ist. Im September erreichen die Exporte Deutschlands einen neuen Höchststand. Sie sorgen wieder für konjunkturelle Zuversicht. "Ich wüsste nicht, wessen Geist ausgebreiteter wäre, ausgebreiteter sein müsste, als der Geist eines echten Handelsmannes", Johann Wolfgang von Goethe. Für 2012 erwartet die deutsche Wirtschaft ein Anstieg der Exporte um mindestens 3 Prozent (zu Beginn des Jahres aber wesentlich stärker). Im Oktober 2014 wird mit 103,9 Mrd. Euro ein neuer Exportrekord aufgestellt (+4,9% gegenüber dem Vormonat). Insgesamt erreicht der Export 2014 einen neuen Rekordwert: 1133,6 Mrd. € (+3,7% gegenüber 2013); der Import erreicht 916,5 Mrd. €: Damit liegt der Handelsbilanzüberschuss bei 217 Mrd. € (StBA; Zahlen im Oktober 2015 noch mal revidiert). Die deutschen Exporte nach Russland brechen wegen der Sanktionen ein (Januar 2015 -42% gegenüber Januar 2014). Nach einer Prognose des Ifo-Instituts in München wird der Leistungsbilanzüberschuss 2015 bei der Rekordhöhe von 250 Mrd. Euro liegen (den weltweit höchsten Überschuss hat aber erstmals China; die USA lösen Frankreich als wichtigsten deutschen Handelspartner ab). 2015 stiegen die deutschen Exporte um 6,4$ auf 1195,8 Mrd. Euro. In die EU wurden Waren im Wert von 693,9 Mrd. Euro geliefert. 

Exportquote: Hier in der Mittelstandsökonomie bezogen auf ein Unternehmen oder eine Branche (z. B. Verarbeitendes Gewerbe). Der Auslandsumsatz wird ins Verhältnis zum gesamten Umsatz in einer bestimmten Zeit gesetzt. Sie ist ein Indikator für die Exportstärke bzw. für die Auslandsabhängigkeit. Die Exportquoten einzelner Branchen sind sehr unterschiedlich. Sehr hoch ist sie im deutschen Maschinenbau. In der Solarbranche liegt sie bei über 50%. Im 2014 hatten 347.00 KMU in Deutschland einen Exportumsatz von 201 Mrd. €. Dieser Exportumsatz macht nur ein Fünftel aller Exportumsätze aus (ifm-Bonn; Auswertung der Umsatzstatistik).   Rheinland - Pfalz hat eine überdurchschnittliche Exportquote von 57%. 2010 steigt diese Quote sogar auf 61%. Die größten industriellen Arbeitgeber BASF in Ludwigshafen und Daimler in Wörth erzielen Exportquoten von 70 und 65%. Die Exporte haben in Deutschland im 1. Quartal 2010 zu einem Anstieg des BIP um 1,7% gegenüber dem 1. Quartal 2009 geführt. Im Mai 2010 sind die Exporte um 28,8% im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen. Entscheidend sind die Exporte nach Asien. In den drei Monaten danach sind die Exporte sogar weit über 20% gestiegen (im Oktober 2010 um 19,8%). Im März 2011 gibt es einen neuen Rekord bei den Ein- und Ausfuhren (Anstieg in den ersten drei Monaten um 20%). Auch zu Beginn von 2012 steigen die Ausfuhren sehr stark an (Februar 2012 +8,6%, Bedeutung des asiatischen Marktes wächst, vor allem Produkte aus Umweltschutz, Klimawandel und Energiegewinnung). Der extreme Kursverfall des russischen Rubel trifft die deutschen Exportfirmen. Der Außenhandel, der schon durch die Sanktionen erschwert ist, wird noch schwerer.

Exportprodukte: Seit 2016 ist Deutschland wieder Exportweltmeister vor China. Folgende Rangfolge der Produkte gibt es dabei: Autos, Dieselmotor; Insulin; Elektrische Energie; Zigaretten; Hostien, Reispapier, Backwaren; Wasch- und Reinigungsmittel; Bohrwerkzeuge; Essiggurken; Mundharmonikas; Uhrwerke.

Kooperation: In der Globalisierung nimmt die Bedeutung dieser Internationalisierungsstrategie (andere: Export, passiver Veredlung, Lizenz, Projektgemeinschaft, Beteiligung, Fusion) stark zu. Häufig sind die Kooperationen ohne Vertrag, um die Kosten beim Scheitern gering zu halten. Haupthindernis ist die Angst des Unternehmers, die Unabhängigkeit zu verlieren. Einige Länder schreiben gesetzlich Joint - Ventures vor oder machen mit nichttarifären Handelshemmnissen Druck. Wichtig bei Kooperationen ist die richtige Partnerwahl und das Vertrauen.

Wichtige Kooperationsformen, speziell im Marketing: Markenallianzen (Co-Branding): Für gemeinsame Produkte verschmelzen Marken. Bündelung (Product Bundling): Fitnesszeischrift bewirbt Einkaufgutschein für Sportartikelversender. Vertriebskooperationen. Querverkauf (Cross-Selling): Der Apotheker verkauft auch Gesundheitsratgeber eines Verlages. Medienkooperationen. Cross-Promotion: Gegenseitige Empfehlung. Kooperationswerbung (Cross-Advertising). Sponsoring. Host-Beneficiary-Kooperation. Kostenlose Meherwertangebote.

Weltmarktführer: Dies sind - bezogen auf KMU - Unternehmen, deren Produkte im weltweiten Wettbewerb eine Spitzenposition einnehmen. In der Regel ist die Umsatzhöhe entscheidend. Bei KMU bezieht sich diese Position auf Nischen, also Weltmarktsegmente. Man bezeichnet diese Unternehmen auch als "Hidden-Champions". Die 1000 größten mittelständischen Firmen der Kategorie Weltmarktführer erzielen jährlich einen Umsatz von 1,7 Billionen Euro und beschäftigen weltweit rund sieben Mio. Menschen. Rund 70 Prozent sind in Familienbesitz. Der größte Teil dieser Firmen ist im Maschinenbau tätig, gefolgt von der Elektroindustrie, Konsumgütern, Bauindustrie, Kraftfahrzeugindustrie und Medizintechnik. Die Unternehmen liegen überwiegend in den Bundesländern NRW, B. - W. (Spitzenreiter) und Bayern. Insgesamt hat Deutschland etwa 1500 Weltmarktführer (IW).

Rolle in der Globalisierung: Die Industrieländer konzentrieren sich mehr auf KMU, weil diese sich nicht so leicht wie Multis den Heimatländern  entziehen können. Sie stabilisieren auch den Arbeitsmarkt (Mittelstandshypothese). Erfolgreiche Strategien der KMU sind regionale Teilmärkte, Produktdifferenzierung, Nischenprodukte und Zuliefererfunktionen. Hier können sie vor allem ihre großen Stärken ausspielen (Flexibilität, Kundennähe, Familien).

Direktinvestitionen: Auslandsinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland oder ausländischer Unternehmen in Deutschland in den Kauf oder Bau von Produktionsstätten oder den Erwerb von Anteilen (Rein finanzielle Anlagen=Portfolioinvestitionen). Generell können die Motive im Kostenbereich oder Absatzbereich liegen. Im Absatzbereich gewinnt die Logistik zunehmend an Bedeutung. Empirisch überschneiden sich in der Regel die Ursachen (kann über die Steigung der Exportfunktion gemessen werden). Hinzu kommen Monopolüberlegungen und das Streben nach Internalisierung (Risikostreuung, Kontrolle aller relevanten Faktoren, z. B. der Steuern). Von herausragender Bedeutung ist die Absicherung gegen das Transferrisiko (Währungsrisiko, zeigte sich nach der Umstellung auf ein flexibles Weltwechselkurssystem). Auch strategische Erwägungen wie zukünftige Potentiale, Rohstoffsicherheit, Lerneffekte und Dumping können eine Rolle spielen. Nicht zu unterschätzen ist auch die Kultur einschließlich der Sprache (Beispiel: Irland). Immer wieder in die Kritik geraten multinationale Ölförderer und Minengesellschaften, die gewaltige Umweltschäden anrichten (im Zusammenhang mit Korruption und Ausbeutung). Man brauchte dringend Mindeststandards für Direktinvestitionen. Sehr umstritten sind die Arbeitsplatzwirkungen im Inland bei Direktinvestitionen im Ausland. In der Regel analysiert man mit Exportfunktionen. Entscheidend ist, ob die DI komplementär oder substitutiv ist. Die DAX-Konzerne haben aber und verlagern weiter massiv Stellen ins Ausland. In der deutschen Automobilindustrie stärken Direktinvestitionen grundsätzlich die Position in Deutschland (bei VW seit 2007 bis 2012 30.000 neue Arbeitsplätze), aber mit jeder neuen Direktinvestition wächst auch der Druck: Z. B. betreibt der VW-Konzern 99 Werke weltweit, aber nur 12 in Deutschland (von den hier produzierten Autos gehen 76% in den Export). 930.000 Menschen beschäftigen die drei großen deutschen Autohersteller im Heimatland. Zwischen 2010 und 2012 sank die Quote der Unternehmen, die Produktionskapazitäten in Deutschland abbauen, um sie anderswo neu aufzubauen auf 8% (Produktionsverlagerung). Der Rückgang kann mit schwindenden Vorteilen durch Niedriglöhne im Ausland erklärt werden. Auf dem Höhepunkt des Trends im Jahre 2003 waren es 25% der Unternehmen, die verlagert haben. 21% der Produktionskapazitäten haben deutsche Firmen insgesamt im Ausland (Produktionswert von 390 Mrd. €). 2012 wird die USA wieder zum Top-Investor in Deutschland. 133 Unternehmen siedelten sich neu an. Damit wurde China abgelöst, das 2011 die Spitzenposition innehatte. 2013 wird Deutschland zum Magneten für ausländische Investoren: 992 Projekte zählt das Standortmarketing für Deutschland (GTAI; +16 gegenüber 2012). Seit Ausbruch der Euro-Krise spielen das soziale Klima und die Rechtssicherheit wieder eine größere Rolle für Investoren. Zusätzlich gab es 2013 537 Übernahmen und Fusionen in Deutschland. Hier führen die USA mit 99 Deals (nur 7 Übernahmen durch chinesische Firmen). Die Direktinvestitionen erreichen 2013 einen Höchststand (778 Mrd. $). Bei den Zielländern liegen die USA vor China und Russland. Bei den Ursprungsländern führen ebenfalls die USA vor Japan und China. Deutschland liegt auf dem siebten Platz. Deutsche Direktinvestitionen im Ausland wurden 2012 hauptsächlich in Europa (vor allem GB), USA/ Kanada, China, Brasilien, Russland und Japan getätigt (Quelle Deutsche Bundesbank, in dieser Reihenfolge). Wenn die Zahl der Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland zu stark die inländischen Investitionen überragt, droht Deindustrialisierung. Im Jahre 2016 kaufen chinesische Investoren verstärkt Hightechfirmen im Westen, auch in Deutschland. Die Chinesen wollen nach Kuka auch Osram übernehmen. Der Wirtschaftsminister will den Ausverkauf des Standortes Deutschland stoppen. Er plant Einschnitte in die Investitionsfreiheit. Im Jahre 2017 erreicht Deutschland erstmals Platz zwei als Investitionsstandort (Studie jährlich seit 1998; von A.T. Kearney). Platz eins belegen zum fünften Mal in Folge die USA. Deutsche Unternehmen investieren 2017 im Ausland wieder mehr. Weltweit schaffen sie 200.000 Arbeitsplätze, davon 40.000 in den USA. Diskussionen gibt es immer wieder um die Innovationsgewinne der Direktinvestitionen. man spricht oft vorschnell von Know-how-Klau.   2008 ändert die Bundesregierung das Außenwirtschaftsgesetz (AWG): Wollen Investoren außerhalb der EU und EFTA-Staaten mehr als 25% der Stimmrechtsanteile an einem deutschen Unternehmen übernehmen, bedarf es der Genehmigung durch das Bundeswirtschaftsministerium. "Unser internationales Wachstum geht nicht auf Kosten der Werke hierzulande", Frank-Peter Arndt, BMW-Produktionsvorstand (dies kann mit einer Exportfunktion nachgewiesen werden). Deutschland ist 2013 der größte Kapitalexporteur der Welt. Die Leistungsbilanzüberschüsse und Ersparnisse werden überwiegend im Ausland in Direktinvestitionen angelegt. Vgl. auch Exporte. 2014 wurden 1199 neue Investitionsprojekte aus dem Ausland in Deutschland angeschoben, so viele wie nie zuvor. Damit wurden mindestens 16.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Die meisten Investoren kamen aus China, vor den USA (Quelle: GTAI). 2015 gibt es noch mal 60% mehr Direktinvestitionen in Deutschland (gegenüber 2014; Quelle: GTAI)). Größter Investor war China (260 Neuansiedlungen; dann folgen die USA und die Schweiz). Die GTAI zählt 413 Fusionen und Übernahmen.

Globaler Umbruch bei den Direktinvestitionen ab 2018: Sie brachen 2018 um 27 Prozent ein. Das hat verschiedene Gründe: 1. Die Handelspolitik von Donald Trump in den USA. Das "tariff jumping " führte teilweise aber auch zu mehr Direktinvestitionen in den USA bzw. zum Ausbau. 2. Einmaleffekt der Unternehmenssteuerreform in den USA (US-Körperschaftssteuer von 35 auf 21%). Unternehmen repatriierten, etwa durch den Verkauf von Beteiligungen im Ausland. 3. Zyklisch: Unternehmen, die im Aufschwung Teile der Wertschöpfung in andere Weltregionen verlagern, holen diese in der "Normalphase" zurück bzw. lösen DI auf. 4. Politischer Faktor: Geopolitische Spannungen führen zu Verunsicherungen. Der Brexit führt in GB zum Rückzug. 5. Strukturelle Faktor: Technischer Fortschritt (Digitalisierung, 3-D-Drucker, Roboter) relativieren den Kostenvorteil von Niedriglohnländern. 6. Sicherheit. Im Heimaltland ist Know-how am sichersten. .

Schutz vor ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland und der EU: Bei ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland muss das Ministerium für Wirtschaft eine Unbedenklichkeitserklärung abgeben. Die Regelung beruht auf dem Außenwirtschaftsgesetz. 2016 sollen die Verbotsrechte gegen Nicht-EU-Investoren erweitert werden. Vor allem China werden unfaire Übernahmepraktiken vorgeworfen. So stoppt der Minister den Aixtron-Verkauf (Chiphersteller), weil staatlich kontrollierte Fonds hinter den Käufern stehen. Bedenken gab es schon beim Roboterhersteller Kuka. Osram wollen die Chinesen auch kaufen. Die Bundesregierung arbeitet daran, explizit ein Veto gegen Übernahmen von Firmen außerhalb der EU zu haben. Es geht insbesondere um mehr Zeit für die Prüfung. Es werden Zusatzkriterien eingeführt (bisher: öffentliche Ordnung, Sicherheit; neu: Wasser-, Gesundheits- und Stromversorgung). Auch die EU will sich gegen den Ausverkauf wichtigen Technologie-Know-hows schützen. Das europäische Recht soll noch 2017 geändert werden.

Standortverlagerung: Der ganze Betrieb bzw. Teile der Fertigung werden in Deutschland geschlossen und im Ausland neu aufgebaut. Die Standortverlagerung kommt häufiger bei mittelständischen Unternehmen vor und erfolgt häufig in Osteuropa. Die Kosten der neuen Anlaufzeiten vor Ort werden dabei oft falsch eingeschätzt, genauso wie die Einsparung der Personalkosten. Die Folge ist, dass viele Betriebe die Entscheidung korrigieren. 2008 kann die Firma Steiff aus Giengen hier als Beispiel genannt werden, die die Produktion aus China nach Deutschland zurückverlagert. Auch steigende Transportkosten infolge der Energiepreisexplosion könnten zu einer Renaissance des Standorts Deutschland führen. Nach einer Studie des StBA wurden zwischen 2001 und 2006 durch Standortverlagerung 188.000 Jobs in Deutschland abgebaut. Nach einer Studie des VDI werden 74.000 Arbeitsplätze dadurch jährlich weniger in Deutschland. Eine Studie des IfW, Kiel, kommt 2009 zu dramatischen Ergebnissen: 11 Millionen Jobs könnten ins Ausland verlegt werden, das sind 42 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Durch den technischen Fortschritt seien viele Dienstleistungen digitalisierbar. Viele deutsche Unternehmen holen ihre Produktion aber auch zurück, vor allem aus Fernost. Andere verwerfen Verlagerungspläne. Insofern stößt die weltweite Arbeitsteilung an Grenzen.   Die EU hat ein Programm für die Opfer von Arbeitsplatzverlagerungen (Globalisierungsfonds). Hier sind 500 Mio. € verfügbar, die aber kaum abgerufen werden (BenQ - Opfer bekamen 12,8 Mio.). "Viele chinesische Unternehmen überlegen, einen Teil ihrer Fertigung nach Europa zu verlegen, denn das ist günstiger als die Transportkosten. Die Fertigung kommt also teilweise wieder - aber unglücklicherweise nur der Zusammenbau. Ein interessantes Konzept - wir werden zur dritten Welt, für Einfach-Fertigung. Das ist der Kampf, dem sich die westliche Welt stellen muss", SAP-Aufsichtsratschef Hasso Platter auf der Mitarbeiterversammlung der SAP in Palo Alto 2012.  "Wir brauchen Zölle für Unternehmen, die Produktion verlagern", Doanld Trump im Wahlkampf 2016.

Globale Wertschöpfungsketten: 252.000 deutsche Unternehmen erbringen Dienstleistungen im Ausland. KMU sind auch als Zulieferer in Wertschöpfungsketten eingebunden und stehen eher am Ende dieser Ketten, die bei Konzernen anfangen. : Die Zulieferer können dadurch Ressourcenrestriktionen überwinden und die Risiken sowohl bei der Entwicklung neuer innovativer Technologien als auch bei der Erschließung internationaler Absatzmärkte teilen. Als negativ empfinden manche mittelständische Zulieferer hingegen den hohen Kostensenkungs- und Innovationsdruck, den die börsennotierten Endhersteller bisweilen ausüben. Diesen negativen Fol­gen der (glo­ba­len) Vernetzung können die mittelständischen Zulieferer jedoch dadurch entgegenwirken, dass sie zum einen möglichst innovative und hochwertige Produkte entwickeln. Zum anderen zahlt es sich dauerhaft aus, einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden und möglichst mehrere Abnehmer in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen zu beliefern. Vgl. IfM-Bonn: Globaler Mittelstand , in: F.A.Z. 27.02.2017, S. 18.

Abhängigkeit der EU von globalen Lieferketten: 2021 hat die EU schon eine große Abhängigkeit von China. Wenn man globale Lieferketten betrachtet und die Herkunft von 137 sensiblen wirtschaftlichen Ökosystemen ergibt sich folgende Abhängigkeiten (in Prozent des importierten Warenwertes): China 52%; Vietnam 11%), Brasilien (5%), Südkorea (4%), Singapur (4%), USA (3%), GB (3%), Japan (3%), Russland (3%), Hongkong (1%), Restliche Welt (11%). Quellen: HB Nr. 84, 3. Mai 2021, S. 13. EU-Kommission.

Reshoring: Neuer Trend in der Weltwirtschaft. Rückverlagerung von Produktion aus den Schwellenländern in die alten Industrieländer. Industrielle "Sklaven" für die Produktion wie Kuka-Roboter sind zunehmend im Einsatz. Sie werden in der Automobilindustrie, aber auch zunehmend in der Logistik, der Medizin und Landwirtschaft, eingesetzt. Damit schrumpfen die Kostenvorteile der Schwellenländer (vor allem die Lohnstückkosten). Alte Industrieländer wie z. B. die USA werden wieder wettbewerbsfähiger, weil sie über bessere Infrastruktur und höhere Stabilität verfügen. Bei den USA kommen noch die geringeren Energiekosten (Fracking) und die Einschätzung als Kompetenzzentrum dazu. Die digitale Revolution in der Industrie erhöht aber auch weltweit die Arbeitslosenquoten (2014: 6,4%; Prognose 2018% 7%, Quelle: ILO, Genf). Die Produktion geht jetzt eher dahin, wo die Produkte gebraucht werden. Man kann sie so besser auf den Einzelnen zuschneiden. 3-D-Drucker können idealer weise individuell optimal anpassen. Gerade Billiglohn - Regionen wie China, Indien und Osteuropa werden die Verlierer dieser Entwicklung sein. Die additive Produktion in Niedriglohnländern könnte damit bald der Vergangenheit angehören. Die Industrieländer werden in der Produktion wieder wettbewerbsfähiger. Sie bieten eine flächendeckende schnelle Netzinfrastruktur und gute Ausbildungen in mathematisch-technischen Fachrichtungen. die Wertschöpfung wird sich aber mehr in der Service um die Produkte herum verlagern. Besonders ausgeprägt ist die Heimkehr von Produktionsfirmen in der italienischen Bekleidungsindustrie. Italien ist nach China und Indien der drittgrößte Textilexporteur. Aber auch in Italien wird nicht immer nach Qualität und unter humanen Arbeitsbedingungen produziert. Die Stadt Pratoin der Toscana ist zum Symbol von Billigproduktion in Italien geworden (27.000 Chinesen mit Aufenthaltsgenehmigung, viele Illegale). Am stärksten ist der Trend zur Rückverlagerung in den USA ausgeprägt. Schuld daran ist nicht Donald Trump. Der Kostenvorteil ist nicht mehr groß genug. Außerdem sind F&E besser gesichert, die Kommunikation ist besser und schneller  und Maschinen nehmen Menschen die Arbeit ab.

Local for local: Regionalisierung der Wertschöpfungsketten, um Liefer- und Produktionsrisiken zu senken. Neue Strategie nach Corona. Man will gegen externe Störungen resilienter werden. Man spricht von Multiple Sourcing. Damit kann man auch Zölle umgehen, die im Handelskrieg zwischen den USA und China zur Waffe werden. Der technische Fortschritt begünstigt eine Erhöhung der Fertigungstiefe. Lohnfertigung im Ausland kann durch Roboter und kapitalintensivere Produktion ersetzt werden. Effizienzgewinne können allerdings auch verloren gehen. Dadurch können kurzfristig auch die Kosten ansteigen.

Produktpiraterie: Für ausländische Firmen, insbesondere den deutschen Maschinenbau, ist die Produktpiraterie besonders bedrohlich. Bei ca. 47% der in Deutschland beschlagnahmten Waren ist das Herkunftsland China (Kosten ca. 30 Mrd. €; dazu kommt noch mal Hongkong mit 22%). Vgl. auch meinen Artikel bei Ostasien/ Unternehmen. In der Kultur Chinas wird die Nachahmung sehr positiv gesehen (legitimiert durch Konfuzianismus und Daoismus). Das Rechtssystem versucht aber in China zunehmend gegenzusteuern. Oded Shenkar, Ohio State University, behauptet, dass Unternehmen zu viel Wert auf Forschung und Entwicklung legen. In Zukunft würde es immer wichtiger, gut zu kopieren, statt Neues zu erfinden. Es gibt folgende Arten von Plagiaten: Komponenten, Design, ganze Maschinen, Ersatzteile, Kataloge (Broschüren, Produktfotos), Bedienungsanleitungen (technische Dokumentationen), Verpackungen, Verbrauchsmaterialien. Auch China erklärt 2015 der Produktpiraterie massiv den Kampf an (besonders betroffen Alibaba). Besonders häufig gibt es Marken- und Produktpiraterie in der Automobilwirtschaft, im Maschinen- und Anlagenbau und bei Konsumgütern. Vielleicht wird irgendwann das Problem dadurch glöst, dass die Idee immer mehr in den Hintergrund rückt. Sie wird heute geteilt und diskutiert. Wichtiger ist aber die Realisierung. Die schnelle, konsequente Umsetzung ist erforderlich.  Die meisten Fälschungen stehen in Verbindung mit China. Die Plagiate werden immer besser. Entscheidend beid er Bekämpfung ist die Verbraucher-Sensibilisierung.   "Produktpiraterie wird zum größten Verbrechen im 21. Jahrhundert", M. L. Cattaui, Ex-Generalsekretärin der internationalen Handelskammer. "Wer das Werk kopiert, ehrt den Meister" sagt Konfuzius. Unterschiedlicher können die Sichtweisen nicht sein. 2019 zieht allein der deutsche Zoll fünf Millionen Waren aus dem Verkehr.

 

 

Bassano del Grappa, Oberitalien. Kleinstadt mit ca. 40.000 Einwohnern am Monte Grappa am Südfuß der Alpen. Abgebildet ist hier das Wahrzeichen der Stadt, der hölzerne Ponte degli Alpini über die Brenta. Die Stadt liegt in der Region Venetien. Diese gilt als eine der erfolgreichsten Mittelstandsregionen Italiens. Im Unterschied zur Lombardei, wo die KMU eher ein Cluster bilden (Zusammenhang größere Unternehmen und Zulieferer), gibt es hier viele berühmte selbständige KMU (Beispiele: CMP, Scarpa, Diesel, Selle Italia, Poli, Pancic, Geox, Replay, Stefanel, De`Longhi). Am wichtigsten sind die Branchen Textilien, Schuhindustrie, Weinbau/ Grappa und Lederindustrie sowie Schmuckherstellung. Venetien ist eine sehr wohlhabende Region. Es zeigt sich hier eindrucksvoll, welch wichtige Funktion die lokale Produktion mittelständischer KMU für eine Region hat. Familienunternehmen und Kleinbetriebe sind in der Region äußerst erfolgreich. In der Folge geht es auch den Bewohnern und dem Einzelhandel gut. Das merkt man der Stadt in jeder Hinsicht an.

Produktion, Fertigung, Logistik, Produktionsstrategien, Materialwirtschaft, Energiemanagement, Industrie 4.0, Betriebsabläufe, Lieferketten; Supply-Chain-Management, Nachhaltigkeitsmanagement (vgl. Produktion bei Mikroökonomik; auch Neue Arbeitsformen bei Arbeitsökonomik). Zur Produktionslehre habe ich einige Jahre eine Vorlesung im Ostasieninstitut gehalten. Folgendes Buch bietet einen Gesamtüberblick: Corsten, Hans/ Gössinger, Ralf: Produktionswirtschaft. Einführung in das industrielle Produktionsmanagement, München 2016. Die Informationstechnologie sorgt heute für einen großen Wandel. Deshalb habe ich speziell das Gebiet "digitale Produktion". Zu Produktion und Nachhaltigkeit vgl. auch Umweltökonomik/ betriebliche Praxis.

"In Manufaktur und Handwerk bedient sich der Arbeiter des Werkzeugs, in der Fabrik dient er der Maschine. Dort geht von ihm die Bewegung des Arbeitsmittels aus, dessen Bewegung er hier zu folgen hat. in der Manufaktur bilden die Arbeiter Glieder eines lebendigen Mechanismus. In der Fabrik existiert ein toter Mechanismus unabhängig von ihnen, und sie werden ihm als lebendige Anhängsel einverleibt", Karl Marx, MEW 23, S. 445. Marx erkannte scharfsinnig die Vorteile von KMU. Er setzte sich auch für die mittelständischen Winzer ein. Er machte in seiner Analyse ("Das Kapital") einen Unterschied zwischen den kleineren Unternehmen und den Großkonzernen.

Produktionsmanagement: Planung, Organisation und Verbesserung der Systeme, mit denen dei Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens hergestellt werden. Es geht um den Produktionsprozess der zwischen Input und Output liegt. Wichtig sind zwei Prinzipien: 1. Right first time: beim ersten Mal richtig. Fehler sollten vermieden werden. Es ist besser als sie später zu suchen und zu beheben. 2. Maximalkapazität: höchste Arbeitsleistung, die eine Organisation in einem Zeitraum erbringen kann. Einschränkungen sind Verzögerungen, Rohstoffmanagement oder Qualitätsprobleme. Vgl. Management einfach erklärt, München 2021, S. 38f.

Betriebsgrößennachteile: Mit steigender Produktionsmenge steigen die langfristigen durchschnittlichen Gesamtkosten. Bei Betriebsgrößenvorteilen sinken mit steigender Produktionsmenge die langfristigen durchschnittlichen Gesamtkosten. Bei Betriebsgrößenneutralität bleiben die langfristigen durchschnittlichen Betriebskosten mit steigender Produktionsmenge konstant.

Fertigungstypen: Einzelfertigung, Mehrfachfertigung, Kuppelproduktion. Die Mehrfachfertigung kann wie folgt weiter unterteilt werden: Massenfertigung, Sortenfertigung, Serienfertigung, Chargenfertigung. Vgl. Schulz, volker: Basiswissen Betriebswirtschaft, München (dtv, Beck) 2019, S. 247.

Organisationsformen der Fertigung: Verrichtungs- und ablauforientierte Anordnung von Arbeitsplätzen, Maschinen und Produktionsanlagen. Erstere wird auch funktionelle Organisationsform genannt. Gleichartige Tätigkeiten werden organisatorisch durch die Schaffung von Werkstätten zusammengefasst. Bei der ablauforientierten Anordnung spricht man auch von Fließfertigung. Bekanntestes Beispiel ist die Fließbandfertigung. Es gibt auch Mischformen: Gruppen- und Inselfertigung, Straßenfertigung, Bearbeitungszentren.

Fließbandfertigung: Die Anfänge der Fließbandfertigung reichen zurück bis ins 15. Jahrhundert. Doch erst der amerikanische Autobauer Henry ford setzt die "assembly line" so durchdacht um, dass es das Arbeiten in der Fabrik revolutioniert. Ford bezahlt die Arbeiter sehr gut, lässt aber auch ihre Lebensweise überwachen (höhere Löhne, günstigere Preise).

Tendenz der abnehmenden Fertigungstiefe: Die Fertigungstiefe ist der Umfang der Eigenfertigung durch den Umfang der Gesamtfertigung (inkl. Fremdbezug). Anteil des Produkts in Eigenfertigung sinkt, wodurch Kosten eingespart werden, aber die Abhängigkeit zunimmt. Folge sind die Verlagerung von Arbeitsplätzen aus den Industrieländern, eine andere Bewertung von Exporten und evtl. eine Basarökonomie dort (vgl. Sinn, H. - W. Die Basarökonomie, Berlin 2005). Die These löst eine rege wirtschaftswissenschaftliche Diskussion aus. Folge ist in der Regel internationales Outsourcing: Übertragung von Sach- und Dienstleistungen aus dem Stammland auf eine Wirtschaftseinheit, die ihren Standort im Ausland hat. dies kann die gesamte Wertschöpfungskette betreffen. Einige Kollegen bezeichnen das Auslagern von Dienstleistungen als Offshoring.  "Wir haben in den vergangenen Jahren die eigene Produktion in diesem Bereich (Unterhaltungselektronik) fast komplett ausgegliedert....Rund 90 Prozent der Geräte werden komplett von Zulieferern nach unseren Vorgaben hergestellt", Philips-Chef Gerard Kleisterlee.

Globale Wertschöpfungsketten: 252.000 deutsche Unternehmen erbringen Dienstleistungen im Ausland. KMU sind auch als Zulieferer in Wertschöpfungsketten eingebunden und stehen eher am Ende dieser Ketten, die bei Konzernen anfangen. : Die Zulieferer können dadurch Ressourcenrestriktionen überwinden und die Risiken sowohl bei der Entwicklung neuer innovativer Technologien als auch bei der Erschließung internationaler Absatzmärkte teilen. Als negativ empfinden manche mittelständische Zulieferer hingegen den hohen Kostensenkungs- und Innovationsdruck, den die börsennotierten Endhersteller bisweilen ausüben. Diesen negativen Fol­gen der (glo­ba­len) Vernetzung können die mittelständischen Zulieferer jedoch dadurch entgegenwirken, dass sie zum einen mög­lichst innovative und hochwer­tige Pro­duk­te entwickeln. Zum anderen zahlt es sich dauerhaft aus, einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden und möglichst mehrere Abnehmer in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen zu beliefern. Vgl. ifm-Bonn: Globaler Mittelstand , in: F.A.Z. 27.02.2017, S. 18.

Digitalisierung und industrielle Wertschöpfungsketten: Es geht um das Zusammenspiel von Automatisierung, IT - Plattformen und KI. Hinzu kommt die Organisation in Netzwerken (Konnektivität). Industrie 4.0 ist dabei die entscheidende Strategie. Bausteinen sind Integrated Automation, Motion & Drives, Digital Factory, Energy (dezentral, flexibles Stromsystem), Industrial Supply (Zulieferer), Research & Technology.

Standortverlagerung: Der ganze Betrieb bzw. Teile der Fertigung werden in Deutschland geschlossen und im Ausland neu aufgebaut. Die Standortverlagerung kommt häufiger bei mittelständischen Unternehmen vor und erfolgt häufig in Osteuropa. Die Kosten der neuen Anlaufzeiten vor Ort werden dabei oft falsch eingeschätzt, genauso wie die Einsparung der Personalkosten. Die Folge ist, dass viele Betriebe die Entscheidung korrigieren. 2008 kann die Firma Steiff aus Giengen hier als Beispiel genannt werden, die die Produktion aus China nach Deutschland zurückverlagert. Auch steigende Transportkosten infolge der Energiepreisexplosion könnten zu einer Renaissance des Standorts Deutschland führen. Nach einer Studie des StBA wurden zwischen 2001 und 2006 durch Standortverlagerung 188.000 Jobs in Deutschland abgebaut. Nach einer Studie des VDI werden 74.000 Arbeitsplätze dadurch jährlich weniger in Deutschland. Eine Studie des IfW, Kiel, kommt 2009 zu dramatischen Ergebnissen: 11 Millionen Jobs könnten ins Ausland verlegt werden, das sind 42 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Durch den technischen Fortschritt seien viele Dienstleistungen digitalisierbar. Viele deutsche Unternehmen holen ihre Produktion aber auch zurück, vor allem aus Fernost. Andere verwerfen Verlagerungspläne. Insofern stößt die weltweite Arbeitsteilung an Grenzen.   Die EU hat ein Programm für die Opfer von Arbeitsplatzverlagerungen (Globalisierungsfonds). Hier sind 500 Mio. € verfügbar, die aber kaum abgerufen werden (BenQ - Opfer bekamen 12,8 Mio.). "Viele chinesische Unternehmen überlegen, einen Teil ihrer Fertigung nach Europa zu verlegen, denn das ist günstiger als die Transportkosten. Die Fertigung kommt also teilweise wieder - aber unglücklicherweise nur der Zusammenbau. Ein interessantes Konzept - wir werden zur dritten Welt, für Einfach-Fertigung. Das ist der Kampf, dem sich die westliche Welt stellen muss", SAP-Aufsichtsratschef Hasso Platter auf der Mitarbeiterversammlung der SAP in Palo Alto 2012.  "Wir brauchen Zölle für Unternehmen, die Produktion verlagern", Doanld Trump im Wahlkampf 2016.

Reshoring: Neuer Trend in der Weltwirtschaft. Rückverlagerung von Produktion aus den Schwellenländern in die alten Industrieländer. Industrielle "Sklaven" für die Produktion wie Kuka-Roboter sind zunehmend im Einsatz. Sie werden in der Automobilindustrie, aber auch zunehmend in der Logistik, der Medizin und Landwirtschaft, eingesetzt. Damit schrumpfen die Kostenvorteile der Schwellenländer (vor allem die Lohnstückkosten). Alte Industrieländer wie z. B. die USA werden wieder wettbewerbsfähiger, weil sie über bessere Infrastruktur und höhere Stabilität verfügen. Bei den USA kommen noch die geringeren Energiekosten (Fracking) und die Einschätzung als Kompetenzzentrum dazu. Die digitale Revolution in der Industrie erhöht aber auch weltweit die Arbeitslosenquoten (2014: 6,4%; Prognose 2018% 7%, Quelle: ILO, Genf). Die Produktion geht jetzt eher dahin, wo die Produkte gebraucht werden. Man kann sie so besser auf den Einzelnen zuschneiden. 3-D-Drucker können idealer weise individuell optimal anpassen. Gerade Billiglohn - Regionen wie China, Indien und Osteuropa werden die Verlierer dieser Entwicklung sein. Die additive Produktion in Niedriglohnländern könnte damit bald der Vergangenheit angehören. Die Industrieländer werden in der Produktion wieder wettbewerbsfähiger. Sie bieten eine flächendeckende schnelle Netzinfrastruktur und gute Ausbildungen in mathematisch-technischen Fachrichtungen. Die Wertschöpfung wird sich aber mehr in der Service um die Produkte herum verlagern. Die Niedriglöhne in Asien gehören auch eher der Vergangenheit an. Die zunehmende Automatisierung führt dazu, dass Unternehmen ihre in Billiglohnländern ausgelagerte Produktion wieder zurück in die Heimat holen. Durch die Heimkehr aus zumeist asiatischen Ländern werden insbesondere hoch qualifizierte Mitarbeiter stärker nachgefragt. Für Reshoring sprechen folgende Faktoren: 1. Arbeitskosten in den Offshore - Zielen. 2. Effizienzsteigerung durch den Einsatz von Robotern. 3. Flexibilität. 4. Bessere Kontrolle der Qualität der Produktionsprozesse. Vgl. Krenz, Astrid/ Prettner, Klaus/ Strulik, Holger: Robots, Reshorimg and the Lot of Low-Skilled Workers, Center for European Goverance and Economic Development Esearch, Juli 2018.  Besonders ausgeprägt ist die Heimkehr von Produktionsfirmen in der italienischen Bekleidungsindustrie. Italien ist nach China und Indien der drittgrößte Textilexporteur. Aber auch in Italien wird nicht immer nach Qualität und unter humanen Arbeitsbedingungen produziert. Die Stadt Pratoin der Toscana ist zum Symbol von Billigproduktion in Italien geworden (27.000 Chinesen mit Aufenthaltsgenehmigung, viele Illegale). Am stärksten ist der Trend zur Rückverlagerung in den USA ausgeprägt. Schuld daran ist nicht Donald Trump. Der Kostenvorteil ist nicht mehr groß genug. Außerdem sind F&E besser gesichert, die Kommunikation ist besser und schneller  und Maschinen nehmen Menschen die Arbeit ab. Die frühere Siemens-Tochter Gigaset kommt mit ihrer Produktion im Sommer 2018 nach Deutschland zurück. Montiert wird in Bocholt. Es geht um Einsteigermodelle für Senioren. Ein gutes Beispiel ist auch Adiddas. Das Unternehmen verlagerte zurück von China und Indien nach Deutschland und den USA. Aus 1000 Arbeitsplätzen wurden 160. Ein Schritt schaffen Roboter noch nicht: die Schnürsenkel einfädeln. Hier müssen weiterhin Menschen ran.

Differenzierung von Lieferketten, Rückverlagerung in die Heimat und lebensnotwendige Daseinvorsorge: Diese drei Gründe werden in der Corona-Krise 2020 immer wieder genannt und es wird eine Rückverlagerung der Produktion nach Deutschland und Europa prognostiziert. Die Produktion dürfte dadurch aber teurer werden (Lohnkosten). In medizinischen Bereichen müsste die Bundesregierung Abnahmegarantien geben.

Kosten-Nutzen-Analyse der Lieferketten nach der Corona-Krise: In der Corona-Krise waren 73% der kleinen und mittleren Unternehmen von Ausfällen betroffen. Deshalb planen 43% eine Kosten-Nutzen-Analyse dazu, ob Teile ihrer Lieferketten wieder näher an Deutschland herangeführt werden sollten. Vor allem Unternehmen aus IT, Telekommunikation und Finanz- und Versicherungsdienstleistungen analysieren derzeit die Möglichkeit eines Reshoring. Vgl. McKinsey & Company: How German Mittelstand copes with COVID-19 challenges, Mai 2020. Die Folgen der Corona-Krise sind für den deutschen Mittelstand gravierend:  78% aller Unternehmen nennen Probleme bei der Beschaffung von Waren/ Rohstoffen als Hauptproblem. Siehe Wiwo 42, 15.10.21, S. 4.

Lieferketten in Abhängigkeit von China: Anfang März 2020 riegelte China bestimmte Regionen ab. Damals wurde deutlich, wie europäische und US-amerikanische Unternehmen betroffen waren von der Rohstoffbeschaffung aus China. Im Bereich Life Science, Gesundheit, Arzneimittel und medizinische Geräte: Verpackungen, Wirkstoffe, optische Komponenten, persönliche Schutzausrüstung, Batteriekomponenten, Medikamentendispenser, sterile Kompressen, Kabel. Im Bereich Hightech, Halbleiter, Unterhaltungselektronik: Widerstände, Kondensatoren, Thermik, Leiterplatten, Kunststoffe und Harze, integrierte Schaltkreise, Metallblech, Audiogeräte, Speicher, Batteriekomponenten, Hardware, Kabel, elektronische Bauteile, Quarze und Oszillatoren, Schalter, Farben. Vgl. Linton, Tom/ Vakil, B.: Lieferketten unter Druck, in: HBM Mai 2020, s. 38ff.

Veränderung der Lieferketten nach Corona: 1. Deutschland braucht den Export im Ausland und handelt so viel wie nie zuvor. 2. Die Erholung geht schneller als nach der Finanzkrise. 3. Deutschland kann  sich ein Ende der internationalen Arbeitsteilung nicht leisten. 4. Unternehmen stellen ihre Lieferketten breiter auf. 5. Deutschland muss wegen China (nur noch geringes Wachstum des Außenhandels) andere Exportmärkte erschließen. Vgl. HB Nr. 26/ Montag, den 7.2.22, S. 6f.

Lego - Prinzip: Die deutsche Industrie steht 2022 vor großen Herausforderungen. Erneut gehen die Aufträge zurück., die Lieferketten mit China sind unterbrochen. Damit der Aufbruch gelingt müssen die richtigen Bausteine kombiniert werden (Lego-Prinzip). Das Beste aus den vier vergangenen industriellen Revolutionen muss kombiniert werden. Die Fabrik der Zukunft ist grün und flexibel. Statisch fest sind nur noch Boden, Decken, Wände, alles andere ist wandelbar. Digitale Werkzeuge entwickeln im Klimaschutz ihre volle Kraft. Physische Komponenten werden durch Software und Information umgesetzt. Intelligenz wird zunehmend von der Hardware in die Software verlagert. Brückentechnologien - wie Erdgas - dürfen kein Tabu sein. Vgl. Rolf Najork: Wie das Lego-Prinzip die Zukunft der Industrie sichert, in: WiWo 24/ 10.6.22, S. 10.

Completely Knocked Down (CKD): Produktionsmethode, bei der zunächst Teile vormontiert, dann auseinandergebaut und schließlich am Zielort wieder zusammengesetzt  werden. BMW etwa setzt die Strategie in der Automobilproduktion ein. Der Grund: Einfuhrzölle entfallen vielerorts nur auf komplett fertige Fahrzeuge an. 

Produktion in KMU: Einzel- und Kleinserienfertigung sind vorherrschend. Daher ist die Arbeitsintensität hoch. Die Arbeitsteilung ist nicht sehr groß. Die Fertigungstiefe ist in der Regel hoch. Fließbandproduktion ist in KMU sehr selten. Trotzdem steigt die Automation in Form von digitalen Fabriken. Produkte können nach Kundenwunsch gesteuert werden. So geht der Trend zum Einzelstück vom Band. Damit steigen die Chancen im globalen Wettbewerb. Es könnten sich Produktivitätsschübe ergeben. Im September 2013 drosseln die Firmen ihre Produktion überraschend stark um 0,9 Prozent. Im August 2014 drosselt das produzierende Gewerbe in Deutschland die Produktion um 4%. Die Lage der Ferien hat auch mit zu Verzerrungen geführt.

Produktionsmethoden: Einzelanfertigung, Chargenproduktion, Serienproduktion, Individualisierte Massenfertigung, Dauerfertigung, Hybridverfahren. Hybridverfahren sorgen für Innovation. Am bekanntesten sind Fertigungsinseln, die die besten Aspekte der Serien- und Einzelfertigung kombinieren. Vgl. BWL kompakt. Der visuelle Crashkurs, München 2016, S. 270ff.

Sektoren: Primärsektor (Ernte, Abbau von Rohstoffen, Fischerei), Sekundärsektor (Industrie, Verarbeitung von Rohstoffen zu einem Produkt), Tertiärsektor (unterstützende Dienstleistung). Unterschiedlicher Einsatz von Produktionsfaktoren wie Kapital, Land, Arbeit und Unternehmensgeist.

Deutsche Industrienorm (DIN): Das System wurde 1918 eingeführt. 2017 gab es 34102 DIN-Normen. Besonders in der Elektrotechnik sind DIN-Normen erforderlich. Verantwortlich für die Normen ist das Deutsche Institut für Normung. Daneben gibt es 69 Normenausschüsse in den einzelnen Branchen. Normen steigern die Qualität und Effizienz. Sie vereinfachen den Handel, machen Produkte sicherer und umweltfreundlicher. Die Normung begann ursprünglich in der Rüstungsindustrie während des 1. Weltkriegs.

Normung, technische Standards und Weltmacht: Um Normung findet auch ein geopolitischer Wettbewerb statt. Beispiele sind Großbritannien und Japan. Großbritannien hat seine Normen im Rahmen des Commonwealth verbreitet. Japan hat Normen als Mittel der nicht-tarifären Handelspolitik genutzt. China hat mittlerweile auch erkannt, welch kraftvolles geopolitisches Instrument Normen darstellen. Seit 2015 gibt e seinen eigenen Standardisierungsaktionsplan. 1000 Hochschulabsolventen pro Jahr sind Normungsspezialisten. Entlang der Neuen Seidenstraße sollen auch chinesische Normen durchgesetzt werden. Sie versuchen vor allem im Bereich der digitalen Technologie Normen festzulegen. China nutzt technische Standards zur Industriepolitik. Es hat international stark aufgeholt. Die Herangehensweise ist eine andere als die der westlichen Welt. Es ist ein staatlich gesteuerter Ansatz. Die Hindernisse für die Teilnahme an der chinesischen Normung sind besonders in der Pharmaindustrie, der Petrochemie, der Automobilindustrie und der IT und Telekommunikation. China dominiert zunehmend Standards. Deutschland setzt auf Kooperation. die EU will sich stärke reinbrigen.  "Normen könnten ein Mechanismus zur Verstärkung einer Entkopplung sein", Jörg Wuttke, EU-Handelskammer-Präsident. Vgl. Heide, Dana: China nutzt technische Standards zur Industriepolitik, in: HB Nr. 235, 3./4./5. Dezember 2021, S. 9.

Lean Production: Schlanke Produktion wurde von dem Toyota Ingenieur Taiichi Ohno in den 50er Jahren entwickelt. Sie besteht aus den Komponenten Just-in-Time, Vereinfachung des Arbeitsvorgangs und der Arbeitsorganisation (Automatisierung, jidoka), Verbesserungsvorschläge und Total-Quality-Management (TQM). Es geht um die Lösung dreier Probleme: Muri (Überlastung), Mura (Unausgeglichenheit) und Muda (Verschwendung). Die Fertigung steht im Zentrum des Unternehmens; wichtig ist auch die Zulieferer-Endhersteller-Beziehung. Der bekannteste "Guru" der Unternehmensführung von internationalem Format ist Kenichi Ohmae, geb. 1943. Seine vielen Bücher sind voller japanischer Beispiele zur Unternehmensführung. Zitat von ihm aus seinem Buch "Die neue Logik der Weltwirtschaft, Frankfurt 1994": "Die zentrale Aufgabe des Managements wird es in Zukunft sein, die Produktpalette am Interesse des Konsumenten auszurichten, der dann der wirkliche Souverän des globalen Marktgefüges ist". Bekannt ist auch der amerikanische Toyota-Spezialist Jeffrey K. Liker. Er ist Professor für Ingenieurwissenschaften an der Universität Michigan und hat acht Bestseller über Toyota geschrieben. In KMU ist die Produktion von Natur aus immer "lean" (schlank) gewesen (ohne bewusst dem Konzept zu folgen). Die Ressourcenknappheit lässt nichts anderes zu. Wenn Kosten knapp kalkuliert werden, müssen sie nicht reduziert werden.

Elemente der Lean Production: "Kata" bezeichnet einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess, der vor allem auf systematischen Lern- und Verhaltensroutinen basiert. "Heijunka" ist eine Methode, mit der Schwankungen in der Marktnachfrage ausgeglichen und Verschwendung sowie Engpässe vermieden werden sollen. "Poka Yoke" ist ein Prinzip, Fehlern durch technische Hilfsmittel vorzubeugen. "Cardboard Engineering" ist eine Methode, um Montageabläufe und -arbeitsplätze zu konzipieren und in der Praxis zu testen.

Total Quality Management (TQM): Im Mittelpunkt steht die Qualität  von Produkten und Dienstleistungen. Wenn die Qualität stimmt, stellt sich der Erfolg von selbst ein. Es handelt sich um ein langfristiges, prozessorientiertes Konzept: Dazu gehören Kundenorientierung, Fehlermanagement, Kaizen, Eigenverantwortung, "innerer Kunde". Oft wird Six Sigma noch dazugerechnet: Aus der Statistik. Sechsfache Standardabweichung inner halb der Normalverteilung (bei einer Million Vorgänge maximal 3,4 Fehler). Die Qualitätskontrolle sorgt generell dafür, dass bei Produkten und Dienstleistungen das vorgeschriebene Qualitätsniveau eingehalten wird (vor allem, wenn Sicherheit wichtig ist).

Toyota Way: Es gibt verschiedene Fundamente: Einmal "genchi genbutsu". Der Ausdruck kann übersetzt werden mit "gehe hin und siehe selbst". Führungspositionen widmen sich einem Problem aus erster Hand und lösen es effizient. Hinzu kommt "jidoka". "Automatisierung mit menschlicher Note". Es handelt sich um die Verbesserung der Produktion mit Einbau einer Fehlersicherung. Das dritte Element ist das "just-in-time-Prinzip". Es ist ein Produktionsprinzip, bei dem die richtigen Teile, die zur Montage benötigt werden, zur richtigen Zeit in der richtigen Menge am Fließband ankommen (der Lagerbestand ist Null). Ein unternehmen produziert nur das, was auch verkauft wird., in der passenden Menge und zur rechten Zeit.

Kanban: Das japanische Wort Kanban bedeutet ursprünglich ‚Signalkarte‘ (kan ‚Signal‘, ban ‚Karte‘) und ist eine Technik aus dem Toyota-Produktionssystem, mit der ein gleichmäßiger Fluss (Flow) in der Fertigung hergestellt und so Lagerbestände reduziert werden sollen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem optimalen Fluss jedes einzelnen Produktes durch die Fertigung. Kanban in der Informationstechnik (IT) übernimmt zwar den Namen, versucht aber keine direkte Übertragung einzelner Techniken aus der Produktion auf die IT. Vielmehr werden einige grundlegende Prinzipien aus der Lean Production (Schlanke Produktion), und mehr noch dem Lean Development (auch Lean Product Development), übernommen und ergänzt durch die Theory of Constraints und das klassische Risikomanagement. Insbesondere die Ideen Don Reinertsens, der verschiedene Techniken vorstellt, wie sich Produkte in wesentlich kürzerer Zeit entwickeln lassen, spielen eine wichtige Rolle in Kanban. Als Begründer von Kanban in der IT gilt David Anderson, der das Gesamtkonzept erstmals 2007 der Öffentlichkeit vorstellte. Quelle: Wikipedia 2019.

Kaizen: Ständige Verbesserung und Änderung wurde von Massaki Imai entwickelt, ursprünglich in der Fertigungstechnik. Es beinhaltet ein konsequentes Innovationsmanagement, das in permanenter Produktverbesserung und Verbesserung aller betrieblichen Prozesse besteht (die Japaner besitzen eine besondere Fähigkeit darin, Fehler zu erkennen und zu korrigieren). Es ist eine Art Führungsphilosophie, die insbesondere Verschwendung verhindern und Lernprozesse fördern soll. Die Prozessorientiertheit ist ein besonderes Merkmal der japanischen Produktion. Verbunden damit ist das Ringi Seido - Prinzip, wonach lediglich der Anstoß von oben kommt und ein Umlaufverfahren entsteht (der große Vorteil liegt in der Durchsetzbarkeit). Elemente dieser Philosophie finden sich durchaus automatisch unbewusst in vielen KMU. "Geht mit den Menschen um wie mit Holz: um eines wurmstichigen Stückchen willen, würdest Du nie den ganzen Stamm wegwerfen", Japanisches Sprichwort.

Prozessoptimierung: Vereinfacht ausgedrückt heißt das, dass Prozesse vereinfacht werden, indem unnötige Schritte gestrichen werden (damit auch Vereinfachung der Produkte). Dadurch lassen sich Produktionskosten senken. Die Idee findet sich schon bei den alten Römern (im 3. Jh. v, Chr.): Sie stellen große Mengen Lampen mit zweiteiligen Gießformen her.

Produkt-Prozess-Matrix: 1979 von den Havard-Dozenten R. H. Hayes und S. C. Wheelrhigt in der Harvard Business Review vorgestellt. Hiermit lässt sich die beste Herstellungsmethode finden - abhängig vom Volumen und von der Individualisierung eines Produktes (Phase im Lebenszyklus).

Kapazitätsmanagement: Wie viel Arbeit kann in einem bestimmten Zeitraum geleistet werden. Der Fertigungsbetrieb muss genau die richtige Menge an Ressourcen haben, um den Produktionsplan zu erfüllen. Insgesamt betrofen sind Fabrikgröße, Ausstattung, Anzahl der Mitarbeiter, Arbeitszeiten, Materialien und Bestellhäufigkeit, Lagerhaltung, Produktionsplanung, Zusammenwirken der Prozesse, Informationstechnologie. Vgl. BWL kompakt, München 2016, S. 314f.

Business (Process) Reengineering: Die Prozesse werden als entscheidender Faktor definiert. Nicht die Prozesse sollen den Strukturen folgen, sondern die Strukturen den Prozessen. Vorherrschend sind dabei folgende Prinzipien: Horizontal statt vertikal; Kundenorientierung im Vordergrund; Auflösen fester Organisationsstrukturen.

Operations Research: Lösen unternehmerischer Probleme mit Hilfe der Mathematik. Durch Big Data, KI und IoT ergeben sich neue Einsatzgebiete. Die Anwendungen sind in der Produktion, in der Logistik, in der Produktentwicklung un din der Preisfindung.

Zirkuläre Wirtschaft: Beinhaltet einmal das klassische Recycling. Alle Beiträge zur Ressourceneffizienz werden integriert. Man erreicht die Nachhaltigkeitsziele der UN und hat zusätzlich Wachstumspotential. Industriepolitische Maßnahmen können unterstützen.

Qualitätsmanagement: Das Ziel besteht im Übertreffen der Kundenerwartungen. Ansporn bilden wichtige Normen und Preise: ISO 9000, Set internationaler Qualitätsnormen samt Zertifizierung, das zeigt, dass Unternehmen die Standards erfüllen. Malcolm Baldrige National Quality Award, jährlich vergebener Preis in den USA für Firmen mit exzellenter Qualität. Deming-Preis, japanischer Preis zur Auszeichnung außergewöhnlich guter Maßnahmen der Qualitätsverbesserung. Qualität muss unterschiedlich gesehen werden, je nachdem welche Branche betroffen ist. In der Fertigungsindustrie zählen Erfüllung von Standards, Zuverlässigkeit, Funktionalität, Lebensdauer und Brauchbarkeit. In der Dienstleistungsbranche kommt es auf das gewünschte Ergebnis, die Reaktion der Kundenbedürfnisse, die Höflichkeit und Schnelligkeit an.

Sicherheitslabel: Der Energieverbrauch von Produkten ist seit langem bekannt. Ein Sicherheitslabel gibt es noch nicht. Im Zeitalter vernetzter Produkte ist dies aber dringend erforderlich.

Six Sigma: 1. Define, 2. Measure, 3. Analyse, 4. Improve, 5. Control. Grundidee ist, Fehler auszumerzen, indem man die Quote erfasst und senkt. Einzelne Personen werden zu Experten ausgebildet (Master Black Belt, Black Belt, Green Belt, Champions, Projektleiter).

3-D-Produktion: Diese Technologie wird dazu führen, dass Verbraucher ihre Waren selbst drucken. Damit kommt der Binnenmarkt wieder mehr zum Zuge. Große Teile der auf Billiglöhnen basierenden Massenproduktion in Indien und China wird damit Probleme kriegen. Denn alles, was zwischen der Produktion in China und dem Kauf in Deutschland liegt - Transport, Zölle, Lagerhaltung, Handelsstufen - wird eingespart. Mittlerweile setzen auch Siemens und General Elektrik 3-D-Drucker in Service und Produktion ein. Extrem genaue 3-D-Drucker mit Lasertechnologie bietet in Deutschland EOS/ Krailling an. Sogar direkte Konkurrenten arbeiten mit Lizenz von EOS Erfinder Hans J. Langer. Der Großraum München ist eine Art 3-D-Cluster. Der industrielle 3D-Druck wird immer mehr ausgeweitet. Die Produktion von Gütern profitiert von innovativen Techniken der additiven Fertigung. Es kommt Drucken on demand und 3D-Druck als Service. Noch ist die Ersatzversorgung eher schlecht. Aber personalisierte Produkte sind auf dem Vormarsch. Der entscheidende Vorteil liegt bei den Kosten: Bei herkömmlicher Produktionsweise treten nach einiger Zeit Skalierungseffekte bei den Kosten auf. Beim 3D-Druck bleiben die Kosten dagegen immer gleich. Beim 3-D-Druck führen die Unternehmen der EU. 722 Komponenten (314 aus Deutschland) stammen aus der EU, vor Amerika mit 421 Komponenten (383 aus den USA). Mit 168 folgt Asien (57 aus China). Bei den Materialien führt Polymer (Kunststoff) vor Metall. Die meisten unternehmen mit 3-D-Technik sind in der Luftfahrt, gefolgt von Konsum und Chemie. die Automobilbranche liegt an vierter Stelle. zunehmend werden 3-D-Drucker in der Ersatzteilproduktion eingesetzt. 3D-Drucker können Spielzeug, Waffen, Autos drucken. Einer chinesischen Firma ist es nun 2015 gelungen, eine Villa herzustellen. Daimler arbeitet in Stuttgart mit "Augmented Reality": Mitarbeiter nutzen 3-D-Brillen. Damit testen sie Montierbarkeit, die Ergonomie und das Design. Konstruktions- und Wartungsfehler können vermieden werden. 2017 bringt Adidas individualisierte Sportschuhe auf den Markt. Sie kommen aus dem 3-D-Drucker und werden zusammen mit der kalifornischen Firma Carbon erstellt.  In uganda und anderen Entwicklungsländern versorgen Helfer Patienten mit günstigen Prothesen aus dem 3-D-Drucker. Sie haben allerdings ein Problem: Die damit hergestellten künstlichen Glieder brechen schnell. Zunehmend wird der 3D-Druck bei Sportartikeln eingesetzt. Sie können so maßgefertigt werden.

3-D-Druckstrategie: Sechs neue Geschäftsmodelle haben sich herauskristallisiert. Unternehmen sollten überlegen, mit welcher Strategie sie sich optimal gegen Wettbewerber durchsetzen können. 1. Individualisierte Massenfertigung. 2. Massenvielfalt. 3. Massensegmentierung. 4. Massenmodularisierung. 5. Massenkomplexität. 6. Massenstandardisierung. Vgl. Richard A. D´Aveni: Die 3-D-Druck-strategie, in: Harvard Business Manager, September 2018, s. 68ff.

Autoteile aus dem 3-D-Drucker: Czinger/ Divergent in Los Angeles fertigt mehr als 500 Teile seines Sportwagens im 3-D-Drucker. Das ist eine gedruckte Revolution. Besonders das Gewicht ist ein Verkaufsargument. Die Fahrzeuge werden leichter, günstiger produziert, ultraeffizient mit Strom bzw. Kraftstoff umgehen.

Digital Twins: Digitale Kopien optimieren Produktionsprozesse und die Wartung von Geräten. Es gibt drei Kategorien: Geschlossene digitale Zwillinge (Ausrüstungs-OEMs). Geteilte digitale Zwillinge (OEMs erlauben eine gemeinsame Nutzung von Daten mit Partnern und eine Erweiterung durch Kunden). Offene digitale Zwillinge (Jeder kann sie uneingeschränkt nutzen oder erweitern). Es ist mehr als eine Simulation. Die Technik hat großes Potential.

Investment Casting: System für Feinguss. Alternative Technik zum 3-D-Druck. einer der führenden Mittelständler auf diesem Gebiet ist MK Technology, Grafschaft bei Bonn.

Agile Produktion: Das Unternehmen muss so schnell und behände wie möglich die Richtung ändern können. Die Produktionsanlagen müssen sich rasch umstellen lassen. Das geht nur mit computergestützten Produktionsmethoden. Aspekte sind stete Innovation, integrierte Technologie, Transportsystem und flexible Arbeitskräfte (Wissenskultur) sowie modulare Produkte.

Vernetzte Produktion: Produktionsanlagen und Maschinen bleiben unverändert. Die Fertigungsprozesse werden nicht beeinflusst. Die Vorteile bestehen zunächst bei Wartung und Produktionsplanung. Es wird nur über Maschinenzustände informiert.

Netzwerkwirtschaft: Online-Netzwerke wie Facebook sind selten von Größennachteilen betroffen. Ihr Größenvorteil wächst auch auf internationaler Ebene (zunehmende Skalenerträge, weil die Kosten eines zusätzlichen Nutzers gleich null sind). Die Vorteile für die Nutzer wachsen auch.

Computergestützte Produktionswirtschaft: CAD = Computer Aided Design. EDV-Unterstützung im Entwurfs- und Konstruktionsbereich. CAP = Computer Aided Planning: EDV-Unterstützung bei der Produktionsablaufplanung. CAM = Computer Aided Manufactoring: Computer-Unterstützung beim Fertigungsprozess. CAQ = Computer Aided Quality Assurance: EDV-Unterstützung bei der Qualitätssicherung. Nach der betriebswirtschaftlichen Ausrichtung unterscheidet man PPS-Systeme und betriebswirtschaftliche Komplettlösungen.

Speed Factory: Produktsysteme müssen sich immer schneller Änderungen schwankender Märkte oder stärkerer Produktpersonalisierung anpassen. Änderungen sind mit viel Aufwand, Zeit und Kosten verbunden. Deshalb müssen adaptive Systeme entwickelt werden, die Produktionsressourcen, Produktionsabläufe und Materialflüsse modellieren. Vgl. Keddis, N./ Zoitl, A./ Hill, J.: Die adaptive Fabrik von Morgen. Zukunftsvision oder heute schon Wirklichkeit? in: WiSt Heft 5 /2016, S. 229ff. Adidas arbeitet im bayrischen Ansbach mit einem solchen Werk. Turnschuhe werden komplett maschinell, aber gleichzeitig auch individuell produziert. So kann optimal auf Markttrends reagiert werden. Außerdem werden hohe Lagerhaltungskosten vermieden. eine zweite Fabrik wird in Atlanta/ USA eingerichtet. 2019 stoppt Adidas die Projekte. Die Technologie wird nach Vietnam und China verlagert, weil sie sich nicht rechnet Sie erhielt den Innovationspreis 2018 und war staatlich gefördert worden.

Produktion 4.0 (Smart Factoring): In der Fabrik der Zukunft werden IT- und Fertigungstechnik verschmelzen. Immer mehr Maschinen kommunizieren über das Internet. Damit wird auch immer mehr improvisiert (ausgehend von einem groben Schema viele kleine Abweichungen). Die gesamte Produktion ist vernetzt. Das heißt, es findet eine umfassende Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Maschinen statt, in die auch Kunden und Geschäftspartner eingebunden sein können. Robotterquallen sind relativ autonom. Durch die starke Vernetzung wird die Sicherheit zum Problem. Diese Technik gilt als Krönung der Produktion. Die deutsche Industrie hat 2014 ein bis zwei Jahre Vorsprung. Die Vernetzung bietet grundsätzlich ganz neue Geschäftsmodelle (völlig neue Produktionslogistik). Die größten Hindernisse gegen die Ausbreitung von 4.0 sind: Lücken in der IT - Sicherheit, fehlende Normen, fehlende Fachleute, mangelnde Infrastruktur und hohe Kosten. Die KMU sind in dieser Produktionstechnik stark (Pionier dieser vierten industriellen Revolution). Einzelfertigungen und Kleinserienfertigungen, die traditionell hier gefertigt werden, können sehr viel billiger hergestellt werden. Die Produktion 4.0 hat drei Grundelemente: Selbststeuerung (Smart Factory, cyber-physische Systeme, CPS, es verschmelzen virtuelle und reale Welt); Interaktion (alle Daten tragen die Produktkomponenten in sich, dezentrale Selbstorganisation); Information (der Industriearbeiter ist Planer und Entscheidungsträger, Smartphone). Die "Integrated Industry" mit ihrer Vernetzung hat auch Auswirkungen auf den Markt, auf Arbeitsplätze, auf Ausbildung und Geschäftsbeziehungen. Der Produktionsstandort Europa könnte gesichert werden. Es kommen neue Entwicklungspartnerschaften mit mehr Kooperationen. Die Arbeitsplätze könnten höherwertiger werden. In den USA entsteht 2014 ein neues Normungskartell. Dadurch könnten die deutschen Unternehmen ihre bislang gute Position bei den Standards für die Industrie 4.0 verlieren. Normensetzung und ein gutes Rechtssystem sind Voraussetzungen der Produktion 4.0. Von den Arbeitnehmern fordert die Produktion 4.0 mehr Flexibilität (Abhängigkeit von Marktimpulsen wird stärker, Produktionszyklen werden noch kürzer).  Als Keimzelle der Produktion 4.0 gilt der Lehrstuhl von Prof. Dr. Detlef Zühlke an der TU Kaiserslautern  zusammen mit dem Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz GmbH, Kaiserslautern. Zusammen wurde dann die "Smart Factory" gegründet, die als Modell für die Industrie der Zukunft gilt. 40 Mrd. Euro will die Wirtschaft jährlich in digitale Technik investieren bis 2020: An der Spitze liegt die Autoindustrie vor dem Maschinen- und Anlagenbau, der Elektroindustrie und der Informations- und Kommunikationsindustrie. 2015 plant die Bundesregierung ein Industrie-4.0-Konsortium (Spitzenvertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft). Es soll bei der Fraunhofer-Gesellschaft angesiedelt sein und Standards schaffen. 2015 bringt die Boston Consulting Group eine Studie zu den Folgen der Industrie 4.0. Die Prognose geht bis 2025. Die Folgen erstrecken sich auf die Änderung der Verteilung der Branchen, das zusätzliche Umsatzwachstum, die Produktivitätssteigerungen, die Zahl der Arbeitsplätze und den Jobzuwachs. Es werden erhebliche Zuwächse gesehen. 2015 nutzt bereits jedes vierte Unternehmen in den vier Kernbranchen Automobilbau, Chemie, Elektrotechnik sowie Maschinen- und Anlagenbau spezielle Anwendungen für Industrie 4.0 (Quelle: Umfrage Bitkom). Nach einer Umfrage von PAC 2015 halten vor allem zwei Gründe die Industrie noch von Industrie 4.0 ab: Hohe Investitionskosten und fehlende Standards für Datenaustausch. Auf dem dritten Platz liegt fehlendes Know-how/ Ressourcen. Der Maschinenbauer Trumpf betreibt eine Smart Factory in Chicago. Hier können die Kunden des Unternehmens sehen, wie eine ideal vernetzte Produktion im Zeitalter der Digitalisierung aussieht. Maschinen und Kunden sollen optimal vernetzt werden. Der Heizungsbauer Viessmann wandelt sich vom Heizungsbauer zum Lösungsgeschäft: Die Produkte sind digitaliisert und vernetzt. Die Daten wandern in die Cloud und die Heizung kann per App gesteuert werden. Die gesamte Anlage kann online gewartet und überwacht werden.

SmartFactory KL: 2005 gründete sich die Technologie-Initiative als eingetragener Verein in Kaiserslautern. Gründungsmitglieder sind die BASF in Ludwigshafen und das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern, Siemens und die TH Kaiserslautern. 2007 wurde die erste Demonstrationsanlage erstellt. 2013 wird die zweite Anlage auf der Hannovermesse gezeigt. Es handelt sich um eine Forschungsplattform für vernetzte Produktion: Funketiketten verbessern die Lagerhaltung, intelligente Roboter sparen eigenhändig Energie, organisierte Produktionsabläufe melden Mängel. Es werden in Deutschland Kompetenzzentren eingerichtet. Die Federführung hat das DFKI in Kaiserslautern. Vier weitere Zentren entstehen in Darmstadt, Hannover, Dortmund und Berlin. Langfristig sollen in allen Bundesländern Zentren vorhanden sein.

Campus Buschhütten, Kreuztal: Gegründet 2022. Es gibt folgende Elemente: 1. Smarte Demonstrationsfabrik Siegen (Reallabor, Technologie - Showroom, Akzelerator für Start-ups). 2. Industrielle Partner (Südwestfalen und angrenzende Regionen). 3. Forschungspartner: Uni Siegen, RWTH Aachen, Werkzeugmaschinenlabor (WZL), PROTECH - Institut. 4. Smarte Lernfabrik (SLB). 5. Additive Fertigung. Applikation in Metall. Entwicklung der additiven Prozesskette zur digitalen Durchgängigkeit.

Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum, Kaiserslautern www.kompetenzzntrum-kaiserslauter.digital . Kostenfreie Beratung von KMU bei der Digitalisierung in RLP und Saarland. Themen sind auch Qualifizierung, Bildung und Sicherheit. Es werden immer mehr Demonstratoren (kleine modulare Anlagen der Smart Factory) eingesetzt.

Wertstromkinematik (Industrie 5.0): Revolution bei der Fertigung. Beinhaltet eine neuartige Produktionsplanung. Einbeziehung der Kunden, Kreativität nutzen.  Besonders geeignet für volatile Märkte. Flexibel und produktiv. Einsatz: Wiederaufarbeitung gebrauchter Produkte (Remanufactoring). Einsatz auch in kleinen Handwerksbetrieben. Das WBK Institut für Produktionstechnik/ Karlsruhe (gehört zum KIT, Karlsruher Institut für Technologie) arbeitet an der Technik.

Horizontale Integration: Kombination verschiedener IT-Systeme zu einer integrierten Lösung innerhalb eines Unternehmens und entlang der Wertschöpfungskette über mehrere Unternehmen. Es handelt sich um die Informationstechnologie, die in Planung, Fertigung, Logistik und Vermarktung zum Einsatz kommt. Bei der vertikalen Integration werden mehrere IT-Systeme über verschiedene Hierarchieebenen verknüpft. Solche Hierarchieebenen sind z. B. Steuerung, Sensorik und Produktion.

Cyber-physische Systeme (CPS):  Sie sind über digitale Netze verbundene "soziotechnische Systeme", die völlig neue Funktionen, Dienste und Eigenschaften mit sich bringen. Sie erfassen über Sensoren Daten, reagieren auf diese und erlauben umfangreiche Steuerungseingriffe in Echtzeit. Das kann die Umrüstzeit von Anlagen verkürzen und kleine Produkt-Stückzahlen können zu den Preisen von Massenproduktion hergestellt werden. Damit verbunden sind aber große Sicherheitsprobleme. Für die ausgetauschten Informationen müssen auch die Kapazitäten der Übertragungsnetze für riesige Datenmengen erhöht werden. Intensiv in diesem Geschäft ist der Technologiekonzern ABB tätig. Die Fernwartung von Robotern und Maschinen ist eine große Herausforderung.

Manufactoring Exekution System (MES): IT-System zur Echtzeitsteuerung und -kontrolle der Produktion, das in den Produktionsprozess integriert ist. So ist eine Erfassung von Maschinen-, Betriebs- und Prozessdaten möglich.

Re-Life Projekt: Ein Projekt der Unis in Siegen und Aachen.  Es wird vom Bund gefördert. Es geht um intelligente Instandhaltungsmaßnahmen. Man könnte auch von Fernwartung von Maschinen mittels App sprechen. Ökonomie, Ökologie und Soziales sollen sich gegeneinander optimieren. Die Firma Achenbach-Buschhütten ist Weltmarktführer bei Maschinen für dünne Folien. In der Regel sind diese aus Aluminium und werden in Lithium - Ionen -Batterien eingesetzt. Die Produktion der Folien erfolgt hauptsächlich in china, Japan und Süd-Korea.

Entwicklungsstufen in der industriellen Produktion (historisch): Im 18. Jahrhundert wurden mechanische Produktionsanlagen mithilfe von Wasser- oder Dampfkraft eingeführt (zuerst mechanischer Webstuhl 1784). 1870 kam das erste Fließband in den Schlachthöfen von Cincinnati. Ford setzte erstmals in großem Maße das Fließband beim T-Modell ein (30% Kostenersparnis). 1969 gab es die erste speicherprogrammierte Steuerung. Zunehmend wurde Elektronik und Informationstechnologie zur weiteren Automatisierung eingesetzt (Dritte industrielle Revolution). Heute haben wir die vierte industrielle Revolution. Maschinen und Produkte sind "vernetzt" und kommunizieren miteinander. Man spricht auch von vier Revolutionen.

Digitalrevolution in Unternehmen: Supercomputer können selbständig lesen (z. B. alle Studien zu einem Thema, was Menschen heute nicht mehr möglich ist). Sie können unvorstellbare Datenmengen bewältigen. Sie können schon selbständig Werbung machen und Jobbewerber aussuchen. Neue Programme übersetzen live und machen damit teure Dolmetscher überflüssig. Werden die Menschen im Unternehmen davon profitieren oder eher ihren Job verlieren? Selbst in Billiglohnländern ersetzen Computer mehr Arbeitsplätze in der Fertigung. Die künstliche Intelligenz könnte aber auch zunehmend Arbeitsplätze im gehobenen Bereich kosten. So plädieren Experten (wie Brynjolfson vom MIT) wieder für die Idee des Grundeinkommens.  "Es droht die Entstehung eines digitalen Prekariats", Reiner Hoffmann, DGB-Chef 2014. Folgendes zusätzliches Wertschöpfungspotential zeigt sich im Jahre 2025 in folgenden Brachen: Maschinen- und Anlagenbau 89Mrd. Euro; Logistik 54 Mrd. Euro. Nach Eigeneinschätzung haben folgende Branchen die höchste digitale Reife: Chemie (46%); Logistik (39%). Quelle: Roland Berger Unternehmensberatung. "Es ist wichtig, dass der Kopf sich ständig weitet. Wenn wir nicht mehr neugierig sind, dann bleiben wir stehen", Jörg Mittelsten Scheid, als Digitalisierungsmacher für sein Lebenswerk geehrt, mit 81 Jahren. Erfolgsgeschichten sind folgende Beispiele: Digitale Bilder (CEWE aus Oldenburg, Fotodienstleister), BLG Logistics (Bremen, mit Carrys, Exoskelette und Drohnen), Hausner HLS Passau mit effizienter Müllentsorgung, digitale Pressen (Maschinenbauunternehmen Schuler).

Montageinseln: Digital vernetzte Montageinseln sorgen für eine Revolution in der Produktion, z. B. in der Automobilindustrie. Es fliegen Drohen und 3-D-Drucker fertigen Teile. Führerlose Gabelstapler liefern aus. Die Verkehrsströme werden von Paula (selbst entwickelte Transportroboter mit GPS und Sensoren).

Disruption: Entmaterialisierung der Geschäftsmodelle. Das größte Transportunternehmen der Welt im Individualverkehr besitzt keine Autos, nur eine Plattform. Der weltgrößte Anbieter von Übernachtungen besitzt kein Hotel, nur eine Plattform.

Modularisierungsstrategie: Firmen zerlegen Produkte in Module und setzen sie anschließend wie Baukastenteile neu zusammen (Lego-Prinzip). So erreichen die Produkte eine größere Standardisierung. Damit aber nicht alle irgendwie gleich aussehen, muss zusätzlich eine Individualisierung erfolgen. Die unternehmen haben mit dieser Strategie das Dilemma der Globalisierung gelöst: Sie können einerseits mehr regionale und lokale Märkte bedienen und andererseits den Weltmarkt bedienen. Komplexität und Kosteneinsparung kann gleichzeitig erreicht werden. Hauptziel ist es, die Kosten in einem Unternehmen zu senken, das viele Produkte oder Modelle hat. Dank des modularen Vorgehens können Unternehmen ihre Produktion und Entwicklung weniger komplex machen. dieses Baukastenprinzip vereinfacht die Planung und Konstruktion und verbilligt den Einkauf. Das Prinzip hat sich vor allem in der Autoindustrie durchgesetzt. Bei Volkswagen wird es besonders intensiv verfolgt. Es gibt modulare Querbaukasten, Längsbaukasten, Sportbaukasten und Baukasten für Nutzfahrzeuge. Auch Toyota führt die Strategie ein.

Künstliche Intelligenz (Mensch-Roboter-Kooperation/ MRK,KI, z. B. Kuka-Roboter): Industrielle "Sklaven" für die Produktion. Sie werden in der Automobilindustrie, aber auch zunehmend in der Logistik, der Medizin und Landwirtschaft, eingesetzt. Damit schrumpfen die Kostenvorteile der Schwellenländer (vor allem die Lohnstückkosten). Alte Industrieländer wie z. B. die USA werden wieder wettbewerbsfähiger, weil sie über bessere Infrastruktur und höhere Stabilität verfügen. Bei den USA kommen noch die geringeren Energiekosten und die Einschätzung als Kompetenzzentrum dazu. Betrachtet man die Anzahl der Roboter je 10.000 Arbeiter führt 2014 Südkorea mit 396 Robotern, vor Japan 332, Deutschland 273, USA 141, China 23 (Quelle: International Federation of Robotics). Rund 17 Milliarden Dollar flossen seit 2009 in KI-Unternehmen). 2014 war das Jahr der KI (Google-Programm kann Fotos beschreiben, Nestle setzt Roboter in seinen Kaffeeläden ein). 2045 könnte Roboter so schlau wie Menschen sein (Fabriken, Verkehr und Landwirtschaft sind komplett automatisiert).  Nach einer Studie der IFR World Robotics gab es 2007 einen Absatz von etwas über 100.000 Industrierobotern weltweit. 2013 lag der Absatz schon fast bei 200.000. 2017 werden fast 300.000 geschätzt. Die zunehmende Vernetzung von Mensch und Maschine in der Industrie-Fertigung soll die Arbeitsprozesse erleichtern. Eine besondere Form der künstlichen Intelligenz besteht in der Aneinanderkoppelung von menschlichen Gehirnen und Computern. Es geht um Lenken per Gedanken (Human-Brain). Die Frage wird immer wichtiger, wer künftig haftet, wenn Maschinen Fehler machen (sind sie vergleichbar den Sklaven in der Antike?). Immer wichtiger wird die Grenze in der Informatik, die man Berechenbarkeit nennt. Was jenseits der Grenze der Berechenbarkeit liegt, lässt sich nicht automatisieren. Dazu gehören die Gefühle oder alles, was Leben ausmacht. Vielleicht gelingt es, ein künstliches Bewusstsein zu schaffen. Damit würden wir die Kontrolle in uns selbst gewinnen. Das wäre dann die größte Revolution seit Beginn des Lebens auf dem Planeten. Vgl. Y. N. Harari: Homo Deus, München 2017.  Es gibt bekannte und einflussreiche Warner und Anhänger der künstlichen Intelligenz. Zu den bekanntesten Gegnern gehören Elon Musk und Stephen Hawking (letzter Fortschritt der Menschheit, Kriegsgefahr). Zu den Anhängern zählen Mark Zuckerberg und Larry Page.   Deep Mind - Mitarbeiter (mittlerweile gehört das Unternehmen zu Google) haben eine Software entwickelt, die bei dem Strategie-Spiel Go (schwieriger als Schach) immer gegen Menschen gewinnt. Apple hat wohl das Thema künstliche Intelligenz verschlafen. Jetzt will Tim Cook das Versäumte nachholen.

Industrial Internet Consortium (IIC): Es arbeitet in den USA am Internet der Dinge. Es hat 2015 mehr als 200 Mitglieder. Es entspricht in etwa dem deutschen Pendant Industrie 4.0. Das IIC wird non der Normungsgesellschaft OMG geführt (etwa 800 Mitglieder). Es ist für die Entwicklung von Standards zuständig. Beide Institutionen führt der Computerexperte Richard Soley.

Industrial Internet of Things (IIOT): Es schafft Effizienzgewinne und neue Geschäftsmodelle. Von 2017 an soll der deutsche IIOT-Markt um fast 20% jährlich zulegen (von 7,2 Mrd. € 2017) auf 16,8 Mrd. € 2022  (Quelle: Arthur D. Little 2018). In der Regel verläuft IIOT in drei Schritten: 1, Pilotierung un dGrundlagenbildung. 2. Industrialisierung und Wachstum. 3. Skalierung. Ein ganz wichtiges Element ist die Plattform. Es gibt z. B. Adamos, Bosch Software Innovations/IoT-Plattform, Deutsche Telekom/ IoT-Plattformen, Siemens/ Mindshere u. a. Sicherheit ist die Achillesferse det IIOT.

Anwendungsbereiche von Industrial-IoT-Plattformen: Asset Tracking und Management, Automation Control und Management, Business Process Optimization, Emergency und Incident Management, Logistics, Predicitive Maintenance, Real Time Workforce Tracking und Management, Supply Chain Management. Es gibt eine Reihe von kommerziellen Plattformen: Bosch IoT Suite, Google Cloud IoT, IBM Watson IoT Plattform, Oracle IoT Plattform, Siemens Mindsphere, Voith OnCumulus.

Web of Things (WoT): Das World Wide Web Consortium (W3C) ist das Gremium zur Standardisierung der Techniken des World Wide Web, Im Jahre 2017 wurde die Arbeitsgruppe Web of Things gegründet. Ziel ist eine einheitliche Anwendungsschicht. Dazu gibt es zwei Standards: WoT Architecture und WoT Thing Description. 

Blockchain: Sie ermöglicht ganz neue Prozessketten. Dezentralisierung ist das Stichwort. Lieferketten verändern sich. Handelsregister kann umgestellt werden. Vier Formen sind möglich: Private Blockchain (werden von einer Organisation kontrolliert). Halb private Blockchain (Organisation vergibt Zugriffsrechte). Konsortium-Blockchain (Gruppe). Öffentliche Blockchain (von jedem lesbar).

Blockchain in der Lieferkette: Die aktuellen Systeme zur Aufzeichnung von Informationen , Warenbeständen und Finanzströmen in der Lieferkette lassen zu wünschen übrig. Sie weisen viele Lücken auf, die Käufer, Lieferanten und Banken Schwierigkeiten machen können. Tests zeigen, dass Blockchain - Technologie einen Ausweg bieten kann. Sie macht Produktlieferungen schneller, verbessert die Nachverfolgbarkeit der Ware, sowie die Abstimmung zwischen Geschäftspartnern. Zudem kann  sie den Finanzierungsprozess optimieren. Eine Blockchain in der Lieferkette erfordert Teilnehmer, die einander vertrauen, sowie einen Konsensmechanismus und Schutz vor fehlerhaften oder gefälschten Produkten. Vgl. Gaur, V./ Gaiha, A.: Revolution in der Lieferkette, in: HBM Juli 2020, S. 66ff.

Sensitive Robotik: Roboter, die von Menschen eingesetzt werden, um z. B. gefährliche Materialien zu berühren, können in Zukunft spüren, was sie berühren und dementsprechend darauf reagieren. Audi setzt auf Mensch-Roboter-Kooperation. In der Montage werden schutzzaunlose Roboter eingesetzt. Sie heben die schweren Teile und positionieren sie im Fahrzeug. Die Montagemitarbeiter verschrauben die eingesetzten Teile.

Roboter und ihr Einsatz: Einsatzbereiche für Roboter sind heute oder in naher Zukunft Lieferbereich (Paketboten), Nanoroboter (bringen Medikamente in die Zellen), Pflegeroboter in Japan, Operationsroboter (präziser als Menschenhände), Verkaufroboter, Kampfmaschinen beim Militär, autonom fliegende Drohnen-Taxis ohne Stau, Haushaltsroboter, Industrieroboter.

Industrieroboter: So gibt es im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI)  AILA als Forschungsplattform. Produktionsprofis werden in der Flugzeug- und Automobil- bzw. in der Möbelindustrie eingesetzt. Mehrzweckroboter lassen sich mit anderen interagieren (KMU). Selbstfahrer werden in der Logistik eingesetzt. Kollaborierende Roboter arbeiten mit dem Menschen zusammen (Berührungsprobleme). In Singapur wird ein Roboter entwickelt, der Ikea-Möbel nach Studieren der Anleitung zusammenbauen kann. 2018 setzen 16% der deutschen Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe (mindestens 10 Beschäftigte) setzen Industrieroboter oder Serviceroboter ein. Wer Roboter einsetzt gewinnt. Unternehmen, die keine Roboter einsetzen ("Non-Adopters") mussten dagegen zahlreiche Mitarbeiter entlassen. Siehe Michael Koch et al.: Robots and firms, CESifo Working Paper, April 2019.

Einsatz von Industrierobotern weltweit (Automatisierung):  (weltweiter Durchschnitt 85, Roboter je 10.000 Industriebeschäftigte; Stand 2017): Südkorea 710, Singapur 650, Deutschland 322, Japan 308, Schweden 240, Dänemark 230, USA 200. Insgesamt sind 2,1 Mio. Roboter im Einsatz. Quelle: IAB, IFR. 2018 überholt Singapur Südkorea (831 Roboter pro 10.000 Angestellte). Deutschland bleibt auf dem 3. Platz (338)

Kollaborative Roboter: Roboter, die mit Menschen zusammenarbeiten. Führende Hersteller in der Welt sind: ABB (Schweiz), Bosch (Deutschland), Fanuc (Japan), Universal Robots (Dänemark), Smokie, Han´s Motor, Elephant (alle China). China subventioniert der heimischen Hersteller mit Milliarden. Das führt zu einem Überangebot in China. Wenn es dies exportiert, könnte eine Roboterblase und ein Preisverfall drohen.

Humanoide Roboter: Die Maschinen werden immer menschlicher. Führend in Deutschland ist das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). In Japan ist die Softbank führend. Der Nutzen ist eher fragwürdig. Aber insgesamt können Spezialmaschinen weiterentwickelt werden.

Hyperautomatisierung: Elemente: 1. Robotics Process Automation (RPA): Automatisierung repetitiver Aufgaben durch Software-Roboter. Abläufe können über Skripte definiert und als Macro aufgezeichnet und dann vom Roboter selbständig ausgeführt werden. 2. Process Mining: Analyse der Log-Dateien von Applikationen mit dem Ziel, Muster, Trends in der Verarbeitung von Prozessen zu erkennen. 3. Process Discovery. 4. Natural Language Understanding (NLU): Semantische Analyse von Nutzereingaben. 5. Natural Language Processing (NLP): Computerbasierte Erkennung von Inhalten. 6. Low Code( No Code: Plattformen, die automatisch programmieren. 7. KI - basierte Entscheidungsfindung: 8. Intelligent Business Process Management (IBPM). 9. Human/ bot Engagement. 10. Enhanced Optical Character Recognition (OCR). 11. Case Management. 12. Businesss Rules Engine. Vgl. Hafen, Thomas: Wenn Unternehmen zum Selbstläufer werden, in: com!professional 12/2020, S. 14ff.

Vorteile der Hyperautomation und Anbieter: 1. Vereinfachung und Beschleunigung der Abwicklung komplexer Aufgaben. 2. Schnellere Geschäftsentscheidungen auf fundierter Datenbasis und der Grundlage KI -basierter Analysen: generell höhere Agilität des Unternehmens. 3. Bislang unbekannte beziehungsweise unerkannte Beziehungen zwischen Funktionen, Prozessen und KPIs werden transparent. 4. Echtzeitinformationen über Geschäftsaktivitäten und den geschäftlichen Erfolg des Unternehmens. 5. Unterstützung bzw. Entlastung von Mitarbeitern durch die Digital Workforce (Bots). 5. Mitarbeiter können sich auf höherwertige Tätigkeiten konzentrieren. 6. Optimierte Zusammenarbeit mit Kunden und Mitarbeitern. 7. Auch Mitarbeiter in den Fachbereichen können mittels Low-Code- und No-Code-Lösungen Prozesse automatisieren. 8. Geringere Kosten durch Verlagerung von Tätigkeiten und Bots. Anbieter sind die gängigen Unternehmen: IBM, Microsoft,  Oracle, SAP. Aber auch viele Spezielle: Red Hat, Dataspark, Boomi, UiPath u. a. Vgl. Reder, Bernd: Agiler durch Hyperautomation, in: com!professional 3/2022, S. 14ff.

Schichttausch per App: Eine Revolution im Produktionsmanagement. Es ist ein Lösen von starren Vorgaben. Beschäftigte müssen flexibel sein. Es können individuelle Arbeitszeitmodelle eingerichtet werden. Es kann auch Druck durch die smarten Tools entstehen.

Robotik in der Intralogistik: Nutzung automatisierter Förderfahrzeuge und Regalsysteme für Einlagerung, Transport und Kommissionierung innerhalb eines Standorts. Beispiele von Innovationen: Butlersysteme für den Transport Ware-zu-Mensch, Ergonomische Exossklelette zur Unterstützung des Menschen. Pilotanwendungen: VW-Werk-Bratislawa. Amazon. Vgl. Hoberg, K./ Alicke, K./ Rachor, J.: Die Digitale Lieferkette, in: HBM, Januar 2020, S. 53.

Online-Plattformen der Zulieferer: E-Commerce und Online-Shopping breitet sich auch immer mehr bei Firmen aus. Dabei steht das Finden eines günstigen Preises im Mittelpunkt. Das Geschäft zur digitalen Lieferabwicklung wird stark expandieren. Kataloge können dynamisch angepasst werden; Bestätigungen automatisch versandt werden (dies kann bis zum Transportmanagement ausgedehnt werden). 2000 namhafte Autozulieferer haben die Plattform "SupplyOn" gegründet, um der Einkaufsmacht der Autohersteller etwas entgegenzusetzen.  

Kollaborations- und Cloud-Plattformen: Anwendung von Cloud-Technologie zur Vernetzung unterschiedlicher Akteure innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette. Beispiele: Echtzeitdatenaustausch zwischen Partnern. Einbindung von Echtzeitverbrauchsdaten von Kunden. BASF.

Micro Factories: Fabriken, die nicht größer sind als ein Supermarkt. Hier werden mit 3-D-Druckern, CNC-Maschinen und Laserschneidern Produkte für den lokalen Bedarf gebaut. Beispiele sind das US-Start-up Local Motors (Kleinbus Olli), GE oder Barcelona.

Mass Customization: Maßgeschneidertes zum Preis von Massenware. Philips macht dies z. B. mit Rasierapparaten. Der Autobauer Daihatsu lässt individuell Autos gestalten. Beispiele sind aber auch Textilien, Uhren, Schuhe, Fertighäuser, Küchen, Möbel, Lebensmittel. Der Bergriff ist ein Oxymoron: aus mass production und customization. Im Deutschen könnte man von Kundenindividueller Massenproduktion (individualisierte Massenfertigung) sprechen. Einerseits werden die Vorzüge der Massenfertigung Skaleneffekte, Erfahrungskurvenvorteile, Automation mit andererseits optimaler Befriedigung der Kundenbedürfnisse verbunden. Man unterscheidet Hard und Soft Customization. Die Produktionsweise beinhaltet Modularisierung (siehe oben) und "Open-Innovation". Wertschöpfungsprozesse werden durch digitale Vernetzung der einzelnen Stufen und dank immer genauerer Big-Data-Analysen tatsächlich immer kleinteiliger und feingliedriger. Das begünstigt Individualisierung. Das kann auch zu größerer Gründungsdynamik mit beruflicher Selbständigkeit (mit Selbstorganisation, Selbstvermarktung) führen, worauf Bildungseinrichtungen reagieren müssen. Mass Customization ist ein Konzept zwischen Einzel- und Massenfertigung. Der Kunde wird einbezogen, damit eine möglichst hohe Effizienzsteigerung innerhalb der Wertschöpfungskette möglich ist. Es wird auf feste Routineprozesse gesetzt (hohe Varietät der Produkte, Baukastensysteme). Vgl. Reichwald/ Piller: Interaktive Wertschöpfung: Open Innovation, Individualisierung und neue Formen der Arbeitsteilung, Wiesbaden 2009.

Design Thinking: Bei der Entwicklung von Produkten steht der Nutzer im Fokus. Der Prozess ist in der Regel Verstehen, Beobachten, Sichtweise definieren, Ideen finden, Prototypen entwickeln, Testen. Diese elemente setzen auf einen mehrstufigen Prozess mit optimierten räumlichen Gegebenheiten und multidisziplinären Teams. Drei Faktoren müssen optimal verbunden werden: Menschliche Bedürfnisse, Technische Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit.

Individualisierung in der Fertigung: Digital Factories können individuelle Massenfertigung und eine vernetzte Fabrik. 91% der deutschen Industrieunternehmen investieren 2018 in digitale Fabriken. Ziele sind verbesserte Prozesse, verbesserte Kapazitätsauslastung, geringere Produktionskosten, schnellere Umsetzung von Kundenwünschen, bessere Planung von Wartungsfenstern, geringere Personalkosten, flexiblere Arbeitsorganisation.

Vorteile der Individualisierung: Zusätzliche Wertschöpfung. Minimale Lagerkosten bei On-Demand-Fertigung. Steigerung des subjektiven Werts des Angebots aus Sicht des Käufers. Erhöhung der emotionalen Bindungskraft der Marke. Stärkung der langfristigen Kundenloyalität. Steigerung der Wechselkosten zu einem alternativen Anbieter. Mehr Customer Intelligence für das Unternehmen. Ansprache neuer Kundengruppen. Erweiterung der Produktpalette.

Elemente der Individualisierung: 1. Digitale Zwillinge: auch Digital Twins genannt. Es handelt sich umeine virtuelle Repräsentation der physischen Realität in Bezug auf Objekte wie auch auf Prozesse mit dem Ziel, die Optimierung der Betriebsabläufe zu erleichtern. 2. Vertikale Integration: Industrie 4.0 wird als Anwender und auch interner Lieferant im Bereich industrieller und mobiler Steuerungssysteme sowie hydraulischer Bewegungseinrichtungen genutzt. 3. Licht aus und Hände weg: nur noch Datenwissenschaftler und Softwareentwickler. 4. ARENA 2016 ist ein Forschungscampus der Ubi Stuttgart zusammen mit dem BMBF. Es ist die größte Forschungsplattform für Mobilität.

Unternehmerische Wettbewerbsfähigkeit und Industrie 4.0: Drei Tendenzen sind prägend: Vernetzungen, Digitalisierung, Big Data. Diese Entwicklungen wirken sich in drei Bereichen aus. 1. Effizienz: (Energie- und Ressourceneffizienz, Produktivitätssteigerungen). 2. Time-to-Market (Kürzere Innovationszyklen, komplexere Produkte). 3. Flexibilität (Individualisierte Massenfertigung, Volatile Märkte). Wertschöpfung muss mehr aus dem Service um die Produkte herum kommen. Additive Fertigung in Niedriglohnländern könnte bald der Vergangenheit angehören.

Praktische Konsequenzen von Industrie 4.0: 1. Individuelle Angebote. 2. Selbständige Diagnosen (Fernwartung). 3. Lieferantenwechsel bei laufendem Produktionsprozess. 4. Integration der Kunden in die Wertschöpfung. Vgl. Heng, Stefan: Industrie 4.0, in: WISU 3/17, S. 321ff.

Peer-Produktion: Gemeingutfertigung durch Ebenbürtige. Sie basiert auf dem Bedürfnisprinzip. Die heute schon greifbaren Resultate sind freie Softwareprojekte wie Linux und Firefox oder auch Wikipedia. Die Trennung von Produzent und Konsument ist überwunden. Die Beteiligten produzieren - ohne Hierarchie und Machtstrukturen - in freiwilliger Kooperation.

Assisted, Augmented und Mixed Reality: Bei Assisted Reality werden Zusatzinformationen, die einen Vorgang unterstützen und vereinfachen, am Rande des Sichtfeldes transparent eingeblendet. Beispiele sind die Head-up-Displays mancher Navigations- und Assistenzsysteme, die Informationen auf die Windschutzscheibe in die periphere Sicht des Fahrers projizieren. Augmented Reality geht einen Schritt weiter und blendet computergenerierte 3D-Welten statt dürrer Zahlen oder einfacher Symbole in die reale Umgebung ein. Die echte Realität wird um virtuelle erweitert. Die Mischung aus virtuellen und physischen Komponenten bezeichnet man als Mixed Reality, es sind also VR-Anwendungen.

Datenbrillen: Man unterscheidet zwischen Monokularen Datenbrillen für Assisted Reality und Binokularen Datenbrillen für Assisted/Augmented)Mixed Reality. Hersteller ersterer sind z. B. Vuziz, Telepathy, Google und Fujitsu. Letztere kommen z. B. von Epson, ODG oder anderen. Die Hololens von Microsoft hat eine Sonderstellung. Windows Mixed Reality ist eine durchgängige Plattform zur Erstellung und Nutzung von Mixed-Realty-Anwendungen. Die Technik erobert Architekturbüros, Logistikhallen und Fertigungsstraßen.

Einsatzmöglichkeiten von Assisted, Augmented und Mixed Reality: Mehrwerte könnten in folgenden Bereichen erzielt werden: Logistik (Kommissionierung, geringere Fehlerquote, mehr Produktivität, höhere Mitarbeiterzufriedenheit); Fertigung (Anweisungen als Schritt-für-Schritt-Anleitung, komplexe Montagevorgaben); Bauwesen (Gebäude lassen sich visualisieren); Medizin (erweiterte Information während der OP); Qualitätssicherung (Prüfprotokolle); Marketing (Produkte in der realen Umgebung); Zusammenarbeit (Schulungen, Design); Service und Wartung (Wartungshandbücher, graphische Darstellungen); Aus- und Weiterbildung (Training an virtuellen Objekten); Militär (Informationssysteme in Fahrzeugen, Befehle). Vgl. com!professional 3/2018, S. 20.

Economies of Scale: Kostensenkungseffekte, die in der Folge sinkender durchschnittlicher Produktionskosten eintreten. Der Anteil der Fixkosten an den Gesamtkosten sinkt (Fixkostendegressionseffekt). Bei KMU schwerer zu verwirklichen.

Materialwirtschaft: Sie besteht aus Planung, Beschaffung, Transport, Lagerung und Entsorgung. Wichtig ist die Entscheidung "Make or Buy"? Der Beschaffungsmarkt muss auch erkundet werden. Die Lieferanten sollten gepflegt werden. Vgl. als ausgezeichnete Lektüre und Lehrbuch: Helmut Wannenwetsch: Integrierte Materialwirtschaft, Logistik, Beschaffung und Produktion, Springer 2022.

Materialarten: Rohstoffe. Hilfsstoffe. Betriebsstoffe. Zukaufteile. Handelswaren.

Kennzahlen der Materialwirtschaft: 1. Lagerbestand in Prozent des Umsatzes (= Lagerbestand geteilt durch Umsatz mal 100). 2. Durchschnittliche Lagerdauer (= 365 Tage geteilt durch Lagerumschlagshäufigkeit). 3. Lagerumschlagshäufigkeit (=Materialeinsatz pro Jahr geteilt durch durchschnittlicher Lagerbestand). 4. Lieferbereitschaftsgrad (= Anzahl der bedienten Bedarfspositionen geteilt durch Anzahl der Bedarfspositionen mal 100). Vg. T. Amely: BWL kompakt für Dummies, Weinheim 2017, S. 59f.

Beziehungen zu den Lieferanten: 1. Auswahl (Single Sourcing, Global Sourcing). 2. Dauer der Beziehung. 3. Form der Beziehung (Sicherheit, Wirtschaftlichkeit, Kapitalknappheit). 4. Mehrere Lieferanten (Netzwerk). Vgl. H. Albach: Allgemeine BWL, Wiesbaden 2000, S. 115ff.

ABC-Analyse: Verfahren der Klassifizierung, das häufig in der Materialwirtschaft, dem Vertrieb und bei Sortimentsbereinigungen eingesetzt wird. Produktgruppen werden z. B. in Klassen mit unterschiedlicher Bedeutung eingeteilt. Statistisch arbeitet man dabei mit der Lorenzkurve.

Materialeinsatz: Anfangsbestand des Materials plus Zukäufe des Materials minus Endbestand des Materials = Materialeinsatz (verbrauchte Material, bewertet zu Einstandspreisen; spending of materials).

Materialmangel: 2021 können die deutschen Unternehmen ihren Rohstoffbedarf nicht decken. Die Auftragsbücher sind nach der Corona-Krise voll, aber Produktionsengpässe bestehen durch Engpässe bei Vorleistungen. Fast zwei Drittel der Unternehmen sind betroffen (Umfrage Ifo-Institut). Besonders die Knappheit bei Halbleitern und Chips macht zu schaffen. Auch 2022 belastet Materialmangel nahezu alle Wirtschaftszweige. Viele Branchen erwarten einen Umsatzplus (Bau, Chemie, Maschinen- und Anlagenbau, Dienstleistungen), den sie nicht genauer beziffern können (Fragezeichen bei Material und Fachkräften). Vgl. Schrinner, Axel: Stimmungskiller Materialmangel, in: HB Mo, 3.1.22, S. 6f.

Materialflusskostenrechnung: Instrument für die mengenmäßige Erfassung der Materialflüsse und -bestände in Prozessen oder Fertigungslinien sowohl in physikalischen als auch monetären Einheiten. Ineffizienzen bei Materialverwendung in Produktionswirtschaft können mit dieser Analysemethode aufgedeckt werden. Vgl. Ernst/ Sailer/ Gabriel: Nachhaltige Betriebswirtschaft, München 2021, S. 409.

Lagerverwaltung: In Spitzenzeiten ist die Nachfrage höher als die Produktion. Also wird die aktuelle Produktion durch Lagerbestände ergänzt. Schon bei den Sumerer gab es um 4000 v. Chr. eine Schrift, um die Vorratsgüter zu verwalten. Heute ist das mit Software für die Inventarverwaltung einfacher.

Logistik: Die Logistik regelt, wie das Material zum Einsatzort kommt. Sie beinhaltet Lagerhaltung, Lagerarten, Lagerstrategien und Fertigungsstrategien ("Just in time"; "Supply Chain Management"). Digitalisierung wird sich sehr stark auf Logistikprozesse auswirken. Die Spielregeln des LKW-Verkehrs werden verändert. Bei der Auslastung von Transportkapazitäten gibt es ein Riesenpotential. Die Hälfte der LKWs in Deutschland ist nicht richtig ausgelastet. Geschäftsmodelle werden sich ändern. Plattformunternehmen werden an Boden gewinnen. 2018 treibt der Fahrermangel die Preise nach oben.  Vgl. als Lehrbuch dazu: Helmut Wannenwetsch: Integrierte Materialwirtschaft, Logistik, Beschaffung und Produktion, Springer 2022.

Drohnen: Sie stellen mittlerweile ein ernst zu nehmendes Geschäft dar und beflügeln viele Business-Felder.  Hervorzuheben sind der Paketdienst und die Landwirtschaft (Smart Farming und Umweltschutz). Drohnen liefern Pakete aus, inspizieren, vermessen. Es gibt auch Indoor - Drohen im Lager. In der Corona-Krise 2020 sind die Drohnen die Gewinner der Pandemie. Sie überwachen Abstandsregeln, sie desinfizieren Gebäude, sie liefern Medikamente.

Wertschöpfung: In der Rangliste der Wertschöpfung klettert China immer weiter nach oben. Gary Gereffi, analysiert der globalen Wertschöpfungsketten und der Internationalisierung, schrieb schon 2014 von einem Systemwechsel (Vgl. Gary Gereffi: Global Value chains in a post-Washington consensus world, in: Review of International Political Economy, Heft 1, 2014). Aufgrund der geographischen Konsolidierung und neu entstandener Zentren der Wertschöpfung verschiebe sich die Balance zwischen internationalen Konzernen und einigen großen aufstrebenden Staaten. Als künftige Wachstumspole der Weltwirtschaft identifiziert er "eine zunehmende Anzahl aufsteigender Mächte, die sowohl über relativ stabile nationale Märkte, qualifizierte Arbeitskräfte und kompetente Hersteller verfügen als auch einen Drang zu eigenständiger Innovation entwickeln".

Wertschöpfungskette (Lieferkette): Vom Rohstoff bis zum Endprodukt. Dabei sollen die Kosten gesenkt und die Leistungen erhöht werden. Manche Produktteile werden in anderen Unternehmen hergestellt (Outsourcing). Werden Aufgaben ins Ausland verlagert, spricht man von Offshoring (manchmal auch nur für Dienstleistungen). Im und nach Corona und im Ukraine-Krieg hamstert die Wirtschaft. Die Industrie sichert sich aus Angst vor Lieferengpässen im großen Umfang Vorprodukte. Das treibt die Preise weiter an. Wichtige Vorprodukte sind Stahl, Halbleiter, Kunststoff. Die Lagerhaltung steigt wieder. Folglich gibt es einen Boom bei Lager- und Logistikflächen. Bestellungen werden vervielfacht. Es gibt auch Panikkäufe. Vgl. Olk, J./ Specht, F.: Die Wirtschaft hamstert, in: HB Nr. 89/ 9. Mai 2022, S. 4f.

Traditionelle Lieferkette: Sie besteht aus den Stationen Entwicklung, Planung, Beschaffung, Herstellung, Zustellung und Support.

Stabilität der Lieferkette: Die Corona-Pandemie zeigt vielen Unternehmen, wie anfällig ihre Netzwerke mit Zulieferern und Herstellern sind. Gleiche Effekte hatten schon vorher Handelskriege. Diese Schwachpunkte müssen konsequent aufgedeckt und beseitigt werden. Manager sollten gründlich nach Risiken suchen. Um sie abzumildern, ist es sinnvoll, alternative Beschaffungsquellen an unterschiedlichen Standorten zu sichern oder größere Vorräte vorzuhalten. Auch die Produktstrategie sollte überdacht werden. Neue Fertigungstechnologien könnten ebenso eine Lösung sein. Prozessinnovationen sollten genutzt werden (Automatisierung, neue Verfahrenstechnologien, kontinuierliche Fließfertigung, additive Fertigung).  Vgl. Shih, Willy C.: Wie stabil ist ihre Lieferkette? in: HBM Januar 2021, S. 47ff.

Vernetzte Lieferkette für Wirtschaft 4.0 (Digital Supply Network): Die digitale Lieferkette hat einen "Digital Core", um den folgende Satelliten schwirren: synchroniiserte Planung, angeschlossener Kunde, Smart Factory, intelligente Versorgung, digitale Produktentwicklung, dynamische Auftragsabwicklung. Vgl. com! professional 8/2017, S. 26ff.

Supply Chain Integration: Intelligente Lieferkette, die Kosten spart. Änderungen sollten auf geplanten Geschäftsmodellen beruhen. Öko-Systeme müssen mit Partnern abgestimmt und implementiert werden. Vgl.Hentrich, C./ Pachmajer, M.: d.quarks, Hamburg 2017, S. 85ff.

Lieferketten (Supply-Chains) und ihre Digitalisierung:  1. Mit Transparenz zu mehr Resilienz. 2. Geschäftskontinuität dank Schadensbegrenzung. 3. Kundenorientierung für mehr Profitabilität. 4. Smarte Logistik als Wachstumshebel. 5. Effizienzsteigerung dank KI. Vgl. Kobylinska, Anna: Lieferketten schützen und krisenfest machen, in: com!professional 10/2020, S. 74ff.

Von Kubernetes zu Container as a Service (CaaS): Mit CaaS wird die Ablaufumgebung für Container, also die Container-Plattform, von einem Cloud-Anbieter bereitgestellt und muss nicht im eigenen oder gemieteten Rechenzentrum aufgebaut werden. Als Unternehmen spart man sich den Betrieb und die Bereitstellung der Plattform. Das kann ein optimaler Weg für den Mittelstand sein. Knackpunkt ist die Sicherheit. Sicher wird das Management und die Implementierung von Container-Technologien immer wichtiger  (Patch-Prozess). Vgl. Pfliegl, Konstantin: Aus Kubernetes wird Container as a Servise, in: com!professional 1/2021, S. 42ff.

Lieferketten nach der Corona-Krise 2020: Die Lieferketten müssen mehr in der betriebswirtschaftlichen Kalkulation berücksichtigt werden. Gesundheitliche und Klima bedingte Risiken müssen in die Vollkostenrechnung aufgenommen werden. Es gibt aber keine allgemeingültige Formel. Lieferketten sollten geographisch autark werden. Regionale Lieferketten sind auf dem Vormarsch (Wirtschaftsblöcke!). Vorprodukte sollte man von mehreren Lieferanten produzieren lassen. KI könnte das Lieferkettenmanagement revolutionieren. Vgl. Bogaschewsky, Ronald: Die Industrie ist nicht schlank, sondern magersüchtig, in: WiWo, Sonderheft 1/2020; 2.11.2020, S. 34f. Löchrige Lieferketten können aber nicht nur als betriebswirtschaftliches Problem gesehen werden. Risiken müssen regional gestreut werden. Die Knappheit bei Halbleitern zeigt, dass eine geografische Konzentration von Vorleistungsgütern zu Verwerfungen führen kann. Vgl. Marin, Dalia: Was tun, wenn die Lieferketten reißen? in: WiWo 38/ 17.9.21, S. 41.

Produktion in der Heimat: Die lokale Herstellung wird von der Corona-Pandemie belebt. Es ist der verzicht von Fertigung in Asien oder Amerika. Nachteil: Personal ist vor Ort häufig knapp. Schnelles Wachstum ist auch schwieriger möglich. Wichtig sind die guten Beziehungen zu den Lieferanten. Vor allem im Outdoor - Bereich üblich (Wanderschuhe, Fahrradtaschen). Vgl. Gröger, Thomas/ Esslinger, Martin: Wie die Produktion in der Heimat im Corona-Chaos hilft, in: Handelsblatt Nr. 65, 6. April 2021, S. 44.

Produktion "Just-in-Time": Produktion und Logistik vor den großen Krise. Lagerhaltung wird minimiert. Vorleistungen werden pünktlich zur Produktion angeliefert.

Produktion "just in case": Neue Produkttionsweise nach der Corona-Krise. Das strategische Outsourcing wird überprüft. Ein neues Risikobewusstsein setzt ein. Klimaschutz und explodierende Rohstoffpreise zwingen Unternehmen, ihre Produktion neu zu ordnen. Alles wird dem Ziel untergeordnet "Kontrolle behalten und resistenter werden". Im Falle eines Falles muss Material da sein. das notfalls gelagert wird. Zulieferer werden auch umgangen, um Rohstoffe zu sichern und sie Zulieferern zur Verfügung zu stellen. Unternehmen setzen wieder mehr auf Lager und holen Produktion ganz nach Europa zurück. Der Einsatz von Robotern und 3-D-Druck könnte Differenzen in den Lohnkosten in der Heimat, Osteuropa und Asien ausgleichen. Vgl. Kiani-Kress, Rüdiger u. a.: Globalisierung 4.0, in: WiWo 24/11.6.21, s. 46ff.

Lieferkettengesetz: Sozial- und Umweltstandards (auch Menschenrechte) in globalen Lieferketten: Ende 2019 planen Arbeitsministerium und Entwicklungshilfeministerium ein solches Gesetz. Sie wollen Standards in der globalen Produktion erreichen. Es geht um mehr Fairness bei der Herstellung. Preise sollen offen gelegt werden. Große Handelsketten haben sich schon freiwillig verpflichtet, Existenz sichernde Einkommen für Erzeuger in Herkunftsländern zu fördern. 2200 große Unternehmen sollen einen Fragebogen ausfüllen, der 37 Kriterien überprüft. Die Corona-Krise führt dazu, dass das Gesetz vorläufig auf Eis gelegt wird. Danach geht ein Gezerre los. Die Spitzenverbände der Wirtschaft laufen Sturm gegen das Gesetz. Sie fürchten um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Aber auch die EU arbeitet an neuen regeln. Es soll eine Gleichbehandlung von Online- und stationärem Handel geben. Eine europäische Antwort wäre auch besser. Im Februar 2021 einigt man sich in der Regierung auf das Gesetz (Arbeitsminister, Entwiklungshilfeminister, Wirtschaftsminister). Es ist ein Minimalkonsens. Es gilt für größere Unternehmen (ab 3000 B.) ab 2023 (ab 2024 kommen noch 1000 Unternehmen dazu). Weltweit sollen Menschenrechte und Umweltvorgaben eingehalten werden. Es gibt auch Bußgelder und einen Klageweg für Hilfsorganisationen. Wirtschaftsvertreter fürchten mehr Bürokratie. Insgesamt wird aber der gefundene Kompromiss gelobt. Für mittelbare Zulieferer gilt eine abgestufte Verantwortung. Im ersten Schritt soll das Gesetz 600 Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern betreffen. Das Bundesamt für Wirtschaft soll die Einhaltung gewährleisten. Die Gegner sehen Wettbewerbseinbußen.  Von der Wertschöpfung aus den globalen Produktionsnetzen entfallen 67 Prozent auf dei Industriestaaten der OECD und 33 Prozent auf die Schwellen- und Entwicklungsländer. 152 Mio. Kinder arbeiten trotz Verbots. 25 Mio. Menschen gelten als moderne Sklaven. Quellen: ILO, UN-Handelskonferenz. Vgl. auch: Dohmen, Caspar: Lieferketten. Risiken globaler Arbeitsteilung für Mensch und Natur, Berlin (Wagenbach) 2021. Der Autor plädiert für strengere Regeln.

Schwächen des LkSG: Menschenrechte werden operationalisiert durch Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Sklaverei, sexuelle Ausbeutung, Gesundheitsgefährdung, Umweltverschmutzung, unangemessene Behandlung von Abfällen, Ungleichbehandlung in Beschäftigungsverhältnissen. Die genaue Zuordnung fehlt noch. Man spricht z. B. von "substanziellen Kenntnissen" ohne genaue Inhalte vorzugeben. Gedroht wird mit Bußgeldern, Ausschluss von öffentlichen Aufträgen und Risiko orientierter Kontrolle der Bafa. Besonders problematisch sind die Bereiche: KMU, Tier, zusätzlicher bürokratischer Aufwand, Wettbewerbsverzerrungen. Folgen könnten sein: Auflagenerfüllung, Preissteigerungen, Auslandsgeschäfte zurückfahren, mehr Protektionismus, Werte basierte Außenwirtschaftspolitik.

Digitaler Zwilling: Corona hat viele globale Lieferketten lahm gelegt. Auf solche externen Schocks muss sich die Wirtschaft besser vorbereiten. Hier könnte KI helfen. Ebenso sollte es Stresstests geben. Katastrophen sollten simuliert werden. Vgl. Wildemann, Horst: Der digitale Zwilling könnte uns retten, in: WiWo 21, 15.5.2020, S. 39.

Nachhaltigkeit in Lieferketten (Stolperfallen, Kettenreaktion): Unternehmen betreiben enormen Aufwand, um ihre Lieferantennetzwerke zu optimieren und nachhaltig zu gestalten. Vielfach übersehen sie dabei jedoch die entscheidenden Gefahren. Stolperfallen lassen sich mit gezielten Maßnahmen aus dem Weg räumen. Im Idealfall arbeiten mulinationale Unternehmen mit einer Kombination aus verschiedenen Herangehensweisen, um in ihrem gesamten Lieferantennetzwerk für nachhaltige Praktiken zu sorgen. Man unterscheidet direkte, indirekte, kollektive un d globale Ansätze. 1. Direkter Ansatz: Direkten Zulieferer mit Nachhaltigkeitskennzahlen bewerten. Audits zu den Praktiken der Zulieferer. Übersicht über das Netzwerk. 2. Indirekter Ansatz: Schulungen für gemeinsames Lernen der direkten Zulieferer. Starke Zulieferer als Vorreiter für neue Nachhaltigkeitsinitiativen. Belohnungen. 3. Kollektiver Ansatz: Branchenweite Nachhaltigkeitsstandards. Ressourcen mit Wettbewerbern und großen Zulieferern teilen. 4. Globaler Ansatz: Zusammenarbeit mit NGOs. Daten dieser Organisationen nutzen. Wertschätzung für die Zulieferer, die bei den Programmen der NGOs mitmachen. Vgl. Villena, V. H./ Gioia, D. A.: Kettenreaktion, in: HBM März/ 2021, S. 46ff.

Neue Lieferketten als Renationalisierung (regionale Lieferstrukturen): Die Pandemie hat die Schwächen der Globalisierung offen gelegt. Deshalb wird über eine Renationalisierung der Lieferketten nachgedacht. Dies würde sicher die Preise steigen lassen. Nimmt allein den deutschen Maschinenbau, so ergeben sich folgende Werte der Vorprodukte: China 4,3 Mrd. €; Frankreich 3,2; Italien 3,2; Schweiz 2,7; USA 2,6; Österreich 2,4; Polen 2,2; Tschechien 1,8; Großbritannien 1,6; Niederlande 1,6. Quellen: IfW, Kiel, VDMA, OECD, HB. Deutschland gilt als Logistikweltmeister. Da bleibt noch einiges zu erforschen und zu optimieren. Regionale Lieferketten müssen aus Resilienz - Gründen bereitgehalten werden.

Flexibles Fulfillment (automatisierte 24-Stunden-Shops): So können Waren auch nach Ladenschluss noch an ihr Ziel gelangen, etwa im Handwerk. Die Würth-Gruppe arbeitet mit diesem System.

Outsourcing: Übertragen von Aufgaben ganz oder teilweise an andere Firmen, im Inland oder Ausland. Dadurch kann die Flexibilität gesteigert werden. Offshoring ist die Auslagerung einer Betriebsniederlassung in ein Land mit niedrigeren Arbeitskosten. Im engeren Sinne oft auf das Auslagern von Dienstleistungen ins Ausland verengt. Das Kerngeschäft bleibt in der Regel im Inland. Sinnvoll auslagern lassen sich z. B. folgende Aufgaben: Fertigung, Forschung und Entwicklung, IT, Logistik, Steuer- Angelegenheiten, Kundenservice (Call-Center), Buchführung, Rechtsberatung.

Produktion im Ausland: Nach der Weltwirtschaftskrise scheint die Globalisierung ein Stück zurückgedreht zu werden. Die Firmen besinnen sich wieder mehr auf die Sicherheit des Inlandes. Auch Osteuropa rückt durch seine Nähe (auch kulturell, fehlende Zollschranken) wieder mehr ins Blickfeld. China wird durch die stark steigenden Lohnkosten, den Technikdiebstahl und die Rechtsunsicherheit an Boden verlieren. Auch die Entfernung macht sich stark negativ bemerkbar. Wird Produktion im Ausland wieder ins Heimatland zurückgeholt, spricht man von Reshoring.

Regionale Produktion durch veränderte Rahmenbedingungen der Globalisierung: Die technischen, klimatischen und finanziellen Bedingungen ändern sich ständig. Selbst in den Schwellenländern steigen Transport-, Energie- und Lohnkosten. Nach Jahrzehnten der Dominanz des Outsourcing erlebt die regionale Produktion eine Renaissance. In der Globalisierung sind die Transportwege oft zu lang, die Qualität ist unbeständig oder dauernd ein Problem, die Lieferzeiten sind zu lang, die Betriebsabläufe zu kompliziert. Hinzu kommt, dass neue Technologien neue Produktionsmöglichkeiten in der Region eröffnen. Regionale Vorteile liegen noch auf jeden Fall bei Bildung und Innovation.

Basarökonomie: Produktionsverlagerungen ins Ausland bis auf dem heimischen Markt nur noch verkauft wird. Billig im Ausland produzierte Teile werden in Deutschland endmontiert. Verantwortlich ist mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, vor allem zu hohe Lohnstückkosten. Vgl. Sinn, H.-W., Die Basarökonomie, Berlin 2005.  "Es genügt, wenn wir Engineered by Porsche in Germany auf unsere Autos schreiben können. Wir müssen nicht zwingend alle Autos auch in Deutschland bauen", Matthias Müller, Porsche-Chef 2011. Grundlage ist die amtliche Statistik, die den Wert des Exports allerdings überschätzt. Denn darin sind auch importierte Zwischenprodukte enthalten. Die OECD liefert 2013 neue Statistiken der Wertschöpfung. Diese kommen zu genaueren Ergebnissen. Nimmt man nur Endprodukte sind für Deutschland die USA am wichtigsten (bei Frankreich viele Zwischenprodukte). Auch die Handelsbilanz zwischen China und den USA erscheint in einem anderen Licht, weil in den chinesischen Endprodukten viele amerikanische Vorleistungen stecken. Vgl. FAZ, Mo. 23. September 2013, S. 20.

Cloud-Integration in der Produktion: Z. B. Cloud + SAP HANA. Anwendungsintegration und Prozessintegration. So kann unmittelbar eine Verbindung von Preisschwankungen auf den Märkten (Wechselkurs, Ölpreis) und den Kosten im Unternehmen hergestellt werden. SAP unterscheidet zwischen der Public Cloud und der Managed Cloud (+ Marketplace). Damit wird auch Energiemanagement ermöglicht.

Machine Learning: Aufbau von Algorithmen, die maschinelles Lernen ermöglichen. Vorher brauchen sie immer noch Lehrer. Die sprachliche Kommunikation wird immer besser. IT-Konzerne investieren viel in die Technik. Möglich sind heute Bildanalysen, Spracherkennung u. a.. Frameworks (von der Stange) senken die Einstiegshürden. Solche Frameworks sind z. b. Apache Singa, Chainer, PaddlePaddle oder Theano.

Robotic Process Automation (RPA): Software-Roboter beschleunigen Prozesse und entlasten Mitarbeiter. Die Vorteile sind: Höhere Produktivität, Zeitgewinn, geringere Fehlerquote, Ausdauer, hohe Skalierbarkeit, Kostenvorteile.

Konstruktion von Verschleiß in Produkten (geplante Obsoleszens): Produkte werden oft für eine bestimmte Lebensdauer konstruiert (konstruierte Kurzlebigkeit). Der Verschleiß kann heute in der Materialforschung exakt am Computer berechnet werden. Das ist eine verdeckte Preiserhöhung. Vgl. Kreiß, Christian: Geplanter Verschleiß, München (Europa-Verlag) 2014. Frankreich will das vorschnelle Altern von Elektrogeräten bestrafen. Es droht eine hohe Strafe, wenn die Sollbruchstelle nachgewiesen werden kann. Die EU-Kommission will 2016 die Industrie zwingen, ihre Produkte haltbarer zu machen. McKinsey zeigt die Hebel zur Vermeidung struktureller Verschwendung auf: Virtualisieren, Umsteigen, Wiederherstellen, Teilen, Optimieren, Recyceln.  "Planned Obsolescence" bzw. Built-in-Obsolescence" gibt es seit Beginn der Massenproduktion (Fords Fließbandproduktion und Taylors wissenschaftliche Betriebsführung). Man sprach von einer Glühbirnen-Verschwörung, weil der Erfinder Edison schon eine "lebenslange" Glühbirne konstruiert hatte. Vgl. zum Thema: Packard, Vance: The Waste Makers, New York 1960.

Energieeffizienz in kleinen und mittleren Unternehmen: Die KfW-Bank kann Energieeffizienz-Studien für KMU bezuschussen. Ziel ist die Investition in sparsame Technik. Qualifizierte und von der KfW anerkannte Energieberater führen die Studien durch. Vgl. www.mehr-aus-energie.de . Vgl. auch www.kfw.de/EBM . Die Konditionen bei der KfW-Förderung sind sehr günstig. Gefördert werden können auch Energieberatungen. Seit 2014 gibt es die Bundesfachkommission Energieeffizienz im Wirtschaftsrat. Erster Vorsitzender ist Rainer Hundsdörfer von ebm-papst. Es geht um einen "Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz". Kernpunkte sind die Kostenbelastungen, das Fördersystem und das gleiche Recht in Europa. Seit 2013 besteht die Initiative MARI:E - Mach`s richtig: Energieeffizienz (insbesondere zu Netzwerken). Das Erneuerbare-Energien-Gesetz enthält Ausnahmeregelungen für stromintensive Industrieunternehmen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden. durch diesen Mechanismus besteht bei Unternehmen kein Anreiz, die Energieeffizienz zu verbessern. KMU werden unter Umständen benachteiligt.

Energiewende und KMU: Es geht um den Abbau fossiler Energie, den Ausbau erneuerbarer Energie, die Steigerung der Energieeffizienz und die Änderung des Verhaltens. Kundennähe, lokale Einbindung und Möglichkeiten zur horizontalen Kooperation sind eine Chance für KMU. Risiken bestehen in Wettbewerbsverzerrungen, sowohl gegenüber Großunternehmen (z. B. im Zertifikathandel) als auch gegenüber ausländischen Unternehmen.

Klimaverträge 2024: Am 12.3.24 eröffnet europaweit das erste Gebotsverfahren für sogenannte Klimaschutzverträge. Wenn betriebe ihre Produktion umstellen, etwa von Öl auf Wasserstoff, müssen sie investieren. Da dei klimafreundlichere Produktion erst einmal teuerer ist, gleicht der Staat diei Kostendifferenz zur Produktion mit fossilen Energie - Trägern aus. Wird die klimafreundlichere Produktion mit der Zeit günstiger, zahlen die Unternehmen die Differenz an den Staat zurück. Die Klimaschutzsubventionen sollen an firmen aus energieintensiven Brachen wie chemnie, Zement, Papier oder Gips fließen. Innerhalb der kommenden vier Monate können sich die Unternehmen um Förderung bewerben. Es soll eine Antwort auf IRA in den USA sein. Vgl. HB 12.3.24, S. 1 und 4.

Kreislaufwirtschaft: Ressourcen schonen, Produkte länger nutzen, Rohstoffe wieder verwenden: All das sind Gründe für eine neue Kreislaufwirtschaft. Es gibt grundsätzlich drei grundlegende Kreislaufstrategien: Produkteigentümer bleiben, Verlängerung der Nutzungsdauer und Design für Recycling. Eine Kreislaufmatrix kann die Entscheidung für eine Strategie oder Kombination transparent machen. Je nach individuellen Fähigkeiten und Wettbewerbskontext sind Unternehmen mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. 1. Wie lang kann ich meine Produkte zurückbekommen? 2. Zugang und Verwertung schwierig. 3. Zugang einfach, Verwertung schwierig. Zugang schwierig, Verwertung einfach, Zugang und Verwertung einfach.

ISO 14001: International anerkannte, von der International Organization for Standardization im Jahre 1996 entwickelte Umweltstandards, nach denen Unternehmen ihr Umweltsystem zertifizieren lassen können. Kritik erfährt dies, dass die Produktion optimiert und Abfall vermieden wird, nicht aber zukunftsgerichtet das Kerngeschäft und Produktdesign weiterentwickelt wird.  Vgl. Vgl. Ernst, D./ Sailer, U./ Gabriel, R.: Nachhaltige Betriebswirtschaft, München 2021, S. 408.

Industrie 5.0: Mensch und Roboter im Zusammenspiel in interaktiver Form. Man spricht von der fünften industriellen Revolution ab 2025: Verstärkter Einsatz begleitender oder autonomer Roboter. Virtuelle Teamarbeit mit wechselnden Aufgaben und Teilnehmern. Unabhängigkeit von Zeit und Ort. Verstärkte AR und VR. In der Zukunft dienen uns vermehrt Touch- und Sprachschnittstellen sowie Systeme für eine erweiterte Realität (AR), mit denen wir Bedürfnisse mitteilen, Feedbacks geben oder Maschinen steuern. Inwieweit Roboter gewisse Standardabläufe übernehmen werden, ist noch offen. Vgl. Selin, Rüdiger: Neues Zeitalter der Produktion, in: com!direct 2/2022, S. 62ff.

Intelligent Process Automation: Automatisierung plus künstliche Intelligenz ergibt schlankere, schnellere und agilere Business-Prozesse. Man spricht von der Eröffnung des Weges zur End - to - End - Automatisierung. Es ist weder prozessbezogen, noch branchenbezogen und nicht auf einen bestimmten Tätigkeitsbereich beschränkt. Man sollte zuerst klein anfangen. Ziel ist. die Effizienz zu steigern und Prozesskosten einzusparen. Es gibt schon zahlreiche Services und Lösungen:. Vgl. Reder, Bernd: Die Prozesse werden intelligenter, in: com!professional 3/2023, s. 14ff.

Index der Industrieproduktion und Wertschöpfung: Die Industrieproduktion ist vom Beginn der Energiekrise bis zum vierten Quartal 2023 um 3,9% zurückgegangen. Im Vergleich zum bisherigen Höchststand im zweiten Quartal 2018 sank die Produktion um 13,6% - trotz Subventionen und technischem Fortschritt. Fachleute weisen auf den "Mercedes-Effekt" und die veränderten Vorleistungen hin. Sie halten die Wertschöpfung für den besseren Indikator. Gegenüber 2025 ist die Wertschöpfung um mehr als 7% gestiegen. 1. spielt der Mercedes-Effekt eine Rolle: In der Corona-Zeit gab es globale Lieferengpässe. Seither setzen Unternehmen in Deutschland in der Produktion lieber auf margenstärkere Produkte. Mercedes hat, als Mikrochips fehlten, die wenigen verbleibenden Chips lieber in Luxusmodelle statt in Kleinwagen genutzt. 2. außerdem wird in der Wertschöpfung die Entwicklung der Vorleistungen direkt einbezogen. Vgl. HB 12.3.24, S. 5.

 

Branchen (Wirtschaftszweige; für Mittelstand typische und atypische; Branchen prägen stark Marketing, Produktion und auch Personalwirtschaft; deshalb stellen sie auch in der Praxis Teilarbeitsmärkte dar; hierzu habe ich mal eine empirische Untersuchung durchgeführt; vgl.  Veröffentlichungen:  Veröffentlichungen ). Branchen tragen den Strukturwandel der Wirtschaft, dem sie unterschiedlich stark ausgesetzt sind (z. B. Autobranche und Dienstleistungen heute).

"Die Branchenstruktur, die sich in der jeweiligen Stärke der fünf Wettbewerbskräfte zeigt, bestimmt das langfristige Profitpotential der Branche", Michael Porter (die fünf Kräfte sind: Zulieferer, Käufer, Rivalität, neu auf den Markt drängende Firmen, Ersatzprodukte).

Branche bzw. Wirtschaftszweig: Die Zuordnung erfolgt für Unternehmen mit ähnlichen Produkten. Auf UN-Ebene gibt es die International Standard Industrial Classification (ISIC). In der EU gibt es eine eigene Statistische Systematik der Wirtschaftszweige. Seit 1950 gibt es in Deutschland eine Klassifikation der Wirtschaftszweige beim Statistischen Bundesamt (letzte Fassung von 2008). Die Branche hat einen großen Einfluss auf die Funktionen und damit die Betriebswirtschaft in einem Unternehmen: Besonders groß wirkt sie sich auf folgende betriebswirtschaftliche Bereiche aus: Produktion und Logistik, Marketing, Personalmanagement. In der beruflichen Praxis zeigt sich dies so, dass die Branche nach einem bestimmten Berufsweg eine Barriere beim Arbeitsplatzwechsel darstellt, also ein wichtiges Merkmal des Arbeitsmarktsegments ist.

Branchen-Archetypen: Diese Systematik wird im Marketing benutzt. Es geht um bewährte Praktiken im Hinblick auf die jeweiligen Typen. Typen des Verbraucherverhaltens (Aspekte: Anziehungskraft, Neugier, Bindung, Affinität) und Brachenmerkmale werden kombiniert. Daraus ergeben sich vier Hauptmuster: Türknauf, Goldfisch, Trompete und Trichter. Ideal ist ein Fliegenmuster (ein fünftes). Vgl. Kotler u. a.: Marketing 4.0, Frankfurt/ New York 2017, S. 130.

Maschinenbau: Der Maschinenbau in Deutschland ist durch den Mittelstand geprägt. Er ist auch die wichtigste Branche in Deutschland insgesamt (größter Arbeitgeber: 2018: 1.052.000 Beschäftige). Die Zentren sind im südlichen Ruhrgebiet/Süd-Westfalen, Raum Bielefeld/ Gütersloh  und im Raum Stuttgart. Am stärksten ist der Maschinenbau im Südwesten (Raum Stuttgart) konzentriert. Der Jahresumsatz liegt bei ca. 160 Milliarden €. Die Branche hat eine hohe Exportneigung (ca. 60% des Umsatzes werden im Ausland erwirtschaftet; 2018 sogar 79%), so dass sie von der Globalisierung und Weltwirtschaftskrisen besonders stark betroffen ist (Export 2009 -50%, -20% Umsatz). Beim Ausfuhrwert nehmen Maschinen insgesamt den zweiten Platz ein (138,7 Mrd. € 2010, hinter Kraftwagen und Kraftwagenteile). Die Branche profitiert stark von den Ausrüstungsinvestitionen in China, Indien und Osteuropa. 10% aller ins Ausland gelieferten Maschinebau-Anlagen gehen nach China. Das Produktivitätsvolumen erhöhte sich in den letzten fünf Jahren um 40%. In den großen Schwellenländern Brasilien und Russland stehen Maschinen bei Importen an der Spitze, Bei Indien und China stehen sie an dritter und vierter Stelle. Der Mittelstand im Maschinenbau ist auch besonders innovationsstark (doppelter Gewinn für die deutsche Volkswirtschaft!). Deshalb entstehen hier besonders viele neue Arbeitsplätze. Allerdings könnte die Lohnzurückhaltung der letzten Jahre auch negativ mit auf die Binnenkonjunktur wirken. Weltweit ist Deutschland hier auf Platz drei, 15% am BIP, ca. 1 Mio. Beschäftigte. Insgesamt hat der Maschinenbau in Deutschland aufgrund des Strukturwandels im Verarbeitenden Gewerbe zwischen1999 und 2007 1,5% der Beschäftigten verloren (2012 noch 900.000). 2009 ist die Beschäftigtenzahl noch mal um 60.000 zurückgegangen, der Auftragseingang bricht um 38% ein. Insgesamt wurde 2009 für 151 Mrd. € produziert, davon gingen 110,3 Mrd. € in den Export, es waren 954.000 Menschen beschäftigt. Seit Mitte 2011 hat der deutsche Maschinenbau 43.000 neue Arbeitsplätze bis Mitte 2012 geschaffen. 2010 signalisieren Maschinenbestellungen ein Ende der Talfahrt. Aber die wachsenden Bestellungen aus Asien und Südamerika können das schwache Europa-Geschäft nicht ganz kompensieren. Nach der Wirtschaftskrise 2010 zeigt sich besonders eindrucksvoll, wie wichtig ein exportorientierter schlagkräftiger Mittelstand für Deutschland ist. Dies besonders im Vergleich zu Ländern, in denen es anders ist (Spanien, Großbritannien). 2012 dürfte die Branche etwas langsamer wachsen (4%) als 2011 (14%). In vielen Schwellenländern ist mittlerweile auch ein Markt einfachere Qualität oder vernünftige Qualität. Höchste Qualität für anspruchsvolle Kunden ist hier oft nicht zu bezahlen (z. B. in China). Weltweit quantitativ im Maschinenbau führend ist China (563 Mrd. € Umsatz 2011 vor Japan und USA). 2012 können die deutschen Maschinenbauer Platz behaupten (weltweite Umsatz 250 Mrd. € von insgesamt 2,25 Billionen €). Der Anteil am weltweiten Anlagenbau beträgt 27% (2011: 563 Mrd. €). Die Hälfte der deutschen Maschinenbauexporte gehen aber 2012 noch nach China. Asien ist generell immer wichtiger als Markt. Wichtig sind auch die USA und Lateinamerika. 2013 gehen drei Viertel der Produktion ins Ausland. So führt eine schwächelnde Weltkonjunktur und die Unsicherheit der Euro-Krise zu sinkenden Exporten. Für 2014 rechnet der Verband aber mit 3% Umsatzwachstum. Im November 2013 lag das Auftragsvolumen um 7% höher als zum Vorjahresmonat. 2016 fehlt die Unterstützung durch die Weltkonjunktur. Die durchschnittliche Exportquote liegt in der Branche bei 76 Prozent. Auf dem G20-Gipfel in Hangzhou/ China einigen sich die Teilnehmer, die Förderung der digitalen Wirtschaft zum Schwerpunkt zu machen. Die Maschinenbauer warnen China, mit einem eigenen, scharfen Cyber-Sicherheitsgesetz internationale Standards zu verletzen. Ungefähr 80% ihres Umsatzes erzielen die deutschen Maschinenbauer im Ausland. Für 2019 herrscht Zuversicht, trotz alledem. Die wichtigsten Exportmärkte sind USA, vor China und Frankreich dann folgen Italien, Niederlande, UK). Handelskonflikte belasten stark. Die Corona-Krise 2020 trifft den Maschinenbau hart, wenn auch unterschiedlich. Besonders merken es die Firmen, die auf offene Märkte angewiesen sind. So besteht Anpassungsbedarf bei längeren Krisen bei Zulieferern und Absatzländern. Die Branche hat 1,2 Mio. Erwerbstätige, wovon viele in Kurzarbeit gehen. 89% der Maschinenbauunternehmen haben Beeinträchtigungen, es kommt zu Auftragseinbrüchen. Trotzdem steht die Branche relativ noch gut dar. Es kann 2021 nur besser werden. Herausforderungen sind die digitale Transformation, sichere Lieferketten sowie grüne Technologien. 2020 verliert Deutschland die Führung beim Maschinenexport. Weltmeister ist jetzt China. Gleichzeitig schwindet der deutsche Einfluss in China: Der Anteil deutscher Maschinen beim Import ist stark zurück gegangen. 2022 kann der deutsche Maschinenbau einen Rekordwert bei den Exporten erzielen (+6,4%, 192,4 Mrd. €). Der wichtigste Exportmarkt für die Branche sind die USA. Die Exporte nach China sanken um -2,3%. Die Exporte in die EU stiegen um 5%.  In den ersten 6 Monaten 2010 steigen die Auftragseingänge im Maschinenbau in Baden-Württemberg um 35%. Im November 2010 stieg der Auftragseingang für ganz Deutschland um 43%. Im Jahr 2011 wird mit 20.000 neuen Arbeitsplätzen gerechnet. 2011 steigt der Auftragseingang unaufhörlich. In den ersten vier Monaten stiegen allein die Exporte in die Türkei um 50%.Für 2012 rechnet die Branche mit 14 Prozent Produktionswachstum; auch für 2013 wird Wachstum erwartet. Allerdings lässt Ende 2011die Nachfrage aus dem Ausland rapide nach (-14% Auftragseingang im Dezember). Besonders erfolgreich ist die Branche in China. 65% aller deutschen Exporte in das Land sind Maschinenbauerzeugnisse (davon 19% Maschinen, 2011). Im Herbst 2012 klagen die Maschinenbauer über Flaute. Die Eurokrise und die Schwäche der Weltkonjunktur drücken die Nachfrage. Im ersten Quartal 2013 sind daraufhin die deutschen Maschinenbauexporte im Minus. Zum Jahresende 2013 arbeiten knapp 1 Mio. Beschäftigte in der Branche (988.000, +10.000 im Jahr). Für 2014 ist der Maschinenbau verhalten optimistisch. Die Auftragsbücher sind im Januar, Februar gefüllt. 9,3 Mrd. € setzten die deutschen Maschinenbauer 2013 in Russland um. 2014 kaufen die Schwellenländer weniger aus Deutschland; auch das Russland-Geschäft lässt wegen der Ukraine-Krise nach. Die steigende Investitionslust in Deutschland kann das nicht vollständig ausgleichen. Der Konjunkturmotor deutscher Maschinenbau stottert: Im Jahr 2014 wird nur ein Produktionsplus von 1% erwartet, nicht wie gehofft 3%. Die Krisen in der Welt und die Schwächen in EU-Kernländern sind die Ursache. Insbesondere aus Russland werden viele Aufträge storniert. Weil die Russen weitere Sanktionen befürchten, wenden sie sich China zu. Das führt insgesamt dazu, dass 2014 der Maschinenbau stagniert. Ende 2014 gibt es wieder mehr Aufträge (im Oktober +7% über Vorjahresniveau). Im Jahre 2015 wird ein Produktionswachstum von 2 Prozent erwartet. 3,5 Mrd. Euro Gesamtumsatz erzielt die Branche 2014. Das Auslandsgeschäft ist um ein Drittel eingebrochen (Russland, Rohstoffflaute). China wird immer mehr zur Konkurrenz. Ende 2014 gibt es einen herben Rückschlag beim Auftragseingang. Man ist für 2015 in Wartestellung. Es gibt nur eine zögerliche Belebung. 2014 sind die Exporte von Maschinen trotz der Russlandkrise noch mal gestiegen (152 Mrd. €; + 1,7%). Rückenwind verliehen die Märkte in Südostasien und in den USA. Beim Umsatz liegt der deutsche Maschinebau weltweit auf Platz drei hinter China und den USA. Die Russland-Krise lastet auf den Maschinenbauern. Die Exporte sacken im ersten Quartal 2015 um 28% ab. Die Produktion lahmt im ersten Halbjahr 2015 (wohl Stagnation 2015). Im Juli steigt die Produktion wieder an aufgrund von Großaufträgen aus dem Inland und dem EU-Raum. Es wird im Jahr 2015 wieder ein Exportrekord erzielt (aufgrund der USA, +11,2%; China rückläufig; -5,9%). Die Maschinenbauer setzen auch zukünftig auf die USA. Sie laufen China als Exportmarkt den ersten Rang ab. Im ersten Halbjahr 2017 wächst der Export der Maschinenbaubranche stark an (82,4 Mrd. €, +5,9%, vor allem starker Anstieg bei China, +22,6%). Es läuft Alles auf ein Rekordjahr hinaus. Die Branche findet 2017 zu alter Stärke zurück. Im Juni 2018 verzeichnet die deutsche Industrie einen Rückgang der Auftragseingänge, nur der Maschinenbau hat Zuwächse. Im November 2018 gibt es so viele offene Stellen wie nie zuvor. Der Maschinenbauverband fordert vom Staat den Ausbau von Kitas und Pflegeplätzen. 2018 gibt es erneut ein deutsches Exportplus im Maschinenbau. Weiterhin führen global China und die USA. Allerdings wird das Wachstumsziel von 5% verfehlt (nur +1,5% auf 113,5 Mrd. €). 2019 rechnet der VDMA real mit einem Minus von 2% (Handelskonflikte, Abkühlung der Weltkonjunktur). Im August 2019 brechen die Bestellungen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 17% ein ("Schwarzer August"). Der Maschinenbau leidet; es herrscht aber noch keine Weltuntergangsstimmung. Ein boch stärkerer Einbruch kommt dann durch die Corona-Krise: -ein Drittel im April 2020 gegenüber Vorjahresmonat. Bis Ende Juni 2020 kostete die Coronakrise einschließlich Strukturwandel 32.000 Jobs. Im Sommer 2022 belasten gestörte Lieferketten das Geschäft. Die Schwäche der Weltkonjunktur schlägt durch. Die Auftragsbücher sind aber gut gefüllt. Für 2023 werden starke Einbrüche befürchtet. Es gibt Probleme mit China, das Geschäft wackelt. Alternativ will man in die USA expandieren. Tatsächlich geht die Nachfrage 2023 um -12% zurück. Keiner weiß, wie sich 2024 entwickelt. .

(Einzel-)handel (Sole trader=Einzelhändler): 2017 gibt es in Deutschland rund 350.000 Handelsbetriebe mit drei Millionen Beschäftigten und einem Umsatz von 566 Mio. Euro. Weil der Umsatz des Online- und Versandhandels beständig nach oben geht, haben die Einzelhändler immer mehr Schwierigkeiten. Der Umsatz im Wachstumsfaktor Internet ist von 7,2 Mrd. € 2007 auf 9,5 Mrd. € 2013 gestiegen. Als Folge geht der Marktanteil traditioneller Fachgeschäfte am Einzelhandelumsatz beständig zurück (von 27% im Jahre 2000 auf 19% im Jahre 2013. Vor allem die Riesen Amazon und Zalando profitieren davon. Am stärksten ist der Anteil in den E-Commerce-Bereichen  Generalisten (Otto.de, Weltbild.de, Amazon.de) vor den Bereichen Bekleidung, Textilien, Schuhe und Computer, Unterhaltungselektronik, Handys. Die größten Online-Shops sind Amazon, Ebay, Otto, Tschibo und Zalando. Vor allem auch in ländlichen Gebieten schrumpft der Einzelhandel weiter (Gegeninitiative in Kastellaun im Hunsrück). Die Zukunft der Innenstädte wird davon auch geprägt. Real und Globus kündigen die Tarifbindung 2015. Der Einzelhandel versucht im Kampf gegen Online-Shops Kräfte zu bündeln. Geschäfte in Wuppertal gründen gemeinsam eine Internet-Verkaufplattform. Gladbach setzt auf einen Ebay-Marktplatz. Der Einzelhandel könnte auch mit digitalen Erlebniswelten arbeiten, um die Kunden zum direkten Kauf im Geschäft zu bewegen. Digitale Serviceleistungen müssen mit dem Einkaufserlebnis kombiniert werden. Preisunterschiede zwischen Online und Geschäft dürfen nicht zu groß sein. In Deutschland herrscht eine Konzentration im Einzelhandel. Die Könige sind 2015 Edeka (48,3 Mrd. € Umsatz), Rewe (28,6), Lidl (28,1), Aldi (22,8), Metro (10,3). Der Lebensmitteleinzelhandel wird meistens in folgende Kategorien eingeteilt: Discounter (Aldi, Lidl), SB-Warenhäuser (Real, Kaufland), Vollsortimenter (Rewe, Edeka), Drogeriemärkte (DM, Rossmann). 2016 greifen die Discounter die klassischen Supermärkte an. Immer größere Teile des Handels wandern ins Netz. Der Präsenshandel muss Nischen besetzen. Eine Strategie ist es, die Supermärkte zu Erlebniszentren zu wandeln. Das dürfte aber die Personalkosten erhöhen, die der Kunde zahlen muss. Amazon Fresh macht die ganze Branche nervös. 2017 drängen deutsche Einzelhändler massiv in die USA. Nach Aldi jetzt auch Lidl.  Es droht ein Krieg der Lebensmittelhändler in den USA. In Deutschland will Amazon ab 2017 offline ins stationäre Geschäft einsteigen und in die Innenstädte gehen. Ladendiebstahl kostet den Einzelhandel jährlich mehr als zwei Milliarden Euro. Die Überwachungstechnik gegen die kriminelle Selbstbedienung wird immer perfekter. 2019 wird der Konsum weiterhin eine Wachstumsstütze bleiben. 7,7 Millionen Schaden entstehen dem Einzelhandel jeden Tag durch Diebstahl (Waren für 3,75 Mrd. € 2018). Es treten immer mehr Banden auf. Ein Problem dabei sind die längeren Öffnungszeiten. In der Corona-Krise 2020 boomt nur der Lebensmittelhandel. Es droht eine massive Verschiebung zum Online-Handel. Der stationäre Handel muss schnell reaktiviert werden. Der Einzelhandel hat 3,2 Mio. Erwerbstätige. Die Wachstumsraten im Onlinehandel (11,7% zwischen 2011 und 2019) sind wesentlich höher als im stationären Handel (2 % im gleichen Zeitraum). Der 2. Lockdown vom 1.12.20 bis 10.01.21 bedroht den Einzelhandel. Man sieht 250.000 Arbeitsplätze gefährdet. 2021 erwirtschaftet die Branche einen Rekordumsatz. De rProfit liegt aber stark beim Onlinehandel.  Amazon wurde 1994 gegründet (Jeff Bezos). Sitz ist Seattle in den USA. Die Marktkapitalisierung beträgt 2013 über 120 Mrd. Euro. Weltweit hat das Unternehmen 110.000 Mitarbeiter. Die Kunden sind in über 150 Ländern. Die Fachhändler klagen über "Beratungsdiebstahl". Die Onlinehändler kennen ihre Kunden bestens durch die Clickspuren. 2014 prognostiziert die GfK nur Wachstum des Einzelhandels im Internet. Besonders bedroht sind Einzelhändler im Buchhandel, bei Kleidung, bei Schuhen uns bei Spielwaren. Der Einzelhandel führt öfter Preisschlachten durch (ruinöser Wettbewerb?), 2014 etwa zwischen Norma und Aldi, die die Preise einiger Grundnahrungsmittel senken. 2014 ergibt sich nach der Größe folgende Reihenfolge der Online-Shops in Deutschland: Amazon, Otto, Zalando. Im August 2014 meldet der deutsche Einzelhandel das größte Umsatzplus seit drei Jahren. Das weltgrößte Einzelhandelsunternehmen war Ende 2014 Wal-Mart aus den USA (muss 2015 die Gehälter erhöhen, um die extrem hohen Fluktuationskosten zu senken; miserables Image bei Arbeitnehmern). Für 2015 dürfte der Konsum den Einzelhandel stützen. Das Wachstum könnte 1,5% betragen (vielleicht auch stärker durch die Flüchtlinge). Einen Dämpfer gibt es im Großhandel. 2016 verläuft der Einzelhandel durch die stärkere Kaufkraft gut (hoher Konsum, weil Sparen nicht attraktiv). 2017 könnten Steuerentlastungen die Kaufkraft stärken. Im ersten Halbjahr 2017 hat der Online-Handel einen starken Umsatzzuwachs (+12%). In den USA hat ein Sterben der Malls eingesetzt, vor allem in der Vorstadt. Die Einzelhändler sind tief in der Krise. Die jungen Leute wollen Erlebnis. In Deutschland steht der Einzelhandel 2017 vor einem Rekordplus (+2,7 bis +3,1%). Am stärksten wächst der Internet- und Versandhandel. Probleme gibt es aber auch im Einzelhandel wegen Online-Handel und Demographie. 2018 bestimmt der Onlinehandel das Tempo. Technologien treiben die Entwicklung im Handel (Augmented Reality, Digital Robotics, Big Data, KI). Das niederländische Start-up Picnic will mit Haustür-Lieferungen den deutschen Lebensmittelmarkt aufmischen (Kooperation mit Edeka). Der Discounthandel entdeckt 2018 zunehmend die Markenwelt. Ketten wie Aldi, Lidl, Deichmann und C&A nehmen höherwertige Ware ins Regal. Ende 2018 schlägt der Lebensmitteleinzelhandel Alarm: Eine neue Richtlinie der EU sorgt für Schrecken. Sie will Großkonzerne wie Unilever und Nestle schützen und Genossenschaften wie Rewe und Edeka verbieten. Wegen Corona drängt der Einzelhandel 2020 auf ein Ende des Sonntagsverkaufsverbots. Im Sommer 2022 ist ein deutlicher Umsatz-Rückgang im Einzelhandel zu verzeichnen. Dei hohe Inflation drückt den Konsum. Quelle: Handelsverband Deutschland (HDE).

Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland: Nach den Marktanteilen führt 2018 Edeka (20,3%) vor der Schwarz-Gruppe (Lidl, 14,5%), Rewe, Aldi, Metro und Sonstige. Zu Edeka gehören auch 9 Genossenschaften (Geburtsstunde 1907, der älteste; Einkaufsgemeinschaft der kolonialwarenhändler). Es gibt auch immer mehr Bio- und Ökoprodukte in den Lebensmittel-Multis. Sie werden nun auch von den entsprechenden Erzeugerverbänden beliefert (der Umsatz für Biolebensmittel ist von 5,3 Mrd. € 2007 auf 10,4 Mrd. € 2017 gestiegen. Die Lebensmittelgeschäfte profitieren von der Corona-Krise ("Hamsterkäufe"). Die Handelsketten im Lebensmittelbereich beschweren sich im November 2020 über Klöckner. Sie fühlen sich kollektiv zu unrecht angegriffen. Es geht um einen Gesetzentwurf, mit dem Landwirte und kleinere Lebensmittel-Lieferanten besser geschützt werden sollen. Es geht um unfairen Druck der Handelsriesen.

Kampf zwischen Aldi und Lidl: Die Discounter liefern sich 2019 eine erbitterte Schlacht um Marktanteile. Dabei werden Niedrigpreise (Preisattacken), Kräftebündelung, Onlineoffensive, Mehrfrontenangriff, Schwächen nutzen, Wachstum in den USA eingesetzt. Langsam ändern sie aber auch ihre Strategie: Wenig Schnickschnack ist nicht mehr die Devise. Man sucht bessere Lagen, bietet mehr Service (Cafe u. a.) und nimmt Bio-Produkte auf. 2021 setzt Lidl zum Überholen an. Das Unternehmen bremst sich dann durch einen Machtkampf aus. Aldi kontert vor allem in Frankreich, USA und China.

Handel weltweit: Die drei größten Handelsunternehmen der Welt liegen den USA: Walmart, Amazon, Costco. An vierter Stelle liegt die Schwarz-Gruppe aus Deutschland (Lidl). Aldi kommt an achter Stelle. Dazwischen liegen weitere Einzelhändler aus den USA (Kroger, Wallgreens Boots, Home Depot). Nach Aldi folgen JD.com aus China und Carrefour aus Frankreich, ebenso CVS Health aus den USA und Tesco aus GB.

Kassenbon-Pflicht: Sie soll ab 2020 im gesamten Einzelhandel kommen. Es besteht dann Belegausgabepflicht. Damit soll Steuerhinterziehung unmöglich werden. Wegen Umweltbelastung und Aufwand ist die Sache bis zuletzt umstritten-

Drogeriemarktketten: In Deutschland dominieren DM (1825 Filialen 2016), Rossmann (2055), Müller (534) und BUDNI (182). Sie haben sich als alternative Nahversorger etabliert. Das könnte sich zukünftig im Kampf mit Amazon und anderen Online-Händlern positiv auswirken. Aber auch der Lebensmittelriese Edeka drängt in den Markt.

Apotheken: Sie waren einmal die kampfstärkste Lobby Deutschlands. Im Kampf um den Arzneimittelversand verliert die Branche den Anschluss an ihre Kunden. Amazon als Großapotheke will aber keiner. Die Dichte der Apotheken korreliert stark mit der Ärztedichte. Die Anzahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter und ist 2023 unter die Marke von 18.000 gefallen. Ende März 2023 gab es noch 17.939. Die Anzahl der Beschäftigten lag Ende 2022 bei 159.352. Es findet auch ein Konzentrationsprozess bei Apotheken statt.

Bäckereien: Die steigenden Gaspreise 2022 schüren die Angst. Die Wut ist riesig. Eine Traditionsbranche gerät in Existenznot. Auch die Vorleistungsbranchen leiden: Mühlen (Mehl +100% bis Sept. 22) und Zuckerfabriken (+60%) brauchen viel Energie. Man spricht von Alarmstufe Brot. Von 2014 bis 2021 hat sich die Zahl der Betriebe von 12.611 auf 9965 verringert (Bäckereimeisterbetriebe). Vgl. WiWo 46/ 11.11.22, S. 10. Der Trend setzt sich 2023 fort. Es gibt immer weniger Bäckereien und Auszubildende. Die Energiekrise verschärft die Situation.  "Wir kämpfen um jeden Krümel".

Modehändler und Modebranche: In Deutschland gibt es die mittelständischen Modehändler Lodenfrey (seit 1842, München), Garhammer (seit 1896, Waldkirchen/ Bayern), Engelhorn (seit 1890, Mannheim), L&T (1910, Osnabrück) und Breuninger (seit 1881, Stuttgart). Gegen die mächtigen Handelskonzerne kämpfen sie mit Sternerestaurants, VIP-Service und Reisenparkhäuser. In der Modebranche gibt e s2018 nur Hiobsbotschaften. Gerry Weber, Esprit und Tom Taylor kämpfen gegen den Absturz. Die Erfolgsmarken sind nicht mehr gefragt. Esprit sucht sein Heil in China. Man versucht beständig, die Umwelt- und Sozialstandards zu erhöhen. die Branche wäre stark vom geplanten Lieferkettengesetz betroffen.

Teleshopping: 2017 2,0 Mrd. Umsatz. Verkaufkanäle sind QVC, HSE24, 1-2-3-tv, channel 21. Wichtig sind auch Web-Seiten (TV-Programme, Soziale Netzwerke). Die Zukunftsaussichten sind gut.

Handelsplattformen Joom, Wish, AliExpress: Gemeinsam ist diesen Plattformen, dass sie Alternativen zu den großen wie Alibaba und Amazon darstellen. Sie vertreiben außerdem überwiegend in China produzierte Waren. Diese Waren haben oft große Mängel oder stellen Fälschungen dar. Trotzdem dürften die Plattformen in den nächsten Jahren steil nach oben gehen, weil der Preis extrem günstig ist. 

Bauindustrie: Es gibt einige wenige Großunternehmen in dieser Branche. Im Ganzen hat sie aber eine mittelständische Struktur.  Es gibt das Bauhauptgewerbe und des Ausbau- und Bauhilfsgewerbe. Gerade in den beiden letzten Bereichen tummeln sich typischerweise KMU. Die Bauindustrie ist stärker konjunkturabhängig als viele andere Branchen. Sie hängt überdurchschnittlich stark von den öffentlichen Haushalten, insbesondere den Kommunen, ab. Die Zahl der Insolvenzen liegt weit über dem Durchschnitt. Den Letzten beißen dann oft die Hunde (Handwerksunternehmen). Probleme bereitet der hohe Einsatz von Tochterunternehmen und prekärer Arbeit. Die hohe Insolvenzrate  hängt mit der Abhängigkeit von einzelnen Großkunden und Großprojekten zusammen. Auch die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand ist zurückgegangen. Die Organisationsstrukturen im Baugewerbe sind sehr speziell. Digitale hilfsmittel könnten in Zukunft das Bauen revolutionieren. Mit Building Information Modeling gibt es weniger Leerlauf, alle Detalils zu jedem Teil, Just in time, mehrdimensionale Pläne. Es werden verstärkt vorgefertigte Teile und der Bau von Systemhäusern eingesetzt. 2019 wird ein weiterer Zuwachs der Bauindustrie erwartet. Das gilt auch für 2020. Der Gewerbebau läuft allerdings nicht rund. Das Baugewerbe ist weniger von der Corona-Krise betroffen. Es gibt wenig Einschränkungen. Es fehlen höchstens Subunternehmer aus Mittel- und Osteuropa wegen der Grenzschließungen. Die Investitionszurückhaltung könnte noch kommen. In der Branche arbeiten 2,5 Mio. Menschen. 2023 brechen die Baugenehmigungen ein (Januar bis Juli 23 -31% gegenüber Vorjahreszeitraum).  Für 2014 erwartet die Branche 3,5% mehr Umsatz und 5000 neue Arbeitsplätze. Der Wohnungsbau bleibt Treiber der Baukonjunktur. Der öffentliche Bau ist im Aufschwung (Wirtschaftsbau verhalten). Mittlerweile unterwandert massiv die Mafia die deutsche Bauwirtschaft mit Schwarzarbeit. Für das Jahr 2015 wird mit einem Wachstum auf niedrigerem Niveau gerechnet. Dabei ist der öffentliche Bau weiterhin das Sorgenkind. 2016 wird eine Wachstumsbeschleunigung erwartet (Knipper, M.: Baujahr 2016, in: Wirtschaftsdienst 2016/1, S. 11f.). Nach einem erfolgreichen Jahr 2016 erwartet die Branche für 2017 weiteres Wachstum (Knipper, in Wirtschaftsdienst 2017/1, S. 10ff.). An der Spitze ist der Wohnungsbau. Der öffentliche Bau hat sich stabilisiert. 2017 brachte das beste Neugeschäft seit 1996 (+6,6%). 2018 erwartet die Bauindustrie folgende Trends: Ungebrochenen Dynamik im Wohnungsbau. Beim öffentlichen Bau bremsen Planungsengpässe, die auch Personalengpässe sind. Planungsverfahren sollten vereinfacht und beschleunigt werden. Vgl. Dieter Babiel: Die Erwartungen der Bauindustrie für das Jahr 2018, in: Wirtschaftsdienst 2018/1, S. 10f. In kaum einer anderen Branche zeigt sich 2018 so die konjunkturelle Überhitzung. Personal, Maschinen und Baumaterial werden knapp. Die Kunden müssen warten, die Preise steigen. Der Umsatz soll um rund 4% steigen. Der Fachkräftemangel bremst 2018 den Bau. Es fehlen Handwerker. 2021 steigen die Preise dramatisch an (fehlender Nachschub, hohe Nachfrage). Auch die Pandemie hat ihren Anteil. Im November 2021 gab es den höchsten Anstieg seit mehr als 50 Jahren (15,7%). 2021 steigen die Baupreise um 14,4%. Grund: Materialknappheit. Der Trend setzt sich 2022 fort: Materialengpässe, hohe Preise, Personalmangel. Die Prognosen fallen düster aus. 2022 kippt die Stimmung am Bau: hohe Kosten für Material, Energie und Personal lassen die Nachfrage einbrechen. Vgl. Zeitgespräch. Baugewerbe in stürmischen Zeiten, in: Wirtschaftsdienst 1/ 2023. Die Bautätigkeit bricht 2023 weiter ein (hohe Zinsen, hohe Preise, Umweltgesetze: Dämmen, Heizung). Der Wohnungsbau stürzt ab. Immer weniger Aufträge, immer mehr Stornierungen. Quelle: Ifo-Institut, August 2023. Die Zahl der Stornierungen nimmt stark zu. Im Januar 24 ist die Stimmung am Bau auf Tiefpunkt. Der Ifo-Index sinkt auf niedrigsten Stand seit der Einführung. Die Preise steigen langsamer. 2023 sind die Baugenehmigungen auf dem niedrigsten Stand seit 2012.

Zementbranche: Ohne Beton wäre die heutige Zivilisation kaum denkbar. In den Industriestaaten bestehen 50 % der Bauwerke aus dem Stoff. Die Branche steht vor gewaltigen Veränderungen: 1. Für Beton braucht man Sand. Doch der wird knapp. 2. Ökoproblem: Zementfabriken blasen 8 % des Kohlendioxids weltweit in die Luft. In der Metropolregion Rhein-Neckar ist Heidelberger Cement am größten.

Textilindustrie: Da relativ arbeitsintensiv, sind viele Produktionsstätten verlagert worden (Asien, Türkei). Daneben spielt die passive Veredelung eine große Rolle (Outsourcing von einzelnen Produktionsschritten). Gerade mittelständische Betriebe lassen die Produktionsbedingungen ihrer Zulieferer in Asien von unabhängigen Organisationen überprüfen (sie fertigen nicht im Billigsektor, z. B. in Bangladesch). Die wichtigsten Textilunternehmen in Deutschland sind: Steilmann, Escada, Wöhrl, Gardeur, Laurel, Pohland, Strenesse, Rena Lange. Die Branche steht 2018 vor großen Problemen. Eigene Online-Shops scheinen nicht das Allheilmittel zu sein. Weltweit findet eine Wanderung zu neuen Standorten statt. Besonders wird ei Textilindustrie in Äthiopien mit Hilfe der Weltbank aufgebaut. Es entstehen 16 neue Industrieparks mit Tausenden von neuen Arbeitsplätzen. Das Land hat eine lange Tradition der Textilindustrie. Das Lohnniveau ist noch relativ niedrig. Die Lohndrückerei der globalen Textilindustrie hat damit auch Bulgarien erreicht. So ist Kleidung "Made in Europe" nicht fairer als aus Fernost. 2018 kriseln viele Textilunternehmen in Deutschland. Tom Taylor wird von Chinesen übernommen. Gerry Weber geht insolvent. Modehandel AWG schließt Filialen. Die Branche reagiert. Mehr als 1000 Maßnahmen sollen die Bekleidungsproduktion nach dem Willen des "Textilbündnisses" nachhaltiger machen: Existenz sichernde Löhne, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und weniger Chemie. Im September 2019 startet das staatliche Textilsiegel "Grüner Knopf" (Vereinigung entstand 2014, derzeit 72 Mitglieder). Doch es gibt zu wenig Prüfkapazitäten. Soziale Kriterien sind Arbeitnehmerrechte, Mindestlohn, Nicht-Diskriminierung, Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit. Ökologische Kriterien sind Mindestanforderungen an Abwasser und Chemikalien, Abbaubarkeit.   Die wirtschaftliche Lage hat sich zum Jahresende 2013 verbessert (Umsatzplus von 2,4% gegenüber 2012; 2014 werden 3,75% erwartet). Die Textilindustrie zählt zu den dreckigsten Industrien der Welt. Gerade in China, Bangladesch oder der Türkei sind soziale und ökologische Mindestanforderungen nicht geschätzt. 2018 und 2019 ist Myanmar im kommen. Aldi und Lidl lassen hier produzieren.  Unmenschliche Produktionsbedingungen, Verstoß gegen die einfachsten Umweltregeln sind häufiger. Entscheidend sind die Konsumenten, die aber eher impulsiv als rational handeln. Clean Clothes Kampagnen sollen das Image aufpolieren.

Schuhindustrie: Die Schuhindustrie war und ist eine typisch mittelständische Branche. Weil sie relativ arbeitsintensiv produziert, geriet sie schon in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts durch passive Veredlung und Produktionsverlagerungen in Deutschland in die Krise. Das zeigte sich besonders stark in der Westpfalz (Pirmasens, Hauenstein). Zunächst überlebten nur Spezialschuhhersteller (Orthopädie). Noch in den Neuzigerjahren war ich in Pirmasens im Rahmen der Weiterbildung Westpfalz tätig, die alternative Neugründungen und Handwerksunternehmen unterstützte. 2014 hatte die deutsche Schuhindustrie gut 2,5 Mrd. € Umsatz. Das war ein Zuwachs im Vergleich zu 2913 von +8%. Etwa 80 Unternehmen stellen in Deutschland noch 'Schuhe her. Drei Viertel ihres Geschäftes machen sie im Inland. Die meisten Ausfuhren gehen in die Länder der EU (Slowakei, Niederlande, Frankreich). Importiert werden die meisten Schuhe aus China. Ein gefragtes deutsches Label ist mittlerweile Birkenstock (wird mit "deutsch" gleichgesetzt; früher eher Ökolatschen). Auf dem Vormarsch ist der Schuh-Online-Handel. Weltweit hat eine Globalisierung der Schuhindustrie stattgefunden. Die weltweit größten Schuhexporteure sind 2016 China und Vietnam (1,1 Mrd. Schuhe allein aus Vietnam). Vietnam ist im höheren Preissegment beliebt (Sportschuhe). Andere Niedriglohnländer wie Indonesien und Indien machen Konkurrenz. Wenn computergesteuerte Einzelfabrikation kommen sollte, könnte die Globalisierung wieder zurückgedreht werden. Die Schuhindustrie kämpft 2020 mit den Folgen der Corona-Pandemie. Der Umsatz bricht im ersten Halbjahr ein (-21%). Insgesamt brechen 2020 die Umsätze um 25% ein (vor allem das Segment "Modeschuh"). Noch schlechter könnte das Jahr 2021 werden. 2023 konnte die gesamte Branche ihren Umsatz steigern. Doch 2023/ 24 bremst die Inflation die Kauflust und die Schuhgeschäfte kämpfen weiter. Die Branche bleibt aber stabil.

Möbelindustrie: Die deutsche Möbelindustrie ist in Europa führend. Weltweit werden nur in China und den USA mehr Möbel produziert. 2016 betrug der Umsatz der deutschen Möbelbranche 18 Milliarden Euro (+3,5%). Die Branche leidet unter einem hohen Importdruck verbunden mit einer Rabattschlacht der Möbelhäuser. . Aber im deutschsprachigen Raum gibt es außerordentlich erfolgreiche Hidden-Champions in der dieser Brache.

Holzindustrie: Die deutsche Holzindustrie ist 2018 stark gewachsen. Baukonjunktur und Auslandsgeschäft haben dazu beigetragen. Aber auch die Herstellung von Holverpackungen hat sich positiv ausgewirkt. Die Anzahl der Mitarbeiter lag bei 156.000. Der Umsatz stieg um 2,7% auf 36,6 Mrd. € (Quelle: Hauptverband der deutschen Holzindustrie, HDH, Bad Honnef).

Glasindustrie: Die Glasindustrie gerät 2022 unter Druck. Sie braucht russisches Gas. Ein Embargo würde zu Produktionsausfällen führen (Kurzarbeit, Insolvenzen). Man braucht Gas als Energie, um Quarzsand zu schmelzen. Der sit Grundstoff für jedes Glasprodukt. Vgl. Rückl, Carolin: Leicht zerbrechlich, in: Die Zeit Nr. 26/ 23.6.22, S. 35.

Informations- und Kommunikationstechnik (Digitalbranche): Deutschland und auch Europa haben digital noch nicht den Anschluss gefunden. In der EU liegt der Anteil am BIP der 27 EU-Staaten 2010 nur bei 3,8% (Südkorea 7,3%; China 5,5%; USA 4,7%). Hier wäre eine Industriepolitik notwendig, die hilft, den Anteil zu erhöhen. Die Branche ist wichtig, um die  Wettbewerbsfähigkeit des industriellen Kerns sicher zu stellen. Alle Formen der Telekommunikation werden immer mehr miteinander verschmolzen. Für jede Kommunikation gibt es einen eigenen Kanal. Die Unterhaltungselektronik wird mittlerweile auch noch zu der Branche gerechnet. 2017 beschäftigt die Branche die meisten Menschen (1,08 Mio. Menschen; überholt den Maschinenbau). Die Branche hat 2019 und 2020 die meisten offenen Stellen (82.000 2019; 124.000 2020, +51,2%). Die Branche wächst stark, auch weil die Funklöcher verschwinden sollen. Drei der größten Firmen in dieser Branche kommen aus den USA Ende 2014: Apple, Microsoft, Google (unter den ersten fünf der größten Unternehmen der Welt).

Pharmaindustrie: Die deutschen Pharmahersteller sind mittlerweile weltweit abgeschlagen. Es gibt noch zwei große deutsche Unternehmen: Boehringer (Familienunternehmen) und Bayer. Höchst wurde zerschlagen (in den Neunzigern war Deutschland noch mit an der Weltspitze). Hoechst ging in Sanofi und Novartis auf. Im deutschsprachigen Raum ist Roche (Schweiz) noch stark Das Potential der Biotechnologie wurde unterschätzt und überhaupt gab es zu wenige Innovationen. Der weltgrößte Pharmakonzern ist Pfizer in den USA. Die Pharmabranche ist sehr forschungsintensiv (zwischen 2003 und 2012 wurden 1,13 Billionen Dollar für Forschung ausgegeben). Deshalb gibt es eher wenige mittelständische Unternehmen in diesem Bereich. Anders sieht es in der Biotechnologie aus. Die kleineren Firmen machen hier zunehmend Konkurrenz. Im Heidelberger Raum ist eines der Zentren in Deutschland. Die Pharmaindustrie gerät in Deutschland immer wieder in die Kritik, weil sie viel Geld an Ärzte zahlt. Sie sagt, das wäre für Anwendungsbeobachtungen. Gegner sagen, das seien Pseudostudien, um Ärzten Geld zu zahlen, damit sie ihre Präperate verschreiben. Die Konzerne zahlen auch viel Geld an Patientenorganisationen (Selbsthilfegruppen). Immer wieder in die Kritik gerät die Pharmaindustrie wegen ihrer Preispolitik. In den USA greift Präsident Trump persönlich Pfizer wegen der Preispolitik an. Trotzdem widersteht die Branche der Konjunktur. Krebs und Krankheit kennt keine  Konjunktur. 2020 treibt die Corona-Pandemie diei Branche an.  Weltgrößtes Pharmaunternehmen nach dem Börsenwert Ende 2014 ist Johnson&Johnson. Auf Platz 12 liegt Novartis und auf Platz 17 Roche aus der Schweiz. Das wertvollste deutsche Unternehmen und zugleich aus der Pharmabranche ist Bayer.

Gesundheitsbranche: Elektronische Selbstüberwachung ist auf dem Vormarsch. Routinebesuche beim Arzt verlieren an Bedeutung. Detaillierte Anleitungen erleichtern chirurgische Eingriffe. Virtuelle Vergleiche machen Ärzte und Krankenhäuser transparent. Diagnoseverfahren mit Computer und künstlicher Intelligenz werden immer genauer. Die Gesundheitstechnik steht insgesamt vor einer Revolution: Chatbots, Wearables, Handykamera, Spracherkennung, Bluttests und Gentests erledigen auf Knopfdruck, was bisher nur Ärzte konnten. Künstliche Intelligenz bietet große Chancen und könnte die Kassen entlasten. Die Corona-Pandemie fordert die Branche in höchstem Maße. Es entsteht eine Diskussion über Auslastung, Vorhaltung und Kapazitäten.

Biotechnologie: Diese Technologie hat eine rasante Entwicklung. Experten rechnen damit, dass in 20 Jahren (ab 2017) sie zum Kerngeschäft der meisten Unternehmen gehört. Sie beeinflusst heute schon in großem Maße die Pharmaindustrie, die Textilindustrie, die Sportartikelbrache und die Medizintechnik. Der Biotech - Markt in Deutschland wächst unaufhörlich (2018 +8%). Börsennotierte Unternehmen sind z. B. Evotec, Medigene, Morphosys. 

Sportbranche: Sie gewinnt auch immer mehr die Unsportlichen. Hier liegt ein großes Wachstumspotential. Die Grenzen zwischen Mode und Funktionskleidung lösen sich auf. Die Online-Konkurrenz spielt eine immer größere Rolle. Eine gezielte Ansprache von Frauen soll gegen den Kundenschwund der stationären Geschäfte helfen (Frauen stehen für 50% der Kundenentscheidungen). Den Markt in Europa beherrschen zwei Riesen im Sporthandel: Decathlon aus Frankreich und Intersport aus der Schweiz.

Elektroindustrie: Die Deutsche Elektroindustrie ist durch die drei Erfolgsfaktoren Investitionen, Innovationen und Internationalisierung gekennzeichnet. 2013 arbeiteten 842.000 Menschen in diesem Bereich, 2018 880.000. Die Exporte, regelmäßig ein Zugpferd der Branche, waren 2013 verhalten. Der Industriezweig hat sich weitgehend von manch anderen Industriezweigen entkoppelt (Industrie 4.0; Energieeffizienz). Vgl. Wirtschaftsdienst, 1/ 2014, S. 14f. Die Digitalisierung der Weltwirtschaft könnte Rückenwind geben. Die Elektroindustrie ist die Leitbranche der Digitalisierung. Die Unterhaltungselektronik entwickelt sich sehr positiv (1. Halbjahr 2017 +2,4%). Zwei Abkürzungen, von denen die Elektroindustrie direkt betroffen ist, werden die Welt verändern: 5G und KI. Der Fachkräftemangel wird immer mehr zum Produktionshemmnis. 2020 hat die Elektrotechnik 888.000 Beschäftigte. Die Elektroindustrie könnte stark vom Kampf zwischen den USA und China betroffen sein (Handelskrieg, auch Iran uns Russland). Beide sind für rund ein Drittel des Umsatzes verantwortlich. Ein Supergau  wäre die Erzwingung einer Entscheidung. Im schlimmsten Falle müssten Unternehmen geteilt werden. Aber auch die Zölle belasten das Geschäft. Das weltgrößte Elektrounternehmen war Ende 2014 General Electric aus den USA auf Platz 13 der Rangfolge nach der Marktkapitalisierung. Siemens, das größte deutsche Elektrounternehmen, liegt auf Platz 72 in der Welt. 2015 wird mit einem weiteren Vorantreiben der Industrie 4.0 gerechnet. China ist schon Abnehmer Nummer eins. Die nachlassende Nachfrage im Riesenmarkt China schwächt das Wachstum der deutschen Elektro-Exporte. Trotzdem wird 2015 wieder ein Exportrekord erzielt (+16,4% USA; Einbußen bei Exporten nach Russland). Im 1. Halbjahr 2017 ziehen die Exporte an (97,5 Mrd. €, +10,4%). Im Jahr 2018 könnten die Exporte zweistellig wachsen. China wird wieder größter Exportabnehmer. Der Aufbruch in ein smartes Industrielles Zeitalter ist da. Das Wachstum bleibt dann deutlich unter den Erwartungen: +1,4%. Vgl. Klaus Mittelbach: Aufbruch in ein smartes industrielles Wissenszeitalter, in: Wirtschaftsdienst 2018/1, S. 14f. Nach der Corona-Krise lassen unerwartet hohe Bestellungen aus dem Inland die Branche auf Erholung hoffen.

Automobilindustrie: Sie ist eine typische Branche für Großunternehmen. Nur im Bereich von Zulieferern gibt es mittelständische Unternehmen. Diese sind aber nicht so stark abhängig von einem einzelnen Großunternehmen wie z. B. in Japan. In Deutschland arbeiten 800.000 Menschen in der Branche. Der Weltmarkt wächst. Aber die Zulieferer - KMU müssen in der Regel mit den Direktinvestitionen der Großunternehmen mitwandern. So wirkt sich in Deutschland und Westeuropa der verhaltene PKW-Markt aus (auch aufgrund der demographischen Entwicklung). Hauptabnehmerländer für deutsche Kraft- und Landfahrzeuge sind 2018: USA, China, GB, Frankreich, Italien, Spanien, Belgien, Niederlande. Die hohe Exportorientierung führt zu starken Schwankungen. Der Bundesrat beschließt 2016, dass ab 2030 keine Diesel- und Benzinmotoren mehr zugelassen werden sollen. Technologische Innovationen (Elektro, Brennstoffzellen, Hybrid) sind also dringend erforderlich. Die deutschen Automobilfirmen sind darauf nicht genügend vorbereitet. Der Druck kommt auch aus China, wo die Elektromobilität beschleunigt wird. Ein Elektromotor ist aber einfacher strukturiert mit weniger Teilen. So werden in der neuen Technologie auch weniger Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. VW gibt im November 2016 bekannt, weltweit 30.000 Arbeitsplätze abbauen zu wollen (23.000 allein in Deutschland). Die Zukunftsthemen müssen offensiver angepackt werden: E-Autos, Ladeinfrastruktur, Abgasemissionen, Dieselmotor, Digitalisierung. Es geht um die Mobilität von morgen. Der Brexit könnte die deutsche Automobilindustrie hart treffen. Die deutschen Autobauer verlieren immer mehr den Vorsprung durch Technik. Bei den E-Autos haben mittlerweile mehr ausländische Firm die Patentführung (LG Chem vor Toyota und Bosch). Beim autonomen Fahren liegt Toyota schon auf dem zweiten Platz. Der Handelskrieg 2018 könnte die Automobilindustrie voll treffen: Die meisten Autos werden nach GB und in die USA exportiert. Ein Brexit oder eine Importsteuer von 25% hätte große Auswirkungen. Aber auch ein umweltfreundlicherer Straßenverkehr wird die Automobilindustrie massiv verändern: Die Umweltbilanz der Autos muss besser werden. Es muss eine flächendeckende Ladestruktur eingerichtet werden. Die Produzenten müssen ihre Wertschöpfungsketten verändern: 70% fallen im Schnitt auf Zulieferer. Beim Elektro-Auto würden sie so untergehen. Der Staat muss massiv  eingreifen. Ende 2018 sieht sich die Autobranche in Deutschland zu stark belastet. Das ist eine Reaktion der Hersteller auf den EU-Beschluss zum CO2-Ausstoß von Neuwagen bis 2030. 2019 steht die Automobilindustrie vor einigen Problemen und Veränderungen: Sowohl der Brexit als auch die US-Handelspolitik haben Auswirkungen. Hinzu kommen die CO2-Regulierungen, die Digitalisierung, die saubere Luft in Städten und die schwierigen Länder USA und China. Die beiden prestigeträchtigsten deutschen Automarken Daimler und BMW wollen ab 2019 kooperieren beim autonomen Fahren. Google - Tochter Waymo liegt noch vorne (vor allem bei Betriebssystem). Der Automobilvertrieb wird umgebaut. Der Zollkrieg von Trump verschärft den Fusionsdruck. Vielleicht muss der Autobauer sich zum Mobilitätsdienstleister umpolen. 2019 zeichnet sich ab, dass es zu einem massiven Arbeitsplatzabbau in Deutschland kommen wird. VW, Daimler, Audi und Ford wollen viele Arbeitsplätze zurückfahren. Ursache sind die US-Zollpolitik und die Elektromobilität. Der Anteil der SUV steigt kontinuierlich, der E-Boom kommt langsam. Auch die Zuliefererbranche verändert sich radikal. Wie viele Jobs die Umstellung auf E-Mobilität kostet, hängt vom Verhalten der heimischen Hersteller und der Qualifizierung der Beschäftigten für neue Aufgaben ab. Bei einem Treffen der Autohersteller im Kanzleramt fordern die Autohersteller Hilfe in Milliardenhöhe für den Strukturwandel. Auch einen neue Regelung des Kurzarbeitergeldes ist ein Thema. Die Autoindustrie wird hart von der Corona-Krise getroffen. Lieferketten brechen ein (wegen Zeit versetzten Ausbruchs), die Kaufzurückhaltung ist groß. Dei Branche hat 1 Mio. Erwerbstätige. Der Verband fordert auf einem Gipfel mit der Bundesregierung am 05.05.20 Kaufprämien. Es wird eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die bis zu Anfang April Lösungen finden soll. Druck machen die Länder, wo die deutschen Autofirmen sitzen. Die Autoindustrie hat zuletzt 400 Mrd. € Umsatz gemacht. Nachdem keine Kaufprämie für Verbrennungsmotoren kommt, fordern die Zulieferer staatliche Unterstützung. Die neuen Grenzwerte in der EU für CO2 (im Dezember 2020 beschlossen) setzen der deutschen Autoindustrie zu. Kein Produkt hatte so viele Menschen beschäftigt wie der Diesel. Die Euro-7-Norm ist sehr hart. Der Chipmangel ist das Gesprächsthema auf der IAA. Sollten sich die Autobauer am höheren Aufwand der Zulieferer beteiligen? 4,5% der deutschen Wertschöpfung erwirtschaftet alleine die deutsche Automobilindustrie. Der rumänische Hersteller Dacia ist die erfolgreichste Automobilmarke Europas. Schon 2013 konnte Dacia den Absatz in der EU um gut 27% steigern. Dacia produziert seine Fahrzeuge in Rumänien, Russland, Brasilien, Kolumbien, Indien und Marokko. Nach dem Marktwert ist Toyota Ende 2014 das weltgrößte Automobilunternehmen (auf Platz 20 aller Unternehmen in der Welt). VW, das größte deutsche Automobilunternehmen, liegt auf Platz 63. "Bei den Autobauern sehe ich rhetorische Aufgeschlossenheit bei tatsächlicher Verhaltensstarre", Robert Habeck, grüner Umweltminister Schleswig-Holstein, 2016. Die Autohäuser in Deutschland leiden 2018 wegen Wertverlust von Leasing-Rückläufern. Im ersten Halbjahr 2020 gibt es in der Corona-Krise einen Absatzrückgang von 23%. 2021 fürchtet die Branche ein früheres Aus des Verbrennungsmotors (Reduktion der Treibhausgase in der EU bis 2030). Die Expertenkommission Zukunftsfonds sieht durch die E-Mobilität Gewinner- und Verlierer-Regionen in Deutschland: Am meisten werden die neuen Bundesländer profitieren. Verlierer könnten Baden-Württemberg und Bayern sein. 2021 hat die Branche einen Auftragsboom und kommt mit der Produktion nicht nach (Lieferengpässe, Chips, Container).

Deutsche Autokonzerne: Dazu gehören VW, Daimler und BMW (der Größe nach). Der konjunkturelle Abschwung und der Handelskrieg führen 2019 zu Problemen, die zusammen kommen mit der E-Mobilität und dem autonomen Fahren. Es genügt nicht mehr nur, Autos zu entwickeln, zu bauen und zu verkaufen. VW scheint noch am besten aufgestellt zu sein (Größenvorteile, Finanzkraft, Strategie, Innovationen). Daimler und BMW sollten kooperieren. Der Automobilbau hat in Deutschland 823.000 Beschäftigte. 2021 wirtschaftet der Autobauer Daimler so profitabel wie nie. Das soll auch im Zeitalter der Elektromobilität so bleiben - trotz geringerer Margen. Schon 2030 könnte Volkswagen 15% des Konzernumsatzes mit Robotaxis und Mobilitätsdiensten erwirtschaften. Am 08.09.20 findet in Berlin wieder ein Autogipfel statt. Es geht um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie (Ladeinfrastruktur, autonomes Fahren). Bayern bringt Prämien für Verbrennungsmotoren in die Diskussion ein.

Autozulieferer: Sie stehen 2020 besonders unter Druck durch die Transformation zum E-Auto (weniger Teile) und den Nachfrageeinbruch durch Corona. Der Bundeswirtschaftsminister will Ende 2020 ein Milliardenprogramm zur Unterstützung der Branche auflegen. Es soll ab 01.01,21 kommen und einen Umfang von 2 Mrd. € bis 2024 haben. Die größten Autozulieferer in Deutschland sind Bosch, ZF und Continental. Sie müssen ab 2023 Stellen streichen, Werke schließen und Standorte verlagern. Bosch ist 2023 noch der größte Zulieferer der Welt vor CATL/ China, Denso/ Japan und Hyundai Mobis/ Korea. Durch die Umstellung auf Elektro-Autos bauen die großen deutschen Zulieferer massiv Stellen ab oder verlagern sie ins Ausland. Ab 2024 ist folgender Stellenabbau geplant: Bosch 3.000; Continental 7.150; ZF 12.000.

Mission Elektro (Transformation): Die Autoindustrie ist das Rückgrad der deutschen Wirtschaft (426,2 Milliarden Umsatz 2018, 4,5% der Bruttowertschöpfung). Sie beschäftigte direkt 834.000 und indirekt 1.200.000 Menschen.  Sie ist auch die wichtigste Exportbranche in Deutschland. Sie muss zur Elektromobilität umgebaut werden. Das wird Arbeitsplätze kosten (mindestens 20%). Besonders betroffen sind die Bundesländer Baden-Württemberg, NRW, Niedersachsen, Bayern und Saarland.

Rettungsfonds für Zulieferer (Best Owner Group, BOG): Konzept von IG Metall, IG Bergbau, Chemie, Energie. Als Finanziers kommen Autobauer, Banken, KfW in Frage. Man will auch verschiedene Fördertöpfe aufgreifen. Wirtschaftsministerium und Finanzministerium sind beteiligt.

Fahrradindustrie: 2018 sind die Verkäufe um 9 Prozent gestiegen. Die Branche verkaufte 4,2 Millionen Fahrräder. Der Durchschnittspreis kletterte auf 756 Euro. Der Bestand in Deutschland liegt bei schätzungsweise 75 Mio. 2020 profitiert die Fahrradindustrie von der Corona-Krise.

Chemische Industrie: Sie gilt als die Branche der Großunternehmen und der höchsten Internationalisierung. 300.000 Beschäftigte in Deutschland. Immer noch wird auch 2013 und 2014 verstärkt im Ausland investiert. Die Branche wartet auf die EEG-Reform und ein Freihandelsabkommen mit den USA. 2014 wird ein Aufwärtstrend erwartet. Die chemische Industrie ist stark in der Metropolregion Rhein-Neckar vertreten. Auch für 2015 erwartet der Verband der chemischen Industrie (VCI) einen Anstieg der Erlöse (5. Jahr in Folge). Das Marktumfeld in der chemischen Industrie ändert sich dramatisch 2016 für die deutschen Konzerne BASF und Bayer. Sie geraten unter Druck.  In den USA fusionieren Dow Chemical und Dupont. Der Staatskonzern Chem China erwirbt Syngenta aus der Schweiz. Ein Zusammenschluss mit Sinochem ist im Gespräch. Bayer gelingt es dann 2016 und 2017, Monsanto in den USA zu übernehmen.  2017 wollen sich Clariant/Schweiz und Huntsman aus den USA zusammenschließen (Spezialchemie). Die Fusion scheitert an einer Aktionärsrevolte. Die BASF muss aufpassen. Ihre Strategie, jeden Stoff der Wertschöpfungskette zu produzieren, ist einzigartig. Die anderen spezialisieren sich und wachsen. In der Agrarchemie ist die BASF schon zurückgefallen. 2017 geht es mit der Weltchemiekonjunktur wieder aufwärts. Die Auslastung der Produktionskapazitäten ist gestiegen. 2019 hat man verhaltene Erwartungen. Es gibt zunehmende Risken im Welthandel. Die Corona-Krise führt zu einem Einbruch. Die Branche hat 463.00 Beschäftigte (zusammen mit der Pharmabranche). Ende 2022 gehen die Auftragseingänge zurück. Der Umsatz ist im Jahre 2022 schon eingebrochen.  Die chemische Industrie rechnet 2015 mit einem verhaltenen Aufwärtstrend. 2016 soll ein leichtes Wachstum kommen. 2017 wird keine große Dynamik erwartet. Gefordert wird eine Industriepolitik: Innovationskultur, Forschungsförderung, Forschungskooperationen, anwendungsorientierte Forschung (Vgl. Utz Tillmann: Chemiegeschäft ohne nennenswerte Dynamik, in: Wirtschaftsdienst 2017/1, S. 12ff.). China greift in der Chemie an. Weltweit liegt es schon 2016 an der Spitze mit 33,4% Weltmarktanteil. Der soll bis 2030 auf 45% wachsen. Der Trend für 2018 ist: Der Aufschwung setzt sich fort. Innovationen beschleunigen (Chemie 4.0: Digitalisierung, zirkuläre Wirtschaft). Vgl. Utz Tillmann: Erfolgreiches Jahr für die deutsche Industrie, in: Wirtschaftsdienst 2018/1, S. 12f. Der Handelsstreit mit den USA und der Brexit treffen 2018 die Chemie. die Branche spürt Gegenwind. 2019 zeichnet sich ein Abwärtstrend deutlich ab. Der Branchenverband senkt im September 2019 erneut die Prognose für Umsatz und Produktion. 2020 ist die Chemiebranche im Rückwärtsgang. Nach Corona wird mit schrumpfendem Umsatz und geringerer Produktion gerechnet. So kommt es dann  auch 2022. Auch für 2023 gehen die Aufträge zurück.

Waffenwirtschaft/ Rüstungswirtschaft: Rüstungsunternehmen in Deutschland. Ihr Erfolg hängt stark an Exportmöglichkeiten. Diese sind an Genehmigungen gebunden. diese werden vom Bundesamt für Wirtschaft in Eschborn oder in der Regel von Ministerien erteilt. Unter den deutschen Waffenfirmen ragen besonders die folgenden heraus: Thales, Rheinmetall, Diehl, Thyssen-Krupp, Heckler & Koch. In Krisenzeiten müssten die Industrie und dei Bundesregierung an einem Strang ziehen. Das Gegenteil scheit aber der Fall zu sein. Beim Puma (Schützenpanzer) sieht sich die Industrie zu Unrecht belastet. Die Soldaten haben wohl Probleme bei der Bedienung. Vgl. Biederbeck, Max u. a.: Friendly Fire, in: WiWo 3/ 13.1.23, S. 26ff. Die Top-Exporteure in der Welt sind: USA, Russland, Frankreich, China, Deutschland, Italien, GB, Süd-Korea, Spanien, Israel.

Stahlindustrie: Weltweit eher eine Branche der Großunternehmen. Seit Jahren kriselt die Branche. Es herrscht ein Überangebot am Weltmarkt (2017 sind weltweit die Kapazitäten nur zu 705 ausgelastet). Es herrscht ein großer Preisdruck durch chinesische Billigimporte und durch Überkapazitäten. Die immer schärferen Klimaauflagen machen der Branche auch zu schaffen. Die Nachfrage nach Walzstahl könnte 2016 wieder etwas anziehen. 2016 sind die chinesischen Exporte doppelt so hoch wie 2013. Die EU verhängt Anti-Dumping-Zölle. Die chinesischen Stahlwerke werden hoch subventioniert (verstößt mittlerweile gegen WTO-Vereinbarungen). China ist für zwei Drittel der weltweiten Überkapazitäten verantwortlich. Die großen Unternehmen reagieren mit Fusionen. Nach dem Zusammenschluss von Arcelor/ Mittal wollen auch ThyssenKrupp und Tata Steel sich zusammen schließen. Die deutsche Stahlindustrie steht weltweit auf dem siebten Platz. Am 22.1018 findet im Saarland/ Völklingen ein nationaler  Stahlgipfel (Allianz der Stahlländer") statt, bei dem über die Situation der deutschen Stahlindustrie beraten wird (Saarland, NRW, Brandenburg, Niedersachsen, Bremen, Hamburg). Man will eine Überforderung bei Klimaschutz durch höhere Emissionszertifikate verhindern. Es geht auch um die Konkurrenz aus China und Indien. Thyssen-Krupp will bis 2025 zehn Milliarden Euro in die CO2-freie Stahlerzeugung investieren. Für die Branche beginnt ein Rennen gegen die Zeit. 2020 hat die Stahlindustrie in Deutschland noch 86.000 Beschäftigte. Der Bund plant eine Unterstützungsaktion. Der stahl soll klimafreundlicher produziert werden. Man spricht von "Grünem Stahl". Zuerst soll CO2-arm, dann CO2-frei produziert werden. Es kommen drei Maßnahmen: 1. Wasserstofftechnologie. 2. Verhinderung von Verlagerungen. 3. Höherer Schutz vor Übernahmen. Die Kosten dafür dürften bei ca. 30 Mrd. € liegen. In der Stahlbranche (einschließlich Metallverarbeitung) sind 2020 450.000 Menschen beschäftigt. Im Februar 2021 kommt es zu Engpässen. Die Kunden klagen über Lieferengpässe und hohe Preise. 2022 fährt die Stahlindustrie auf Rekordkurs. Das Geschäftsjahr läuft so gut wie lange nicht. Grund sind dei hohen Preise. Das gilt insbesondere für Thyssen-Krupp, Salzgitter und Arcelor-Mittal.

Bahntechnik: Der Weltmarkt für Bahntechnik teilt sich nach Volumen wie folgt auf: Asien 56 Mrd. €, Westeuropa 46 Mrd. €, Nordamerika 29 Mrd. €, GUS-Staaten 24 Mrd. €, Osteuropa 11 Mrd. €. Der weltweit größte Hersteller ist die chinesische Firma CRRC.

Landwirtschaft: In den alten Bundesländern hat die Landwirtschaft eine mittelständische Struktur. Sie wird aus EU-Mitteln hoch subventioniert. Durch Aufgabe der Quoten durch die EU bei Milch und Fleisch gerät sie stark unter Druck. Das kommt, weil auch die Märkte in Russland (Sanktionen) und China (Konjunktur) weitgehend weg gebrochen sind. Hinzu kommt der starke Wettbewerb im Handel durch Oligopolisten. Die Bundesregierung erwägt Unterstützungsprogramme (Bürgschaften, Direkthilfen in Höhe von 60 bis 100 Mio. €)). Ein Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) dürfte große Auswirkungen auf die deutsche Landwirtschaft haben. In RLP spielt der Weinbau eine große Rolle (ca. 70% des deutschen Weins). Die Subventionen des Bundes teilen sich 2018 wie folgt auf: Direktzahlungen (4,9 Mrd. €), Alterssicherung (2,3), Nachhaltige Bewirtschaftung (1,3), Sonstige (Unfallversicherung, Krankenversicherung, Agrarschutz und Küstenschutz, Hochwasserschutz, Innovation). 2019 organisieren die Agrarverbände große Demonstrationen in Berlin und in den Ländern: Düngemittel, Pflanzenschutz u. a. Im Jahre 2022 liegt die Wertschöpfung landwirtschaftlicher Betriebe bei 24,6 Mrd. €. Die Gewinnsituation sieht 2022 wie folgt aus: Größe 50-100.000€ (Anteil 22,6%): +33500€ durchschnittlicher Gewinn.  Größe 100-250.000 € (Anteil 38,0%): +59.000 durchschnittlicher Gewinn.  Größe ab 250.000€: (Anteil 39,4%): +132.000€. Im Jahre 2022 gibt es noch 256.000 Höfe (1975 905.000). 1,2 % aller Beschäftigten arbeiten in Deutschland in der Land- und Forstwirtschaft. Quelle: BMEL, StBA.

Schlacht- und Fleischindustrie: In der Corona-Krise 2020 bricht in einigen Schlachthöfen die Pandemie aus. Die Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen geraten in den Mittelpunkt. Der größte Corona-Ausbruch ist noch im Juni 20 in einem Schlachthof in Gütersloh (Tönnies; Arbeiter aus Osteuropa? mehr als 1300 Arbeiter sind infiziert). In den Schlachtbetrieben arbeiten überwiegend Ausländer aus Osteuropa, die in schlechten Sammelunterkünften zusammengepfercht hausen müssen. Ursachen sind die Arbeitsbedingungen, die Unterkünfte und die sozialen Bedingungen. Die Bundesregierung will Werkverträge verbieten. Subunternehmer sollen nicht mehr eingesetzt werden können.  Auch das Auslagern von Kernbereichen soll verboten werden. Es wird auch eine Haftung für die Schäden überlegt. Die deutsche Fleischindustrie ist in der EU führend und auch weltweit mit an der 'Sitze. Sie produziert jährlich 8,6 Mio. Tonnen Fleisch. 4,1 Mio. Tonnen davon gehen in den Export. Es sollen schärfere Gesetze kommen. Eine Tierwohlabgabe soll das Fleisch teurer machen. Die Bundesländer NRW und Niedersachsen, in denen die meisten deutschen Schlachthöfe liegen, machen einen Zehn-Punkte-Plan: Arbeitsbedingungen, Gesundheitsschutz u. a. Nach mehreren Corona-Ausbrüchen in Schlachtbetrieben 2020 macht die Politik schärfere Regeln für die Branche. Werkverträge werden verboten. Auch das Auslagern von Kernbereichen soll verboten werden. In den Schlachtbetrieben arbeiten überwiegend Ausländer aus Osteuropa, die in schlechten Sammelunterkünften zusammengepfercht hausen müssen. Bisher haben die Unternehmen allerdings gegen jede Regel einen Trick gefunden. Die Schlupflöcher werden sie bei der Leiharbeit finden müssen (aber Höchstgrenze von 8%). Auch das Subunternehmertum ist noch nicht ausgereizt (aber stärkere Kontrollen, digitale Arbeitszeiterfassung.    6,5 Mrd. € setzte der Tönnies-Konzern 2019 um (20 Mio. Schweine, 440.000 Rinder). Clemens Tönnies ist der mächtigste deutsche Fleischindustrielle. 2021 ändert sich der Fleischkonsum in Deutschland, d. h. er geht zurück. Der Trend geht weg vom Schwein und hin zu Geflügel. 2022 geht der Fleischkonsum weiter zurück. Es ist vor allem preiswerte Ware gefragt, wegen der hohen Inflation.

Energie: Stromerzeugung und Netze werden zu Verkehrsadern. Haushalte und Unternehmen verbrauchen und produzieren Strom. Sie tauschen und verkaufen Energie untereinander. Immer mehr Plattformbetreiber organisieren den Markt. Neue Preismodelle ziehen auf. Die Solarbranche erholt sich 2017 wieder. Es wird ein Marktwachstum von 30% erwartet. Es wird in zukunft weniger Kohle eingesetzt. Die Preise werden steigen (wegen der Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung).

Solarindustrie: Bis 2030 sollen 600 Gigawatt an neuen Fotovoltaikkraftwerken in der EU ans Netz gehen. Das schafft eine Energieabhängigkeit von China. Dessen Solarindustrie beherrscht fast alle Fertigungsschritte, fast 80% des Weltmarktes. Fast die hälfte des wichtigen Solarzellenrohstoffs Polysilizium kommt aus der chinesischen Regien Xinjiang (die EU hat hier Handelsrestriktionen wegen Menschenrechtsverletzungen). Vgl. WiWo 30/ 22.7.22, S. 8.

Branchen der Shareconomy (Teilen und Verdienen): Der Gedanke ist nicht neu. Dorf- und Wohngemeinschaften, Wohnheime, Kommunen, Bauern und Kibuzze nutzen seit Jahrtausenden Gebrauchsgüter gemeinsam, also auch viele KMU. Die Branchen sind wie folgt betroffen: Kreditvergabe, Online-Mitarbeiter sind noch in einer Nische. Übernachtungen bei Fremden mit Netzwerk und Fahrgemeinschaften sind im Durchbruch. Normal ist das Teilen mittlerweile bei Musik (Streaming), Werkzeugen und Geräten und Übernachtung mit Frühstück. Der Höhepunkt ist im Moment bei Büchern und Autovermietung. Schon wieder zurück geht der Trend bei DVD - Verleih. Vgl. PwC, Global Investor 3/ 2016, S. 55.

Dienstleistungsbranche: Sie hat in Deutschland eine besonders hohe Exportquote. 14% aller Dienstleistungsunternehmen exportieren (Quelle: IfM - Bonn, 2017). Insgesamt ist die Branche aber weniger international als das Verarbeitende Gewerbe. Eine besondere Rolle spielen unternehmensnahe Dienstleistungen. Ihre Einordnung entscheidet maßgeblich über die Größe der Branche (z. B. in den USA als eigene Branche gewertet).

Hotel- und Gaststättengewerbe: Dieser Bereich hat 2015 den größten Umsatzzuwachs seit 20 Jahren geschafft (+4%; Dehoga). Ein Grund ist der Anstieg des Deutschland-Tourismus. Für 2016 werden sinkende Gewinne wegen des Mindestlohns erwartet. 2017 gibt es wieder ein Umsatzplus dank der guten Wirtschaftslage. Hier gibt es 1,9 Mio. Erwerbstätige. Bei der Corona-Krise kommt es zu einem massiven Ausfall. Nachholeffekte gibt es nicht. Weltweit dürfte dieses Gewerbe 2020 große Einbußen erleiden. Im April 2020 bricht der Umsatz im deutschen Hotel- und Gastgewerbe um -75,8% ein. Im Mai stieg zwar der Umsatz im Vergleich zum April wieder (45%). Im Vergleich zum Mai 2019 gab es einen dramatischen Rückgang von -64%. Das Gastgewerbe kämpft ums Überleben. Während Restaurants und Hotels in Urlaubsregionen Hoffnung schöpfen, ist die Lage der Betriebe in vielen Städten katastrophal. Es droht eine Insolvenzwelle. Ein Drittel der Betriebe sieht die eigene Existenz bedroht im 2. Lockdown Ende 20/ Anfang 21. Quelle: Umfrage des IAB, Nürnberg. Auch nach der Lockerung 2021 steht den Hotels die schwierigste Phase noch bevor. Die Schulden sind hoch, die Staatshilfen verbraucht, die Touristen verunsichert. Es droht eine Pleitewelle oder das große Fressen von Investoren. Ende 2022 zeichnen sich dunkle Wolkenb am tourismushimmel ab. Hohe Energiekosten und die Inflation belasten die Branche. Die Personalkosten sind kräftig gestiegen.

Gastgewerbe (klassische Dienstleistung): 85% aller Unternehmen dort sind KMU. Zusammen mit dem Baugewerbe ist das der höchste Anteil in einer Branche in Deutschland. Nach der Corona-Krise gibt es das Problem, dass Personal fehlt. Es ist in der Krise abgewandert. Corona vernichtet jeden vierten Job im Gastgewerbe (2022 23,4% weniger Menschen als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum, Quelle: StBA). 2023 ist das Gastgewerbe immer noch nicht erholt. 2022 lagen die Umsätze immer noch unter dem Vorjahresniveau. Den einen kam in der Pandemie die Kundschaft abhanden, den anderen Koch oder Kellner. Unter den Energiekosten leiden alle Cafes und Restaurants. Schon jetzt steigt ab 2024 noch die Mehrwertsteuer. Vgl. Kühn, Alexander: In Teufels Küche, in: Der Spiegel 52/ 23.12.23, S. 48ff. 2023 waren die Umsätze im Gastgewerbe niedrige rals erwartet. 15.000 Betriebe sind 2024 bundesweit gefährdet. Besonders gravierend ist das Problem in GB. Durch Corona, den Fachkräftemangel und die Inflation zieht es immer weniger Briten in die Lokale. Statt Pubs zu verpachten, lassen die Eigentümer sie zu Wohnungen oder Büroräumen umbauen. Die Flächen sind oft zentral gelegen und damit äußerst attraktiv. So ändert sich eine ganze Kultur.

Tourismus: Er ist auch in Deutschland ein wichtiger Wirtschaftsfaktor (8,6% am BIP). Die Bruttowertschöpfung beträgt 105,3 Mrd. Euro. Damit werden 2,9 Mio. Arbeitsplätze in Deutschland gesichert (manche Statistiken sprechen von 5,4 Mio., Anteil an allen beschäftigten 12,0%). 460 Mio. Mal wurde im Jahr 2017 in deutschen Hotelbetten übernachtet (StBA). Die Deutschen verreisen häufiger und kürzer. Der Online-Kanal gewinnt immer mehr an Bedeutung. Es gibt auch immer mehr Reise - Bloggs. Deutsche reisen aber auch viel ins Ausland. In Entwicklungs- und Schwellenländern geben Deutsche 13 Mrd. Euro auf 11 Mio. Reisen aus (insgesamt pro Jahr 80 Mio. Auslandsreisen). Die Reiseveranstalter melden 2018 ein Rekordjahr. Besonders Urlaub in der Türkei und Griechenland war stark gefragt. Die Insolvenz von Thomas Cook 2019 erschüttert Hotels, Reisebüros und Touristen weltweit. Das Vertrauen in die Touristikbranche, insbesondere in die Pauschalreise, ist erschüttert. Es kommt zu einem Abschwung bzw. einer Bereinigung. Der Rest kann sich aber auf gute Zeiten einstellen. Der Deutschland-Tourismus boomt 2019 und 2020 wie noch nie. Im vergangenen Jahr 2019 wuchsen die Inlandsübernachtungen von Gästen aus dem Inland um 3,9% gegenüber dem Vorjahr. Die Corona-Krise lässt den Tourismus erst einmal zusammenbrechen. Viele Arbeitsplätze sind in Gefahr. Noch dramatischer dürften die Folgen in Südeuropa sein, wenn 2020 Reisen nicht möglich ist (Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland). Die Bundesregierung rückt 2020 wieder von ihren Plänen für Zwangsgutscheinen ab (für stornierte Reisen wegen Corona, Veto der EU-Kommission). In der Folge von Corona wird es eine Entwicklung weg vom Massentourismus geben. Eine Erholung der Branche dürfte in weiter Ferne liegen. Die Bundesregierung plant 2020 eine Reform bei Pauschalreisen: Die Tourismusunternehmen sollen 30 € pro Kunde in einen Insolvenzfonds einzahlen. Die Reform ist nach der Pleite von Thomas Cook notwendig. Die Wirtschaft fordert im September 2020 einen Kurswechsel bei den Reisewarnungen. Das treffe nicht nur den Tourismus.   Ende 2020 und 2021 wird eine Pleitewelle bei Reisebüros befürchtet. Ende 2020 zeichnet sich ein Schneekrieg in den Alpen ab. Österreich und die schweiz wollen aufs Skigeschäft nicht verzichten. Italien, Frankreich und Deutschland fürchten Infektionen.

Weinbau: Vor 150 Jahren waren Herstellung und Konsum von Wein auf wenige Länder der Erde beschränkt. In erster Linie waren das die europäischen Länder Italien, Spanien, Frankreich, Griechenland und Deutschland. Fünf Länder produzierten 80% aller Weine. Außenhandel gab es kaum. Bis in die 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts kaum bekannte Weinländer wie Australien, Chile, USA, Südafrika, China spielen heute eine wichtige Rolle. Damit hat auch eine Globalisierung der Produktion und des Konsums eingesetzt. Wein wurde vom lokalen zum globalen Gut. Deutschland ist mittlerweile Weinimportweltmeister (nur ein Drittel des getrunkenen Weines stammt aus Deutschland).  Mittlerweile haben sich auch Riesenkonzerne in der Produktion und im Weinhandel gebildet (Global Treasure Wine Estates, Accolade, Pernod-Ricard, LVMH). Auch der Geschmack hat sich weltweit angeglichen. Dazu gibt es aber auch eine Gegenbewegung, die lokale, authentische Weine will. Vgl. Mathäß, Jürgen: Globalisierung im Glas, in: Rheinpfalz am Sonntag, 30.09.2018, S. 6. Nach einem Urteil der WTO wegen unzulässiger EU-Subventionen dürfen die USA 2020 Strafzölle auf Importe aus der EU im Wert von 7,5 Mrd. € erheben. Die USA führen US-Zölle in Höhe von 25% auf EU-Weinimporte ein. Das trifft Winzer aus Deutschland, insbesondere RLP, hart. Riesling - Winzer von der Mosel exportieren 80% in die USA. Die USA sind weltweit der größte Exportmarkt für deutsche Weine. Die USA erwägen sogar eine Erhöhung auf 100%. Deutsche Winzer fordern Kompensationszahlungen vom Bund.  Deutsche Winzer werden 2018 eine der besten Ernten der vergangenen Jahre einfahren. Das hohe Angebot macht insbesondere den Fasswein zum Billigprodukt. Die Prognose für die Weinproduktion in Deutschland liegt 2018 bei 9,8 Mio. Hektolitern (2015: 8,8). Der Fassweinpreis liegt 2018 bei 70 € pro Hektoliter. 2017 ist der Weinkonsum global angestiegen (0,8%; 244 Mio. Hektoliter; Quelle: Deutsches Weininstitut, Bodenheim). Beim Pro-Kopf-Verbrauch liegt Portugal an der Spitze (vor Frankreich und Italien).

Weinproduktion: Die größten Weinproduzenten weltweit sind in Millionen Hektoliter 2019 (nach dem Rekordjahr 2018 gab es einen Rückgang, meist durch die extreme Trockenheit): Italien 47,5 (-13%); Frankreich 42,1 (-15%); Spanien 33,5 (-25%); USA 24,3% (-2%); Argentinien 13,0 (-10%); Australien 12,0 (-6%); Chile 11,9 (-7%); Südafrika 9,7 (+3%); Deutschland 9,0 (-12%); China 8,3 (-10%). Quelle: OIV 2020 (Internationale Organisation für Rebe und Wein).

Anbaufläche an Wein weltweit (in Hektar): 1. Rotwein: Cabernet Sauvignon 341.000; Merlot 266.000; Tempranillo 231.000; Syrah 190.000; Grenache 165.000; Pinot/ Bauburgunder/ Spätburgunder 112.000. 2. Weißwein: Airen 218.000; Chardonnay 210.000; Sauvignon blanc 123.000; Trebbiano Toscano 111.000.

Wein-Etiketten (Deutsches  Weinrecht, Etikettenwandel): In Zukunft soll der Wein wie folgt qualifiziert werden: 1. Qualitäts-/ Prädikatswein (geschützte Ursprungsbezeichnung, gU, Beispiel Pfalz). 2. Geschützte geographische Angabe (g. g. A., Beispiel. Landwein Pfalz). 3. Ohne geschützte Herkunft (Deutscher Wein).

Novelle des Weingesetzes/ Weinverordnung ab 2021 (in Bundestag und Bundesrat 2020 beschlossen): 1. Neuregelung der Herkunftsangabe (Herkunftspyramide, siehe oben). 2. Großlagen. 3. Stärkere Unterstützung von Marketing. 4. Neue Rebsorten. 

Weintechnik: 1. Hefe: Sie sind Mikroorganismen, welche zu den Pilzen zählen. Es gibt ca. 5000 verschiedene Hefearten. Sie sind entweder in der Natur vorhanden (Naturhefen, Wildhefen, Umwelthefen) oder sie werden im Labor gezüchtet. Manche Hefen werden für ganz spezielle Weinlagen gezüchtet. 2. Hochgewächs: seit 1987 im Weingesetz. Typenwein besonderer Herkunft. Riesling Qualitätsstufe Q.b.A., Mostgewicht 7 bis 10 Grad Oechsle über dem Richtwert, mindestens 1,5% höherer Alkoholgehalt. 3. Holzchips: Eichenholz-Fragmente, welche den typischen Barriquegeschmack imitieren. Auch Wood-Chips genannt. 

Weinkonsum: Konsum pro Kopf und Jahr in Liter. Rangliste: 1. Portugal 56; Frankreich 50; Italien 43; Schweiz 37; Ungarn 30; Österreich 29; Australien 29; Deutschland 28. Vgl. Die Zeit Nr. 44, 22.10.20, S. 52. Das deutsche Weininstitut hat andere Zahlen: Es kommt für 2020 auf 20,7 Liter pro Kopf und Jahr. Es spricht von einer Steigerung durch Corona (Vorräte aufgefüllt und zu Hause getrunken).

Versicherungsbranche: Die Risikolandschaft wird immer komplexer. Das extreme Niedrigzinsumfeld 2016 und auch 2017 ist eine Herausforderung. Die Beitragseinnahmen sind stabil. Die Digitalisierung eröffnet Chancen. Die weltgrößten Rückversicherer haben Probleme durch die zunehmenden Naturkatastrophen. Weltgrößter Versicherer ist hier Swiss Re (33,6 Mrd. US-Dollar Nettoprämien), vor Munich Re (31,8), Hannover Re (15,4). Auch die Versicherungen haben die Digitalisierung zu bewältigen, sie müssen das Produktivitätswachstum erhöhen und sie müssen auch kundenfreundlicher werden. 

Banken: Sie leiden erheblich unter den niedrigen Zinsen der EZB. 2019 kommt die lahmende Konjunktur hinzu. Die Verwaltungsaufwendungen sind sehr hoch. Die Margen bei den Krediten sinken weiter. Es wird immer schwerer den Kunden Wertpapiere oder Fonds zu verkaufen.

Drohnenwirtschaft: Drohnen werden mit den Komponenten Drohne, Apps und Cloud betrieben. Sie werden benutzt von einer Bastlerszene, Privatnutzern und Unternehmern sowie vom Militär und öffentlichen Institutionen. Sie sind das Internet der fliegenden Dinge. die kommerzielle Nutzung wird der Wirtschaft einen Schub verleihen. Die Informationen über den öffentlichen Raum können in der Landwirtschaft, in der Bauwirtschaft, in der räumlichen Orientierung (Katastrophenschutz, Versicherung) verwendet werden. Extrem ist der Nutzen in der Logistik bzw. beim Transport. 2017 soll es in Deutschland 600.000 Drohnen geben.

Luftfahrtbranche: Sie rutscht 2017 insgesamt in die Krise. Die Preisdrückerei nach unten hat Folgen. Die Billigflieger verdienen nur mit Extras. Es trifft zuerst Ryanair, der die Piloten weglaufen. Dann muss Air Berlin Insolvenz anmelden. Es droht Marktdominanz in Deutschland durch die Lufthansa.

Werften Schiffbau: 2022 beantragen MV Werften  in Mecklenburg-Vorpommern (Wismar) und die Lloyd-Werft in Bremerhaven die Eröffnung eines Insolvenz - Verfahrens. 2200 Mitarbeiter sind betroffen (1900 in M.-V., 300 in Bremerhaven). Beise Unternehmen gehören zu Genting, einem Mischkonzern (auch Kreuzfahrtsparte). 

Weihnachtsbaumerzeuger: Sie haben auch einen eigenen Bundesverband. Der erste geschmückte Weihnachtsbaum wurde 1510 in Riga auf dem Festplatz aufgestellt. 

Bier-Brauereien: 2018 führt beim Bierausstoß in Deutschland Krombacher (6,02 Hektoliter) vor Oettinger, Bitburger, Veltins, Paulaner, Beck`s, Warsteiner, Erdinger, Hasseröder und Radeberger. Daneben gibt es viele private dezentrale kleine Brauerein. 2020 soll die Zahl der Brauereien und die Zahl der Biermarken in Deutschland weiter wachsen. Quelle: Deutscher Brauerbund 2020. Der Bierabsatz war 2019 so niedrig wie noch nie. Die Corona-Krise führt 2020 allerdings zu einem Tiefststand beim Bierabsatz. Die Umsätze in den Restaurants, Kneipen und bei Festen bleiben aus.

Tabakindustrie: Die deutsche Tabakbranche wird von Philip Morris (Marlboro, L&M), Imperial Brands (West, Gouloises) und BAT (Lucky Strike, Camel) dominiert. Diese Konzerne kontrollieren fast drei Viertel des Marktes. Philip Morris will bis 2025 keine Zigaretten mehr verkaufen, nur noch E-Zigaretten. Seit 2002 bis 2018 hat sich die Zahl der in Deutschland gerauchten Zigaretten halbiert. 2018 waren es noch 74 Mrd. (Tabaksteuer 14 Mrd. €). Es gibt noch einen unabhängigen Unternehmer (Marc von Eicken, Manitou, Pepe, Lübeck, Familienunternehmen).

Papierwirtschaft: 2020 betrug der Umsatz der Zellstoff- und Papierindustrie in Deutschland 12,6 Mrd. €. 2021 lag er bei 15,5 Mrd. €. Hauptsorten sind Papier, Karton, Pappe (58,7%), Hygienepapiere (6,4%), Grafische Papiere (28,4%), Papie rund Pappe für technische Verwendungszwecke (6,%%). 79% Altpapier werden in der Produktion eingesetzt. Es gibt 91 Unternehmen mit 39.400 Beschäftigten. Vgl. Nicht von Pappe, WiWo 22/ 27.5.22, S. 8.

Fischerei: Die europäischen Fanggründe liegen vor allem in britischen Gewässer. Ein No-Deal-Brexit hätte verheerende Folgen. Am stärksten wären die französischen Fischer betroffen. Französischen Gewässern droht die Überfischung.

Greentech: Man könnte Deutschland in sieben Leitmärkte unterteilen: 1. Energieeffizienz. 2. Umweltfreundliche Erzeugung, Speicherung und Verteilung von Energie. 3. Nachhaltige Mobilität. 4. Nachhaltige Wasserwirtschaft. 5. Rohstoff- und Materialeffizienz. 6. Kreislaufwirtschaft. 7. Nachhaltige Agrar- und Forstwirtschaft. Das Marktwachstum dieser Bereiche in Deutschland ist sehr stark (mit starkem Wachstum der Beschäftigtenzahl von 6,8% 2020 bis 2025). Aber auch das globale Marktvolumen ist hoch (4,6 Billionen € 2020). Vgl. Focus 18/2021, S. 49.

 

Controlling/ Rechnungswesen (Kostenrechnung, Buchführung und Bilanzierung, Managerial Accounting; Informationswirtschaft; vgl. auf dieser Seite Kosten bei Mikroökonomik als Ergänzung hierzu). Faszinierend war es bei den ersten Kontakten zu chinesischen Unternehmen Ende der Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts zu beobachten, dass diese oft kein Rechnungswesen in unserem Sinne kannten und trotzdem funktionierten. Gerade die Informationswirtschaft hat enge Bezüge zur Kultur eines Landes. Probeweise habe ich mal eine Lehrveranstaltung Buchführung/ Rechnungswesen an der Hochschule durchgeführt (Test für ein E-Learning - System), um selbst wieder auf den neuesten Stand zu kommen. Ich bin und war ehrenamtlicher Rechnungsprüfer in mehreren Organisationen. Interessant sind auch immer Vergleiche zwischen betrieblichem und volkswirtschaftlichem Rechnungswesen.

Betriebliches Rechnungswesen: Man unterscheidet externes Rechnungswesen (Geschäftsbericht mit Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Lagebericht und Steuerbilanz) und internes Rechnungswesen (Kostenrechnung, Controlling, Sonstige Instrumente). Vgl. Amely, T./ Krickhahn, T.: BWL für Dummies, Weinheim 2013, S. 342. Wöhe, Einführung in die Allgemeine BWL, München 2013, S. 641ff. Als wir Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts erste Kontakte zu Unternehmen in China aufbauen konnten, zeigte sich zur Überraschung, dass unternehmen auch ohne funktionierendes Rechnungswesen arbeiten können.

Vorschriften zu Rechnungslegung und Buchführung: Sie finden sich im HGB, der Abgabenordnung (AO) und im Publizitätsgesetz. Dabei gelten unterschiedliche Regelungen, je nach Größe und Rechtsform eines Unternehmens. Eckfeiler sind die Rechnungslegung, die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, die Publizitätspflicht, die Betriebsprüfung und ein möglicher Börsengang.

Internationale Standards: 1. Trennungsprinzip (Economic Entity). 2. Währungseinheitsprinzip (Monetary Unit). 3. Fortführungsprinzip (Going Concern). 4. Periodenabgrenzung (Time Period Assumption). 5. Wertaufstellungsprinzip (Full disclosure). 6. Anschaffungswertprinzip (Historical Cost). 7. Periodisierungsprinzip (Matching Principle). 8. Realisationsprinzip (Revenue Recognition). 9. Vorsichtsprinzip (Convervatism). 10. Grundsatz der Wesentlichkeit (Materiality). Vgl. BWL kompakt, München 2016, S. 112/113.

Jahresabschluss: Der Jahresabschluss besteht aus vier Problemfeldern: Einzelabschluss nach HGB, Internationaler Jahresabschluss, Konzernabschluss, Bilanzpolitik und Bilanzanalyse. Vgl. Wöhe: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, München 2013, S. 655ff.

Gewinn- und Verlustrechnung ( GuV, income statement): Sie ist Teil des Jahresabschlusses. In ihr werden sämtliche Aufwendungen und Erträge erfasst. Sie wird in Kontoform oder Staffelform erstellt. Es kann das Ergebnis eines Quartals, Halbjahres oder Jahres sein. Die GuV kann nach dem Gesamtkosten- oder Umsatzkostenverfahren erstellt werden. Sie ist quasi wie die Visitenkarte eines Unternehmens (vgl. Horst Albach, Allgemeine BWL, Wiesbaden 2000). Der Jahresüberschuss ist der positive Saldo der handelsrechtlichen Gewinn- und Verlust-Rechnung.  "Misserfolg ist die Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen", Henry Ford, US-Autobauer.

Bilanz (balance sheet): Zeitpunktrechnung, die zu einem bestimmten Stichtag den Stand des betrieblichen Vermögens (Aktiva) sowie des Eigen- und Fremdkapitals (Passiva) eines Unternehmens darstellt. Die Bilanz ist Teil des Jahresabschlusses und stellt die unternehmerische Mittelherkunft/Finanzierung (Passiva) der Mittelverwendung/ Vermögen (Aktiva) gegenüber. Vgl. Wöltje, Jörg: ABC des Finanz- und Rechnungswesens, Freiburg 2011, S. 160. In Deutschland bestand über Jahrzehnte ein Duopol in der Wirtschaftsprüfung bei Bilanzen: Den Markt teilten sich im Wesentlichen KPMG und PwC. Die EU zerschlägt 2015 dieses Privileg. Die Wirtschaftsprüfer hatten geholfen, Steuern deutscher Konzerne zu senken. Man ging vor allem über firmeninterne Kredite vor. 2019 findet die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung heraus, dass DAX-Konzerne nach Übernahmen Fehler bei der Bilanzierung gemacht haben. Sie verschleierten mit obskuren Gewinnzahlen die Ertragslage und verschleppten Abwertungen. Sie verbargen damit die Risiken teurer Übernahmen und verhinderten eine Abwertung des Aktienkurses.

Goodwill: Die DAX-Konzerne belasten ihre Bilanzen 2022 schwer. Das geschieht mit rekordhohen Geschäfts- und Firmenwerten. Das kann sich in einer Wirtschaftskrise rächen. Mit 352 Mrd. € aus überteuerten Zukäufen strapazieren die 40 Dax-Konzerne aktuell ihre Bilanzen sehr hoch. Das sind 10% mehr als ein Jahr zuvor. Bei der Summer geht es um Geschäfts- und Firmenwerte, den sogenannten Goodwill, aus Übernahmen, für die es keinen materiellen Gegenwert gibt. Vgl. HB Nr. 16/ 23.1.23, S. 1. Der Aktienmarkt misstarut Unternehmen mit viel Goodwill. Seit Einführung der IFRS - Rechnungslegung schreiben die Unternehmen Firmenwerte kaum noch ab. Die Bilanzen blähen sich auf. Bilanzprüfer sehen diese Unternehmen als krisenanfällig an.

Deutsches Aktieninstitut, Frankfurt (Chefin 2019: Christine Bortenlänger; bekommt 2021 durch den Wireccard - Skandal richtig Arbeit; berät die Politik; Stimme des Kapitalmarktes; Mitglieder sind Firmen, Banken, freie Berufe; seit 1953).

Freie Kapitalfluss: Geld, was in die Kasse fließt. Es ist Geld, was dem Unternehmen im operativen Geschäft zufließt (Free Cashflow). Hier kann ein Konzern seine Bilanz nicht schönen. Man nutzt deshalb des Instrument, um gute Aktien von weniger guten zu unterscheiden.

Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung, Berlin (DPR; seit 2005; 15 B.; in Bilanzskandal von Wirecard eingebunden).

Aktuelles System der Prüfung von Aktiengesellschaften: 1. Ebene: Vorstand, Wirtschaftsprüfer, Aufsichtsrat (mit Ausschüssen), Staatsanwaltschaft. 2. Ebene: WPK, DPR, Bafin, ESMA. 3. Ebene:  BMWi (für Wirtschaftsprüfung), BMJV für Gesetze und Rechtsüberwachung, BMF für Finanzen, Finanzaufsicht.  Erstellung, Prüfung und Kontrolle von Bilanzen. Regelung der Abschlussprüfung. Sanktionen. Geldwäscheaufsicht.

Wirtschaftsprüfung in Deutschland  (Big Four): PWC, EY, KPMG, Deloitte. Diese Gesellschaften haben den Status von Oligopolen. Andere, kleiner Gesellschaften können die Anforderungen oft nicht erfüllen., Hinzu kommt seit neuestem die Haftung. Die Gesellschaften haben sich auch spezialisiert auf bestimmte Branchen.  Affären belasten die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Ihr Ruf leidet massiv. Das Unternehmen Ebner Stolz bekommt Ärger mit der Aufsicht. Es hatte jahrelang die Skandalfirmen Adler Real Estate und Greensill Bank geprüft und die Bilanzen freigegeben.

Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktstabilität (FISG): Das Gesetz soll noch 2021 fertig werden. Anlass war die Tatsache, dass erstmals in der deutschen Geschichte ein DAX-Unternehmen insolvent ging (Wirecard, 2 Mrd. € waren verschwunden). Das Gesetz ist also die Konsequenz von Wirecard. Es hat drei Regelungsbereiche: 1. Abschlussprüfung (Fee Cap, Bagatellverfahren, externe Rotation (10 Jahre), Schadensersatz (bei grober Fahrlässigkeit). 2. Bilanzkontrolle (Corporate Governance). 3. Prüfung der Bafin - Reform. Das Gesetz ist noch im politischen Prozess. Es schwankt zwischen politischer und ökonomischer Rationalität. Die Diskussion wird über das Gesetz hinaus weitergehen: Europäische SEC? Wettbewerb im  Prüfermarkt?  "Hart cases made bad laws", aus GB. Quelle: Gerrit Fey, Deutsches Aktieninstitut, Fachbereich Kapitalmärkte. Vortrag beim bdvb. Zoom-Video-Konferenz 22.4.2021.

International Accounting Standards Board: Entwirft die Bilanzregeln. Das sind die International Financial Reporting Standards (IFRS). Es hat seinen Sitz in London. Seit 2018 im modernen Finanzdistrikt Canary Wharf. IFRS sind stark US-amerikanisch geprägt. Die Unternehmen haben Interesse an Spielräumen. Ab Juli 2021 bekommt ein Deutscher den Chefsessel: Andres Barckow. Seit 2015 gibt es das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC). In den USA gibt es das FASB (Financial Accounting Standards Board, seit 1973). Es ist für die US-Bilanzregeln zuständig.

Übernahmeprämien (Goodwill): Sie werden oft als Stille Lasten durch die Bilanz gezogen und kaum noch abgeschrieben. Das stellt 2019 die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung fest. Weiterhin werden Gewinne schön gerechnet. Das stellte sie bei DAX-Konzernen fest. Beispiele sind Adidas (Übernahme von Reebok), RWE (Hoffnung auf Tauschgeschäft mit E.On), BMW, Daimler, Beiersdorf, Fresenius, Bayer. Vgl. Schürmann, Christof: Falscher Glanz, in: Wirtschaftswoche 16, 12.4.2019, S. 16ff.

Buchführung (doppelte, double-entry bookkeeping system): Mithilfe der Buchführung wird die planmäßige Aufzeichnung aller Geschäftsvorfälle eines Unternehmens nach Menge und Wert durchgeführt. Buchführungspflicht beruht auf den Bestimmungen des Handelsrechts (§§238f. HGB) und des Steuerrechts (§§140f. AO). Es gibt sieben anerkannte Kategorien für die Buchführung: Finanzbuchführung, Controlling, Kameralistik, Steuerbuchhaltung, Wirtschaftskriminalitätsprüfung, Projektkostenrechnung und ökologische Buchhaltung, vgl. BWL kompakt, München 2016, S. 101. Gerüst der Buchhaltung ist der Buchungskreislauf, in dem alle finanziellen Transaktionen eines Unternehmens aufgezeichnet werden. Die doppelte Buchführung begann 1494 durch den Mönch Luca Pacioli in Oberitalien (Mathematiker, Mönch Lehrer Leonard Da Vincis). Es ist so etwas wie die Geburtsstunde des modernen Kapitalismus. Vgl. J. Gleeson-White, Soll und Haben. Die doppelte Buchführung und die Entstehung des modernen Kapitalismus, Stuttgart 2015. Hinzu kommt dann die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, die auf Simon Kuznets zurückgeht. Leonardo Da Vinci machte 20.000 Zeichnungen. 7000 sind bis heute nur erhalten. Er gilt als das größte Genie der Geschichte. Er sah im Grunde genommen fast alles voraus. Am berühmtesten ist sein Gemälde "Mona Lisa", das im Louvre in Paris hängt. Leonardo behielt fast alles für sich.

Rahmenbedingungen der Buchführung: Eine ordnungsgemäße Buchführung beachtet folgende Grundsätze: Unternehmensfortführung (Going concern), Vorsicht, Stetigkeit, Ordnung, Vollständigkeit, Richtigkeit, Identität, Klarheit, zeitnahe Erfassung, Einzelbewertung. Vgl. M. Griga/ R. Krauleidis: Buchführung und bilanzierung für Dummies, Weinheim 2013, S. 45ff. 

Automatisierte Buchhaltung: Kommt immer mehr mit KI, In Deutschland führend ist das Start-up "Zeitgold". Auch für Steuerberatung verwendbar. kompatibel mit DATEV.

Buchungskreislauf: Transaktion, Eintrag ins Journal, Übertrag ins Hauptbuch, Probe- und Rohbilanz, Tabellenblatt, Verbesserte Journaleinträge, Finanzdokumente, Kontenabschluss. Elemente sind Soll und Haben, Kontenplan und Audit-Trail (Prüfpfad). Als Methode zur Verteilung, Messung und Überwachung der Ressourcen dient die Interne Rechnungslegung. Bei allen Transaktionen ist Doppelte Buchführung notwendig. Forderungsausfälle sind Schulden, die wahrscheinlich nicht zurückgezahlt werden.

Betriebsausgaben: Im Steuerrecht gibt es feste Regeln, die definieren, welche Anschaffung in einem Unternehmen unter die laufenden Betriebsausgaben fällt und was als langlebiges Wirtschaftsgut über einen längeren Zeitraum hin abgeschrieben wird. Vgl. Geld und Finanzen, München 2017, S. 31.

Einkommensglättung: Sie wird mit Buchhaltungstechniken durchgeführt, die darauf abzielen, Schwankungen bei Einkünften und Gewinnen zu begrenzen.

Reinertrag: Hieran kann man die Profitabilität einer Firma ganz gut erkennen. In der Jahresbilanz erfahren die Investoren die Summe des Reinertrags nach Steuern. Von den Einnahmen werden die Ausgaben subtrahiert (Material, Löhne, Steuern). Manche Firmen lassen bei den Abrechnungen Kosten weg, um den Reinertrag höher erscheinen zu lassen. Andere lassen den Gewinn größer erscheinen, indem sie Gewinnerwartungen einrechnen.

Geschäftsbericht: Hierin werden die Dokumente zu den Finanzen veröffentlicht. Buchhalter, Geschäftsleute und andere Zielgruppen müssen die Dokumente im Detail verstehen. Inhalt können sein. Kunden und Gemeinschaft, Finanzen, Umwelt/ Umweltbilanz, Mitarbeiter, Infrastruktur, Leistungskennzahlen, Aufsichtsrat und Vorstand/ Brief des Vorstandsvorsitzenden, Berichts des Aufsichtsrats, Bericht der Wirtschaftsprüfer, Anhang zum Jahresabschluss. Studien zeigen, dass Geschäftsberichte ein großes Publikum haben. Die größte Lesergruppe bilden Mitglieder der Finanzwelt (Analysten, Privataktionäre, institutionelle Investoren; ein Drittel). eine weitere Lesergruppe - bisher übersehen - sind Bewerber und Studierende sowie Kunden. Womöglich bieten Geschäftsberichte damit Ansatzpunkte für Employer Branding und Marketing. Vgl. Mittelbach-Hörmanseder/ Barrantes: Who is using annual reports and why? Wirtschaftsuniversität Wien, September 2021.

Leistungskennzahlen: Sie werden auch Key Performance Indicators (KPI) genannt. Sie beziehen sich auf Vertrieb, Buchführung, Kundenservice, Personal, Arbeitsablauf und Nachhaltigkeit. Das bekannteste System ist die Balanced-Scorecard. Es wurde von Robert Kaplan und David Norton in den 1990er-Jahren an der Havard Business School entwickelt. Es geht um vier Perspektiven: Lern- und Wachstumsprozesse, Interne Prozesse, Kundenperspektive, Finanzielle Perspektive.

Kapitalflussrechnung (Cashflow): Der Cashflow misst die Selbstfinanzierungskraft eines Unternehmens. Die Kennzahl Cashflow besagt somit, wie viel Geld tatsächlich fließt und für das Unternehmen hängen bleibt. Der Cashflow wird wie folgt ermittelt: Jahresüberschuss + Abschreibungen - Zuschreibungen + Erhöhung der Rückstellungen - Auflösung von Rückstellungen = Cashflow. Je höher der Cashflow ist, desto kreditwürdiger ist ein Unternehmen.

Kostenbegriffe: Nach der Abhängigkeit von der Ausbringungsmenge unterscheidet man zwischen fixen und variablen Kosten. Nach der Zurechenbarkeit gegliedert gibt es Gemeinkosten und Einzelkosten. Es gibt folgende Kostenarten: Materialkosten, Energiekosten, Personalkosten, Dienstleistungskosten, Kalkulatorische Kosten, Sonstige Kosten.

Kostenrechnung: Ziel der Kostenrechnung ist es, die anfallenden Kosten möglichst exakt auf jede einzelne Produkteinheit zu verteilen. Die komplette Kostenrechnung besteht aus drei Teilen: Der Kostenartenrechnung, der Kostenstellenrechnung und der Kostenträgerrechnung. Bei der Durchführung im Detail helfen "Kostenrechnungssysteme". Sie unterscheiden sich im Zeitbezug und Sachbezug. Im einzelnen gibt es die Istkostenrechnung, die Normalkostenrechnung, die Plankostenrechnung, die Vollkostenrechnung und die Teilkostenrechnung. Vgl. G. Wöhe: Einführung in die Allgemeine BWL, München 2013, S. 867ff.

Neue Kostenrechnung: Die Digitalisierung hat großen Einfluss auf die Kostenrechnung. Es sollte eine Kostenrechnung 4.0 geben. Was könnte diese, was die bisherige Kostenrechnung nicht könnte? Das interne Rechnungswesen sollte überdacht werden. Vgl. Weber, Jürgen: Fordern Sie ihre Controller heraus, in: HBM Juli 2019, S. 52f.

Betriebsergebnis: Als Gewinnbegriff der Kostenrechnung die Differenz von betrieblichen Erlösen und Kosten.

Deckungsbeitragsrechnung (contribution costing): Spezielle Form der Kostenrechnung, die über die Differenz zwischen Umsatzerlösen und variablen Kosten (Deckungsbeiträge) informiert. Vom Deckungsbeitrag kann man dann die fixen Kosten abziehen, um zum Gewinn zu kommen. In der Regel wird die Deckungsbeitragsrechnung mehrstufig durchgeführt.

Kalkulatorische Kosten: Betriebsbedingte Wertverbräuche, denen handelsrechtliche Aufwendungen in anderer Höhe  gegenüberstehen (Anderskosten). Manchmal lassen auch handelsrechtliche Vorschriften die Ausweisung als Aufwand (Zusatzkosten) nicht zu. Früher tauchten die kalkulatorischen Kosten häufig bei öffentlichen Verwaltungen auf, die in der kameralistischen Buchführung nicht kaufmännisch ausweisen durften. Vgl. T. Amely: BWL kompakt für Dummies, Weinheim 2017, S. 291.

Controlling: Das Controlling ist im Mittelstand eher einfach gestaltet, vor allem strategische Elemente fehlen. Entsprechende Aufgaben werden von den wenigen Führungskräften insgesamt mit übernommen. Der Nutzen des Controlling ist aber groß: die Umweltdynamik ist für KMU gleich, die Kapitalgeber haben durch die Finanzkrise und Basel II höhere Standards, die intuitive Entscheidungsfindung reicht nicht mehr aus, die Aufgabenüberlastung nimmt zu. Die Softwareunterstützung ist so gestiegen, das ein Einstieg relativ einfach möglich ist. Generell werden neue technische Informationssysteme, effizienteres Management und die Einbindung in Strategieplanung das Controlling im Mittelstand aufwerten. Normalerweise unterscheidet man bei den Methoden nach strategieorientierten Tools (Balanced Scorecard, wertorientierte Unternehmensführung, Target Costing und Investitionsrechnung) und operativem Controlling-System (Kosten- und Leistungsrechnung, Finanzierungsrechnung, Budgetierung und Risikomanagement; vgl. Gleich/ Hofmann: Controlling, in: Pfohl, H.-G. (Hg.): BWL der Mittel- und Kleinbetriebe, Berlin 2006, S. 331ff.).

Abschreibungen: Allmähliche Wertminderung bzw. Verschleiß. Wichtig sind als Begriffssystem Sachanlagen, planmäßige Nutzungsdauer, Rest-/ Veräußerungswert und Buchwert. Die bekanntesten Verfahren sind die geometrisch-degressive und die arithmetisch-degressive Methode. Eng mit Abschreibung für Wertverlust zusammen hängen Amortisation und Erschöpfung. Amortisation ist die zeitliche Streckung der Anfangskosten. Erschöpfung bezeichnet den Wert natürlicher Ressourcen (z. B. Holzbestände in der Holzwirtschaft).

Rückstellungen: Rückstellungen bilden einen künftigen Aufwand des Unternehmens ab, bei dem die genaue Höhe oder der Fälligkeitstermin unbekannt sind. sie sind aus Gründen der kaufmännischen Vorsicht zu bilden. Rückstellungen dürfen nur für Zwecke gebildet werden, die in § 249 HGB aufgeführt sind. Dazu zählen u. a. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (Steuernachzahlungen, Prozessrisiken, Pensionszusagen), Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften oder Rückstellungen für unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen. Vgl. Schultz, Volker: Basiswissen Betriebswirtschaft, München 2019, S. 90.

Economies of Scale: Massenproduktionsvorteile, die bestehen, wenn die Fertigungskosten langsamer wachsen als die Produktionsmenge. Dadurch sinken die Kosten pro Stück (Anteil der Fixkosten an den Gesamtkosten) mit steigender Betriebsgröße. Die Economies of Scope sind Verbundvorteile, die sich ergeben, wenn verschiedenartige Güter in einem einzigen Unternehmen kostengünstiger hergestellt werden können als in mehreren spezialisierten Unternehmen. Naturgemäß haben KMU bei diesen Kostenbetrachtungen große Nachteile. Diese können aber durch Kooperationen ausgeglichen werden. Der Break-even-Point ist die Produktionsmenge eines Gutes, ab der ein Unternehmen mit dem Produkt Gewinne erzielt.

Profit (Gewinn): Vermögensbestände am Ende des Jahres (Immobilien, Vorräte, Bankguthaben) minus Schulden, Vergleich zum Vorjahr= positives Nettovermögen/ Gewinn. Eine andere Methode zieht vom Umsatz die Kosten wie Löhne, Mieten und Zinsen ab: Gewinn bleibt, wenn die Einnahmen höher als die Ausgaben sind. Der Gewinn kann im Unternehmen bleiben als Investition (Thesaurierung) oder ausgeschüttet werden. Zur konkreten Berechnung gibt es präzise betriebswirtschaftliche Methoden. Wenn die Regeln eingehalten werden (fairer Wettbewerb) kann dies auch der Allgemeinheit nützen (Adam Smith, Milton Friedman). Karl Marx sah einen stetigen Fall der Profitrate und eine Krise des Kapitalismus voraus (durch fallenden relativen Mehrwert durch die Automatisierung). In der modernen Betriebswirtschaftslehre steht die Kundenorientierung als Zweck eines Unternehmens im Vordergrund. Der Gewinn ist nicht das Ziel, sondern die Folge der richtigen Zielsetzung (Fredmund Malik). "Immer habe ich nach dem Grundsatz gehandelt: Lieber Geld verlieren als Vertrauen. Die Unantastbarkeit meiner Versprechungen, der Glaube an den Wert meiner Ware und an mein Wort standen stets höher als ein vorübergehender Gewinn," Robert Bosch, 1919. "Ein Unternehmen, das nichts als Geld hervorbringt, ist ein armes Unternehmen", Henry Ford.

Gewinnindikatoren: Betriebsergebnis, Jahresüberschuss und Bilanzgewinn. Betriebsergebnis ist der Gewinnbegriff der Kostenrechnung. Er ergibt sich aus der Differenz von betrieblichen Erlösen und Kosten. Der Jahresüberschuss ist der positive Saldo der handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) eines Unternehmens. Der Bilanzgewinn (-verlust) ergibt sich aus Jahresüberschuss +/- Gewinn-/ Verlustvortrag aus dem Vorjahr + Entnahmen - Einstellungen aus Rücklagen.

Internationale Gewinngrößen: EBIT, EBITDA, NOPAT (statt Jahresüberschuss). EBIT = Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag + Ertragssteuern + Zinsaufwand (Earnings Before Interest and Taxes). EBITDA = zusätzliche Addition von Abschreibungen auf Sachanlagen (Depreciation), Abschreibungen auf immatrielle Anlagen (Amortization). NOPAT = EBIT - Steuern (Net Operating Profit After Taxes).

Unternehmenserfolg: Kann verschieden operationalisiert und gemessen werden. Neben den normalen Indikatoren wie Gewinn, Umsatz (meist als Steigerung) können diese auch zum Branchendurchschnitt bzw. zum Durchschnitt der Größenklasse bzw. zu beidem gesehen werden. Eine Rolle kann zusätzlich die zeitliche Dimension mit der Unternehmensentwicklung spielen (langfristig, mittelfristig, kurzfristig; Existenzsicherung). Ein wichtiges Kriterium ist auch die Umsatzrendite (normalerweise vor Steuern). Eine wichtige Fragestellung bilden die Erfolgsdeterminanten bei KMU. Man weiß, dass es ohne Innovationen nicht geht (in der Automobilindustrie der USA wollte man lange die Arbeitsproduktivität konstant halten und verzögerte Innovationen). Wichtig ist auch die Qualifikation des Führungspersonals. Vgl. Krämer, W. Mittelstandsökonomik, München 2003. "If everyone is moving forward together, then success takes care of itself", Henry Ford (1863-1947, Gründer der Ford Motor Company. "Success is the ability to go from one failure to another with no loss of enthusiasm", Sir Winston Churchill, 1874-1965.

Erfolg und Best-Practice: Normalerweise gilt die Hypothese, dass Best-Practice zum Erfolg führt. Man spricht aber auch von einer Best-Practice-Falle. Man sollte nicht immer der Masse folgen, sondern eher eigene Wege gehen. Klassisches Benchmarking führt also nicht in jedem Falle zum Erfolg.

Faktoren für erfolgreiche Unternehmen in einer digitalen Welt: 1. Psychologische Sicherheit. 2. Technologie (Größe spielt keine große Rolle mehr). 3. Unternehmerische Fürsorge (Keiner möchte für Idioten arbeiten). Diese Faktoren wurden vom Trend - Scout Raphael Gielgen genannt.

Effizienz: Die BWL versteht sich als Wissenschaft, die dazu dient, Wirtschaftsunternehmen effizienter zu machen. Das zielgerichtete Streben nach Effizienz beeinträchtigt jedoch die Widerstandskraft von Unternehmen. Dafür gibt es folgende Ursache: Unternehmen , die durchweg effizienter arbeiten, vereinen einen immer größeren Anteil der Gewinne auf sich. So können sie den Markt stärker in ihrem Sinne beeinflussen. Mit der Zeit kommt es innerhalb der Branche zur Konsolidierung, die von einem einzigen Geschäftsmodell getrieben wird. Eine solche Entwicklung birgt ein enormes Risiko von katastrophalen Fehlschlägen und erhöht die Wahrscheinlichkeit von Missbrauch. Die Lösung: Manager, Regierungen und Bildungseinrichtungen müssen ihren Fokus deutlich stärker auf die Resilienz von Unternehmen legen. Vgl. Martin, Roger L.: Die Grenzen der Effizienz, in: HBM, März 2019, S. 18ff.

Rentabilität oder Rendite: "Renta" kommt aus dem Altfranzösischen und bedeutet regelmäßige Einnahmen. "Rendita" stammt aus dem Lateinischen und heißt einfach Miete. Ein unternehmen ist dann rentabel, wenn die Einnahmen über den ausgaben liegen. Erst dann wird Gewinn erwirtschaftet. Am häufigsten werden folgende Größen betrachtet: Gesamtkapitalrentabilität, Fremdkapitalrentabilität, Eigenkapitalrentabilität, Umsatzrentabilität.

 Return of Assets: Betriebsergebnis im Verhältnis zur Bilanzsumme.

Return of Equity: Jahresüberschuss in Relation zum Eigenkapital.

Umsatzrendite: Die Umsatzrendite ist ein wichtiger Indikator der Rentabilität von Unternehmen. Nach der Finanz- und Weltwirtschaftskrise beträgt die Umsatzrendite in Deutschland 2009 im Durchschnitt 1,9%. An der Spitze liegen russische Unternehmen mit 13,7% vor Unternehmen in der Schweiz mit 9,1%. Die Umsatzrendite im deutschen Mittelstand liegt normalerweise noch unter dem Durchschnitt aller deutschen Unternehmen. RLP hat die rentabelsten Kleinunternehmen in Deutschland. Im Mittel wird eine Umsatzrendite von 7,9% erzielt. Auf dem zweiten Platz liegen Mittelständler aus Hamburg (6,9%). Am niedrigsten ist die Kennziffer in Sachsen-Anhalt mit 4,6%. Quelle: Studie der KfW, Frankfurt 2018. "Effizienz ist schwer zu definieren, schwerer zu messen und noch schwerer zu verbessern", Paul Samuelson.

Beurteilung der Kapital- und Ertragslage mittelständischer Unternehmen: Als Instrumente setzt man die Jahresabschlussanalyse (Bilanzanalyse), die Finanzwirtschaftliche Analyse (Vermögen, Liquidität, Finanzierung) und die Erfolgswirtschaftliche Analyse (Rentabilität, Aufwand und Ertrag, Corporate Governance) ein. Vgl. Reinermann, Holger: Mittelstandsmanagement, Stuttgart 2011, S.155ff. "Ein Geschäft, bei dem man nichts als Geld verdient, ist kein Geschäft", Henry Ford, Us-amerikanischer Autobauer.

Windowdressing: Sämtliche Maßnahmen, durch die die Bilanz kurz vor dem Bilanzstichtag temporär "aufgehübscht" werden kann. Man spricht auch von kreativer Buchführung. Vgl. Griga, M./ Krauleidis, R.: Buchführung und Bilanzierung für Dummies, Weinheim 2013, S. 411. Es muss also schön gerechnet werden. Rote Zahlen und Bilanzrisiken sollen verborgen werden.

IFRS: In jedem Land gibt es eigene Rechnungslegungs- und Bilanzierungsstandards. Daher sind die Jahresabschlüsse aus verschiedenen Ländern nicht direkt miteinander vergleichbar. So wurde in der EU ein einheitlicher Standard für Konzernabschlüsse eingeführt (Beteiligung, Aktienkauf). Grundprinzipien sind bestimmte Basisannahmen und qualitative Anforderungen (Verständlichkeit, Relevanz, Verlässlichkeit, Vergleichbarkeit). Zielsetzung ist die Entscheidungsnützlichkeit der Informationen. Ergebnis ist die Vermittlung eines tatsächlichen Verhältnisses entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.

Break-Even-Point: Zu Deutsch Gewinnschelle. Hier wird der Übergang von der Verlust- in die Gewinnzone vollzogen. Ab hier lohnt sich das Angebot eines Produktes und damit die Leistungsbereitschaft. Vgl. auch Mikroökonomik/ Produktion, Kosten.

Break-even-Analyse und Break-even-point: Mit dieser Analyse kann die Gewinnschwelle ermittelt werden, die die Gewinn- von der Verlustzone trennt. Die Gewinnschwelle ist der Schnittpunkt zwischen Gesamtkostenfunktion und der Erlösfunktion. Sie ist also dann erreicht, wenn die Erlöse gerade die gesamten Kosten decken. Danach wird Gewinn erzielt.

Unternehmensbewertung: Anlässe sind Eigentümerwechsel oder Sanierung/ Kreditwürdigkeitsprüfung. Sie hat folgende Funktionen: Berater, Vermittlung, Argumentation und Steuerbemessung. Folgende Methoden stehen zur Verfügung: Zukunftserfolgswert der Investitionstheorie, Discounted Cash Flow, Ertrags- und Substanzwert (+Kombination). Vgl. Smeets, Mario: Besonderheiten bei der Bewertung junger Unternehmen, Springer 2018.

Unternehmensbewertung aufgrund der Kundenbeziehung: Dabei ist die Kohortenanalyse (Customer Cohort Chart, C3) ein neues Tool zur Unternehmensbewertung. Es funktioniert nach einem einfachen Prinzip: Der Gesamtumsatz wird für jeden Betrachtungszeitraum in die einzelnen Neukundenkohorten aufgeschlüsselt. Dieser Ansatz ist quer durch alle Branchen anwendbar. Vgl. McCarthym Daniel/ Faser, Peter: Wertsache Kundenbeziehung, in: HBM November 2020, S. 30ff.

Unternehmenswerte in Krisenjahren (Goodwill): Große Unternehmen nutzten Krisen in der Vergangenheit oft, um sich von bilanziellen Altlasten zu befreien. Das war 2020 in der Corona-Krise anders. Die große Abschreibungswelle auf die Bilanzposten Geschäfts- und Firmenwert (Goodwill), für die es keinen materiellen Gegenwert gibt, ist ausgeblieben. Die 30-DAX.konzerne strapazieren ihre Bilanzen inzwischen mit Hoffnungswerten aus überteuerten Zukäufen in Höhe von 313,6 Mrd. €. Der hohe Goodwill hängt wie ein Damoklesschwert über den Unternehmen. Der Aktienwert könnte sich schlechter entwickeln. Quelle: Flossbach & Storch, HB Nr. 79, 26. April 2021, S. 1 und 4.

Budgets: Zur Festlegung des Budgets (Haushaltsplan) werden die Einnahmen und ausgaben für eine Rechnungsperiode vorausgeplant. Die Pläne werden in Monate unterteilt, damit sie sich später leichter mit den tatsächlichen Zahlen vergleichen lassen. Siehe BWL kompakt, London 2015, S. 136/ 137.

Tobin`s q (Tobin-Quotient): Das Verhältnis des Marktwertes eines Unternehmens zu den Wiederbeschaffungskosten des Sachkapitals dieses Unternehmens.

Denken in Quartalen (Kurzfristprognosen): Dieses Denken verleitet zu Maßnahmen, die nicht im Interesse des Unternehmens liegen. Ursprünglich ging es um Transparenz an den Kapitalmärkten. Investitionen brauchen aber langfristige Perspektive. Die Quartalsberichterstattung sollte also eher auf die wichtigsten Kennzahlen und einen Minimalbericht beschränkt werden.

Goodwill: Vermögensposition in der Bilanz. Erwirbt ein Unternehmen eine neue Tochter, ist das Unternehmen verpflichtet, deren Vermögen buchhalterisch in Einzelteile zu zerlegen und zu bewerten. Hat das Unternehmen für die neue Tochter mehr bezahlt als die Summe der einzelnen Vermögenswerte, wird die Differenz, eine Art Übernahmeprämie, als Goodwill in die Bilanz gebucht. Es wird jährlich geprüft, ob der Goodwill noch werthaltig ist.

Wirtschaftsprüfer in Deutschland: Nach dem Umsatz ergibt sich folgende Reihenfolge für das Jahr 2017 in Milliarden Euro: PwC 2,00, E&Y 1,80, KPMG 1,66, Deloitte 1,30, BDO 0,23. Dann gibt es noch viele kleinere Firmen. Die führenden vier nennt man auch "Big Four". Es herrscht im Grunde genommen ein Oligopol der Bilanzwächter. Die Kritik daran wächst. Der Wirecard - Skandal erzwingt eine Reform. Hier hat E&Y völlig versagt. Sie berufen sich darauf, dass "konspirativer Betrug" nicht aufzudecken sei. Man sollte in jedem Falle Rotation und Haftung einrichten. 2020 gerät die Branche erheblich unter Druck. Wirecard, Affäre Grauer Kapitalmarkt, Cum-Ex-Skandal.

Wirtschaftsprüfung: Ein geschützter Beruf in Deutschland. Per Verordnung wird der neue Beruf 1931 eingeführt.  Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) in Berlin ist die wichtigste Interessenvertretung. Wirtschaftsprüfer sind unabhängig. Es besteht nur eine eingeschränkte Haftung. Das ist ein besonderes Privileg. Es besteht seit den Anfängen in der Weimarer Republik. Seit 1998 liegt die Grenze bei vier Millionen Euro. In anderen Ländern ist dies meist anders.

APAS: Aufsichtsbehörde der Abschlussprüfer. Sie untersteht dem Bundeswirtschaftsministerium. Sie ist 2022 in Personalnot (10 von 65 Stellen vakant). Leiter ist Michael Sell. Sie soll dei Prüfer stärke rkontrollieren. Ausgangspunkt sind die Skandale von Wirecard und Adler Group.

Rolle des Controllers in der Produktion 4.0: Die Wertschöpfungskette ist weiter und über das einzelne Unternehmen hinausgehend zu verstehen. Dies macht es möglich, die Produktion nach individuellen Kundenwünschen auch in kleinen Serien auszurichten. Die digitale Transformation von Unternehmen erfolgt aber nicht nur entlang der Wertschöpfungskette, sondern auch in organisatorischen Zentralfunktionen wie Einkauf, Personal, Finanzen und Controling. Das Controlling bekommt echtzeitbasierte Steuerungsinstrumente über die gesamte Supply Chain hinweg. So kann kurzfristig und schnell auf geänderte Marktentwicklungen und Produktanforderungen oder auf unvorhergesehene Ereignisse flexibel reagiert werden. siehe: Oehl, Holger: Industrie 4.0. Die Rolle des Controllers.

Unsichtbare Buchhaltung (Cloud-only-Strategie): Software as a Service. Die Cloud fördert Mobilität und Flexibilität. KI kann Freuraum schaffen.

Carbon Accounting: Erfassung und Bewertung von Emissionen eines Unternehmens. Dient der externen Rechnungslegung von Emissionsberechtigungen und der Emissionsberichterstattung. Vgl. Ernst, D./ Sailer, U./ Gabriel, R.: Nachhaltige Betriebswirtschaft, München 2021, S. 405.

Nachhaltigkeitscontrolling (Greencontrolling): 1. Nachhaltigkeitsorientiertes Rechnungswesen. 2. Umweltrechnungswesen (Vollkostenbasis oder Teilkostenbasis; Einbeziehung externer Kosten: Stoff- und Energiebilanzen, Öko-Kennzahlen). 3. Social Accounting (Auswirkungen unternehmerischer Tätigkeit auf Mitarbeiter und Kunden). 4. Monetarisierung (Vermeidungskosten von Schäden, faire Kompensation, Kosten für Reparatur). Vgl. Ernst/ Sailer/ Gabriel (Hg.): Nachhaltige Betriebswirtschaft, München 2021, S. 314ff..

Handelsregister: Das Handelsregister wird von den Amtsgerichten am Sitz des zuständigen Landesgerichts geführt. Die Eintragung erfolgt über einen Notar. Im Handelsregister steht, welche Geschäftsführer eine Firma bestellt oder abberuft und welche Gesellschafter an ihr beteiligt sind. Auch über Insolvenzverfahren weiß das Register Bescheid. Jeder darf Einsicht in das Handelsregister nehmen. Mittlerweile gibt e seinen digitales Registerportal, zudem man zu jedem Zeitpunkt und von überall zugreifen kann. Ende Juli 2022 waren 482.868 Nutzerinnen und Nutzer registriert. Seit August 22 sind Registrierung und Gebühren weggefallen. Die Zahl der Abrufe hat sich vervielfacht. Vgl. Tönnesmann, Jens: Lilith hackt den Staat, in: Die Zeit Nr. 38/ 15.9.22, S. 24f.

 

Raiffeisenbegegnungszentrum in Weyerbusch/ Westerwald. Hier war der erste Betätigungsort von Raiffeisen als Bürgermeister (im Kreis Altenkirchen im Norden von RLP). Dort entwickelte er die Idee eines Brotvereins, ursprünglich als Nothilfe für arme Bauern nach Missernten. Daraus entstand später die Raiffeisenbank als Genossenschaft (vgl. ausführlichen Text weiter unten). Hier beginnt auch die historische Raiffeisen-Straße. Genossenschaften erleben heute überall auf der Welt eine Renaissance im Finanzbereich  durch Wertewandel und Energiewende (insbesondere in Brasilien, Indien und Japan).

Finanzierung (Finanzwirtschaft; Finanzierungstheorie; Crowdfunding, Finance, Corporate Finance); vgl. auch Economics/ special, Außenwirtschaft/ Internationale Finanzmärkte  bzw. Europäische Union (EU) und Economics, basic/ Makroökonomik/ Geldpolitik). Das Fachgebiet ist mittlerweile riesig und interdisziplinär. Eng ist auch der Bezug zum Gebiet "Steuern/ Steuerpolitik". Übernahme/M&A bei Innovation/ Investition. Finanzierung öffentlicher Haushalte bei Makro, Finanzpolitik. Das Gebiet ist einem großen Wandel durch die Digitalisierung unterworfen. Einige Jahre hatte ich die Vorlesung "Unternehmensfinanzierung" in meinem Programm.

Finanzierung: Alle Maßnahmen, die der lang-, mittel- und kurzfristigen Beschaffung von erforderlichem Kapital in allen Formen dienen. Beim Kapital unterscheidet man abstraktes Kapital (Eigenkapital, Fremdkapital) und konkretes Kapital (Anlagevermögen, Umlaufvermögen). Vgl. Denis, D. J.: Entrepreneurial Finance: An overview of the issues and evidence, in: Journal of Corporate Finance, 10(2), S. 301-326.

Finanzdienstleistungen: Vordenker im Finanz- und Bankenwesen war die Familie Medici in Florenz (1397-1494). Sie gründen die ersten Banken (man sammelte Spareinlagen; man verleiht das Geld und überwacht die Kredite). Das Risiko sollte auf verschiedene Investitionen verteilt werden. Wenn die Banken wachsen, steigen die Profite. So kann man mit Geld immer mehr Geld verdienen. Diese Grundregel gilt noch heute. "Das Finanzwesen steuert die moderne Gesellschaft. Das mag sich für manche Menschen seltsam anhören, aber es ist absolut wahr", Robert Shiller, Wirtschaftsnobelpreisträger 2013.

Arten und Formen von Finanzdienstleistungen: Die Allfinanzanbieter werden in Finanzintermediäre im engeren Sinne und Finanzintermediäre im weiteren Sinne eingeteilt. Zu den ersteren gehören: Banken (Universalbanken, Spezialbanken, z. B. Bausparkassen), Versicherungsunternehmen, Kreditkartenunternehmen, Fondsgesellschaften, Factoring - Institute, Leasinggesellschaften. Finanzintermediäre im weiteren Sinne sind: Mit Vermittlungsfunktion: Finanzmakler, Versicherungsvertreter, Kreditvermittler. Mit Informationsfunktion: Börsendienste, Rating - Agenturen. Mit Funktion der Risikoübernahme: Kreditversicherer, Bürgschaftsbanken. Vgl. Köhne, T./ Lange, M.: Marketing und Vertrieb von Versicherungs- und Fianzprodukten, Karlsruhe 2012 (2. Auflg.), S. 30.

Fugger, Augsburg: Jakob Fugger gilt als einer der berühmtesten Geldgeber aller Zeiten (und "reichster Mann der Weltgeschichte"). Er lebte von 1459 bis 1525. Er versorgte Fürsten und Könige mit Geld. Er vergab nur Kredite gegen reale Absicherung. Auf diese Weise erhielt er Grundbesitz und Förderrechte für Rohstoffe. Das Unternehmen hatte eine Eigenkapitalquote von 95%. Mittlerweile gibt es neun Stiftungen und viele Landgüter. Auch die Fuggerei, die erste Sozialsiedlung der Welt, gehört dazu. Am 23. August 1521 unterschrieb Fugger den Stiftungsbrief für die heute älteste Sozialsiedlung der Welt. Die Kaufmannfamilie ist in 500 Jahren nie pleite gegangen. Hauptstandbein ist heute die Forstwirtschaft. Es gibt noch eine Fürst Fugger Privatbank, an der die Familie eine Minderheitsbeteiligung hat. Fugger war der Charity-Urahn heutiger Milliardäre, die Stiftungen gründen (George Soros, Bill Gates/ 40 Mrd. $/ größte Privatstiftung, Warren Buffet, Mark Zuckerberg u. a.). Private Wohltätigkeit sollte den Staat entlasten.

Finanzen im Unternehmen: Die Vorschriften zu Rechnungslegung und Buchführung, als wichtige Grundlagen, finden sich im Handelsgesetzbuch (HGB), in der Abgabenordnung (AO) und im Publizitätsgesetz. Es gelten unterschiedliche Regelungen, je nach Größe und Rechtsform des Unternehmens.  Wichtige Elemente sind damit: Rechnungslegung, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, Publizitätspflicht, Betriebsprüfung. Bei Aktiengesellschaften kommt noch das Aktiengesetz hinzu. Es regelt auch den Börsengang. 

Finanzen im privaten Haushalt: Die Deutschen investieren ihr Geld am liebsten in Immobilien und Spareinlagen. Sie lassen sich so die hohen Renditen am Aktienmarkt entgehen. Wenn man den Zeitraum von 2002 bis 2016 betrachtet ergibt sich folgende Rangfolge der Renditen: 1. Aktien und Fondsanteile. 2. Anleihen. 3. Lebens-/Rentenversicherung. 4. Immobilien. 5. Bargeld und Einlagen.

Typische Finanzierungsfehler: Geringe Eigenkapitalbasis, fehlendes aktives Beziehungsmanagement zur Hausbank, zu hoher Kontokorrentkredit zur Finanzierung von Investitionen, unzureichende Planung des Liquiditätsbedarfs, Vernachlässig von öffentlichen Finanzierungshilfen und Förderprogrammen. Vgl. Cortez, B./ Gaerte, P: Startkapital-Guide, in: starting up, 03/2014, S. 38-40.

Finanzierungstheorie: Bei der klassischen Finanzierungstheorie geht es um die Charakterisierung von Finanzierungsalternativen. In der neueren Finanzierungstheorie stehen vollkommene und unvollkommene Kapitalmärkte im Mittelpunkt. Neo-institutionalistische Ansätze behandeln Finanzierungsbeziehungen (Principal-Agent-Theorie). Vgl. Bieg, H./ Kußmaul, H./ Waschbusch, G: Finanzierung, München 2016, S. 17ff.

Behavioral Finance: Die Erkenntnisse der klassischen Kapitalmarkttheorie werden durch Erkenntnisse aus der Psychologie ergänzt. Viele Marktteilnehmer handeln nicht wie ein "homo oeconomicus" (eher systematisch ittational). Am Finanzmarkt gibt es eine spezielle Rationalität und Menschen gewichten bei ihren Entscheidungen Verluste höher als Gewinne, verdrängen Niederlagen, neigen zur Selbstüberschätzung und sind durch Referenzpreise stark zu beeinflussen (psychologische Prospekttheorie, Kahneman, Nobelpreis 2002). Intelligenz beeinflusst die Geduld und die Risikobereitschaft positiv. Da viele Analysten nur abschreiben, sollte man nicht Empfehlungen folgen. Wirtschaftssoziologen sehen eher das Glücksspiel als Bedingung des Funktionierens von Börsen. Die Börse sei zur Wahlurne des kleinen Mannes geworden (vgl.: Stäheli, U., Spektakuläre Spekulation - Das Populäre der Ökonomie, Frankfurt 2007). Trotz immer größerer Informationsdichte werden immer noch viele Fehlinvestitionen produziert: Hauptursache ist der Herdentrieb. Konsequenz: "Ignore the Crowd"! (T. Hens, Züricher Bankeninstitut). Neuere Forschungen scheinen zu belegen, dass menschliches Verhalten in der Wirtschaft auch genetisch bedingt ist: Gene und Hormone machen den Menschen geizig und raffgierig. Die Behavioral Finance kann erklären, wie Furcht wirkt. Weil sie aber eher deskriptiv ist, kann sie keinen Hinweis geben, wie mit Risiko und Furcht umzugehen ist. Drei Verhaltensökonomen haben bis 2017 den Ökonomie-Nobelpreis bekommen: R. Thaler 2017, Daniel Kahneman und Robert Shiller. In dem grundlegenden Buch von R. H Thaler und C. R. Sunstein (Nudge. Wie man kluge Entscheidungen anstößt, Berlin 2017) gibt es einige Beispiele aus dem Finanzbereich: Save more tomorrow, Investmententscheidungen, Kredite (S. 145ff.). Im dem Buch von Thaler mit dem Titel "Misbehaving", das 2018 auch auf Deutsch erschienen ist, gibt es ein Kapitel über Finanzökonomik (Kapitel VI, S. 263-324).  In Deutschland haben knapp 3,8 Mio. Menschen Aktien, dies sind 5,8% der Bevölkerung (Aktienfondsbesitzer sind etwas mehr). "Wir können Finanzstabilität nicht nur herbeiregulieren", Andreas Dombret, Bundesbank-Vorstand. Auch Laien beeinflussen uns bei Finanzentscheidungen. Der Laien-Rat, der Nichts kostet, führt oft zu teuren Fehlentscheidungen. Dies könnte man als "versteckte Kosten" definieren. Vgl. Sprenger, Julia: Naive Advice in Financial Decision Making: Hidden Costs of a Free Offer, Ruhr Economic Papers (Bochum) Nr. 656, 2016.

Wichtige Bausteine von Behavioral Finance: Verlustaversion (Verluste werden stärker als Gewinne wahrgenommen). Dispositionseffekt (Asymmetrie bei Finanzakteuren: im Gewinnbereich risikoavers, im Verlustbereich risikofreudig). Selbstüberschätzung (man tut so als hätte man alle Infos). Verfügbarkeitsheuristik (Vereinfachung). Anchoring (man sucht sich Anker). Framing (unterschiedliche Wahrnehmung). Endowment Effect (Besitzeffekt: eine Ware im Besitz ist subjektiv mehr wert als ein Substitutionsgut). Ambiguitätsaversion (Aversion vor dem Kontrolldefizit). Home Bias (beheimatete Aktien). Spekulationsblasen (Herdenverhalten). Euphorien in der Hausse. Greater Fool Theory. Vgl. zu einer ausführlicheren Darstellung das sehr empfehlenswerte Buch von Harald Meisner: Finanzwirtschaft in der Internetökonomie, Wiesbaden 2017, S. 133ff.

Nudge (Nudging) als zentrales Element: Zentraler Fachbegriff aus der Verhaltensökonomik. Er wurde von R. H. Thaler and C. R. Sunstein eingeführt (vgl. Dieselben: Nudge. Wie man kluge Entscheidungen anstößt, 2009/ USA 2008; letzte Ausgabe in Deutsch 2017; ebenso D. Kahnemann: Schnelles Denken, langsames Denken, München 2012). "Nudge" ist das Gegenteil eines Verbots oder eines Befehls. Es geht um kluge, durchdachte Entscheidungshilfen und -anstöße.  Damit ist die Kraft, Menschen zu beeinflussen, größer. Beispiele bei Thaler sind eine Fliege im Urinal oder Obst in Griffnähe. Bei total freien Märkten kann Nudge zum Desaster führen, weil die Menschen keine guten Entscheider sind (Argument für die Regulierung von Gesundheitsmärkten). Der Begriff spielt heute auch in der Marketing-Kommunikation eine große Rolle. Die bekannteste Art von Nudges sind Standardvorgaben, die Defaults. Diese sollen Menschen in eine bestimmte Richtung "stupsen". Nudges können die Entscheidungen von Menschen verbessern, wie sie in Form gut aufbereiteter Informationen angeboten werden. Sie können auch die Selbstbindung verstärken (Selbstkontrollprobleme reduzieren; z. B. durch Wetten). In der Praxis kann Nudging in der Wirtschaftspolitik (Gefahr: Verwaltungsfreude, Obrigkeitsdenken), bei Konsumente (Gefahr: Manipulation), in der Alterssicherung und beim Verbraucherschutz bewusst eingesetzt werden. So gesehen ist es sanfter Paternalismus und verhaltensökonomisch fundierte Ordnungspolitik. Die Frage ist, ob unvollständige Rationalität eine hinreichende Begründung ist. Zur Kritik an Nudge werden meist die folgen Argumente angeführt: 1. Der Eigenwert irrationalen Verhaltens wird negiert. 2. Bestimmtes Menschenbild liegt zugrunde (Kahnemann: Menschen sind nicht imstande, kurzfristiges Tun mit langfristigen Interessen abzugleichen). 3. Framing ist an konkretes Ziel gebunden (auch ideologisch). 4. Sozialer Druck wird erhöht. 5. Nudging als Illusion ("optische Täuschung"). Vgl. Schnaas, Dieter: Gütiger Himmel, in: Wirtschaftswoche, Nr. 13, 23.03.15, S. 38f.  Bundesjustizminister Maas will in der Politik mehr mit "Stupsen" arbeiten. So will er Countdown-Anzeigen bei roten Ampeln einsetzen. "Get ready to change the way you think about economics", Richard H. Thaler.

Moral Hazard (Moralische Wagnisse): Möglichkeit unehrlichen Verhaltens in Situationen, in denen das Verhalten nur unvollkommen kontrolliert wird. Die am Markt orientierte Umweltpolitik setzt bei ökonomischen Anreizen an, um sie gezielt zu instrumentalisieren: Umweltschutz durch Eigennutz. "Der Großteil der Ökonomie kann in vier Worten zusammengefasst werden: Menschen reagieren auf Anreize. Der Rest ist Kommentar", Steven Landsberg, US-Ökonom. Moral Hazard gibt es auch in anderen Bereichen, z. B. auf den Finanzmärkten: die Notenbanken können nicht suggerieren, dass sie nicht eingreifen. Also planen die Akteure dies ein, vgl. F. S. Mishkin: Housing and the Monetary Transmission Mechanism, Fed, Series, 40/ August 2007. Entscheidend für Moral Hazard ist nach jüngsten Forschungsergebnissen (Torgler, Levitt) das soziale Umfeld. auch die Angst vor Überführung (Kontrolle) hat einen Einfluss. Die ursprüngliche Idee dazu hatte Kenneth Arrow, ein US-Ökonom (geb. 1921). Damals war sie noch nicht negativ besetzt. Sie stand einfach für Herausforderungen, denen die Märkte gegenüberstehen, die für alle das Beste bereitstellen sollen. Sind dei Informationen nicht gleichmäßig besetzt, verfolgt vielleicht eine Partei ihre Interessen auf Kosten der anderen. Das könnte die andere Partei veranlassen, Verträge zu entwerfen, die dieses Risiko in Grenzen halten. Hin und Wieder muss auch der Staat eingreifen.

Asymmetrische Information (Negativauslese): Situation, in der einer der Akteure systematisch besser informiert ist als der andere. Sie kann sowohl als versteckte Information, versteckte Absichten und versteckte Handlungsmöglichkeiten (hidden characteristics, hidden intentions, hidden actions) als auch als negative Auslese (adverse selection) auftreten. Informationsmängel und Unsicherheit sind auch Ursachen der Umweltverschmutzung. Als Marktlösungen bieten sich nach der Prinzipal-Agent-Theorie hier Screening, Signaling und Interessenharmonisierung an. Vgl. Neubäumer/ Hewel (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, Wiesbaden 2001, S. 636ff. . Colin Crouch hält in seinem Buch "Die bezifferte Welt" (Berlin 2017) das Problem "asymmetrischer Information" als fundamental für den Neoliberalismus an. Vgl. auch: Zimmer, P.: Finanzierung im Lebenszyklus der Unternehmung unter besonderer Berücksichtigung asymmetrischer Information, Wiesbaden 1998. Informationsasymmetrie gehört zum Finanz- und Bankensektor, Kredit- und Hypothekengeschäften - alles Entscheidungen im Ungewissen. Dabei wissen Kreditnehmer oft mehr über ihre finanziellen Aussichten als Kreditgeber. Letztere überprüfen die Kreditwürdigkeit der Schuldner mit gebotener Sorgfalt. Doch dabei gibt es Grenzen. Faule Kredite sind ein Beispiel für Negativauslese. Die Informationsasymmetrie kann zu großen Problemen im Finanzsektor führen (2007 bis 2009). Vgl. auch: Marron, Donald: Wirtschaft in 30 Sekunden, Librero 2018, S. 148.   "Die klassische marktwirtschaftliche Theorie ging davon aus, dass sich die Mehrzahl der Marktteilnehmer moralisch integer verhält. Die gegenwärtig dominierende Rational-choice-Theorie prämiert hingegen Verhaltensweisen, die sich der Verfälschung und Verzerrung von Informationen und Wissen bedienen", ebenda, S. 196. Literatur: Wohlschieß, V.: Unternehmensfinanzierung bei asymmetrischer Informationsverteilung, Wiesbaden 1996 und Zimmer, P: Finanzierung im Lebenszyklus der Unternehmung unter besonderer Berücksichtigung der asymmetrischen Information, Wiesbaden 1998..

Strategische Asset Allocation: Während Behavioral Finance vor allem auf die Stimmung setzt, gibt es andere Rationalmodelle: Bekannt ist die Asset Allocation nach Markowitz. Er veröffentlichte 1952 seine Portfolio-Theorie (später Nobelpreis dafür). Es geht um die richtige Depotzusammensetzung. Ein Wertpapierdepot kann so optimiert werden, das Rendite und Risiko in einem perfekten Verhältnis bleiben.

Prinzipal Agent: Ein Agent ist jemand, der für einen anderen (Prinzipal) tätig ist. Folglich ist ein Prinzipal jemand, für den ein anderer (Agent) agiert. Die Theorie ist geeignet für die Erklärung der Unternehmensführung in Kapitalgesellschaften moderner Industriegesellschaften. Sie gilt auch für die Beziehung Wähler - Politiker - Ministerialbeamte. Sie spielt auch eine große Rolle bei Problemen der Finanzierung zusammen mit Situationen der Unsicherheit. Die Präferenzen der Bürger kommen nicht direkt zur Geltung. Normalerweise beauftragt der Bürger als Wähler Politiker damit, seine Interessen wahrzunehmen. Es entsteht ein Delegationsverhältnis, das sowohl zwischen Bürger und Politikern als auch zwischen Politikern und Beamten der Bürokratie in der Verlässlichkeit Fehler und Missverständnisse haben kann. Vgl. als wichtigsten Aufsatz: Stephen Ross, The Economic Theory of Agency: The Principal`s Problem, in: AER, 1973. Der Principal-Agent-Ansatz ist Teil der Institutionenökonomik.

Effizienzmarkt-Hypothese: Sie geht davon aus, dass auf einem Finanzmarkt die Preise der gehandelten Vermögenswerte, z. B. Aktien und Obligationen, ein vorhandenes Wissen darüber im vollen Umfang widerspiegeln. Die Hypothese war schon jahrelang bekannt, bevor sie Fama standardisierte.  "Ein Markt, in dem die Preise stets alle verfügbare Informationen in vollem Umfang widerspiegeln, wird "effizient" genannt", Eugene Fama.

Bedeutung der Kultur: Die Aktionärsquoten sind weltweit sehr unterschiedlich (Anteil an Aktionären in Prozent der Bevölkerung 2016). Sehr hoch ist sie etwa in den Niederlanden mit 30%. Dann folgt Japan mit 28% vor den USA mit 25%. Großbritannien (23%) und die Schweiz (20%) folgen. Schweden (19%) und Frankreich (15%) liegen noch vor Deutschland mit 6%. Die Deutschen legen ihr Geld lieber in Bargeld, Tagesgeld oder Gold an. Normalerweise wird dies psychologisch erklärt: Die Deutschen hätten eine seltsame Ängstlichkeit. Sie seien sparsam, vorsichtig, skeptisch und ängstlich. Das seien feste Eigenschaften der Kultur (Psychologe Borwin Bandelow, Uni Göttingen). 

Finanzpsychologie: Geld kann für viele unterschiedliche Dinge stehen: Status, Luxus, Annehmlichkeiten, liebe, Bequemlichkeit, Anerkennung. Das ist das Kernthema der Finanzpsychologie. Daraus erwachsen Probleme, die im Zentrum stehen: Schulden und Überschuldung, Börsenpsychologie (selbsterfüllende Prophezeiungen, Selfmadetrader, Finanzbetrüger).

Finanzierungsrechnung: Es geht um die statistische Erfassung und adäquate Darstellung finanzieller Transaktionen in gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen. Dabei spielen auch soziale Kosten eine Rolle, die durch Finanzkrisen wie 1929 und 2007/2008 entstanden. Dabei wird das Europäische VGR - System (Systems of National Accounts)  in Sektoren eingeteilt und in eine Gliederung der Finanzinstrumente.

Finanzwirtschaftliche Führungsgrößen (Entscheidungsfindung): Liquidität (absolut, relativ), Rentabilität, Unabhängigkeit, Sicherheit. Um diese Größen zu erreichen und zu berücksichtigen gibt es Finanzpläne, Finanzdispositionen, Analysen, Investitionen und Zahlungsverkehr.

Finanzierungsregeln und Finanzstatistik: Goldene Finanzierungsregel: Langfristiges Vermögen geteilt durch langfristiges Kapital kleiner/gleich 1 bzw. kurzfristiges Vermögen geteilt durch kurzfristiges Kapital größer/ gleich 1. Goldene Bilanzregel (im engeren Sinne): EK + langfristiges FK größer/ gleich Anlagevermögen. Goldene Bilanzregel (im weiteren Sinne): EK + langfristiges FK größer/ gleich Anlagevermögen + langfristiges Umlaufvermögen. Wöltje, J.: Finanzierung, Konstanz/ München 2017, S. 7. Weitere wichtige Größen sind der Cash-Flow, die Liquiditätsgrade (1. bis 3. Grades), die Deckungsgrade und die Rentabilitätskennziffern.

Systematik der Finanzierungsformen: Zunächst unterscheidet man Eigen- und Fremdfinanzierung. Eigenfinanzierung besteht aus Beteiligungs- und Selbstfinanzierung (Gewinnthesaurierung, Abschreibungen). Fremdfinanzierung setzt sich aus Finanzierung durch Rückstellungen und Kreditfinanzierung zusammen (wichtig ist die Optimierung des Fremdkapitalmixes). Innenfinanzierung ist die Kombination aus Selbstfinanzierung und Rückstellungsbildung. Außenfinanzierung beinhaltet Beteiligungsfinanzierung und Kreditfinanzierung. Vgl. Wöhe, G.: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, München 2013, S. 475. Insgesamt ist eine Systematisierung der Finanzierung möglich nach Finanzierungsanlass, Kapitalüberlassungsdauer, Rechtsstellung der Kapitalgeber, Kapitalherkunft und Erfüllungszeitpunkt. Vgl. Wöltje, J.: Finanzierung, Konstanz/ München 2017, S. 8.

Finanzwirtschaftliche Funktionen: Finanzierung=Kapitalbeschaffung, Investition=Kapitalverwertung, Zahlungsverkehr=Kapitalverwaltung; vgl. Olfert, Finanzierung, Herne 2013, S. 33.

Finanzwirtschaftliche Analyse: Nach den Arten Substanzanalyse und Kennzahlenanalyse. Weiter: Investitionsanalyse (Struktur, Politik, Umsatz), Finanzierungsanalyse (Struktur, Dauer), Liquiditätsanalyse (statisch, dynamisch), Ergebnisanalyse, Rentabilitätsanalyse. Die Finanzkennzahlen (Finanzstatistik) sollten immer dadurch relativiert werden, dass einerseits der Zeitvergleich gesehen wird und andererseits ein Unternehmensvergleich gemacht wird. "Wenn bei einem Unternehmen die Kasse nicht stimmt, müssen sich entweder die Zahlen ändern oder die Gesichter", Friedrich Karl Flick, deutsch-österreichischer Unternehmer.

Finanzplan: Die Aufgabe liegt in der Erfassung aller zukünftigen Ein- und Auszahlungen (Liquidität). Der Zeitraum liegt bei maximal 12 Monaten. Die Struktur besteht aus Einzahlungen, Auszahlungen, Liquiditätssaldo und Finanzbedarf oder Anlagebedarf.

Optimale Finanzierung: Bildung einer optimalen Vermögens- und Kapitalstruktur. Dabei geht es um das Verhältnis zwischen Fremd- und eigenkapital, Kapitalkosten, Einsatz des Kapitals, Bestimmung der Kapitalarten. Es kann gehen um dei Ausrichtung auf die Rentabilität, die Liquidität, das Risiko und die Flexibilität. Vgl. Thommen, Jean-Paul: Unternehmensfinanzierung, Zürich 2016.

Theorien über die Kapitalstruktur eines Unternehmens: Man unterscheidet vertikale und horizontale Kapitalstrukturregeln. Bei letzteren geht es um Kapital-Vermögensstrukturregeln. Dazu gehören die Goldene Finanzierungsregel, die Goldene Bilanzregel und die Liquiditätsgrade. Eine Gestaltung der Kapitalstruktur ist auch nach dem Leverage-Effekt möglich. In der Vorlesung behandele ich einige Aspekte bei der Finanzstatistik (Kennzahlenanalyse). Vgl. Bieg/Kußmaul/Waschbusch: Finanzierung, München (Vahlen-Verlag) 2016, S. 455ff.

Finanz- und Kapitalmärkte: Institutionen: Börsen (Präsenshandel, Xetra-Handel, Eurex); Kreditinstitute (Kreditbanken, Sparkassen, Genossenschaftssektor, Realkreditinstitute, Banken mit Sonderaufgaben, Bausparkassen); banknaher Bereich (Kapitalanlagegesellschaften, Versicherungen, Kapitalbeteiligungsgesellschaften, Kreditgarantiegemeinschaften, Hedge Funds). Vgl. Gräfer/Schiller/Rösner: Finanzierung, Berlin 2014, S. 39ff.

Finanzkommunikation: Wenn die Finanzmärkte sich in einem Trend nach unten befinden und die Konjunktur nachlässt, führt dies bei Mittelständlern oft zu einer schlechteren Bonität, gepaart mit verschärften Refinanzierungsbedingungen. Die Finanzierungskosten hängen im Wesentlichen von der Bonität, dem Schuldner - Rating, der Umsatzhöhe und dem Kreditvolumen ab. Umso wichtiger ist es eine gute Bankverbindung aufzubauen und am besten noch eine zweite. Das Rating - Verfahren ist bei den Banken sehr differenziert. Die genauen Prozeduren werden nicht preisgegeben (mangelnde Transparenz). Umso wichtiger ist ein Erfahrungsaustausch mit Banken, mit Experten und mit Unternehmen. Vgl. auch: Schwarzbauer, F.: Modernes Marketing für das Bankgeschäft, Wiesbaden 2009.

Sechs Kapitalarten im Unternehmen: Normalerweise steht das Finanzkapital im Vordergrund der Betriebswirtschaft. Das Humankapital spielt eine immer größere Rolle. Bei einem integrierten Ansatz in einer "Integrierten Berichterstattung" kommen noch hinzu: produziertes Kapital, intellektuelles Kapital, natürliches Kapital (Umweltbelange) sowie das Sozial- und Beziehungskapital. Vgl. Beyhs/ Link: Ein Unternehmen hat sechs Kapitalarten, in: FAZ, Montag 31.03.2014, S. 18. Bei Gründern haben Untersuchungen gezeigt, dass Risikokaitalgeber weniger auf den Inhalt von Kreditanträgen als auf die Persönlichkeit des Unternehmers achten (Vertrauen schlägt Kompetenz; HBM, September 2017, S. 8).

Eigenkapital: ist der auf den oder die Eigentümer eines Unternehmens entfallenden Teil des zu einem bestimmten Zeitpunkt investierten Kapitals (Gegenteil: Fremdkapital). Es steht auf der Passivseite der Bilanz. Es trägt das Verlustrisiko und übernimmt für die Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern eine beschränkte Haftung. Der deutsche Mittelstand hat eine geringe Eigenkapitalquote, was auf das Steuerrecht zurückzuführen ist (Begünstigung von Fremdkapital). Die Reform des Steuerrechts versuchte dies zu korrigieren (Zinsschranke), führte aber zu Problemen in der Weltwirtschaftskrise. Kleine Unternehmen verfügen oft nur über sieben Prozent Eigenmittel. Was man beim Eigenkapital in der Bilanz beachten muss, hängt davon ab, ob es sich um ein Einzelunternehmen, eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft handelt. Man sollte überlegen, Fremd- und Eigenkapital gleich zu behandeln. Bisher sind nur Fremdzinsen abzugsfähig. Belgien hat eine Regelung, bei der für Eigenkapital fiktive Zinsen angegeben werden können. Die EU erwägt, dies als Regel für alle Staaten vorzuschlagen. Bei der Fortschreibung der Eigenkapitalregeln für Basel III soll ein Grüner Faktor berücksichtigt werden: Banken müssen für grüne Investitionen weniger Eigenkapital vorhalten.  Von den 30 Dax - Konzernen haben Merck, Beiersdorf und SAP 2009 die höchsten Eigenkapitalquoten. Aus dem MDax sind dies Fielmann, Rational und Puma.  Von allen deutschen Unternehmen haben 31% eine Eigenkapitalquote von bis zu 10%. 24,4% aller Unternehmen eine Eigenkapitalquote von bis 20%. 17,7% haben bis 30%. 26,8% liegen über 30%. Verhältnis von Eigenkapital zur Bilanzsumme (Quelle: Creditreform). Von den DAX-Unternehmen haben 2014 Deutsche Post (21,5%), Infineon (20,8), Henkel (19,5), Heidelberg Cement (14,8) und Adidas (14,5) die höchste Eigenkapitalquote.  2014 erreicht die Eigenkapitalquote der KMU einen Rekordwert mit 22.3% (Quelle: Studie "Diagnose Mittelstand" des DSGV, 2015). Staatsanleihen müssen bisher nicht mit Eigenkapital hinterlegt werden. Das ist eine Art "blinder Fleck" in den Bankbilanzen. KMU benötigen 2017 im Schnitt ein Drittel an Eigenkapitalmitteln für einen Fremdkapitalkredit. Island hat seine Bankenkrise gründlich untersucht. Dabei trat zutage, das die Banken mit Überkreuzkrediten die Eigenkapitalgrenzen unterlaufen hatten (Kauf jeweils anderer Banken).

Eigenkapitalquote im Mittelstand: Die Eigenkapitalquoten im Mittelstand sind in den letzten Jahren beständig gestiegen. Von 18% 2002 auf 29% 2014. Das gilt jedenfalls für die Unternehmen im Mittelstandspanel (Quelle: KfW-Mittelstandspanel 10/2015). Dieser Trend setzt sich nach Angaben der KfW fort. Das verringert die Abhängigkeit gegenüber den Banken. 2015 betrug die Eigenkapitalquote 29,5% über alle Unternehmensgrößen (2008: 25,1%). Bei KMU betrug sie im gleichen Jahr 27,3%, bei Großunternehmen 30,5%. Quelle: Deutsche Bundesbank. 2019 kommt eine Studie der Unternehmensberatung "Capmarcon" (Der Bankkredit muss sich neu erfinden, Capmarcon Capital Spezial 42/2019), auch auf Basis der Daten der Deutschen Bundesbank 19989, 2003, 2008, 2013, 2018, 2023: Die Eigenkapitalquote bei Mittelständlern in Deutschland hat sich in den vergangenen 20 Jahren fast verdreifacht und ist beinahe so hoch wie die von Großunternehmen. Grund ist die anhaltend gute Ertragslage in den vergangenen zwei Jahrzehnten. So sank der Anteil der Bankverbindlichkeiten im Mittelstand in den vergangenen 20 Jahren um fast die Hälfte, von 38 auf 21 Prozent. Für 2017 wird die Quote mit 29% angegeben. Die Hidden Champions liegen sogar bei 42% (für börsennotierte 48%; Quelle: Simon, Hermann: Hidden Champions, Frankfurt/ New York 2021, S. 221.

Eigenkapitalrentabilität: Gewinn , dividiert durch investiertes Eigenkapital. Der Gewinn kann aus der Gewinn- und -Verlust-Rechnung entnommen werden. Das Eigenkapital findet sich auf der Passivseite der Bilanz. Die Anteilseigner gucken genau auf diese Kennzahl (macht es Sinn, in das Unternehmen zu investieren?). Die Eigenkapitalrendite deutscher Banken ist gesunken (2016: 2,2%; 2017: 0,9%). Die deutsche Bankenaufsicht BaFin macht sich auf Schieflagen gefasst. Die Eigenkapitalrendite ist besonders im europäischen Vergleich niedrig (März 2018): Spanien  9,7%, Österreich 9,3%, Niederlande (9,2%), Deutschland (2,5%). Quelle: EZB. Auch bei der Marktkapitalisierung sind die deutschen Banken abgeschlagen.

Innenfinanzierung: Die finanziellen Mittel werden vom Unternehmen selbst aufgebracht (selbst erwirtschaftet). Die Finanzierung kann dabei einerseits aus Umsätzen erfolgen (einbehaltene Gewinne, Abschreibungsgegenwerte, Rückstellungen). andererseits kann die Finanzierung aus sonstigen Kapitalfreisetzungen erfolgen: Rationalisierung und Reduzierung der Außenstände, Vermögensumschichtungen (Lagerabbau, Verkauf von Vermögensgegenständen). Die Innenfinanzierung hat für deutsche Unternehmen eine überragende Bedeutung. In den letzten Jahren wurden zumindest 60 Prozent (in einigen Jahren über 80%) über die Instrumente der Innenfinanzierung bereitgestellt. Probleme bei der Verbuchung in der Bilanz sind häufiger: Abschreibungen werden aufgeschoben, Pensionslasten versteckt.

Wege der Innenfinanzierung: Selbstfinanzierung: Darunter versteht man die Beschaffung von Kapital durch einbehaltene Gewinne (thesauriertem Gewinn). Es gibt offene und stille (verdeckte) Selbstfinanzierung. Stille Selbstfinanzierung ist im angelsächsischen Rechtsbereich verboten. Bei Kapitalgesellschaften ist die Dividendenpolitik wichtig (Zahlungen der Aktiengesellschaft an die Aktionäre: statisch oder gewinnabhängig). Rückstellungen werden für Verpflichtungen gebildet, deren genaue Höhe und/oder Fälligkeit ungewiss ist. Rückstellungen sind Fremdkapital, das nach dem Grund, der Höhe und der Fälligkeit eher ungewiss ist, deren wirtschaftliche Verursachung aber in der abgelaufenen Rechnungsperiode liegt. Die Bedeutung von Rückstellungen wird an den aktuellen Fällen "VW" (Entschädigungen für Manipulationen am Dieselmotor) und "Atomkonzerne" (2015 Erhöhung auf 40,1 Mrd. € bei den vier Konzernen für Rückbau und Entlagerung). Abschreibungen: Bei der Finanzierung aus Abschreibungen findet eine Vermögensumschichtung statt, indem der Nutzungsabgang der Potentialfaktoren in liquide Mittel umgewandelt wird. Sonstige Vermögensumbildung können Rationalisierungsgewinne bzw. eine ingenieurmäßige Vermögensumbildung (aber auch Vermögensumschichtung in der Familie) sein.

Abschreibungen: In der Abschreibungspolitik tricksen die DAX-Firmen zum Teil. So sollen massive Bilanzprobleme überdeckt werden. Diese entstehen häufig nach einer Übernahme. Die übernommene Firma wird in Teile zerlegt und neu bewertet. Die Differenz aus dem Kaufpreis und dem neu bewertete Vermögen ergibt einen Goodwill, der als eigenständige Position in die Bilanz gebucht wird.

Rückstellungen: Es gibt zwei Arten: Rückstellungen mit rechtlichen oder wirtschaftlichen Verpflichtungen gegenüber Dritten (Außenverpflichtungen). Rückstellungen aus innerbetrieblichen Gründen (Innenverpflichtungen). Sie werden im HGB in § 249 geregelt. Der Zweck bezieht sich auf ungewisse Verbindlichkeiten, drohende Verluste oder Aufwand. Davon zu unterscheiden sind Rücklagen (die teilweise vom Gesetz vorgesehen sind). VW hat 2016 nach dem Dieselskandal seine Rückstellungen auf über 16 Mrd. € erhöht, insbesondere für die Entschädigung der Kunden in den USA. 2016 stockt VW seine Rückstellungen wegen der US-Risiken auf (weitere 2,2 Milliarden Euro). Daimler muss 2016 eine hohe Kartellstrafe wegen Preisabsprachen bei LKWs an die EU-Wettbewerbsbehörde zahlen und macht dies aus Rückstellungen. Die Verpflichtungen aus den Betriebsrentenzusagen der 30 DAX-Konzerne wuchsen 2016 auf 396 Milliarden Euro (+ 9,2%; Quelle: Beratungsgesellschaft Willis Tower Watson, 2017). Damit sind die Pensionslasten auf Rekordniveau. Bosch hat 2017 insgesamt 1,1 Milliarden Euro für Rechtsstreitigkeiten wegen der Dieselaffäre zurückgestellt. 2017 macht die Commerzbank hohe Rückstellungen für den Abbau Tausender Stellen.

Rücklagen: Sie sind in der Regel im Gesetz festgelegt. Zu einem immer größeren Problem werden die Rücklagen der Unternehmen für die Altersvorsorge. Nach dem Handelsgesetzbuch ist hierfür der vorgeschriebene Zins 2,71% (2020). Nach dem Steuerrecht ist die vorgeschriebene Verzinsung 6,00%. Das führt zu einer Differenz zur Steuerbilanz. Die Steuermehrbelastung ist für Unternehmen erheblich. Unternehmen müssen mehr Geld für die Altersvorsorge zurückstellen. Das drückt ihre Gewinne. Die Finanzämter erkennen das nicht an.

Banken: Die deutschen Großbanken (Deutsche Bank, Commerzbank) finanzieren mittelständische Unternehmen in der Regel erst ab einem Umsatz von 50 Mio. Euro. Darunter ist das Geschäft für Sparkassen und Volksbanken, die relativ ortsnah sind. Die Stärken der Großbanken liegen in Außenwirtschaftsgeschäften. Die Stärken der Regionalbanken liegen im "Relationsship Banking", was jedoch durch Basel II zurückgeht. Experten sehen aber auch eine Renaissance der Hausbank (andererseits haben KMU auch Angst vor der Hausbank und legen sich sicherheitshalber eine Zweit- und Drittbank zu). Für langfristige Beziehungen müssen die Firmen auch bereit sein zu zahlen. Wegen der Staatsschuldenkrise vergeben die Banken weniger Kredite an KMU. Die europäische Bankenaufsicht EBA will helfen, indem das Risikogewicht für Mittelstandskredite um ein Drittel auf 50% gesenkt wird. Die neue Regel kann frühestens 2013 in Kraft treten, da sie 2 Jahre getestet werden soll. 2013 startet die Deutsche Bank eine Offensive im Mittelstand. Die Kräfte für Firmen-, Geschäfts- und Privatkunden sollen unter einem Dach gebündelt und die Filialen gestärkt werden. Vorher hatte die Commerzbank versucht, sich als Großbank für den Mittelstand zu präsentieren. 2013 ist die Kreditmenge unerwartet stark gesunken (Unternehmen bauen Schulden ab). Das Kreditvolumen an den privaten Sektor sank mit der Rekordrate von minus 2,3%. Wenn Kunden einer Bank nicht mehr vertrauen, kann es zu einem Ansturm auf eine Bank (Run) kommen. Die Kunden ziehen aus Angst, das die Banken wegen Konkurs ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, Mittel ab. 83% aller KMU arbeiten mit lokalen Banken zusammen; 72% mit Deutschen Großbanken; 35% mit Förderinstituten; 34% mit Landesbanken; 29% mit ausländischen Banken; 21% mit Genossenschaftsbanken; 20% mit Privatbanken (Quelle: Deloitte Finanzierung im Mittelstand 2012). Eine Umfrage von Impulse 2014 bringt folgende Ergebnisse: Deutschlands Unternehmer sind überwiegend zufrieden mit der Hausbank. Ärger gibt es über mangelhaften Service und schlechte Konditionen. Die Volks- und Raiffeisenbanken und die Sparkassen werden besser bewertet als die großen deutschen Banken. Vgl. Impulse, Oktober 2014, S. 67. Infolge der Finanzkrise ist es zu einem Loyalitätsbruch zwischen Banken und Kunden gekommen. Ersatzlösungen (z. B. Crowdfunding) werden immer interessanter, so dass auch das Verständnis für die volkswirtschaftliche Bedeutung der Banken sinkt. In den USA arbeiten schon hunderte Start-ups an Alternativen zum traditionellen Bankgeschäft (allein 2015 Investitionen von 16 Mrd. €). Die Minizinsen machen auch den Banken zunehmend zu schaffen. Ihre Renditen gehen zurück. Sie müssen gegensteuern, indem sie kleiner werden und ihr Filialnetz verringern (Quelle: Bafin, Bundesbank). Seit 03.07.15 gilt das Gesetz zur Einlagensicherung in der EU. Damit gilt der Schutz für deutsche Anleger auch im EU-Ausland (wenn die ausländische Bank eine Filiale in Deutschland hat). Die deutschen Banken blicken 2016 pessimistisch in die Zukunft. Sie erwarten weniger Rendite und planen Stellenabbau. 2015 werden bei den Banken 13.000 Stellen gestrichen. Vor allem auch kleine Banken sind auf dem Rückzug, weil sie besonders durch die strengeren Bankenregeln belastet werden. Ab 2016 setzen deutsche KMU zunehmend auf internationale Institute. HSBC, ING-Diba oder BNP Paribas geben gerne Kredite, weil sie dadurch auch Einfluss bekommen. Dabei kommt ihnen zugute, dass die Deutsche Bank und die Commerzbank im Umbruch stecken. Die US-Banken sind 2017 profitabler als die Geldinstitute in der EU. In Europa führt bei den Gewinnen die britische Großbank HSBC. Die deutschen Banken sehen Ende 2017 Wettbewerbsnachteile gegenüber Banken in den USA. Es geht um die Frage, in welchem Ausmaß Banken Risiken in der Bilanz herunterrechnen dürfen. Die Banken in den USA sollen den intern ermittelten Kapitalbedarf mit mindestens 75% Eigenkapital unterlegen. US-Unternehmen decken ihren Kapitalbedarf mehr an den Kapitalmärkten und weniger über Kredite. Der Bankensektor ändert sich auch stark bei den Beschäftigten. Die Filiale und der Bankkaufmann werden durch den Computer ersetzt. Gefragt sind IT-ler. 2022 wollen die Banken Milliarden vom Bund. Sie wollen, dass aus dem nationalen Restrukturierungsfonds 2,3 Mrd. € an sie zurückfließen. Doch dagegen regt sich Widerstand. Vgl. Der Spiegel Nr. 27/ 2.7.22, S. 54. 2022 verschärft sich der Personalmangel bei den Banken: Die Zahl der offenen Stellen ist im 1. Halbjahr 2002 um 80% gestiegen.  "Eine Bank ist eine Einrichtung, die Regenschirme verleiht, wenn es schön ist, und sie zurückfordert, wenn es zu regnen anfängt." Jerome K. Jerome, englischer Autor. In Europa finanzieren sich die Unternehmen eher über Bankkredite mit kurzer bis mittlerer Laufzeit. Niedrigere langfristige Zinsen (wie sie im Moment durch den niedrigen Leitzins zu erzielen sind) nutzen ihnen daher weniger. Im März 2014 lag das Volumen der Kredite an Unternehmen um 5,3% niedriger las im März 2012. Umstritten ist, inwieweit dies von der Geldmenge und damit der Geldpolitik abhängt. Manche Kredite sind besonders im Blickfeld der Öffentlichkeit: So der geplante Kredit der Deutschen Bank für Capricorn, den Käufer des Nürburgrings. Der Gesellschafter Wild hat Probleme, das Geld aufzubringen. So übernimmt Ende Oktober der russische Investor Charitonin die Mehrheit mit der Nürburgring Holding AG. Die Kreditvergabe der Banken im Euro-Raum ist im November 2014 abermals geschrumpft. Die europäischen Banken kriseln 2016. Die Aktienkurse sinken. Die alte Bankerformel ist endgültig am Ende: 3-6-4. Geld zu 3% von der Zentralbank. Geld zu 6% an die Kunden verleihen. Um 4 Uhr auf den Golfplatz. Streit gibt es immer wieder um teuere Konten für jedermann. Banken unterlaufen das Bürgerrecht auf ein Basiskonto durch hohe Entgelte. Im April 2017 vergaben Banken 2,4% mehr an Krediten an Unternehmen in der Nicht - Finanzbranche als noch vor Jahresfrist. Im März 2018 vergaben die Banken 3,3% mehr Darlehen an Unternehmen und Haushalte als ein Jahr zuvor. Die Geldflut der EZB bahnt sich einen Weg.  "Die Kreditvergabe zu subventionieren könnte sich als ziemlich effektiv erweisen", Maurice Obstfeld, Chefvolkswirt IWF.

Hausbank und Alternativen: 2021 ist eine Bewegung weg von der Hausbank zu beobachten. Man spricht sogar vom Abschied von der Hausbank. Alternativen zum Kredit sind: 1. Private Debt. 2. Schuldscheine. 3. Anleihen. 4. Venture Capital. 5. Private Equity. 6. Digitale Plattformen. 7. Crowdfunding. Diese Wege sind weiter unten beschrieben. Vgl. Köhler, P. u. a.: Abschied von der Hausbank, in: HB 41, 1.3.21, S. 30f.

Landesbanken: Viele Landesbanken mussten in der Finanzkrise mit Steuergeld gerettet werden. Als erste Landesbank wird 2018 die HSH Nordbank privatisiert. Eigentümer sind Cerberus (40%), J. C. Flowers (33%), Golden Tree, Centaurus Capital, Bawag PDK, Minderheitsaktionäre. Helaba, LBBW, NordLB, Deka und Berlin Hyp wollen 2018 einen Finanzriesen schaffen und stehen vor einer Großfusion. Die Bafin hat keine grundsätzlichen Bedenken.

Große Digitalbanken in Deutschland: Reihenfolge nach der Zahl der Kunden 2018. ING (9 Mio. Kunden), DKB (3,8), Comdirect (2,5), N26, Norisbank/ Deutsche Bank (0,6).

Nichtbanken-Finanzinstitute (NBFI): Die Arten unterscheiden sich von Land zu Land. Dazu gehören Kommerzielle Geldverleiher, Privat-an-Privat-Verleiher, Crowdfunding und andere Organisationen wie Kreditgenossenschaften, Baugenossenschaften, spezielle Kreditgeber und Pfandleiher. Oft werden nicht dieselben Garantien gegeben, wie bei Banken.

Auslandsbanken: Sie gewinnen bei deutschen Unternehmen an Attraktivität. Banken wie ING, HSBC und Citi (vgl. zu den europäischen Banken "Links/Finance") haben das Volumen der Kredite an deutsche unternehmen 2018 und 2019 stark gesteigert. Selbst US-Banken steigen ins Kreditgeschäft ein, wenn auch bei den DAX-Konzernen. Auch der deutsche Mittelstand wird angesprochen. .

Kredite (Arten): Lombardkredit: Kurzfristiges Bankdarlehen, das sich die Bank durch Verpfändung beweglicher marktgängiger Vermögensgegenstände sichert (siehe Wöhe/ Döring: Allgemeine BWL, München 2013, S 562). Verpfändet werden Wertpapiere, Waren, Edelmetalle, Wechsel und Forderungen. Der Diskontkredit ist der Barwert (Wechselsumme - Wechseldiskont), den eine Bank dem Wechseleinreicher auszahlt, wenn sie von diesem einen zu einem späteren Zeitpunkt fälligen Wechsel kauft (siehe ebenda, S. 560). Beim Avalkredit übernimmt die Bank die Bürgschaft für die Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens, die dieses Unternehmen gegenüber Dritten hat (siehe ebenda S. 564). Wichtige Anwendungsformen sind Zollbürgschaften, Frachtstundungsavale, Lieferungs- und Leistungsgarantien. Der Kontokorrentkredit steht kurzfristig für unerwartete Liquiditätsengpässe zur Verfügung, indem die Möglichkeit zur Überziehung des Bankkontos besteht. Wechsel: Der Wechsel ist eine Schuldurkunde, die den Wechselschuldner zu unbedingter, fristgerechter Bezahlung eines bestimmten Geldbetrages an den Inhaber des Wertpapiers verpflichtet. (siehe Wöhe/Döring: Einführung in die Allgemeine BWL, 25. Aufl. 2013, S. 560.). Erstmals seit Anfang 2015 verleihen Banken und Sparkassen 2016 wieder mehr Geld an Unternehmen.  Immer mehr Amerikaner können 2017 ihr Auto nicht abbezahlen. Die Kredite werden oft verbrieft und weitergereift. Auf dem Immobilienmarkt hat so die Finanzkrise 2008 angefangen. Literatur: Winton, A./ Yerrmilli, V.: Entrepreneurial finance: Banks versus venture capital, in: Journal of Financial Economics, 88 (1), S. 51-79. Im ersten Halbjahr 2018 können die Sparkassen ihr Kreditgeschäft deutlich steigern (385 Institute; +4%; 77,9 Mrd. €; Geschäfte mit Unternehmen +6%, 43,4 Mrd. €). 2018 kommt es zu einer Investitionsoffensive im deutschen Mittelstand: Das belegen die Bilanzen von 300.000 Firmen. Quer durch alle Branchen erhöhen die Firmen ihre Bankverbindlichkeiten und gehen damit auch mehr Risiko ein (Quelle: DSGV). 2021 gibt es keine Entwarnung für Banken. Es drohen hohe Kreditausfälle durch die Corona-Pandemie.

Kurzfristige Geldmarktkredite: Mit dem Begriff Euronotes werden kurz- bis mittelfristige Schuldtitel bezeichnet, die von Banken und Industrieunternehmen mit erstklassiger Bonität am Euromarkt begeben werden (Laufzeit ein bis sechs Monate). Auf jeden Fall übernimmt ein Kreditinstitut oder eine Gruppe von Kreditinstituten eine Übernahmegarantie, die mit einer Risikoprämie versehen ist. Commercial Papers ähneln Euronotes, die allerdings nicht besichert sind. Der Emittent hat das Platzierungsrisiko selbst zu tragen. Vgl. Bieg/ Kußmaul/ Waschbusch: Finanzierung, München 2016, S. 240ff.

Kredite (Umfang): In der Corona-Krise 2020 steigt die Kreditnachfrage deutlich an. Vor allem das Volumen der Privatkredite. Von März 2020 im Vergleich zum Vorjahresmonat 2019 um +11%. Vom März 2020 gegenüber Februar 2020 um +7,5%. 

Pay-Per-Use: Kredite für Investitionen, in erster Linie Maschinen. Der Kunde kann direkt kaufen, die Maschine aufstellen und Kunden akquirieren. In diesem Fall hängt die monatliche Zinsrate vom Einsatz der Maschine ab. Wenn die Konjunktur lahmt, kosten Maschinen plötzlich nicht mehr Geld. Bei diesen Krediten sind die Kosten wegen der Flexibilität etwas höher. Der zweite Haken ist die Datensicherheit. Die Maschinen müssen am Netz angeschlossen werden und die Bank hat den Zugang dazu. Diese Kredite werden bisher eher von Finanzierungs-Start-ups als von Banken angeboten. Die Commerzbank experimentiert damit.

Leveraged Loans: In den USA sind das Kredite, die von einem Bankenkonsortium an Firmen mit schwacher Bonität vergeben werden. Die Kredite werden oft in einem Wertpapier gebündelt und so handelbar gemacht. In diesem Wertpapier stecken zu viele faule Kredite - ein Risiko wie beim Lehmann-Crash 2008. 1300 Mrd. Dollar erreicht das Volumen der Leveraged Loans im Herbst 2018 in den USA.

Antizyklischer Kapitalpuffer für Banken: 2019 wurde erstmals in Deutschland der antizyklische Eigenkapitalpuffer für Banken aktiviert. Die Eigenkapitalanforderungen wurden um den kleinstmöglichen Schritt erhöht. außerdem erfolgt die Umsetzung im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zu spät. Dieses Muster der kleinen und späten Umsetzung kann eine Folge des institutionellen Rahmens mit drei zuständigen Institutionen sein. Vgl. Gischer, Horst/ Herz, B./ Menckhoff, L.: Antizyklischer Kapitalpuffer aktiviert - zu spät, zu wenig und dennoch richtig, in: Wirtschaftsdienst 2019/11, S. 784ff.

Robo Advisers: Automatisierte Beratung mit einer Plattform. Sie ist kostengünstig und transparent. Sie könnte die Anlagenberatung revolutionieren. Man unterscheidet Full-Service-Robos, Half-Service-Robos und Self-Servis-Robos. Anfänger sollten diese aber nicht nutzen. Fondsriesen bekommen immer größeren Einfluss. Damit gefährden sie die Unanhängigkeit der Roboter. Vor allem Blackrock versucht mit aggressiven Strategien seine Produkte unterzubringen.

Deutsche Bank: 2015 Rekordverlust (6,8 Mrd. €). Der Kurs der Aktie ist dramatisch gefallen (Aktienkurs innerhalb von Monaten halbiert; -32% allein 2016 bis Februar). 9000 Stellen sollen weltweit abgebaut werden. 200 Filialen in Deutschland sollen schließen. Die Boni schrumpfen. Die Krise hört nicht auf. Chef John Cryan scheint kein Geschäftsmodell zu haben. Die Deutsche Bank ist für deutsche KMU sehr wichtig, wen  es um Finanzierung des Außenhandels oder von Direktinvestitionen geht. Überhaupt bekäme auch Deutschland Probleme, wenn die größte deutsche Bank scheitert. Die US-Tochter fällt 2016 beim Stresstest der Fed in den USA durch. dies schon zum zweiten Mal wegen schlechter Kapitalausstattung. Der IWF schließt sich der Bewertung. Die Bank sei das größte Risiko im internationalen Finanzsystem (auch schlechte IT). Im Herbst 2016 fordert das US-Justizministerium 12,5 Mrd. € von der Deutschen Bank wegen illegaler Hypotheken-Geschäfte vor der Finanzkrise. Weiterer Ärger droht der Bank wegen Geldwäsche in Russland, wegen Verstoßes gegen die US-Sanktionen im Iran und wegen Devisengeschäften. Die Unsicherheit in der Bank ist groß. Wichtige Kunden ziehen sich zunehmend zurück. Die Bank dementiert Ende September 2016, Staatshilfe zu benötigen. Heimlich soll die Regierung schon an Rettungsplänen arbeiten. Katar will die Bank übernehmen. Zumindest sollte die Bank schleunigst ihr Geschäftsmodell überdenken. Ein unkalkulierbares Risiko stellt noch Russland dar. Kunden sollen über die Bank Rubel gewaschen haben. 2016 wird ein neues Firmenkonzept erarbeitet: Die Bank muss kleiner werden. Das US-Geschäft steht zur Disposition. Der Traum vom Global - Player  scheint geplatzt. 2016 laufen der Bank auch die Kunden weg. Ende 2016 zahlt die Bank 40 Millionen Dollar zur Beilegung eines Streits mit den US-Finanzaufsehern. An Entschädigungen für die illegalen Hypothekengeschäfte sind ca. 7 Mrd. Dollar fällig (die Hälfte des ursprünglich geforderten; damit kann die Bank überleben). 2017 kürzt die Bank die Boni, insbesondere für die Investmentbanker. 2017 wird eine Kapitalerhöhung vorbereitet (soll 8 Mrd. € bringen). 98,9% der Bezugsrechte werden ausgeübt. Die Postbank soll nicht mehr verkauft werden (Bekenntnis zum Heimatmarkt). Man kehrt wieder zum Modell der Europäischen Universalbank zurück. Es gibt künftig zwei Co-Vize und drei Geschäftsbereiche. Im April 2017 verhängt die US-Notenbank weitere Bußgelder (150 Mio. Euro). Im Mai 2017 wird die chinesische HNA-Group/ Hainan (Flughäfen, Touristik) größter Anteilseigner mit 10%.  Im Mai 2017 muss die Bank weitere Bußgelder in Höhe von 37 Mio. Euro zahlen (Filiale New York; Geldwäsche mit Geldern aus Russland; zu geringe Vorkehrungen gegen Geldwäsche). 2017 ist die Deutsche Bank nicht mehr unter den Top 15 der größten weltweiten Vermögensverwalter. Mittlerweile geben vier Großaktionäre den Ton bei der Deutschen Bank an: HNA Group 9,9%, Katar ),5%, Black Rock 6,28%, Cerberus 3,0%. 2018 will die Deutsche Bank DWS an die Börse bringen. Die Rating - Agentur Standard & Poor`s stuft am 1.6.18 die Kreditwürdigkeit der Deutschen Bank herunter (Refinanzierung teurer). Die Deutsche Bank will Aktionär Cerberuns als Sanierungsberater engagieren. Das kann gefährlich werden, weil z. B Cerberus auch in französischen Großbanken ist. 2018 sollen große Teile des Clearing-Geschäftes von London nach Frankfurt verlegt werden. Das liegt im Trend der Vorwegnahme des Brexits. 2018 scheint die Bank wieder Land zu sehen. Der erste Jahresgewinn seit 2014 zeichnet sich ab. Im November 2018 steigt der US-Hedgefonds Hudson Executive bei der Deutschen Bank ein: 3,1%. Eine Razzia im November 2018 bedeutet einen herben Rückschlag (Verdacht auf Geldwäsche). Ab 18.03.19 nehmen die deutschen Großbanken (Deutsche Bank, Commerzbank) Gespräche über einen eventuellen Zusammenschluss auf. Die Gespräche sollen ergebnisoffen sein. Der Bund, der eine 15%-Beteiligung bei der Commerzbank hält (Finanzminister Scholz, Staatssekretär Kukies), macht Druck für eine Fusion. Im April 2019 scheitert die Fusion. 2019 liegt die Deutsche Bank nach der Marktkapitalisierung auf dem 96. Platz in der Welt, die Commerzbank auf dem 141. 2019 braucht die Bank einen Befreiungsschlag. Seit Christian Sewing Vorstandsvorsitzender ist hat die Aktie -46% verloren. Hoffnungsträger ist der Leiter der Abteilung Global Transaction Banking (GTB) Stefan Hoops. Im Juli 2019 gibt die Bank bekannt, dass bis 2022 die Mitarbeiterzahl um ein Fünftel verringert wird (-18.000 Stellen). Aus dem Aktienmarkt will man sich zurückziehen und eine Bad Bank soll eingerichtet werden. Aktionäre müssen dieses und nächstes Jahr auf die Dividende verzichten. Der Vize-Chef tritt Ende Juli zurück. Die Deutsche Bank hat 2019 1364 Filialen. Das Netz ist auf dem Prüfstand. Die Bank baut ihre Firmensparte um (Straffung der Vertriebsstruktur, Unternehmenskunden in sieben Regionen). Die Marke Postbank bleibt. 2017, 2018 und 2019 macht die Bank hohe Verluste mit Derivaten (315 Mio. €, 326 Mio. €, ?).  Im 2. Quartal 2020 macht die Bank einen Gewinn von 158 Mio. €. Vielleicht geht es wieder aufwärts. 2020 ist die Bank wieder profitabel. Das Investmentbanking ermöglicht den ersten Gewinn seit sechs Jahren. "Die deutsche Industrie braucht eine Deutsche Bank, die uns in die Welt hinaus trägt", Jürgen Hambrecht, BASF-Aufsichtsratsvorsitzender, 2016. Die Deutsche Bank wurde 2011 zum weltweit größten Derivatehaus. Die Bank sitzt auf einem Berg komplizierter Papiere. Im August 2017 kommt es zu einem Vergleich im Anleihen-Rechtsstreit in den USA. Beim Gewinn ist die Bank 2016 abgehängt (Gewinn nach Steuern 2016 -1,4 Mrd. Euro, Spitzenreiter JP Morgan, USA 20,5 Mrd. €). Auch UBS aus der Schweiz hat sich gut von der Finanzkrise erholt. Die Deutsche Bank ist die Hausbank von Donald Trump. Als keiner mehr Trump Geld leihen wollte, tat dies die Deutsche Bank. Deshalb hat sie auch Probleme in den USA. Transaktionen stehen auch im Zusammenhang mit dem Wahlkampfteam (30 Mio. $). 2018 wollen Investoren in die Postbank Geld von der Deutschen Bank zurück (740 Mio. €). Die Deutsche Bank erwartet 2018 einen Verlust (2017: -1,0 Mrd. €). Die Eigenkapitalrendite war schon 2016 auf -2,3 Mrd. € gesunken (2015: -9,8 Mrd. €). Die Zahl der Mitarbeiter verringerte sich 2016 auf 99,7 Tsd. Durch die US-Steuerreform mach die Bank 2017 tatsächlich im dritten Jahr in Folge einen Verlust (sonst 1 Mrd. € Gewinn). 2018 soll wieder ein Gewinn erwirtschaftet werden. Der Aufsichtsratschef Paul Achleitner rückt 2018 zunehmend in die Kritik. Investoren finden, er wolle das Falsche. Christian Sewing (Leiter der Privatkundensparte, seit 27 Jahren bei der Bank) soll 2018 Nachfolger von John Cryan als Vorstandsvorsitzender werden. Das wird mit sofortiger Wirkung am 09.04.18 umgesetzt. Der Neue spricht von "unserer Jägermentalität" und will eine Wende erzwingen. Auf der Hauptversammlung am 24. Mai 2018 verlassen mit Henning Kagermann und Johannes Teyssen die letzten zwei deutschen Industriebosse den Aufsichtsrat. Die Deutsche Bank begräbt alle hochfliegenden Pläne: Das Investmentbanking soll stark reduziert werden. Das US-Geschäft und auch das in Asien sollen zugunsten von Europa verkleinert werden. Im Mai 2018 kritisiert der Chevolkswirt "David Folkerts-Landau die Ära Josef Ackermann, die zu sehr auf Investment gesetzt habe. Sewering will ab 2018 angeblich 7.000 Stellen abbauen und den Aktienhandel eindämmen. 2018 ist der Aktienkurs im freien Fall. Seit Paul Achleitner Aufsichtsratschef ist, ist der Aktienkurs von 24,76 (2012) auf 9,70 € (Mai 2018) gefallen. Der neue Chef Sewing will den Chef der DWS austauschen. Die Großaktionäre wollen wohl den Aufsichtsratsvorsitzenden Achleitner loswerden: Blackrock, Hudson Executive, Paramount Services, Supreme Universal, Cerberus. Wynaends soll 2022 Aufsichtratschef werden als Nachfolger von Paul Achleitner. Der Wechsel wurde Zeit; aber den neuen Aufseher kennt kaum jemand: Niederländer, ABN Amro, Aego, Multiaufsichtsrat.

Commerzbank: Die Bank scheint die Wende 2016 geschafft zu haben. Fast 2 Mrd. € hat sie im operativen Geschäft 2015 verdient. Der Bund als Hauptaktionär bekommt 39 Mio. €. Der erste Eindruck täuscht: Gewinn und Kapitaldecke schrumpfen. Es droht 2016 ein Abbau von 9000 Arbeitsplätzen. Damit wackelt fast jede fünfte Stelle. Im Oktober 2017 nimmt die Bank zwei Investmentbanken mit ins Boot, um sich gegen die Übernahmeschlacht mit ausländischen Konkurrenten zu wappnen (z. B. Unikredit). 2018 zahlt sich der Sparkurs aus. Es wird ein Gewinnplus erwartet. Aber es droht der Abstieg aus dem DAX, der auch kommt. 2018 will die Bank die NordLB übernehmen. Es gibt immer wieder Gerüchte über eine Fusion mit der Deutschen Bank. Ab 18.03.19 nehmen die deutschen Großbanken (Deutsche Bank, Commerzbank) Gespräche über einen eventuellen Zusammenschluss auf. Die Gespräche sollen ergebnisoffen sein. Der Bund, der eine 15%-Beteiligung bei der Commerzbank hält (Finanzminister Scholz, Staatssekretär Kukies), macht Druck für eine Fusion. Im April 2019 scheitert die Fusion. Der Zusammenschluss bringe keinen ausreichenden Mehrwert. Im September 2019 gibt die Bank Pläne bekannt, 200 der 1000 Filialen in Deutschland zu schließen; es sollen auch 2300 Stellen gestrichen werden. Die Verlagerung der Wertpapierabwicklung in die Großbank HSBC verzögert sich bis 2021. 2020 sucht die Beratungsfirma Bain nach Möglichkeiten, weitere 500.000 € einzusparen. Die Verlagerung der Wertpapierabwicklung in die Großbank HSBC verzögert sich bis 2021. 2019 kommt es zu einem Gewinneinbruch. Ein Jobabbau wird geprüft. US-Investor Cerberus wirft der Bank Versagen vor. Ein Jobabbau von 7000 Stellen und eine Schließung von 400 Filialen ist geplant. Konzernchef Zielke bietet im Juli 2020 seinen Rücktritt an. auch der Aufsichtsratschef geht. Die Commerzbank ist immer noch teil - verstaatlicht und im MDAX. Die Bank braucht neben neuen Chefs auch eine neue Strategie. 2020 wird Verlust eingefahren. 2021 schreibt die Bank wieder schwarze Zahlen. 2023 gelingt die Rückkehr in den DAX. 2016 stellt die Commerzbank eine neuartige Plattform vor. Unternehmen sollen damit schnell an Kredite kommen. Das Geld stammt von Investoren. Die Bank bietet ein Leistungspaket für Unternehmen an. Das enthält ein CashRadar und eine Liquiditätsprognose. 2018 muss die Commerzbank ihren Platz im DAX räumen. Sie wurde 1870 gegründet und war seit 1988 im DAX. Bezeichnenderweise ersetzt Wirecard, ein Fintech - Unternehmen, die Bank. Das verdeutlicht den Wandel in der Finanzbranche. Im Sommer 2019 erwägt die Commerzbank angeblich Filialschließungen. Es ist eine Reaktion auf das anhaltende Zinstief.

Sparkassen: Die Sparkassen fallen zunehmend durch Skandale auf, deren Ursache in der Verknüpfung von Politik und Geschäft liegt. Einerseits handeln die Sparkassen zunehmend genauso profitorientiert wie andere Banken. Andererseits müssten sie ihrem Auftrag gemäß Gelder aus ihren Gewinnen für gemeinnützige Projekte (Flüchtlinge) zur Verfügung stellen. Die Verwaltungsräte als Kontrollgremien kommen oft ihrer Verantwortung nicht nach oder ihnen fehlt die Qualifikation. Die Fondstochter der Sparkassen Deka gerät auch in Verruf: Statt Rendite gibt es klagen über Gebühren und Verluste. Die Sparkassen haben in Deutschland die meisten Bank-Beschäftigten (37,3%). Sie trotzen dem Zinstief und kommen mit den Folgen der EZB-Geldpolitik besser zurecht als gedacht. Die Sparkassenorganisation soll ab 2018 vereinfacht werden.2019 gibt es die erste Fusion von Sparkasse und Volksbank: Frankfurter Volksbank mit Taunus Sparkasse in Hessen. Niedrige Zinsen und sinkende Erträge, ein großer Kostenapparat und Streit mit der Finanzaufsicht machen den Sparkassen 2020 Schwierigkeiten. Die Corona-Krise bedroht zusätzlich das Kerngeschäft mit dem Mittelstand. Bei der Bilanzsumme liegt noch knapp vor der Deutschen Bank, Volksbanken, KfW und Commerzbank. Bei der Eigenkapitalrentabilität führen mittlerweile 2020 die Genossenschaftsbanken (Quelle: Bundesbank). Der Immobilienboom (Betongold) stellt auch ein Risiko dar. Die Zahl der Filialen schrumpfte 2019 auf 8971 (1990: 19.036). Es gibt noch 379 selbständige Sparkassen. In den Sparkassen-Vorständen gibt es einen Frauenmangel: 2020 stehen 55 Frauen 866 Männern gegenüber. 2023 nähern sich dei Sparkassen dem roten Bereich. Sie haben zehn Jahre lang höhere zinsen herbeigesehnt. Jetzt geht ihnen alle sviel zu schnell. Die Wend eam Anleihemarkt lässt die Bilanzen schrumpfen. Manche Institute drohen Sanierungsfälle zu werden. Vgl. Zdrzalek, Lukas: Im roten Bereich, in: WiWo 3/ 13.1.23, S. 46ff. Die Sparkassen verheddern sich 2023 auch im Streit über ihren nächsten Präsidenten, die wichtigste Personalie. Ulrich Reuter und Liane Buch konkurrieren.  Zuletzt fiel die Sparkasse Dinslaken negativ auf. Für Verlust müssen die Kommunen geradestehen. Einige Städte wollen die Institute zu Ausschüttungen zwingen (Düsseldorf). Sparkassen geben zunehmend Kredite an Kommunen und zahlen dabei selbst geringfügige Zinsen, um ihr Geld nicht bei der Zentralbank parken zu müssen (Negativzins). Der Sparkassenchef Georg Fahrenschon wartet auf einen Prozess wegen Steuerhinterziehung. Eine Wiederwahl kommt damit nicht in Frage. Zum neuen Präsidenten wird Helmut Schleweis gewählt, bisher Vorstandschef der Heidelberger Sparkasse.  Im ersten Halbjahr 2018 können die Sparkassen ihr Kreditgeschäft deutlich steigern (385 Institute; +4%; 77,9 Mrd. €; Geschäfte mit Unternehmen +6%, 43,4 Mrd. €). Die Sparkassen schaffen 2022 die Pensionen für Vorstände ab.

Wettbewerb im Bankenmarkt: Europäische Banken werden von den US-Banken dominiert. Wells Fargo ist 2016 die wertvollste Bank der Welt (vor JP Morgan und Bank of america). Vorher war es die ICBC aus China. Grenzüberschreitende Fusionen sind denkbar. Wenn der Trend anhält, sind in naher Zukunft Europas Finanzmärkte abhängig von Firmen, die woanders sitzen. Das kann die Unabhängigkeit Europas, aber auch seinen Außenhandel bedrohen. Die größten Banken in der EU sind HSBS, BNP Paribas und Deutsche Bank.

Bankenkrise: Sie laufen nach folgendem Muster ab: Die Zentralbanken senken die Leitzinsen, zuletzt in die Nähe von Null. Das gilt für die USA, Europa (EZB, Euro-Zone), für die Schweiz, Schweden. In China sind die Leitzinsen noch höher (über 4%). Das billige Geld pumpt Finanzblasen auf. Wenn diese Blasen platzen sind folgende Szenarien möglich: 1. Konjunktur bricht ein, Banken werden durch die vielen Schuldner mit nach unten gezogen. 2. Höhere Kreditzinsen. Viele Schuldner können Kredite nicht mehr bedienen. Banken können in Schieflage geraten. 3. Höhere Staatsanleihezinsen. Niedrig verzinste Anleihen müssen abgeschrieben werden. Die Banken bekommen Probleme. eine Bankenkrise kann aber auch bei steigenden Leitzinsen entstehen. So ist es 2023. Die Krise geht wieder in den USA los. Banken haben zu viel Geld in Staatsanleihen angelegt. Dei verlieren bei steigenden zinsen an Wert. Die Banken müssen die Anleihen mit Verlust verkaufen. Es entsteht ein Bank-Run, weil das Vertrauen verloren geht. so geschehen bi der Silicon Valley Bank und der Signature Bank. Bei der Credit Suisse in der Schweiz kommen noch andere Gründe dazu. Die UBS, die zur Übernahme gezwungen wurde, erbt auch die Rechtsrisiken.

Bank-Run: Die Kunden einer Bank sind verunsichert und misstrauen der Bank. Immer mehr Kunden wollen von der Bank ihr dort angelegtes Geld. Irgendwann reicht die Liquidität der Bank nicht mehr aus. Jede Bank kollabiert, wenn alle Kunden gleichzeitig ihr Geld abhöben. Ein Bank-Run ist in der Zeit von Social Media leichter auszulösen. Bei der Credit Suisse waren es Kommentare auf Twitter, unter anderem von Bloomberg. Der Todesstoß kam mit einer Äußerung des Großaktionärs Saudi National Bank (9,9%): Keine Bereitschaft zur Erhöhung der Anteile. 

Entwicklung des deutschen Banksektors: Noch steht das Geld im Mittelpunkt (Kommunikation, Recheneinheit, Tauschmittel, Zahlungsmittel). Die Wertaufbewahrungsfunktion ist durch die Niedrigzinsphase angeschlagen, die Innovationen im Zahlungsverkehr durch Fintech - Firmen setzen den Banken zu. Die Zahl der Kreditinstitute sinkt, die Bilanzsumme steigt, es gibt zu wenig Kreditnehmer. Das Geschäftsmodell der Banken wankt: Crowd Finance, Digitalisierung, Innovationen im Zahlungsverkehr fordern die Banken zum Wandel auf. 2002 gab es noch 50.868 Zweigstellen inländischer Banken in Deutschland. 2022 gab es nur noch 20.446. Quelle: Deutsche Bundesbank.

Deutsche Banken und Corona-Krise: Die deutschen Banken haben in der Corona-Krise reich versorgt von der EZB große Mengen Geld verliehen. Die Firmeninsolvenzen werden staatlich verzögert (Kurzarbeit, Kredite, Insolvenzmeldung). Irgendwann droht eine Welle an Firmeninsolvenzen. Dann könnte ein Überlebenskampf der Banken kommen. Viele renommierte Unternehmen stehen am Abgrund, einige Beispiele: Adler (Mode), Käthe Wohlfahrt (Einzelhandel, Spielzeug), Weco (Böllerproduzent). In der Corona-krise scheinen die Banken noch stabil zu sein (1. bis 3. Welle). Die Ressourcen der Banken könnten aber zu knapp sein, um den ersehnten Aufschwung zu finanzieren und die Firmeninsolvenzen zu stemmen. Das Volumen der Kredite an unternehmen liegt 2020 bei 1004 Mrd. €. Quellen: Bundesbank, EZB. Die Sparquote in Deutschland ist stark angestiegen (15,7% 2020, gegenüber 10,95 2019). Man spricht von einem Konsumstau durch Corona.

EU-Bankenaufsicht (EBA): Der Sitz wird nach dem Brexit-Beschluss von London nach Paris verlegt. Sie wurde am 1.1.2011 gegründet. Hauptaufgabe ist es, einheitliche Regeln für den EU-Bankenmarkt zu schaffen. Die Behörde beschäftigt 2017 170 Mitarbeiter. Die dezentralen Banken (Raiffeisenbanken, Sparkassen) stehen in Deutschland unter der Aufsicht der BaFin. 2018 sieht die europäische Bankenaufsicht genauer hin bei den Verwaltungsräten. Der Verwaltungsrat der Helaba muss verkleinert werden, bei der landwirtschaftlichen Rentenbank fehlt Finanzkompetenz.

Ansturm auf eine Bank (Run, siehe oben): Eine Situation, in der der Kontoinhaber aus Angst, eine Bank könnte in Konkurs gehen und ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, Mittelaus dieser Bank abziehen.

Bonitätsmarketing (Optimierung der Kunde-Bank-Beziehung): Ist ein stetiger Geschäftsprozess. Chancen und Risiken sind abzuwägen. Dazu gehören: Zeitnahe Unterrichtung. Gute Vorbereitung des Bankgesprächs. Richtiger Einsatz von Rating.  Mit Bonität bezeichnet man die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Schuldner seine Schuldendienstverpflichtungen (Zinszahlung + Tilgung) nachkommen kann. Da diese Wahrscheinlichkeit schwierig zu quantifizieren ist, ist die Pflege der Beziehung zwischen Kunde und Bank sehr wichtig. Gute Bonität heißt geringes Risiko und niedrigere Zinsen. Die Bonität von VW sinkt nach der Krise mit der Manipulation von Stickoxid-Ausstoß und CO2. S&P, Moody´s und Fitch senken die Daumen. Der Konzern verhandelt über eine Brückenfinanzierung. Ein mögliches Darlehen über 20 Mrd. € dürfte teurer werden. 47 Mrd. € könnte der Skandal VW kosten.

Sponsoring: Förderung von Einzelpersonen oder Organisationen durch Institutionen in Form von Geld-, Sach- und Dienstleistungen in der Erwartung einer den eigenen Marketingzielen unterstützende Gegenleistung zu erhalten. Hauptsächlich geht es um die Finanzierung von Ereignissen durch Unternehmen, um einen Werbeeffekt oder ein anderes Ziel zu erreichen. Von Jahr zu Jahr steigen die Ausgaben deutscher Unternehmen für Sponsoring (gehören in der Regel zum Werbebudget). Gleichzeitig klagen die Konsumenten über eine Informationsüberflutung. Wann kann sich Sponsoring lohnen? Insbesondere dann, wenn der logik der Aufmerksamkeitsökonomie entsprochen wird: nicht Informationen stellen das knappe Gut dar, sondern die Aufmerksamkeit. diese gilt es zu maximieren (Vgl. Breuer, C./ Boroncyyk, F.: Ist Sportsponsoring wirklich sein Geld wert? in: bdvb aktuell Nr. 133, S 6f.). Die Unternehmen und Verbände etwa rücken immer mehr von Parteispenden ab (bei Spenden von mehr als 50.000 Euro ist eine rasche Veröffentlichung vorgeschrieben). Sie stellen auf Sponsoring um, z. B. Sponsoring von Parteitagen. Eine große Rolle spielt Sponsoring auch bei sportlichen Großereignissen (Volksläufe, Stadtläufe u. a.). 

Merchandising: Beitrag zur Finanzierung von Sportvereinen und NGO. Fanartikel werden verkauft. Es ist im Profisport ein zentraler Wirtschaftsfaktor (etwa bei Bayern München oder dem BVB). Es gibt mittlerweile ein Fanartikel-Barometer. Es enthält unter anderem auch Ausrüsterbeziehungen sowie Produkt- und Markenpiraterie. Das Thema schwappte erst Anfang der 90er Jahre aus den USA nach Europa. Der Online-Kanal gewinnt an Bedeutung.

Spenden: Zahlungen von Firmen oder von Privatpersonen für das Gemeinwohl. In der Regel können Spenden Steuer senkend geltend gemacht werden.  In den USA wird kulturell erwartet das Erfolgreiche der Gesellschaft etwas zurückgeben. In Deutschland sieht man das mehr als Aufgabe des Staates. Stiftungen sind von ihrer Konstruktion her als Steuersparmodell aufgebaut.

Dezentrale Bankenstruktur in Deutschland: Die dezentrale Bankenstruktur in Deutschland wird als ein Erfolgsgeheimnis angesehen. Dadurch finden KMU relativ leicht eine Hausbank vor Ort. Die Sparkassenstiftung hilft 2014 Sparkassen zu gründen in Griechenland, Kuba und Großbritannien. Vgl. Sparkasse als Exportschlager, in: Handelsblatt Mo. 31.03.2014, Nr. 63, S. 28. "Banking was conceived in inequity and born in sin", Josiah Stamp (1880-1941).

Firmeneigene Bank: Immer mehr Unternehmen gründen eine eigene Bank. Relativ früh machen dies Oetker KG (Bankhaus Lampe), Würth (IBB) und MHK Group AG (Cronbank). 2014 folgt der Maschinenbauer Trumpf (Trumpf Financial Services: Volksbank, Bilanzsumme 280 Mio. €, Mitarbeiter 13). Die Trumpf-Bank verfügt über 36 Prozent Eigenkapital (eine Traumquote). Vorteile: Eine Bank kann selbst Zahlungsmittel schaffen. Banken können auch mit ihren eigenen Schulden einkaufen. Nur Banken bekommen ein Konto bei der Zentralbank. Es ist noch kein Trend, aber eine Strategie, um den Absatz zu stärken. Es gibt allerdings hohe Einstiegshürden (Anfangskapital, Erlaubnisantrag bei der BaFin, Dauer zwei Jahre, Organisation aufwendig).

Ethische Finanzierung: Berücksichtigung ethischer Aspekte bei der Finanzierung. Bezieht sich auch auf die Banken als Kreditgeber. Sie müssen ökologische und soziale Gesichtspunkte stärker integrieren. Auf der anderen Seite können auch Fonds auf ethische Investments drängen (vgl. unten). Bei der ethischen Finanzierung steht Sinn statt Rendite im Vordergrund. Die Bedürfnisse der Menschen sollen die größte Rolle spielen. Weitere wichtige Kriterien sind Transparenz und Nachhaltigkeit. Geld wird als Gestaltungsmittel für "gute Dinge" gesehen. Eine Studie bescheinigt ethischen Banken eine höhere Risikoaversion (Karl, Marlene: Are ethical and social banks less risky?, DIW Discussion Paper 1884, 2015). Die großen deutschen Banken finanzieren alle die Waffenkonzerne. so die Deutsche Bank Airbus, Rheinmetall, Thyssen und Kraus-Maffei Wegmann. Für die gleichen Unternehmen gaben auch die Commerzbank, Unicredit und die BayernLB Geld.  In der Klimapolitik sind eine Reihe von Bürgerinitiativen unterwegs, die Investoren zwingen wollen, Kohle-, Öl-, und Gaskonzernen das Kapital zu entziehen. Die Umweltaktivisten erzielen damit erste Erfolge (Global Divestment Day am 13. und 14. Februar). Es gibt Aktien-Fonds, die einen starken Druck auf Unternehmen ausüben. Dazu gehören die folgenden: Allianz Euroland Equity, Deka-Nachhaltigkeit Aktien, DNB Global SRI, Steyler Fair und Nachhaltig Aktien.

 Islamisches Finanzwesen: Der Rechtsrahmen ist die Scharia. Verboten sind Zins (Ribah), Spekulationen (Gharar), Glücksspiele (Maysir, größere Risiken) und unethische Geschäfte (z. B. mit Schweinefleisch). Die Rahmenbedingungen sind in den einzelnen islamischen Ländern unterschiedlich (auch die institutionelle Struktur). Speziell Für Asien (Indonesien, Malaysia u. a.) wurde bei mir das islamische Finanzwesen in einer  BA - Thesis untersucht. Mittlerweile sind 2015 die G20-Länder an islamischen Finanzmodellen interessiert. Vor allem folgende Aspekte sollen geprüft werden (Arbeitsgruppe): Islamische Finanzierungsmodelle verlangen in der Regel für Kreditgeschäfte den Bezug auf konkrete Güter und Vermögensteile wie etwa Landbesitz oder Immobilien. Es gibt viele rein islamische Banken in der Welt. Allein die Banken in Saudi-Arabien haben ein Anlagevermögen von 343 Mrd. Dollar (2015). Dann folgen die VAE (150) und Malaysia (148). Es soll eine neue islamische Megabank gegründet werden (für Infrastrukturprojekte). Istanbul und Jakarta streiten sich um den Sitz. Die islamischen Banken haben spezielle Anleihen entwickelt, die das Zinsverbot umgehen (Suluk).  Die britische Regierung entwickelt 2016 ein Scharia-gerechtes Modell für Studiendarlehen. Das klassische islamische Zinsverbot soll berücksichtigt werden. Staat Zinsen sollen Muslime in einen Fonds einzahlen, aus dem weitere Darlehen vergeben werden. 

Kapital - ohne Bank: 1. Privatkredite - etwa von befreundeten Unternehmen; 2. Genuss-Scheine - Zinszahlungen in Naturalien möglich; 3. Genussrechte - Zinszahlungen nur, wenn möglich; 4. Anteilsverkauf - Mitreden bei Entscheidungen; 5. Mitarbeiterbeteiligung; 6. Beteiligungskapital vom Staat; 7. Immobilienverkauf; 8. Forderungsverkauf; auch Online-Factoring möglich; 9. Investorensuche über Firmenbörsen. 10. Kurzkredit per Auktion (z. B. www.creditshelf.com ). 11. Online-Finetrading (Zwischenhändler, ähnlich einem Kontokorrentkredit). Die Wege werden ausführlicher einzeln in diesem Abschnitt behandelt. Vgl. auch: Geld ohne Bank, in: Startup Valley 03/2017, S. 64f.

Kooperationen: Traditionell kommen sie mehr im Marketing oder Vertrieb vor. Heute durchaus auch in der Produktion und Forschung/ Technologie. Im Finanzierungsbereich sind sie eher selten. Vgl. Maroldt, R.: Kooperationen zum Wohl von kunden und Bank, in: Banken Partner, Ausgabe 1, 2018, S. 15.

Kreditportale (Vergleichsportale, Crowdlending, Fintech; Online-Vermittler): Sie sammeln Geld von Anlegern ein, um es an Selbständige und kleine Firmen weiterzureichen. Man kann zwischen Crowdlending-Anbietern und Kreditvergleichsportalen unterscheiden. Crowdlending-Anbieter sind Auxmoney, Finmar, Lendico und Zencap. Crowdlending wird weiter unten bei Schwarmfinanzierung inhaltlich behandelt. Kreditvergleichsportale sind z. B. Creditolo, Compeon, Finpoint, Smava (Marktstart: die meisten bei 2007). 2009 entsteht in London Funding Circle (Studenten). In der Regel fallen hier keine Gebühren an. Bestimmte Finanziers sind angeschlossen. Bewerbungen können per Video erfolgen. Kleininvestitionen können durch diese Portale erleichtert werden. Die Finanzierung kann aber teurer werden. Die Unterschiede zwischen den Anbietern bestehen in folgenden Merkmalen: Zahl der angeschlossenen Finanziers, direkte Gebühren für Kreditnehmer, Voraussetzungen, Finanzierungsart, Marktstart, Volumen bisher vermittelter Firmengeschäfte. Durch die vielen Portale drängen Internetfirmen ins Bankgeschäft (auch mit Online-Bezahldiensten). Die meisten Banken kooperieren mittlerweile mit Fintech-Unternehmen. Sie investieren auch in Fintech-Unternehmen (z. B. die Genossenschaftsbanken in Lendstar, iZettle und Zencap). Trotzdem hinkt Deutschland bei den Investitionen in Fintech hinterher (es führen die USA vor Großbritannien). Bei Krediten für kleine Unternehmen sind die Banken vorsichtig. Das versuchen die Online-Vermittler auszunutzen. 2016 erlebt die Branche ihren ersten großen Skandal. Lending Club in den USA scheitert (persönliche Verfehlungen des Chefs Laplanche; Verkauf "fauler Kredite" u. a.; Justizministerium ermittelt). Online-Portale etablieren sich immer mehr als Alternative zu Kreditinstituten. 2017 zeigt eine Studie, dass sie nicht billiger sind, aber unbürokratischer. Vgl. Daniel Schönwitz: "Wir sind schneller als dei Banken", in: Die Zeit, Nr. 20, 11.05.2017, S. 30.  China legt als erstes Land 2015 die Kreditportale an die kurze Leine. Sie dürfen keine Einlagen von Sparern mehr einsammeln oder Renditen garantieren. Sie dürfen auch nicht Vermögensverwalter sein. Es soll nur noch um das Zusammenbringen von Kreditnehmern und Geldgebern gehen. In dem Land gibt es mehr als 2600 Kreditplattformen. In dieser Internet-Sparte gilt das Prinzip "The winner takes it all". Produkt-Vergleichsportale verfolgen finanzielle Interessen. Internetseiten bieten persönliche Meinungen statt objektiver Tests.

Plattform Marcus: Tochter von Goldman Sachs. Die Plattform soll zuerst in den USA, dann in Großbritannien und später in Deutschland Kleinsparer erobern. Man arbeitet etwa mit Influencern (Instagram-Star Jo Jo Fletcher).

Fintech-Firmen:  Im engeren Sinne spricht man von Fintech - Firmen, wenn junge Finanzdienstleister mit Internet und Apps arbeiten und hoch spezialisierte Finanzdienstleistungen anbieten. 2016 gibt es in Deutschland etwa 250 solcher Firmen, hauptsächlich in Berlin und Frankfurt. Im Einzelnen können dies sein digitale Zahlungsdienste mit digitalen Geldbörsen (Online - Shopping), Crowd-Lending, automatisierte Vermögensberater und -verwalter (Robo Advisers). Die Bafin hat ein Auge auf diese Anbieter geworfen. Neue Finanztechnologien: Sie sind eine echte Konkurrenz für Banken. Digitale Beratungsangebote und Crowdlending bieten Kunden die Chancen, ihr Vermögen unabhängig von Banken zu verwalten und auch Kredite untereinander zu vergeben. Es könnte hier ein unregulierter Bereich entstehen. Dann für Finanzgeschäfte benötigt man klare und verlässliche Informationen. Wenn aber zu stark reguliert würde, könnten innovative Dienstleistungen im Keim erstickt werden. Natürlich gibt es auch in den neuen Technologien Spielräume, die Kreditwürdigkeit von Kunden zu überprüfen. Vgl. Neue Finanztechnologien - Bankenmarkt in Bewegung, in: Wirtschaftsdienst 2016/9, S. 631ff.   Die Nutzung von Fintech - Diensten ist am höchsten in China, Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. In Europa ist die Nutzung in Spanien am höchsten. 2019 rollt bei Fintechs die Pleitewelle weiter. 233 Fintechs sind seit 2011 (bis 2019) vom Markt verschwunden.

Fintech - Start-ups und Finanzwesen: In Deutschland gibt es 2018 zwischen 350 und 700 Fintech - Firmen. Es sind Firmen, die technologiegetrieben sind und neue Finanzprodukte entwickeln. Sie arbeiten in den Bereichen Zahlungsverkehr, Vermögensbildung, Banking, Kreditwesen, Factoring oder E - Commerce, sowohl B2C als auch B2B. Alle diese Firmen arbeiten mit Plattformen. Sie bieten meist folgende Services: Accounting (Optimierung von Finanzprozessen), Alternative Finanzierung (z. B. Crowdinvesting), APIs für Banking (Schnittstellen, technische Infrastruktur), Bitcoin/ Blockchain, Identitätsmanagement, Immobilien, Investment, Payments, Regulierung (Risikokontrolle, Compliance), Versicherungen.

Insurtech: Digitale Versicherer. Sie wirbeln die Branche durcheinander. Allerdings ist dies ein schwieriger Markt. Der Trend geht zu Bankassurance 2.0, also Verzahnung mit den Banken. Es besteht ein großes Potential bei Themen wie Sensorik, Fitness-Tracking oder Telematik-Tarifen.

Banking-Software für Firmenkunden: Zahlungsverkehr der Unternehmen mit Weblösungen. Erst allmählich werden diese Lösungen benutzt. Mögliche Anbieter sind Windata, PPI, Star Finanz, Fiducia GAD, Omikron, Business-Logics GmbH.

Wirecard AG, Aschheim bei München (Zahlungsplattform, IT - Dienstleistungen, Software; steht 2018 vor dem Sprung in den DAX, bisher im TecDax; in den DAX am 24.09.2018, löst die Commerzbank ab; das Unternehmen wurde immer wieder mit Schmuggelgeschichten verbunden; 2020 wird mit 210 Mrd. Euro Zahlungen gerechnet; ca. 5000 B.; 2005 Entstehung durch Namensänderung; Gründer und Chef ist Markus Braun; in der Dotcom-Blase war das Unternehmen fast tot; Pornos und Glücksspiel waren die Rettung). 2019 tauchen immer wieder Gerüchte über Aktienmanipulationen auf, die aber dementiert werden.

Digitalisierung und Finanzsektor: Die Digitalisierung revolutioniert den Finanzsektor. Dezentrale Blockchain-Technologien und die Kryptowährung (z. B. Bitcoin) werden die treibenden Kräfte sein. Daten sind der Rohstoff des Informationszeitalters. Die Amerikaner haben mit dem Silicon-Valley einen Riesenvorsprung. Verbraucher und Kunden regeln ihre Finanzgeschäfte zunehmend über Smartphone. Digitale Finanzdienstleistungen sind eine Konkurrenz für traditionelle Banken. "Die Digitalisierung des Finanzdienstsektors bietet die Chance, Geldgeschäfte schneller, einfacher und billiger zu machen", Jens Weidmann. Vgl. auch die Seite "Mercator/ digital"

Basel II und III: Regelungen des Basel Committee on Banking Supervision, das sich unter der Leitung der Bank für internationalen Zahlungsgleich (Bank for International Settlements) in Basel trifft. Es geht unter anderem um Eigenkapitalregelungen für Banken und Firmen und um Voraussetzungen der Kreditvergabe (z. B. Business Plan). In der EU ab 2007 in Kraft getreten. Andere Länder folgten oder folgen noch. Für KMU dürften sich die Kreditkosten erhöhen. Die Gewährträgerhaftung der Sparkassen, einer der Hauptkreditgeber für KMU, ist ab 2005 weggefallen. Mittlerweile steht Basel III an. Es handelt sich um weiter verschärfte Eigenkapitalregelungen. Wahrscheinlich kommt das Regelwerk in der EU erst 2014 (so ist es dann auch). Die Bedeutung liegt in folgenden Faktoren: Bonitätsprüfung mit Kennzahlen, externes und internes Rating, Kapitalkosten gering halten, Finanzierungsrisiken im Griff haben. Es gibt allerdings lange Übergangsfristen bis ab 2022, für eine vollständige Umsetzung haben die Banken Zeit bis 2026. Die Eigenkapitalvorgaben begünstigen große Banken (ausgeklügelte Modelle für Risikogewichtung).  "Wenn jemand 1.000 $ Schulden an eine Bank hat, hat er ein Problem. Wenn jemand 1.000.000 $ Schulden an eine Bank hat, dann hat die Bank ein Problem", J. M. Keynes.

Bafin: Deutsche Finanzaufsicht. Ein Teil der Aufsichtspflicht wurde an die EZB abgegeben. Sie will sich künftig mehr um den Verbraucherschutz kümmern. Prüft Wettbewerbsverstöße im Bankenbereich und auf den Finanzmärkten (Aktienmarkt). Im Falle von Wirecard hat die Bafin versagt. Sie hat die Bilanzfälschung nicht erkannt (1,9 Mrd. €, die es gar nicht gab). Das Bundesfinanzministerium kündigt einen Umbau an.  Im Juni 2016 wird ein Verfahren gegen VW-Manager eingeleitet wegen Marktmanipulationen. Informationen sollen zurückgehalten worden sein. Im Oktober 2018 prüft die BaFin Gerry Weber. Der Aktienkurs brach um 25% ein. Ein Sanierungsgutachten war bekannt geworden. 2018 wird die Bafin verklagt. Es geht um die Pleite der Unternehmensgruppe P&R (fehlerhafte Genehmigung von Verkaufsprospekten).

Kreditklemme: Schwierigkeiten der KMU bei der Kreditaufnahme (Credit Squeese). Die höchst Stufe ist die Kreditklemme (Credit Crunch). Viele KMU sind wegen massiver Ertragseinbrüche auf eine langfristig gesicherte Finanzierung angewiesen, weil die Rücklagen aufgebraucht sind. Die Banken sind wegen hoher Risiken oder mangelnder Liquidität nicht mehr willens oder in der Lage, Kredite zu vergeben. Auch direkte Darlehen der Bundesbank werden erwogen (Bundesbankpräsident dagegen, Eingriff in die Autonomie). Die Eigenkapitalquoten des deutschen Mittelstandes sind geringer als im Ausland. Genaue Aussagen sind jedoch nicht möglich, weil Personengesellschaften weniger deutlich ihre Vermögensverhältnisse in der Bilanz abbilden. Eine Umkehr ist allerdings sichtbar, weil Basel II mehr Eigenkapital bei KMU erfordert. Vor allem mittlere KMU haben Probleme mit der Fremdfinanzierung durch Kredite (Investitionen ab 5 Mio. €). Ende 2009 häufen sich die Klagen über Kredite (keine oder zu teuer, 42,9% bei einer Befragung) aus der Industrie, auch vom BDI. Die Finanzinstitute verlangen oft zu hohe Zinsen, zu viele Sicherheiten und zu viele Informationen. Vor allem die exportabhängige Industrie und die Bauindustrie ist betroffen. Ende 2009 wollen die privaten Banken und die Sparkassen die Klemme mit speziellen Kreditfonds für den Mittelstand bewältigen. Die Orientierung am Aktienkapital bringt Schwierigkeiten bei Genossenschaftsbanken und Sparkassen mit sich. So werden Genossenschaftsanteile und stille Beteiligungen nicht als Kernkapital anerkannt. Ein besonderes Problem stellt auch das Rating- System dar, das die Kredit gebenden Banken anwenden. Die Faktoren dieses Systems sind den Unternehmen oft unbekannt (ebenso wie die Gewichtung und die Auswirkungen des Ergebnisses). Die KMU Als Kreditnehmer sollte auf folgende Punkte achten: Laufzeit, Kapitaldienst, Sicherheiten, Unternehmensverfassung, Vertragsfreiheit. 2015 scheint in Deutschland das Problem der Kreditklemme vorbei zu sein. Angesichts der eher geringen Investitionsneigung geht es um die Frage: Wohin mit dem Geld? Insofern haben KMU die gleiche Frage wie Kleinsparer: Wie kann Liquidität gewinnbringend geparkt werden? Die Negativzinsen für Großkunden belasten die KMU ebenso wie ansteigende Gebühren für Bankgeschäfte. "Die Banken nutzen das billige Geld nicht, um die deutsche Wirtschaft zu finanzieren, sondern in erster Linie sich selbst", Volker Kauder, Chef der CDU/CSU Fraktion.

Kredithürde: Kennziffer für die Probleme der Wirtschaft bei Darlehensaufnahme. Die Berechnungen basieren auf Angaben von rund 4000 Unternehmen. In monatlichen Abständen macht das Münchener Ifo-Institut diese Erhebung. Zuletzt war die Kredithürde im November bei 14,5% restriktiv.  Die Ergebnisse unterscheiden sich stark nach Branche und Firmengröße. Nach der Finanzkrise 2008 waren z. b. die "restriktiv" - Nennungen bei 50%.

Kreditmediator: Vermittler zwischen Banken, staatlicher Förderbank KfW und Unternehmen, wenn es Konflikte um die Finanzierung mit Krediten geht. Vor allem in Zeiten einer Kreditklemme nach einer Finanzkrise soll dieser helfen. Das Bundeswirtschaftsministerium schafft 2009 diese Institution, die auch das Saarland erwägt. Der ehemalige Chef der ISB in Rheinland-Pfalz Metternich übernimmt als Erster diese Position. Firmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 500 Mio. € können sich mit der Bitte um Vermittlung melden. Die Institution hat sieben Mitarbeiter und einen Jahresetat von fünf Mio. €.Es wird geschätzt, dass 2010  25.000 Firmen Hilfe brauchen. "Ich sehe die Gefahr einer breiten Kreditklemme für große Teile der deutschen Wirtschaft", Dieter Hundt, Arbeitgeberpräsident im Nov. 2009.

Rating: Rating - Agenturen vergeben Rating - Noten für deutsche Mittelstandsunternehmen. Die wichtigsten und bekanntesten Agenturen in Deutschland sind Creditreform, Standard & Poors, Scope und Euler Hermes. Die Ratingskalen umfassen in der Regel vier Kategorien: A - sehr sicher; B - sicher bis spekulativ; C - stark ausfallgefährdet; D - Zahlungsausfall. Innerhalb der Kategorien gibt es weitere Abstufungen. Zum Beispiel in B BBB, BB und B. Die meisten Unterkategorien werden nochmals in drei Stufen unterteilt. Wird ein Unternehmen von BB+ auf BB- herabgestuft, so spricht man von "Downgrade" um zwei Notenstufen (Notches). Die wichtigste Grenze ist die zwischen BBB- und BB+. Alles unter BBB- spekulative Anlage (Ramschstatus). Bis BBB- gilt der "Investmentgrade". In der Startphase der Anleihen lieferten sich die Börsen einen Wettlauf. Es ging mehr um Masse als Qualität (auch Gefälligkeits-Ratings). Man schrieb kleineren Firmen die gleiche Robustheit zu wie Großkonzernen. Die US-Ratingagentur Mooody´s muss 2017 wegen übermäßig positiver Bewertung riskanter Immobilienpapiere vor der Weltfinanzkrise 2008 eine hohe Strafe zahlen (864 Mio. Dollar). 2015 hatte der Konkurrent Standard und Poor`s 1,37 Mrd. Dollar bezahlen müssen.

Schufa: Wirtschafts- und Finanzauskunftei (Kreditwürdigkeit). Sitz des Unternehmens ist Wiesbaden. Es wurde 1927 gegründet. Heute gehört es unter anderem den Sparkassen- und Genossenschaftsbanken. Man spricht auch von einer Blackbox. Sie verfügt 2012 über etwa 101 Millionen Informationen zu 4 Millionen Unternehmen (zusätzlich über 66,2 Mio. Privatpersonen). Sie hat ca. 8000 Firmenkunden und 1,5 Mio. Privatkunden. Anteilseigner sind Kreditbanken, Privatbanken, Sparkassen, Handel und Genossenschaftsbanken. Sie gibt etwa 106,6 Mio. Auskünfte an Firmenkunden. Die Kreditwürdigkeit wird anhand von Daten bewertet. An diesem Score orientieren sich auch Firmen, bevor sie Verträge abschließen. Ende 2023 fällt der Europäische Gerichtshof ein Urteil: Der Schufa-eintrag darf nicht entscheidend sein. Unternehmen dürfen nicht ausschließlich auf Grundlage einer automatisierten Bewertung der Kreditwürdigkeit durch die Schufa entscheiden.

Creditreform: Eine ähnliche Aufgabe nimmt Creditreform war. Ab 2016 erfasst die Schufa auch Identitätsdiebstahl. 2022 will eine schwedische Finanzfirma die Schufa kaufen. Es ist der Investor EQT. Sitz der Schufa ist Wiesbaden. Kaum ein anderes Unternehmen sammelt so viele Daten (Facebook und Google ausgenommen). Der Schufa-Score wird nicht offen gelegt. Es ist eine mathematische Formel, mit der die Kreditwürdigkeit von Menschen berechnet wird. Es gibt sogar den Vorwurf der Diskriminierung (junge Männer). Die Creditreform veröffentlich auch Zahlen zu den Insolvenzen in Deutschland.

Private Debt: Hierunter werden die Instrumente der Fremdfinanzierung subsumiert, bei denen nicht die Bank,  aber auch nicht der anonyme Kapitalmarkt zur Verfügung steht. Lieferantenkredite sowie Gesellschafter- und Mitarbeiterdarlehen werden in der Regel auch ausgeklammert. Somit bleiben nur Finanzinvestoren, die dem Unternehmen ansonsten nicht verbunden sind. In Deutschland handelt es sich dabei meist um das Instrument des Schuldscheindarlehens. Sie sind übertragbar. Die Konditionen sind marktüblich und abhängig von der Bonität. Bekannt ist das "Private Placement" in den USA, um die ergiebigen Pensionsfonds anzusprechen. Vgl. Börner, C. J.: Finanzierung, in: Pfohl, H.-G.: BWL der Mittel- und Kleinbetriebe, Berlin 2006, S. 317f.

Schuldscheine: Der Schuldschein wird immer beliebter. 2013 gab es zahlreiche Debütemittenten: Datagroup, Norma Group, Hirschvogl Holding, First Sensor. Der Schuldschein schlägt den Mini-Bond. Der Schuldschein wird internationalisiert. Der Euro bleibt zwar Standardwährung. Aber ausländische Währungen folgen. Sie entwickeln sich für KMU zu einer attraktiven Finanzierungsalternative. Es handelt sich um eine Mischform zwischen Kredit und Anleihe. 2016 wurden schon 4,9 Mrd. € in mittelständischen Unternehmen platziert (Quelle: Thomson Reuters). Geschätzt wird die Diskretion. Die Publizitätspflichten sind eingeschränkt. Es wird auch nicht geratet. In der Regel ist das Schuldscheindarlehen ist ein langfristiger Großkredit, den bonitätsstarken Großunternehmen von institutionellen Kapitalgebern (Kapitalsammelstellen) zur Verfügung gestellt wird. Immer mehr kleine Firmen mit schwacher Bonität nutzen diese Refinanzierungsform zwischen Anleihe und Krediten. Das verschlechtert die Kreditwürdigkeit des ursprünglich typisch deutschen Segments. Im Jahre 2019 bringt Porsche ein Schuldscheindarlehen für nachhaltige Projekte an den Markt. Über 1 Milliarde Euro wurde bei mehr als 100 institutionellen Investoren eingesammelt, darunter Banken, Pensionsfonds und Versicherungen.

Mikrokredit: Ursprünglich sollte Menschen in Entwicklungsländern ermöglicht werden, den Schritt in die Selbständigkeit zu gehen. Er soll mittlerweile überalll kleinste Unternehmungen (Imbiss, Friseursalon) finanzieren. Oft werden nur einige Tausend Euro vergeben. Bei der GLS Bank liegt die Grenze bei 20.000 Euro. Geht es um weniger als diese Summe zieren sich die Banken. Bei konventionellen Banken fehlen entweder die Sicherheiten oder der Aufwand ist ihnen zu groß. Beim Bundesarbeitsministerium gibt es einen Fonds dafür (100 Mio. Euro). Bei Provisionen tauchten Missbräuche auf. Außerdem gibt es weitere Mikrokredite vom Bund (elf Mikrokreditinstitute betreuen die Vergabe). Der Dachverband der deutschen Mikrofinanzierer (DMI) will einen eigenen Fonds auflegen (mikrofinanz.net). In Bangladesch, wo die Form von Mohammad Junus eingeführt wurde, und in Indien hatte die Finanzierungsform Erfolg. In China kann man eher von einem Misserfolg sprechen (Vgl. einen ausführlichern Artikel bei Economics Special, Globalökonomik, Internationale Finanzmärkte). Man kann in Bezug auf Entwicklungsländer von einem Kreislauf des Geldes zur Armutsbegrenzung sprechen: Internationale Geber (Stiftungen, private Investoren) investieren in Mikrofinanzfonds (Mikrofinanzprodukte). Dessen bedienen sich Mikro-Finanzinstitute in Entwicklungsländern. Das Geld ist für Kleinstunternehmer/innen gedacht.  Das Grameen Bank Projekt begann 1976 in dem Dorf Jobra in Bangladesch. Es wurde 1983 zu einer richtigen Bank. Es bietet niedrigere Darlehen für Gruppen von mindestens fünf Leuten, die Geld zur Gründung einer Firma benötigen. 97% der Bankkunden sind Frauen, die sich meist Geld leihen, um kleine Handwerksgenossenschaften zu finanzieren. Die Grameen Bank verlangt keine Sicherheiten für ihre Mikrokredite. Es müssen auch keine Verträge unterschrieben werden (keine Klagen gegen Schuldner wegen Zahlungsunfähigkeit). Die Kreditrückzahlungsrate liegt bei 96%. Heute hat die Bank 2500 Zweigstellen in mehr als 80.000 Dörfern (2006 erhält Mohammad Yunus den Friedensnobelpreis für das Projekt).

Genossenschaftsmodell bzw. -Idee (engl. a cooperative): Die Genossenschaft ist eine Gesellschaft von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder durch gemeinsamen Geschäftsbetrieb bezweckt (Olfert, Finanzierung, 2013, S. 265). Sie geht auf Friedrich Wilhelm Raiffeisen zurück. Er wurde 1818 in Hamm/Sieg geboren und starb 1888 in Heddesdorf/ Neuwied (kurz vor dem Ehrendoktortitel der Uni Bonn), wo auch sein Grab ist. Er wuchs ohne Vater auf, stark geprägt von seinem Onkel, der evangelischer Pfarrer in Hamm war. Raiffeisen musste den Militärdienst früh wegen eines Augenleidens aufgeben. Das Genossenschaftswesen erlebt heute eine Renaissance auf der Welt. Raiffeisen ist außerordentlich bekannt in Japan und Indien sowie Brasilien (starker Tourismus in den Wirkungsstätten). In Weyerbusch/ Westerwald, wo Raiffeisen seine erste Bürgermeisterstelle hatte, entwickelte er 1845 die Idee des Brotvereins (Getreide für Arme auf Kredit; reiche Bürger sind Bürgen). Von dort ließ er die Historische Raiffeisenstraße bauen (heute B 256), damit die Bauern auch in den Städten verkaufen konnten. Die zweite Bürgermeisterstelle hatte er in Flammersfeld/Ww.. Hier gründete er den Hilfsverein für bedürftige Landwirte. Dies war der Kern der Genossenschaft, die heute weltumspannend ist (Antrag auf immaterielles Weltkulturerbe). Zuerst waren die Genossenschaften in der Landwirtschaft (Molkereien, Winzergenossenschaften, Märkte). Wichtig war der sichere Preis für die Erzeuger. Heute wird die Idee auch im Energiebereich umgesetzt (Solarparks, Windparks; z. B. Maxwäll - Energiegenossenschaft). Bei seiner dritten Bürgermeisterstelle in Heddesdorf bei Neuwied  gründete er die erste Genossenschaftsbank. Prinzip war "Hilfe zur Selbsthilfe" (wie heute bei den Mikrokrediten). 1889 kam ein Genossenschaftsgesetz im Deutschen Reich, das zum Vorbild in vielen Ländern wurde (auch stark geprägt von Schulze-Delitzsch der im Reichstag saß; Gründer der "Schumacher-Assoziation" und von "Volksbanken"). Raiffeisen war Sozialreformer, Helfer der Armen, Vater des Raiffeisengedankens, Begründer der Genossenschaftsidee. Heute gibt es in Deutschland nicht nur die regionalen Raiffeisenbanken, sondern auch die Deutsche Zentrale Genossenschaftsbank (DZ, Berlin, Frankfurt) und die WGZ-Bank als überregionale Banken. Die Genossenschaft als Finanzierungsmodell ist wegen der Finanzkrise und den Auswüchsen auf den Finanzmärkten wieder stark im Kommen. Auch die Energiewende führt zu vielen neuen Genossenschaften bei alternativen Energien (z. B. Windräder). Für Finanzierungsfragen am wichtigsten sind die Kreditgenossenschaften. Die Finanzierungsart gehört heute zur Obergruppe der Beteiligungsfinanzierung. Die Organe der Genossenschaft sind Generalversammlung, Aufsichtsrat, Vorstand. Genossenschaften sind Zusammenschlüsse vieler Personen, die ein Geschäft betreiben wollen. Vorrangig geht es nicht um Gewinn, sondern um Vorteile. Das Credo der Genossenschaftsidee ist: Eigenverantwortung durch Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung. International ist die Genossenschaftsidee sehr verbreitet in Japan (noch bekannter als bei uns, seit dem deutschen Kaiserreich), Brasilien (eingeführt von Jesuiten) und Indien. 2016 wird das Genossenschaftswesen als erste deutsche Kulturform in das Immaterielle Kulturerbe der UNESCO aufgenommen. Nach einer Umfrage des Insolvenzverwalters zeichnet sich auch beim Windkrafthersteller Prokon der Weg in eine Genossenschaft ab. Es wäre durchaus vorstellbar, die privatisierten, ehemals staatlich gemeinnützigen Unternehmen (Stadt- und Regionalverkehr, Krankenhäuser, Wasserwerke, E-Werke, Badeanstalten) wieder in Dasein vorsorgende Unternehmen umzuwandeln gemeinnützige Genossenschaften. Fast jeder zweite Anleger des Windkraftbetreibers "Prokon" will bei einer Genossenschaft mitmachen.  Das sind rund 36.000 Genussscheininhaber (keine Rückzahlung, stattdessen Investition). Das Genusscheinmodell war durch Insolvenz gescheitert. 973 Energiegenossenschaften waren Ende 2014 in Deutschland registriert. Lange galten Genossenschaften als grundsolide. Doch ausgerechnet in diese Szene tauchen immer mehr Bauernfänger auf.

Genossenschaftlicher Bankensektor in Deutschland: Es gibt in Deutschland 2016 1026 Volks- und Raiffeisenbanken. Sie vertreiben Finanzprodukte und geben Kredite. Eigentümer sind 18 Millionen Mitglieder. Die Volks- und Raiffeisenbanken sind Eigentümer der DZ Bank, von schwäbisch Hall, Union Investment, Reisebank, R + V Versicherung und VR Leasing. Die Bilanzsumme der Volksbanken lag 2014 bei 788 Mrd. Euro. Die Zahl der Mitarbeiter betrug 158.700. Aber immer mehr Volks- und Raiffeisenbanken schließen sich zusammen. Gründe sind der wachsende Kostendruck, die aufwendigen Auflagen der EU und das dauerhafte niedrige Zinsniveau. 2016 ist die Zahl der Genossenschaftsbanken unter 1000 gerutscht. 70 Fusionen könnten noch bis 2017 (ab 2016) dazu kommen. Die Krisenstrategie läuft also über Fusionen. 2018 wollen die Volksbanken dem Irangeschäft treu bleiben, auch nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen. Vgl. auch: Maurer, T.: Erfolgsfaktoren von Genossenschaftsbanken, Wiesbaden 2016. 2021 sinkt die Zahl der Genossenschaftsbanken in Deutschland deutlich (um 43 auf 775). Negativzinsen, die Digitalisierung und eine starke Regulierung setzen die Institute unter Druck. Es gibt mehr Fusionen in der Branche. 2022 stehen die Genossenschaftsbanken vor weiteren Fusionen.

Regionalwert AG (Bürgeraktiengesellschaft): Unternehmen und Menschen aus der Region kaufen Aktien. Mit dem Geld werden Partnerbetriebe erworben. Diese verpflichten sich, untereinander zu kooperieren.  Dieses Modell ist sehr erfolgreich im Raum Freiburg im Agrarbereich (Christian Hiß). 30 Betriebe sind dabei. Das Eigenkapital dieser Firmen ist relativ hoch. Mittlerweile gibt es das Modell auch in anderen Bundesländern.

Beteiligungsfinanzierung: Sämtliche Finanzierungsvorgänge, bei denen ein Unternehmen zusätzliches Eigenkapital von neuen oder bisherigen Eigentümern erhält. Es handelt sich um Außenfinanzierung von Unternehmen mit Eigenkapital. Grundsätzlich unterscheiden sich die Möglichkeiten bei der Einzelfirma oder Personengesellschaft (OHG, KG) und der Kapitalgesellschaft (GmbH, Aktiengesellschaft). Das Beteiligungsmodell findet sich häufig bei großen Fußballvereinen. Beim FC Bayern zum Beispiel  sind Adidas, Audi und Allianz Anteilseigner. Bei Borussia Dortmund übernimmt Sponsor Evonik per Kapitalerhöhung neun Prozent. Weitere strategische Investoren werden gesucht. Eine der größten Beteiligungsgesellschaften ist Indus Holdung (mehr als 40 Beteiligungen in der Baubranche, Automobilindustrie und im Gesundheitswesen; 12 Mrd. € Jahresumsatz 2014). Eine der größten Industriedynastien in Deutschland mit einem Beteiligungsgeflecht von mehr als 30 Mrd. € ist Reimann. Die Reimann-Holding JAB hält zum Beispiel Anteile an Douwe Egberts, Mendelez Coffee, Reckitt Benckiser, Coty und vielen anderen (Markenkonglomerat: Senseo, Lancaster, Calgon, Clearasil, Astor, Sacrotan, Kukident). Die Wirtschaftsförderung der Stadt Mannheim hat Beteiligungen an verschiedenen Start-ups. Ursprünglich stammen die Mittel zum großen Teil von der EU. Es soll aber ein Finanzierungskreislauf aufgebaut werden. Ganz große Deals werden 2017 seltener. 12% Prämie nehmen Beteiligungsfirmen in der Regel mindestens 2018. Der Zentralverband des deutschen Handwerks schätzt die Kosten der Beteiligung auf 12 bis 15% des ursprünglichen Investments bei Privatinvestoren und auf 8 bis 15% bei öffentlichen Beteiligungsgesellschaften.

Beteiligungsgesellschaften:  Es gibt zahlreiche Beteiligungsgesellschaften. Eine Auswahl: Bavaria Industries, Blue Cap, GBK Beteiligungen, MBB, Rocket Internet.

Große Vermögensverwalter und Wettbewerb: Große Vermögensverwalter beteiligen sich an allen wichtigen Unternehmen. Das könnte den Wettbewerb schwächen. Weltgrößter Vermögensverwalter ist Blackrock (4,6 Billionen Dollar). Im Grunde genommen muss zwischen drei wichtigen Werten abgewogen werden: Wettbewerb, Eigentumsrecht, Risikostreuung.

Mitarbeiterbeteiligung als Kapitalbeteiligung: Es gibt zwei Grundmodelle. Das erste ist betriebsbezogen. Bei diesem Investivlohn verzichten die Arbeitnehmer auf einen Teil der Tariferhöhung und werden dafür am Unternehmen beteiligt (CDU). Für die Arbeitnehmer gibt es eine Einkommenshöchstgrenze für die Teilnahme und eine Steuerbegünstigung. Es besteht das Risiko des Verlustes. Das zweite Modell ist betriebsunanhängig. Es wird ein Fonds eingerichtet (Deutschlandfonds, SPD), der steuerbegünstigt ist und kein Verlustrisiko hat. Die Mitarbeiter erwerben Anteile, bekommen Erträge und Rückzahlungen; die Unternehmen Mezzanine- oder Beteiligungskapital, für das sie Zins und Tilgung zahlen. In der Praxis gibt es 2010 noch keinen einzigen Fall. Nach der Finanzkrise bauen die Gewerkschaften, insbesondere die IG Metall, die Kapitalbeteiligung an großen Firmen aus. So soll es Belegschaftsanteile bei Daimler (320 Mio. €), bei VW, Schaeffler und Opel geben. Als Vorteile der Mitarbeiterbeteiligung werden immer wieder die folgenden genannt: Aktionärsstruktur stabilisieren (AG); Identifikation mit dem Arbeitgeber erhöhen; mehr Engagement bei der Arbeit (Motivation); Anforderungen guter Unternehmensführung; Gewinnung der Mitarbeiter für eine Strategie; Mitarbeiterbindung; marktübliches Vergütungspaket. Neben den oben beschriebenen politischen Modellen gibt es noch die folgenden: Stille Beteiligung; Mitarbeiterguthaben; Belegschaftsaktie; GmbH-Beteiligung. Hinzu kommt noch die Rolle der Mitarbeiterbeteiligung in der Altersvorsorge. Zusätzlich sind noch die Betriebsrenten zu nennen. Durch die Minizinsen werden Pensionszusagen hier erschwert. Zunehmend höhere Rückstellungen belasten viele große Firmen. Viele Unternehmen stellen das System der Betriebsrenten deshalb um. wichtig ist in diesem Zusammenhang das Mitarbeiterbeteiligungsgesetz. Ganz wichtig ist der steuerliche Freibetrag. Es wäre sicher sinnvoll, ihn anzuheben. Betrachtet man das Firmenkapital, das von den Beschäftigten gehalten wird, in Prozent, so ergeben sich folgende Werte: Island (6,62), Frankreich 5,37), Österreich (5,13). Deutschland liegt weit abgeschlagen bei 1,83 (es folgen nur noch Dänemark und Portugal). Gerade bei Aktiengesellschaften könnte eine neue Aktienkultur der sozialen Marktwirtschaft gut tun. "Das Problem ist nicht der Kapitalismus, sondern, dass zu wenige an ihm teilhaben", Sven Huschke, Vorstand Cortado AG, 2019 (Quelle: WiWo 20, 10.5.2019, S. 35). 2021 gibt es einen Boom bei der Mitarbeiterbeteiligung. Gründer (Start-ups) beteiligen ihre Beschäftigten immer öfter am Unternehmen. Sie versprechen sich Vorteile im Kampf um Talente. Sie kopieren die Erfolgsstrategie des Silicon Valley.

Einfluss der Rechtsform auf die Eigenkapitalbeschaffung: Bei der Einzelunternehmung besteht die einzige Möglichkeit in der Nichtentnahme erzielter Gewinne. Bei Personengesellschaften (OHG, KG) spielt der Weg der Beteiligungsfinanzierung eine große Rolle. Die Aktiengesellschaft ermöglicht Kapitalerhöhung. Bei der Genossenschaft kann die Einlage der Genossen erhöht werden. Bei den Unternehmensgründungen 2014 ergab sich folgende Rangfolge der Rechtsformen: GmbH 39,3%, Einzelunternehmen 27,0%, OHG 11,8%, GmbH & Co. KG 8% (Quelle: FAZ, Statista, 07.04.15).

Venture Capital: Stärkung des Eigenkapitals durch Risikokapital. Venture Capital Gesellschaften beteiligen sich an jungen, , innovativen, risikoreichen Unternehmen. Sie nehmen in der Regel Anlaufverluste in Kauf. Sie stellen häufig Manager - Erfahrung zur Verfügung. Häufig bei jungen Wachstumsunternehmen, die keine Bankdarlehen bekommen wegen unzureichender Sicherheiten und fehlender Bürgen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Privatinvestoren bzw. Business Angels und Private Equity-Gesellschaften zu nennen. Die wichtigsten Entscheidungskriterien für Venture Capital Geber sind ein attraktives Geschäftsmodell und ein überzeugendes Managementteam. In Deutschland wird Wagniskapital auch vom Staat subventioniert. 2015 ist die Mindestanlegehöhe in Deutschland für Anleger 10.000 € (2000 € davon gewährt der Staat als Sicherheit bei Ausfall). Ein spezieller Fall sind Beteiligungsgesellschaften von Konzernen, die Wagniskapital geben. Normalerweise geht es hierbei um das Know-how von Start-ups. Empirische Untersuchungen zeigen allerdings, dass vor allem finanzielle Renditen im Vordergrund stehen. Sehr bekannt ist die Corporate-Venture-Capital-Firma von General Motors. Sie wurde 2015 zur besten ihrer Art gekürt. Sie heißt GE Ventures. In Deutschland gehören folgende Investoren zu den größten und bekanntesten Venture-Capital-Gesellschaften: TVM Capital, München; Earlybird, München; Holtzbrinck Ventures, München/ Berlin; High Tech Gründer Fonds, Bonn. Der Anteil an Wagniskapital-Investitionen am BIP in Prozent ist in Deutschland mit 0,035 eher niedrig (USA 044; GB 0,076; Schweden 0,060). In einigen Ländern wird auch mit verkapptem Wagnis-Kapital gearbeitet. In den USA über Rüstungsaufträge, in China über die staatliche Finanzierung von Industrieparks. In Europa sind französische Firmen Vorbild. Der deutsche Venture-Capital-Markt weist zumindest in der Spätphase der Unterstützung von Start - ups Mängel auf (gegenüber den USa und China): man müsste mehr technologie- und innovationsaffin fördern. Vgl. Shafie, Seyer/ Liedtke, M./ Asghari, R.: Der deutsche Venture-Capital-Markt -Investitionen und Rahmenbedingungen, in: Wirtschaftsdienst 11/2021, S. 906-910. 2021 ist ein Wagniskapitalboom zu sehen, der sogar weltweit besteht. Das treibt die Bewertungen - und verschiebt die Machtverhältnisse. Das verleiht Gründern Verhandlungsmacht.  Beim investierten Risikokapital führen die USA (26,7 Mrd. $ 2013, Quelle: OECD), Japan (1,6), Kanada (1,4) und Großbritannien (0,9). Deutschland liegt mit 0,7 auf dem siebten Platz.  126 Millionen Dollar Wagniskapital wurden 2014 in Bitcoin-Start-ups investiert. 20 Mio. Dollar erhielt das Unternehmen BitFury, das im Inland und Finnnland zwei riesige Rechenzentren betreibt, um Bitcoins herzustellen. 50 Prozent der gesamten Rechenkraft im Bitcoin-Netzwerk kontrollierte im Juni 2014 erstmals der größte Bitcoin-Pool. Ab 51 Prozent könnte er das gesamte System manipulieren. BitFury hat daher Kapazitäten aus dem Pool abgezogen. Risikokapitalgeber ist z. B. Taishan Invest (Brücke zwischen deutscher und chinesischer Gründerszene). In den USA wurden 2015 58 Mrd. Dollar in Venture-Capital investiert, davon die Hälfte im Silicon Valley. In ganz Europa wurde im gleichen Jahr nur ein Bruchteil investiert. Bei den Branchen führen in den USA bei Wagniskapital Software vor Biotechnologie und Konsum/ Dienstleistungen (2015; die gefragtesten Regionen in den USA waren Silicon Valley, Neu-England, New York City). In Europa und Deutschland führt 2016 bei Risiko-Kapital Delivery Hero (Liefer-Start-up; 1330 Mio. €; Hauptinvestor Rocket Internet). Insgesamt wurde 2015 eine Summe von 3075 Mio. € an Risikokapital eingesetzt (2014: 1589; 2013: 650; Quelle: EY Start-up-Barometer). Die Tengelmann-Gruppe, die 2016 ihre Lebensmittelgeschäfte verkauft, betreibt über TEV eine Investition in Start-ups. Literatur:. Black, B. S.& Gilson, R. J.: Venture Capital and the Structure of Capital Markets: Banks Versus Stock Markets, in: SSRN Electronic Journal. Advance Online publication und Gaida, M.: Venture Capital in Deutschland und den USA, Wiesbaden 2002. 2022 macht sich bei Wagniskapital Panik breit. Die Finanzierung bei Start-ups geht drastsich zurück: 2021 125,7 Mrd. € in Europa, davon 18,7 in Deutschland. 2022 im ersten Halbjahr, 48,7 Mrd. €, davon 6,7 in Deutschland. Die Anzahl der Finanzierungen insgesamt ging auch deutlich zurück: 2021 11.247. 2022 1. Halbjahr 4124. Quelle: Der Spiegel Nr. 24/ 11.6.22, S. 56ff.

Bedeutung von Netzwerken beim Wagniskapital: Venture-Capital-Firmen stützen sich bei der Suche nach Investitionsmöglichkeiten vor allem auf die Netzwerke. Wichtigste Kriterien sind Stärke und Qualität des Gründerteams. Strategie oder Geschäftsmodell eines Start-ups sind eher zweitrangig. Gründer ohne Zugang zu Venture-Capital-Netzwerken haben es schwer, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen. Vgl. Gompers, Paul u. a.: Team schlägt Idee und Strategie, in: HBM Juli 2021, S. 58ff.

Wagniskapital nach Weltregionen 2016 und 2021: 2016 führte Nordamerika (2,9 Mrd. $) vor Asien (2,5 Mrd. $) und Europa (1,1 Mrd. $). 2021 führt immer noch Nordamerika (17,0 Mrd. $), vor Europa 8,0 Mrd. $) und Asien (4,1 Mrd. $). Beim Sektor führt 2021 Energie. Vgl. WiWo 47/ 19.11.21, S. 10.

Risikokapitalfonds in Deutschland: Die größten drei sind: Holtzbrinck V (2012: 175 Mio. €, Earlybird V (2013: 150 Mio. €), Cherry II (2016: 150 Mio. €). Mit im boot sind als Geldgeber oft: Europäischer Investitionsfonds, KfW Bank, NRW Bank, Private Fonds (Harbourvest, Pathway), Private Unternehmen (Bosch, SAP, Haniel). Vgl. Follow the Money, Capiat 2/2021, S. 62ff.

Private Equity (deutsch: Außerbörsliches Eigenkapital): Form des Beteiligungskapitals, bei dem die vom Kapitalgeber eingegangene Beteiligung nicht an geregelten Märkten (Börsen) handelbar ist. Kapital, das private Gesellschaften für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung stellen, um eine finanzielle Rendite zu erwirtschaften. In der Regel handelt es sich bei den Geldgebern um nicht - börsennotierte Unternehmen (privates Beteiligungskapital, Kapitalbeteiligungsgesellschaften). In der Regel handelt es sich um internationale Finanzinvestoren. Zum Beispiel hat sich die schwedische Gesellschaft EQT für etwa 100 Mio. € bei der deutschen Firma Backwerk beteiligt. Die Verschiebung von Banken zu Private Equity Gesellschaften hängt mit der Finanzkrise 2008 zusammen: Seiher haben die Banken immer mehr Auflagen für ihr Geschäft bekommen. Privat-Equity-Gesellschaften blieben dagegen verschont. Weil viele Experten diese Gesellschaften als "Schattenbanken" bezeichnen, könnte sich das bald ändern. Die Spezialbörse Nasdaq und die Private-Equity-Firma KKR planen eine Handelsplattform. Niedrigzinsen 2015 befeuern den Boom bei Private Equity. Die Branche sammelt Rekordsummen ein und kämpft um den Mittelstand (Stimmungsindex auf Dreijahreshoch; KfW). Ann-K. Achleitner, TU München, hat die Wertschöpfung von Private Equity der letzten 30 Jahre untersucht: Alle einzelnen Renditehebel sind runter gegangen. Der Leverage-Effekt ist von 1987 bis 2013 auf 30 Prozent von 34 Prozent gesunken. Die Bedeutung des Umsatzwachstums für die Wertsteigerung in den Unternehmen ist signifikant. Es gibt auch Private Equity Fonds. Sie verwenden das Fondsvermögen zum Erwerb von Beteiligungen an meist börsennotierten Unternehmen. Das Ziel ist, die Beteiligung zu erhöhen, damit das Unternehmen in 3 bis 7 Jahren gewinnbringend verkauft werden kann.   Vgl. Braun, R./ Jenkinson, T./ Stoff, I.: How Persistent is Private Equity Performance? Evidence from Deal-Level Data, Working Paper, University Erlangen-Nuremberg, August 2013. Fazit: Die Performance von gestern ist ein schlechter Indikator für die Renditen von morgen. Der weltweite Anteil von Private-Equity-Gesellschaften (PEG) an Unternehmenskäufen lag im Jahr 200 noch bei 3 Prozent. 2004 war er auf 14 Prozent angewachsen und hatte ein Volumen von 294 Milliarden. Infolge der Finanzmarktkrise ist Ende 2008 das Geschäft der PEG auf ganzer Linie eingebrochen. 2009 betrug das Volumen in Deutschland noch 1,1 Mrd. Euro - ein Rückgang von mehr als 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ende Oktober übernimmt der Finanzinvestor 3i von der Douglas-Holding (Familie Kreke, Advent International) die Juwelierkette Christ. Sehr mächtig in Deutschland ist der schwedische Finanzinvestor Cevian (Jens Tischendorf: Bilfinger, Thyssen-Krupp). 2014 haben die Finanzinvestoren soviel Geld in Firmen gesteckt wie seit Ausbruch der Wirtschaftskrise 2008 nicht mehr (7 Mrd. € und damit 40% mehr als 2013). Die Gelder flossen vor allem in kleine und mittelständische Firmen. Die niedrigen Zinsen kurbeln an. Im März 2016 kommt raus, dass sich beim Verkauf des Sanitärherstellers Grohe Finanzinvestoren aus China eine goldene Nase verdient haben auf Kosten japanischer Manager (Lixil) und deutscher Aktionäre (im Börsenprospekt wurde Wichtiges vorenthalten). 2017 schwimmen die Private Equity - Fonds im Geld. Sie haben Mühe, es sinnvoll anzulegen. Die Schere zwischen dem eingesammelten und dem investierten Kapital wird immer größer. Bis 2025 könnte das verwaltete Kapitalvolumen auf bis zu 10 Billionen Dollar anwachsen. 2017 übernehmen Bain und Cinven Stada (sie benötigen aber noch weitere Aktien von den außerbörslichen Hedgefonds). In Europa haben die Finanzinvestoren (Private Equity) 2018 einen Anteil von 10,3% am gesamten Übernahmevolumen. In Deutschland lag dieser Anteil bei 7,9%.

Equity, debt-for-equity swaps: Umwandlung von Kreditverbindlichkeiten in Beteiligungskapital, d. h. in Aktien der Schuldnerfirma. Methode, mit der ein hoch verschuldetes Unternehmen durch den Tausch von Krediten und anderen Schulden mit Aktien der sich in Schwierigkeiten befindenden Firma entschuldet wird. Equity ist Eigenkapital, Anteilskapital (Aktien).

Peer-to-Peer-Kredite: Man sollte sich als Privatperson oder Firma bei einem P2P-Vermittler registrieren. Es handelt sich also um Kredite, die über das Internet vermittelt werden. In der Regel stehen sich Privatpersonen gegenüber. Die Vermittler halten in der Regel Geld in Reserve, um Zahlungsausfälle abzufangen. Sie sind entstanden vor allem in den angelsächsischen Ländern nach dem Finanzcrash 2008.

Speeddating für Geldgeber: Investoren treffen sich in Hotels mit mittelständischen Unternehmern. Es geht um Kennenlernen und mögliche Gelder. Die Treffen finden im Halbstundentakt statt. Vgl. Bellinghausen, Yves: Speeddating für Geldgeber, in: Die Zeit Nr. 28/ 7.7.22, S. 25.

Mezzanin-Kapital: Begriff aus dem Italienischen, der Zwischengeschoss bedeutet. Zwischending zwischen Eigen- und Fremdkapital. Mezzanin-Geldgeber stellen einem Unternehmen Mittel zur Verfügung, ohne sich direkt an der Firma zu beteiligen. Sie tragen ein höheres Risiko, weil sie in einem Insolvenzfall hinten anstehen müssen. Dafür nehmen sie oft höhere Zinsen. Der Vorteil für die KMU besteht darin, die Eigenkapitalbasis zu stärken, ohne den Gesellschaftern (Banken, Versicherungen, Fonds) volle Gesellschafterrechte einräumen zu müssen. Die gesamte Struktur der Mezzaninen-Finanzierung zu durchschauen, ist sehr schwierig. Es hat sich bewährt, zunächst zwischen "Nicht Kapitalmarktfähigen" und "Kapitalmarktfähigen" Mezzanin zu unterscheiden. Zu ersteren gehören Nachrangigkeitsdarlehen und partialische Darlehen, Stille Gesellschaft und Genussrechte.  Zu letzteren gehören Wandelanleihen und Optionsanleihen. Zwischen 2004 und 2007 haben viele Mittelständler Standard-Mezzanine genutzt. Nach Ablauf der letzten Programme (2013 bzw. Frühjahr 2014) wird deutlich, woran die Idee gescheitert ist. Die Programme haben in der Regel die Renditeerwartungen nicht erfüllt. Nicht nur nachrangige sondern auch erstrangige Investoren gingen leer aus. Oft war Betrug im Spiel. Hier eine Auswahl von Mezzanine - Programmen mit Insolvenzen: Equinotes 2005 (Deutsche Bank, IKB) - Nici, Ricö, Dura Tufting; S-Mezzanine 2006 (BayernLB, WestLB) - Böwe Systec, Verlagsgesellschaft Perleberg; Puls 2006 (Merril Lynch) - Hucke. Viele Unternehmen buhlen um Kleinanleger für Nachrangigkeitsdarlehen mit hohen Zinssätzen (Bau von Wellnesstempels, Expansion von Seniorenheimen, Ölfelder in den USA). Die Investitionen sind hoch riskant auf dem grauen Kapitalmarkt. Literatur: Werner, H. S.: Mezzanine-Kapital: Mit Mezzanine-Finanzierung die Eigenkapitalquote erhöhen, Köln 2004 und Häger, M./ Elkemann-Reusch, M: Mezzanine Finanzierungsinstrumente: Stille Gesellschaft, Nachrangigkeitsdarlehen, Genussrechte, Berlin 2007.

Subventionsfinanzierung: Finanzielle Hilfen für Unternehmen vom Staat. Zählt zur Außenfinanzierung. Es gibt direkte und indirekte Subventionierung. Muss die Finanzierung nicht zurückgezahlt werden, ist es Eigenfinanzierung. Fremdfinanzierung liegt vor, wenn das Unternehmen z. B. einen Kredit zu vergünstigtem Zinssatz zurückzahlen muss. Die Subventionierung des deutschen Steinkohlebergbaus wird Ende 2018 eingestellt. Das wird auch das Aus für den deutschen Steinkohlebergbau sein. 2015 lag der Anteil an der Stromerzeugung in Deutschland noch bei 18,2%.

Leverage - Effekt: Die Differenz aus der Rendite des eingesetzten Fremdkapitals und dem Zins nennt man Leverage-Effekt. Er wird nach folgender Formel berechnet: Eigenkapitalrendite (re) = Gesamtkapitalrendite (rg) + Fremdkapital (FK)/ Eigenkapital (EK) x (rg - rf). Vgl. Thommen, J.-P.: Unternehmensfinanzierung, Zürich 2016, S. 89 .

Anleihen: Ein Finanzinstrument (festverzinsliches Wertpapier, Rentenpapier), das die Zahlung eines Einkommensstroms in bestimmten Intervallen verspricht. Sie stellen eine Art Verschuldung dar. Sie funktionieren wie ein Festkredit: Ein Unternehmen oder ein Staat leiht sich Geld, aber nicht bei einer Bank, sondern am Kapitalmarkt (heißt bei allen möglichen Investoren). Der Anleihen-Markt (Rentenmarkt) gilt als vergleichsweise rational. Hier haben die Rating - Agenturen eine große Bedeutung: Sie helfen beim Einteilen in Ausfallkandidaten und sichere Zahler.  Erträge bei Anleihen sind die Zinsen und manchmal Kursgewinne. Es gibt vor- und nachrangige Anleihen (Stellung der Gläubiger). Es gibt viele Unterarten bei den Anleihen ("Floater" - schwimmende Anleihen; Genusscheine - halb Aktie, halb Anleihe; Wandelanleihe - Aktieninvestment mit Auffangnetz; Umtauschanleihe - praktisch Wandelanleihe, Zero-Bonds - keine zinsen, trotzdem Gewinne). wichtig bei Anleihen ist der Nennwert. Der Nennwert ist der Betrag, den der Anleger (Gläubiger) vom Schuldner erhält, wenn die Anleihe zurückgezahlt wird. Der Kurswert ist meist höher als der Nennwert. Staatsanleihen haben Privilegien in den Bankbilanzen. Sie bleiben bei der Berechnung der wichtigen und von der Finanzaufsicht überwachten Eigenkapitalquoten unberücksichtigt. Die EU-Kommission will, dass Staatsanleihen nicht mehr als risikofreie Anlagen für Banken eingestuft werden. Die Änderung würde vor allem deutsche Banken treffen. Aber die Banken sollten selbst Risikovorsorge betreiben. Die Angst vor dem Austritt Großbritanniens aus der EU (Brexit) führt am Anleihenmarkt Mitte Juni 2016 zu einem historischen Ereignis: Die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen rutscht erstmals in den negativen Bereich. Dies verstärkt sich nach dem Brexit  (Rendite für zehnjährige Bundesanleihen -0,17%). Das Bundesverfassungsgericht entscheidet 2016 darüber, ob die Anleihenkäufe der EZB rechtens sind und waren. Der EuGH hatte sie zugelassen. Das Verfassungsgericht bestätigt im Juni 2016 den Kurs der EZB bezüglich des OMT-Programms. Es werden aber klare Kriterien (Ankäufe nicht ankündigen; Volumen im voraus begrenzen, Mindestfrist; Griechenland ist ausgeschlossen) gesetzt, auch was die Zustimmung des Bundestages angeht. Die Solidarhaftung für Staatsschulden wird durch das Urteil gestärkt. Dies sollte aber eigentlich nur kurzfristig stabilisieren. Langfristig gesehen müssen die Staaten ihre Staatschulden eindämmen; das können nicht Gerichte oder die EZB. 2018 gibt es Überlegungen bei der EU, Staatsanleihen zu verbriefen. Die Staaten haben kein Interesse, die Rating - Agenturen sind skeptisch. 424 US-Anleiheschuldner melden 2020 nach Corona Insolvenz an. Auf 35 Unternehmen lasteten Schulden von jeweils mehr als einer Milliarde Dollar. Darunter sind prominente Namen wie J.C. Penney, Hertz und Chesapeake Energy. 2022 rutscht der Anleihemarkt in die Krise. Die hohen Inflationsraten und der scharfe Zinserhöhungskurs der Notenbanken drücken die Notierungen. Ende 2022 erholt er sich wieder. Sichere Bonds von Staaten und Unternehmen bieten wieder attraktive Renditen 8Beispiel Staatsanleihe USA, 4,7%; Restlaufzeit bis 2024). .

Unternehmensanleihe (Mittelstandsbonds): Ein Finanzinstrument, das die Zahlung eines Einkommensstroms in bestimmten Intervallen verspricht (auch als festverzinsliches Wertpapier oder Rentenpapier bezeichnet). Sie werden von Unternehmen (auch von Staaten als Staatsanleihe) herausgegeben zur Beschaffung von Fremdkapital. Sie stellen eine Art Verschuldung dar. Sie haben in der Regel eine höhere Rendite als Staatsanleihen, allerdings auch ein höheres Risiko. Wer eine Unternehmensanleihe kauft, gibt der Firma ein Darlehen. Die Sicherheit der Firma ist entscheidend. Ein Anhaltspunkt für die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens ist das so genannte Rating (Bonitätsnoten von Agenturen; Credit ratings können Segen oder Fluch sein). Die Prospekterstellung und rechtliche Gestaltung von Mittelstandsanleihen wird als "Due Diligence" bezeichnet. In der Kreditklemme ("credit crunch", ausgelöst durch mangelndes Vertrauen und fehlende Liquidität) in der Weltwirtschaftskrise 2009 greifen auch viele mittlere Unternehmen nach dieser Finanzierungsmöglichkeit. Die Gläubiger haben in der Regel keinen direkten Zugriff auf Vermögenswerte. 2013 wackelt bei vielen Firmen die Rückzahlung der über die Börse aufgenommenen Anleihen (Underberg, Valensina, Windreich, Solarwatt, Alno). Das Problem für die Anleger ist die geringe Transparenz der Firmen (Rechtsform). 2013 hat Strenesse eine Mittelstandsanleihe über 12 Mio. € ausgegeben. Die Laufzeit beträgt nur ein Jahr. Sie muss spätesten im März 2014 ausgelöst werden. Fraglich ist, ob das Unternehmen das Geld hat (Insolvenz?). Die Anleihegläubiger geben eine Galgenfrist von drei Jahren. Im Februar 2014 beantragt der Brühwürfelhersteller "Zamek" Insolvenz. Eine Mittelstandsanleihe über rund 45 Millionen Euro ist bedroht. Die Frage ist, was aus dem Geld wurde. Mittelstandsanleihen finden sich auch bei Fitnessstudios, Bäckereien u. a. Gelockt wird mit Renditen zwischen 6 und 10% (2014). Dafür ist das Risiko auch entsprechend hoch. Als gefährdet gilt 2014 auch der Maschinenbauer Rena. 2014 will sich die BaFin Discountplazierungen ansehen: Großanlegern sollen bei einigen Emissionen vorab Papiere zu Preisen unter dem Nennwert angeboten worden sein. Sobald die Nachfrage von Privatanlegern anzog, konnten sie die günstig erhaltenen Bonds mit Gewinn verkaufen. 2014 zeigt sich auch, dass gerade in der Umweltbranche einige Unternehmen massive Anleiheprobleme haben: BKN Biostrom, FFK Environment, Centrosolar, S.A.G Solarstrom; weitere KMU sind oben genannt). Als Unternehmensanleihen mit vertretbarem Risiko gelten z. B. AT&S (Leiterplatten), Celesio (Pharmahandel), Dürr (Anlagenbau), Heidelberg Cement und Renault (Automobil). 2014 will der Erotik-Konzern Beate Uhse mit einer Mittelstandsanleihe die Expansion finanzieren und Kredite ablösen. Die Unternehmen im europäischen Raum sind zu klein, um am Kapitalmarkt direkt Anleihen anzapfen zu können (90% aller Unternehmen). Sie sind folglich immer auf Bankkredite angewiesen. Im Juni 2016 startet die EZB mit dem Kauf von Unternehmensanleihen. Es könnten Gefahren für Märkte und Steuerzahler geben. Unter anderem kauft sie Anleihen von Anheuser Busch Inbev und RWE. Bonitätsanleihen werden von der Bafin doch nicht verboten. Profianleger wie Lebensversicherer dürfen für ihre Kunden meist nur in Anleihen von Unternehmen investieren, wenn diese ausreichende Bonität haben. Die Grenze ist das Rating BBB. Alles darunter gilt als Risikoanlage. Unternehmen haben die anhaltende Niedrigzinsphase genutzt und mittlerweile so viel Geld über Anleihen gesammelt wie nie zuvor. Allerdings ist der Anteil von BBB - Anleihen in eine rekordverdächtige Höhe gestiegen: 2000 waren es 21%, 2018 48%. Das erinnert an eine Blase. Bei Abstufung müssen die Profianleger verkaufen. "Risikofreie Börsen gibt es nicht. Insolvenzen gehören zum Anleihegeschäft dazu. Die Frage ist nur: Wie viele?", Cord Conrad, Manager der Deutschen Börse. Es gibt auch seltsame Anleihekonstruktionen. Mit Cat-Anleihen können Anleger an Naturkatastrophen verdienen - aber nur, wenn sie ausbleiben. Mit speziellen Anleihen können sich Anleger auch langfristig vor Geldentwertung schützen. 2013 wurden weltweit pro Quartal im Schnitt riskante Unternehmensanleihen im Wert von 90 Milliarden Dollar emittiert, die reißenden Absatz fanden (vor der Finanzkrise waren es 30 Mrd. $). Die BIZ sieht hierin eine Bedrohung für die internationalen Finanzmärkte. An den Börsen werden neue Konzepte für den Mittelstand entwickelt. Zum Beispiel bietet Stuttgart seit 2010 "Bondm". Dadurch können auch kleinere Emittenten ohne erstklassige Bonität auf den Kapitalmarkt gelangen. Im Herbst 2016 kündigen die Pfalzwerke Anleihen (Schuldverschreibungen, die in Solarparks investiert wurden). Für die Anleger besteht der Schaden in entgangenen Zinsen. Die erste Anleihe des Elektroautopioniers Tesla ist gefragt. Das 1,8 Milliarden Dollar schwere Papier war mehrfach überzeichnet (doch für das hohe Risiko in Anbetracht der Schulden zu wenig Zinsen). US-Anleihen im Wert von 4000 Milliarden Euro werden 2018 von den Rating - Agenturen als anlagewürdig eingestuft. Die Hälfte davon fällt allerdings in die schwächste Kategorie BBB. Schwächt sich das Wirtschaftsumfeld, müssen Investoren massenhaft verkaufen, die Papiere mit schlechterem Rating als BBB nicht halten dürfen.

Anleiheklassen: Es gilt die Regel, dass je höher die Rendite ist, desto höher ist die Risikolasse. Es gibt einen Index für Anleihen für Unternehmen mit schwacher Bonität. Da ist da ein Index für nachrangige Euro -Unternehmensanleihen. Schließlich gibt es einen Index für Euro-Anleihen für Unternehmen mit guter Bonität. Hinzu kommen Fonds für hybride Firmenbonds.

Mittelstandsanleihe: In Anbetracht der oben geschilderten Probleme kehren immer mehr Mittelständler dem Markt für Mittelstandsanleihen den Rücken zu, spätestens bei der Refinanzierung. Infolgedessen disponieren die Börsenplätze um. Die Deutsche Börse hat zwar einen Best Practice Guide für alle Phasen der Anleiheemission zusammengestellt, aber wohl etwas zu spät. Die Unternehmen orientieren sich zum Primärmarkt. Das ist ein Listingsegment im Freiverkehr der Börse Düsseldorf, in dem sowohl Aktien, Anleihen und Genusscheine notieren. Für das Listing von Anleihen gibt es dort drei Subsegmente. Die Verpflichtung für ein Rating besteht nicht mehr, dafür sollen Angaben zu Sicherheiten, Garantien und Covenants deutlicher herausgestellt werden. 2016 kehren Investoren dem Markt für Mittelstandsanleihen den Rücken. Damit steht der Markt vor dem Aus. 2018 entsteht aber wieder ein Boom bei Mittelstandsanleihen trotz aller Pleiten. 35 neue Mittelstandsanleihen wurden in Deutschland 2018 ausgegeben.

Staatsanleihen: Staatsanleihen oder Schuldverschreibungen sind eine der wichtigsten Finanzierungsquellen von Staaten. Sie sind Wertpapiere, die mit einem festen Zins ausgestattet sind und das Kapital wird zu einem festgelegten Zeitpunkt zurückgezahlt. Sie werden in verschiedenen Laufzeiten von zwei bis 30 Jahren ausgegeben. Mit der Schuldenkrise in Europa ist das Risiko eines staatlichen Schuldenausfalls gestiegen (früher sicher). Als Zinszahlung erhält der Anleger die Rendite oder den Effektivzins (dieser ergibt sich aus dem vorhinein festgelegten Zins der Anleihe/ Kupon und dem von ihm gezahlten Marktpreis/ Kurs des Papiers). Sinkt die Nachfrage und damit der Kurs des Papiers, steigt für den Anleger die Rendite. Am 22.01.15 gibt die EZB den Kauf von Staatsanleihen von Banken im großen Rahmen bekannt. Dadurch soll Geld in neue Anlagen fließen, vor allem in den südlichen Krisenländern (monetäres Konjunkturprogramm). Die Wirtschaft soll schneller wachsen und die Inflation sich erhöhen. Die Steuerzahler stehen dafür im Risiko (zusätzlich bekommen sie fürs Sparen dauerhaft keinen Zins mehr und können für das Alter nicht mehr vorsorgen). Am 22.0102015 gibt die EZB den Kauf von Staatsanleihen in großem Umfang bekannt. Monatlich werden für 60 Mrd. Euro Staatsanleihen von Banken aufgekauft (von März 2015 bis September 2016. Die Summe beträgt insgesamt 1140 Mrd. €). Die Staatsanleihen werden nach dem Anteil der Mitgliedsländer an der Notenbank gekauft, also am meisten Papiere von den Deutschen (trotzdem ist es eine Art Vergemeinschaftung der Haftung für Staatsschulden, zumindest bei denen für EU-Institutionen mit ca. 12% der Käufe). Es gibt keine Eingrenzung bei den Laufzeiten. Die Frage ist, ob die Krisenländer jetzt trotzdem weiter Reformen durchführen und ihre Haushalte konsolidieren (sie haben zumindest Zeit gewonnen). Offen bleibt auch, ob die Preissteigerung tatsächlich angehoben werden kann. Ein schwächerer Euro ist sicher auch für die Exportwirtschaft erwünscht.  Es könnte im schlimmsten Falle zu einer Blasenbildung und zu einem Anstieg der Vermögenspreise kommen. Letztlich wirkt der umfangreiche Anleihenkauf über drei Kanäle: Kredit, Vermögen und Wechselkurs. Am 09.03.15 beginnt die EZB mit dem Kauf. Der Europäische Gerichtshof legitimiert im Juni 2015 den Kauf (Klage von Gauweiler). Wichtig ist auch der Mechanismus in der EU, dass Banken Staatsanleihen nicht mit Eigenkapital unterlegen müssen. Beim drohende Grexit am 29.06.15 stiegen die Zinsen für spanische und italienische Staatsanleihen deutlich an. Sie müssen damit die Anleger mit höheren Renditen locken. Das Bundesverfassungsgericht muss im Februar 2016 wieder damit befassen, ob das OMT - Staatsanleihenprogramm der EZB rechtens ist. Im Oktober wird entschieden, dass die EZB und die Bundesbank weiter kaufen können. Die Entscheidung wird an den Europäischen Gerichtshof weiter gereicht. Dieses gibt einen Freifahrtsschein für EZB-Anleihekäufe. Bedenken des Bundesverfassungsgerichtes werden zurückgewiesen. Die Käufe sollen aber Ende 2018 auslaufen. Im Herbst 2019 werden neue Anleihen-Käufe aufgenommen. Die EZB sagt, dass sie damit die Kreditvergabe der Banken weiter ankurbeln will. Es könnte aber in Wirklichkeit darum gehen, die Haftungsunion zu vertiefen und Italien und Frankreich zu ermöglichen, ihre Schuldenpolitik fortzuführen. Die Corona-Krise 2020 führt zu einem massiven Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB. Die Banken der haupt betroffenen Länder (Italien, Spanien, Frankreich) haben zu viele Staatsanleihen ihrer Länder. Das Bundesverfassungsgericht gibt am 05.05.20 ein Urteil dazu: Der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB ist in Teilen gegen das Grundgesetz. Begründung: Bundesregierung und Bundestag haben die EZB-Beschlüsse nicht geprüft. Es handelt sich allerdings nicht um verbotene Staatsfinanzierung. Das Urteil könnte Argumente gegen Euro - Bonds liefern. Damit wendet sich das Bundesverfassungsgericht gegen den EuGH.  "Am Ende ist die Frage einfach: Ist Zusammenarbeit wirklich der beste Weg für Europa?", Mario Draghi, EZB-Präsident, über die Identitätskrise des Kontinents.  Das Bundesverfassungsgericht gibt am 05.05.20 ein Urteil dazu: Der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB ist in Teilen gegen das Grundgesetz. Begründung: Bundesregierung und Bundestag haben die EZB-Beschlüsse nicht geprüft. Es handelt sich allerdings nicht um verbotene Staatsfinanzierung. Das Urteil könnte Argumente gegen Euro - Bonds liefern. Damit wendet sich das Bundesverfassungsgericht gegen den EuGH. 

Grüne Anleihen: Die Bundesschatzbriefe (Bundesanleihen)  bekommen einen ökologischen Bruder: Die grünen Anleihen. Die Bundesregierung will damit 2020 bis zu 11 Mrd. € für nachhaltige Investitionen einsammeln. Mit dem Geld sollen saubere Verkehrssysteme sowie der Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft gefördert werden. sie läuft 10 Jahre und wird im September 2020 herausgegeben. Deutsche Anleihen sind weltweit begehrt, weil sie als sicher gelten.

Wandelanleihen: Mischung aus Aktien und Anleihe. Mezzanin kapitalmarktfähig. Als Anleihe wird es jährlich verzinst und bei Fälligkeit zum Ausgabekurs zurückgezahlt. Die Verbindung zur Börse schafft ein Umtauschrecht in Aktien zu einem festen Preis. Volkswagen emittierte 2012 eine Pflichtwandelanleihe zum Bezug von Vorzugsaktien in Höhe von 2,5 Mrd. Euro. Optionsanleihen (Warrant Bond) sind verzinsliche Wertpapiere. Sie verbriefen neben dem Zins- und Rückzahlungsanspruch in einem Optionsschein ein Bezugsrecht auf Aktien. Bayer emittierte 2005 eine 100-jährige , nachrangige Hybridanleihe mit einem Volumen von 1,3 Mrd. Euro. 2014 kommt eine neue Art Anleihe auf den Markt. Sie hilft Banken, sich für künftige Krisenfälle zu rüsten. Sie hat die Abkürzung CoCo (Contingent Convertible-eventuell wandelbare Anleihe).  Es ist ein Wertpapier, das einer Anleihe gleicht, im Falle einer Eigenkapitalschwäche der Bank in Aktien umgewandelt wird (konvertiert). Sie sind auf Initiative der Aufsichtsbehörden entstanden. Bei hohen Renditen besteht natürlich auch ein hohes Risiko bei diesen Papieren.

Genussscheine (participation certificates): Wertpapier, das zwischen Aktie und Anleihe angesiedelt ist. Zugrunde liegt ein Genussrecht (participation right), d. h. ein schulrechtliches Kapitalüberlassungsverhältnis. Der Genussschein ist ein Wertpapier, das ein Vermögensrecht verbrieft, jedoch ohne Mitgliedschaftsrechte. Man ist auch an Gewinnen und Verlusten beteiligt. Das Genussschein-Kapital (participation certificates capital) ist demnach eine Anlageform zwischen Aktie und Anleihe. Vgl. Jörg Wöltje, ABC des Finanz- und Rechnungswesens, Freiburg 2011, S. 41. Die Bundesregierung plant nach der Pleite bei dem Windkraftbetreiber Prokon mit Genussscheinen im Jahre 2014 eine stärkere Reglementierung. Das Genussrechte riskanter sind als Aktien oder Optionsscheine gehört zum kleinen Einmaleins für Anleger: Wo die Gewinnmöglichkeit groß ist, ist das Risiko größer (oder "Gier frisst Hirn"). Genussrechte haben in der Regel feste und längerfristige Laufzeiten und man kann sie nicht einfach verkaufen. Die Anlageform ist nur für Jemand geeignet, der ein Unternehmen gut kennt. Bislang mussten Unternehmen, die Genussrechte verkaufen wollten, nur einen Prospekt und ein Informationsblatt drucken (Unterlagen vollständig, kein Hinweis auf Risiken). Die Bundesregierung verbessert 2014 den Anlegerschutz: Die Börsenaufsicht kann zukünftig windige Finanzanlagen verbieten. Die Verbraucherzentralen sollen Wächter spielen. Im Juli 2014 lässt das Gericht 15.000 Anleger von Prokon nicht zur Gläubigerversammlung des insolventen Windparkbetreibers zu. Die Gläubiger hatten das Stimmrecht zuvor per Vollmacht an eine von Ex-Chef Rodbertus unterstützte Arbeitsgemeinschaft übertragen. Die Anleger werden voraussichtlich rund die Hälfte des eingesetzten Kapitals in Höhe von 1,4 Mrd. Euro verlieren. Die Gläubiger entscheiden sich Mitte 2015 dafür, Prokon in eine Genossenschaft umzuwandeln (75.000 Anleger plus Banken, Lieferanten, Stromkunden). 2016 meldet der Ökokonzern German Pellets Insolvenz an. Rund eine Viertelmilliarde Euro hatten Käufer von Genussrechten und Anleihen German Pellets anvertraut. Mindestens 160 Mio. Euro soll das Unternehmen weitergeleitet haben an Beteiligungsfirmen, Holdings, Stiftungen und andere. Chef Peter Leibold hatte vielleicht als einziger den Überblick. Wo sind die Millionen geblieben? Die Insolvenz der Lagenkette Butlers 2017 zeigt, wie riskant Genussrechte sind.

Zertifikate: Unter dem Oberbegriff verbirgt sich eine Vielzahl von Finanzprodukten. einige sind ausschließlich für Zocker, bei anderen steht die Absicherung vor Verlusten im Vordergrund. Wichtig sind die Kosten. Zu der Gruppe gehören: Strukturierte Anleihen (der Zeitpunkt der Rückzahlung oder die Höhe der Zinszahlungen sind nicht fi, sondern an Bedingungen geknüpft. Aktienanleihen (feste Zinsen über dem marktüblichen Niveau, keine Dividenden). Expresszertifikate (ganzer Aktienindex, feste Verzinsung). Index-Zertifikate (Entwicklung verschiedener Börsenindizes, ähnlich wie ETF). Garantie-Zertifikate. Optionsscheine. Faktor-Zertifikate. Knockout-Zertifikate.

Graumarktinstrumente: Gemeint sind Finanzierungsformen, die relativ wenig reguliert sind. Für die Anleger von Geld sind hohe Renditen zu erzielen, bei allerdings auch hohem Risiko. Dazu gehören Genussrechte, Crowdinvesting, nicht börsennotierte Aktien, nicht börsennotierte Anleihen. Vgl. zum Thema Grauer Kapitalmarkt und Schattenbanken auf der Seite Economics/ Special die Kategorie "Internationale Finanzmärkte" bei Globalökonomik.  

Hedgefonds: 2008 gibt es etwa 10.000 solcher Fonds (vom englischen to hedge - absichern) mit einem Volumen von schätzungsweise 2,0 Bio. $. Der erste Hedgefonds wurde 1949 von A. W. Jones aufgelegt, um Aktienpositionen abzusichern. Hedgefonds geben Anteile an Anleger aus. Mit den Geldern werden Assets erworben (Aktien, Rohstoffe, Devisen, festverzinsliche Wertpapiere). Es soll ein absoluter Return erzielt werden: Gewinne werden periodisch verteilt. Die Anlagestrategien wechseln ständig. Es wird ein Leverage-Effekt angestrebt, deshalb wird möglichst viel Fremdkapital eingesetzt (dies kann durch Carry Trades verstärkt werden). Sie wählen ihren Standort und ihre Rechtsform so, das sie vom Staat nicht streng kontrolliert werden können. Wird überhaupt nicht reguliert und keine staatliche Kontrolle ausgeübt, spricht man vom "grauen" Finanzmarkt" oder von Schattenbanken. Die Königsdisziplin der Hedgefonds sind Leerverkäufe. Sie wetten auf fallende Kurse, sie gehen "short". Kampagnen für Short-Wetten funktionieren besonders gut in einem Börsencrash oder wenn andere Anleger ihre Aktien verkaufen. Dazu leihen sie sich Wertpapiere von Unternehmen, die sie für überbewertet halten. Anschließend verkaufen sie die Anleihen oder Aktien, um sie nach einem Kurseinbruch wieder günstiger zu kaufen und an die Bank, die Pensionskasse oder den Investitionsfonds zurückzugeben, die ihnen die Papiere geliehen hat. Die Differenz zwischen Verkaufs- und Rückverkaufskurs ist ihr Gewinn. Der berühmteste Fall des Erfolgs eine Hedgefonds ist die erzwungene Abwertung des britischen Pfunds durch George Soros 1992. In der Finanzkrise 2007/ 2008 haben die Fonds Hunderte Milliarden und auch ein Großteil ihrer Macht verloren. In der Metropolregion Rhein-Neckar ist der Hedge - Fond K1 in Schwierigkeiten. Im Jahre 2009 bekommen die Fonds in den USA eine strenge Aufsicht (voraussichtlich von SEC). Hedge-Fonds und die sie kontrollierenden Rating - Agenturen müssen Transparenz- und Lizenzpflichten unterliegen. Insgesamt bremsen die USA aber strengere Regulierungspläne, wie sie von der EU vorgeschlagen wurden. Die schärferen Kontrollen in der EU konkretisieren sich nach der Griechenland-Krise. Sie mussten gegen Großbritannien beschlossen werden, wo 80% aller Hedge-Fonds zu Hause sind. Die meisten Hedge-Fonds haben aber ihren Sitz in Cayman Islands, einer britischen Kronkolonie. Die Hedge - Fond - Manager sollen eine Zulassung beantragen müssen. Insgesamt soll die Transparenz erhöht werden. 2011 spekulieren die Hedge-Fonds in großem Stil am US-Markt. Weltgrößter Devisen-Hedgefonds ist FX Concepts in den USA. Eine Betrachtung der Hedgefonds muss differenziert erfolgen. Die vielen "schwarzen Schafe" müssen konkret analysiert werden. 2014 greifen verschiedene Hedgefonds Ferdinand Piech und Wolfgang Porsche an. Sie wollen ein Teil des Geldes zurück, dass sie bei der Übernahmeschlacht zwischen Porsche und VW verloren haben. 2016 verlieren die Hedgefonds ihren Glanz. Zu viele Milliardenwetten wurden verloren. Nur die Gebühren erinnern an früher. Eine Investmentidee alleine reicht nicht mehr. Das Personal ist in die Kritik geraten (zu jung, Kokskonsumenten). "Ein Mensch, der voller Neid vernimmt, dass alle Welt im Gelde schwimmt, stürzt in den Strom sich munter, doch siehe da: Schon geht er unter! Es müssen - wie´ s auch andere treiben - Nichtschwimmer auf dem Trockenen bleiben!",  Eugen Roth. 2015 geht der Hedgefonds FX Concepts (John Taylor) Pleite, weil er jahrelang gegen den Euro gewettet hatte. Von 2013 1,35 ist der Euro auf 2015 1,13 gefallen, man hatte sich verzockt. Die großen Hedgefonds sind inzwischen zu unbeweglich geworden. Sie können nicht mehr schnell genug auf Herausforderungen reagieren. 2015 ist Bridgewater am größten (103,6 Mrd. US-$ verwaltetes Vermögen) vor AQR und MAN Group. Ende 2016 wird der Gründer des US-Hedgefonds Platinum Partners festgenommen (Betrugsvorwürfe). Hedgefonds haben auch in den Drogenmarkt der USA investiert. sie versuchen daher massiv, die Legalisierung von Cannabis in Deutschland durchzusetzen.

ETF (Exchange Traded Funds, Indexfonds): Indexfonds bilden Börsenindizes nach. Sie sind aus genau den Papieren zusammengesetzt, die der Index abbildet. Anleger, die Geld in Fonds investieren, haben zwei Möglichkeiten. Sie können einen Fondsmanager mit der Wertpapierauswahl betrauen oder sie kaufen einen Indexfonds. ETF sind an der Börse gehandelte Indexfonds. Sie bilden den Börsenindex passiv ab. Im Jahre 2000 wurde diese Form eingeführt. 2017 gibt es mittlerweile 1000 ETF. Es gibt auch Small-Cap-ETF, also Fonds mit Aktien kleinerer Unternehmen. Der Vorteil dieser Form liegt in den niedrigen Verwaltungskosten. Die Idee entstand 1976. John Bogle, ein Vermögensverwalter aus Philadelphia, startete einen Fonds, der den Aktienindex S&P 500 nachbildete. Es sollte ein Instrument für Kleinanleger sein. Dieses Konstrukt wurde dann an der Wall Street weiterentwickelt. Heute spielt sich ein großer Teil in weniger regulierten Märkten ab. Mittlerweile werden ETF selbst von Verbraucherschützern als Altersvorsorge empfohlen. Die Anlageform ist relativ sicher und kostenarm. Die Nachhaltigkeit wird bezweifelt. So gehören zu den Firmen auch Klimasünder und Waffenfirmen. Im Januar 2021 erreicht das Gesamtkapital der Börsen gehandelten Indexfonds in Europa erstmals den Schwellenwert von über einer Billion Euro. Es gibt auch Misch-EFTs (Aktien und Anleihen). Im Sommer 2022 kommt das Ende des ETF-Booms. Aktiv gemanagte Fonds sind in der Krise beliebter.  Weltweit sind 2017 4,2 Billionen Dollar hier investiert (2012 1,8 Billionen Dollar). Die Schattenseite des ETF - Booms ist die Machtkonzentration. Die US-Häuser sind die wichtigsten Investoren. Damit wächst der Einfluss passiver Investoren. Irgendwann werden sich Kartellbehörden und Regierungen damit beschäftigen müssen. Der Tiefpreis wird aber zum Absatzschlager (geringe Gebühren). Bei den börsennotierten Indexfonds (ETF) liegen seit dem Corona-Crash Exoten vorn: Internetaktien und Goldminen. Fürs Sparen eignen sich eher breit aufgestellte ETFs. Der "Global Challenges-Index" ist kein direktes Anlageprodukt, auch kein ETF. Man benötigt ein Anlageprodukt, das sich auf den Index bezieht. Er wurde von Warburg Invest aufgelegt. Er ist weniger nachhaltig als viele denken.

Modigliani-Miller-Theorem: Die Struktur der Verbindlichkeiten eines Unternehmens wirkt sich nicht auf dessen Wert aus. Das heißt, dass der Gesamtwert eines Unternehmens nicht davon abhängt, ob es sich über Anleihen oder Aktien finanziert. Vgl. Miles/ Scott/ Breedon: Makroökonomie, Weinheim 2014, S. 654. Eventualverbindlichkeiten sind zukünftige Verbindlichkeiten, die erst bei Eintritt eines bestimmten zukünftigen Ereignisses sicher anfallen (z. B. Rentenzahlungen).

Moderne Finanzierungsinstrumente: Beim Leasing wird der benötigte Vermögensgegenstand (z. B. Maschine, Fahrzeug, IT-Ausstattung) vom Unternehmen nicht gekauft, sondern mittel- bis langfristig angemietet. Diese Finanzierungsart hat folgende Vorteile: Kosten genau kalkulierbar, Betriebsausstattung auf neuestem Stand, Schonung der Liquidität, von der Steuer her vorteilhaft.  Allerdings scheuen 2015 noch immer drei von vier Mittelständlern Leasing. Wenn sie etwas leasen, dann Autos und Transporter. Maschinen werden lieber gekauft. Neue Bilanzregeln können Mietkauf ab 2019 für Mittelständler weniger attraktiv machen. Es gilt dann der Standrad IFRS 16: Geleaste Immobilien, Fahrzeuge und Maschinen als Vermögenswerte inder Bilanz buchen, die raten als Schulden verbuchen. Das hat zur Folge, dass die Eigenkapitalquote sinkt. Beim Factoring verkauft das Unternehmen Forderungen aus Warenlieferungen oder Dienstleistungen an eine darauf spezialisierte Factoringgesellschaft. Diese nimmt Abschläge vor und übernimmt folgende Funktionen:  Finanzierung, Dienstleistung, Delkrederefunktion (Ausfallrisiko). Vgl. Amely/ Krickhahn: BWL für Dummies, Weinheim 2013, S. 175ff. KMU, die moderne Finanzierungsinstrumente nutzen wachsen schneller. In der Kapitalbeschaffung verlässt man aber nur ungern vertraute Pfade. Seit der Finanzkrise 2008/ 2009 macht man sich stärker Gedanken um moderne Instrumente der Finanzierung. Der Kapitalmarkt wird sicher an Bedeutung gewinnen. Mittlerweile gibt es auch spezielle Institute für die modernen Finanzierungsinstrumente (z. B. Abcfinance, Neuss). Ebenso gibt es einen Verband, den Deutschen Factoring-Verband. Es gibt eine ganze Menge Varianten des Forderungsverkaufs. Das Grundprinzip ist immer gleich: Firmen verkaufen Forderungen, statt auf die Zahlung zu warten. Damit kann eines der Hauptprobleme des Mittelstandes bekämpft werden: Verspätete Zahlungen. Die Firmen bekommen Planungssicherheit. Eine wachsende Akzeptanz der Finanzierungsform kann beobachtet werden (früher Vorurteil: finanzielle Probleme). Mittlerweile kaufen auch Fintechs Mittelständlern die Forderungen ab. Sie sind unbürokratischer, schauen aber auch genau hin. 2,2 Billionen Dollar betrug im Jahr 2013 das Volumen der weltweit verkauften Forderungen (Quelle: Factors Chain International). Spielräume der modernen Finanzierung liegen auch in der Lieferkette (supply chain). Dazu gehören Reverse Factoring und Finetrading. Das Instrument zur Freisetzung von Kapital in der Lieferkette brachte es 2013 auf 1,7 Mrd. € (Gesamtvolumen von Factoring in Deutschland 2013 171,29 Mrd. €).  2014 wird in Deutschland ein Start-up für Factoring gegründet. Die Firma heißt Pagido. Selbständige können Rechnungen einreichen und bekommen sofort 80% ausgezahlt. Sobald die Rechnung bezahlt ist, werden weitere 15% ausgezahlt (für die Gebühr von 5% übernimmt Pagido die Abwicklung der Zahlung). Knapp 18.000 deutsche Unternehmen haben 2013 Forderungen verkauft.

Forfaitierung (forfaiting): Der Verkauf einer mittel- oder langfristigen Exportforderung (einzelne Forderung!) aus einem Exportgeschäft an ein Kreditinstitut (oder meistens an eine Forfaitierungsgesellschaft), das zugleich das Zahlungsrisiko übernimmt. Der Exporteur erhält sofort Liquidität (nach Abzug der Transaktionskosten). Meist handelt es sich um Investitionsgüter. Normalerweise übernimmt bei der Forfaitierung der Staat das Risiko (Bürgschaft), wodurch die Kosten erheblich gesenkt werden können.

Operatives Leasing: Methode, um Investitionsrisiken abzufedern. Maschinen können an verschiedene Firmen ausgeliehen werden. Der Leasing-Geber kümmert sich um Wartung und Instandhaltung. Es kommt selten vor, weil es wenig universell verwendbare Maschinen gibt.

Hinzurechnungsregel für Leasing: Beim Betriebsergebnis müssen Leasingraten für Firmenwagen und mieten für Geschäftsräume zum Gewinn hinzu gerechnet werden. So soll verhindert werden, dass Unternehmen ihr Grundstück erst verkaufen und dann zurückmieten, um steuerliche Vorteile zu genießen.  Das kann in Krisen schlecht sein: Eine Firma macht zwar Verluste, muss aber wegen der Hinzurechnung dennoch Gewerbesteuer zahlen.

Kurzfristige Finanzierung im Außenhandel: 1. Akzeptkredit (Importeur leiht sich eine gute Bonität. Importeur bzw. Kreditnehmer stellt einen Wechsel aus, den eine Bank akzeptiert. 2. Rembourskredit (Akzeptkredit mit einem Akkreditiv und der gleichzeitigen Diskontierung des akzeptierten Kredits). 3. Negoziierungskredit. Vgl. Bösch, Martin: Internationales Finanzmanagement, Stuttgart 2014, S. 250ff. Kurzfristige Finanzierung allgemein kann durch Überziehungskredite, Factoring oder Invoice-Discounting (das Unternehmen nutzt offene Rechnungen als Sicherheit, um sich Geld zu leihen, meist zu schlechten Bedingungen) erfolgen.

Börsenwesen: Die Börse ist ein hochgradig organisierter sowie zeitlich und örtlich zentralisierter Markt für fungible Sachen und Rechte. In Deutschland sind Börsen öffentlich-rechtliche Institutionen. Börsenorgane sind der Börsenrat, die Börsengeschäftsführung, der Sanktionsausschuss und die Handelsüberwachungsstelle. Die Geschäfte zerfallen in Kassa- und Termingeschäfte. In der Regel werden aggregierte Indizes gebildet. Vgl. Engst/ Kipp: Börsenstrategien für Dummies, Weinheim 2014. 2020 nach der Wirecard - Pleite wird die Aktienbörse reformiert. Bei einer Insolvenz sollen Unternehmen schneller aus dem DAX rausfliegen. Die Deutsche Börse versucht, mehr junge und mittelständische Firmen an den Aktienmarkt zu locken. Sie richtet 2017 ein "Scale-Segment" ein. Aber das größte Hindernis ist der Preis: 1,8 Mio. Euro kostet im Durchschnitt ein Börsengang für KMU. "Die Börse ist ein Paternoster. Es ist gefährlich, durch den Keller zu fahren. Man muss die Nerven behalten", K. Galbraith, US-Ökonom.

Primär- und Sekundärmarkt: Zum An- und Verkauf von Aktien benötigt man einen Markt. Es gibt verschiedene Arten von Märkten. Sie hängen vom Aktientyp und der Größe des Geschäfts ab. Beim Börsengang (Börsendebut) verkauf eine Firma ihre Aktien auf dem Primärmarkt mit den Diensten einer oder mehrerer Investmentbanken. Auf dem Sekundärmarkt handeln Anleger mit Aktien. Der Handel wird über Makler, Vermittler, Händler und andere durchgeführt, die auch Provisionen bekommen. Dies ist der Sekundärmarkt. Zusätzlich gibt es noch Dritt- und Viertmärkte (Pensionsfonds, Hedgefonds, Großinvestoren). Der professionelle Händler und Vermittler von Wertpapieren an der Börse heißt Broker. Er verlangt eine feste Gebühr und/oder eine Provision. Er kann zusätzlich von der Geldkurs-Briefkursspanne profitieren. Beim Geschäft spricht man von Brokerage.

Daytrading: Käufe und Verkäufe von identischen Wertpapieren am selben Börsentag. Profite werden aufgrund geringer Schwankungen erzielt. Oft werden wenige Minuten ausgenutzt.

Shortseller: Spekulanten, die auf fallende Kurse setzen (erst leihen sie sich Papiere, sie zahlen eine Leihgebühr, dann kommt die Wette auf fallende Werte, dann wird die Aktie wieder verkauft. die Differenz zwischen Verkaufs- und Kaufkurs abzüglich der Leihgebühr ist der Gewinn des Leerverkäufers). Sie werden auch Kurs-Crasher genannt. Sie greifen oft schwer durchschaubare Geschäftsmodelle an. Sie können die Börsen sauber halten.

Aktien: Vermögenswerte, die ein Teileigentum an einem Unternehmen und einen Anspruch auf das zukünftige Einkommens darstellen, welches das Unternehmen verdient. Der Aktienmarkt ist der Markt, auf dem Aktien gehandelt werden. Die Aktienrisikoprämie ist eine Überrendite, die Aktien im Vergleich zu sicheren Anlagen erzielen. Die Aktienrenditen liegen in vielen Ländern deutlich über denen andere Vermögenswerte (obwohl das Risiko sehr viel höher liegt). Diesen Sachverhalt bezeichnet man auch als Aktienprämien-Rätsel. Die internationalen Aktienmärkte sind wichtige Frühindikatoren internationaler Konjunkturen und Krisen. Sie orientieren sich an Risiken wie Schulden, Kreditwürdigkeit usw. Man könnte sagen dass am Aktienmarkt die Zukunft genadelt wird. Immer noch am wichtigsten ist der US-Aktienmarkt mit dem Dow Jones. Die wird eine Zeitlang noch so bleiben ("Corporate America", Reichtum). Sehr wichtig sind auch der deutsche und japanische Markt (DAX, Nikkei). Je stärker das Vereinte Europa wird,  desto mehr verliert der DAX an Gewicht. Immer bedeutsamer werden die Aktienmärkte der Schwellenländer (Brasilien, China, Indien). Die Aktienbörsen spiegeln immer deutlicher die Aktivitäten des internationalen spekulativen Finanzkapitalismus wieder. Die Volatilität der Aktienkurse hat dramatisch zugenommen, insbesondere seit dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008. Das hängt auch mit der Zunahme der Geschwindigkeit durch das Internet zusammen. Hinzu kommen zunehmend so genannte "Fat Finger", d. h. eine zu große Order (meistens ein Tippfehler des Händlers). Der Aktienmarkt soll "entschleunigt" werden (Haltefristen von 48 Std. bei Wertpapieren?). Die psychologischen Faktoren "Angst" (Gerüchte) und "Gier" wirken ebenso immer stärker. Der Zusammenhang zur Gewinnsituation des Unternehmens hat sich gelockert. Die Korrelationen zu Anleihen, Rohstoffen und Devisen müssen systematischer untersucht werden. Wachstum der Weltwirtschaft, technischer Fortschritt und sinkende Ungleichgewichte in der Welt (Schwellenländer) wirken stabilisierend. Symbole des Marktes  sind Bär (für abwärts) und Bulle (für aufwärts). Immer wieder zu Skandalen kommt es wegen Insiderhandel. Es handelt sich um die Verwendung von internen Sonderinformationen über die Lage eines Unternehmens für Börsengeschäfte (er wurde 1994 in Deutschland verboten). Illegale Börsenpraktiken sind Bear Raid, Free Riding, Gun Jumping, Pump and Dump, Scalping. Capital Asset Pricing - Modell (CAPM): Hier hängt die Risikoprämie einer Kapitalinvestition von der Korrelation des Investitionsertrages mit dem Ertrag des gesamten Aktienmarktes ab. Weltweit wird folgendes Missverhältnis zum Trend: Viele Unternehmen erhöhen die Boni, zahlen aber keine Dividende oder machen sogar Verlust. Nach den Rechten unterscheidet man Stammaktien (gleiche Rechte der Aktionäre) und Vorzugsaktie (Sonderechte für Aktionäre). Nach der Übertragbarkeit gibt es Inhaberaktien (ohne Namen), Namensaktien (im Aktienregister eingetragen) und vinkulierte Namensaktien (Zustimmung der AG bei Übertragung notwendig). Die größte Börse für Privatanleger in Deutschland ist mittlerweile die Berliner Plattform Tradegate (Wertpapierhandelsbank, AG, Tradegate Exchange). Wenn der Anleger keine Börse vorgibt, landet die Order oft dort. Die von Deutscher Börse und London Stock Exchange geplante europäische Mega-Börse soll ihren Sitz in London haben (wegen des Brexit gibt es starke Widerstände). Die Hauptversammlung verliert bei Aktiengesellschaften immer mehr an Bedeutung. Sie wird durch einen Investorendialog ersetzt (nur die Großen). Als große Schwachstelle hat sich in den letzten Jahren der Aufsichtsrat erwiesen (Beispiele: Deutsche Bank, Autofirmen). Der Job wird oft nicht professionell und unabhängig vom Vorstand gemacht. Während die weltweiten Aktienmärkte im Februar 2018 deutlich nachgaben, bleibt für das ganze Jahr 2018 der Aktienmarkt wohl positiv, d. h. die Kurse steigen weiter. Deutschland hat keine Volks-Aktienkultur. Die Konzentration bei einer Finanz-Elite der Gesellschaft ist hoch. Das ist ein wichtiger Grund, warum der Abstand zwischen Reich und Arm immer größer wird. Ende 2022 gibt es sogar 12,89 Mio. Aktionäre in Deutschland. Das Jahr war nichts für schwache Nerven.  2014 tobt ein Übernahmekampf zwischen den Mittelständlern R. Stahl (Explosionsschutz) und Weidmüller (Elektronikausrüster). Aktien werden zunehmend in so genannten Dark Pools gehandelt. Käufer und Verkäufer bleiben anonym. Die Börsenaufsicht ist nervös und sinnt nach Gegenmaßnahmen. Für Anleger in Aktien gibt es einige Grundregeln: Lege nie alle Eier in einen Korb. Greife nie in ein fallendes Messer. Kaufe, wenn die Kanonen donnern. Hin und her macht Taschen leer. Ende 2014 strebt Rocket Internet an die Börse. Es handelt sich um eine Netzplattform bzw. Internet-Beteiligungsgesellschaft (Brüder Samwer, Zalando; auch Westwind, home24, LaZada). Das Unternehmen braucht frisches Geld. Rocket Internet ist der einzige deutsche Internetkonzern von Weltrang. Der Börsengang bringt nur 605 Mio. Allerdings stürzten die vielfach überzeichneten Aktien danach ab. €. 2014 geht auch der chinesische Internetkonzern Alibaba (Jack Ma) an die Börse von New York. Dabei wird ein neuer Rekord erzielt. Mit 25 Mrd. $ wird der höchste Betrag der Geschichte erzielt. Im Herbst 2014 rückt das Dax-Unternehmen Adidas ins Visier von Spekulanten, die die US-Tochter Reebok kaufen wollen. Adidas hat binnen Monaten ein Drittel seines Unternehmenswertes verloren. Der Europäische Gerichtshof will 2015 mit strengeren Regeln gegen den Insiderhandel kämpfen. Die US-Konzerne Apple und Google, die Unternehmen mit der höchsten Marktkapitalisierung, horten riesige Geldreserven (Bermudas, Cayman Islands). In den USA machen sie lieber Schulden als Steuern zu bezahlen, was bei den Niedrigzinsen ein gutes Geschäft ist. Die Frage ist, was sie vorhaben. 2016 kündigt Bayern eine klage gegen VW an. Der Freistaat sieht seinen Pensionsfonds durch Wertverlust der VW-Aktie geschädigt. Der Konzern habe zu spät über Kursrisiken infolge der Abgas-Affäre informiert. Nach dem Brexit und später nach der Wahl in den USA brechen die Aktienkurse weltweit ein. Sie entwickeln sich 2017 auch negativ, weil eine Eskalation der Nordkorea-Krise befürchtet wird. Im Februar 2018 gibt es einen Crash an der New Yorker Börse, dem alle anderen Aktienmärkte folgen. In Deutschland gibt es 2018 nur 10,06 Mio. Aktienbesitzer (nur Aktien 2,89; Aktien und Aktienfonds 2,03; nur Aktienfonds 5,14). Im März 2018 bringt Siemens seine Gesundheitssparte Healthineers (Röntgengeräte, Magnetresonanz- und Computertomographie) an die Börse. Siemens trennt sich von 15% seiner Anteile. Mit einem umfangreichen Gesetz, das 2018 erarbeitet wird, will die Bundesregierung weitere Lehren aus der Finanzkrise ziehen: kurzfristiges Gewinnstreben und Gehälterexzesse bei Managern sollen erschwert werden. Die Aktionäre bekommen mehr Macht. Im Oktober 2018 wird die Porsche SE, die VW-Dachgesellschaft, zu einer Schadensersatzzahlung von 47 Mio. € an die Anleger wegen des Dieselskandals verurteilt. Ende 2018 haben die DAX-Konzerne eine Euro-Blase: Einige haben sich bei Übernahmen übernommen. Die Quittung kommt, wenn sich die Konjunktur abschwächt. 2021 gibt es einen Rekord bei den Dividenden der deutschen DAX-Konzerne, der dann 22 ausgezahlt wird (45,5 Mrd. €). Spitzenreiter sind BASF, Covestro und Allianz. Fast alle Konzerne können sich auch Dividenden leisten. In der EU könnten die Dividenden um 30 % steigen.

Gang an die Börse für KMU (z. B. "Kleine AG"): KMU machen sich an der Börse rar. Während im Spitzenjahr der New Economy 1999 noch 175 Unternehmen ein Initial Public Offering (IPO, im Prime Standard) im regulierten Markt wagten, waren es 2013 nur noch sechs und 2012 acht. Spätestens ab 2015 sollen Start-up-Unternehmen leichter an die Börse kommen können. Ein Börsensegment "Markt 2.0" soll eingerichtet werden. Es gibt verschiedene Wege an die Börse: 1. Listing (an einer neuen Börse zugelassen). 2. Privatplatzierung (ausgewählte institutionelle Investorengruppen). 3. Erstemission (IPO): Qualifikation, Bank, Prospekt, Verkaufsförderung, Ausgabekurs, Erstemission. Die Deutsche Börse in Frankfurt und die London Stock Exchange (LSE) wollen sich 2016 zusammenschließen. Die Aktionäre geben grünes Licht. Die Aufsichtsbehörden sind wegen des Brexit dagegen. Im März 2017 untersagt die EU-Kommission die Fusion. In den Industriestaaten verschwinden Unternehmen reihenweise von der Börse. Das billige Geld der Notenbanken erlaubt intransparenten Finanzinvestoren einzukaufen. Die Finanzmärkte verlieren zunehmend die Funktion als öffentliche Marktplätze. Der weltweite Aktienhandel stagniert seit Jahren. Mit Übernahmen versuchen die Börsenbetreiber deshalb nach Wachstumschancen. Die Schweizer Börse Six hat ein Übernahmeangebot für den spanischen Börsenkonzern BME abgegeben. Aber auch Euronext zeigt Interesse. Setzt SIX sich durch, dürfte ihr Handelsvolumen das der Deutschen Börse übertrumpfen.   Im Oktober 2016 geht die Ökostromsparte der RWE an die Börse. Das Unternehmen heißt Innogy und bringt 5 Mrd. € ein. Damit ist es der drittgrößte deutsche Börsengang (nach Deutsche Post, Infineon und vor T-Online). Die Staatsanwaltschaft ermittelt 2017 gegen den Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter wegen Insiderhandels. Er muss im Oktober als Börsenchef zurücktreten. Nachfolger wird Theodor Weimer. Erst 2014 ist das Start-up Rocket Internet an die Börse gegangen. Nach anfänglichem Höhenflug geht es fast nur bergab, Ab Juli 2019 dürfen EU-Börsen Schweizer Aktien nicht mehr zum Handel anbieten. Ursache ist ein politischer Konflikt zwischen Brüssel und Bern. Im Februar 2021 geht Auto1 an die Börse. Der Gebrauchtwagenhändler legt sofort 45% zu.

Kennzahlen für Erfolg an der Börse: 1. KGV: Kurs-Gewinn-Verhältnis. Der Kehrwert ist die Gewinnrendite. 2. KCV: Kurs geteilt durch Cashflow je Aktie. 3. KBV: Kurs-Buchwert-Verhältnis. 4. Dividendenrendite: Ausschüttung in Prozent des Kurses. 5. PEG: Price/Earnings-to-Growth. Berücksichtigung des Wachstums.

Aktienmarkt in Deutschland: In Deutschland haben in der Bevölkerung  23% Wertpapiere, 39% Bankeinlagen und 37% Pensionen/ Andere Werte. Die Deutschen setzen stark auf Sicherheit und Garantien (andere Kriterien: Einfachheit, Rendite, Vertrauen). Das ist von den Aktien her gesehen schlechter als in anderen Ländern. 2021 hatten in Deutschland 12.1 Mio. Menschen Aktien oder Aktienfonds, was 17,1 % der Gesamtbevölkerung sind. Erfreulich ist , dass es 2020 starke Zunahmen in der Altersklasse von 14 - 39 Jahren gab (+46%; "die Aktie ist in der Hosentasche angekommen"/ Handy). In unteren Einkommensklassen gibt es kaum Aktien. Um so stärker bei hohem Einkommen (über 4000 € 33,6% 2017). Quellen: Deutsche Bundesbank, Deutsches Aktieninstitut, beide Frankfurt. 2022 steigt in Deutschland die Zahl der Aktionäre auf 12,9 Mio. (+800.000). Die Rückschläge 2022 haben viele für den Einstieg genutzt.

Exkurs. Aktivistisch Investierende: "Die wachsende Präsenz aktivistisch Investierender in Deutschland fordert Unternehmen durch einen konfrontativen Stil und weitreichende Forderungen heraus. Dieser Beitrag ordnet das angloamerikanische Kapitalmarktphänomen im Spannungsfeld zwischen Corporate Governance und der Eigentümerstruktur von Unternehmen ein. Die Auswirkungen aktivistischer Kampagnen werden für eine Stichprobe deutscher Unternehmen anhand der kurzfristigen Aktienkursreaktionen analysiert. Der festgestellte Bewertungseffekt ist positiv und statistisch signifikant. Im Mittel beträgt die abnormale Aktienrendite infolge aktivistischer Kampagnen 3,96 %. Diese Reaktion des Kapitalmarkts kann durch Transaktions- und Informationseffekte erklärt werden." Siehe Zwölfer, Raphael/ Lenk, Anke: Aktivistisch Investierende und ihre Einflussnahme auf Unternehmen, in: Wirtschaftsdienst 11/ 2023, S. 783-787.

Value-Aktien: Die Aktien großer, stabiler, oft betagter und unterbewerteter Unternehmen (auch Substanz-Aktien genannt).

Renditen der Aktien im Vergleich zu anderen Anlageformen: Das Deutsche Aktieninstitut berechnet das Rendite-Dreieck. Dieses setzt den Verkauf (Zeitraum) und den Anlagezeitraum in Beziehung. Auf 50 Jahre gesehen haben Aktien die höchste Rendite. Sie liegt bei 5 bis 7%. Das ist im Vergleich sehr viel ("buy and hold"- Strategie).

Dividenden: Das Wort kommt vom Lateinischen "dividere" und bedeutet "teilen". Das Aktiengesetz regelt: Aktionäre, also Anteilseigner, haben den Anspruch, das ein Unternehmen sie am Gewinn teilhaben lässt - falls es schwarze Zahlen schreibt. In Deutschland werden die Dividenden üblicherweise einmal im Jahr ausgeschüttet. Nach der Ausschüttung sinkt meist der Aktienkurs (Dividendenabschlag). Unter einer Dividendenstrategie versteht man das gezielte Investieren in Firmen, die verlässlich ausschütten (25 Jahre kontinuierlich, "Aristokraten"). Über die Dividendenrendite kann man Aktien vergleichen: Prozentangabe. Zuletzt gezahlte Nettodividende durch den Börsenkurs geteilt und mit 100 multipliziert werden. Seit 2009 müssen müssen auf Dividenden 25% Abgeltungssteuer gezahlt werden. Dazu kommen noch Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer. Auf Ausschüttungen ausländischer Unternehmen zahlen Anleger in den meisten Ländern eine Quellensteuer. In der Regel muss nicht doppelt gezahlt werden, weil es Doppelsteuerabkommen gibt.

Rolle der Aktie in der privaten Vermögensbildung: Dazu gilt folgende Empfehlung: 1. Muss: hohe Liquidität (Sparbuch, Festgeld, Termingeld). Absicherung (Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung). 2. Soll: Liquidität und Rendite (Festverzinsliche Wertpapiere, Rentenfonds). Aktien und Aktienfonds. 3. Kann:  Derivate, Immobilien, Gold. Krypto - Währungen wurden außen vor gelassen.

Risikomanagement: 1. Risikominderung durch Streuung (Diversifikation. 2. Risikominderung durch Langfristanlage. 

Copy Trading: Es gibt drei Beteiligte. Der Anleger im Netz. Ein Finanzdienstleister (FinTech) und ein Trader bzw. Influencer. Sitz des Geschäftsmodells  ist meist Dubai oder Zypern, so genannte Schattenfinanzplätze. Gehandelt wird oft mit CFDs, deren Konstruktion und Risiko  schwer durchschaubar ist. Der Follower folgt einem Top Trader über ein soziales Netzwerk (Instagram, TikTok). Ein bekannter Finanzdienstleister, der mit diesem Geschäftsmodell arbeitet,  ist NAGA (Anlage App mit integriertem sozialen Netzwerk). Top Trader, der mit NAGA kooperiert ist Flo Pharell (BWL-Studium in München, Sitz Dubai). Das Fintec NAGA AG wurde 2015 in hamburg gegründet von Benjamin Bilski. Er ist heute noch CEO-. Der Wert beträgt 2023 56 Mio. €. 83% der Kunden von NAGA verlieren Geld mit ihren Anlagen (offene  Statistik). Man arbeitet mit einem Margin Call (Pfand) und einem Hebel (30, 1000). Profis beurteilen das Modell skeptisch: Swiss Finance Institut, Dorfleitner, Regensburg.

SPACS: Mantelfirmen ohne Inhalt, die an die Börse gehen. Der Trend ist international. Die Phasen: 1. Gründung: Die Gründer eines Spacs finden sich zusammen und wenden sich meist einmal an professionelle Investoren, um viel Geld einzusammeln. 2. Börsengang: Die SPAC geht als leere Unternehmenshülle an dei Börse und kann dabei noch viel Geld einsammeln. Auch Privatanleger können sich dann an einer SPAC beteiligen. 3. Firmenübernahme: Die SPAC sucht ein Unternehmen, das an die Börse möchte, häufig ein Start-up. Die beiden fusionieren - und im besten Fall steigt danach der Aktienkurs. Vgl. Jensen, Maren: Ein Hauch von nichts, in: Die Zeit Nr. 23, 2.6.2021, S. 25.

Finanzinvestoren-Fonds: 2019 sind die aktuell größten Finanzinvestoren-Fonds Softbank Vision Fund II, Blackstone Capital Partners VIII, Global Infrastructure Partners I, Brookfield Infrastructure Fund I, TPG Partners VIII LP, Lexington Capital Partners IX L. 64.000 Übernahmen und Finanzierungen gingen in den 6 Jahren vor 2019 auf das Konto von Finanzinvestoren.

Kapitalerhöhung: Eine AG kann ihr Eigenkapital durch die Ausgabe junger Aktien erhöhen. Diese sind nicht voll dividendenberechtigt. Es gibt Kapitalerhöhungen ohne und mit Bezugsrecht. 2014 setzt z. B. die Deutsche Bank auf Kapitalerhöhung. Sie neue Aktien im Wert von 8 Milliarden Euro aus. Erstens kauft Scheich Hamad aus Katar für 1,75 Mrd. € Aktien (60 Mio. Stück). Zweitens kann man am Kapitalmarkt für 6,3 Mrd. € Aktien kaufen (Aktionäre bevorzugt). Die Kapitalerhöhung entspricht etwa 25% des aktuellen Börsenwertes. 2016 plant Bayer eine Kapitalerhöhung von 15 Mrd. Euro, um Monsanto aus den USA übernehmen zu können. Ebenso will die Deutsche Bank eine Kapitalerhöhung durchführen (8 Mrd. €).

Dividendenfinanzierung und  -ausschüttung: Bei Aktiengesellschaften kann es vorkommen, dass Bankkredite zur Finanzierung von Dividenden dienen. Diese Praxis belastet die Unternehmen und ist im Mittelstand qua Rechtform nicht verbreitet. Weltweit haben Unternehmen 2013 erstmals mehr als eine Billion Dollar an Gewinnen ausgeschüttet (1027 Mrd. US-$). 2014 können Aktionäre deutscher Konzerne mit 34 Mrd. € rechnen. 2018 dürften die Dividenden der DAX-Unternehmen einen neuen Rekord erreichen. Die Dividenden-Rendite ist bei RWE im DAX am höchsten. In der Corona-Krise 2020 werden die Dividenden reduziert. Manche streichen sie sogar ganz. Knapp 55 Mrd. € an Dividenden dürften die Dax-Konzerne 2024 an Investoren ausschütten. Damit steuern sie auf einen Rekord zu.  2021  gab es hohe Dividendenausschüttungen in Europa: 378 Mrd. €. 2022 waren es sogar 410 Mrd. €. Der lukrativste Sektor waren Rohstoffe.

Rückkauf von Aktien: Bei vielen Firmen ist dies sehr beliebt. So können auch die Kurse in die Höhe getrieben werden. Beispiele sind General Motors, Allianz, Apple. Oft finanzieren die Unternehmen die künstliche Nachfrage über Schulden.

Anspruchsträger (Stakeholder) und Struktur einer AG: Dies sind Gruppen oder Einzelpersonen wie vor allem Eigentümer, Beschäftigte, Führungskräfte, aber auch Zulieferer oder die Kommune. Shareholder-Value (Wert des Aktienkapitals) ist der Gesamtwert  für die Unternehmenseigentümer (Markterlöse, Ruf, Wachstumspotential). Die Eigentümer werden als Shareholder bezeichnet. Aktie (Stock) ist ein Eigentumsanteil an einem Unternehmen. Die Aktiengesellschaft (AG) ist im Aktienrecht geregelt. Es schreibt einen Vorstand und einen Aufsichtsrat vor. Die Arbeit der Aufsichtsräte müsste verbessert werden. Man sollte mehr externe Sicht einholen. Gefährlich können Eigeninteressen werden.

Aufsichtsrat: Es wird immer wieder die Frage nach der Rolle des Aufsichtsrates und der Kompetenz seiner Mitglieder gestellt (vor allem nach Wirecard). Fehlentscheidungen werden aus unabhängiger, externer Perspektive manchmal klarer erkannt als von einem daran beteiligten Experten. Ein Aufsichtsrat kann seine wichtige Rolle als Frühwarnsystem aber nut erfüllen, wenn Struktur und Atmosphäre des Gremiums den offenen und kritischen Diskurs begünstigen. In vielen Aufsichtsräten besteht die Tendenz, die professionellen und formalen Elemente auf Kosten der informellen Elemente auszuweiten. Vgl. Schilling, florian: Aufsicht ist mehr als Formalie, in: FAZ Nr. 8, 11.01.2021, S. 16 Aufsichtsräte und externe Boardmitglieder sehen oft nur das, was ihnen das Topmanagement zeigt - und geben sich damit zufrieden. Mit dieser passiven Haltung sollte Schluss sein. Vgl. White, Andrew u. a.:  10 Fragen, die jedes Boardmitglied stellen sollte, in: HBM September 2021, s. 60ff.

Stimmrechtsberater: ISS und Glass Lewis beraten Investoren bei Hauptversammlungen. ISS hat seinen Sitz in Rockville/ Maryland. ISS und Glass Lewis kommen 2018 auf einen Marktanteil von 97%. ISS ist mit ca. 70% Marktführer. Ihr Einfluss wächst. Immer öfter watschen Hauptversammlungen auch in Deutschland die Manager ab (Bayer, BMW).

Form der Hauptversammlungen: Siemens bedrängt 2023 Investoren, dass die Hauptversammlungen des konzerns auch in Zukunft nur online stattfinden. Viele andere Dax - Unternehmen beobachten gespannt, ob das gelingt.

Deutsches Aktieninstitut, Frankfurt (Chefin 2019: Christine Bortenlänger; bekommt 2021 durch den Wireccard - Skandal richtig Arbeit; berät die Politik; Stimme des Kapitalmarktes; Mitglieder sind Firmen, Banken, freie Berufe; seit 1953)

Aktien auf Kredit: Immer mehr Anleger, vor allem an der Wallstreet, leihen sich Geld, um mehr in Aktien investieren zu können. Dazu gehören Hedgefonds und Privatanleger. Bei fallenden Kursen an den Aktienmärkten könnte dies den Abschwung verschärfen. Als Negativbeispiel gilt Archegos. Gary Gensler, der neue SEC-Chef (Börsenaufsicht der USA), möchte strengere Regeln für Hedgefonds, Leerverkäufer und Neobroker.

Strategien beim Aktienkauf: 1. Buffet-Munger-Methode: starke Marken, simple Geschäftsmodelle und solide Kennzahlen. 2. KBV - Substanz-Methode: Kurs-Buchwertverhältnis. 3. Dividenden-Methode: verlässliche Dividendenzahler. 4. Ethisch inkorrekte Methode: Öl, Tabak und Waffen nicht meiden. Vgl. Sommer, Ulf: Schatzsuche im Börsendschungel, in: HB Nr. 20/ 28.29.30.1.22, S. 44ff.

Grüne alternative Masterpläne: Auch Unternehmensinitiativen beschäftigen sich mittlerweile mit dem Thema. Sie wollen auch eine Verbindung mit den Spielregeln an den Aktienmärkten. Wachstum soll neu vermessen werden, gesellschaftliche Faktoren und der Schutz der Umwelt sollen besser honoriert werden. So entwickelt eine Gruppe um das Vorstandsmitglied Saori Dubourg der BASF einen Value for Society: Er besteht aus den drei Faktoren Ökonomischer Wert, Sozialer Wert und Ökologischer Wert. Vgl. Niejahr, Elisabeth: Grüner Masterplan, in: WiWo 23, 31.5.19, S. 54f.

Finanzsektor und Nachhaltigkeit: Der Finanzsektor soll zukünftig auch Klimaschutzzielen unterworfen werden. Anleger und Investoren wollen für Nachhaltigkeit Rendite kassieren. Das ganze läuft unter dem Motto "Nur grünes Geld ist gutes Geld" (vgl. WiWo 17, 18.4.2019, S. 28). So wird auch der DAX einem Nachhaltigkeits-Check unterworfen. Äußerst positiv werden Allianz und Münchener Rück bewertet. Sehr positiv sind SAP, Infineon, und Deutsche Börse. Positiv Merck, Wirecard, Deutsche Telekom, Henkel, Siemens, Adidas, Deutsche Post, Neutral Covestro, Continental, BMW, FMC. Negativ werden die restlichen unternehmen bewertet. Quelle: Globalance Footprint. Ebenso werden Investitionen in ihrer positiven Wirkung auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft bewertet: 2018 wurden 2900 Milliarden Euro investiert. Quelle: Forum Nachhaltige Geldanlagen.

EU-Finanzmarktregulierung für Klimaschutz: Die EU will ab 2019 bis 2024  die Monetarisierung der Klimapolitik mit der Regulierung der Finanzmärkte verbinden. Jahresberichte sollen zukünftig mehr Informationen zur Nachhaltigkeit enthalten, damit Investoren dies bei ihren Entscheidungen berücksichtigen können. Nachhaltigkeitsfaktoren sollen auch zukünftig eine größere Rolle bei Ratings spielen. Erwogen wird zudem, Hypothekarkredite für Energieeffizienz in den Bilanzen der Banken bevorzugt zu behandeln. Mit anderen Ländern soll auch eine internationale Plattform für einen globalen Ansatz entwickelt werden.

Institutionelle Anleger (Investoren) und Nachhaltigkeit: Institutionelle Anleger machen Ernst beim Thema Nachhaltigkeit. Aktiengesellschaften müssen ihnen jetzt Rechenschaft darüber ablegen, was sie für Umwelt und Gesellschaft tun ("Environmental, Social and Governance, ESG). Fünf Maßnahmen helfen Unternehmen, sich auf das neue Zeitalter einzustellen: 1. Erklären, welchen übergeordneten Sinn ihr unternehmerisches Handeln hat. 2. Investoren einen integrierten Bericht vorlegen. 3. Ihre Mittelmanager bei ESG-Themen stärker einbinden. 4. In neue Software investieren. 5. ESG-Ziele besser messen. Vgl. Eccles, R. C./ Klimenko, S.: Revolution der Investoren, in: HBM, September 2019, S. 30ff.

Grüne Anlagen (Finanzprodukte): 1, Weltweite Fonds: Superior 6 Global Challenges. Triodos Global Equities Impact. 2. Weltweite ETFs: iShares MSCI World SRI. Amundi MSCI World SRI. UBS MSCI World Socially. 3. Europa-ETFs: iShares MSCI Europe SRI. iShares Edge MSCI Europe Quality Factors. 4. Schwellenländer-ETFS: UBS MSCI Emerging Markets Socially Responsible. Vgl. Focus 10/2021, S. 45.

Nachhaltigkeit als Trend ("Grüner Schein"): Klima schonend und sozial verträglich ist ein Megatrend ab 2020. Dabei gibt es eine Reihe von Akteuren: 1. Der Banker. Jede Bank will Green Bonds auflegen. Es gibt auch Spezialbanken dafür. 2. Die EU-Kommission: Für die Finanzbranche ist 2021 Mairead McGuiness zuständig. Drei Artikel der EU-Verordnung sind relevant (Artikel 6, Artikel 8, Artikel 9). 3. Der Unternehmer. 4. Rating - Agenturen (Sustainalytics, RobecoSAM, MSCI, KLD, Video Eiris, Asset4). Sie haben einen großen Einfluss, liegen aber oft weit auseinander. Sie berechnen z. B. den Fußabdruck oder schätzen. 5. Der Privatanleger. Vgl. Goebel, J. u. a.: Grüner Schein, in: WiWo 15/ 9.4.21, S. 14ff.

Investitionen in nachhaltige Anlagen: Man unterteilt in zwei Gruppen: 1. Impact Investments (messbare soziale und/ oder ökologische Wirkung neben finanzieller Rendite, 2022 39 Mrd. €). 2. ESG (Environmental, Social, Governance). Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung. Mindeststandards (2022 181 Mrd. €). Zum Vergleich: konventionelle Anlagen 406 Mrd. €. Greenwashing - Skandale haben das Vertrauen erschüttert. Vgl. Der Spiegel 31/ 29.7.23, S. 72ff. .

Öko-Aktienfonds: Es sind global anlegende Aktienfonds mit Nachhaltigkeitsfokus. Sie haben ein gutes Rating und beste Performance: Green Benefit Global Impact Fund. Ökoworld Klima. Deka-Umweltinvest. Green Effects - NAI - Wertefonds. Schroder ISF Global Climate Change. HSBC GIF Global Eq. Climate Change. Pictet - global Environmental Opp. KBC Eco Fund Impact Investing. Swisscanto Equity Fund Sustainable. GLS Bank Aktienfonds. NN Global Sustainable Equity. Erste Responsible Stock global. DPAM Invest Equities World Sustain. Mirova Global Sustainable Quity. BMO Global Resonsible Equity. Quelle: HB Nr. 48, 10.3.21, S. 30f.

SDAX: Insgesamt 50 Mitglieder. Auch Immobilien-, Pharma- und Maschinenbauwerte. Viele Nebenwerte haben sich in den vergangenen Jahren besser entwickelt als die Unternehmen im Dax. Zum SDax gehören auch der BVB und Hornbach.

Sehr aussagefähig ist in Deutschland mittlerweile auch der MDax. Hier sind viele mittelgroße, exportstarke Firmen (50 Unternehmen, 62% der Umsätze im Ausland) vertreten, die gleichzeitig Weltmarktführer sind. Seit Mitte 2012 bis April 2013 ist er um 17 Prozent gewachsen. Die Unternehmen sind in ihren Nischen oft Weltmarktführer. Die Unternehmen versuchen zunehmend, sich als Marke zu etablieren.

Aktienarten: Stamm- und Vorzugsaktien: Wer Stammaktien besitzt, darf auf der Hauptversammlung mitreden. Vorzugsaktien bedeuten in der Regel nichts zu sagen zu haben, aber dafür mehr Dividende zu bekommen. Die Unterteilung ist eine typisch deutsche Angelegenheit. Es gibt außerdem anonyme oder persönlich bekannte Aktien. Erstere nennt man Inhaberaktien. Die zweite Gruppe heißt Namensaktien. Weitere Bezeichnungsarten sind in der Sprache der Börsenleute: So gibt es Blue Chips, Mid Caps, Small Caps und Penny Stocks. Vgl. Engst, J./ Engst, J. J.: Börsenstrategien für Dummies, Weinheim 2014, S. 56ff. Wenn Kleinaktionäre aus Aktiengesellschaften herausgedrängt werden, nennt man dies Squeeze. Das kann durch Beschluss gegen ihren Willen geschehen mit einer entsprechenden Abfindung. Es gibt auch einen nachbörslichen Handel, also Aktiengeschäfte jenseits des Parketts. Hieraus ergeben sich Anzeichen für den Aktienkurs am nächsten Tag.

Verbriefung: Darüber gliedern Banken Kredite aus ihrer Bilanz aus und reichen sie an Investoren wie Pensionsfonds oder Versicherungen weiter. Dadurch kann in der Folge Eigenkapital freigesetzt werden, dass zur Vergabe von Finanzierungen (insbesondere an KMU) genutzt werden kann. Insofern verbriefen viele Banken ihre Mittelstandsdarlehen (auch direkt Mezzanine-Kapital).  Es gibt sogar Programme, bei denen Firmen ihre Forderungen selbst verbriefen können. Verbriefungen sind in unterschiedliche Risikoklassen gestückelt, sie sind mit Forderungen besicherte Wertpapiere (Asset Backed Securities). Durch den Suprime Market in den USA ist diese Form erheblich in Verruf geraten. Bei den Garantien gibt es zwei Modelle: horizontal, bei der jede Tranche einer Verbriefung ein unterschiedliches Ausfallrisiko hat. Vertikal, bei dem der Staat für sämtliche Ausfälle mit einem bestimmten Prozentsatz haftet. KMU könnten also ein Interesse daran haben, dass sich der Markt erholt, weil sonst für sie eine Kreditklemme drohen kann. "Auf das gesamtwirtschaftliche Kreditvolumen haben Ökonomen und Notenbanken nicht geachtet", Carmen Reinhart, University of Maryland.

Asset Backed Securities (ABS, Kreditverbriefungen): Bündelung von Forderungen, um sie an Investoren (Verkauf an Fonds) weiterzureichen. So können sie aus der Bilanz des Gläubigerunternehmens ausgelagert werden. Die Risiken werden damit breiter gestreut, aber gleichzeitig auch verschleiert. Vor der Finanzkrise 2008 gelang dies mit verzerrten Ratings der Agenturen aus den USA. Deshalb galten diese Papiere auch als "Giftpapiere" (Forderungen mit schlechter Bonität) und waren Mitauslöser der Finanzkrise.  Folglich sank das Volumen dieser Anleihen von rund 700 Milliarden Euro in 2008 auf ca. 180 Milliarden Euro 2013. In Europa waren aber die Ausfallraten von 2007 bis 2013 mit 1,4% relativ gering. Nun will 2014 die EZB den Markt wieder ankurbeln. Konkret will die EZB ABS ankaufen, um die Bilanzen der Banken zu entlasten. Damit könnte sie eine Art Bad Bank bilden. Gegenwärtig ist dies nicht möglich, weil die Regeln zu strikt sind (Entscheidung über eine Lockerung bis 2015).  Schon 2014 will die EZB jetzt ABS kaufen. Sie folgt damit dem Beispiel der Fed. In Europa herrscht aber eine andere Struktur. Das Geschäftsmodell, Forderungen mit zweifelhaftem Wert und Hintergrund als ABS zu verkaufen wird weiterhin von den amerikanischen Banken betrieben. EDMC ist der größte private Bildungsanbieter in den USA. Mit einer Art Drückerkolonnen werden Studenten Kredite vermittelt, mit denen ein Studium bezahlt wird. Die Zertifikate dieser Hochschulen sind zweifelhaft und führen zu keinem Arbeitsplatz. Die Studenten bleiben auf hohen Schulden sitzen, die sie ein Leben lang verfolgen. EDMC verkauft die Forderungen weiter, die zu ABS werden. Die Mehrheit an EDMC hält Goldman Sachs (40%).

Leerverkäufe: Auch "short selling". Es sind Verkäufe von Papieren, die man nicht hat. Man leiht sich Papiere, bei denen man einen Kursverlust erwartet und verkauft diese dann zum aktuellen Kurs. Wenn der Kurs tatsächlich fällt, kann man die Papiere billiger kaufen und zurückgeben und die Differenz stellt den Gewinn dar ("Wetten auf fallende Kurse"). Der potentielle Gewinn ist die Differenz zwischen dem Aktienpreis und dem Kursverfall. Fast alle Länder haben die Leerverkäufe, die kurzfristig in der Krise verboten waren, wieder erlaubt. So die USA und Deutschland. China hat die Leerverkäufe 2008 erst eingeführt. Auch Kreditversicherungen (Credit Default Swaps/ CDS) werden zu ähnlichen Spekulationen genutzt. Eigentlich sind sie eine Versicherung, die vor dem Ausfall eines Schuldners schützen soll. Hedge-Fonds kaufen CDS, ohne die zugrunde liegenden Anleihen (z. B. Griechenland, 8,3%) zu halten. Sie spekulieren auf steigende Prämien, wobei sie den Schutz  dann weiterverkaufen. Als größter Leerverkäufer gilt der Amerikaner James Chanos. Er sieht die Leerverkäufer als die Finanzpolizisten der Märkte in Echtzeit. Viele Experte fordern, die Leerverkäufe zu verbieten werden (sind aber wichtig für die Liquiditätsversorgung der Banken, die USA erwägen eine Erschwerung). Leerverkäufe können unter vernünftigen Rahmenbedingungen Kurse glätten und Blasen verhindern. Am 18.05.10 verbietet die Bafin ungedeckte Leerverkäufe (naked shorts) in Deutschland. Das Verbot bezieht sich auf Anleihen von Staaten der Eurozone (auch auf CDS). "Ungedeckt" ist Anleihen bzw. Aktien-Verkauf, ohne sie zu besitzen. Der Bundesfinanzminister darf auch Derivate verbieten, die auf deutschen Aktien oder dem Euro-Kurs basieren. Nettopositionen aus Leerverkäufen müssen veröffentlicht werden. Im August 2011 werden nach Turbulenzen an den Aktienmärkten Leerverkäufe vorübergehend in vier weiteren Staaten verboten (Frankreich, Italien, Spanien, Belgien). Später beschließt die EU, dass die europäische Börsenaufsicht ESMA in Krisenzeiten Leerverkäufe befristet verbieten kann. Großbritannien klagt vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Begrenzung und das Verbot von Leerverkäufen durch die ESMA. Der Gerichtshof weist 2014 die Klage zurück. Eng verbunden mit Short-Selling sind Kreditausfallversicherungen. auch sie sollten vermindert werden. Verbunden mit Leerverkäufen sind auch so genannte Cum-Ex-Geschäfte. Sie dienen der Steuerersparnis. Dies ist z. B. durch Dreiecksgeschäfte zwischen Investoren möglich. "Wetten auf Börsenkurse, auf Staatspleiten und künftig wohl auf Rohstoffpreise schaffen keine Werte und auch keine Nachfrage", Wilhelm Segerath, Gesamtbetriebsrat Thyssen-Krupp. 2016 rückt der Hedgefonds-Manager Carson Block ins Blickfeld. Er attakiert Ströer Media (betreibt das T-Online-Portal). Seit 2010 ist Ströer an der Börse.

Funktionsweise von Shortselling: 1. Ein Leerverkäufer leiht sich gegen eine geringe Gebühr Aktien von einem anderen Aktienhändler aus. 2. Er verkauft diese zum aktuellen Kurs an der Börse. 3. Der Akteinkurs fällt durch die Bekanntgabe der Informationen über die Firma durch den Leerverkäufer. 4. Sobald der kurs gefallen ist, kauft der Leerverkäufer die Aktien wieder. 5. Er gibt sie dem Händler zurück. Die Differenz behält er als Gewinn. Vgl. Die Zeit 10/2023, S. 20.

Wechselkursmanagement: Notwendig bei Extrahandel (Handel mit Nicht-EU-Staaten). Zwischen Preisbildung (Katalog) und Lieferung bzw. Zahlung liegen oft mehr als ein Jahr. Gegen Wechselkursschwankungen kann man sich mit Devisentermingeschäften, Devisenoptionsgeschäften, Fremdwährungskrediten, Vorauszahlung, Durchsetzung der eigenen Währung (Monopol) oder mit Prognosen des Wechselkurses absichern. Die Betroffenheit der KMU ist nicht so groß,  weil sie in monopolistischen Konkurrenzmärkten agieren (doppelt geknickte Preisabsatzkurve, "kinky demand"). Der Bereich mit der Elastizität nahe 0 kann durch Kundenbeziehung, Qualität, Image, Service u. a. aufrecht erhalten werden. Fremdwährungsrisiken bestehen aus zwei Komponenten: dem Transaktions- und dem Translationsrisiko. Das Transaktionsrisiko bezieht sich auf bestehende Forderungen und Verbindlichkeiten in Fremdwährung. Wertet die heimische Währung ab, steigen diese Positionen an. Wertet die heimische Währung auf, sinken die Positionen. Transaktionsrisiken betreffen den Cashflow eines Unternehmens. Das Translationsrisiko bezieht sich auf Umrechnungseffekte in der Bilanz. Im Falle einer Abwertung der Bilanzwährung, sind in Fremdwährung erzielte Umsätze und Gewinne in der Umrechnung plötzlich höher - und umgekehrt. Translationsrisiken betreffen das Eigenkapital eines Unternehmens. Mit Devisen-Termingeschäften loggt ein Unternehmen den Wechselkurs zu einem bestimmten Termin in der Zukunft fest ein. Bei Fälligkeit überweist das Unternehmen zum Beispiel US-Dollar, die Gegenpartei - in der Regel eine Bank - überweist dafür Euro gemäß dem abgemachten Wechselkurs. Es gibt zwei Arten: Futures werden an der Börse gehandelt. Forwards außerbörslich. Im Gegensatz zum Termingeschäft behalten Unternehmen bei einer Devisenoption die Möglichkeit, von einer für sie günstigen Wechselkursentwicklung zu profitieren. Wertet zum Beispiel der Euro ab (wie im März 2015; aktuell: Rubel-Crash, Franken-Freigabe, US-Dollar-Aufwertung), kann sich das Unternehmen entscheiden, die Option verfallen zu lassen. Bei Optionen wird allerdings eine Prämie fällig. Siehe Desiree Backhaus, Risiko Wechselkurs, in: Finance, März/ April 2015, s. 10ff. In Anbetracht der geldpolitischen Schere zwischen USA und Euroland 2015 gewinnt die Wechselkurssicherung strategisch an Bedeutung.

Derivate: Handelbare Papiere, die von variablen Basiswerten wie Rohstoffpreise (Edelmetalle) oder Aktienkurse (Zinstitel, Währungen, Indizes) abgeleitet sind. Zu den Derivaten zählen Optionen, Termingeschäfte (Futures) und Swaps (Tauschgeschäfte). Im Grunde genommen handelt es sich um Wetten auf die zukünftige Entwicklung. Kreditderivate ähneln entweder einer Versicherung oder einer Anleihe auf Kredit und werden überwiegend zwischen Banken, Versicherungen, Pensionsfonds und Hedge-Fonds gehandelt. Wichtigste Variante sind Credit Default Swaps (CDS), eine Art Kreditversicherung. Bisher konnten die Banken die Preisgestaltung frei durchführen und mussten keine Gebühren an Dritte leisten (Lizenz zum Geldverdienen). 2012 legt die EU fest, dass zukünftig ein Großteil der Produkte über klassische Börsenbetreiber abgewickelt werden muss. Für alle Derivate wird eine Anmeldung der Geschäfte eingeführt, um Kettenreaktionen auf den Finanzmärkten zu verhindern. Innerhalb des derivativen Instrumentariums gibt es den Swap als Tausch von z. B. variabeln und festen Zinssätzen als Zinsswap im Kassageschäft, als Forward Swap im Termingeschäft und als Swaptionen im Optionsmarkt. Derivate spielen eine große Rolle als finanzielle Gegengeschäfte (bedingt und unbedingt) bei Exporten und Importen. Sie geraten aber auch immer wieder in Verruf. Bedingte Termingeschäfte sind etwa Zinsoptionen (Zins-Cap, Zins-Floor, Zins-Collars).Optionen haben viele typen (Long-Call, Short-Call, Long-Put, Short-Put). Unbedingte Termingeschäfte sind etwa Swaps, Futures und Forward Rate Agreements (FRA). So soll der Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund mit einer Spekulation auf fallende Aktien der Mannschaft zusammenhängen. Die Deutsche Bank macht hohe Verluste mit Derivaten (2017: 315 Mio. €, 2018: 326, 2019: ?).

Clearing: Die Clearing-Häuser führen den Derivate - Handel durch. Die Abwicklungsgeschäfte werden hauptsächlich in London getätigt. Nach einem möglichen Brexit will die EU den Derivate - Handel aufs Festland holen. Dann gingen in London ca. 30.000 Arbeitsplätze verloren. Es geht um die Verrechnung von Wertpapiergeschäften in Euro

Warenkreditversicherung: Turbulenzen im Globalen Handel treffen nicht nur Exporteure, sondern auch deren mittelständische Zulieferer. Gegen dieses Risiko hilft eine Warenkreditversicherung. Sie schützt vor Ausfällen bei Forderungen. Zulieferer geben oft Kredite an Unternehmen, so genannte Lieferantenkredite. .Die Zahlungsfrist liegt im Schnitt bei 31 Tagen. Bezahlt wird im Schnitt 10 Tage später. Die schlechte Zahlungsmoral und die Zahl der Insolvenzen hebt die Sorge vor Zahlungsausfällen.  Also werden immer mehr Versicherungen abgeschlossen. Vgl. Midia Nuri: Sturmwarnung für die Weltmärkte, in: Die Zeit Nr. 27, 27. Juni 2019, S. 28.

Finanzierung multinationaler Unternehmen (Multis): Die Finanzierungsstruktur der Tochter hat Einfluss auf die Mutter. Danach weist sie bestimmte Anteile von Eigenkapital oder Fremdkapital zu. Bei der Bewertung spielen auch Länderrisiko und Währungsrisiko eine Rolle. Ganz wichtig ist auch der Einfluss des Steuerrechts. Vgl. Bösch, Martin: Internationales Finanzmanagement, Stuttgart 2014, S. 211ff. .

Indirekte Unternehmensverflechtungen über institutionelle Anleger und Wettbewerb bzw. Wettbewerbspolitik:  Das Risikopotential ergibt sich daraus, dass aus Sicht eines Miteigentümers ein Wettbewerb auf Kosten eines Konkurrenten unattraktiver wird, falls der Miteigentümer auch bei diesem Konkurrenten beteiligt ist. Die erwogenen Maßnahmen zur Eindämmung dieses Risikopotentials mögen bislang hinsichtlich ihrer Effektivität und Umsetzbarkeit unausgereift sein, die Diskussion über die Maßnahmen sind dennoch notwendig. Folgende Maßnahmen sind in der Diskussion: 1. Berücksichtigung von Common-Ownership-Verflechtungen im Rahmen der Fusionskontrolle. 2. Regulatorische Ansätze zur allgemeinen Begrenzung indirekter Verflechtungen. 3. Verschärfung von Corporate Governance-Regeln.Vgl. Wambach, Achim/ Weche, John P.: Das wettbewerbliche Risikopotential institutioneller Anleger, in: Wirtschaftsdienst 2019/ 8, S. 575ff.

Bürgschaften: Spielen eine große Rolle bei der Absicherung von Exportgeschäften. Des Staat bzw. seine Tochter Hermes übernimmt die Ausfallrisiken. In die Kritik geraten Bürgschaften für milliardenschwere Rüstungsexporte mit so genannten Schurkenstaaten. Die Vergabe von Bürgschaften und Garantien ist für die Bundesregierung ein lukratives Geschäft. Die Einnahmen aus der Inanspruchnahme von Gewährleistungen übersteigen die Ausgaben für Entschädigungsleistungen (von 1991 bis 2013 um 17,4 Mrd. €). Im auftrag der Bundesregierung bieten die Euler-Hermes Kreditversicherungs-AG und die PricewaterhouseCoopers AG Versicherungsleistungen an für das Ausfallrisiko an (Federführung bei Euler Hermes). Ende 2014 sind die Hermes-Bürgschaften für Griechenland vor dem aus (gilt ab 2015). Ab Juni 2016 sichert die Bundesregierung wieder Exporte in den Iran ab. Die Bundesregierung fördert seit dem gleichen Zeitpunkt auch wieder Investitionsprojekte durch Hermes-Bürgschaften. Betroffen sind 47 Projekte im Iran mit einem Volumen von 795 Mio. €. 2017 hat die Bundesregierung trotz der Krise mit der Türkei mehr Geschäfte abgesichert (der Umfang der Hermes-Bürgschaften stieg um ein Drittel auf 1,458 Mrd. €).

KfW-Bank: Über die Kreditanstalt für Wiederaufbau in Frankfurt laufen die meisten Fördermittel für KMU. Das gilt auch für die Mittel der EU. Hauptproblem ist die Tatsache, dass die Abwicklung der Kredite über die Hausbank laufen muss, deren Gewinnspanne oft zu gering ist. Deshalb hält sich das Interesse der Hausbanken in Grenzen. Insofern kann die KfW eine Kreditklemme nur begrenzt lindern. 2009 wird erwogen, durch die KfW direkt Kredite an KMU zu vergeben. Die KfW ist eine Gruppe: die Förderbank unterstützt insbesondere Umweltinvestitionen. Die Mittelstandsbank hilft Unternehmen bei der Kreditfinanzierung. Die Ipex-Bank macht Export- und Projektfinanzierung. Die Entwicklungsbank fördert Projekte in der Dritten Welt. Die DEG konzentriert sich auf die Privatwirtschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern. Ende 2009 erleichtert die KfW nochmals die Kreditaufnahme für den Mittelstand: Kredite für Betriebsmittel in 2010, längere Laufzeit für Investitionen, längere Zinsbindung. Die KfW baut ihr internationales Geschäft auf. Sie will Europas Wirtschaft insgesamt unterstützen. Dabei muss sie aufpassen, dass sie ihren Wettbewerbsvorteil als Staatsbank nicht zum Nachteil der Geschäftsbanken ausnutzt. Die zweitgrößte Förderbank für KMU in Deutschland ist die NRW-Bank. In RLP läuft das Mittelstandsförderprogramm über die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB). Dieses hatte zuletzt 2009 einen Umfang von 254,5 Mio. € (Inanspruchnahme). Ein wichtiges Instrument ist die stille Beteiligung. 2011 wird die ISB mit der Landestreuhandbank verschmolzen. Nach Vorgaben des Bundes muss auch eine Bürgschaftsbank gegründet werden. Die Bank soll auch unabhängiger vom Landeshaushalt werden (Förderprogramme aus eigener Kraft).  Die KfW-Bank gerät 2014 in die Kritik, weil sie sich nach Meinung der Grünen an der Zerstörung des Great Barrier Riffs beteiligt. Sie fördert Investitionen in den Kohlehafen Wiggins Island. 2017 braucht die KfW mehr Eigenkapital. Aufgrund eines Programmierfehlers hatte die Bank versehentlich 7,6 Mrd. Euro an vier Großbanken überwiesen. Die Förderbank hat 2017 weniger Kredit vergeben (76,5 Mrd. €) und weniger Gewinn eingefahren. Sie vergab aber mehr Kredite an den Mittelstand. 2017 sinkt der Jahresgewinn auf 1,4 Mrd. €. Es ist ein gutes Zeichen, wenn die Förderbank weniger gebraucht wird.

KfW-Bank in der Corona-Krise 2020: Ab März 2020 muss das Institut zeigen, was in ihm steckt. Bisher kannte man eher behäbige Strukturen. Das Kanzleramt setzt große Hoffnungen in die Bank. Es machte sie auch zum Generalmanager der Energiewende. Vorstandschef ist Günther Bräuning 2020.

Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB): Förderbank des Landes mit Sitz in Mainz. Sie ist eine Anstalt öffentlichen Rechts und gehört dem Land Rheinland-Pfalz. Sie ist für die Unterstützung der Wirtschaft und Wohnraumförderung zuständig. Zur Förderung der Wirtschaft werden günstige Kredite vergeben, immer in Kooperation mit der Hausbank. Hinzu kommen Bürgschaften. Die Kreditzusagen an KMU und Kommunen beliefen sich 2013 auf 2,33 Mrd. €. Bei Bürgschaften lag das Neugeschäft bei 11,2 Mio. €.

Schwarmfinanzierung (auch "Crowdinvesting" bzw. "Crowdfunding" genannt; "Schwarm" = Vielzahl von Geldgebern): Finden von Kapitalgebern über das Internet. Junge Unternehmen holen sich das Geld nicht von großen Investoren oder Wagniskapitalgebern, sondern von Kleinanlegern über das Internet. Diese Finanzierungsform gewinnt an Bedeutung. Im Moment steht noch die Anschubfinanzierung von Start - Up - Unternehmen  im Mittelpunkt. Der Grundmechanismus besteht darin, dass Investoren - vermittelt über das Internet - Kapital an Start-ups geben und dafür einen Erfolgsanteil bekommen. Oft liegen mittlerweile Investitionsprojekte schon bei 100.000 € und mehr. Es geht darum, Investoren zu finden und zu halten. Zuerst muss eine Plattform im Internet ausgewählt werden (vgl. zu Adressen die Seite "Links"/ KMU/Finanzierung; Bsp. Compeon; Seedmatch). Dann muss man Geldgeber finden. Dazu braucht man gute Kennzahlen und ein innovatives Geschäftsmodell. Die Investoren sollten regelmäßig betreut und informiert werden. Feedback im Internet sollte genutzt werden. Fallstudien aus Deutschland: Das Tiefbauunternehmen Doms aus Leverkusen finanzierte einen Bagger mithilfe von Crowd (Genussrechte). Der Sensorhersteller Urbana konnte 3 Mio. € über eine Finanzierungsrunde im Netz sammeln. Die Crowdfunding-Plattform Companisto expandiert als erster deutscher Anbieter ins Ausland (seit 2012 zwei Dutzend Firmen von mehr als 14.000 Anlegern Geld eingesammelt; Mindestanlagebetrag fünf Euro). Das bekannteste Crowd-Funding-Projekt in Deutschland ist der Kino-Film "Stromberg", der aus Finanzspritzen von Fans bezahlt wurde. In der Regel erhalten die Geldgeber keine finanzielle Gegenleistung in Form von Zinsen, sondern Sachgüter (CD, Buch, Freikarten, Privilegien u. a.). Probleme entstehen, wenn das Geld gegeben wurde, aber das Projekt nicht zustande kommt. Projekte können auch während der Laufzeit scheitern.  Deshalb sprechen Verbraucherschützer mehr von Spende als von Geldanlage. Im Englischen ist das der Unterschied zwischen Crowdfunding und Crowdinvesting (Rendite fließt nur, wenn das Vorhaben gelingt und Gewinne abwirft). Mittlerweile ist der Anfangszauber verflogen. Die Pleiten bei von Schwarmfinanzierern  finanzierten Start-ups häufen sich. Die Investoren merken dabei, dass sie kaum Rechte haben. Auch die den Anlegern angebotenen Erlöse haben sich als niedrig erwiesen. 2014 gibt es in Deutschland 26 Plattformen. Folgende entsprechend finanzierte Unternehmen sind in die Pleite gegangen:  Betandsleep (Hoetelvermittlung), foodieSquare (Lebensmittel-Versand), Zapitano (TV-Community), BluePatent (Schutzrecht-Recherchen), Speed Car (Schlagloch-Beseitigung). 2013 holen sich auch immer mehr Privatkunden Kredite aus dem Internet (14 % über eine Bank; 7% über ein Kreditvergleichsportal). 2014 rückt die Internetplattform "Zencap" in den Vordergrund. Sie vermittelt Darlehen an Firmen. Vorher erfolgt eine gründliche Bonitätsprüfung (aber Projekt wichtiger als Bilanz). Es geht um Kredite bis zu 100.000 Euro. Die Wirecard Bank kümmert sich um die Abwicklung. Neben Crowdfunding (ideelle Unterstützung, Projekt- oder Produktbeteiligung; reine Spenden; nicht-monetäre Belohnungen) und Crowdinvesting (Geldanlage; Investments durch Überschreibung von Anteilen am Projekt oder sogar am Unternehmen durch Eigenkapital) gibt es noch Crowdlending (Geldanlage auf Zinszahlung plus Tilgung basierend). 2014 wurden weltweit 16,2 Mrd. $ durch Crowdfunding eingesammelt (2013: 6,1; 2012: 2,7). Am wichtigsten ist die Finanzierungsquelle in den USA (2014: 9,5 Mrd. $). Europa lag hinter Asien an dritter Stelle. Am meisten wurde 2014 für Produkte und Unternehmen eingesammelt (dann folgen: Soziale Projekte, Filme, Immobilien und Musik). Hauptproblem der Schwarmfinanzierung ist, dass die Rendite  gemessen am Risiko zu gering ist. Also kommt es noch eher auf immatrielle Belohnungen an. Eine ausführliche Studie des IfM Bonn 2015 (Unternehmensgründung und Crowdinvesting; 145 KMU befragt) kommt zu folgenden Ergebnissen: Die Finanzierungsform ist besonders geeignet für innovative Wachstumsunternehmen. Der finanzielle Beitrag der Gründer ist entscheidend. Der Ablasshandel von Tetzel zu Luthers Zeiten kann als Schwarmfinanzierung für klerikale Zwecke (Petersdom) gesehen werden. Die Idee ist also sehr alt. Chinesische Raubkopierer nutzen Crowdfunding -Plattformen, Inspirationen zu erhalten. Ihre Plagiate sind dann oft früher am Markt als das Urprodukt.  "Neither a borrower nor a lender be" (Kein Borger sei und auch Verleiher nicht), William Shakespeare, 1564-1616, Dramatiker und Dichter (Zitat aus "Hamlet", 1, Akt, 3.Szene). 2014 ereignet sich eine kuriose Crowdfunding - Aktion: Zack Danger Brown isst gerne Kartoffelsalat. Er stellt am 04.07. auf die Plattform "Kickstarter" ein Projekt ein: 10$ einsammeln, um sich davon selbst einen Kartoffelsalat zu machen. Schon am 08.07. gaben 3500 Menschen 38.000 Dollar (Prämien: 1 $ Namen; 2$ Foto; 5 $ selbst Zutat aussuchen; 10$ mit in die Küche; 25$ Kartoffelsalat-Hut; 35$ T-Shirt; 50$ Kartoffelrezepte). Die Unterstützer kommen aus der ganzen Welt. Gesammelt wird bis zum 2. August. Der Berliner Michael Bohmeyer sammelt per Crowdfunding 12.000 €, um einem anderen Menschen ein Jahr lang ein bedingungsloses Grundeinkommen zu finanzieren. Chris Roberts, ein Pionier der Computerspiel-Branche, kann 2014 mit Crowdfunding 49 Mio. Dollar für das Spiel "Star Citizen" (Weltraumsimulation, Luke Skywalker) einsammeln. 2014 kommt die erste Crowdfunding-Anleihe (Mittelstandsanleihe, Crowdrange). Ende 2014 will der Pirmasenser Maßschuhfertiger Ralf Siebert mindestens 20.000 € durch Crowdfunding einsammeln für vegane, fair und nachhaltig hergestellte Schuhe. Als größte Crowdfunding-Flops in Deutschland gelten bisher Ubuntu Edge, NUIA eyeCharm und Smarty Ring. Italiens Filmindustrie finanziert immer mehr Filme über Crowdfunding. Auch die Landwirtschaft sammelt zunehmend Geld im Internet. Crowdfunding wird für Weinberge und Äcker eingesetzt. Die Finanzierer erhalten Naturalien. 2015 erscheit eine Studie der britischen Uni Cambridge zur Schwarmfinanzierung in Europa: Deutschland hinkt hinterher, obwohl sich die Summe der Projekte von 2012 auf 2014 verfünffacht hat (140 Mio. € 2014). Es führt GB. 2015 wird mittels Crowdfunding auch die Flüchtlingsrettung auf dem Mittelmeer finanziert (Unternehmerpaar Catrambone aus Malta, Migrant Offshore Aid Sation). Am 19.10.15 startet in London eine Crowdfunding-Aktion für das Projekt eines "Todescafes". Mithilfe des "Death Cafe" sollen sich Menschen mit der Endlichkeit des Lebens beschäftigen. Eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn 2015 zeigt, das Schwarmfinanzierer im Schnitt 10 Prozent Verlust machen. Untersucht wurde der Zeitraum 2011 bis 2014. Die Forscher hatten 163 Finanzierungsrunden in 145 Firmen. 85% der Firmen wollten wieder mit Crowdinvesting finanzieren. 2017 wird in Deutschland mit einem Gesamtumfang der Schwarmfinanzierung von 34 Mio. US-$ gerechnet. Diese Finanzierungsart steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen, ganz im Gegensatz zu den USA und China. 2017 scheitert der Zugbetreiber Locomore. Er war stark über Crowdinvesting finanziert. Hunderte Investoren fürchten um ihr Geld.

Crowdfunding (auch Crowdsourcing): Beim Crowdfunding steht die ideelle Unterstützung im Vordergrund (es geht um Emotionen, potentielle Geldgeber sollen berührt werden): Projekt- oder Produktbeteiligung; reine Spenden; nicht-monetäre Belohnungen. Trotzdem kann man Donation-Based-Crowdfundung und Reward-Based-Crowdfunding (Danksagung, Abspann des Films) unterscheiden. Eine so genannte "Community" ist also der Geldgeber. Das bekannteste Crowd-Funding-Projekt in Deutschland ist der Kino-Film "Stromberg", der aus Finanzspritzen von Fans bezahlt wurde. In der Regel erhalten die Geldgeber keine finanzielle Gegenleistung in Form von Zinsen, sondern Sachgüter (CD, Buch, Freikarten, Privilegien u. a.). Probleme entstehen, wenn das Geld gegeben wurde, aber das Projekt nicht zustande kommt. Durch Crowdfunding werden mittlerweile Projekte in Kunst, Kultur und Wirtschaft finanziert. Immer mehr entdeckt der Sport Crowdfunding. So kommen Exoten zur Unterwasserhockey-WM, Jugendmannschaften sammeln für Trikots, Afghanistan finanziert so sein Frauen-Handballteam. Führende Plattform im Sport ist "Fairplaid". In Deutschland könnte sich diese Finanzierungsart im Sport zur dritten Säule entwickeln neben staatlicher Förderung und dem klassischen Sponsoring. Ähnlich dem Crowdfunding ist das Crowdsourcing: Hier arbeiten Mitarbeiter kostenlos mit. Nach diesem Muster funktionieren alle Bewertungsportale. Aber auch Wikipedia gehört zu diesem Modell. In der Wissenschaft hat dieses Modell eine lange Tradition. Schon Charles Darwin griff auf die Arbeit von Hobbywissenschaftlern zurück. Der Astrophysiker Chris Lintott von der Uni Oxford hat das Modell auf die Astrophysik übertragen. Auch immer mehr Privatleute versuchen, mit Crowdfunding private Dinge zu finanzieren lebenswichtige Operationen, Studium, Flitterwochen). Sie starten dazu eigene Crowdfunding-Kapagnen im Internet (oft über soziale Netzwerke). Noch unklar bleibt, was dabei der Kern ist (moderne Bettelei, Bedürfnis der Kommunikation, Not). Ende 2015 fordern die Verbraucherschützer schärfere Regeln für Geldanlagen über Internet-Plattformen (Schutz für Kleinanleger; weder Altersvorsorge noch Vermögensaufbau; Kontrolle durch Bafin). Ein Brite startet 2015 eine Kampagne, um Griechenlands Staatsschulden zu bezahlen. Er wollte 1,6 Milliarden über eine Crowdfunding-Plattform einsammeln. In Deutschland kamen allein 2015 dafür fast 10 Mio. € zusammen.   2014 ereignet sich eine kuriose Crowdfunding - Aktion: Zack Danger Brown isst gerne Kartoffelsalat. Er stellt am 04.07. auf die Plattform "Kickstarter" ein Projekt ein: 10$ einsammeln, um sich davon selbst einen Kartoffelsalat zu machen. Schon am 08.07. gaben 3500 Menschen 38.000 Dollar (Prämien: 1 $ Namen; 2$ Foto; 5 $ selbst Zutat aussuchen; 10$ mit in die Küche; 25$ Kartoffelsalat-Hut; 35$ T-Shirt; 50$ Kartoffelrezepte). Die Unterstützer kommen aus der ganzen Welt. Gesammelt wird bis zum 2. August.Der Berliner Michael Bohmeyer sammelt per Crowdfunding 12.000 €, um einem anderen Menschen ein Jahr lang ein bedingungsloses Grundeinkommen zu finanzieren. Chris Roberts, ein Pionier der Computerspiel-Branche, kann 2014 mit Crowdfunding 49 Mio. Dollar für das Spiel "Star Citizen" (Weltraumsimulation, Luke Skywalker) einsammeln. 2014 kommt die erste Crowdfunding-Anleihe (Mittelstandsanleihe, Crowdrange). Ende 2014 will der Pirmasenser Maßschuhfertiger Ralf Siebert mindestens 20.000 € durch Crowdfunding einsammeln für vegane, fair und nachhaltig hergestellte Schuhe. Als größte Crowdfunding-Flops in Deutschland gelten bisher Ubuntu Edge, NUIA eyeCharm und Smarty Ring. Italiens Filmindustrie finanziert immer mehr Filme über Crowdfunding. Auch die Landwirtschaft sammelt zunehmend Geld im Internet. Crowdfunding wird für Weinberge und Äcker eingesetzt. Die Finanzierer erhalten Naturalien. 2015 erscheit eine Studie der britischen Uni Cambridge zur Schwarmfinanzierung in Europa: Deutschland hinkt hinterher, obwohl sich die Summe der Projekte von 2012 auf 2014 verfünffacht hat (140 Mio. € 2014). Es führt GB. 2015 wird mittels Crowdfunding auch die Flüchtlingsrettung auf dem Mittelmeer finanziert (Unternehmerpaar Catrambone aus Malta, Migrant Offshore Aid Sation). 2015 finanziert die Sängerin Elen Wendt aus Berlin ihr Album "Elen" über Crowdfunding. "Croudfunding ist eine Demokratisierung von Kapital - jeder entscheidet selbst, wie er sein Geld investieren möchte", Jens-Uwe Sauer, Gründer und Geschäftsführer von Seedwatch. 2015 haben die Deutschen 249 Mio. € in Crowdfunding angelegt (Quelle: KPMG, Uni Cambridge).

Crowdfunding - Plattformen  für nachhaltige Investments (Green Finance): GreenX-Money (E.On) hat sich auf erneuerbare Energien spezialisiert. Beteiligungsform ist ein Forderungskaufvertrag. GLS Crowd finanziert Immobilien und erneuerbare Energien. Es handelt sich um ein Nachrangdarlehen. Green Rocket sammelt Geld für Start-ups. Beteiligungsform ist hier Nachrangigkeitsdarlehen bzw. Genussrechte. Bettervest kümmert sich um Erneuerbare Energien und Entwicklungsländer. Beteiligungsform ist ein Nachrangigkeitsdarlehen. Econeers (Eigentümer Seedmatch) finanziert Start-ups und Erneuerbare Energien. Es handelt sich um ein Partiarisches Nachrangigkeitsdarlehen. Vgl. Wirtschaftswoche 28/ 7.7.17, S. 75. "Wer in die Spielbank geht, weiß auch, dass er Geld verlieren kann", Daniela Bergdolt, Anlegeranwältin, über das Risiko der Schwarmfinanzierung, 2017.

Große Crowd - Projekte in Deutschland: Erfolgreiche Start-ups über Crowd-Investing-Plattformen: LeaseRad (Fahrradleasing), Erdbär (Obst-Snack), Companisto (Crowdplattform), Foodist 1 (Essens-Abo), Refined Investmet (Fianzberatung). Die größten Immobilien-Projekte sind: Weissenhaus, SpreeSide-Residenz, Urbanara (Immobilien). 

Ablauf und Funktionsweise eines Crowdfunding:  Oft fängt man mit der Erstellung eines Videos an. Dann wählt man eine passende Plattform aus. Die Plattform überprüft den Bewerber, was man Screening-Prozess nennt. Dann geht man online. Ständig müssen Informationen nachgeliefert werden. Nach dem Ende der Kampagne erfolgt eine Nachbereitung. Die Provisionen der Plattformen sind unterschiedlich. Sie liegen meist bei 5% plus Transaktionsgebühren. Manche geben auch das Geld zurück, wenn das Finanzierungsziel nicht erreicht wurde.

Crowdfunding in der Realität: Die Bundesregierung hatte ein Kleinanlegerschutzgesetz gemacht, um Privatinvestoren mehr Informationen und besseren Schutz am Kapitalmarkt zu geben. 2019 lässt sie eine Bestandsaufnahme machen, die sich auf die Zeit zwischen 2011 und April 2018 bezieht. Quelle der folgenden Infos ist also die Bundesregierung: 60,5% gehen in die Immobilienfinanzierung (193 Projekte, 220 Mio. €). Dann kommt die Unternehmensfinanzierung (425 Projekte, 114 Mio. €). Mit 8% folgen soziale/ökologische Projekte (124, 29 Mio. €). Schlusslicht ist der Film (0,1%, 1 Projekt, 0,4 Mio. €). Nur ein Drittel der Projekte benötigt mehr als 500.000 €. Die meisten Anleger sind männlich (88%). Die meisten Investitionen liegen unter 1000 € (86%). 10% aller Anlagen sind Ausfälle. Mitte 2019 erschüttert ein Crowd-funding-Geschichte Südafrika: Ein schwarzer Tankwart leiht einer weißen Autofahrerin das Geld für den Tankinhalt. diese eröffnet auf den Tankwart ein Crowd-funding-Konto. 30.000 € (430.000 Rand) kommen zusammen.

"Traden" in Gemeinschaft: Onlineplattformen. Es gibt drei große in Deutschland: 1. eToro. 2. Wikifolio. 3. Naga Trader. Es gibt allerdings keinen Rechtsrahmen. Das Risiko ist sehr hoch. Herdenverhalten ist normalerweise nicht gut.

Finanzierung über ICOs (Initial Coins Offering; Coins/ Token): Kapitalaufnahme über globale Crowd. Sie könnten die Finanzwelt revolutionieren. Bei einem ICO verkauft ein Unternehmen über die Crowd eigne Coins und kann dieses Kapital dann langfristig zur Finanzierung nutzen. Technisch abgewickelt wird das mit der Blockchain-Technologie. ICO-Vorreiter in Europa ist die Schweiz.

Online-Spenden: Sie sind auf dem Vormarsch. Das geschieht auch über Plattformen. Eine führende Plattform ist betterplace.org. Sie bietet Unternehmen jeder Größenordnung Lösungen an. Es geht um digitale Lösungen von CSR-Strategien. Unternehmen sollen ihr gesellschaftliches Engagement digital denken und online sichtbar machen. Im Gegensatz zu Crowdfunding geht es hier nur um eine Spende. Es gibt auch keine Mindestkapitalmenge.

Social Community: Im Nachgang zur Finanzkrise 2008 sind Social Trading-Plattformen entstanden, die auf gebündelte Erfahrungen einer Social Community setzen ("Weisheit der Vielen"). Die entscheidende Frage ist, ob die Empfehlungen für Investitionen (Investmentfonds) besser sind als die von professionellen Fonds-Manager. Das kann mit einer Risiko-Rendite-Betrachtung angegangen werden. Vgl. Breitmayer, B/ Pelster, M.: Investmentfonds der Social Community, in: WiSt 4/2017, S. 19ff.

Mittelstandsfinanzierung: Schätzungen für 2016 (Quelle: Capmarcon): Eigenkapital 400 Mrd. Euro, Bankkredite (315 Mrd. €, Rückstellungen 110 Mrd. €, Schuldscheine 24 Mrd. €, Anleihen 3 Mrd. €. Vgl. Handelsblatt 8.2.2017, S. 31. Literatur: Geiseler, C: Das Finanzierungsverhalten kleiner und mittlerer Unternehmen: Eine empirische Untersuchung, Wiesbaden 1999 und Hommel, U,/ Schneider, H.: Financing the German Mittelstand, EIB-Papers, 8(2), S. 53-90. Der traditionelle Bankkredit ist die Säule. Hier stehen die Sparkassen und Volksbanken im Vordergrund. Die Kreditkosten machen im Schnitt zwei bis vier Prozent des Umsatzes aus. Immer mehr setzt sich der Finanzierungs-Mix durch. Neben Eigen- und Fremdkapital kommen auch Beteiligung, Factoring und Leasing. Schwarmkapital spielt in der Finanzierung von Start-ups eine immer größere Rolle. Die Kapitalbeschaffung über das Internet wird zur Alternative zu Risikokapital. Innovationen passen oft nicht in das Kreditschema, weil die meisten Banken standardisierte Modelle anbieten. Weitere alternative Formen sind Private Equity, Anleihen und Genussrechte. Zusammenhänge in der Mittelstandsfinanzierung: 1. Die Anfangsfinanzierung bei der Gründung beeinflusst spätere Phasen der Finanzierung. 2. Subjektive Faktoren haben Einfluss. 3. Besonders wichtig ist eine genaue Beobachtung nach der Investition (Monitoring) und entscheidet auch über den Erfolg des Unternehmens. "Ich habe alles Geld, das ich verdient habe, sofort wieder reinvestiert. Hätte ich es auf der Bank gelassen, wäre es emotional weniger wert als das, was ich daraus gemacht habe", Reinhold Messner, Bergsteiger. Mittlerweile gibt es im Fernsehen eine Sendung, mithilfe derer Start-ups Finanzierungen für ihre Investitionen suchen können. Sie heißt die "Höhle der Löwen" (VOX, Di. 20.15 Uhr). 2015 lanciert die IKB Debt Fonds für den Mittelstand ("Valin Mittelstand Senior Debt Fund"). Er hat ein Volumen von 475 Mio. € und vergibt Fremdkapital für Laufzeiten von sieben bis zehn Jahre. Versicherungen und Pensionsfonds wollen von der Kreditnachfrage solider Mittelständler profitieren (höhere Rendite; Investoren sind Generali, NNGroup, Gothaer Versicherungen). IKB soll auf einen neuen Gesellschafter vorbereitet werden (US-Investor Lone Star will aussteigen). 2015 gibt es Pläne für ein europäisches Kreditregister, in dem alle Darlehen ab 25.000 € erfasst werden. Der Mittelstand fürchtet zunehmende Bürokratisierung.

Corona 2020 und Mittelstandsfinanzierung: Vor der Krise lag die Eigenkapitalquote bei ca. 31 Prozent. Der Mittelstand hatte also viele Jahre gut gewirtschaftet. Das Polster war besser als bei der Finanzkrise 2008. Einige mittleständler werden die Krise wegen Finanzierungsproblemen nicht überstehen. Die Chancen hängen vom finanziellen Polster. Manchmal ist auch die Hausbank und ihr Sitz entscheidend. Oft wird auch auf das Privatvermögen zurückgegriffen. Vgl. Schulte, Jens: Ran an die Reserven, in: WiWo 26, 19.6.20, S. 62f.

Exkurs. Der Staat als Unternehmer. Systematik der Rettungspolitik in der Corona-Krise. Grundsätzlich können drei Stränge unterschieden werden: 1. Es gibt Unternehmen mit guten Geschäftsmodell. Wenn die Pleite gehen, entsteht großer Schaden. Hier biete der Staat Liquiditätshilfen an, vorrangig Kredite. Notfalls überhaupt der Staat 100% des Ausfallrisikos (Basuka). Es stellt Fremdkapital dar, das zurückgezahlt werden muss. Ganz selten springt der Staat mit Eigenkapital ein. Die Abwicklung läuft über die KfW. 2. Es gibt Risiken in der Welt, die nicht vorhersehbar sind. Sie schlagen wie ein Schock zu. Hier muss auch der Staat eingreifen. Das macht er dann ex-post wie mit einer Versicherungsgemeinschaft. In diese Gruppe gehört die Kurzarbeit (Teil der Fixkosten). 3. Beteiligung an Unternehmen. Geringere Maßnahmen wie Steuerstundung und Verlustrücktrag reichen in keinem Falle aus. So setzt man bei großen Unternehmen den WSF ein (für die Sofin in der Finanzkrise). Der Staat beteiligt sich an 15 Unternehmen (8,5 Mrd. €, 114 Unternehmen hatten nachgefragt). Der Staat arbeitet mit Eigen- und Fremdkapital. Die Beteiligungen bringen schwierige Bewertungsfragen mit sich (Zinssatz, temporär, wann Ausstieg, keine Verluste, Organisation der Stimmrechte über Dritte). Bei KMU arbeitet man mit Überbrückungshilfen (Zuschüssen). Sie sollen das Überleben sichern. Die Finanzämter waren hier mit ihrer IT - Infrastruktur überfordert. Deshalb hatte man eine eigene Auszahlungsplattform entwickelt. Als Resümee kann man jetzt schon sagen, dass man eine Insolvenzwelle verhindert hat. Noch nicht absehbar sind Auswirkungen auf Innovationsprozesse in der Zukunft. Ebenfalls offen sind Entwicklungen in Problembereichen (Innenstädte, Kultur, Gastgewerbe, Hotels), Quelle: Vortrag von Jacob von Weizäcker, Leiter der Grundsatzabteilung im BMF (Chefvolkswirt, auch Mathematiker rund Physiker) in der Bdvb - Lounge am 20.4.21 18.00 Uhr.

Riskante Unternehmensfinanzierung (ganz wenig Sicherheiten): Einmal gehören dazu Hochzinsanleihen von Unternehmen ("Schrottanleihen", Verkäufe in Europa 2013 70,4 Mrd. €). Dann kommen Unternehmensfinanzierungen ohne strenge Auflagen ("covenant-lite", in Europa 2013 8 Mrd. €). Drittens geht es um Unternehmensanleihen, deren Verzinsung aufläuft und erst bei Ablauf gezahlt werden muss ("PIK-Notes", in Europa 2013 3,6 Mrd. €). Diese Wahnsinnsfinanzierungen sind durch die Geldflut 2013 und 2014 bedingt. Der Anstieg gegenüber den Vorjahren ist enorm. Die Niedrigzinsen treiben Investoren in immer riskantere Anleihen. Es besteht ein Boom der Schrottpapiere 2019. Das könnte zur Gefahr für das Finanzsystem werden. Besonders hervor tun sich in dieser Hinsicht die USA.

Risikoaversion: Verhalten, bei dem Risiken vermieden werden. Die Wirtschaftsteilnehmer bevorzugen risikofreie Anlagen (selbst wenn die Rendite für riskantere anlagen höher ist). Risikoprämie ist die zusätzliche Rendite, die Anleger erwarten, wenn sie riskantere Anlagen wählen. Das idiosynkratische Risiko (Einzelrisiko) ist die Unsicherheit, die mit einem einzelnen Wirtschaftsteilnehmer (Einzelperson) verbunden ist.

Geldwetten: Für Unternehmen sind spekulative Investments notwendige Instrumente, um Risken abzusichern (vgl. Wechselkursmanagement weiter oben). Termingeschäfte (Futures, Optionen), Optionsscheine, CFDs sind insofern notwendig. Investmentfonds und Zertifikate können diese Aufgaben nicht erfüllen. Bei Investmentfonds überlässt man Experten den Kauf von Wertpapieren und Vermögenswerten. Bei Zertifkaten geht es ums Geldverleihen. Der Crash der Metallgesellschaft, Frankfurt, ist einer der berühmtesten Fälle, wo eine Wette scheitert. CEO Hein Schimmelbusch hatte Öllieferungen zum Festpreis garantiert. Das Risiko wurde am Terminmarkt abgesichert. Wenn der Ölpreis fiel, mussten zusätzliche Sicherheiten hinterlegt werden. Im Herbst 1993 fällt der Ölpreis dramatisch. Die Deutsche Bank mit Vorstand Ronaldo Schmitz muss die Reißleine ziehen. Die Metallgesellschaft wird in Einzelteile zerlegt und verkauft.

Blockchain: 1994 definiert Nick Szabo ein Konzept für einen Smart Contract (Geburtsstunde). Unter dem Pseudonym Satoshi Nakatomo wird ein Artikel über Bitcoin veröffentlicht. David Rutter gründet R3CEV für einen technischen Standard (den übernehmen die meisten Banken). Das waren die Anfänge. Sie stellt eine Art digitales Grundbuch dar. Sie ist auf viele tausend Computer verteilt und kann daher nicht von Hackern angegriffen werden. Änderungen an Blocks kann nur die Mehrheit der Beteiligten beschließen. Die Funktionsweise ist wie folgt: X will Y Geld schicken. Statt Überweisung wird die Blockchain genutzt. Die Transaktion wird als Block hinterlegt (Daten wie Leistung und Gegenleistung wird aufgeschrieben). Alle Parteien im Netz erhalten den Block. Die Parteien bestätigen die Transaktion. Der Block wird an eine Kette von Transaktionen angehängt. X transferiert das Geld sicher an Y. Im Grunde genommen ist die Blockchain ein dezentrales öffentliches Protokoll. Alle Telnehmer kontrollieren im Netzwerk. Nutzer müssen weder dem Staat noch der Zentralbank vertrauen. Die Teilnehmer erhalten Zugang zu einem Netzwerk, auf dem sie Informationen austauschen. Jeder erhält eine Kopie des Registers mit sämtlichen Transaktionen. Neue Eintragungen müssen gemeinsam verifiziert werden. Versucht ein Teilnehmer, Einträge zu manipulieren, fällt das bei einem automatischen Abgleich auf. Konkrete Anwendungsbeispiele: Schwedens Liegenschaftsverwaltung will Grundbucheinträge digitalisieren. Haushaltsgeräte könnten eigenhändig nachbestellen (z. B. Waschmaschinen Spülmittel), überschüssige Energie  könnte privat verkauft werden, das Laden von Elektroautos könnte so einfacher werden, der US-Versandhändler Overstock vertreibt Anleihen und Aktien über eine digitale Handelsplattform. Über Initial Coin Offerings (ICOs) haben Start-ups in den USA bereits eine Milliarde Dollar eingesammelt. Laut SEC ist das First Bitcoin Capital und Sunshine Capital. Das Risiko bei solchen Geschäften ist hoch (die FINRA, die Regulierungsagentur der US-Finanzindustrie warnt).

Blockchain - Glossar: 1. Distributed Ledger: Zentral gesteuerte und weltweit verteilte Datenbanksysteme (dezentraliisert). Die Blockchain gehört dazu. 2. Tangle: Transaktionsdaten werden nicht - wie bei der Blockchain - chronologisch hintereinander angeordnet, sondern in einem netzwerkartigen Gewirr (Tangle) mit vielfältigen Knotenpunkten (Nodes). "Miner" fallen hier weg. 3. Smart Contracts: Eine beliebige Transaktion wird automatisch unter der Voraussetzung abgewickelt, dass alle beteiligten Parteien die zuvor in der Blockchain niedergelegten Konditionen erfüllt haben. 4. DApps: dezentralisierte, automatische Apps. Open Source, öffentlich in einer Blockchain gespeichert. 5. DAO (Decentralised Autonomous Organization): Ein eneue Form der Organisation, deren Geschäftsordnung, Gesellschaftsvertrag oder Satzung durch einen Smart Contract festgelegt und automatisch ausgeführt wird. 6. ICO: Bei einem Initial Coin Offering (ICO) werden quasi digitale Wertpapiere aufgelegt. 7. Kryptokatze: Eine der erfolgreichsten Anwendungen auf der Blockchain - Plattform Ethereum. Anwender können virtuelle Kätzchen (Cryptokities) züchten und mit ihnen handeln. Vgl. Sommer, Sarah: Vertraut den Daten, in: brand eins 06/18, S. 20ff. Weiterhin ist die Blockchain konsensbasiert, dezentralisiert, sie nutzt Kryptographie, jeder Datensatz ist mit dem vorhergehenden verbunden, Datensätze können nur schwer manipuliert werden, es kann nahezu in Echtzeit aktualisiert und reproduziert werden. 8. Token: Digitale Münze bzw. Schlüssel. Sie wird mithilfe eines Smart Contract erstellt. Bei Ethereum heißen die Münzen ERC20-Token. Ein Token kann verschiedene Funktionen haben: Sollen Eigentümer ihn einsetzen, um Dienstleistungen eines Start-ups zu nutzen, handelt es sich um einen Utility-Token. Soll er Anteile an einem Unternehmen repräsentieren, also einer Aktie gleichkommen, heißt er Equtiy- oder Security-Token und fällt unter die Kontrolle der Finanzaufsicht. 9. Whitepaper: Projektbeschreibung des Start-ups zum ICO. Verbindliche Zahlen fehlen fast immer. Es ist kein Börsenprospekt.

Blockchains als System: Treten im Zusammenhang mit Digitalwährung auf. Ein gutes Beispiel ist Bitcoin. Interessant ist die Technologie und die Logik: 1. Person A kauft von Person B bestimmte Diamanten (Geschäft). 2. Verifizierung (Identifizierung, Eigentümer). 3. Transaktion (anonym). 4. Validierung. 5. Umsetzung. 6. Ergebnis. Vgl. Bettina Schulz, Das ärgert Betrüger, in: Die Zeit, Nr. 3, 14.01.2016, S. 24f. Allgemein ist eine Blockchain ein dezentrales Register für Transaktionen. Alle Transaktionen werden in Blöcken zusammengefasst und bilden eine Kette. Ein aufwendiges Rechenverfahren gewährleistet die Unveränderbarkeit der Blockchain. Sie kann vertrauensbildende Intermediäre ersetzen, zum Beispiel Banken. So werden Geschäftsprozesse automatisiert. Es entsteht eine gemeinsame Vertrauensgrundlage. Zwischengeschaltete Finanzinstitute fallen weg. Es entsteht auch mehr Transparenz, da die Blockchain ein globales Hauptbuch darstellt, in dem alle Transaktionen gespeichert werden.

Die Blockchain besteht aus vier Teilen: 1. Einem Wallet und Schlüssel. Ein Wallet ist eine digitale Geldbörse, bestehend aus einem öffentlichen und privaten Schlüssel. Mit dem privaten Schlüssel wird die Identität als berechtigter Besitzer der Wallet bestätigt. Der öffentliche Schlüssel entspricht etwa einer gewöhnlichen Kontonummer. Insgesamt handelt es sich um ein Protokoll des Vertrauens. 2. Verteiltes System. Die Transaktionsabwicklung läuft in einem Netzwerk auf spezieller autorisierter Hardware. Geschäftsabschlüsse werden kryptographisch abgesichert. 3. Kassenbuch. Transaktionen werden chronologisch aufgezeichnet. 4. Peer-to-Peer. Direkter Austausch von Werten zwischen einzelnen Marktteilnehmern. Vgl. com professional 11/16, S. 14ff.

Im Bereich Finanzen  arbeiten US-Unternehmen wie IBM, Intel und J. P. Morgan schon mit der Blockchain -Technologie. Hierüber werden die Bücher sicher ausgetauscht. Sie können von jedem geprüft werden, der eine Berechtigung besitzt. Den Unternehmen bietet das den Vorteil, dass sie zum Beispiel die Einhaltung von Bilanzregeln per Croudsourcing prüfen lassen und sie bekommen von einem breiten externen Netzwerk Feedback zu ihrem Finanzmanagement. Das signalisiert auch Vertrauenswürdigkeit.

Mittlerweile gibt es auch Blockchain - Finanzdienste: Es handelt sich um P2P-Kreditvergabeunternehmen (Peer-to-Peer). Einige sollen hier aufgeführt werden. lendico.de ist ein P2P-Kreditvergabe- und Anlageportal von Privatpersonen an Privatpersonen und Kleinunternehmer. auxmoney.com ist ein P2P-Kreditvergabeportal von Privatpersonen an Privatpersonen.

Sieben Gestaltungsprinzipien beeinflussen die Blockchain - Wirtschaft: 1. Vernetzte Integrität. 2. Verteilte Macht. 3. Wert als Anreiz. 4. Sicherheit. 5. Datenschutz. 6. Wahrung von Rechten. 7. Inklusion. Vgl. Don Tapscott/ Alex Tapscot: Die Blockchain - Revolution, Kulmbach 2016.

Zukunft: Blockchain wird die Wirtschaft revolutionieren. Es ist eine Grundlagentechnologie. Sie wird eine hohe Komplexität auslösen, technologisch, regulatorisch und gesellschaftlich. Die Entwicklung wird allerdings noch Jahre und Jahrzehnte dauern. Sie wird zuerst die Unternehmen bedrohen, die offene Peer-to-Peer-Netzwerke darstellen. Hier nämlich setzt sich ein Plattformunternehmen zwischen Kunden und Lieferanten. Auf diesem Geschäftsmodell basieren z. B. Uber, Airbnb.

Treasury - Management: Immer wichtiger wird auch das Treasury - Management - System. Es ist eine Art Schatzmeister aus der Cloud. Die KI steht hier erst am Anfang. Funktionen sind der Zahlungsverkehr, die Kontakte zu Banken und Kapitalmärkten, das Cash- und Liquiditätsmanagement, das Finanzmanagement, die Absicherung finanzieller Risken und Reporting. Bisher kann man das noch nicht von der Stange kaufen. Vgl. Jürgen Mauerer: Schatzmeister aus der Cloud, in: com! professional 1/2019, S. 54ff.

Security Tokens: Finanzinnovation. Sie werden in so genannten Security Token Offerings (STOs) angeboten. Sie sind mit wertpapierähnlichen Eigenschaften ausgestattet. Durch STOs können die Kosten für KMU ganz erheblich gesenkt werden. Sie könnten die Wertpapieremissionen und die Unternehmensfinanzierung für Start-ups auf den Kopf stellen. Immer mehr Börsen bieten Security-Token-Dienstleistungen an. Damit dürfte die Professionalisierung steigen.

Der virtuelle Börsengang: Er läuft über Initial Crypto Offerings (ICOs). Ein ICO ist eine neuartige Methode, um Unternehmen oder Projekte zu finanzieren. Sie basiert auf dem Prinzip des Croudfunding und kombiniert es mit Kryptotechnologie. Vgl. Koenig, Aaron: Dezentrale Revolution, München 2019.

Funktionsweise der Krypto - Währungen am Beispiel von Bitcoin: Die Technologie beruht auf drei Säulen: Dezentral, Cash- artig und Digital. Dezentral: Es besteht Unabhängigkeit. Es gibt keine Zentralbank die die Währung kontrolliert. Die Rechner funktionieren unabhängig voneinander. Cash-Charakter: Bargeld kann man nicht leicht zurückholen. Die Zahlungen sind schwer zurück verfolgbar. Digital: Blockchain. Kette von Blöcken". Jeder Block enthält Transaktionswünsche. Diese müssen konsistent sein. Die maximal im Markt verfügbare Anzahl an Bitcoins ist auf 21 Mio. begrenzt. Voraussichtlich 2140 wird der Wert erreicht. Wer Bitcoins anlegen will, ohne selbst zu minen oder Hashpower zu erwerben, kann sie auch auf einer Börse kaufen. Die erste lizensierte Börse war Bitstamp. "Bitcoin is Evil", Paul Krugman 2013.

Initial Coin Offering (ICO): Finanzierung über eine Plattform mit einer Krypto - Währung, z. B. Bitcoin Man arbeitet mit der Block-Chain-Technologie. In der Regel wird diese Finanzierungsform bei Start-ups eingesetzt. Positive Beispiele gibt es 2018 aus der Schweiz (etwa im Berner Oberland).

Feindliche Übernahmestrategien: Bear Hug (deutlich über dem Marktpreis liegenden Preis bieten), Blitzkrieg/ Tender Offer, Hostile Tender Offer, Morning Dawn. 2014 tobt ein Übernahmekampf zwischen den Mittelständlern R. Stahl (Explosionsschutz) und Weidmüller (Elektronikausrüster). die feindliche Übernahme scheitert.

Internationale Unternehmensübernahmen: Definiert als Saldo der Käufe und Verkäufe von über 50 Prozent der Anteile. Von 2008 bis 2012 führt Japan (+128,6 Mrd. $, Zufluss bzw. Abfluss von Mehrbesitz) vor China (+64,7), Frankreich (+61,7) und Indien (+32,0) bei den Gewinnern. Deutschland liegt bei +16,3. Bei den Verlierern führt die USA (-112,2) vor Großbritannien (-108,8). Quelle: Accenture. Übernahmen und Fusionen sind oft eine Begleiterscheinung konjunktureller Boom-Bust-Zyklen. Viele scheitern langfristig. Vgl. Jimmy Saravia: Merger and the Austrian Business Cycle Theory, in: The Quaterly Journal of Austrian Economics, Vol. 17, Nr. 2, 2014.

Prozessfinanzierung: Weltweite Investoren haben eine renditestarke Anlage entdeckt, nämlich die Finanzierung millionenschwerer Schadensersatzklagen. Zu den Prozessfinanzierern gehören Burford Capital (GB) und Foris (DE) und IMF Bentham (AUS). Über 100 % Rendite im Jahr können Fondsanleger mit Prozessfinanzierung kassieren. Ein Riesengeschäft dürften die Prozesse gegen VW in den USA werden.

Lieferketten finanzieren (Supply - Chain Finance): Boomt in der Corona-Krise. Besonders in den USA, EU. Umfang 2020 1,311 Mrd. US-$. Funktionsweise: 1. Ein Unternehmen bestellt Ware. 2. Der Lieferant liefert die Ware und stellt Rechnung aus. 3. Das Unternehmen prüft und bewilligt die Rechnung. 4. Der Lieferant kann den Kaufpreis von der Supply-Chain-Plattform abrufen. 5. Das Unternehmen (Käufer) begleicht gegenüber der Plattform die Rechnung zum Zeitpunkt des vereinbarten Zahlungsziels.  Vgl. HB Nr. 79, 26.4.21, S. 32.

Unternehmensschulden (Zombiefirmen): Man spricht von Zombiefirmen, wenn der Gewinn nicht ausreicht, um die Zinsen zu bedienen. Die Zahl dieser Unternehmen steigt rasant in der Corona-Krise. Beim Verhältnis Ebit zu Zinsaufwand stehen 2020 ganz schlecht dar Rocket Internet, Nordex, Aston Martin, Norwegian Air, ThyssenKrupp. Das kann auch zu einem makroökonomischen Problem werden, weil es die gesamte Wirtschaft lähmt.

Unternehmensschulden in China: Die Gesamtverschuldung der Wirtschaft lag 2013 bei 200 Prozent des BIP (ohne Zentralregierung). Es handelt sich um Kredite zwischen Unternehmen, Schattenbanken-Kredite und von Banken garantierte Unternehmensschulden. Ein wesentlicher Grund für die hohe Verschuldung der Unternehmen sind die kreditfinanzierten Konjunkturprogramme der Provinzregierungen. Die Minizinsen für Sparer haben einen grauen Kapitalmarkt entwickeln lasen, die Sparern attraktive Anlagemöglichkeiten bieten (Wealth Management Products, WMP).

China-IPOs in Deutschland: Bis 2014 gab es 18 Börsengänge chinesischer Unternehmen an der deutschen Börse. Die Kursperformance lag im Median bei einem Minus von 63,5%. Die deutsche Börse ist für chinesische Emittenten aber nur ein Nischenplatz. Deutsche Anleger haben mit chinesischen Aktien Hunderte Millionen Euro verloren. Das ist auch eine Blamage für die Deutsche Börse (Auswahl für Einbruch der Marktwerte: Energy -57%, Asian Bamboo -62%, Ultrasonic -79%, Youbisheng Green Paper -86%; Quelle: Thomson Reuters Datastream).

Fintech-Szene in China: Sie eilt der Konkurrenz davon. Einerseits liegt es an der Größe des Marktes in China. Andererseits daran, dass China am besten vom Silicon Valley lernt. Fünf der größten Fintech-Firmen liegen 2016 in China: Lu.com, JDFinance, Fenqile, Welab, Weidai. Vergeben werden Mikro-Kredite (in Gegenden, wo es kaum Banken gibt) an Klein-Kunden, größere Kredite an Start-ups. 2015 flossen 150 Mrd. $ über die etwa 2000 Plattformen. Vieles läuft über das Handy. Geldgeber sind auch die großen Firmengründer in China. In China nutzen auch die meisten Verbraucher Fintech-Dienste (84,4% 2016; Quelle: Capgemini Financial Services). 2016 werden intime Bilder (Nacktfotos) als Sicherheit für Online-Kredite eingeführt. 2018 wird der Börsengang des Start-up Ant Financial vorbereitet. Es könnte der größte Börsengang aller Zeiten werden. Dahinter stecken der Internetkonzern Alibaba und Jack Ma. Dieser ist Mehrheitsaktionär (62%). 33% hält Alibaba. 5% der China National Social Security Fund. Ant Financial hieß ehemals Alipay (520 Mio. Nutzer). Im Mittelpunkt stehen einfache Bürger und kleine Firmen. China ist mittlerweile so weit voraus, dass selbst der IWF auf China schaut, um zu lernen.

Goethe-Bond (Yuan-Anleihe): 2014 noch soll in Frankfurt die erste Anleihe in der chinesischen Währung Yuan kommen. Als Emittenten werden eine öffentliche Institution oder Kreditinstiute wie die Landsbank Hessen-Thüringen (Helaba) oder die Deutsche Bank genannt. Das Volumen soll ca. 50 Millionen Euro betragen. Ein wesentlicher Vorteil der Papiere ist für deutsche Unternehmen, dass sie sich leichter und günstiger in der chinesischen Währung versorgen können. Ein Abkommen zwischen der chinesischen Zentralbank und der Deutschen Bundesbank gibt es seit Ende März 2014. Die Bank of China gilt als Favorit für die Abwicklung. Tatsächlich übernimmt die Bank of China das Yuan-Geschäft in Frankfurt. Der deutsche Mittelstand kann von der neuen Währungsdrehscheibe profitieren, wegen niedriger Absicherungskosten. Gleichzeit hat die People`s Bank of China auch ein Abkommen mit der britischen Notenbank gemacht, so dass ein Konkurrenzplatz entsteht. "Im letzten Jahrzehnt haben wir uns daran gemessen, wie sehr wie China verändert haben. In Zukunft wird man uns daran messen, wie viel Fortschritt wir der Welt bringen", Jack Ma, Gründer von Alibaba.

Yuan als Rechnungswährung in China: Damit können Kosten gesenkt und Wechselkursrisiken reduziert werden. Sogar größere Preisnachlässe können durchgesetzt werden.

Exkurs. Der chinesische Aktienmarkt: Es gibt bei chinesischen Aktien verschiedene Varianten, dei sich durch Handelsplatz, Zugang  und die Währung unterscheiden. Das sind A-, B- und H-Aktien. A-Aktien werden ausschließlich auf dem chinesischen Festland gehandelt, in Shanghai, Shenzhen und Tianchin. Sie sind in chinesischer Landeswährung Renminbi notiert und für für chinesische Anleger zugänglich (auch für institutionelle ausländische Anleger, die bestimmte Kriterien erfüllen). B-Aktien werden auch in Hongkong gehandelt, sind speziell für Ausländer und werden in US-Dollar oder Hongkong-Dollar notiert. Die dritte Möglichkeit sind H-Aktien. Sie werden in Hongkong in Hongkong-Dollar gehandelt. Sie sind für alle Anleger. Viertens kann man American Despositpory Receipts kaufen (ADRs).  Das sind Hinterlegungsscheine für Aktien, die an US-Börsen gehandelt werden. Der chinesische Aktienmarkt hat starke Schwankungen, birgt ein höheres Risiko und regulatorische Unsicherheit. 

Mobiles Bezahlen (mit Handy-App): Hier führt 2018 China (1793,3 Milliarden Euro) vor USA (1104,6). Deutschland liegt mit 1,8 Mrd. Euro weit hinten. (Quelle: Dig. Market Outlook).

Bargeld: Vorteile: Die Zahlung ist anonym. Abgesehen vom Verkäufer weiß niemand, wo bei wem man gekauft hat. Niemand muss in Vorleistung gehen. Für die Nutzer ist Bargeld günstig. Man muss niemand etwas dafür zahlen, dass die Transaktion abgewickelt wird. In Europa finden 2018 noch 79 % aller Transaktionen in Bargeld statt. In Nordamerika sind es nur noch 50%.

Innovationen im Zahlungsverkehr und Wirtschaftsentwicklung (Ende des Bargeldes?): Die größte Innovation der letzten Jahre sind "electronic payments" und das Sinken des Bargeldbestandes in der Folge . Die Hypothese lautet hier, dass dadurch mehr Kredite und mehr Konsum angeregt werden, wodurch sich das Wachstum einer Wirtschaft erhöht. Für Deutschland kann diese These eher bestätigt werden, für China falsifiziert. Eine Bargeld-Obergrenze soll auch helfen, die Schwarzarbeit einzudämmern (5000,- €?). Die Abschaffung von Bargeld ist sicher ein Eingriff in Freiheitsrechte. Die Regierungen begründen die Abschaffung des Bargeldes mit der Bekämpfung der Schattenwirtschaft. Umfragen zeigen, dass über 80% aller Deutschen gegen eine Abschaffung sind. Volkswirtschaftlich stehen drei Hypothesen im Vordergrund: 1. Die Existenz von Bargeld begrenzt die Effektivität der Geldpolitik. 2. Bargeld begünstigt illegale Aktivitäten und Steuervermeidung. 3. Digitale Währungen, wie z. B. Bitcoin, ersetzen Cash mittel- bis langfristig. Eine Bargeldobergrenze ist der Einstieg in den Ausstieg, denn die Obergrenze lässt sich leicht absenken. Es gibt Befürworter der Abschaffung des Bargeldes unter Politikern, Bankern (John Cryan von der Deutschen Bank) und Wissenschaftlern (Kenneth Rogoff: Warum unser Bargeld verschwinden wird). Als Vorbild gilt Schweden (Swish). Dort wurden 2016 nur noch 15% der Zahlungen im Einzelhandel bar bezahlt. Doch es gibt auch erhebliche Risiken: totale Kontrolle und Repression durch die Notenbank. Auch der Schaden durch Kartenbetrug steigt kontinuierlich an. Einige Notenbanken denken darüber nach, digitale Währungen als Bargeldersatz herauszugeben.  2014 ist Bargeld in Deutschland noch immer das häufigste Zahlungsmittel (53,2 %), gefolgt von EC-Karte (29,4%), Überweisung (5,3%) und Kreditkarte (3,9%). Ökonomen fordern 2015 die Abschaffung der Barzahlung (Peter Bofinger in Deutschland; Larry Summers in den USA). Seit der Euro-Einführung ist die Realität aber eine andere: Es wächst beständig die Anzahl der Scheine und Münzen (Bargeldumlauf). Mitte 2015 sind ca. 18 Milliarden Euro-Scheine unterwegs. Die Bundesregierung plant 2016, eine Obergrenze für Bargeldzahlungen einzuführen (5000 €). Ziel ist der Kampf gegen Geldwäsche. Dagegen spricht der Datenschutz (absolute Kontrolle der Verbraucher). 79% der Deutschen sind 2016 für den Erhalt des Bargeldes (53,2% des Zahlungsverkehrs sind 2016 noch Bargeld). Je älter die Menschen sind, desto eher bezahlen sie bar. In einigen Krisenländern der EU, wie in Griechenland, wird viel Bargeld in Form von 500-€-Scheinen gebunkert. Die Abschaffung dieser Scheine, wie sie die EZB plant, hätte unangenehme Folgen. Einige Ökonomen sehen auch den Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Dollar mit dem Abschaffen schwinden. Die Abschaffung wird von der EZB im Mai 2016 beschlossen (ab Ende 2018 aus dem Zahlungsverkehr, Schein bleibt aber gültig). Die EZB betont, dass dies nicht der Anfang des Ausstiegs aus dem Bargeld sei. "Der 500-Euro-Schein ist ein Instrument für illegale Aktivitäten", Mario Draghi, Präsident der EZB. In der VR China ändern sich in den Metropolen, vor allem in Shanghai, massiv die Zahlungsgewohnheiten. Das ist in einem Bargeld-Land sehr ungewöhnlich. Alipay, der Bezahldienst von Alibaba, und WeChat Wallet, der größte Anbieter von Bezahldiensten, sind stark auf dem Vormarsch. "Bargeld ist das Geld der Bürger", Carl-Ludwig Thiele, Vorstand der Deutschen Bundesbank 2017, zuständig für Bargeld und Zahlungsverkehr. 2017 macht der Finanzminister in Griechenland Druck gegen Steuerhinterziehung. Er setzt Anreize zum bargeldlosen Bezahlen. Kartenterminals werden abgeschafft (eine beliebte Methode der Handwerker). 2017 kommt eine Studie des Instituts für Handelsforschung der Uni Köln zu dem Ergebnis, dass in Deutschland beim Zahlen noch eindeutig das Bargeld überwiegt. Vgl. auch: Smolinski, R./ Gerdes/ Siejka/ Bodek: Innovationen und Innovationsmanagement in der Finanzbranche, Wiesbaden 2017.

Digitale Zahlsysteme: In einigen Ländern boomt der Markt. So in Schweden und China. In China verschärft die Notenbank die Vorschriften für die Anbieter solcher Systeme ab 2018: Ab April müssen Zahlungsabwickler 42 bis 50% ihrer Kundenreservegelder auf zinsfreien Konten parken. In China ist der Markt rasant gewachsen. 2016 sollen es Transaktionen im Wert von 2,4 Billionen Euro gewesen sein. Die Regierung bemüht sich darum, den Markt gläsern zu machen. In der EU wurden 2016 noch 79% aller Einkäufe bar bezahlt. Doch digitale Bezahlsysteme wie Amazon Go oder Pay Pal expandieren (auch Apple Pay, Visa Checkout, Google Pay, Alipay, Samsung Pay, Masterpass, Square Cash). Sie locken mit Bequemlichkeit. Doch es besteht die Gefahr der totalen Überwachung. In China sind die Smartphone - Zahlungen im digitalen Handel am höchsten vor den USA.

Ceinex (Börsen-Joint-Venture Ceinex): Ab 2018 können deutsche Anleger an der deutsch-chinesischen Börse Ceinex in Frankfurt in chinesische Unternehmen investieren. Ceinex wurde 2015 gegründet (die deutsche Börse hält 40%). Man will so genannte D-Shares listen lassen (zunächst Bau-, Bahn- und Energieunternehmen (Branchen mit Bezug zum Projekt "Seidenstraße"). Das in Frankfurt angesiedelte Gemeinschaftsunternehmen ist eine Kooperation in der Börse zwischen Deutschland und China. Die Deutsche Börse und die Börse Schanghai halten jeweils 40 Prozent, die China Financial Futures Exchange hat 20 Prozent. Im Juni 2021 müssen Mitarbeiter auf Druck in Peking hin entlassen werden, um kosten zu sparen. Die Euphorie ist verflogen. Viele Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. An der Ceimex können Konzerne Anleihen und Börsen gehandelte Indexfonds (EFTs) in Yuan auflegen. Zudem haben chinesische firmen die Möglichkeit, Produkte in Euro zu emittieren und damit Gelder von westlichen Investoren einzusammeln. 2018 feierte Mit Haier die erste chinesische Firma ein Börsendebüt und nahm rund 300 Mio. € ein. Eigentlich haben ausländische Investoren zu A-Shares keine Zugang. Ceinex ist auch eine Clearingbank. Grenzüberschreitende Geschäfte können in Remminbi  abgewickelt werden. Deutsche Autobauer taten das. 2019 betrug das abgewickelte Geschäftsvolumen 2.509 Mrd. Remminbi. Vgl. auch HB Nr. 106, 7. Juni 2021, S. 30f.

SWIFT ((Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication): In diesem Regelsystem für die internationalen Finanzmärkte sind 10.800 Banken und Finanzdienstleister aus mehr als 200 Ländern. 2012 wurden iranische Banken ausgeschlossen. 2015 überlegt man, die russischen Banken raus zuwerfen.  Der Internationale Zahlungsverkehr wird mit Swift abgewickelt. Das ist ein Kuriersystem für die Finanzwelt. Mithilfe gewaltiger Computersysteme wickeln Banken grenzüberschreitende Überweisungen ab. Das ist ein Unternehmen, das seinen Sitz bei Brüssel hat. Swift sichert den Zugang zum Weltmarkt. 2018 rückt Swift in den Blickpunkt eines Interessenkonfliktes. Die USA wollen es für ihre Iran-Sanktionen nutzen. Die anderen Länder der G20 wollen das nicht. Die USA wollen die Adressen der Iranischen Banken aus dem System löschen. Die Amerikaner haben aber keine  direkten Zugriff auf das System, aber ein wichtiges Datenzentrum in Virginia. China uns Russland wollen schon länger eigene Zahlungssysteme entwickeln. Europa überlegt auch (Frankreich will sich auch lösen). 2021 sind mehr als 200 Länder und mehr als 11.000 Banken dem Finanzsystem Swift angeschlossen. Jedes Geldhaus erhält einen BIC-Code zur Identifikation. 2020 betrugen die Einnahmen von Swift 905 Mio. Euro. Es gibt kaum Konkurrenten. Man überlegt 2021 Russland bei einem Angriff auf die Ukraine mit der dramatischsten Sanktionsoption Abkoppelung aus Swift zu belegen.

CIPS: Das chinesische Zahlungssystem. Es ist gegenwärtig noch kein Ersatz für Swift. Es ist technisch noch nicht ausgereift und ist auf Transaktionen mit Yuan ausgelegt. Russland hatte bisher immer Vorbehalte dagegen, weil der Renminbi nicht frei konvertierbar ist. Das könnte sich nach dem Ukraine-Krieg ändern.

Alternativen zu Swift: Die russischen Banken können das Zahlungssystem Swift leicht durch Telex ersetzen. Russische Banken wickeln ihre Geschäfte auf altmodische Weise ab - wie vor der Gründung von Swift 1973. Banken können auf andere Nachrichtenkanäle zugreifen. Telex ist ein System zur Nachrichtenübermittlung mithilfe von Fernschreibern.

Voice-Banking: Banken, die Kunden zuhören. Digitale Assistenten machen es möglich.

Finanzmärkte sind der Aktien-, Devisen- und Kapitalmarkt. Die Hypothese effizienter Märkte impliziert, dass Kursschwankungen unvorhersehbar sind aber rational. Viele nennen den heutigen Zustand der internationalen Finanzmärkte auch "Diktatur der internationalen Finanzmärkte", weil sie von den Staaten nicht mehr kontrollierbar sind. Sie haben sie auch von weiten Teilen der Realwirtschaft abgekoppelt. Ausgangspunkt war die Deregulierung der US-Finanzmärkte in den Achtzigerjahren. Reagan befreite 1982 die regionalen Sparkassen von staatlichen Vorschriften und erlaubte Darlehen mit variablem Zinssatz. Clinton  hob die Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken auf. Bush erlaubte den Investmentbanken, ihre Geschäfte unbegrenzt auf Pump zu betreiben und wollte, dass sich jeder Amerikaner ein Haus leisten konnte. Vgl. als klassischen Aufsatz: Dale Jorgenson, Capital Theory and Investment Behavior, in: AER, 1963. Der Charakter der Finanzmärkte ändert sich immer wieder. 2017 spielen die Kryptowährungen eine große Rolle (Bitcoin-Wetten; vgl. Geldpolitik). Konzerne verändern ihre Parameter Richtung Finanz-Margen und schließen sich zusammen, auch wenn sie ihre Unabhängigkeit verlieren (Beispiel: Linde). Vom Volumen her ist der Devisenmarkt der größte (950 Billionen $ 2010, 1990: 150 Billionen $). Dann folgen außerhalb der Börsen gehandelte Finanzderivate mit einem Volumen von 600 Billionen $. Im gleichen Jahr wurden Aktien und Bonds für 90 Billionen $ gehandelt. Das weltweite BIP betrug 2010 63 Billionen $ (1990: 22 Billionen $). Dies zeigt wie deplaziert das Finanzsystem mittlerweile ist. Das Vertrauen in die Vertriebsmaschinerie auf den Finanzmärkten hat durch die Krisen stark gelitten.  Als Alternativen bieten sich Portale an wie Wikifolio, Vaamo und Ayondo. "Alle Akteure an den Finanzmärkten haben heute eine viel zu kurze Orientierung", Axel Weber, UBS-Verwaltungsratschef, September 2016 (Quelle: Handelsblatt, 1.3.4. September 2916, S. 6/7.).

Theorien über die Instabilität/ Volatilität der Finanzmärkte: Die Wirtschaftswissenschaften sind damit gescheitert, Märkte berechenbar zu machen. Viele Ansätze scheitern daran, dass sie zu stark formalisiert sind, wie etwa die Spieltheorie. Historisch -philosophische Ansätze sind von der Mathematik verdrängt worden, die aber ihrerseits gescheitert ist. Auch die Chaostheorie, die auf den Griechen Herodot zurückgeht und in der Physik eine wichtige Rolle spielt, hat die Erwartungen nicht erfüllt. Im Moment werden Ansätze sehr stark beachtet, die Unfälle und Unerwartetes in ihre Erwartungen systematisch einbauen. Hier steht der Begriff der Emergenz  im Mittelpunkt: Systeme werden immer komplexer und bringen plötzlich neue Phänomene hervor, die sich daraus ableiten lassen. Der Begriff stammt aus der Biologie. Volatilität ist ein zentraler Begriff in der Finanzwelt (Prognose von Zeitreihen, Bewertung von Finanzprodukten). Besonders das Gebiet der Varianz aus der Statistik sollte bekannt sein. Der Physiker Didier Sornette von der ETH Zürich versucht ein neues Modell zu entwickeln, das er "Physik des Drachenkönigs" für statistische Extremereignisse nennt. Vgl. http://www.er.ethz.ch/fco. Andere wie Nassim N. Taleb sprechen bei der Finanzkrise von einem "Schwarzen Schwan", der unvorhersehbar ist. Maurice Obstfeld und K. Rogoff prangern das hohe Leistungsbilanzdefizit der USA an. Andere gründen ihre Thesen darauf, dass die Verbraucher in den USA dauerhaft über ihre Verhältnisse leben. Nouriel Roubini sieht die Macht der Großbanken als Auslöser und fordert eine Beschränkung (Roubini/ Mihm: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft, Frankfurt 2010). Einige Ökonomen halten auch das amerikanische Finanzsystem für marode: Fed und US-Regierung hätten die Krise verursacht. Einige Finanzmarktexperten plädieren für umfassendere Ansätze. Rajan aus Chicago sieht die Einkommensungleichheit in den USA als Ursache der Finanzkrise. Die Funktionsweise von Finanzmärkten ändert sich ständig: man darf nicht nur auf Daten schauen; man sollte sich in das vertiefen, was kaum einer versteht; nie dem folgen, was alle glauben; Angst ist ein schlechter Ratgeber.  "Wir müssen Volatilität als den neuen Normalzustand betrachten", Kasper Rorsted, Henkel-Chef. Das 2009 erschienenes Buch "Kasino Kapitalismus" (Berlin, Econ) von H. W. Sinn analysiert die Ursachen der Finanzkrise und zeigt einen Plan für die Sanierung der Finanzmärkte auf.

Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktstabilität (FISG): Das Gesetz soll noch 2021 fertig werden. Anlass war die Tatsache, dass erstmals in der deutschen Geschichte ein DAX-Unternehmen insolvent ging (Wirecard, 2 Mrd. € waren verschwunden). Das Gesetz ist also die Konsequenz von Wirecard. Es hat drei Regelungsbereiche: 1. Abschlussprüfung (Fee Cap, Bagatellverfahren, externe Rotation (10 Jahre), Schadensersatz (bei grober Fahrlässigkeit). 2. Bilanzkontrolle (Corporate Governance). 3. Prüfung der Bafin - Reform. Das Gesetz ist noch im politischen Prozess. Es schwankt zwischen politischer und ökonomischer Rationalität. Die Diskussion wird über das Gesetz hinaus weitergehen: Europäische SEC? Wettbewerb im  Prüfermarkt?  "Hart cases made bad laws", aus GB. Quelle: Gerrit Fey, Deutsches Aktieninstitut, Fachbereich Kapitalmärkte. Vortrag beim bdvb. Zoom-Video-Konferenz 22.4.2021.

Effizienzmarkthypothese (EMH): Eugene Francis Fama (geb. 1934) gilt als Schöpfer dieser Hypothese (Wirtschaftsnobelpreis 2013. "You can´t beat the market". Sie geht im Kern davon aus, dass die Preise an den Finanzmärkten die vorhandenen Informationen zu den gehandelten Vermögenswerten vollständig widerspiegeln. Neue Informationen sind transparent und werden von den rational handelnden Marktteilnehmern fortwährend eingespeist. Andrew L. hat die Hypothese adaptiver Märkte (AMH) entwickelt, die als neue Version gilt. Finanzmärkte sind anpassungs- und lernfähig. Der Grad der Effizienz variiert abhängig von der Umwelt und den Investorengruppen.  Der Kern der Portfolio-Theorie geht auf Louis Bachelier (1870-1946) zurück, einem französischen Mathematiker. In seiner Dissertation entwickelt er eine Theorie der Spekulation. Diese greift Samuelson später auf. Bacheliers Ansatz mit der Annahme rationaler Akteure ist eine wichtige Grundlage der Hypothese effizienter Märkte.. 

Grauer Kapitalmarkt: Der Teil der Finanzmärkte, der nicht reguliert ist und damit keiner staatlichen Aufsicht unterliegt. Häufig sind hier unseriöse Produktanbieter mit sehr hohen Renditeversprechen unterwegs. Der jährliche Schaden für Sparer in Deutschland wird auf 20-30 Mrd. € geschätzt. Over the Counter (außerhalb offizieller Börsen, über den "Ladentisch") werden vor allem unregulierte Spekulationen mit Derivaten abgewickelt. Abhilfe kann "Clearing" schaffen, denn Clearínghäuser machen den Derivatehandel transparenter und sicherer. Es wird geschätzt, dass 2010 Schattenbanken Kredite von 16 Billionen Dollar in den Büchern haben. Banken gehen in Schlupflöcher in die Länder, die weniger regulieren und kontrollieren (z. B. Singapur). Auch in China gibt es Schattenbanken. Berühmt ist das Schattenbanksystem von Wenzhou. Die Bundesregierung kündigt 2014 an, dass sie den "grauen Kapitalmarkt" stärker regulieren will. Auslöser ist die Insolvenz des Windkraftbetreibers "Prokon", der besonders mit Genussrechten arbeitete. 2014 wird auch das Gesetzespaket "Mifid" beschlossen (gegen Finanz-Zockerei). Es tritt ab 2017 in Kraft. Kernstück ist die Schaffung einer neuen Marktform an den Finanzmärkten. Die krasse Trennung zwischen Börsengeschäften (Aktien, Wertpapiere) und Trading floors (Termingeschäfte, Handel zwischen Finanzhäusern) soll aufgehoben werden. Es soll normale Informations- und Transparenzpflicht gelten. Über Risiko und Kundeneignung muss genau informiert werden.  Die Parallelbanken werden weltweit immer größer. Ihr Markt wird 2014 auf 71 Billionen Dollar geschätzt (innerhalb von zehn Jahren von 45 Billionen Dollar angestiegen). Damit sind die Papiere aus den Bilanzen der Banken, aber nicht aus dem System. Vor Schattenbanken gibt es kaum Regulierungen (auch keine Schuldenobergrenzen). Zu den Schattenbanken rechnen auch Private-Equity-Investoren, Hedgefonds, Geldmarkt- und Kreditfonds sowie bestimmte Versicherer.   "Wenn wir ein gutes Tagesergebnis gemacht hatten, sagten uns die Bosse: Hey, ihr habt heute gut angeschafft! - als seien wir Prostituierte", Jerome Kerviel, Exbörsenhändler über seine Spekulationen. Die Schattenbanken in China bereiten immer größere Probleme: Schuldner, die von den staatlichen Finanzinstitutionen keine Darlehen erhalten, treffen auf Gläubiger, denen die offiziellen Einlagezinsen zu niedrig sind. Längerfristige Schulden werden gebündelt und als kurzfristige Wertpapiere weiterverkauft. Bei Liquiditätsengpässen und Ausfällen kann das System außer Kontrolle geraten. Weiterhin wächst sehr stark der Schattenbankbereich in China. Dabei handelt es sich um unregulierte Schattenbanken, die in hohem Ausmaß Kredite vergeben haben (4000 bis 5000 Milliarden, Schätzung von Standard & Poor`s).

Financial Stability Board: Gremium bzw. Arbeitsgruppe der G20 (G20-Arbeitsgruppe Finanzen). Legt auf dem G20-Treffen im Dezember 2918 in Buenes Aires Kennzahlen vor, um aufkommende Risken für die Finanzstabilität durch Krypto - Assets zu überwachen. Noch werden die globalen Risken als zu gering eingeschätzt, um die Stabilität des Finanzsystems zu gefährden.

Vermögensanlage: 2015/2016 kommt es zu einer "Massenmigration" der Pensionskassen und Staatsfonds aus den Nullzinsnationen in die Emerging Markets. Staatsanleihen in lokaler Währung versprechen dort rund 6 Prozent Rendite pro Jahr. Attraktiv sind Mexiko, Indonesien, Philippinen und Indien.

Nachhaltige Finanzierung der Unternehmen: Die EU arbeitet daran, eine nachhaltige Finanzierung des grünen Umbaus der Wirtschaft sicherzustellen. Das könnte kleinere Firmen vor Probleme stellen. Bei den großen Firmen (AGs) besteht der Druck schon länger durch die Stakeholder. Sie machen in der Regel Nachhaltigkeitsberichte. Vgl. HB Nr. 233, 1.12.2021, S. 6/7.

Nachhaltige Finanzierung: Der Marktanteil von ESG-gebundenen Konsortialkrediten am syndizierten Kreditmarkt betrug von Januar bis September 2022 20%. ESG-Ziele (100% der Transaktionen hatte mindestens ein Ziel mit Umweltbezug) der Unternehmen: CO2-Emissionen reduzieren, Abfallverringerung, Wasserverbrauch, Recycling, Nachhaltigkeit in der Lieferkette. Finanzierungsinstrumente sind: Grüne Anleihen (Green Bonds), Nachhaltige Anleihen (Sustainability Bonds), ESG-gebundene Anleihen, Grüne Kredite (Green Loans), ESG-gebundene Kredite. Vgl. HB 9.1.23, S. 34f.

Anlagetipps für Frauen und feminine Finanzierung: Banken und Bloggerinnen haben ein neues Geschäftsfeld entdeckt: Spezielle Anlagetipps für Frauen. So gibt etwa die New Yorkerin Haley Sacks Finanztipps auf Instagram. Eigentlich sollten Geschlechter-Stereotype vermieden werden. Aber wenn es dem Geschäft dient, ist offenbar alles erlaubt. Die Empfehlungen lassen sich aber kaum nach Geschlecht differenzieren: Etwa Risiken minimieren durch breite Streuung. Vgl. Hurst, Fabienne: Rosa Finanzen, in: Die Zeit Nr. 7/ 10. Februar 2022, S. 21.

Der Finanzchef der Zukunft: 1. Zentrale Rolle als Hüterin. 2. Digitales Netzwerk ohne Grenzen. 3. Lebendiges System. 4. Mit den Aufgaben wachsen. 5. Vielfältigere Karrieren. Vgl. Hippe, Alan/ Pellens, Berhard: Über die Finanzchefs der Zukunft, in: FAZ Nr. 67, 21. März 2022, S. 18.

Online-Akademien und Finanzierung: Dubiose Online-Akademien ködern 2022 gezielt Teenager mit dem Versprechen von schnellem Reichtum. Kollegialität, gegenseitige Wertschätzung werden als Instrumente eingesetzt. Es scheint am Ende ein Heer von Verlierern zu geben, vor allem in den USA Die Beitrittsgebühr ist hoch, ebenso die Monatsgebühr. Es gibt mehrere Plattformen: z. B. IM Academy . Vgl. Iwamoto, Mitsuo u. a.: "Bock auf dei Malediven? Ich buch den Privatjet", in: Der Spiegel Nr. 27/ 2.7.22, S. 56ff.

Top Fonds in Deutschland ("Elefanten"): DWS, Allianz Global Investors, Union Investment, Deka. Vgl. Schwerdtfeger, Heike: Sieger im Schwergewicht, in: WiWo 12/ 17.3.23, S. 74ff.

 

Gründung (Unternehmensgründung; Start - up; Entrepreneurship; junge Unternehmen; der neue Mittelstand; Nebenerwerbsselbständigkeit; Unternehmensgeist)

Entrepreneurchip: Was macht das Verhalten aus? Spaß, systematisch an Innovation arbeiten, Kreativität (tragfähige Konzepte), Proof of Concept, Beharrlichkeit, Kultur des Scheiterns, Gründen mit Komponenten, Startfinanzierung, Businessplan (aber ständig aktuell), Horizont, Vgl. Günter Faltin: "Wir brauchen eine Volksbewegung Entrepreneurship, in: bdvb aktuell Nr. 132, S. 8 und 9. "Es gab in Deutschland schon Gründer, da gab es im Silicon Valley nicht einmal Garagen", Joe Kaeser, Siemens Vorstandsvorsitzender,

Psychologie der Gründung: Psychologisch bedeutsame Faktoren für professionelle Unternehmer. Familiäres und soziales Umfeld. Unternehmerische Kompetenzen. Umgang mit dysfunktionalem Denken. Realisierung von Gründungsabsichten. Vgl. Müller/Sauerland/Raab: Wir alle sind Unternehmer! Hamburg 2016. "Das gute Beispiel ist nicht eine Möglichkeit, andere Menschen zu beeinflussen, es ist die einzige", Albert Schweitzer.

Wichtige psychologische Persönlichkeitsmerkmale von Gründern: 1. Risikobereitschaft. 2. Durchhaltevermögen. 3. Selbstvertrauen. 4. Ehrgeiz. 5. Offenheit. Quelle: Studie von William Kerr, Harvard Business School, 2018.

Startup-Spirit: Das Ende der "dummen Arbeit" könnte kommen. Im "smarten Unternehmen" muss der Angestellte Intrapreneurship und ein bisschen Ownership miteinander verbinden. Gefragt sind Verantwortung, Empathie, Leidenschaft und Begeisterung, Offenheit und Respekt sowie Kollaboration. Intrapreneurship ist der Karriereweg der Zukunft. "Holacracy" ist die angestrebte Entwicklungstufe im Unternehmen: selbst bestimmte Arbeit. Vgl. Felix Plötz: Das Ende der dummen Arbeit. Wie du als Angestellter zu mehr Sinn, Geld und Freiheit kommst, Berlin (Econ) 2018.

Ashram Kainchi Dham: Tempelanlage im Himalaya in Indien. Zuckerberg, Jobs, Page und viele andere Gründer waren da. Insofern ist es mittlerweile eine Pilgerstätte für Tech-Gurus. Neem Karoli Baba war der Gründer des Tempels (Nächstenliebe und Hingabe wird gelehrt).

Kultur des Scheiterns (Kultur der zweiten Chance): Wer früh scheitert und Lehren aus seinen Fehlschlägen zieht, ist schneller erfolgreich. Je öfter Menschen scheitern, desto mehr lernen und entdecken sie. Diese Sicht müsste in Deutschland verbreiteter sein, vergleichbar mit der Kultur in den USA. So könnte man etwa ein freiwilliges Gründerjahr für den Einstieg ins Unternehmertum schaffen. Im Forschungslabor von Google bekommen die Mitarbeiter mehr Geld, wenn ihr Projekt scheitert. "Scheitern ist die Grundlage des Erfolgs", Laozi (Laotse), Philosoph aus China im 6. Jahrhundert vor Chr. Der Erfinder T. A. Edison, der auch GE gründete, formulierte es so: "Ich bin tausendmal gescheitert. Ich habe erfolgreich tausend Möglichkeiten entdeckt, wie die Glühbirne nicht zum Leuchten gebracht wird".

Start-up-Show "Höhle der Löwen": Sie läuft Dienstags in VOX. Unternehmer, Investoren und Finanziers sind Jury-Mitglieder und entscheiden, ob sie für vorgestellte Start-ups (Ideen, Projekte) Geld geben wollen. Die Jurymitglieder wechseln. Allein schon deshalb, weil einige auch selbst schon pleite sind.

Start-up und Durchschnittsdaten: Der Begriff "Start-up" entstand  in der US-amerikanischen IT- und High-Tech-Region zwischen San Francisco und San José impliziert und eine "andere Form des Wirtschaftens". Weiterhin sehen viele Start-up-Gründer ihr Unternehmen nicht mehr als ihre berufliche Lebensaufgabe . Stattdessen kalkulieren sie von Anfang an eine spätere Veräußerung ein, um dann die Früchte zu genießen, alternativ mit einer neuen Geschäftsidee ein weiteres Unternehmen zu gründen oder wieder eine Festanstellung aufzunehmen. Das Problem an dieser Lebensphilosophie: Die Beschäftigten in diesen Start-ups können nicht auf eine längerfristige Arbeitsplatzsicherheit bauen – in vielen etablierten mittelständischen Unternehmen hingegen schon (Quelle: ifm-Bonn). Bei empirischen Studien werden Start-ups häufig über das Alter operationalisiert (DSM: bis 10 Jahre), weil Wachstum und Innovation schwer zu messen sind. Durchschnittsdaten: 36,3 Jahre alt sind Gründer im Durchschnitt bei Gründung des ersten Unternehmens. 2,5 Mio. Euro benötigt ein Start-up durchschnittlich für die ersten zwei Jahre. Fast jeder zweite Gründer macht sich selbständig, weil er eine gute Gelegenheit für sein Geschäftsmodell sieht. 45% aller ausgeschriebenen Start-up-Stellen gibt es in Berlin. Siehe Wirtschaftswoche 18.11.16, S. 4 und 5.  In RLP gab es 2016 weniger Unternehmensgründungen. Die Gewerbeanmeldungen gingen 2016 gegenüber 2015 um 5,3% zurück. Gegenüber dem Vergleichsjahr 2014 ist 2017 die Zahl der Gründungen (Start-ups) zurückgegangen: Chancengründer 333; Digitalgründer 144; Innovative Gründer 76 (absolute Zahl der Gründungen nach Art). Die Zahl der Gründungen sinkt weiter: 2017  557.000 (gegenüber 2007  859.000), Quelle: KfW Gründungsmonitor.

Merkmale von Start-ups: Wichtige Merkmale sind Alter, Größe, Eigentümer, Wachstum und Unsicherheit. Daraus ergeben sich in Kombination bestimmte Konsequenzen. Kessel, A. Marktorientierte Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor junger Unternehmen, Wiesbaden 2007. Mittlerweile hat sich als Definitionsmerkmal immer mehr durchgesetzt, dass ein völlig neuer Dienst oder ein neues Produkt angeboten wird. Häufig geht das heute über das Internet. Also dominiert im Moment das Merkmal "Neues" ("Start"), mit dem es aufwärts geht ("up").

Phasen in der Entwicklung von Start-ups: Seed (Concept/ Product Development), early (Market Entry/ Infrastructure), Expansion (Distribution and Production Layout), Bridge (Preparation of Exit), Later (Market Penetration/ Diversification. Vgl. Siemon, Cord (2006): Unternehmertum in der Finanzwirtschaft.

Lebensdauer von Start-ups: Die Lebensdauer von Unternehmen sinkt weltweit, d.h. die Unternehmenssterblichkeit nimmt zu. Verglichen mit Firmen, die Produkte, Fabriken und Lieferketten besitzen, sind digitale Unternehmen anfälliger für Nachahmer. Wie kann man dem Trend entgegenwirken? 1. Hybride erschaffen: nicht nur digital, sondern auch materielle Produkte. 2. Netzwerkeffekte nutzen (z. B. Facebook). Innovationen fördern. Siehe Vijay Govindarajan/ Anup Srivastava: Strategy When Creative Destruction Accelerates, Working Paper, HBP 2017. 2018 leiden immer mehr Start-ups am Fachkräftemangel (Umfrage von PwC 2018, 62% aller Firmen haben Rekrutierungsprobleme). Das Instiut für Mittelstandsforschung hat auch die Überlebensrate von Gründungen gemessen. 2018 waren nur noch 40% der 2023 gegründeten Firmen am Leben. Quelle: IfM, Bonn, Mai 2021.

Scheitern von Start-ups: Es gibt vier Muster, die Start-ups scheitern lassen. 1. Zu positive Rückmeldungen. 2. Zu schnelles Wachstum. 3. Zu wenig Unterstützung. 4. Zu viele Hürden. Vgl. Eisenmann, Tom: Warum Start-ups scheitern, in: HBM Dezember 2021, S. 64ff.

Globale Start-up-Analyse: Im Mittelpunkt steht das Wachstum. Kapital bildet das Rückgrad. Das Durchschnittsalter der Gründer liegt bei 32 Jahren. Die wichtigsten Märkte sind Internet-Privatkundengeschäft, Finanzdienstleistungen, Software, Devisenhandel. Der Einfluss erstreckt sich auf folgende Branchen:  Medien und Marketing, Finanzen und Versicherungen, Technik und Telekommunikation, E - Commerce und Versandhandel, Verkehr und Logistik, Pharma und Gesundheit. Die herausragenden Unis für Gründer sind (nach Häufigkeit): Harvard, Stanfort, MIT. Die wichtigsten Länder  sind die USA und China. Vgl. brand eins 06/18, S. 36 und Kawohl, Julian/ Grumbach, Sascha: Einhorn-Dopteure, 2018 (Befragung der 100 wertvollsten Start-ups).

Gründungsklima weltweit: Der Anteil der Bürger, die sich eine Firmengründung zutrauen sieht in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich aus: Am höchsten ist der Anteil in den USA (65,5% vpr Großbritannien (55,2%). Hinten liegt Japan mit 14%. Deutschland hat 45,5%. Quelle: Total Entrepreneuerial Activity-Quote (TEA), GEM (Global Entrepreneuerial Monitor). Zusätzlich gibt es in diesem Monitor eine Experteneinschätzung zu den gründungsbezogenen Rahmenbedingungen: Die USA liegen vor den Niederlanden und der Schweiz. Deutschland liegt auf dem 9. Platz.

Start-up-Visum: Viele länder bieten bereits spezielle Visa für Gründer, damit sich das Innovationsgeschehen nicht mehr länger nur auf die USA konzentriert. Arbeitgeber machen sich für ein solches Visum auch in der eU stark. Vgl. HB 9.5.23, S. 7.

Lean Start-up - Methode: Es werden minimal funktionsfähige Produkte kreiert, die direkt am Kunden getestet werden. Die Reaktionen fließen in das Geschäftsmodell ein. So wird das Produkt Schritt für Schritt bis zur Marktreife entwickelt. Man schreibt so nicht mehr zuerst einen Business-Plan und geht dann mit dem fertigen Produkt an den Markt. Die Methode geht auf den Vordenker Steve Blank zurück, der eine Reihe von Start-ups im Silicon Valley begleitete. Vgl. Steve Blank/ Bob Dorf: Das Handbuch für Startups, O´Reilly 2014.

Strategie für Start-ups: Unternehmensgründer brauchen eine gute Strategie, bevor sie ihr Produkt auf den Markt bringen. Vier Grundsätze stehen dabei zur Auswahl: Start-ups verbessern ihre Erfolgsaussichten, wenn sie vier allgemeine Markteinführungsstrategien für sich abklopfen. Geistiges Eigentum, Disruption, Wertschöpfungskette oder Architektur. Sie sollten alle vier Varianten gründlich untersuchen und entscheiden, welche am besten zum Start-up passt. Siehe Gans, Joshua/ Scott, Erin L./ Stern, Scott: Strategie für Start-ups, in: HBM 10/2018, s. 36ff. Andere raten dagegen ohne Strategie vorzugehen. So etwa Carl Schramm von der Syracuse University, ebenda S. 46ff. Empfohlen wird eher Learning by Doing.

Start-up und Geschäftsidee: Eine Geschäftsidee steht am Anfang jeder Unternehmensgründung. Wie entstehen aber die erfolgreichen Ideen? In Heureka - Modellen  stieß man auf sechs Quellen: 1. Imitation (Fremdes kopieren). 2. Prognose (Zukunft voraussehen). 3. Analogie (Erfolgreiches übertragen). 4. Bedarf (Problem lösen). 5. Ressource (Vorhandenes nutzen). 6. Kreation (Eingebung umsetzen). Die Hälfte der Start-ups entsprang dem Bedarf. Gescheiterte Start-ups entsprangen oft den anderen Impulsen. Vgl. Nicolai, Alexander/ Wallner, Regina: Heureka! in: HBM, März 2019, S. 48ff.

Bessere Bedingungen für Start-ups: Die Bundesregierung will 2020 eine Verbesserung in 2 Punkten: 1. Kapitalbeteiligung von Mitarbeitern an den Unternehmen soll steuerlich günstiger behandelt werden. Dadurch will man leichter hoch qualifizierte Mitarbeiter gewinnen. 2. Die Besteuerung von Wagniskapitalgebern soll geändert werden. Die Umsatzsteuer auf die eigenen Managementgebühren soll wegfallen.

Konzerne und Start-ups in Deutschland (Kooperation): Daimler hat 2010 die meisten Partnerschaften und Projekte (92). Dann folgen Siemens (91) und die Telekom (91) vor Volkswagen (66) und BMW (65). als einziges ausländischen Unternehmen liegt Microsoft in der Spitzengruppe (42). Quelle: Handelsblatt Nr. 202, 19.10.20, S. 24f. 2021 hat die Telekom die meisten Partnerschaften mit Start-ups (143) vor Siemens (140) und Merck (106). Dann folgen BMW (70), Allianz (60), Daimler (45) und Bayer (35). Quelle: WiWo 25/ 18.5.21, S. 8.

Reformvorschläge, damit Deutschland den Anschluss an die Digitalisierung schafft:  Berührungsängste zwischen Start-ups und Konzernen. Spitzenwissenschaftler forschen an der falschen Stelle. Fiktive Champions müssen besser gefördert werden. Deutsche Start-ups müssen vor den US-Digital-Riesen besser geschützt werden. ausgeschiedene Manager sollten sich in Start-ups einbringen. "Wenn eine US-Firma mehr wert ist als alle 30 DAX-Konzerne, sehen wir bald den Ausverkauf der Wirtschaft". Boersch, Business Angel 2020, Quelle: Handelsblatt, 6.10.20, S. 27. Vgl. Boersch, Cornelius/ Middelhoff, Thomas: Zukunft verpasst? ,erscheint 2020 in 7 Sprachen.

Momentaufnahme für Start-ups 2020: Mehr als 415.000 Menschen arbeiten dort. 47.000 Start-ups gibt es. Quellen: Bundeswirtschaftsministerium, KfW.

Wachstum von Gründungen: Anfangs ist das Wachstum relativ hoch (Basis-Effekt). Irgendwann wird eine Wachstumsschwelle erreicht, die schwierig zu überwinden ist. Hier fehlen dann unternehmensinterne Ressourcen. Eine kritische Schwelle liegt bei einem Umsatz von 1,5 Mio. € (ifm-Bonn, 2015). Betroffen sind besonders kapitalintensive Branchen, das Produzierende Gewerbe und die Distribution.

Häufigkeit von Gründungen: Erhoben vom World Economic Forum/ "New Business registered". Danach führt Luxemburg vor Neuseeland, Australien, Island, Estland, Singapur, Norwegen, Schweden und der Slowakei. Deutschland liegt auf Platz 25. Im ersten Halbjahr 2017 ist die Anzahl der Gewerbeanmeldungen in Deutschland gesunken (-1,6% verglichen zum 1. Halbjahr 2016: Quelle: Destatis). Insgesamt waren es noch 288.800 Gründungen. Auch die Förderbanken berichten von einem starken Rückgang der Firmengründungen 2017. Dies ist aber typisch für eine sehr gute Arbeitsmarktlage. Trotz Corona gibt es 2020 mehr Gründungen: 529.600, +3,8%  gegenüber 2019.

Kooperation zwischen mittelständischen Unternehmen und Start-up: "Kooperieren etablierte Mittelständler mit Start-ups, können beide Seiten davon profitieren: Im besten Fall erhalten die Gründer branchenspezifisches Know-how sowie Zugang zu Ressourcen und zu einem großen Netzwerk. Die Kooperation kann somit in der frühen Unternehmensphase zahlreiche Lern- und Entwicklungsprozesse beschleunigen. Mittelständische Unternehmen können hingegen mit Hilfe modernster Technologien und dem Wissen von hochqualifizierten Fachkräften beispielsweise die Digitalisierung ihres eigenen Geschäftsmodells weiterentwickeln und dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern. Voraussetzung für eine erfolgreiche Partnerschaft ist jedoch, dass sich sowohl die Vertreter des mittelständischen Unternehmens als auch des innovativen jungen Unternehmens mit dem jeweils anderen Partner intensiv beschäftigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung von Interviews mit Unternehmern, Investoren und Verbandsvertretern, die die Wissenschaftler des IfM Bonn gemeinsam mit Ökonomen der Universität Siegen durchgeführt haben" (Quelle: IfM Bonn Forschungsnewletter 3/2017).

Gründungen aus der Arbeitslosigkeit: Die Gründungen aus der Arbeitslosigkeit waren nach Einstellung der Förderung der Ich - AG stark zurückgegangen (ab 2003 Förderung, Rückgang am stärksten 2011). Neue Gründungszuschüsse führen wieder zu einem Anstieg 2011 bis 2015 (Daten der BA, Statistik des IfM-Bonn, vgl. Homepage).

Regionale Gründungsbereitschaft: Ein wichtiger Faktor ist eine Hochschule in der Region. Verstärkend wirkt die Kooperation zwischen Hochschule und den Stakeholdern. Weitere Faktoren sind die Kooperation Hochschule - Gründer und die regionale Branchenstruktur. Metropolregionen bieten einerseits eine gute Infrastruktur, andererseits haben sie aber höhere Löhne. Quelle: IfM-Bonn.

Coworking spaces bzw. "Dorfbüros: Moderne Arbeitsformen, die Unternehmensgründern und Freiberuflern günstig Büro- und Konferenzräume zur Verfügung stellen. Modellprojekte werden in Städte und auf dem Lande von den Bundesländern gefördert.

CoFactory: Gründerzentrum für Start-ups und Partnerunternehmen. In Neustadt an der Weinstraße soll ein solches Zentrum auf dem Gelände der ehemaligen Papierfabrik Hoffmann & Engelmann entstehen.

Fallstudie "Teekampagne": Mit der Idee "Teekampagne" ist Günter Faltin seit 1995 Marktführer im Teeversandhandel in Deutschland. Der Professor an der FU Berlin für Entrepreneurship ist in der Praxis und Theorie erfolgreich. Vgl. Günter Faltin: Kopf schlägt Kapital. die ganz andere Art ein Unternehmen zu gründen. Von der Lust, ein Entrepreneur zu sein. Er zeigt auf, dass Unternehmensgründungen möglich sind, die nicht von Kapital und Technologie, sondern von der Kreativität und den Ideen ihrer Gründer abhängt.

Geschäftsmodelle für Unternehmensgründer: Eine Möglichkeit ist die Nachahmung (Imitation).

Technologie- und Gründerzentren: Sie verstehen sich als Schnittstelle zwischen Start-ups, Forschung und Industrie. Die drei Hauptaufgaben sind Gründer-, Transfer- und Wirtschaftsförderung. Der Erfolg hängt zum großen Teil von der Kommunikation ab.

Businessplan: Die wichtigsten Schritte bei der Entwicklung eines Start-up-Unternehmens (Ziele, Marktanalysen, Voraussichtliche Umsätze und Gewinne). Der Plan soll Investoren und Banken zur Finanzierung überzeugen. Elemente sind die Geschäftsziele, Produkte- bzw. Dienstleistungen, der Markt, eine Wettbewerbsanalyse, Kosten und Preisstrategie, Prozesse der Logistik, finanzielle Prognosen, Hintergrundinformationen, Notfallplan. Es können auch spezielle Techniken eingesetzt werden: SWOT - Analyse oder Unique Selling Point (USP, einzigartiges Verkaufsmerkmal). Vgl. BWL kompakt, München 2016, S. 32/33. Gründungsexperten sind uneins darüber, wie sinnvoll ein schriftlicher Businessplan ist. Eine neue Studie beweist die Nützlichkeit: Francis J. Greene, Christian Hopp: Are Formal Planners More Likely to Achieve New Venture Viability? , in: Strategic Entrepreneurship Journal, März 2017.

Rechtsform und Unternehmensgründung: Die Rechtsform einer neuen Firma ist ein Indiz für unternehmerisches Potential. Ross Levine und Yona Rubinstein fanden in einer empirischen Untersuchung heraus, dass der typische Gründer von Kapitalgesellschaften aus gebildetem und reichen Elternhaus kommt. Er war immer schon begabt und risikofreudig. Der typische Gründer einer Personengesellschaft war als Jugendlicher nicht besonders begabt und verdiente als abhängig Beschäftigter nur durchschnittlich (oder war arbeitslos). Relativ erfolglose Angestellte werden zu Kleinunternehmern. Unternehmertum ist also mehr als Selbständigkeit. 2014 ist die Zahl der Gründungen zurückgegangen. Das hängt auch damit zusammen, dass die klassische Gründertätigkeit zurückgeht. Neuere Gründungen gibt es vor allem im Bereich individueller Dienstleistungen. Vgl. ifm-Bonn, Artikel in der FAZ, 11.08.2015, S. 18.

Motive für Unternehmensgründer: Georg Licht vom ZEW in Mannheim unterscheidet drei wesentliche Motive: 1. Personen, die auf dem regulären Arbeitsmarkt wenig verdienen oder arbeitslos sind. 2. Menschen, die selbst bestimmt arbeiten wollen ohne Vorgesetzte. 3. Menschen, die dem volkswirtschaftlichen Unternehmerideal (Schumpeter) entsprechen. "Gründer feiern ihre Pleiten und machen das Scheitern in Deutschland salonfähig. Das der Wirtschaft nur nützen", Jens Tönnesmann.

Sandhill Road:  Straße im Menlo Park, Kalifornien (in der Nähe der Uni Stanford). Starke Ansammlung von Risikokapitalgebern (Venture Capitalists). Inbegriff der Venture-Capital-Branche. Das Silicon Valley  südlich von San Fransisco beherbergt fast alle wichtigen IT-Unternehmen (Oracle, Facebook, Google, Yahoo, NetApp, Cisco, Intel, Apple, Adobe, SAP). Eine Reihe von Start-ups aus dem Silicon Valley jagt die IT-Größen: Pure Storage (Flash- und Disc-Markt), DataDirect Networks (Speicherlösungen), Big Switch Networks (Software-defined Networking), EMC (Alternativen für Festplatten). 2016 investieren Risikokapitalgeber weniger im Silicon Valley. Um 40 Prozent gingen die Investitionen zurück - binnen sechs Monaten. Das erinnert an das Jahr 2000, als die erste Internet-Spekulationsblase platzte. In Ludwigshafen wird im ehemaligen Hallenbad Nord ab 2017 ein Zentrum für Existenzgründer eingerichtet.

Sillicon Valley: 2022 zurück als Tech-Zentrum der Welt. Die Start-up Szene blüht. Merkmale sind: 1. Fokus auf Geschäftskunden. 2. Nachhaltigkeit ist ein Leitthema. 3. Kryptoprodukte florieren trotz Krisenzeiten. Y-Combinator ist die bekannteste Firmenschmiede.

NUI-Regionenranking (neue unternehmerische Initiative): Es wird vom Institut für Mittelstandsforschung in Bonn durchgeführt. Im Jahre 2016 führt die Region Offenbach/ Main in Hessen vor München. Nach 12 Jahren an der Spitze wird 2028 Offenbach vom Landkreis München an der Spitze abgelöst. Quelle: Newsletter des IfM-Bonn, 1/2020.

TU München: Gilt als erfolgreichste Forschungsuniversität in Deutschland und als beste Stätte zur Umsetzung von Unternehmergeist. Es steht ein Fonds mit Risikokapital zur Verfügung (70 Mio. €, 16 Unternehmen wurden finanziert bis 2017). Das Umfeld gilt hier als ideal (vergleichbar Silicon Valley). Man versucht, den Vorteil der USA bei Finanzierung und Betreuung von Start-ups künstlich herzustellen.

Deutschlands Start-ups Schmieden: WHU Otto Beisheim, Koblenz; ESCP, Berlin; EBS, Oestrich-Winkel; Zeppelin Universität, Friedrichshafen; HHL Lepzig.

Stockholm, Schweden: Sie gilt als die Start-up-Hauptstadt Europas. Sie hat die meisten "Einhörner" (milliardenschwere Digitalunternehmen) hervorgebracht. Dazu gehören Spotify, Skype, Fintech Klarna. Dafür verantwortlich ist die optimale Mischung von Infrastruktur, Universitäten, Lebensqualität, freies Kapital, gesellschaftliche Offenheit, wohlwollende Politik.

Seoul, Tel Aviv, Kapstadt: Alle drei Städte (Südkorea, Israel, Südafrika) gelten als Mekka für Gründer und Innovationen (Kreativwirtschaft). Sie arbeiten mit Centern, die von der Regierung bezahlt werden: Seoul Center for Creative Economy and Innovation; Shimon Peres Center for Peace and Innovation; Cape Innovation and Technology.

Start-up: Besonders wichtig ist das Umfeld. Beim Städte-Ranking führt das Silicon Valley vor Tel Aviv. Berlin ist auf dem 15. Platz.  2019 führt San Francisco vor Peking, New York, San Jose, Boston, Shanghai. Wichtige Faktoren sind Finanzierung, Leistung, Unternehmergeist, Talentpool, Gründerumfeld, Alleinstellungsmerkmal und Trend. Grundlage der Finanzierungsentscheidung darf nicht der reine Finanzierungsbedarf sein (strategische Entscheidungen). Fremdkapitalfinanzierung ist häufig an Bedingungen des Eigenkapitals gebunden (etwa bei Förderprogrammen). Die Förderprogramme werden oft kommunal  aufgelegt oder zumindest verwaltet (das erklärt den Erfolg von Tel Aviv oder Berlin).  Crowdfinanzierung wird immer wichtiger. Steuerliche Herausforderungen müssen beachtet werden. Als Standorte für Startups sind in Deutschland folgende Städte attraktiv: Berlin (31,1% aller Startups), München (11,5%), Rhein-Ruhr 10,3%. Bei den Flächenländern führt Bayern vor BW und NRW. 2015 sind deutsche Startups im Schnitt 2,8 Jahre alt. 2014 entsteht ein Start - up in New York, das die Nassrasierermarken Gilette und Wilkinson  angreifen will. Es ist eine Kooperation zwischen amerikanischen und thüringischen Gründern und Jungunternehmern.  Mittlerweile gilt das Univiertel  Zhongguancun im Nordwesten Pekings als das chinesische Silicon Valley. Seit den Achtzigerjahren arbeiten Ingenieure, Programmierer und Investoren zusammen. Aus Start-Up´s sind Milliardenunternehmen entstanden: Lenovo, Baisu, Xiaomi. 200.000 Absolventen verlassen alleine in Peking jährlich die Universitäten.  Chinas Web-Pioniere werden Kryptonen genannt. Viele Start-Ups in Deutschland entstehen im Internet. So etwa das Internet-Portal "Aumedo" mit Daten und Fakten zu Optikern, Augenärzten und Augenkliniken. Bitcom Research erforschte 2014, was die Deutschen über Start-Ups denken: 32% wissen, was ein Startup ist; 87% halten die Gründer für leistungsorientiert und zielstrebig; 34% halten die USA für die führende Startup-Nation. 2014 entwickelt das Wirtschaftsministerium eine neue Initiative, um die Finanzierung von Start-ups zu verbessern. Es soll mit Steuererleichterungen gearbeitet werden. Interessant ist das Start-up "Saving Global". Es will gegen den Trend der Niedrigzinsen arbeiten. Daher bietet es Festgeldkonten im Ausland an. Mittlerweile gibt es auch viele Start-Ups im Bereich "Reinigung/ Putzfrauen": Helpling, Cleanagents, Zeitreicher, Book a Tiger, Homejoy. Google gründet einen Fonds mit 100 Mio. $, der in europäische Start-ups investieren soll (Google Ventures). Als Start-up boomen auch Internetgeschäfte: So etwa Lesara. Es handelt sich um einen Online-Discounter, der bewusst keine teuren Markenprodukte verkauft. Das Start-up "Auto1" wird von Investoren gefeiert, steht aber bei Händlern in keinem guten Ruf (Börsewert Anfang 2018 2,9 Mrd. €).  

Start-up-Geschehen in Deutschland: "Seit einem Jahrzehnt befindet sich das Gründungsgeschehen in Deutschland auf historisch niedrigem Niveau. Während es zwischen 1995 und 2004 im jährlichen Durchschnitt noch gut 240.000 Neugründungen gab, sind es in den darauf folgenden Jahren mit rund 165.000 Neugründungen deutlich weniger. Eine Erklärung ist der demografische Wandel, aber auch der Fach- und Arbeitskräftemangel, der für potenzielle Gründer:innen andere Beschäftigungsformen attraktiv macht. Der deutliche Einbruch im Jahr 2022 hat aber andere Ursachen. Nach den Turbulenzen der Coronapandemie führte der Krieg in der Ukraine zu Unsicherheit, was einen starken Rückgang an Unternehmens­neugründungen in vielen Branchen zur Folge hatte. Insbesondere der Rückgang im Hightechbereich ist deutlich zu beobachten. Der Energiesektor dagegen sticht durch eine zunehmende Dynamik hervor." Siehe Gottschalk, Sandra/ Hottenrott, Hanna: Das Gründungsgeschehen in Deutschland, in: Wirtschaftsdienst 1/ 2024, S. 64-66.

Start - up - Modelle: Soundcloud (Musikplattform); Betahaus (Netzwerk, Infrastruktur für Gründer); Visual Meta (verschiedene Onlineshops werden verbunden); Mornin`Glory (Rasierklingen per Internet-Abo); Math42 (Rechenschritte); M cube (Vergleichsportale von Versicherungen werden serienmäßig gestartet); Factory (Berlin, Fabrikantenhilfe für Gründer). Interessante Ideen: Oma-Klara (Second Hand; Vintage Online Shop; Gründerin Mona Schmitt). Start-ups sind die Weltmarktführer vo morgen. Sie sollen den Standort Deutschland sichern. In Deutschland gibt es 2016 etwa 6000 Start-ups. Sie wollen im Durchschnitt acht Mitarbeiter einstellen also rund 50.000 Arbeitsplätze schaffen. Die größten Start-ups sind in Berlin (gemessen an der Zahl der Mitarbeiter; KPMG). Das erste deutsche Blumen-Abo ist BLOOMY DAYS in Berlin (digitaler Blumenhandel). In NRW gründet sich ein Start-up, das beim Deichbau auf High-Tech-Textilien setzt: Topocare. Sehr erfolgreich ist Emma-Matratze (Online-Handel von Matratzen). In Osnabrück gibt es Seedhouse. Das eine Ansammlung von Start-ups im Bereich Landwirtschaft auf einem ehemaligen Militärgelände.

Start-up in der digitalen Zukunftswirtschaft: Sie arbeiten hauptsächlich über eine Plattform. Besonders erfolgreich ist das Berliner Start-up "Blacklane", das einen Chauffeursdienst für Viel - Reisende anbietet. Die Gründer halten knapp die Hälfte der Anteile. Größter Investor ist Daimler. Auch Carsten Maschmeyer hat investiert. Ein besonders Symbol in Berlin ist die Factory. Eine Umfrage 2017 bei Start-ups zeigt folgende Ergebnisse: 95% erlauben lockere Kleidung. 24% haben einen Kickertisch. 11% haben eine Feel-Good-/Start-up-Oma (Wohlfühlbeauftragte). Quelle: Der Spiegel, 12/2017, S. 58-63.

Start-ups und Risiko-Kapital nach Branchen und Regionen: Die meisten Gelder an junge Unternehmen gehen nach Berlin und Bayern. 2021 wurde 17,4 Mrd. € an Risiko-Kapital vergeben. Da swar ein Sprung gegenüber 2020 (5,3 Mrd. €) und den Jahren vorher. Da smeiste Geld (3,8 Mrd. €) ging an die Branche Finanzen und Versicherungen. Es folgen E-Commerce (3,7), Software und Datenverarbeitung (3,6), Mobilität (2,0), Gesundheit (1,3), Energie (1,3), Sonstiges (1,7). Quelle: EY.

Nebenbei - Gründungen (4-Stunden-Startup): Es geht um Gründungen neben dem normalen Job. Vgl. Felix Plötz: das 4-Stunden Startup, Berlin 2016. Der Autor kann eigne Erfolge vorzeigen. So wurde das Buch "Palmen in Castrop-Rauxel bereits 2013 über Crowdfunding finanziert. Als besonders wichtig wird die Schnittmenge zwischen eigenen Hobbys, Interessen und Fähigkeiten und den Bedürfnissen und Problemen der Welt gesehen. Beim Start-up-Thinking wird das Modell einer Zwiebel empfohlen: Im Kern das Problem (mit Realitätschek. Dann kommt die Lösung (mit Realitätschek). Außen ist das tragfähige Konzept mit Realitätschek. "Will man Schweres bewältigen, muss man es leicht angehen", Bertold Brecht, siehe oben, S. 185.

Unicorns: 82 Startups sind an der Wallstreet von Venture Capital -Firmen mit über 1 Mrd. US-Dollar bewertet (man nennt sie "Unicorns"). Das wertvollste Unternehmen ist Xiaomi. 57 der Unternehmen sind aus den USA (auch aus der Share Economy wie Uber und Airbnb), 16 aus Asien, 7 aus Europa (Quelle: Statista 2015). von den Start-Ups melden folgende Unternehmen die meisten Patente an: Dropbox, Evernote, Spotify, Uber, Twitter. 2016 droht Theranos abzustürzen. Bei Testergebnissen soll gefälscht worden sein. 500 Mio. Euro Risikokapital flossen an das Unternehmen. 2016 bekommt Uber 3,5 Mrd. $ aus Saudi-Arabien. Damit sammelte die Firma bereits 11 Mrd. $ als direkte Finanzspritzen ein, größtenteils für die internationale Expansion.

Spin-Off: Gründung kleiner Einheiten durch Großunternehmen (oder durch Mitarbeiter von Großunternehmen). Man kann so die Schnelligkeit der KMU bei der Umsetzung von Innovationen und die Motivation der Mitarbeiter gezielt einsetzen.  Ausgliederung und Verselbständigung eines Unternehmensteils aus einem bestehenden Unternehmen und Gründung eines eigenständigen Unternehmens. Dies bietet kurzfristig die Möglichkeit durch Umwandlung eines Unternehmensteils in eine Beteiligung kurzfristig Kapital zu erlangen.

 Start-up-Finanzierung: Wird auch Anschubfinanzierung genannt. Gründungsfinanzierung eines Unternehmens mit einer innovativen Idee (Gründungsphase, Aufbau). Meistens erfolgt die Start-up-Finanzierung nach der Seed-Finanzierung (Frühphasenfinanzierung zur Erforschung und Entwicklung einer Geschäftsidee). Auf der Basis wird ein Geschäftskonzept (Business-Plan) für ein neu zu gründendes Unternehmen erstellt.  Die Bundesregierung ist 2014 bereit, den Start-ups mehr zu helfen. Finanzierung ist aber nur ein Aspekt. Auch die Expertise muss verbessert werden. Die Industrie muss mehr selbst übernehmen. Nur über steuerliche Förderung kann es nicht laufen. Bayern will die Start-ups steuerlich fördern (Wagniskapital, Ausnahmen bei der Mindestgewinnbesteuerung). Amerikaner geben mittlerweile Hunderte von Millionen für deutsche Start-ups aus (Metaio, 6Wunderkinder). Das ist auch ein Hinweis darauf, dass die Rahmenbedingungen in Deutschland zu verbessern wären. Die Cloud könnte die Starthilfe verbessern. Insgesamt gesehen gibt es in Deutschland eine nachhaltige Gründungskultur, aber das große Geld kommt aus dem Ausland (Beispiele: Twitter hält 10% an Soundcloud; Inventure Management/ Singapur hält 75,1% an Xolution; HPE Growth Capital hält 30,2% an eGym; Horizons Ventures/ Singapur hält 15,9% an Number26; Habour West/ USA hält 14,3% an Finanzcheck).  2,5 Mio. € beträgt der Finanzierungsbedarf deutscher Start-ups (Quelle: Bitcom). 2016 bringt die Bundesregierung zusammen mit der KfW einen Investitionsfonds für Start-ups im digitalen Wandel. 225 Mio. € stehen für Firmen der digitalen Ökonomie in der frühen Wachstumsphase zur Verfügung. Die Bundesregierung will  2017 die Wachstumsfinanzierung stärken. Es soll mehr Kapital für Start-ups geben. 2016 flossen 1,7 Milliarden Euro an Risiko-Kapital in deutsche Start-ups. In den USA waren es mehr als 60 Milliarden Euro. Die größte Finanzierungs-Deals 2017 sind: Das Berliner Musikportal Soundcloud erhält 65,7 Mio. € von Investoren aus USA und GB. Bill Gates gibt 50 Mio. € an das Berliner Forschernetzwerk Researchgate. Investoren beteiligen sich an der Solarisbank (Berlin). Sie baut den App Store für die Finanzwelt auf. Dabei ist auch die japanische SBI Group. Literatur: Hahn, C.: Finanzierung und Besteuerung von Start-up-Unternehmen: Praxisbuch für erfolgreiche Gründer, Wiesbaden 2014. 6,2 Mrd. € haben deutsche Start-ups in 2019 an Kapital eingesammelt. Das waren 36% mehr als 2018.

Steuerliche Vorteile für Mitarbeiterbeteilung bei Start-ups: Der steuerliche Freibetrag für Mitarbeiterbeteiligung soll 2023 von 1440 € auf 5000 € angehoben werden. Unternehmensanteile müssen erst nach 20 Jahren versteuert werden.

Modelle der Gründungsfinanzierung sind Self-feeding Business (primär Selbstfinanzierung), Bootstrap Financing (Eigenfinanzierung, daneben auch Fremdfinanzierung) und Big Money Model (Eigen- und Fremdfinanzierung in größerem Umfang). Vgl. Freiling, J.: Entrepreneurship, München 2006, S. 316. Es gibt folgende Risiken der Finanzierung: Gesamtrisiko (Abweichungen der tatsächlichen von den erwarteten Renditen), diversifizierbares Risiko und Marktrisiko (Konjunktur). Der Finanzierungsbereich gilt als größtes Problem mittelständischer Unternehmen. Basel II, der Wegfall der Gewährträgerhaftung und die Finanzkrise 2007/08 verschärfen die Schwierigkeit und erhöhen die Finanzierungskosten. Das Land Rhld. - Pfalz z. B. legt Ende 2008 ein Bürgschaftsprogramm auf, das drastische Auftragsrückgänge und Liquiditätsschwierigkeiten aufgrund der Finanzkrise bei KMU abfedern soll. Bei der Internationalisierung der KMU  muss im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit die Finanzierung gesichert werden (z. B. durch Bürgschaften). 2009 richtet die Regierung einen "Rettungsschirm" ein, der Unternehmen helfen soll, die wegen der Finanzkrise kaum noch Kredite bekommen (KfW, Kreditbürgschaften, 100 Mrd. €). Vgl. auch: Audretsch, D. B./ Elston, J.A.: Financing the German Mittelstand, in: Small Business Economics, 9(2), S. 97-110. "Wir haben keine andere Wahl, wenn wir Ländern wie China einen Schritt voraus sein wollen", Susanne Klatten, Quandt, über Startups. Gründungsfinanzierungen sanken 2014 um rund 10% auf 650 Mio. €. Es wurden 712 Firmen unterstützt. Literatur: Hastenteufel, J.: Gründungsfinanzierung im Wandel, Baden-Baden 2016.

Wagniskapital nach Weltregionen 2016 und 2021: 2016 führte Nordamerika (2,9 Mrd. $) vor Asien (2,5 Mrd. $) und Europa (1,1 Mrd. $). 2021 führt immer noch Nordamerika (17,0 Mrd. $), vor Europa 8,0 Mrd. $) und Asien (4,1 Mrd. $). Beim Sektor führt 2021 Energie. Vgl. WiWo 47/ 19.11.21, S. 10.

Corona-Krise 2020 und Rettung von Start-ups:  In Arbeit ist eine schnelle Hilfe für Jungunternehmen. Für Start-ups sollen 2 Mrd. € eingesetzt werden. Anstehende Finanzierungsrunden sollen nicht platzen. Es wird an einem "Zukunftsfonds" in Höhe von 10 Mrd. € gearbeitet, der größeren Start-ups bei der Finanzierung helfen soll.

Steuerprivilegien für Start-ups: Der Bundesfinanzminister will 2023 in einem Gesetzentwurf Steuerprivilegien für Start-ups ausweiten. Dafür hatte die Branche lange gekämpft. Der Pro-Kopf-Steuerfreibetrag soll von 1440 Euro auf 5000 Euro erhöht werden.  Das Dry Income-Problem soll so gelöst werden (Firmenanteile von Mitarbeitern werden versteuert, bevor sie zu Geld kommen). Die Reform soll Anfang 2024 in Kraft treten.

Ausländische Investoren und Braindrain: Ausländische Geldgeber investieren in innovativere Unternehmen und ermöglichen größere Finanzierungsrunden als inländische. Es ist dann wahrscheinlicher, dass diese Unternehmen an ausländische Strategen verkauft werden oder außerhalb Europas an die Börse gehen. Das kann einen Braindrain auslösen. Quelle: Studie von Achleitner/ Braun, TU München, 2019.

Business-Acceleratoren und -Inkubatoren: Der Accelerator bietet Hilfe und Dienstleistungen (Mentoren, Berater, potentielle Investoren). Dafür zahlt das Start-up einen prozentualen Anteil des Eigenkapitals. Inkubatoren sind Zentren, Forschungseinrichtungen, Wissenschaftsparks, virtuelle Online-Brutkasten. Hinzu kommen noch Company Builder. Sie entwickeln eigene Geschäftskonzepte und kümmern sich um den Aufbau des Management-Teams. Teilweise werden auch passende Gründerteams von außen geholt.

High-Tech Gründerfonds: Bund und private Investoren fördern zusammen seit 2007 Start-ups. Bis 2016 wurden 576 Mio. Euro in 468 Start-ups investiert.

Unterstützungsmöglichkeiten bei der Gründungsfinanzierung: 1. Gründungszuschuss (existenzgruender.de, foerderbank.de), 2. Mikrokredite (mein-mikrokredit.de), Crowdfunding (siehe oben), Gründerkredit der KfW (in der Regel aus ERP-Mitteln). Vgl. auch www.gruenderberater.de/foerdercheck .

Beschleuniger für Start-ups: Man unterscheidet zwischen Acceleratoren und Inkubatoren: Acceleratoren bieten sich vor allem für die frühe Phase der Gründung an, um das Geschäftsmodell zu prüfen und ein Netzwerk von Kontakten aufzubauen. Startpunkt und Dauer des Programms sind festgelegt. Beim Inkubator ziehen die Start-ups zunächst unbegrenzt in feste Räume ein. Sie haben einen Komplett-Service mit IT - Infrastruktur. Ein dritter Ansatz sind Company Builder.  Bei Start-up-Pitches zählt das Auftreten mehr als der Inhalt. Vgl. Chia-Jung Tsay: Die Optik ist alles, in: HBM November 2021, S. 18f.

Angel-Investments (Business Angels): Gründer sollten sich frühzeitig auf Investoren einstellen. Besonders wichtig sind Beteiligungsstrukturen (starke Gesellschafterrechte). Die Unternehmensbewertung muss auch nachvollziehbar sein. Besondere Angels sind die Super-Angels (berühmte Personen, die in Start-ups investieren). Business Angels sind oft mit Bootstrapping (Verzicht auf weitere externe Finanzierung) verbunden.

Crowdinvesting: Projekt- und Gründungsfinanzierung über das Internet etablieren sich allmählich in Deutschland (z. B. Bergfürst AG). Erste Anbieter erhalten die Lizenz der Finanzaufsicht. Damit ist natürlich auch das Machtmonopol der Banken und Fonds über die Finanzierung bedroht. Die Idee stammt aus den USA.  Dort gibt es auch Crowd-Plattformen für Entwicklungshilfeprojekte oder wissenschaftliche Forschung.  Eine ausführliche Studie des IfM, Bonn 2015 (Unternehmensgründung und Crowdinvesting; 145 KMU befragt) kommt zu folgenden Ergebnissen: Die Finanzierungsform ist besonders geeignet für innovative Wachstumsunternehmen. Der finanzielle Beitrag der Gründer ist entscheidend. Vgl. Beck, R: Crowdinvesting: Die Investition der Vielen, Leipzig 2014.   2013 konnten schon 15,0 Mio. € für Start-Ups für nachhaltige Projekte durch Crowdinvesting eingesammelt werden. Immer neue Plattformen kommen dazu: z. B. Currency Cloud, London (internationaler Zahlungsverkehr); Zopa, London (Kreditplattform); Lendico, Berlin (Kreditplattform).

Netzwerke für Gründer: 1. Coaching (z.B. bei der KfW), 2. Auftragsbörsen (Plattformen im Internet: projektwerk.com, freelance.de), 3. Kreativpiloten (kultur-kreativpiloten.de), 4. Online-Netzwerke (Xing, LikedIn), 5. Kammern

Fraunhofer-Gesellschaft: Sie bekommt von Jahr zu Jahr viele Milliarden vom Bund. Sie verteilt sich über Deutschland in 80 Städten. Sie treibt auch viele Drittmittel ein. Viele Start-ups in Deutschland sind Ausgründungen.

Fallen für Gründer: Falsche Handelsregister  verlangen Geld von Unternehmensgründern. Dahinter steckt ein Geschäftsmodell.

Führen in Start-ups: Motivieren über die Vision des Start-ups; führen über konkrete Aufgabenvergabe; Motivieren durch Zielvereinbarungen; Motivation durch Teamzugehörigkeit. die Rahmenbedingungen sind mitentscheidend. Vgl. Middelberg, Nils: Führen in Start-ups., in: starting up 03/2014, S. 16-20.

Mitarbeiterrekrutierung: Drei von vier Gründern setzen auf Mundpropaganda, also persönliche Empfehlungen, wenn sie neue Mitarbeiter suchen.

Gründer-Teams: Mitglieder müssen die Fähigkeit haben, kooperativ miteinander zu kommunizieren. Sie sollten sich fachlich ergänzen und menschlich gut verstehen. Die Kommunikation muss auf einer emotionalen Ebene, bei Interessen und Werten und auf der sachbezogenen Handlungsebene funktionieren. 

Gründungen von Migranten: Im Jahre 2013 haben sich 870.000 Menschen in Deutschland selbständig gemacht. Von den Gründern hatten 21% ausländische Wurzeln. Von 42,8 Mio. Erwerbstätigen arbeiten ca. 2,5 Mio. für einen Chef mit ausländischen Wurzeln. Zuwanderer wagen häufiger den Sprung in die Selbständigkeit und beschäftigen mehr Mitarbeiter als Durchschnittsgründer. Die letzten Sachverhalte gehen aus einer Untersuchung der KfW 2016 hervor (ca. jeder fünfte Gründer hat ausländische Wurzeln). Gründe dafür sind auch fehlende Alternativen und Gründung im Handel. In den letzten Jahren sind die Gründungen durch Migranten weiter gestiegen (im Vergleich zu 2013/14). Flüchtlinge der letzten Jahre spielen dabei keine Rolle. 2021 sind 78% der Gründungen ohne Migrationshintergrund, 22% haben einen Migrationshintergrund. 23,3% kommen aus Osteuropa, 13,8% aus dem südlichen Asien, 11,75 aus dem westlichen Europa, 7,"% aus dem nördlichen Europa, 6,5% aus dem südlichen Europa. Quelle: Friedrich-Naumann-Stiftung, Mai 2022.

Gründungen von Frauen: Washingtoner Global Entrepreneurship and Development Institut: Erhebt und berechnet den Female Entrepreneurship Index (FEI). Abhängig von Kultur und Rollenverständnis sowie von Geschäftsmodellen in der Finanzierung. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 03.07.2017, S. 18 (Redaktion Jutta Gröschl vom ifm-Bonn). Nach der Erhebung 2015 hat sich die Situation für Frauen in den Staaten Schwarzafrikas und Ostasiens verbessert. Das IfM Bonn hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass eine Gründung von Frauen umso wahrscheinlicher ist, je häufiger und je länger diese ihre Erwerbstätigkeit familienbedingt unterbrechen und wenn sie keine Rückkehrgarantie in eine frühere abhängige Beschäftigung besitzen. Die hohe Zahl an weiblichen Selbstständigen in Teilzeit lässt sich aber auch mit der gestiegenen Anzahl an Akademikerinnen erklären, die in der freiberuflichen Selbstständigkeit ein willkommenes Zusatzeinkommen zum Haushalt sowie eine optimale Möglichkeit sehen, ihre berufliche Ausbildung mit ihren Familienaufgaben zu verbinden. Der Anteil von Frauen an den Existenzgründern ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Studien zeigen, dass Gründerinnen eher aufgeben (nach einem Scheitern wagen 48,8% nur einen zweiten Anlauf, bei Männern 65,6%; Female Founders Monitor 2018). Frauen setzen auch andere Schwerpunkte (vor allem E-Commerce).  Von 1,5 Mio. Gründungen in Deutschland 2002 waren 34% von Frauen; von 672.000 Gründungen 2016 waren 40% von Frauen (Quelle: KfW, Frankfurt). Gründerinnen wirtschaften erfolgreicher als ihre männlichen Kollegen (Quelle: Silicon Valley Bank, Bloomberg). In Deutschland werden 28% aller Start-ups mindestens von einer Frau in der Führung vertreten (China 35%, USA 24%). In keinem Bundesland werden mehr Start-ups von Frauen gegründet als in Mecklenburg-Vorpommern. Was steckt dahinter? Größeres Selbstvertrauen auf dem Arbeitsmarkt, Notwendigkeit. Auch die Branchen spielen eine Rolle: Ernährung, Nahrungsmittel, Textilkien, Konsumgüter, Medizin, Gesundheit, Bildung. Vgl. Die Zeit 11/ 9.3.23, S. 19.

Gründungen von Älteren: Je älter, desto größer ist der Erfolg. Die Erfolgswahrscheinlichkeit ist in mittlerem Alter am größten (30-39, 40-49). Quelle: Pierre Azoulay et al.: Age and High-Growth Entrepreneurship, NBER Working Paper, April 2018. Man spricht auch von Senior Entrepreneurship. Es gibt immer mehr. Vgl. Keller, Cathrin: Gestalter im Alter, in: Focus 8/2022, S. 52f.

Gründungen in einer alternden Gesellschaft: Zunehmend dürfte die Zielgruppe älterer Menschen interessant sein. 2016 wird das Start-up Ello in Stuttgart gegründet. Es produziert Elektrorollatoren. Es finanziert sich über Crowd-investing. auf der Plattform Aescuvest. Viele Start-ups in den USA spezialisieren sich auf Kunstfleisch. Eine Technikelite finanziert sie (Bill Gates, Sergey Brin). Eine Firma ist zum Beispiel Impossible Foods. Das Kunstfleisch soll echtes Fleisch ablösen und ökologisch wirken (weniger Tierzucht auf der Welt).

Freiberufliche Gründungen: Die Überlebenswahrscheinlichkeit wächst mit der Größe. Vgl. IfM-Bonn.

Unis für Gründer: Seit 2014 bis 2022 ist die TU München am erfolgreichsten mit 810 Start-ups. Dann folgen die TU Berlin, die LMU München, das Karlsruher Institut für Technologie, die RWTH Aachen, die FU Berlin, die HU Berlin, die Uni Mannheim, die Uni Köln, die Uni Frankfurt.

Gründungen in der digitalen Ökonomie: Interessant ist die Anti-Tracker-Allianz Von CLIQZ/ München und GHOSTERY, USA. Sie wollen das wilde Sammeln von privaten Daten verhindern. Es gibt eigenständige Browser oder Browser-Erweiterungen.

Start-ups in der Green-Economy: Unternehmertum wird anders definiert: soziale Probleme lösen, faire Löhne zahlen, ökologisch produzieren. Beispiele sind Polarstern, Freitag/ Schweiz, Sun.

Start-ups mit Motiv Weltveränderung zum Positiven: Die Münchener Gründerbrüder Daniel, Julian und Laurin Hahn erheben diesen Anspruch. Sie haben verschiene Projekte: Solar-Elektroauto, Hexenhaus in der Kunst, Schiff, Klub "Bahnwärter Thiel". Vgl. Hesse, Martin: Die besseren Samwers, in: Der Spiegel 36/ 3.9.22, S. 67ff.

Start-ups in China: 2016 hat China 33 Start-ups mit einer Bewertung von mindestens 1 Milliarde Dollar. Dabei handelt es sich unter anderem um folgende Unternehmen: Xiaomi (Smartphone), Lufax/ Shanghai Kreditvermittlung, Fianz-Start-up), Meituan-Dianping (Rabattvermarkter), Didi Kuaidi (Fahrdienste), Zhong An (Versicherung), DJI/ Shenzhen (Drohnen), Vancl/ Peking (Handel), Ele.me ("bist du hingrig", Lieferdienst), Tujia (Zimmervermittlung). Als das Silicon-Valley Chinas gilt das Perlflussdelta. In Shenzhen haben sich vor allem die digitalen Unternehmen angesiedelt.

Start-up-Nation Israel: Insgesamt wurden 63 Einhörner mit einer Bewertung von über einer Milliarde US-Dollar von Israel bis 2021 gegründet. 2021 sinkt die Zahl neuer Tech-Unternehmen dramatisch. Auch das eingeworbene Kapital sinkt im Vergleich zu den Vorjahren.

US-Spitzenunis und Start-ups: Die Top-Universitäten der USA sind ungewöhnlich erfolgreich darin, ihre Absolventen auf dem Weg zum eigenen Start-up zu begleiten. Dahinter stecken drei Strategien: 1. Praxisnaher Unterricht, z. B. in 24 Schritten zum erfolgreichen Gründer. 2. Studenten verschiedener Fachrichtungen können sich vernetzen. 3. Zu häufig scheitern gute Ideen an bürokratischen Hürden. Vgl. Krolle, Hannah: Start-up-Kultur, in: HB Nr. 137/ 19. Juli 2022, S. 24f.

Dot.com: Sammelbezeichnung für all die jungen Internet- und Computerfirmen, die während der Phase der New Economy gegründet wurden. Viele gingen nach einem kometenhaften Aufstieg pleite, weil sie gar kein werthaltiges Eigentum hatten.

Start-up-Käufe: Rund 1300 Gründungsunternehmen wurden zwischen 2012 und 2016 in Europa verkauft. Fast jedes zweite Unternehmen ging an US-Unternehmen (jedes Fünfte an ein Unternehmen im Silicon Valley) Die meisten Sart-ups kaufte Google. Die Daten wurden ausgewertet von der Online-Datenbank Crunchbase und der Organisation Mind the Bridge. "Start-ups sind wie eine Frischzellenkur", Franz Fehrenbach, Aufsichtsratsvorsitzender von Bosch 2016.

Ich-Aktie (Anlage in Talente): In den USA verkaufen sich einzelne Menschen als Anlage. Dazu gehören Sportler und Studenten. Anleger investieren damit in Menschen. Studenten brauchen Eigenkapital. Gute Noten bringen ein gutes Rating. Es werden Verträge abgeschlossen, die nicht sittenwidrig sein dürfen.

Fuckup-Night: Kommt aus den USA. Gescheiterte Unternehmer berichten aus ihren Erfahrungen. Das folgende Credo wird vom Silicon Valley verbreitet: Wer Erfolg haben will, muss mindestens einmal scheitern. Solche Treffen finden in Deutschland z. B. in Berlin oder Köln statt.

EU-Förderung: Die EU fördert ab 2017 bis 2019 Auslandsaufenthalte von Existenzgründern. Das Netzwerk heißt OPEN - EYE und steht unter Leitung der Hochschule Fulda. Die Fördersumme beträgt 1,2 Mio. Euro im Rahmen von Erasmus.

Virtuelle Teams: Start-ups sind schneller, flexibler und innovativer als traditionelle Unternehmen. Diese neue Arbeitsform kann speziell auf ihre Bedürfnisse eingehen und helfen. Vgl. "Virtual Power Teams" - www.peter-iwanow.com .

Startup Camp - Deutschland größte Early Stage Konferenz in Berlin (2017 zum 12. Mal).

 

Steuern/ Unternehmenssteuern, Unternehmensbesteuerung, Business Taxation; Ertragssteuern, Steuerbelastung, Wettbewerb über Steuern, Steuerreformen (Vgl. zu einer wesentlich ausführlicheren Analyse der Steuern auch Economics/ basic, Makroökonomik, Steuern, wesentlich detaillierter als an dieser Stelle; die Vorlesung Steuerlehre, insbesondere Unternehmenssteuern, habe ich im Programm und mehrere Jahre gehalten; gerade hier dürften VWL und BWL immer mehr zusammenwachsen wie in den USA schon geschehen; eine Trennung ist nicht länger sinnvoll: früher gab es in Deutschland die Behandlung der Steuern in der Finanzwissenschaft und der betrieblichen Steuerlehre ). Zunehmend wichtiger werden internationale Kooperationen zwischen Ländern in Steuerfragen. Man braucht also eine stärkere Gewichtung internationaler Aspekte.

Systematik der Unternehmenssteuern: Ertragsteuern (bei KMU in der Regel Einkommensteuer, da Personengesellschaften; sonst Körperschaftsteuer bei Kapitalgesellschaften). Substanzsteuern (Gewerbesteuer, Grundsteuer, Erbschafts- und Schenkungsteuer), Verkehrsteuern (Umsatzsteuer, Grunderwerbsteuer). Neben Irland sind die Unternehmenssteuern auch in Singapur (18,4 Prozent), Luxemburg (20,1), und in der Schweiz (28,8%) besonders niedrig.

Steuerbelastung: Als theoretischer Begriff nicht exakt definiert und operationalisiert. Es können die Steuer- und Abgabenquote insgesamt sein. Hier liegt Deutschland im internationalen Vergleich im Mittelfeld. Historisch sind die Ertragsteuren seit den Fünfzigerjahren kontinuierlich gesunken. Es kann auch auf die Steuerlast einzelner Einkommensgruppen bezogen werden. Die Lohn- und Einkommensteuer hat das höchste Steueraufkommen und nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip tragen die oberen Einkommensgruppen den größten Anteil. Sehr schwierig ist die Steuerbelastung bei Kapitalgesellschaften (Großunternehmen) und Personengesellschaften (KMU) zu vergleichen, weil verschiedene Steuerarten (z. B. Einkommensteuer vs. Körperschaftsteuer + Gewerbsteuer) und Verlustausgleich u. a. sowie internationale Aspekte betrachtet werden müssen. Das Thema gehört zur Steuer - Inzidenz, die die tatsächlichen wirtschaftlichen Auswirkungen oder Belastungen einer Steuer misst. Manchmal wird auch die tarifliche Belastung des Gewinns von Kapitalgesellschaften (Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, vergleichbare andere Steuern) zusammen genommen. Im Jahre 2015 bestand die höchste Belastung in der EU danach in Frankreich (38,0%). Es folgen Italien (31,4%) und Deutschland (29,8%). Am geringsten ist die Belastung in Irland (12,5%). Da die meisten mittelständischen Unternehmen als Personengesellschaften Einkommensteuer zahlen, gelten die Zahlen nicht für sie. "Was hilft es dir, damit zu prahlen, dass du ein freies Menschenkind? Musst du nicht pünktlich Steuern zahlen, obwohl sie dir zuwider sind?

Steuerlast bei Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften: Die Steuerbelastung ist extrem schwierig zu ermitteln, weil es ein Bündel von Steuern gibt und auch Verflechtungen der Steuern. Etwas einfacher ist es nur bei Gewinnen. Inhaber von Personengesellschaften zahlen eine maximale Einkommensteuer von 45%, einen Solidaritätszuschlag von 2,5%. Also liegt die effektive Belastung bei 47,5% (ohne Gewerbesteuer: Staffeltarif und Verlustausgleich). Allerdings in der Regel deutlich darunter. Bei Kapitalgesellschaften müssen Gewerbesteuer (14% bei Hebesatz von 400%), Körperschaftsteuer (15%) und Solidaritätszuschlag (0,8%) vor der Ausschüttung addiert werden. Bei Ausschüttung der restlichen 70,2% kommen Abgeltungsteuer (25%), Solidaritätszuschlag (1,4%) dazu, so dass man auf effektiv 48,3% kommt. Der Fiskus bevorzugt Konzerne und benachteiligt mittelständische Kapitalgesellschaften: vgl. Gerhardt, Heinz/ Siemers, Lars: Die relative Steuerbelastung mittelständischer Kapitalgesellschaften, Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 66 (1), 2017

Belastungsindikator Mittelstand: Er wird 2020 vom IfM - Bonn im Auftrag des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft entwickelt. Es geht um die Belastung durch Ertragssteuern. Insgesamt hat sich die Belastung von 2008 zu 2017 verringert. Das gilt aber nicht für KMU. Quelle: Forschungsnewsletter des IfM - Bonn 4/2020.

Steuersystem: Die Steuerbemessungsgrundlage ist eine technische oder monetäre Größe, die als Basis für die Ermittlung der Steuerschuld dient (Ertrag, Vermögen). Der Steuertarif legt fest, in welcher Weise die Steuerschuld von der Bemessungsgrundlage abhängt. Jede Steuer besteht aus einer Bemessungsgrundlage und einem Steuertarif, auch die Unternehmenssteuern. Nach der Bemessungsgrundlage können Einkommensteuern, Umsatzsteuern, Ertragsteuern, Grundsteuern und Vermögenssteuern erhoben werden. Die Steuern können proportional, progressiv oder regressiv wirken.

Körperschaftsteuer: Steuern, die auf den Ertrag bzw. den Gewinn von Unternehmen erhoben werden. In Deutschland gilt dies für Kapitalgesellschaften. Personengesellschaften (viele KMU) zahlen Einkommensteuern. Sie werden auf das Einkommen von privaten Haushalten bzw. auf den Gewinn von Unternehmen erhoben (Halbeinkünfteverfahren!). Im internationalen Vergleich ist die Körperschaftsteuer sowohl in OECD-Staaten als auch in anderen Staaten permanent gesunken.

Einkommensteuer: Die Einkommensteuer wird in Deutschland sowohl von Beschäftigten als auch von Unternehmen gezahlt. Bei den Unternehmen zahlen diese Steuer Personengesellschaften, hauptsächlich KMU. In Deutschland betrifft dies ca. 80% aller Firmen. Die großen Unternehmen zahlen als Ertragsteuer Körperschaftsteuer für Kapitalgesellschaften. Es gibt Reformüberlegungen, einen dualen Tarif einzuführen (Privathaushalte und Unternehmen getrennt). Das deutsche System gilt als wesentlich besser als die Systeme in Frankreich und Italien. Wer zahlt die Einkommensteuer? Das reichste Hundertstel mit Einkünften ab 184701€ zahlt 22% (vom Gesamtaufkommen in Höhe von 198 Mrd. € 2011). Das reichste Zehntel bringt 54,6% auf (Einkünfte ab 69582€). Die ärmeren 50% der Steuerzahler (Einkünfte bis 26191€) zahlen 5,4%. Eine andere Relation: 2013 zahlt die obere Hälfte der Steuerpflichtigen 95% des Einkommensteueraufkommens. Im Rahmen der Bundestagswahl 2013 gibt es Überlegungen, den Spitzensteuersatz ab einem bestimmten Einkommen zu erhöhen (SPD ab 100.000€ auf 49%, 200.000€ bei gemeinsamer Veranlagung von Paaren). "Erst beim Abfassen der Einkommensteuererklärung kommt man dahinter, wie viel Geld man sparen würde, wenn man gar keines hätte", Fernandel, französischer Schauspieler.

Schenkungs- und Erbschaftsteuer: Steuern auf den Transfer des Reichtums von einer Generation auf die andere. Vgl. Stiglitz/ Walsh: Makroökonomie, München 2013, S. 475. Das Aufkommen dieser Steuer ist am höchsten in Japan (1,8% des Aufkommens aller Steuern). Dann folgen Belgien (1,5%), Frankreich (1,0%) und Spanien (0,7%). Deutschland liegt bei 0,4% (OECD). Ende 2014 kommt die Grundsatzentscheidung zum 2009 reformierten Erbschaftsteuerrecht. Das Bundesverfassungsgericht könnte die Ausnahmen kippen (hoher Missbrauch). So kommt es dann auch. Das Gesetz muss geändert werden bis Mitte 2016 (nur für kleine Unternehmen/ Betriebsgröße, nur für bestimmte Verwandtschaftsverhältnisse, Belegung des Arbeitsplatzerhaltes für alle Firmen, steuerbegünstigte Verwaltungsvermögen lud zu Vermögensverschiebungen ein; verschontes Vermögen insgesamt).

Erbschaftsteuerreform: Erben, die den Betrieb sieben Jahre fortführen, bleiben von der Besteuerung von 85% des Betriebsvermögens verschont, wenn die Lohnsumme mindestens 650% der Lohnsumme zum Erbzeitpunkt addiert. Wer den Betrieb zehn Jahre fortführt, wird komplett von der Erbschaftsteuer befreit, wenn sich die Summe auf mindestens 1000 Prozent addiert. Die Regelung wird erheblich von der Krise beeinflusst, wenn sie Freisetzungen notwendig macht (Verknüpfung von Steuerbefreiung und konstanter Beschäftigung wirkt in einer Rezession katastrophal). Pro Jahr werden in Deutschland ca. 30.000 Unternehmen vererbt. Die neue Bundesregierung ändert Ende 2009 die Anforderungen an den Erhalt von Arbeitsplätzen, indem die Lohnsumme abgeschwächt wird (gilt auch nur für Betriebe über 20 Beschäftigte). Die Regelung wird missbraucht. Noch 2014 will deshalb das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, ob es eine "Überprivilegierung" von Unternehmenserben gibt. Gegenwärtig genügt die Gründung einer "Cash-GmbH", in die sämtliche liquide Mittel aus dem Privatvermögen eingelegt werden können. Das Geld gilt dann als Betriebsvermögen. Nur 15% werden dann bei der Erbschaftsteuer zugrunde gelegt. 2014 verhandelt das Bundesverfassungsgericht darüber, wer das Gesetz erlassen darf (ist der Bund nicht zuständig?). Es geht auch generell um die Steuer (unterschiedliche Besteuerung von Privat- und Betriebsvermögen; Steuersätze; Ausnahmen). Grundsätzlich ist es gerecht, Erben höher und Lohn tiefer zu besteuern. Die Eigenleistung muss zählen. Im Juni 2016 einigt sich die Koalition auf eine Reform: Bei größeren Unternehmen wird ein Nachweis verlangt, dass sie die Steuer nicht verkraften. Diese Bedürfnisprüfung greift für Unternehmen an 26 Mio. € Betriebsvermögen. Wer das nicht will, kann ein Abschlagsmodell nutzen (mit wachsendem Vermögen mehr besteuert). Betriebe bis zu 5 Mitarbeiter sind vom Nachweis des Arbeitsplatzerhalts befreit.  Familienunternehmen können auch als Kapitalgesellschaften firmieren. Bei der Erbschaftsteuer wird dann noch der begünstigt, der 25% der Anteile in einer Hand hält. Nur 5% aller Firmenerben werden überhaupt vom Finanzamt noch herangezogen (befreit, wenn 7 Jahre Unternehmen weitergeführt wird und Beschäftigtenzahl nicht zu stark abgebaut wird). Mit 5,5 Mrd. € ist das Aufkommen 2014 nicht mal halb so hoch wie das der Grundsteuer (?). Die Erbschaftsteuer muss - auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts - verhindern, dass sich das Vermögen weiter konzentriert (1% halten mindestens ein Drittel des Gesamtvermögens, meist Betriebsvermögen). Im Juli 2015 will das Bundesfinanzministerium einen Gesetzentwurf vorlegen (vereinfachtes Verfahren für Kleinbetriebe, Kleinstbetriebe bis 3 Beschäftigte kein Nachweis der Lohnsumme, Verwaltungsvermögen nur noch zu 10 Prozent berücksichtigt, spezielle Regelungen für große Familienunternehmen). Folgendes Erbschaftsteuerpflichtiges Vermögen gab es 2013 (in Milliarden Euro): Grundvermögen (10,3), Betriebsvermögen (10,8), Unternehmensanteile (5,2), Agrarland und Wald (0,3), Übriges Vermögen (19,8). 250 Mrd. € werden derzeit jedes Jahr in Deutschland vererbt. Quellen: Destatis/ Vermögensstatistik, DB Research. Das Aufkommen der Erbschaftsteuer lag 2014 bei über 5,5 Mrd. € (Destatis). Für Erbschaften ab 26 Mio. € soll es ab 2016 eine Bedürfnisprüfung geben. Dann zwei Möglichkeiten: Rabatte auf Steuern oder Nachweis, dass aus dem Privatvermögen nicht gezahlt werden kann. Bei Familienunternehmen mit Kapitalbindung liegt diese Schwelle bei 90 Mio. €, ab der in jedem Falle die Steuern anfallen. Bis eine Mio. € soll es eine Befreiung geben. Wenn Arbeitsplätze erhalten werden, wird ab 6 Mitarbeitern überprüft. Die Reform der Steuer soll das Aufkommen um mindestens 235 Mio. € erhöhen. Wegen des Widerstands der Bundesländer steht die Reform auf der Kippe. Am 22. September wird im Vermittlungsausschuss eine Einigung erzielt: Es gibt eine Stundungsregel. Die Steuer kann bis zu sieben Jahren gestundet werden. Vom zweiten Jahr an sind Zinsen fällig. Zur Ermittlung des Unternehmenswertes gibt es eine neue Formel (Umsatz mal 13,75). Es gilt eine Investitionsklausel (unverändert): Pläne zu Lebzeiten des Unternehmers, nach zwei Jahren umsetzen steuerbegünstigt. Es gibt einen Vorwegabschlag (enge Bindung der Gesellschafter an Unternehmen, Gewinn soll im unternehmen verbleiben). Der Missbrauch soll verhindert werden (Verwaltungsvermögen höchstens 20%).

Gewerbesteuer bei KMU: KMU unterliegen einem Staffeltarif und können die Steuer mit der Einkommensteuer verrechnen. Die Gewerbesteuer, die eine Kommunalsteuer ist, hat große Bedeutung für die Kommunalfinanzen. Die Städte mit höchstem Pro-Kopf-Aufkommen sind Coburg, Frankfurt a. M. und Schweinfurth. In der Weltwirtschaftskrise verzeichnete Friedrichshafen einen Rückgang um 74%. Zwischen den Parteien in Deutschland wird immer wieder über die Beibehaltung bzw. Abschaffung der Gewerbesteuer diskutiert. Es geht um die ertragsunabhängigen Komponenten und die Bedeutung der Einnahmequelle für die Kommunen. Im dritten Quartal 2010 steigt das Aufkommen sprunghaft an, es könnte sogar ein Rekordhoch erreichen.

EU-Steuersystem und Familienunternehmer: Wenn Mitglieder eines Familienunternehmens ins Ausland ziehen, müssen sie ihre Anteile aufdecken und einen Teil dem Fiskus überlassen. Bis auf eine Ausnahme: Wer in ein EU-Land zieht, dem wird seine Steuerschuld dauerhaft gestundet. Diese Regelung ist stark durch den Brexit betroffen. In GB leben viele Familienmitglieder von Familien-Unternehmen, denen bei einem Austritt von GB hohe Steuernachzahlungen in Deutschland drohen.

Grundsteuer: Die Grundsteuer soll in Deutschland reformiert werden. Die Abgabe trifft Haus- und Wohnungseigentümer wie Mieter, also fast jeden Steuerzahler. Umstritten ist, ob der aktuelle Verkehrswert oder die Einheitswerte als Bemessungsgrundlage gelten sollen. Bayern will sogar die Flächengröße von Grundstücken und Gebäuden als Bemessungsgrundlage heranziehen. Das Institut der Wirtschaft spricht sich für das Bodenwertmodell aus. Immer mehr Kommunen drehen an der Grundsteuer, um ihre Einnahmen zu erhöhen (Beispiel Nauheim in Hessen). Die Höhe der Grundsteuer ist mit anderen Ländern nicht vergleichbar, weil es dort zusätzlich keine Gebühren mehr gibt (z. B. für Müll).

Steuererleichterungen bzw. Steuerbegünstigungen: In der Regel in Deutschland Hauptmittel der Subventionen für KMU. Bislang gibt es in Deutschland keine Steuererleichterungen für Unternehmen, die forschen. Im Vorfeld des IT-Gipfels der Bundesregierung am 18. und 19. 11. 2015 wird dies gefordert., um den Forschungsstandort Deutschland zu erhalten.

Steuersparmodelle für Unternehmen: 1. Gründung einer Tochter in Luxemburg von einem Konzern. Konzern nimmt bei ihr Kredit auf, für den er Zins und Tilgung zahlt. 2. Konzern gründet Tochter in Luxemburg und überträgt eigene Lizenzrechte oder Patente. Die Tochter kassiert für die Nutzung Gebühren. 3. Konzern gründet Tochter in Luxemburg und Immobiliengesellschaft in Drittland. Finanztochter vergibt teuren Kredit an Immobilientochter und kassiert hohe Zinsen.

Internationales Steuermanagement: Für Unternehmen entscheidend sind die Ertragsteuern, weil die anderen Steuerarten oft überwälzt werden können. Bei internationalen und multinationalen Unternehmen werden die Gewinne im Mutterland und bei den Tochtergesellschaften besteuert. Die Tochtergesellschaften können die Gewinne thesaurieren oder ausschütten. Als Dividenden landen die Ausschüttungen dann bei der Muttergesellschaft. Im internationalen Steuerrecht gilt entweder die Besteuerung im Wohnsitzstaat oder die Nichtbesteuerung im Wohnsitzstaat. Bei ersterem gilt eine Doppelbesteuerung oder die Wohnsitzlandbesteuerung. Bei letzterem gibt es die Quellenstaatbesteuerung oder keine Besteuerung. Ansätze zur Steuervermeidung werden erreicht durch konzerninterne Leistungsverrechnung (Verrechnungspreise), Nutzung von Zwischenholdings oder Einkommenstransformation. Vgl. Bösch, Martin: Internationales Finanzmanagement, Stuttgart 2014, S. 163ff.  . Die Finanzminister der G20 stimmen einer OECD-Konzeption im Oktober 2015 in Lima/ Peru zu: Bekämpfung der Steuervermeidung internationaler Konzerne. Die Ausnutzung unterschiedlicher nationaler Steuergesetze soll erschwert werden.

 

Innovation/ Investition (Investitionsrechnung, Wachstum, Übernahme; M&A; Innovationsmanagement; Risikomanagement, Unternehmensbewertung, Wettbewerbsstrategie); diesen Teil habe ich, integriert in Finanzierung, als Vorlesung vorrätig.

Innovation: "Innovation distinguishes between a leader and a follower", Steve Jobs, b. 1955, CEO Apple Computers. Kern des technischen Fortschritts. Erstmalige Nutzung von Erfindungen. Institutionelle Rahmenbedingungen sind für die Verbreitung fundamental (Patentrecht, Wirtschaftspolitik - Innovationsförderung durch Technologiepolitik -, Wettbewerb, Kooperation Hochschule-Wirtschaft). Besonders wichtig ist eine Förderung von Forschung und Entwicklung (hier stecken Konkurrenten wie China sehr viel Geld rein). Mich interessiert speziell der Zusammenhang zwischen Kultur und Wirtschaft (insbesondere Einfluss der ostasiatischen Kultur). Man unterscheidet Produkt- und Prozessinnovationen. Prozessinnovationen kosten Arbeitsplätze, sichern aber das Überleben. Produktinnovationen können additiv oder substitutiv sein. Im weiteren Sinne können auch neue Märkte einschließlich ihrer Erschließung, neue Rohstoffquellen und neue Organisationsstrukturen dazu gehören. Seit 2008 erstellt INSEAD den Global Innovation Index. 2008/ 2009 liegt die USA vor Deutschland und Schweden. Bei den Firmen liegt Toyota an der Spitze. Der Bestsellerautor Stephen C. Lundin nennt Motivation und Atmosphäre am Arbeitsplatz als die wichtigsten Grundlagen; vier große Hindernisse sind Zweifel, Normen, Fehlschläge und Kontrolle ("Cats"). Im Bezug auf Firmen gelten als besonders förderlich für erfolgreiche Innovationen Nähe zur Praxis, intensives Netzwerk. Als Schwächen gelten fehlende Konzepte für Schwellenländer und teure Kostenstruktur. Innovation wird einerseits immer wichtiger, um Vorreiter und Verfolger zu unterscheiden. Andererseits sind die Entscheidungsstrukturen zu schwerfällig. Die Zeit der bahnbrechenden Innovationen scheint aber auch vorbei zu sein. Dies ist ein Grund für die sinkenden Wachstumsraten in den Industrieländern. Dies behandelte schon grundlegend 2011 der amerikanische Ökonom Tyler Cowen (Die große Stagnation). Die Zeit der großen Innovationen liegt zwischen dem Beginn des 20. Jahrhunderts und den Siebzigerjahren. Das könnte sich aber wieder ändern (Verbindung von Digitalisierung und Neurowissenschaft, künstliche Intelligenz, digitale Vernetzung). Der Innovationsbericht der KfW 2017 schlägt Alarm: Der Anteil innovativer Unternehmen im deutschen Mittelstand hat sich seit 2004 halbiert. Der DIHK - Innovationsreport 2017 sieht als Hauptgrund für zu wenig Innovationen Mangel an qualifiziertem Personal. Aber auch die steuerliche Förderung sei nicht ausreichend (Zielmarke der Bundesregierung 3% des BIP für F&E) und schnelles Breitband-Internet fehlte.  "Auch das Kraftwerk ist mit seinen Turbinen und Generatoren ein von Menschen gefertigtes Mittel zu einem von Menschen gesetzten Zweck", Martin Heidegger, Die Frage nach der Technik, in: Die Technik und die Kehre, Stuttgart 2002. Auf einer Rangliste der EU-Kommission 2014 erreicht Deutschland den Rang drei in der EU bei Innovationen. Schweden und Dänemark liegen vorne. 2014 veröffentlicht der Silicon-Valley-Star Peter Thiel (Gründer von PayPal, erster Investor bei Facebook) ein Buch: zusammen mit Blake Masters, Zero to One. Wie Innovation unsere Gesellschaft rettet, Frankfurt, Campus 2014. Einige markante Thesen: Er glaubt nicht an Wettbewerb. Das Neue entsteht im Monopol. Viel von uns sind zu sehr auf andere fixiert als auf eigene Ideen. Computer können den Menschen nicht ersetzen, sondern beide ergänzen sich. Die meisten überschätzen den Zufall und unterschätzen ihren Einfluss. Das Risiko zu streuen ist gefährlich. Die Goethe-Universität Frankfurt und das Handelsblatt veranstalten jährlich ein Innovationsforum. 2014 ging es um folgende Fragen: sind Innovationen für Unternehmen eine Selbstverständlichkeit? Wann lohnen sich Innovationen? gibt es Innovationen vor allem in Großkonzernen? Lohnt es sich gelegentlich, aus dem bestehenden Geschäftsmodell auszubrechen? Ist die Risikobereitschaft in den USA größer als hier? Wie arrangiert man sich mit der Innovationsmaschine Google? Ist alles, was an Innovationen entwickelt wird, für den Menschen auch von Nutzen? "Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie geantwortet: Schnellere Pferde", Henry Ford, der stattdessen als Innovation Autos baute.

Innovationsverhalten: Der Anteil innovativer Firmen ist in den einzelnen Branchen sehr unterschiedlich. Die Firmen mit hohem Innovationsniveau investieren kontinuierlich in Forschung und Entwicklung. An der Spitze liegt in Deutschland der Fahrzeugbau vor der Elektrik und dem Maschinenbau. In der EU liegt Deutschland auf dem zweiten Platz hinter Schweden. In Europa führt die Schweiz. Weltweit führend ist Südkorea vor den USA und Japan. KMU greifen zum Schutz von Innovationsergebnissen seltener auf geistige Eigentumsrecht zurück. Das Verhalten in Bezug auf Patente, Urheberrechte oder Handelsmarken ist zurückhaltender. Neuere Forschungen belegen, dass der Staat die entscheidenden Fortschritte in der Grundlagenforschung wie in der Kommerzialisierung finanziert hat (z. B. verdanken 75% der innovativsten Medikamente ihre Finanzierung den National Institutes of Health; Quelle: Capital 8/ 2014, S. 47). So könnte man sagen, dass im Kapitalismus die Risiken aus Innovation sozialisiert werden, die Gewinne privatisiert. Als der innovativste Unternehmer unserer Zeit gilt der Amerikaner Elon Musk. Keiner packt so viele Projekte an, die als unmöglich galten. 1995 gründete er Zipo2, einen Online-Stadtführer. 1999 gründete Musk Paypal. 2002 rief er SpaceX ins Leben (Flug zum Mars). 2003 entstand durch Musk Tesla Motors (Elektroautos). 2006 wurde SolarCity gegründet: Solaranlagen inklusive Finanzkooperationen. 2011 gab es die Idee für das Transportsystem Hyperloop. 2014 wurde die Idee für Gigafactory vorgestellt (weltgrößte Batteriefabrik ab 2020). Vgl. auch: Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, München und Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI).

Innovationsmanagement: Wichtig sind neue Geschäftsmodelle wie Design Thinking (genauer siehe unten). Es setzt auf die kreative Zusammenarbeit von Mitarbeitern aus verschiedenen Disziplinen. Element sind etwa Scrum (komplexe Entwicklungsprozesse in kleine Aufgaben unterteilen) und Kanban (bestehende Prozesse in kleinen  Schritten verbessern). Die Firmenkultur ist die Hauptinnovationsbremse. Agilität ist eine wichtige Voraussetzung (40% der agil arbeitenden Unternehmen haben höhere Margen als die Konkurrenz). "Ich verstehe nicht, warum die Menschen Angst vor neuen Ideen haben. Ich habe Angst vor den alten", John Cage.

Innovation und Unternehmenskultur: Innovation erfordert Disziplin. Wirklich innovative Firmen folgen einer starken Führung und strengen Regeln: 1. Fehlertoleranz, aber keine Nachsicht bei Inkompetenz. 2. Experimentierfreude, aber mit strenger Disziplin. 3. Ein sicheres Umfeld, aber schonungslose Offenheit. 4. Kooperationsgeist, aber große individuelle Verantwortung. 5. Flache Hierarchien, aber eine starke Führung. Vgl. Pisano, Gary P.: Innovation erfordert Disziplin, in: HBM Juni 2019, S. 16ff.

Innovation in der Digitalisierung: In der digitalen Transformation haben sich auch neue Innovationswege etabliert. Dazu gehören Innovations-Labs, Coworking, Innovationstrichter. Besonders wichtig sind Handlungsspielräume und offene Umgebungen.

Disruption und Diversität: Radikale Ideen lassen sich in Unternehmen oft nur schwer durchsetzen. Die Entscheidungsprozesse sollten versachlicht werden. Die wichtigste Einzelmaßnahme ist eine größere Diversität der Entscheidungen. Es müssen offenere, fließendere und kollaborative Prozesse geschaffen werden. Vgl. Kröher, Michael O. R.: Disruption braucht Diversität, in: HBM Mai/ 2022, S. 8ff.

Innovation im Systemwettbewerb: Eine kluge Innovationspolitik ist im Systemwettbewerb mit den USA und China notwendig und sollte 6 Punkte beachten: 1. Staatliche Investitionen in bildung, forschung und Wissenstransfer. 2. Hohe Umsetzungsgeschwindigkeit. 3. Agentur für Sprunginnovationen. 4. Innovationspotentiale vernetzen (Bsp. 100 Mrd. für Bundeswehr). 5. Deep-Tech-Ökosysteme in Unis. 6. Wettbewerb als Funktionsprinzip, vom Staat geschützt. Vgl. Achleitner, Ann-Kristin/ Lange, Thomas: Deutschland muss im neuen Systemwettbewerb besser mithalten, in: WiWo 39/ 23.9.22, S. 12. Ende Oktober 2022 schreiben die wichtigsten Start-up - Unternehmer einen Brandbrief an die Bundesregierung. Sie warnen vor einem Innovationsnotstand. 2022 zeichnen sich bisher weniger Gründungen ab als in den Vorjahren (ersten drei Quartale -30%). 2021 haben die deutschen Unternehmen mehr in Innovationen investiert (+5,9%). Europaweit fallen sie jedoch zurück (EU-27 +6,2%). Man fällt auch gegenüber China zurück (+8,4%). Quelle: Eurostat, OECD.

Expertenkommission für Forschung und Innovation: Sie liefert jährlich ein Gutachten ab. vorsitzender 2023 ist Uwe Cantner. Er fordert auch einen Zukunftsausschuss. Vgl. Die Zeit Nr. 8/ 16.2.23, S. 33.

Innovationsbüros: Immer mehr Firmen eröffnen Innovationsbüros, um den digitalen Anschluss nicht zu verpassen. Beispiele sind die Innovations-Labs bei Klöckner & Co., Commerzbank und Viessmann.

Innovation und Kultur: Lange galt die Hypothese, dass individualistische Kulturen (USA, Deutschland) innovativer als kollektivistische (China) seien. Heute weiß man, dass eine Reihe weiterer Einflussfaktoren berücksichtigt werden müssen. Zu diesem Thema habe ich mal einen Vortrag in der IHK Mailand (direkt neben dem Dom)gehalten. Einfluss auf das Innovationsverhalten hat auch die Unternehmensgröße: Kleine deutsche Mittelständler sind innovativer als die große Konkurrenz (kurze Dienstwege, Nähe zum Kunden, informelle Strukturen). Platz 5 belegt Deutschland in einem Innovationsvergleich von 35 Ländern. "Innovation geht nicht ohne Unordnung", Marco Fuchs, Chef von OHB (Satellitenbauer). 2016 ist jeder fünfte Gründer in Deutschland Ausländer.

Innovationskraft in Deutschland: Deutschland gilt als Land er Tüftler und Ingenieure. Das scheint sich allerdings zu wandeln. Imme rmehr Unternehmen sind bereit, noch in Deutschland zu investieren. Diesen Eindruck vermittelt der Innovationsreport 2023 des DIHK (DIHK - Innovationsreport 2023). 2023 sinkt die Innovationsdynamik dramatisch. Personalmangel und Bürokratie bremsen. Trotz Förderprogrammen wird mehr Eigenkapital eingesetzt. Viele Unternehmen investieren stärker im Ausland.

Innovation und Meetings: Stand-up-Meetings verhindern Innovation. Grundlage der Untersuchung war Google-Hackathon. Es ist ein Kernbestandteil agiler Managementpraktiken. Ergebnis: Teams, die diese Art von Austausch nutzten, entwickelten zwar ordentliche Produkte. wirklich neuartig waren sie jedoch nicht. Vgl. Wu, Andy: Kreativ geht anders, in: HBM April 2021, S. 18f.

Innovation als ein offenes Spielfeld: Vgl. Jens Beckert: "Imaginierte Zukunft", Suhrkamp Verlag 2018 (Jens Beckert ist Soziologe und Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln). "Es gibt kein Wissen um das fertige Produkt, sondern eine Imagination, die dem Unternehmer oder Investor als glaubwürdig erscheint", Jens Beckert (Quelle: WiWo 23/ 1.6.2018, S. 73). Akteure handeln auf der Grundlage von Erwartungen, in denen sich ihre Vorstellungen des zukünftigen Zustands der Welt spiegeln (Fiktionen). Jeder Businessplan ist eine Als-ob-Annahme.

Arten von Innovation: Erhaltende Innovation, nachhaltige oder ökologische Innovation, revolutionäre Innovation, disruptive Innovation.

Innovationsauslöser: Neue Technologie, Umwelt, Krisen/ Probleme, Effizienz/ Kosten, Verbraucherwünsche.

Innovationen und KMU: Immer wichtiger werden unternehmensübergreifende Innovationen. Kooperation müssen systematisch genutzt werden. Quelle: Newsletter IfM-Bonn 1/2020.

Unternehmen und Zahl der Patente: Im Jahre 2017 übernimmt ein chinesisches Unternehmen die Spitze: Huawei mit 4024 Patenten. Dann folgt ebenfalls ein Unternehmen aus China: ZTE mit 2965 Patenten. Erst dann kommen ein US-Unternehmen mit Intel und ein japanisches Unternehmen mit Mitsubishi. Bosch aus Deutschland liegt erst auf dem 14. Platz. Quelle: World Intellectual Property Organization.

Patentabmeldungen nach Ländern: Mittlerweile führt China auch hier vor den USA und Japan. Allerdings ist der Wert eines Patents in China ein anderer als in den USA oder Europa. Quelle:  World Intellectual Property Organization.

Corporate-Start-ups und Innovationen: Der Ursprung liegt in der Struktur eines Unternehmens und es wird agil vorangetrieben. Sie stellen insofern Tochterunternehmen dar. Das Top-Management sollte dahinter stehen. Die Betreiber müssen unternehmerische und fachliche Qualitäten haben. Beispiele sind Reisebuddy bei der Deutschen Bahn oder Paket Chef bei der Deutschen Telekom. Die Konzeption ist mit Intrapreneurship sehr verwandt.

Konzerne und Kooperation mit Start-ups: Viele Innovationen erwachsen aus diesen Kooperationen. Am kooperationsfreudigsten sind die Deutsche Telekom, ProSiebenSat1, SAP, BMW, Allianz und Daimler. Quelle: Julian Kawohl/ Anrej Welsch/ Florian Nöll: Innovationen und Geschäftsmodelle?, HTW Berlin 2018.

Inkubatoren und Innovationslabs: Viele große Unternehmen arbeiten mittlerweile mit solchen Institutionen, oft auch Start-ups. Sie wollen den Zugriff auf neue Technologien sichern. Probleme sind oft die fehlende Unabhängigkeit, personelle Defizite (keine kompetenten Teams, kein Karrierebeschleuniger), kein erfolgreicher Transfer. Auch BMW hat mit der BMW - Startup Garage eine solche Tochter.

Von einer Innovation zur nächsten: Nur wenigen Unternehmen gelingt nach einem ersten Erfolg eine weitere Innovation. Die meisten Unternehmen verschwinden genauso schnell, wie sie aufgestiegen sind. An welchen Fehlern liegt dies? 1. Das unternehmen ist zu schlank. 2. Die Kapitalstruktur des Unternehmens steht auf brüchigem Fundament. 3. Das Unternehmen verliert seinen Kopf. 4. Das Unternehmen richtet sich zu sehr nach den Investoren. 5. Das Unternehmen hat im Lotto gewonnen. 6. Das Unternehmen wird von den Aufsichtsbehörden in die Zange genommen. 7. Das Unternehmen rechnet mit Kunden, die es gar nicht gibt. Wichtig ist, bis zum zweiten Akt durchzuhalten (altes Produkt rechtzeitig fallen lassen, Plattform einrichten, Produkt in Dienstleistung verwandeln, in aufkommende Disruptoren investieren). Larry Downes/ Paul Nunes: Von einem Erfolg zum nächsten, in: HBM, September 2018, S. 54ff.

Personalmobilität als Säule des Technologietransfers: Wir haben in Deutschland kaum einen Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Der Fokus liegt zu stark auf akademischen Karrieren und rein wissenschaftlichen Laufbahnen. Flexiblere Karrierewege würden auch die Industrie 4.0 befördern.

Innovative Investitionsprozesse und Ausbildung des Führungspersonals: Vgl. Werner Krämer/ Werner Biehl: Die Bedeutung innovativer Investitionen und des Führungspersonals für den Unternehmenserfolg mittelständischer Industrieunternehmen, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (zfbf), 8/1983, S. 666 - 681. Die Qualität des Führungspersonals hat einen Einfluss auf innovative Investitionen. Dies konnten wir schon vor vielen Jahren nachweisen. Dies dürfte auch heute noch gelten.

Schöpferische Zerstörung (disruptive Innovationen): Im 7. Kapitel seines Buches "Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie" verwendet Joseph A. Schumpeter den Begriff "schöpferische Zerstörung". Dies ist heute ein Sinnbild für disruptive Innovationen. Damit sind Innovationen gemeint, wenn sie die Kraft entfalten, bestehende Technologien komplett vom Markt zu verdrängen und in hohen Maße das Tempo und die Richtung des Innovationsprozesses innerhalb der Wirtschaft bestimmen. Auf der Zerstörung baut also etwas Neues auf. In diesem Transformationsprozess kann jeder Mensch potentiell Verlierer sein. Den Begriff griff später wieder Clayton Christensen (Professor in Harvard) mit seinem Buch auf: "The Innovator´s Dilemma", 1997. 2016 erscheint folgendes Buch von ihm: "Competing adainst luck: The story of innovation and consumer choice". Eine Studie von 2017 behauptet allerdings das Gegenteil: Die Triebfeder von Wachstum ist die Optimierung bestehender Produkte. Vgl. Garcia-Maria Daniel/ Hsieh, Chang Tai/ Klenow, Peter: How Destructive is Innovation?, National Bureau of Economic Research Working Paper No. 22953. www.nber.org/papers/w22953 .

Clayton Christensen Institute for Disruptive Innovation: Clayton Christensen gilt als einer der wohl einflussreichsten Innovationsforscher der Welt. Er ist 2020 im Januar verstorben. Er prägte den konkreten Begriff. Er stellte lieber Fragen.

Digitalisierung als Treiber der Innovation: Disruption - wie eben beschrieben - wird es nur in Teilen der KMU geben. Wahrscheinlich kann Digitalisierung dazu beitragen, Individualisierung, Service und Modularisierung (die Stärken der deutschen KMU) optimal miteinander zu verbinden und das größte Problem der Fertigung, die Nachhaltigkeit, zu lösen. Damit könnte die Industrie insgesamt schlanker, schneller und umweltgerechter werden lassen.

Innovationen als Wachstumsmotor: Wird in jüngster Zeit immer mit der "Green Economy" in Verbindung gebracht. Öko-Innovationen sollen das Wachstum beschleunigen. Innovationshemmnisse sind die Abhängigkeit von Subventionen (EEG), Finanzierungsbarrieren (Risiken) und die hohe Abhängigkeit von externen Informationsquellen. Es gibt langfristig eine positive Korrelation zwischen Energieverbrauch und Welt - BIP. Acemoglu hat 2012 die These von der "milden Direktion" der Energie (mittelfristige Besteuerung) aufgestellt. Wichtig ist auch die Definition von Umweltinnovationen (Umwelt- und Forschungspolitik, angebotsseitige Definition, nachfrageseitige Definition). Die innovativsten Länder sind die Schweiz, Singapur, Finnland, Belgien und Deutschland. Beim Subindikator Wirtschaft führt die Schweiz vor Süd-Korea, den USA, Taiwan und Israel (Quelle: Acatech-BDI-Innovationsindikator 2015).

Zusammenhang Innovationsbudget und Wachstum: Forscher der Business School Insead haben 2500 Unternehmen dazu befragt. Wichtig ist die Branche. Bei Konsumgüterherstellern waren nicht die F&E-Ausgaben positiv, sondern die Marketingausgaben. Bei Unternehmen mit relativ kleinen F&E-Budget gab es einen messbaren Zusammenhang mit dem Umsatzwachstum. Vgl. O. V: Kleine Schritte zahlen sich aus, in: HBM Januar/2019, S. 10. Der Zusammenhang scheint komplexer zu sein als gedacht.

Innovation durch Lernen: Schaffung eines lernenden Unternehmens und einer lernenden Organisation. Das lernende Unternehmen ist ein innovatives Unternehmen. Unternehmen schaffen Innovationen. Zu den Bedingungen gehören: Stabilität und Kontinuität, Akkumulation von Humankapital, Konzentration und Verbreitung von Wissen im Unternehmen, grenzüberschreitender Wissensfluss, Fähigkeit zur Unterstützung öffentlicher Forschung und Entwicklung, öffentliche Unterstützung der Akkumulation von Humankapital, robuster Finanzsektor. Vgl. Joseph E. Stiglitz/ Bruce C. Greenwald: Die innovative Gesellschaft, Berlin 2015. Eine innovative Gesellschaft ist wichtiger als Freihandelsabkommen. Das ist die Grundthese des Buches.

Open Innovation: Tools sind Plattformen, neue Netzwerke, Hilfsangebote aus anderen Bereichen. Teile der Berater - Dienstleistungen können immer mehr automatisiert werden. Das betrifft besonders die Berater-Branche. Ihre Autorität wird geschwächt. Sie müssen sich mehr auf ihr Spezialwissen konzentrieren. Unnötige Bürokratie im Unternehmen kann beseitigt werden. Die Unternehmen haben auch immer mehr interne Experten. Branchenwissen und Lösungskompetenz der Berater liefert für viele Unternehmen keinen Mehrwert mehr. Berater von morgen müssen vielleicht mehr provozieren und Umpulse liefern.

Design Thinking: Als goldene Regeln gelten: flexible Räumlichkeiten schaffen, gemischte Teams bilden, Problem definieren, nicht auf Zahlen fixieren, im Chaos versinken, Regeln nicht zu starr festlegen. Die Methode ist derzeit die wichtigste Innovationsmethode. Sie bietet einen strukturierten Prozess. Innovatoren können sich von kontraproduktiven und innovationsfeindlichen Tendenzen freimachen. Es handelt sich um eine soziale Technologie, die praktische Tools mit menschlichen Eigenschaften verbindet.

Kreativität: Kreativität ist eine wertvolle und erstrebenswerte Fähigkeit ist ein Übermaß vorhanden, kann sich eine negative Seite zeigen: Paranoia). Mit richtigem Führungsstil und passender Arbeitsumgebung kann Kreativität gefördert werden. Kreativität ist eine wichtige Führungsqualität. Bestimmte Methoden führen zu mehr Kreativität: Brainstorming, Mind Map, Methode 653, Sechs-Hüte-Methode, Umkehrmethode u. a. Besonders förderlich ist Bewegung. In Experimenten in den USA haben sich Spaziergänge als besonders förderlich erwiesen. Abstraktes Denken und körperliche Aktion sind eng miteinander verzahnt. Kreativität und Erfindergeist sind eine wichtige Grundlage für Innovation, das Alles im Unternehmen durchdringen muss (Alle, immer und überall). Der Computer wird dem Menschen immer ähnlicher. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Computer den Menschen auch in der Kreativität teilweise ersetzen kann.  "Wer neue Ideen einbringt, verlässt immer den Boden der Solidarität", Max von der Grün, 1926-2005, deutscher Schriftsteller. "Der einzig wahre Realist ist der Visionär", Frederico Fellini, italienischer Regisseur. "Kreativität ist kein Beruf, sie ist eine psychische Krankheit", Philippe Starck, französischer Designer.

Bedingungen für Kreativität: 1. Ausdauer. 2. Verständnis. 3. Kreativität als Teil der Unternehmenskultur. 4. Prozessverbesserung. 5. Mehr Ideen entwickeln als nötig. Vgl. Nordgren, Loran/ Lucas, Brian: Kreativität erfordert Ausdauer, in: HBM Mai/2021, S. 10ff.

Kreativitätsschub durch Multitasking: Die Nachteile von Multitasking sind bekannt: Es senkt Effizienz und Qualität der Arbeitsergebnisse und erhöht das Stressempfinden. Der große Vorteil ist: Wer es beherrscht, leistet bei anschließenden Aufgaben kreativere Arbeit. Vgl. Chaltali Kapadia/ Shimul Melwani: More Tasks, More Ideas: The Positive Spillover Effects of Multitasking on Subsequent Creativity, in: Journal of Applied Psychology, April 2021.

Heuristiken (aus dem Griechischen: "heureka"- ich habe gefunden; Algorithmen zum Finden neuer Dinge) : Sie sind insofern Navigationsprinzipien für Neuland. Fredmund Malik (Navigieren in Zeiten des Umbruchs, Frankfurt 2015, S. 124ff.) trifft folgende Einteilung: 1. Prinzipien für die Lagebeurteilung im Ungewissen (Grundsatz der metasystemischen Lagebeurteilung, Grundsatz der Vollständigkeit, Grundsatz des offenen Systems, Stärke gegen Schwäche-Grundsatz, Grundsatz der mehrdeutigen Zielwahl, Grundsatz der Vermeidung von Informationslage-Beeinflussungen. 2. Grundsätze für die Lenkungskapazität und Beziehungsgestaltung (Grundsatz der Flexibilität, Grundsatz der Zukunftsvorsorge, Grundsatz der Reversibilität, Grundsatz der kleinen Schritte, Grundsatz der Initiative, Grundsatz der Alternativenkontrolle, Grundsatz der Goldenen Brücke). 3. Informationslage (Grundsatz der Informationsnähe, Grundsatz der Verhaltensklärung, Grundsatz der Evaluierung). 4. Prinzipien für die Überzeugungsfähigkeit (Grundsatz der Zuverlässigkeit, Grundsatz der Festigkeit). Die Grundfrage dabei ist: Bleibt der Mensch in seinen Grundzügen immer gleich, wenn sich Alles ändert. Oder kann er sich zu exponentiellen Denkschritten hin entwickeln, um immer größere Komplexität zu bewältigen. "Gerade unser Verständnis der Welt beeinflusst die Bedingungen der sich wandelnden Welt", Karl Popper. "Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden!" Hermann Hesse (1877-1962).

Komplexität: Komplexität ist dynamische Vielfalt. Dinge wirken zusammen, die vorher getrennt und voneinander isoliert waren. Der Begriff kommt aus der Kybernetik. Systeme dürfen nicht außer Kontrolle geraten. Komplexität ist Gefahr und Chance zugleich. Einerseits ist sie Rohstoff für Information, Intelligenz und Kreativität. Andererseits sind wir leicht überfordert. Vgl. Fredmund Malik: Navigieren in Zeiten des Umbruchs, Frankfurt 2015, S. 73ff. (bezeichnet Komplexität als Rohstoff der Neuen Welt).

Widerspruch und Innovation: Manager können nicht immer nur gute Nachrichten erhalten. Wenn sie aber nur gute Nachrichten erhalten, müssen sie aufgrund unvollständiger und falscher Informationen entscheiden. Vor Ja - Sagern sollte man sich hüten. Manchmal ist "Nein" wesentlich hilfreicher. Vgl. Das Managementbuch, München 2015, S. 74.

Kritik und Innovation: Kritik von Mitarbeitern macht Führungskräfte erfinderisch. Stammt die Kritik von Untergebenen, steigt die Kreativität an. Führungskräfte reagieren weniger, wenn sie von Vorgesetzten oder Gleichrangigen kritisiert werden. Vgl. Yeun Joon Kim: Kreativer Kick, in: HBM 17, Mai 2020, S. 16f.

Crowdsourcing: Crowdsourcing bzw. Open Innovation ist eine Methode, um gute Ideen zu finden, die am Markt umsetzbar sind (Innovationspool). Da viele im Tagesgeschäft untergehen, haben sie keine Zeit mehr für Innovationen. Das Ziel ist es ,ein maximal skalierbares Produkt zu schaffen. Führender Anbieter der Software für Crowdsourcing ist Innosabi.

Internet - Communities und Innovationen: Hängt eng mit Crowd-Sourcing zusammen. Die Vernetzung im Internet soll Chancen für unerwartetes Wissen generieren. "Kreative Schwärme" und "Digitaler Dialog" sollen helfen, neue Ideen zu finden und bessere Produkte zu entwickeln. Je mehr Wissen geteilt wird, desto mehr Ansätze bekommt man, Ideen weiterzuentwickeln. Allerdings besteht auch immer das Risiko eines "Shitstorms".

Patent: Anmeldung durch Patentanwalt beim Deutschen Patentamt in München (DPMA). Das kostet im Schnitt 3000 bis 5000 Euro. Der Schutz beträgt 20 Jahre. Vorher sind Geheimhaltung und Investitionen notwendig. 2014 hatte Deutschland in der EU wieder die meisten Patentanmeldungen (274.00 beim EPA in München). Eine der bedeutendsten Erfindungen der Menschheit, die Brille, entstand im 13. Jahrhundert in Norditalien.  Der Araber Ibn al-Haitham überlegt als Erster, wie man schwache Augen unterstützen kann. Mittelalterliche Mönche stellten Linsen aus Bergkristall oder Quarz her. Halbedelsteine, auch "Berylle" genannt, bilden den Ursprung des deutschen Wortes "Brille". In einer Studie werden folgende Patente unterschieden: 1. Patente, die wissenschaftliche Studien zitieren. 2. Patente, die andere Patente zitieren. 3. Patente, die nicht auf wissenschaftlicher Forschung basieren. Dies wurde mit dem Aktienkurs in Verbindung gebracht. Ergebnis: Zitieren schafft Werte. Vgl. Watzinger, M./ Krieger/ Schnitzer: Standing on the Shoulders of Science, Harvard Business School Working Paper, Juni 2021.

Innovationsförderung für den Mittelstand: Tragende Säule sind hier die Bundesländer. Jedes Bundesland hat eine eigene Organisation aufgebaut bzw. beauftragt diese. In Baden-Württemberg ist es das Steinbeis Europa Zentrum. In Bayern "Bayern innovativ". In Nordrhein-Westfalen ZENIT in Mülheim. In Rheinland-Pfalz die IMG (Innovationsmanagement GmbH). Diese Zentren helfen mit Informationen, mit Beratung, Workshops und auch in der Realisierung von Projekten. In seinem Buch "Das Kapital des Staates" (2014) weist Mariana Mazzucato darauf hin, dass der Staat generell einen großen Einfluss auf Innovationen und technischen Fortschritt hat. Sie plädiert für einen unternehmerischen Staat. Der Aufstieg des Staatskapitalismus in Asien gibt ihr recht. Auf einem Treffen in Meseburg im September 2014 fordert die Bundesregierung mehr öffentliche und private Investitionen in Hochtechnologieforschung, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten (allein 2014 will die Bundesregierung 11 Mrd. € investieren). Bei den Weltmarktpatenten pro Kopf führen die Schweiz, Schweden und Finnland. Dann erst folgt Deutschland vor Japan. Der französische Präsident Macron fordert 2017 eine Innovationsagentur für Europa, die die Forschung für künstliche Intelligenz unterstützt. Eine Internetsteuer soll eingeführt werden, damit die digitalen Konzerne Steuern bezahlen, wo sie Geld verdienen.

Innovationspolitik der Bundesregierung: Von 2020 an stellt sie für die nächsten 10 Jahre 1 Mrd. Euro zur Verfügung. In 22 der 58 Technologien, in denen so genannte Weltklasse-Patente vergeben werden, liegt Deutschland im vorderen Bereich. China liegt in 42 Branchen vorne.

IPCEI: Important Project of Common Interest. Staatliches Förderprogramm in der EU. Mitgliedsstaaten können aus eigenen Mitteln Forschung und Innovationen privater Unternehmen in den eigenen Grenzen unterstützen. Vgl. Wigger, Berthold U.; Brauchen wir IPCEI, in: Wirtschaftsdienst 5/ 2023, S. 322ff.

Early Bird: Der erste Spieler auf einem bestimmten Gebiet. Also ist ein Pionier in einer bestimmten Innovation ("The early bird catches the worm", eigentlich chinesisches Sprichwort). Es gibt mittlerweile seit 2002 eine Wagniskapitalgesellschaft gleichen Namens in Deutschland. Vgl. Wagniskapitalgesellschaft "Earlybird", Berlin .

Agentur für Sprunginnovationen (SPRIND): 2020 gegründet. Im ersten Jahr 2020 fördert man fünf große Projekte: 1. Alzheimer Medikament. 2. Analogrechner. 3. Super-Windrad. 4. Mikroplastik-Filteranlage. 5. IT - Struktur für Gaia-X. Der Chef Rafael Laguna de la Vera fordert im Februar 2021 mehr Geld und stärkere Unabhängigkeit.

Plagiate: Auch KMU brauchen eine Strategie, um ihre Produkte vor Nachahmern zu schützen.  Grundsätzlich muss man die Rechte, die Märkte und die richtige Beratung kennen. Der beste Schutz ist ein Patent. Es kann für 20 Jahre erteilt werden und kostet (es gibt auch ein "kleines Patent"). Zusätzlich kann man eine Marke schützen (um zehn Jahre Verlängerung möglich), ebenso ein eingetragenes Design (fünf Jahre). Viele Plagiatoren kupfern nur das Äußere ab.

Wissenschaft, Forschung, Technologie: Die Gewichte der Weltwirtschaft verlagern sich mehr und mehr nach Asien. Europa und Deutschland muss mit dem rasanten Innovationstempo dort mithalten. Dies ist nur durch eine optimale Zusammenarbeit von Unternehmen, Wissenschaft, Banken und Staat zu erreichen. Vgl. Clement, W./ Merz, F.: Was jetzt zu tun ist, Freiburg (Herder) 2010, S. 156ff. Aktuell forscht Deutschland überwiegend in gehobenen Gebrauchstechnologien. In den Spitzentechnologien verliert es immer mehr an Boden. Die weltweiten F & E - Ausgaben deutscher Unternehmen sind im Ausland wesentlich stärker gestiegen als im Innland (von 2009 auf 2011: Inland 11,8%; Ausland 30,6%). Deutschland verliert zu viele Spitzenforscher. Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI; www.e-fi.de ) stellt in ihrem Jahresgutachten 2014 für die Bundesregierung fest, dass zwischen 1966 und 2011 23.000 Forscher ins Ausland gingen, aber nur 19.000 Forscher ins Land kamen. Bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung führen Südkorea, Finnland, Schweden, Japan und Dänemark. Dann folgt Deutschland (2,9% des BIP; Indikator bei allen Ländern). Zwischen 2005 und 2011 ist die Zahl der Beschäftigten im Forschungsbereich um 15% gestiegen, auf 575.000 Beschäftigte. 2013 betrug der Anstieg der Ausgaben für Forschung in Unternehmen der EU 2,6%. Das ist ein deutlicher Rückgang zum Vorjahr, in dem der Anstieg 7% betrug. Das weltweit forschungsstärkste Unternehmen ist VW mit 11,7 Mrd. € 2013. Im Mittelstand hat die Forschung in den letzten Jahren im Vergleich zu Großunternehmen nachgelassen (ZEW, Mannheim). Das Bundesforschungsministerium will die Forschungsförderung reformieren: Vermittlung von Schlüsseltechnologien, Einbindung in Netzwerke, Erleichterung der Inanspruchnahme staatlicher Hilfen. Erhöhung der finanziellen Hilfen für KMU um 30% auf 320 Mio. € pro Jahr ab 2016. Im Jahre 2015 haben deutsche Unternehmen mit 62,4 Mrd. € so viel für Forschung und Entwicklung ausgegeben wie noch nie (Quelle: Stifterverband). Der Mittelstand gab 16% mehr aus als im Vorjahr.  Eine besonders wichtige Erfindung war im 19. Jahrhundert der Telegraf und das Morse-Alphabet. Es ist nach seinem Erfinder Samuel Morse in den USA benannt, der die Nachrichtentechnik revolutionierte. Von allen weltweiten Unternehmen hatten 2016 Amazon und Alphabet die höchsten F&E-Ausgaben. Damit überholen die digitalen firmen erstmals Unternehmen traditioneller Branchen 8vorher war VW Primus). 2020 geben deutsche Unternehmen für Forschung und Entwicklung -6,3% weniger aus als im Vorjahr. Der Rückschlag für Innovationen ist ein Warnsignal für den Hightech-Standort Deutschland. 2022 sind für Innovationsinvestitionen 176,1 Mrd. € geplant. In der EU führt Portugal zur Zeit mit +15,3% 2020. Vgl. HB Nr. 22, 1.2.22, S. 4f.

Forschungs- und Entwicklung (F&E) in KMU und Innovationen: Auch wenn mittelständische Unternehmen oftmals keine eigene Forschung und Entwicklung (FuE) betreiben, generieren drei Viertel von ihnen Innovationen: Dazu gehören sowohl die kontinuierliche Verbesserung von bestehenden Produkten und Dienstleistungen als auch Prozess- und nicht-technologische Innovationen. Insbesondere unter den kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen finden sich viele, die Innovationsstrategien abseits von FuE wählen. Siehe IfM-Bonn, Forschungsletter 1/2018. Die deutsche Wirtschaft hat 2017 ihre Forschungsausgaben erhöht (68,6 Mio. € Forschungsinvestitionen, + 9,3%).

Produktivität in Forschung und Entwicklung (Research Quotient): Externe CEOS würgen die Forschung und Innovation ab. Quelle: Trey Cummings/ Anne Marie Knott: Outside CEOs and Innovation, Working Paper, Olin Business School in St Louis, 2018.

Forschungsförderung in Deutschland und der EU: Laut der Lissabon-Strategie sollen in der EU die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 3% des Bruttoinlandsprodukts gesteigert werden. Bisher hat Deutschland das Ziel nur knapp verfehlt. Zu klären ist noch, ob eine indirekte steuerliche Förderung oder die direkte Projekt-Förderung effektiver ist. Das kommt wohl drauf an, nämlich auf dei Rahmenbedingungen.

Investition (Investment): Verwendung von finanziellen Mitteln zur Beschaffung von Anlagevermögen und/oder Umlaufvermögen. Der HB-Business-Monitor misst die geplanten Investitionen. Die Befragung im März 2010 ergibt, dass 36% von knapp 800 befragten Topmanagern mit höheren Investitionen in den nächsten 12 Monaten planen. Investitionsprozesse in KMU habe ich selbst ausgiebig erforscht. Vgl. die Publikationsliste. Die Form des Entscheidungsprozesses und die Qualifikation der beteiligten Führungskräfte hat einen großen Einfluss. Innovative Investitionsprozesse wiederum beeinflussen stark den Unternehmenserfolg. Ifo in München und BDL ermitteln die Investitionslust als Frühindikator. Ende 2010 zeigen diese Frühindikatoren zur Entwicklung der Investitionstätigkeit für 2011 nach oben. Vgl. als klassischen Aufsatz: Modigliani, F./ Miller, M., The Cost of Capital, Corporate Finance and the Theory of Investment, in: AER, 1958. Investition und Innovation sind auch Vertrauensakte, die nur angegangen werden und gelingen, wenn  erwartbar ist, dass politische Stabilität und Rahmenbedingungen erhalten bleiben. Dann kann auch modernes Wachstum generiert werden (vgl. Acemoglu/ Robinson: Why Nations Fail, 2012).  "Creativity comes from looking for the unexpected and stepping outside your own experience", Masuru Ibuka (1908-1997), Japanese Founder and Chief Advisor of Sony. 2014 haben viele mittelständische Unternehmen hohe Liquiditätsbestände, anstatt das Geld in zukunftsträchtige Projekte zu stecken. Vielleicht sollten auch die Hausbanken stärker in die Rolle von Investitionsberatern schlüpfen. 2014 wird bei den KMU zu wenig investiert, obwohl die Rücklagen so hoch wie nie und die Kreditmöglichkeiten günstig sind. Seit den frühen 2000er Jahren entwickelt sich die gesamtwirtschaftliche Investitionstätigkeit in Deutschland rückläufig. Im internationalen Vergleich fällt insbesondere die Entwicklung der öffentlichen Investitionen unterdurchschnittlich aus. Für Deutschland fällt auch auf, dass wenig Wagniskapital in Start-ups investiert wird. 2018 melden 24 Verbände, dass ihre Mitgliedsunternehmen mehr Investitionen planen (Umfrage Ende 2017 des IW). 2017 legen erstmals die Investitionsausgaben von Unternehmen weltweit zu (Quelle: S&P Global Market Intelligence, LGT Capital Partners). Die Industrie in Deutschland investierte 2017 knapp 64 Mrd. Euro (2,6% mehr als im Vorjahr). 2022 wollen die Unternehmen weniger investieren. Man will weniger Geld in neue Produkte und Produktinnovationen stecken.

Investitionsarten: Sachinvestitionen in Grundstücke, Anlagen oder Vorräte. Finanzinvestitionen in Beteiligungen, Wertpapiere oder Forderungen. Immatrielle Investitionen in Forschung und Entwicklung, Werbung oder Ausbildung der Mitarbeiter. Nach dem Zweck werden unterschieden: Ersatzinvestitionen, Rationalisierungsinvestitionen, Erweiterungsinvestitionen, Umstellungsinvestitionen.

Nachhaltigkeitsinvestitionen: Die Nachhaltigkeits-Investoren werden immer aktiver. Sie fordern von den Unternehmen, an denen sie sich beteiligen, Mitsprache und eine nachhaltige Unternehmenspolitik. 2013 gab es in Deutschland für 30,9 Milliarden Euro nachhaltige Investments (davon Mandate 18,2 Mrd.; Investmentfonds 12,7 Mrd.; Quelle: Forum nachhaltige Geldanlagen).

Investitionsentscheidungsprozess: Planung (Anregung, Machbarkeit, Bewertung), Durchführung, Kontrolle.

Investitionslücke: "Firmen müssen eine Balance finden zwischen investieren in die Zukunft und Rückgabe ungenutzten Kapitals an die Aktionäre", Larry Fink, Chef von Blackrock. Umstritten ist unter Ökonomen, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Die Einen sagen, Unternehmen agierten zu kurzfristig und würden deshalb ihr Geld horten. Andere raten, Unternehmen mit längerfristigem Horizont zu führen und deshalb mehr zu investieren, damit sie auf lange Sicht rentabler sind und mehr Beschäftigungswachstum haben.

Wachstum (des Unternehmens): Wachstum ist für Unternehmen lebensnotwendig. Die Strukturen dahinter müssen mit wachsen. Kontrolliertes Wachstum erfordert auch Disziplin. Finanzierunglücken können sehr gefährlich sein. Schnelles Wachstum: Nach einer Studie des ifm-Bonn 2016 beeinflussen folgende Faktoren das Wachstum: Aktivitäten in Forschung und Entwicklung sehr positiver Einfluss. Gemeinwohlorientierte Ziele hemmen das Wachstum. Eigentums- und Führungsstrukturen haben keinen Einfluss. Vgl. Schlepphorst/ Schlömer-Laufen, Schnell wachsende Unternehmen in Deutschland, Bonn 2016 (ifm-Materialien, Nr. 246.

Wachstum und Wirtschaftskrisen: Kleine Unternehmen stecken Wirtschaftskrisen besser weg als große. Vgl. Wiebke Bartz und Adalbert Winkler: Flexible or Fragile? The Growth Performance of Small Business - Evidence from Germany, November 2015 (Frankfurt School of Finance and KfW, Frankfurt). Die Finanzkrise 2008 bremste auch die kleinen Unternehmen, allerdings deutlich geringer. Die Ursache dafür ist die unternehmerische Unternehmensführung (diese Hypothese stellte schon Joseph Schumpeter auf). Ausgewertet wurden Daten aus dem Mittelstandspanel der KfW (ca. 30.000 KMU).

Das Greiner-Modell: Es stellt sechs Wachstumsphasen dar und die damit verbundenen Krisen. Vgl. Larry Greiner, Evolution and Revolution as Organizations Grow, 1972. Phase 1: Wachstum durch Kreativität (Krise, Führung); Phase 2: Wachstum durch Anleitung (Krise. Autonomie); Phase 3: Wachstum durch Delegation (Krise, Kontrolle); Phase 4: Wachstum durch Koordination (Krise, Bürokratie); Phase 5: Wachstum durch Zusammenarbeit (Krise, Wachstum); Phase 6: Wachstum durch Allianzen. n

Birch-Index: Dieser Index ist prozentuales Wachstum mal absolutes Wachstum. Er wurde vom gleichnamigen US-Wissenschaftler David L. Birch/ MIT entwickelt und für empirische Studien in den USA verwendet. Mittlerweile arbeitet  die Wirtschaftswoche für KMU in Deutschland damit. Alternativ wird das durchschnittliche Wachstum über 10 Jahre verwendet (geometrisches Mittel).

Unternehmenslebenszyklus: Er erstreckt sich von der Gründung über die Wachstumsschwellen, die Unternehmensnachfolge bis zur Insolvenz. Interessant sind hier Gesetzmäßigkeiten. 2009 gab es rund 34.300 Insolvenzen; 2010 werden 40.000 erwartet.

Alternative Wachstumsstrategien: 1. Mergers, d. h. jegliche Transaktion, die zwei oder mehr Wirtschaftseinheiten zu einer Einheit fusioniert. 2. Joint Ventures, d. h. ein Zusammenschluss von Teilbereichen zweier oder mehrerer Unternehmen für spezielle Geschäftszwecke über eine befristete Zeitdauer. 3. Andere Formen: Franchising (Konzessionsverkauf des Geschäftsnamens, der Reputation oder des Geschäftskonzepts), Investments (Beteiligung ohne Kontrolle), Allianzen (langfristige, eher informelle Beziehungen), Lieferantennetzwerke. 2014 scheitert die Fusion von Chiquita/ USA und Fyffes/ Irland. Chiquita wird von den Brasilianern Cutrale und Safra übernommen.

Attentismus: Verbraucher und Investoren zögern Entscheidungen hinaus. Privathaushalte und Unternehmen zögern Entscheidungen über Einkäufe, Geldanlagen, Kreditaufnahmen und Investitionen hinaus, weil sie auf künftig günstigere Bedingungen für diese wirtschaftlichen Aktivitäten hoffen. Dies kann mit zunehmender Unsicherheit zu einer wirtschaftlichen Lähmung führen.

Statistische Investitionsrechnung: Sie besteht aus Kostenvergleichsrechnung, Gewinnvergleichsrechnung, Rentabilitätsrechnung und Amortisationsrechnung.

Dynamische Investitionsrechnung: Grundlagen: Barwert, Zahlungsstrom, Kalkulationszins; 2. Verfahren: Kapitalwertmethode, Annuitätenmethode, interne Zinsfußmethode; 3. Korrekturmethoden: Sensitivitätsanalyse, Risikoanalyse, Nutzwertanalyse

Abzinsung (discounting) und Abzinsungsfaktor (present value factor): Verfahren der Zinseszinsrechnung, um den Gegenwartswert zukünftiger Zahlungen bei gegebener Laufzeit und Verzinsung zu berechnen. Der Abzinsfaktor ist zur Berechnung des Barwerts (Gegenwartswerts) einer Zahlung. Der Barwert (cash value) ist der gegenwärtige Wert einer zukünftigen Zahlenreihe (die Zahlenreihe wird auf den Zeitpunkt t=0 abgezinst). Vgl. Wöltje, Jörg: ABC des Finanz- und Rechnungswesens, Freiburg (Haufe) 2011, S. 85.

Kapitalwert: Ergebnis der Kapitalwertmethode, des gängigsten Investitionsrechnungsverfahrens. Der Kapitalwert einer investition ist der Barwert aller ab dem ersten Jahr aus der investition entstehenden Einzahlungsüberschüsse abzüglich der anfänglichen Anschaffungsauszahlung. Vgl. T. Amily/ T. Krickhahn: BWL für Dummies, Weinheim 2013, S. 452.

Return on Equity (ROE) = Net Income/ Shareholder`s equity x 100. Maß für den Verdienst des investierten Kapitals, was zum Investor zurückkommt. Damit ist es ein Maß für die Effizienz des Kapitals.

Nettoinvestitionen im Mittelstand und Finanzierung: KMU setzen immer mehr Eigenmittel ein. Der Kreditbedarf sinkt (Quelle: KfW-Mittelstandspanel, 10/ 2015). 2014 investierten die KMU 48 Mrd. € (Unternehmen bis 500 Mio. Euro Jahresumsatz). Die Eigenkapitalquote ist beständig gestiegen.

Bedeutung der Zinshöhe: Einiges deutet darauf hin, dass die Leitzinshöhe für mittelständische Unternehmen eine größere Bedeutung hat als für andere Unternehmensgrößen. Die niedrigen Zinsen 2012 regen erheblich die Investitionstätigkeit an. Einen großen Beitrag leistet auch die staatliche Förderung der Energieeffizienz. Die Investitionen schaffen neue Arbeitsplätze.

Return of Investment (ROI): Rentabilität des Kapitaleinsatzes, d. h. das Verhältnis von dem mit einer Investition erzielten Gewinn (vor Fremdkapitalzinsen) zum investierten Kapital.

Sensitivitätsanalyse (sensivity analysis): Überprüfung der Rangfolge von Planungsalternativen in einem Planungsmodell. So wird die Empfindlichkeit einer Zielgröße in einer Entscheidung mithilfe der Änderung einzelner ungewisser Inputgrößen überprüft (in Investitionsrechnungen). Ein gutes Beispiel ist die Risikobewertung bei Investitionen in Offshore - Windanlagen. Private Investoren sind zurückhaltend, obwohl das Zinsniveau niedrig ist, politische Zugeständnisse bei der Risikoverteilung gemacht werden und erhebliche Fördersummen aus dem EEG fließen. Die Sensitivitätsanalyse kann nun ausloten, welche Möglichkeiten es gibt, die Investitionsbereitschaft zu erhöhen.

Mittelstand als "industrielles Herz": Dies gilt - wie schon ausgeführt - für die Jobs und die Entstehung neuer Arbeitsplätze. Es beweist sich auch für die technologische Kompetenz (z. B. die flexiblen Weltmarktführer). Wo dieses Herz fehlt wie in den USA und Großbritannien kann man die negativen Strukturen "besichtigen". Besonders wichtig ist das Zusammenspiel der KMU bei Forschung und Entwicklung mit den Großunternehmen. Entsprechende Netzwerke und Cluster sind zu wenig erforscht.

Open Source Ecology:  Netzwerk von Bauern, Ingenieuren, Dienstleistern, die ein alternatives Wirtschaftssystem für das "Global Village" entwerfen wollen. Es handelt sich um Innovationen ohne Patentschutz. Maschinen sollen  die gesamte Wertschöpfungskette abdecken. Die Bewegung ist in den USA entstanden und will in die ganze Welt expandieren.

Fusionen und Übernahmen (auch Spaltungen): In beiden Fällen werden zwei juristische Personen zu einer vereinigt. Gründe können sein Größenvorteile, Marktanteil oder Diversifizierung. Bei einer Fusion verschmelzen zwei Unternehmen. Bei einer Übernahme kauft eine größere eine kleinere Firma. Übernahmen können feindlich oder freundlich sein. Der Erfolg hängt in der Regel von vier Faktoren ab. Erstens vom richtigen Zeitpunkt. Zweitens von der Strategie. Drittens von der raschen Integration. Viertens von der Beachtung von Kulturfragen. Die jüngsten und größeren deutschen Übernahmen im Ausland waren: 2016 Bayer übernimmt Monsanto? 2014 die Übernahme von Sigma-Aldrich durch Merck KGaA. Im gleichen Jahr kaufen Bayer Merck consumer Care-Geschäft und ZF Friedrichshafen TRW Automotive. Bei Spaltungen werden Unternehmen in kleinere Teile aufgeteilt. Diese werden anschließend verkauft oder aufgelöst. Die Konzerne, die Übernahmen durchgeführt haben, müssen die Rekord hohen Risiken in ihren Büchern verbergen. Der wichtigste Posten sind dabei die Abschreibungen. Man spricht von "Goodwill-Abschreibungen". Dieser darf nicht mehr geändert werden (bis 2004 wurde regelmäßig abgeschrieben). 51268 Übernahmen und Fusionen gab es 2017 auf der Welt (Quelle: Institute of Mergers, Acquisations and Alliances/ IMAA). Der Wert der Transaktionen lag bei 3591 Milliarden Dollar. 2021 rechnet man in Deutschland mit einem Angriff der Firmenjäger. Finanzinvestoren und Hedgefonds suchen verstärkt nach Einstiegsmöglichkeiten bei deutschen Unternehmen. Experten erwarten Megadeals. Als Ziele der Aktivitäten gelten Bayer, Hugo Boss, Manz. Quelle: Boston Consulting Group.

Fusionsberatung: Unternehmen lassen sich bei Fusionen und Übernahmen oft von Beratern begleiten. Das Auswertung einer Branchendatenbank zeigt, dass der Anteil einheimischer Fusionsberater an Fusionen in Deutschaland in den letzten 5 Jahren (von 2019 aus) stark gesunken ist. An ihre Stelle treten Dienstleister aus den USA und Großbritannien. Das könnte ein Nachteil für eine international vernetzte Exportnation wir Deutschland sein und damit ein Wettbewerbsnachteil. Chancen bieten langfristig die Digitalisierung und die europäische Kapitalunion. Vgl. Gogoll, Niklas/ Heinen, N./ Schlieszus, F.: Fusionsberatung Made in Germany als Wettbewerbsvorteil: Relevanz und Perspektiven, in: Wirtschaftsdienst 2019/9, S. 656ff.

Vertikale oder horizontale Integration: Dies sind zwei Integrationsmodelle. Bei zwei ähnlichen Produkten spricht man von horizontal. Bei verschiedenen Produktionsstufen heißt es vertikal.

M&A: Die angelsächsische Wortkombination Mergers & Acquisitions besteht aus zwei Begriffen, die bereits einen groben Hinweis auf die unternehmerischen Aktivitäten geben, die darunter zusammengefasst werden. „Merger“ sind Unternehmensfusionen, unter „acquisitions“ versteht man Unternehmenskäufe. Wachstum ist in Form des internen Wachstums (etwa durch Umsatzsteigerung) nur sehr begrenzt möglich; größere Wachstumserfolge können kurzfristig durch externes Wachstum erzielt werden. Das wiederum ist nur durch Fusionen, Unternehmenskäufe oder sonstige externen Transaktionen möglich. Das vom Käufer („Investor“) zu erwerbende Unternehmen („Target“ oder „Zielunternehmen“) erhöht sofort durch den Zusammenschluss signifikant den Umsatz, die Marktanteile, die Betriebsgröße und damit die Marktmacht des kaufwilligen Unternehmens. Abstrahiert man von den Teilleistungen anderer Beteiligter wie etwa Anwaltskanzleien oder Investmentbanken, so umfasst Mergers & Acquisitions den Prozess und das Ergebnis des strategisch motivierten Kaufs bzw. Zusammenschlusses von Unternehmen oder Unternehmensteilen und deren anschließender Integration oder Weiterveräußerung. Damit verbunden ist eine Übertragung der Leitungs-, Kontroll- und Verfügungsbefugnis (siehe Wikipedia).

Killer - Akquisition: Konzerne kaufen potentielle Konkurrenten auf, bevor sie gefährlich werden können. Wettbewerbskommissarin Margarete Vestager will 2023 solche Akquisitionen durch einen Winkelzug stoppen. Dafür gibt es eine Vorgeschichte. Allein Google, Facebook und Microsoft haben in den vergangenen 20 Jahren 500 Unternehmen aufgekauft. Vestager stützt sich auf Artikel 22 der EU-Fusionskontrollverordnung, damit die oberste Wettbewerbsbehörde der EU zuständig werden kann.  Der Europäische Gerichtshof soll darüber entscheiden. Es gibt dazu einen Paradefall in den USA: Die Übernahme des Krebstestherstellers Grail durch den US-Konzern Illumina, weltweit führend bei Genanalysen. Der Kauf wurde verboten. Vgl. Wettlach, Silke: Der kniff mit Artikel 22, in: WiWo 10/ 3.3.23, S. 32ff.

Goodwill: Vermögensposition in der Bilanz. Erwirbt ein Unternehmen eine neue Tochter, ist das Unternehmen verpflichtet, deren Vermögen buchhalterisch in Einzelteile zu zerlegen und zu bewerten. Hat das Unternehmen für die neue Tochter mehr bezahlt als die Summe der einzelnen Vermögenswerte, wird die Differenz, eine Art Übernahmeprämie, als Goodwill in die Bilanz gebucht. Es wird jährlich geprüft, ob der Goodwill noch werthaltig ist.

Minsky-Moment (auch These der finanziellen Instabilität; benannt nach dem US-Makroökonomen Hyman P. Minsky, 1919 - 1996). Er war Kind weißrussischer Emigranten. Er studierte Mathematik in Chicago und Wirtschaftswissenschaften in Harvard.  dort war er Assistent von Alvin Hansen. Am längsten lehrte Minsky an der Washington University in St Louis. Er hatte als Kind die Folgen der großen Depression erlebt. Erklärung für Finanzkrisen, insbesondere die von 2007/2008. "Unser Finanzsystem pendelt zwischen Stärke und Zerbrechlichkeit" (Stabilizing an unstable economy). In Stabilitätsphasen lockern Banken ihre Sicherheitsstandards bei der Vergabe von Krediten. Weil es keine Kreditausfälle gibt, werden Banken immer laxer. Irgendwann kommen Schuldner zum Zuge, die ihre Kredite nur mit neuen Schulden bedienen können. Dann kommt die Abwärtsspirale. Der Immobilienmarkt spielt dabei immer eine Schlüsselrolle. Finanzinnovationen hielt er für einen Katalysator großer Krisen. Künstliche Boomphasen an den Finanzmärkten sah er voraus.  "Die vier führenden europäischen Industrienationen wollen ein Frühwarnsystem für Börsen einführen, dies wurde Ende Januar 2008 in London beschlossen". Die internationale Finanzkrise trifft auch die ökonomische Theorie Die expansive Geldpolitik der letzten Jahre  könnte nach 2018 zu einer Krise führen, also zu einem Minsky-Moment. Man kann die Theorie von Minsky auch nutzen, um zu erklären, warum Unternehmen nach Krisen verunsichert sind und warum sie dann nicht investieren. Nach Minsky sind Strukturreformen und fiskalische Impulse notwendig. Das Verhalten der Unternehmen wird von der Spekulation auf schnelle Gewinne geprägt - statt vom Streben auf wertschöpfende Investitionen. "Manche ökonomischen Theorien werden diese Krise nicht überstehen", Joseph Stiglitz. Die erste große Finanzkrise gab es in Deutschland während des siebenjährigen Krieges 1763. Banken in Hamburg und Amsterdam verspekulierten sich im Boom des Krieges mit Anlagen in Preußen. Mehr als 100 Geldhäuser gingen unter.

Chinesische Investoren (Übernahme oder Beteiligung) bei deutschen KMU: 2011: Guangdong Greatoo Molds bei OPS Ingersoll Fundenerosion (Fräs- und Funkenerosionsmaschinen); Dalian Sunlight Machinery bei Drosssbach (Maschinenbau). 2012: Xuzhou Construction Machinery Group bei Schwing (Betonpumpen); Sany Heavy Industry Group bei Putzmeister (Betonpumpen). AVIC International Holding bei Thielert (Luft- und Raumfahrt); Shandong Shenbei Group bei Pfaff (Näh- und Schweißmaschinen). Vgl. zu einer ausführlicheren Liste Ostasien/ Unternehmen.  Die KfW macht 2018 eine Untersuchung über ausländischen Direktinvestitionen beim deutschen Mittelstand (weniger als 500 Mio. Umsatz im Jahr). 2017 wurden danach 1100 mittelständische Unternehmen aufgekauft oder mit einer anderen Firma fusioniert. Davon ging fast jede zweite an einen ausländischen Investor (51%). Seit 2010 drängen zunehmend chinesische Investoren auf den deutschen Markt (2016 Anteil von 5,9%; 2017 4,2%). Von 2005 bis 2017 macht der Anteil chinesischer Käufer 2,2% aus. 8,3% kamen aus den USA (Finanzinvestoren).

 

 Mittelstandspolitik (spezielle Strukturpolitik für KMU; auch generelle Aspekte von KMU, Rahmenbedingungen, Umfeld, Wettbewerbsfähigkeit, Regionen, Herausforderungen in der Globalisierung; Subventionen bei Finanzpolitik/ Makroökonomik, Industriepolitik, staatliche Förderung/ Wirtschaftsförderung und Hilfen für Unternehmen; Unterstützung als Teil anderer Programme, z. B. Gaspreis-Deckel)

Mittelstandspolitik: Hierbei handelt es sich um staatliche Hilfen (Steuererleichterungen, Krediterleichterungen, Investitions- und Finanzhilfen, Beratung) für kleine und mittlere Unternehmen. Sie sollen die relativen Nachteile dieser Unternehmen gegenüber Großunternehmen und Multis und die Schwachstellen ausgleichen, die Effizienz und Innovation steigern. Um die Folgen der weltweiten Finanzkrise 2008 auszugleichen, richtet die EU spezielle Darlehen ein, die über die Europäische Strukturbank (EIB) zu erlangen sind (bis 2011  30 Mrd. €). Die Mittelstandspolitik ist Teilbereich der Strukturpolitik (neben regionaler, sektoraler). Eine vernünftige Evaluierung findet nicht statt (häufig nur Ermittlung der Bekanntheit). Die EU plant 2013 eine Reform des Beihilferechts. Die Kriterien werden überarbeitet (Verschuldungsgrad, Verhältnis zum Unternehmensergebnis). Davon betroffen ist insbesondere die Förderung für kleinere Betriebe (bis zu 200.000 €). Das ifm-Bonn sieht die Mittelstandspolitik als Rahmenpolitik (Studie 2016). "Gelobt seist du, Mittelstand! Es sind vor allem Mittelständler, die in Deutschland produzieren, investieren und junge Menschen ausbilden. Deshalb muss jede Wirtschaftspolitik das Ziel haben, diese Firmen mit aller Macht zu fördern", Sahra Wagenknecht, Gastkommentar in WiWo 46, 9.11.2018, S. 12.

Industriepolitik: Unterstützung der Unternehmen durch die Wirtschaft. Schlüssel- und Zukunftstechnologien sollen wachsen. Die Unternehmen wollen allerdings keine Dauerintervention des Staates. Die Industriepolitik für KMU wird zur Mittelstandspolitik gerechnet. Im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher KMU ist sie im Auge zu behalten. In den asiatischen Ländern ist die Mittelstandspolitik (SME-Policy) in die Industriepolitik eingebunden. So versuchen China und Japan, längerfristig ihre Wirtschaftsstrukturen zu beeinflussen. In der EU muss sich erstmal eine klare Arbeitsteilung zwischen EU-Mittelstandspolitik und den Politiken der Länder herausbilden (dazu habe ich 2012 einen Artikel geschrieben, vgl. Working Paper 1/ 2012 der HS LU). Mittlerweile ist China die größte Herausforderung für eine moderne Industriepolitik. Die Erfolge der Chinesen erklären sich aus der Mischung von plan- und marktwirtschaftlichen Strategien. Sie wurden aber auch durch die schiere Größe des Marktes und die Abschottung begünstigt. Vor allem auf dem Feld der Digitalisierung arbeitet China mit einem Tempo, das unheimlich ist.  "Die heimische Wirtschaftspolitik verunsichert die Unternehmen zunehmend, vor allem den Mittelstand", Martin Wansleben, DIHK. Die Bundesregierung will ab 2017 Milliarden an Staatshilfe in die Mikroelektronikindustrie stecken.

Geldpolitik: Die kontinuierliche Senkung der Leitzinsen im Euroraum durch die EZB wirkt wie ein Konjunkturprogramm für exportstarke mittelständische Unternehmen, die wenig Produktion im Dollarraum haben. Standortentscheidungen dürften davon aber unberührt bleiben. Die Geldpolitik der Niedrigzinsen begünstigt auch die Abwertung des Euro. Man befindet sich auf dem Weg zur Parität mit dem Dollar. Für die Export - lastige deutsche Wirtschaft ist dies wie ein kleines Konjunkturpaket.

Minuszins und Belastung: Fast ein Drittel der mittelständischen unternehmen leidet 2019 unter dem Minuszins (Quelle: Umfrage von Forsa 2019 im Auftrag der Commerzbank). Besonders stark betroffen sind Dienstleistungsunternehmen.  Die Unternehmen reagieren mit Umschichtungen in der Liquiditätsplanung.

Digitalpolitik: Spezielle Politik zur Förderung der Digitalisierung. Diese müsste zusammenhängend auf mehreren Ebenen sein. Diese sind Datenschutz, Breitbandausbau, Netzneutralität, Cyberkriminalität, Vorratsdatenspeicherung. Industrie 4.0 und Arbeit 4.0 brauchen einen ganzheitlichen Ansatz.

Standortpolitik: Der Standort muss attraktiv für KMU sein. Zu den Standortfaktoren gehören der Netzausbau/ Breitbandnetz, der Strompreis, die Verkehrsinfrastruktur, die Gewerbesteuer, der Immobilienmarkt, die Qualität der Bildungsinstitutionen.

Ostdeutschland: Familienunternehmen treiben mittlerweile die Wirtschaft in Ostdeutschland an. Sie haben die Wendezeit auch erstaunlich gut überstanden. Eine neue Studie 2019 belegt dies. Quelle: Karlsch/ Schäfer Industrielle Familienunternehmen in Ostdeutschland, 2019 Website: familienunternehmen.de

Staatliche F&E-Förderung: Ein Gutachten des DIW 2012 bescheinigt eine gute Bilanz. Zwischen 2005 und 2011 stiegen die Fördermittel von 400 Mio. auf rund eine Milliarde Euro. Die eigenen Aufwendungen der mittelständischen Firmen stiegen um 35%. Von Mitte 2008 bis Ende 2010 beteiligten sich über 9000 KMU am Zentralen Programm Innovation (ZIM). Die Forschungs- und Technologiepolitik findet heute schon zum großen Teil auf EU-Ebene statt: Vorreiter sind die großen Forschungszentren. Eines der größten ist z. B. Cern in Genf. Es soll ergründen, wie die Welt entstand und was sie zusammenhält. 33 Mrd. € wurden in 60 Jahren bis 2014 ausgegeben. 100m unter der Erde erstreckt sich auf einer Länge von 27 km ein ringförmiger Teilchenbeschleuniger. Ansonsten sind in der F&E-Politik der EU Schwerpunkte ausgewiesen. Vorbild war ursprünglich die Industriepolitik des Miti in Japan.

Staatliche Forschungsförderung von KMU: Sie soll die größenbedingten Nachteile ausgleichen und Entwicklungspotentiale erschließen. Sie ist überwiegend auf Projektförderung angelegt. Eine stärkere indirekte Förderung über Steuern wäre wünschenswert. Hinzu kommt eine verstärkte öffentliche Auftragsvergabe. Vgl. Brem, A./ Bican, P.M.: Forschungsförderung von kleinen und mittleren Unternehmen: Begrifflichkeiten und sachgerechte Abgrenzung, in: Wirtschaftsdienst 2017/9, S. 615ff.

Steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung in KMU: 2017 ist diese Förderung in der Diskussion. Die Politik erwägt die Umsetzung. Die Kosten wären relativ hoch. Erfahrungen im Ausland, die Förder- und Verteilungswirkungen, die Passgenauigkeit in einer Innovationsstrategie und die Erreichung der heterogenen Zielgruppe werden in einer Studie eher negativ eingeschätzt. Vgl. Belitz, Heike/ Dreher, Carsten/ Kovac, Martina/ Schwäbe, Carsten/ Som, Oliver: Steuerliche Förderung und Entwicklung in KMU -Irrweg für Deutschland? in: Wirtschaftsdienst 2017/ 5, S. 344ff. Im Koalitionsvertrag ist die steuerliche Forschungsförderung vorgesehen. 2018 macht das Finanzministerium aber keinen Gesetzentwurf mehr, obwohl das Wirtschaftsministerium das wünscht. Österreich hat viel Erfolg mit dieser Form der Förderung.

High-Tech-Gründerfonds (HTGF), Bonn: 2017 startet das dritte Förderprogramm (seit dem ersten Fonds flossen bis 2017 252 Mio. Euro in 286 Unternehmen). Das Geld soll bei besonderem Erfolg auch wieder zurückfließen. Bisher bis 2017 flossen erst 89 Mio. Euro zurück. Vgl. WiWo 34/ 18.08.2017, S. 30ff. 2005 bis 2018 gab es 500 Erstbeteiligungen und 1339 Anschlussfinanzierungen sowie 95 Verkäufe. Dabei wurden 257,3 Mio. Euro investiert (97,1 Mio. € wurde an die Investoren ausgeschüttet).

Bürokratieentlastung: Es tauchen bei allen Parteien (insbesondere bei der FDP) und in allen Regierungen Pläne zur Abbau der Bürokratie bei unternehmen, vor allem bei KMU, auf. Die GroKo verspricht auch im Februar 2018 bei Start-ups und Gründern zukünftig nur ein "Mindestmaß" an Bürokratie zu verlangen. Unter anderem soll das Insolvenzrecht angepasst und die Statistikpflicht verringert werden. Zusätzlich wird im november 2019 ein Gesetzespaket für weniger Bürokratie im Bundestag und Bundesrat verabschiedet: digitale Bescheinigungen, keine Meldescheine von Gästen in Hotels auf Papier u. a. . 

Schwachstellen bei KMU: die größte Schwäche liegt bei der Finanzierung (insbesondere Verfügbarkeit von Risikokapital). Aber auch bei den Punkten Internationalisierung und Innovation liegen Schwachstellen. Exportierende Unternehmen haben auch Probleme mit der Instabilität des Euro und der inkonsistenten Steuerpolitik. "Jeder erlebt harte Zeiten. Es ist ein Maß für ihre Entschlossenheit und ihren Einsatzwillen, wie sie damit umgehen", Lakshmi Mittal, indischer Unternehmer, geb. 1950, größter Stahlunternehmer der Welt.

Wirtschaftsfonds Deutschland Rettungsschirm für Unternehmen nach der Finanzkrise. Er sollte die drohende Kreditklemme bei Unternehmen bekämpfen. Insgesamt 115 Mrd. € standen für Bürgschaften und Kredite zur Verfügung (75 Mrd. € für Bürgschaften, 40 Mrd. € für Kredite). Davon wurden bis November 2009 7,8 Mrd. € abgerufen. Bis Ende Juni 2010 wurden 13,2 Mrd. € abgerufen. Gestützt werden dürfen nur Unternehmen, die wegen der Finanzkrise in Not geraten sind. Jeder Antrag wird von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (PriceWaterhouseCoopers, KPMG)  geprüft. Dossiers erhalten die Länder und Bundesministerien. Ein Lenkungsrat gibt Empfehlungen, ein Lenkungsausschuss entscheidet. Die Mittel stammen aus den Konjunkturpaketen I und II. Bis Mitte Juni 2009 kamen 434 von 440 Kreditanträgen aus dem Mittelstand. Bis zum gleichen Zeitpunkt wurden dem Mittelstand 600 Mio. € an Bürgschaften und Garantien bewilligt. Im September 2009 werden weitere 17 Mrd. € gegen die Kreditklemme zur Verfügung gestellt, insbesondere für KMU. Es handelt sich um 10 Mrd. an Globaldarlehen, die über die KfW und die Hausbank ablaufen. 7 Mrd. sind für Kreditbürgschaften im Zusammenhang mit Warenlieferungen. Bis Ende 2010 wird der Fonds wieder geschlossen.

Rettungsmaßnahmen (weitere) für KMU in der Weltwirtschaftskrise: Die FDP plant Ende 2009 einen Rettungsschirm für kleine Firmen. Den Arbeitgebern sollen die Beiträge für Sozialversicherungen gestundet werden. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das Ende 2009 beschlossen wird, enthält auch punktuelle Entlastungsmaßnahmen für KMU (Erbschaftsteuer, ermäßigter Mehrwertsteuersatz für Hotels u. a.). Die Abschreibungsregel wird auch geändert. Unternehmen können geringfügige Wirtschaftsgüter sofort abschreiben. Es fehlt aber die Steuersystematik. KMU bis zu einer Umsatzgrenze von 500.000 € können einen Zahlungsaufschub bei der Mehrwertsteuer erhalten, bis die Kunden bezahlt haben (gegen die Liquiditätsprobleme). Diese Regelung wird über 2011 hinaus verlängert.

Mittelstandsstrategie des BMWi 2019: 2019 häuft sich die Kritik an Bundeswirtschaftsminister Altmeier, dass er den Mittelstand vernachlässige. Als Antwort legt er im August 2019 die Strategie vor. sie besteht aus folgenden Bausteinen: 1. Steuererleichterungen. 2. Bürokratieabbau. 3. Noch andere Elemente. Er braucht für die Strategie den Bundesfinanzminister, sonst ist es nur Öffentlichkeitsarbeit. Im Zusammenhang damit legt der Bundeswirtschaftsminister Altmeier auch ein Papier zur Industriepolitik vor: Als Vorbild gilt China, das mit aktiver Industriepolitik technologische und innovatorische Führerschaft auf avancierten Hightech-Gebieten erreichen konnte. Es stellt auch einen Paradigmenwechsel dar. Diese Strategie ist eingebettet in die Industriestrategie 2030:  Im November 2019 legt der Bundeswirtschaftsminister die Industriestrategie bis 2030 vor: Es werden Strukturen gefordert, mit denen Entscheidungen rascher und effizienter getroffen werden können. Es geht auch um einen Schutzschirm für die Industrie.

Maßnahmen der Bundesregierung in der Corona-Virus-Krise 2020 für die Beschäftigten und damit indirekt für Unternehmen: Die Bedingungen für das Kurzarbeitergeld werden geändert (10% der Belegschaft betroffen, auch für Leiharbeiter). Die BA zahlt die Sozialbeiträge der Arbeitgeber.

Wirtschaftsstabilisierungsfonds für mittlere und größere Unternehmen (WSF; Corona): 100 Mrd. € für staatliche Beteiligungen, 100 Mrd. € für Liquiditätshilfen für KfW, 400 Mrd. € für Bürgschaften des Bundes. Die Bundesregierung gewährt Bürgschaften und Überbrückungskredite bei Liquiditätsengpässen. Über die KfW kann den Unternehmen mit Krediten unbegrenzt geholfen werden bis zur Beteiligung. Es kann noch Steuerstundungen geben. Bis zum 2.4. konnten schon 9,8 Mrd. € vergeben werden. Es gab 2391 Kreditanträge bis 3 Mio. €. 16 Anträge bezogen sich auf 3 bis 10 Mio. €. 16 Anträge lagen zwischen 10 und 100 Mrd. €. 9 Anträge waren über 100 Mrd. €. Quelle: Der Spiegel Nr. 15, 4.4.20, S. 75.  Bis Anfang Mai 2020 hat die KfW 9,3 Mrd. € bewilligt. 224 Großkredite über 18,5 Mrd. € stehen noch aus (Quelle: Bundesregierung). Bis Ende 2020 sind nur 7,9 Mrd. € ausgezahlt worden (2%).

Mittelstandsfonds gegen die Corona-Krise (Härtefallfonds für Kleinstunternehmer): Er wird am 16.3. beschlossen. Er soll für allen Fälle gelten, wo die anderen Maßnahmen nicht greifen. Insbesondere die ca. 5 Mio. Solo-Selbständigen sollen unterstützt werden. Ebenso die Gaststätten und Übernachtungsbetriebe, die Leistungen nicht nachholen können. Es ist eher an Zuschüsse gedacht. Es gibt Soforthilfen: 9000 € für Kleinstunternehmen bis zu fünf Beschäftigten, 15.000 € für KMU bis zu zehn Beschäftigten. Einmalzahlung für maximal drei Monate. Das ist für Betriebskosten wie Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten.

Garantierahmen des Staates (für KfW-Kredite): 822 Mrd. € (kann mit Zustimmung des Haushaltsausschusses um 30% auf 1069 Mrd. € erhöht werden.

KfW-Sondermaßnahmen: 100 Mrd. €. Bis Ende 2020 wurden 46% abgerufen (45,7 Mrd. €).

Weitere Corona-Maßnahmen: Steuerstundungen, Grundsicherung ohne Vermögensprüfung. Versicherungen: Ein Münchener Gastwirt hatte vor Corona eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen. ein Gericht sprach ihm ca. eine Million an Entschädigungen zu (ohne Kurzarbeit, Liquiditätshilfen). Das Urteil von Anfang Oktober 2020 ist noch nicht rechtskräftig.

Corona-Krise 2020 und Rettung von Start-ups:  In Arbeit ist eine schnelle Hilfe für Jungunternehmen. Für Start-ups sollen 2 Mrd. € eingesetzt werden. Anstehende Finanzierungsrunden sollen nicht platzen. Es wird an einem "Zukunftsfonds" in Höhe von 10 Mrd. € gearbeitet, der größeren Start-ups bei der Finanzierung helfen soll.

Mittelstands-Kredite (mit 100%-Garantie): KMU können innerhalb kürzester Zeit (wenige Tage) Kredite bis zu 800.000 bekommen. Der Bund übernimmt eine 100%-Bürgschaft. Die längere Bankprüfung entfällt (schon letztes Jahr tätig, Umsätze, Gewinn; drei Monatsumsätze als Kredit).. Das ist eine Feinjustierung in Anbetracht der Problemsituation von Corona. Die Corona-Kredite werden im März 21 verlängert. Auch die Höchstbeträge werden erhöht.  Nach einer Umfrage der KfW im August 2020 sehen 78% der Empfänger ihre Existenz gefährdet, 71% sind in einer finanziellen Notlage.

KMU-Maßnahmen später (auch Novemberhilfen): Sie gelten für KMU bis 249 Beschäftigte. Von Juni bis Dezember 2020 können sie bis zu 25.000 € für Umsatzverluste bekommen. Es stehen insgesamt 25 Mrd. € zur Verfügung. Bis 29.01.21 wurden 5,1 Mrd. € beantragt und 3,4 Mrd. € ausgezahlt. Quelle: BMWi 2021.

Hilfe für die Massenproduktion von Schutzausrüstung: Firmen, die Schutzausrüstung produzieren können und ihre Produktion umstellen, werden unterstützt. Sie erhalten auch eine Abnahmegarantie auf längere Zeit.

Überbrückungshilfen für Mittelstand (08.07.20; I): Voraussetzungen für die Hilfen sind eine bestimmte Betriebsgröße und Umsatzeinbrüche im April und Mai um mindestens -60%. Die Hilfen müssen nicht zurückgezahlt werden. Man kann bis zu maximal 150.000 € bekommen. Erstattet werden fixe Betriebskosten.  Sie werden für die Monate Juni bis August geleistet. Insgesamt stehen 25 Mrd. € zur Verfügung. Nach einer Prognose des DIHT könnten bis Ende 2020 20% der Unternehmen von einem Stillstand betroffen sein.  Es kommen dann noch Überbrückungshilfen II für die folgenden Lockdowns.  Bis September 2020 sind aus diesen Mitteln erst 1,35 Mrd. € abgeflossen. 103.000 Anträge wurden gestellt. Das entspräche einer durchschnittlichen Höhe der Hilfe von 13.400 €. Das entspricht den 62.500 genehmigten Anträgen. Bis 29.01.21 wurden 1,46 Mrd. € beantragt und 1,42 Mrd. und 1,42 Mrd. € ausgezahlt.

Gesamtüberblick Corona: Programm bzw. Rettungsmaßnahmen  in der Corona-Krise 2020. Insgesamt rund 750 Mrd. € (Aufstockung durch HH-Ausschuss möglich). 1.Erleichterte Bewilligung von Kinderzuschlag. 2.Hartz-IV. Entfall der Prüfung. 3.Kündigungsschutz für Mieter. 4. Erweiterte Regelungen für Kurzarbeit. 5.Gelockertes Insolvenzrecht. 6.Mindestens 3 Mrd. € für Krankenhäuser. 7. Sofort-Hilfen für Kleinstunternehmen und Solo-Selbständige (50 Mrd. €, direkte Zuschüsse bis über 3 Monate bis 15.000 €). 7.Liquiditätshilfen für KMU und Großunternehmen (100 Mrd. €, Sonderkreditprogramm der KfW). 8.Mögliche Unternehmensbeteiligungen durch den Staat (100 Mrd. €). 9.Kreditgarantien (400 Mrd. € für Firmen). 10. Rettung von Start-ups durch Finanzierungsunterstützung (2 Mrd. €, + Zukunftsfonds später in Höhe von 10 Mrd. €). 11. Überbrückungshilfen für KMU. Sie müssen nicht zurückgezahlt werden. Die Bundesregierung will Mitte Januar 2021 noch weitere Rettungspakete schnüren, weil der Lockdown verlängert werden muss. Es soll mehr Geld für Firmen und Soloselbständige geben. Zugangsschwellen werden abgesenkt. Der Zugang soll leichter werden. Die Maximalbeträge sollen erhöht werden. Der Wertverlust für Saisonware soll erstattungsfähig sein. Die Maßnahmen werden über den Sommer 2021 hinaus bis Ende September 2021 verlängert.

Überbrückungshilfen (II): So genannte November-Hilfen für die 2. Welle und den Lockdown im November 2020 (II). Man spricht auch von Überbrückungshilfe III bei den Zahlungen von Januar bis Juni 2021. Diese können Unternehmen und Solo-Selbständige bekommen bis Juni 2021. Das Volumen wird auf 22 Mrd. € geschätzt. Sie gelten für das Beherbergungsgewerbe, Veranstaltungsstätten, Konzerthallen, Jugendherbergen u. a. Bis 29.1.21 wurden 1,84 Mrd. € beantragt und 1,67 Mrd. € ausgezahlt.

Dezemberhilfen 2020: Im zweiten Lockdown vom 16.12. 20 bis 10.01.2021 gibt es auch Entschädigungen: Betroffen ist besonders der Einzelhandel. Man spricht von Dezemberhilfe. Abschlagszahlungen sollen spätestens Anfang Januar fließen. Firmen bekommen 50.000 €, Soloselbständige bis zu 500 €. Gedacht sind die Hilfen für Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb wegen des Lockdown schließen müssen. hierfür stehen 15 Mrd. € zur Verfügung. Man spricht auch von der Bundesregelung Fixkostenhilfe. Sie wird von der EU genehmigt. Die Bedingungen müssen aber geändert werden. Das sorgt für Frust bei den Betroffenen. Nur wenig Geld kann abgerufen werden (1,2 Mrd. € bis Mitte Januar 2021). Die Hilfen sind auch nicht kombinierbar und die Höhe wird ständig geändert. Die Bundesregierung will Mitte Januar 2021 noch weitere Rettungspakete schnüren, weil der Lockdown verlängert werden muss. Es soll mehr Geld für Firmen und Soloselbständige geben. Zugangsschwellen werden abgesenkt. Bei den Dezemberhilfen wurden 4,5 Mrd. € beantragt und 2,2 Mrd. € ausgezahlt. Stand 29.01.21; Quelle BMWi 2021.

Coronahilfen im Februar 2021 (insbesondere steuerliche Maßnahmen für Unternehmen): 1. Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie. Die Maßnahme soll nicht im Sommer 21 auslaufen, sondern bis Ende 2021 verlängert werden (3,4 Mrd. €). 2. Steuerlicher Verlustrücktrag (ca. 1 Mrd. €). Verluste können mit Gewinnen aus der Vergangenheit verrechnet werden. 3. Unterstützung für Kulturschaffende (Kulturmilliarde). Frei schaffende Künstler, Kulturinitiativen.

Überbrückungshilfen III: Man spricht von Überbrückungshilfe III. Ab 10.02.21 wurde die Antragstellung im Netz frei geschaltet. Unternehmen bis 750 Mio. € Jahresumsatz die zwischen November 2020 und Juni 2021 Umsatzeinbußen von mindestens 30% verzeichnen mussten. Die Unternehmen erhalten Fixkostenzuschüsse zwischen 40 und 90% (je nach Umsatzrückgang). Bis 11.02.21 gab es 282 Anträge. Quelle: BMWi 2021. Die Überbrückungshilfen sollen auch auf Großunternehmen ausgedehnt werden (BMWi 16.02.21). Vertreter von 40 Verbänden sind am 16.2.21 in das BMWi geladen. Sie klagen darüber, dass die Hilfen zu kompliziert, zu langsam und lückenhaft sind. Die Abschlagszahlungen werden gestoppt, weil es viele Betrugsfälle gibt (fiktive Steuerberater lassen Geld auf eigenes Konto überweisen).

Einmalhilfen für Soloselbständige: Sie sollen einmalig 7500 € betragen. Die Corona-Pandemie trifft sie besonders hart. Sie müssen auf Rücklagen zugreifen und private Einbußen hinnehmen.

Corona-Härtefallfonds: Bund und Länder einigen sich im März 2021 auf Hilfen für Firmen, die bislang leer ausgingen. Der Fonds hat einen Umfang von 1,5 Mrd. €. Er wird zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert ( www.haertefallhilfen.de ).

Exkurs. Der Staat als Unternehmer. Systematik der Rettungspolitik in der Corona-Krise. Grundsätzlich können drei Stränge unterschieden werden: 1. Es gibt Unternehmen mit guten Geschäftsmodell. Wenn die Pleite gehen, entsteht großer Schaden. Hier biete der Staat Liquiditätshilfen an, vorrangig Kredite. Notfalls überhaupt der Staat 100% des Ausfallrisikos (Basuka). Es stellt Fremdkapital dar, das zurückgezahlt werden muss. Ganz selten springt der Staat mit Eigenkapital ein. Die Abwicklung läuft über die KfW. 2. Es gibt Risiken in der Welt, die nicht vorhersehbar sind. Sie schlagen wie ein Schock zu. Hier muss auch der Staat eingreifen. Das macht er dann ex-post wie mit einer Versicherungsgemeinschaft. In diese Gruppe gehört die Kurzarbeit (Teil der Fixkosten). 3. Beteiligung an Unternehmen. Geringere Maßnahmen wie Steuerstundung und Verlustrücktrag reichen in keinem Falle aus. So setzt man bei großen Unternehmen den WSF ein (für die Sofin in der Finanzkrise). Der Staat beteiligt sich an 15 Unternehmen (8,5 Mrd. €, 114 Unternehmen hatten nachgefragt). Der Staat arbeitet mit Eigen- und Fremdkapital. Die Beteiligungen bringen schwierige Bewertungsfragen mit sich (Zinssatz, temporär, wann Ausstieg, keine Verluste, Organisation der Stimmrechte über Dritte). Bei KMU arbeitet man mit Überbrückungshilfen (Zuschüssen). Sie sollen das Überleben sichern. Die Finanzämter waren hier mit ihrer IT - Infrastruktur überfordert. Deshalb hatte man eine eigene Auszahlungsplattform entwickelt. Als Resümee kann man jetzt schon sagen, dass man eine Insolvenzwelle verhindert hat. Noch nicht absehbar sind Auswirkungen auf Innovationsprozesse in der Zukunft. Ebenfalls offen sind Entwicklungen in Problembereichen (Innenstädte, Kultur, Gastgewerbe, Hotels), Quelle: Vortrag von Jacob von Weizäcker, Leiter der Grundsatzabteilung im BMF (Chefvolkswirt, auch Mathematiker rund Physiker) in der Bdvb - Lounge am 20.4.21 18.00 Uhr.

KMU-Förderung in der Energiekrise und Inflation 2022 (Kommission "Gas und Wärme"): Strompreisbremse für einen Basisverbrauch bei KMU. Spitzenausgleich bei energieintensiven Unternehmen. Rund 9000 Unternehmen mit einem Volumen von 1,7 Mrd. € entlasten. Es soll noch ein breiter Rettungsschirm für Unternehmen aufgebaut werden. Das Energiekosten - Dämpfungsprogramm soll für KMU geöffnet werden. Es gilt ab Januar 2022 (auf 70% des Gas-Verbrauchs). zusätzlich Strompreisbremse.

Exkurs. Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP): Maßnahme der Bundesregierung, um energie- und handelsintensive Unternehmen vor der Pleite zu bewahren. Das Programm ist am 15. Juli 2022 gestartet. Die EU gab grünes Licht. Das Programm umfasst insgesamt 5 Mrd. € Das Programm wird später noch für KMU geöffnet. Bis Anfang September 2022 wurden schon 3208 Anträge gestellt. Das Programm ist eigentlich auf die Industrie ausgerichtet. Es soll systematisch auf Handwerk und Dienstleistungen ausgeweitet werden. Viele unternehmen können die stark gestiegenen Energiekosten wegen des internationalen Wettbewerbs nicht an ihre Kunden weitergeben. Zusätzlich soll die Förderbank KfW noch besser ausgerüstet werden.

Exporthilfen für den Mittelstand (ab 2023): Die Bundesregierung  will Garantien übe r250 Mio. € zur Verfügung stellen. Damit sollen die Exporte abgesichert werden. Die Garantien gelten für Banken. Der Auftragswert ist bei 10 Mio. € gedeckelt. Der Bund übernimmt damit Exportrisiken. In der Regel läuft das über Hermes-Bürgschaften. Dei staatliche Garantie deckt 80% des Kredits ab.

EU-Investitionsförderung für kleine und mittlere Unternehmen in Südeuropa: Problem ist der begrenzte Zugang zu Krediten. Einmal müssen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessert werden. Hierzu gehören ein Abbau der Korruption und eine Erhöhung der Effizienz der staatlichen Bürokratie. Gezielte Maßnahmen sollten eher indirekt ansetzen: Verbesserungen der Informationen über einzelne Märkte, staatliche Förderung der kosten der Überprüfung der Kreditwürdigkeit, Förderung der Ausbildung von Kreditsachverständigen, Unterstützung von Mikrofinanzinstitutionen. Vgl. Forstner, Bernhard/ Koester, Ulrich: EU-Investitionsförderung für kleine und mittlere Unternehmen in Südeuropa: empfehlenswert?, in: Wirtschaftsdienst 2014/ 9, S.666ff.

Instrumente der EU und der EZB in der Corona-Virus-Krise 2020: Die EU stellt Kredite für KMU zur Verfügung. Ebenso die EZB. Sie stützt betroffene Banken und kauft mehr Anleihen bis Ende 2020.

EU-Hilfsinstrumente für Unternehmen in der Corona-Krise 2020: DIE EIB (europäische Investitionsbank) verfügt über 200 Mrd. € für Kredite an Unternehmen. 25 Mrd. € sind darunter für Kleinunternehmen.

Industriestrategie der EU nach Corona: Jedes Jahr soll zukünftig ein Bericht zum Binnenmarkt kommen. Tatsächliche Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie (z. B. Arbeiten von Handwerkern in EU-Ländern). Der Binnenmarkt soll besser geschützt werden. Aufbau von Notfallmechanismen (bei Produktions- und Lieferengpässen). Verbesserung der Zahlungsmoral. Hilfe beim Schmieden von Industrie-Allianzen.

EU-Landwirtschaftsfonds: Rund 300 Mio. € stehen von 2014 bis 2020 allein für nachhaltige Entwicklung bereit. In RLP nehme vor allem Weinbaubetrieb die Mittel in Anspruch. hinzu kommen Direktzahlungen an die Bauern.

EU-Regionalfonds: Im Rahmen der Regionalförderung können Mittel für KMU zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zur Verfügung gestellt werden.

Europäischer Fonds für strategische Investitionen ("Juncker - Fonds"): Bis 2016 21 Milliarden Euro (von 2014 an). Mittel sollen aufgestockt werden. Wie und wofür ist noch ungeklärt. Der Multiplikatoreffekt soll 315 Mrd. € betragen.. Er soll gezielt gegen Wachstumsschwäche wirken (Kroatien, Griechenlandland, Zypern, Portugal sind sogar geschrumpft). Finanziert wir der Fonds nur zu einem geringen Teil von europäischen Steuerzahler, der Löwenanteil kommt von Privatinvestoren, die EU übernimmt Garantien, außerdem steuert die EIB Geld zu. Am meisten profitieren die großen Volkswirtschaften vom Fonds.

Beschleunigte Abschreibungen/ Sofortabschreibungen: Mit dieser Maßnahme hatte Reagan in den USA gearbeitet. Im Kern hat er Unternehmen erlaubt, Investitionen sofort oder zumindest beschleunigt gegen Gewinne zu verrechnen (nicht erst, wenn die Investitionsgüter verbraucht werden). Diese Maßgabe wirkt umso stärker, je höher die Unternehmenssteuern sind. Vgl. Konrad, Kai/ Rocholl, Jörg: Von Reagan lernen, in: Die Zeit, Nr. 53, 18.12.19, S. 32..

Projekt CloudiFacturing: Die EU bietet KMU, vor allem in der Fertigungsindustrie, Zugang zu komplexen Tools auf Hochleistungsrechnern. Fördersumme für das Projekt 2018 100.000 euro.

Europäischer Venture - Capital Fonds: Im Regierungsprogramm des französischen Staatschef Macron nimmt die Start-up - Förderung großen Raum ein. Unter anderem sollen Unternehmensgründer aus dem Ausland kommen ("French Tech Visa"). Macron schlägt auch den Aufbau des Fonds vor, um insbesondere die Digitalisierung zu fördern.

Europäische Investitionsbank (EIB), Luxemburg: Öffentliche Förderbank der EU (sozialer Wohnungsbau, Bildung, Infrastruktur). Sie ist gleichzeitig Hauptanteilseigner des Europäischen Investitionsfonds (Risikokapital für kleine und mittlere Unternehmen). Die Bank wurde 1958 gegründet, Mitglieder dürfen nur EU-Länder sein. Letzteres könnte GB hart treffen, das über keine öffentliche Förderbank verfügt.

Staatliche Zuschüsse für Wagniskapital an junge Unternehmen (Invest-Programm): Programm der Bundesregierung zur Unterstützung für private Investoren mit Wagniskapital. Es werden Zuschüsse gezahlt, die an den Erwerb von Beteiligungen geknüpft sind. Die Beteiligung muss für mindestens drei Jahre gehalten werden (20 Prozent des Ausgabepreises seiner Beteiligung werden über den Zuschuss zurückerstattet). Außer natürlichen Personen können auch Business Angels bezuschusst werden. Der Investor muss mindestens 10.000 Euro zur Verfügung stellen. Pro Kalenderjahr kann man bis zu 250.000 Euro bekommen. Förderanträge sind beim Bundesamt für Wirtschaft zu erstellen. 2013 bis Mitte 2016 wurden 2200 Zuschüsse für rund 175 Millionen Euro vergeben. Im Koalitionspapier für die Groko im Februar 2018 steht, dass die Geldgeber für Wagniskapital mehr steuerliche Anreize bekommen sollen.

Wagniskapital vom Staat (Zukunftsfonds): Zukunftsfonds der Bundesregierung 2020. Man will Topstandort für aufstrebende Firmen werden. Das Geld fließt in neue und bereits existierende Fördertöpfe. Man plant zehn Module. Es soll einen Dachfonds geben. Verschiedene Institutionen sind beteiligt: KfW Capital, Europäischer Investitionsfonds, Versicherungen. Es soll eine Mischung von privater und staatlicher Finanzierung sein.

10-Milliarden-Euro-Fonds für High-Tech-Start-ups: Er wird 2016 eingerichtet von der Bundesregierung. Über zehn Jahre sollen Start-up-Firmen gestützt werden, die nach erfolgreicher Gründungsphase expandieren. Es geht also um Anschlussfinanzierung in Form von Krediten der KfW. Mit angesammeltem Eigenkapital könne sich das Finanzvolumen verdoppeln.

Innovationsanleihe für digitale Investitionen: Wird 2020 intensiv diskutiert. Unter anderem auch auf der CSU-Klausur in Kloster Seeon. Im Mittelpunkt soll die Umsetzung digitaler Entwicklungen in der Industrie stehen. Die Anleihe soll festverzinslich sein. Der Staat soll mit einem garantierten Zins über 10 Jahre die Sparer anlocken. Start-ups im KI-Bereich sollen so mehr Risiko-Kapital bekommen. Ann-Kristin Achleitner und Matthias Nießner setzen sich für die Idee ein.   

Gründerförderung in RLP: Förderprogramm für bestehende Technik bei innovativem Einsatz ab 2018. Das Programm heißt "Startup innovativ".

 KMU-Förderung für Afrika im Rahmen von Compact der G20: Die Staatschefs von 11 Compact - Ländern treffen sich Ende Oktober 2018 wieder in Berlin. Deutschland (Minister Müller) plant eine bessere Finanzierung von KMU, die in Afrika investieren wollen, mehr Beratung und Mittelstandsförderprogramm für afrikanische Firmen. 

Benchmarking: "A process in which a company compares its products and methods with those of its competitors, in order to try to improve its own performance". Der Begriff wird mittlerweile in der BWL als Fremdwort-Fachbegriff verwendet. Es gibt auch die Begriffe "Best Practice" und "Best-of-Class-Vergleich". Entscheidend ist, was als Benchmark gesetzt wird: z. B. der Brachendurchschnitt, die Marktführer oder andere. Weiterhin bereitet die Messbarkeit (Operationalisierung) Probleme. Globalisierung verschärft die Konkurrenzsituation und lenkt den Blick mehr auf die Wettbewerbsfähigkeit, daher die Aktualität des Benchmarking. Es handelt sich um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess, an dessen Ende eine umfassende Kontrolle steht. Es gibt drei Formen: Internes, horizontales und vertikales Benchmarking. "Der Kern einer Strategie besteht darin zu bestimmen, was man nicht macht, Michael Porter, Prof. Harvard.

Innovationshilfe: Mit einer besonderen Förderung wird 2010 ein Topf eingerichtet (Gesetz), aus dem Machbarkeitsstudien und Gutachten finanziert werden können. Damit soll der Wissenstransfer von Hochschulen zu Unternehmen verbessert werden. So sollen marktfähige Produkte in Unternehmen schneller umgesetzt werden. Die staatliche Innovationsförderung ist offenbar von föderalen Strukturen abhängig. Semiföderale und föderale Strukturen erreichen KMU besser. Vgl. Becker, L./ Bizer, K.: Wirkungen föderaler Strukturen auf die staatliche Innovationsförderung, in: Wirtschaftsdienst 2015/6, S. 411ff.

Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM): Das bedeutsamste Innovationsförderprogramm. Im Oktober 2021 kommt ein Antragsstopp, weil alle Mittel ausgeschöpft sind. 2022 sollen 550 mio € kommen, was aber zu wenig ist. Wirtschaftsvertreter sind in Aufruhr.

Gründungszuschuss: Maßnahme der Aktiven Arbeitsmarktpolitik der Bundesagentur für Arbeit seit 2005. Empfängern von Arbeitslosengeld I soll die Beendigung der Arbeitslosigkeit erleichtert werden.  Unter bestimmten Voraussetzungen (u. a. gutachterliche Stellungnahme zur Geschäftsidee) kann  auf Dauer von max. 15 Monaten gefördert werden. Sehr erfolgreich war zwischen 2003 und 2006 die Ich - AG. Vier von fünf gegründeten Unternehmen war am Markt erfolgreich. Die Förderungsdauer war länger und die Voraussetzungen lockerer als beim Gründungszuschuss. Existenzgründung wird immer wieder stark von staatlichen Maßnahmen beeinflusst: 2010 will die Regierung die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige verteuern. Damit droht eine Beitragsexplosion. Gründungsförderung ist ein anerkanntes Mittel im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit.

Mittelstandsförderung: Auf Bundesebene enthält das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) eine Mittelstandsklausel (Ausnahmeregeln bei der Kartellbildung). Die Bundesländer haben oft Mittelstandsförderungsgesetze. Diese greifen ein bei der öffentlichen Auftragsvergabe für KMU, bei der Zahlungsabwicklung für KMU durch öffentliche Auftraggeber und bei der Nachhaltigkeit der Förderprogramme (Evaluation der Effizienz ist noch Ausnahme). Beispielsweise hat RLP ein Gesetz zur Förderung mittelständischer Unternehmen von 1978. Dies wurde 2010 reformiert. Es sollen mehr Cluster, also regionale oder branchenspezifische Kompetenz-Verbünde, gefördert werden. Zahlungsverpflichtungen der öffentlichen Hand sollen schneller erfüllt werden.  Eine Mittelstandsklausel soll Nachteile bei Gesetzen und Verordnungen verhindern.

Bürokratie-Abbau (Entlastung des Mittelstands): 2. Gesetz 2016. Entlastung der KMU um 360 Mio. €. 1. Schwellenwert für Rechnungen bei Kleinbetrieben 200€. 2. Schwellenwert bei Lohnsteuer-Anmeldeformular 5000€.3. Vereinfachtes Verfahren bei der Berechnung von Sozialversicherungsbeiträgen. Im mai 2019 einigt sich die große Koalition, dass ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz kommen soll (Gegenleistung für Nachunternehmerhaftung bei Paketboten).

Wirtschaftsförderung: Sie wird auf Bundes-, Landes- und regionaler bzw. kommunaler Ebene betrieben. In der Regel werden öffentliche Institutionen wie Verwaltungen und Förderbanken eingeschaltet, deren Hauptaufgabe in der Anregung und Unterstützung von Investitionen besteht. Man unterscheidet zwischen exogener (Unternehmen von außen, Anreize: billiges Bauland, günstige Steuern) und endogener Wirtschaftsförderung (einheimische Firmen, Anreize: Vorzugskredite, Technologieparks, Bestandspflege, Aufbau von Clustern). In der EU sind die KMU sehr mobil. Sie reagieren auf Steuersätze, Steuersysteme und Beihilfen. Zwischen den Bereichen kommunale Mittelstandspolitik, Stadtmarketing, Standortentwicklung und lokale Wirtschaftsförderung sind die Übergänge fließend. Entscheidend ist eine effektive Gesamtkonzeption. Die Idee der "Investitionsquartiere" ist sehr verbreitet: Kommune kann mit Zustimmung des örtlichen Handels und der Industrie Abgabe festsetzen, die dafür verwendet werden muss, in der Region den Wettbewerb voranzubringen. "Welcome-Center" bei den Kammern sollen besonders gut qualifizierte Facharbeiter aus dem Ausland anziehen. Die Landesbanken setzen in der Unterstützung der Kommunen bei der Wirtschaftsförderung auf neue Geschäftsmodelle. Statt Zinssubventionen werden Risikoübernahmen angeboten (z. B. ISB RLP). Mit einer Einrichtung von "Business Improvement Districts" (BID) in Innenstädten können diese gestärkt werden (z. B. Gesetz für Zwangsabgabe für Marketing). Vgl. www.urban.improvement-districts.de. Grundlage in RLP ist das Gesetz für Lokale Entwicklungs- und Aufwertungsprojekte. Die Idee stammt aus den USA (Stärkung der Innenstädte gegenüber Einkaufszentren). Im Städtetest der Wirtschaftswoche 2014 führt München im Niveauranking; Wolfsburg siegt im Dynamikranking. Die meisten Start-ups pro Erwerbstätige hat Frankfurt. Der Harvard-Ökonom Edward Glaeser untersucht Aufstieg und Niedergang von Städten (Triumph der Stadt, 2011). Mittlerweile gibt es das Netzwerk "Cittaslow". Es handelt sich um ein weltweites Netzwerk von Städten, die auf drei Maximen setzen: Fortschritt, Mensch im Mittelpunkt, individueller Charakter der Kommune. 150 Städte in 25 Ländern gehören Ende 2014 dazu. In Deutschland gehört z. B. Deidesheim dazu. Die Mitgliedsstädte haben einen Katalog von acht Zielen. 

Regionalförderung: Aktuell geht es um die Regionalpolitik nach dem Auslaufen des Solidarpakts II nach 2019. Strukturschwache Regionen sollen auch ab 2020 deutschlandweit regionalpolitisch gefördert werden. Dabei soll das Handwerk stärker berücksichtigt werden, weil es einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse leistet. Vgl. Jörg Thomä: Handwerksunternehmen im Focus der Regionalförderung?, in: Wirtschaftsdienst 2016/12, S. 916ff.

Zweck der Regionalpolitik: Mit der wirtschaftlichen Entwicklung beeinflussen 4 Faktoren die Bildung von Raumstrukturen: 1. Migration. 2. Handel. 3. Kapitalmobilität. 4. Wissensdiffusion. Die wirtschaftlich Entwicklung kann analytisch in vier Dimensionen getrennt werden: a. Agrarwirtschaft; b. Industrialisierung; c. Tertiarisierung; d. Digitalisierung. Daraus kann eine Matrix gebildet werden. Agrarwirtschaft: Migration gering, Handel: Agrarhandel entlang der Thünenschen Kreise, stationärer Handwerkshandel. Kapitalmobilität: kaum/ ortsgebunden. Wissensdiffusion: kaum, wegen disjunktiver Tätigkeiten (Agrar, Handwerk). Industrialisierung: Migration Land - Stadt, dynamisch, Landflucht. Handel: Transportkosten. Kapitalmobilität: agglomerationsgebunden. Wissensdiffusion: produktionsortgebunden. Tertiarisierung: Migration: Land -  Stadt, dynamisch. Handel: Arbeitskosten. Kapitalmobilität: hoch. Wissensdiffusion: Vernetzung, Verbundproduktion. Digitalisierung: Migration: zentrale Orte. Handel: Transportkosten. Kapitalmobilität: hoch. Wissensdiffusion: Vernetzung, Verbundproduktion. Quelle/ siehe: Hüther, Michael: Wozu Regionalpolitik? Wo liegt das Problem? in: Wirtschaftsdienst 2019/ 13 (Sonderheft), S. 7.

Regionales Gefälle und die Erklärungsfaktoren: 1. BIP/Erwerbstätigen: Brachenstruktur, Größenstruktur, Qualifikationsstruktur, Erreichbarkeit/ Siedlungsdichte. 2. Unterbeschäftigung: Branchenstruktur, Größenstruktur, Demographie, Siedlungsdichte. Vgl. Ragnitz, Joachim: Dimensionen des regionalen Gefälles: Gibt es ein gemeinsames Muster? in: Wirtschaftsdienst 2019/ Sonderheft, S. 19ff.

Treiber der regionalen Entwicklung in Deutschland: 1. Technologischer Wandel. 2. Globalisierung. 3. Klimawandel. Die Effekte des Klimawandels sind regional sehr unterschiedlich. Die Erwärmung wird Baden-Württemberg am stärksten treffen. 4. Präferenzverschiebung. 5. Nationale Wirtschaftspolitik. Vgl. Pflüger, Michael: Regionale Disparitäten und Regionalpolitik, in: Wirtschaftsdienst 2019/ Sonderheft, S. 10ff.

Regionalpolitik in Deutschland: Im Koalitionsvertrag 2018 spricht man von Heimatpolitik. Im Wesentlichen geht es um die Entlastung für Länder und Kommunen durch den Bund. Dazu gehören kommunale Landesprogramme, Ganztagsschule, Sozialer Wohnungsbau, Regionale Struktur (Kohlepolitik), Ländlicher Raum, Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, Nachfolge Hochschulpakt, Aufstiegsfortbildung in der beruflichen Bildung. Hinzu kommt der Digitalpakt Schulen. Die regionale Infrastruktur hat große Beutung für die Standortpolitik von KMU.

Mittelstandsregionen bzw. KMU-Wirtschaftszentren in Deutschland: Folgende acht Regionen sind besonders zu nennen: Schwäbische Alb (Großraum Stuttgart), Oberbayern, Münsterland-Westfalen (Bielefeld, Siegen), Südliches Ruhrgebiet/Bergisches Land (Solingen, Wuppertal), Rhein-Main, Rhein-Neckar (Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen, Worms), Hamburg, Niederrhein. Nach dem NUI Regionenrating ist Offenbach die attraktivste Region für KMU. Dem Rating liegen Daten der amtlichen Statistik zugrunde. Ein nächster Schritt wäre die Bildung eines Clusters, d. h. die Unternehmen vernetzen sich. Gerade die vernetzte Fabrik verlangt nach Maschinenbau, Automatisierungs- und Elektrotechnik. Als Spitzencluster gilt die Region "Ostwestfalen-Lippe" (OWL; It`s OWL). 

Klumpenrisiko: Die Automobilindustrie in Deutschland ist in der Hauptsache in Baden-Württemberg angesiedelt. Hier ist der Raum Stuttgart am wichtigsten. Zwei Drittel der Industrieproduktion entfallen dort auf den Automobilbau. Das könnte eine Bedrohung beim E-Auto sein. Die Hälfte der Stellen könnten wegfallen: 166.000 Menschen arbeiten dort in der Autoproduktion. 26.000 Menschen arbeiten bei Autoherstellern und Zulieferern im Bereich Antriebsstrang.

Metropolregionen in Deutschland: In Deutschland gibt es elf Metropolregionen. Der Initiativkreis der Europäischen Metropolregionen in Deutschland erhebt regelmäßig Vergleichszahlen (seit 2001). In der EU ist die Region um Mailand eine der ältesten und erfolgreichsten (Industriecluster). Außer der MRRN bei uns gibt es z. B. noch München, Stuttgart und Nürnberg (Hamburg, Hannover, Bielefeld, Düsseldorf/Wuppertal/ Solingen, Hagen/ Siegen, Köln, Berlin). Die Metropolregionen gelten als besonders innovationsfähig. Dies spielt in der Globalisierung des Wettbewerbs eine immer größere Rolle. Als besonders wichtig gilt die wissensintensive Wirtschaft. Hier sind wissensintensive Industrien und Dienstleistungen addiert. Führend in Deutschland ist der Raum Stuttgart vor München.

Anbieter der besonderen Finanzierungs- und Unterstützungsleistungen für KMU: Zuerst ist die KfW-Bank in Frankfurt zu nennen, die Bundesmittel einsetzt. Dann kommen die Förderbanken der Bundesländer, wobei die NRW-Bank die größte ist. Weiterhin sind die Bürgschaftsbanken und Beteiligungsgesellschaften dazu zu rechnen. In Einzelfällen kann es noch Angebote auf kommunaler Ebene geben.

KfW-Bank: Über die Kreditanstalt für Wiederaufbau in Frankfurt laufen die meisten Fördermittel für KMU. Das gilt auch für die Mittel der EU. Hauptproblem ist die Tatsache, dass die Abwicklung der Kredite über die Hausbank laufen muss, deren Gewinnspanne oft zu gering ist. Deshalb hält sich das Interesse der Hausbanken in Grenzen. Insofern kann die KfW eine Kreditklemme nur begrenzt lindern. 2009 wird erwogen, durch die KfW direkt Kredite an KMU zu vergeben. Die KfW ist eine Gruppe: die Förderbank unterstützt insbesondere Umweltinvestitionen. Die Mittelstandsbank hilft Unternehmen bei der Kreditfinanzierung. Die Ipex-Bank macht Export- und Projektfinanzierung. Die Entwicklungsbank fördert Projekte in der Dritten Welt. Die DEG konzentriert sich auf die Privatwirtschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern. Ende 2009 erleichtert die KfW nochmals die Kreditaufnahme für den Mittelstand: Kredite für Betriebsmittel in 2010, längere Laufzeit für Investitionen, längere Zinsbindung. Die KfW baut ihr internationales Geschäft auf. Sie will Europas Wirtschaft insgesamt unterstützen. Dabei muss sie aufpassen, dass sie ihren Wettbewerbsvorteil als Staatsbank nicht zum Nachteil der Geschäftsbanken ausnutzt. Die zweitgrößte Förderbank für KMU in Deutschland ist die NRW-Bank. In RLP läuft das Mittelstandsförderprogramm über die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB). Dieses hatte zuletzt 2009 einen Umfang von 254,5 Mio. € (Inanspruchnahme). Ein wichtiges Instrument ist die stille Beteiligung. 2011 wird die ISB mit der Landestreuhandbank verschmolzen. Nach Vorgaben des Bundes muss auch eine Bürgschaftsbank gegründet werden. Die Bank soll auch unabhängiger vom Landeshaushalt werden (Förderprogramme aus eigener Kraft).  Die KfW-Bank gerät 2014 in die Kritik, weil sie sich nach Meinung der Grünen an der Zerstörung des Great Barrier Riffs beteiligt. Sie fördert Investitionen in den Kohlehafen Wiggins Island. 2017 braucht die KfW mehr Eigenkapital. Aufgrund eines Programmierfehlers hatte die Bank versehentlich 7,6 Mrd. Euro an vier Großbanken überwiesen. Die Förderbank hat 2017 weniger Kredit vergeben (76,5 Mrd. €) und weniger Gewinn eingefahren. Sie vergab aber mehr Kredite an den Mittelstand.

KfW-Bank in der Corona-Krise 2020: Ab März 2020 muss das Institut zeigen, was in ihm steckt. Bisher kannte man eher behäbige Strukturen. Das Kanzleramt setzt große Hoffnungen in die Bank. Es machte sie auch zum Generalmanager der Energiewende. Vorstandschef ist Günther Bräuning 2020.

Mittelstandsförderung der EU: Ab 2014 wird erstmals ein Förderprogramm speziell für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aufgelegt. Dadurch sollen unter anderem deren Finanzierungsmöglichkeiten verbessert werden. Etwa 99% aller Unternehmen in der EU sind kleine und mittlere Unternehmen. In den 28 Mitgliedsstaaten der EU sind dies ca. 23 Millionen KMU. Diese Unternehmen haben weniger als 250 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von weniger als 50 Millionen Euro. Das Förderprogramm heißt "Cosme" und steht sieben  Jahre zur Verfügung. Es handelt sich um Mittel in Höhe von 2,3 Mrd. Euro. 60 Prozent sind für die Bereitstellung von Fremd- und Eigenkapital vorgesehen (bis 2020 entspricht dies 1,4 Mrd. €). Aus dem Programm sollen auch Maßnahmen finanziert werden, die die Folgen von Gesetzentwürfen und bestehender Gesetze überprüfen. die KMU können auch vom Programm "Horizon 2020" profitieren. Davon sollen mindestens 9,3 Mrd. € als Direktzahlung oder Wagniskapital an KMU fließen.

Mittelstandskompetenzzentren: Die Bundesregierung plant den Aufbau solcher Zentren und die staatliche Förderung im Zusammenhang mit der Digitalisierung. Eine Hauptaufgabe soll in der Verknüpfung von etablierten Firmen und Gründern bestehen. In der Region Rheinpfalz soll das Zentrum in Kaiserslautern sein.  Diese Zentren sollen verknüpft werden mit digitalen Zentren/Drehkreuzen, die mehr branchenorientiert angesiedelt sind. Das für die Leitbranche Chemie soll in Ludwigshafen/ Mannheim

IfM-Bonn - Zukunftspanel: Von Zeit zu Zeit. Herausforderungen für mittelständische Unternehmen. Befragt werden Geschäftsführer von Berufsverbänden sowie von Wirtschaftsverbänden und -kammern, renommierte Wirtschaftsforscher auf nationaler und internationaler Ebene sowie Mittelstandsexperten in den Wirtschaftsministerien auf Bundes- und Landesebene (Expertenbefragung). Es geht darum, welche Themen ihrer Ansicht nach aktuell und zukünftig relevant sind. Befragung Frühjahr 2014. Letzte Befragung 2017: Wichtig sind Rahmenbedingungen, Unternehmensnachfolge und Digitalisierung. Vgl. Ifm-Materialien, Nr. 229, 2017

Mittelstandslotse: Einige Bundesländer arbeiten mit dieser Institution (z. B. Hamburg, RLP), um einen zentralen Ansprechpartner für die mittelständische Wirtschaft zu haben. In der Regel geht es um Finanzierungsprobleme und eine Vermittlung zu den Banken. In RLP gibt es Mittelstandslotsen als einheitlichen Ansprechpartner (EAP) auch bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd und auf kommunaler Ebene.

Clusterpolitik: Hier wird KMU-Politik mit Regional- und Innovationspolitik verbunden. Zuverlässige wissenschaftliche Erkenntnisse über eine Wirksamkeit fehlen noch. Als erfolgreichstes Cluster der Welt gilt die Region um Mailand. Populär wurde das Konzept durch M. E. Porter. Der große Vorteil liegt in geballtem regionalen Wissen.

Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHT): Er vertritt auch die Interessen der KMU und berät im Hinblick auf die Mittelstandsförderung. Er wurde 1861 in Heidelberg gegründet (angestoßen von einem Weinhändler aus Neustadt/W., nach dem Krieg wieder gegründet in Ludwigshafen). Der DIHT setzt sich aus 80 Industrie- und Handelskammern zusammen. Nach Einnahmen und Rücklagen sind die drei größten IHK München, Berlin und Hamburg. In der Kritik sind die hohen Rücklagen. Insgesamt sind dies 2012 1993 Mio. Euro. Kleinstfirmen werden von den Handwerkskammern vertreten. Als Berater, Vertreter  und Vermittler sind die Kammern wichtige Träger der Mittelstandspolitik. In der Handwerkskammer sind die Betriebe Pflichtmitglieder. Weitere Interessenvertreter des Handwerks sind die Kreishandwerkerschaften und die Innungen.  Zwischen 2009 und 2012 flossen rund 589 Mio. € Subventionen aus europäischen Fördertöpfen an die Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern in Deutschland (Quelle: Bundesverband freier Kammern, bffk). Der Kammerzwang wackelt allerdings. 2014 sind noch rund 5 Millionen Unternehmen und Gewerbstreibenden Mitglieder. Die Kammern horten immer mehr Geld (Rücklagen; eigentlich müssten diese Gelder auf die Mitglieder ausgeschüttet werden).

Barfuß-Ökonomie: Sie wurde von dem chilenischen Ökonom Manfred Max-Neef entwickelt. Sie stellt ein System von Thesen dar. Kern ist die Kooperation und das Motto "Small is beautifull" . Der deutschstämmige Wissenschaftler lebte lange in Slums bei Kleinbauern.

Unternehmensumfeld (Entrepreneurial Ecosystem): Man unterscheidet folgende Umfelder: ökonomisches, technologisches, ökologisches, gesellschaftliches. Zum Umfeld gehören auch die unternehmensinternen und externen Interessengruppen (Stakeholder). Die Heimat des Unternehmens ist der Standort. Als Standortfaktoren gelten Absatz, Produktionsfaktoren, Infrastruktur und Gesellschaft (Steuern, Rechtssicherheit). Möglich ist auch die STEP-Einteilung. Das Unternehmensumfels rückt immer mehr in den Focus der Forschung. Vor allem die US-Mittelstandsforschung blickt auf die Bedingungen in Deutschland.  Viele relevante Informationen sind im IfM-Bonn - Zukunftspanel: Von Zeit zu Zeit. Herausforderungen für mittelständische Unternehmen. Befragt werden Geschäftsführer von Berufsverbänden sowie von Wirtschaftsverbänden und -kammern, renommierte Wirtschaftsforscher auf nationaler und internationaler Ebene sowie Mittelstandsexperten in den Wirtschaftsministerien auf Bundes- und Landesebene (Expertenbefragung). Es geht darum, welche Themen ihrer Ansicht nach aktuell und zukünftig relevant sind. Befragung Frühjahr 2014. Letzte Befragung 2017: Wichtig sind Rahmenbedingungen, Unternehmensnachfolge und Digitalisierung. Vgl. Ifm-Materialien, Nr. 229, 2017. Angesicht des G20-Gipfels im Juli 2017 in Hamburg, bei dem auch globale Wertschöpfungsketten zur Sprache kommen werden, diskutierten Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie auf dem Round Table Mittelstand in Berlin mit Wissenschaftlern verschiedener Forschungsinstitute und Vertretern von Wirtschaftsverbänden über das Thema "Mittelstand zwischen Abhängigkeit und Selbstbestimmung". Vgl. auch: Stark von Ängsten geprägt, Gespräch Der Zeit mit Frederike Welter vom IfM, Bonn, Die Zeit Nr. 27, 27.6.2019, S. 29.

PESTLE-Bezugsrahmen auch für KMU: KMU-Aktivitäten finden in einem Umfeld statt, das von internen und externen Faktoren bestimmt ist. Zum externen Umfeld gehören folgende Faktoren (englische Anfangsbuchstaben): Politische, ökonomische, soziale, technologische, gesetzliche und ökologische (Umwelt). Unternehmen sind ihren Anspruchsträgern (Stakeholder) gegenüber verantwortlich (Eigentümer, Beschäftigte, Management, Nachbarn).

Unternehmensrisiken (für KMU): Aktuell 2014 nach einer Umfrage des Ifo-Instituts in München: Steigende Energiekosten (Rangplatz eins), Fachkräftemangel, Wirtschaftspolitik, hohe Abgabenlast, Geopolitische Unruhen, schwächelnde Konjunktur der Handelspartner, Reform der Erbschaftsteuer, Euro-Wechselkurs.

Bewusst durch die Rezession (Rationalisierung): Unternehmen, die sich auf die Rezession vorbereitet hatten, steigerten ihren Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit), während und nach der Konjunkturflaute deutlich, im Gegensatz zu unvorbereiteten Unternehmen. Die widerstandsfähigen Firmen waren sich ihrer wichtigsten Wettbewerbsvorteile bewusst und priorisierten die drei oder vier Initiativen, die unerlässlich für die Umsetzung der Strategie waren. Sie erstellten Pläne für unterschiedliche Szenarien. Vgl. Simoes de Melo, Miguel  et al.: Using the next Recession to Change the Game, Bain & Company.

Risiken der nächsten Jahre: Studie "Initiative Unternehmensperspektiven" 2019. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa führte die Erhebung 2019 durch. Dafür befragte es 2000 mittelständische Unternehmen, darunter 240 Firmen mit mehr als 100 Mio. € Umsatz. Von den befragten Firmen bestand eine Abhängigkeit durch den Vertrieb im Ausland (52%; 42 keinen Vertrieb im Ausland; 6% sind einen möglichen Vertrieb im Ausland). Die größten Sorgen in den nächsten zwei Jahren waren: geringe Planungssicherheit, konjunkturelle Eintrübung, zunehmende Handelsbarrieren, geringere Nachfrage am deutschen Markt, Absatzrückgänge in den Auslandsmärkten, positive Effekte durch Handelskonflikte. Die Forderungen waren: einheitliche europäische Haltung im Wirtschaftsstreit mit den USA, gute Wirtschaftsbeziehungen zu China, gute Wirtschaftsbeziehungen zu GB nach Brexit.

Krisenstrategien für KMU: Insgesamt richten sich die KMU auf einen Abschwung 2019 ein (62% wollen weniger als 2018 investieren). Als größte Gefahr sieht man die Situation in China. Allerdings fehlt es in KMU oft an der Strategie, nach vorne zu blicken.

Strategien in der Rezession: Die meisten Unternehmen leiden während einer Rezession, weil die Nachfrage sinkt und weniger Geld auf den Finanzmärkten verfügbar ist. Einige schaffen es aber  erstaunlich gut durch Krisen und erholen sich danach sogar deutlich besser. Verschiedene Studien haben herausgefunden, warum manche Unternehmen Rezessionen besser überstehen. Vier Gründe sind entscheidend: eine frühzeitige Entschuldung; kurze Entscheidungswege; Jobabbau vermeiden und in die digitale Transformation investieren. Quelle: Frick, Walter: Wie sie eine Rezession überstehen, in: HBM, Juli 2019, S. 44ff.

Verluste durch Schwarzarbeit: Die Umsatzeinbußen könnten bei 4,75% pro Jahr liegen (244 Mrd. €). Weiterhin ergeben sich Wertschöpfungseffekte (150 Mrd. €). Es gibt auch unternehmensgrößenabhängige Unterschiede: KMU leiden wesentlich mehr als Großunternehmen. Die Baubranche ist besonders betroffen. Schwarzarbeit ist auch in Privathaushalten zu beobachten. Nachholbedarf bei der Bekämpfung gibt es unter anderem bei der Intensität der Kontrollen (vor allem bei der Fianzkontrolle des zolls auf Baustellen). Vgl. Enste, Dominik H.: Verlust der Unternehmen durch Schwarzarbeit, in: Wirtschaftsdienst 2019/2, S. 152ff.

Betroffenheit bei KMU von Freihandelsabkommen: Es ist schwierig, allgemeine Aussagen abzuleiten. Die Betroffenheit hängt von sehr vielen Faktoren ab. Der Wegfall von Zöllen könnte KMU benachteiligen. Das gilt sicher für den landwirtschaftlichen Bereich (insbesondere, wenn vorher regionale Lebensmittel verbreitet waren). Durch dann steigende Internationalisierung steigt in der Regel auch die Produktivität bei den Gütern, was zur Erhöhung der individuellen Wettbewerbsfähigkeit zwingt.

Ökonomie des Teilens (teilen statt haben, nutzen statt besitzen; Share Economy):  Die Hoffnungen dieser Ökonomie sind damit verbunden, bestehende Kapazitäten besser auszunutzen (Autos, Wohnungen, Werkzeuge, Haushaltsgeräte) und entsprechend Ressourcen schonend zu wirken (Fixkosten können umgelegt werden bei geringen variablen Kosten; im Extremfall Grenzkosten gleich Null). Die Organisation der Transaktionen erfolgt mittels Informationstechnologie. Investoren können Organisationsrenten nutzen (allokative und distributive Eigentumswirkungen werden vernachlässigt). Stark diskutiert wird die Frage, ob hinter dem Modell mehr Markt oder mehr Gemeinschaft (z. B. Genossenschaft) steckt. Geteilt werden kann auch zwischen Unternehmen (oft KMU), nicht nur zwischen Privatpersonen. Offen ist noch, wann eine Regulierung notwendig ist. Das Teilen kann kostenlos oder kostenpflichtig sein (dann ist noch mieten möglich). Interessant ist, welche Motive und Struktur die Nachfrager haben (grün?, urban?). Gesamtwirtschaftlich erhoffen sich Viele, dass so das Wachstumsparadigma gerettet werden kann.  Vgl. Ökonomie des Teilens - nachhaltig und innovativ?, in: Wirtschaftsdienst 2015/ 2, S. 87ff.

Entrepreneurial Ökonomie (Entrepreneurial Design): Entrepreneurial Design ist ein künstlerischer Prozess, der ökonomisch, ökologisch und sozial denken voraussetzt. Hinzu kommen die Aspekte "Sympathie, Aufmerksamkeit und Authentizität". Mit den Rahmenbedingungen Fantasie, Mehrfachnutzungen, in Komponenten denken, Ernstbedingungen testen und Stimmig zum Markt schließt das Konzept. Am Ende könnte eine Citizen Entrepreneurship stehen. Die wachsenden Probleme unserer Zeit sind nur noch durch tragfähige Unternehmenskonzepte zu lösen.  Vgl. Günter Faltin: Wir sind das Kapital. Erkenne den Entrepreneur in Dir. Aufbruch in eine intelligentere Ökonomie, Hamburg 2015. "Wir haben eine Chance, eine bessere Welt zu bauen. Liebevoller, witziger, feinfühliger und künstlerischer, als es jemals zuvor möglich gewesen ist. Aber wir müssen selbst in den Ring steigen, es selbst in Gang bringen, es selbst unternehmen. Es nicht der bloßen Gewinnmaximierung überlassen", Günter Faltin (Text auf dem Umschlag).

"Ökonomie ist sowohl Kunst als auch Wissenschaft, weil das Verhalten von Menschen und Institutionen sich ständig ändert - unsere Theorien müssen sich mit ihnen verändern", Paul A. Samuelson, Nobelpreisträger und Lehrbuchautor (zusammen mit W. D. Nordhaus: Volkswirtschaftslehre, aus dem Amerikanischen, zuletzt 2006).

 

Industrie- und Mittelstandspsychologie bzw. -soziologie (vgl. auch Arbeitspsychologie bei Economics/ special, Arbeitsökonomik) und ganz ausführlich Psychologie bei Cult/Sozio/Psych (sammel.htm, auch bei Methoden). Es geht immer auch um kulturelle, soziale und psychologische Ursprünge der Leistungsmotivation, fundamental für jede Gesellschaft.

"Die Grundlage der politischen Ökonomie und, im Allgemeinen, jeder Sozialwissenschaft ist offensichtlich die Psychologie. Es mag ein Tag kommen, an dem wir in der Lage sein werden, die Gesetze der Sozialwissenschaften aus den Prinzipien der Psychologie abzuleiten", Vilfredo Pareto, Manual of Political Economy: A Variorum Translation and Critical Edition, herausgegeben von Aldo Montesanto et. al. Oxford University Press, (1906) 2013, Kap. 2, S. 21.

"Abgesehen von der Instabilität durch Spekulation, gibt es eine Instabilität aufgrund der menschlichen Natur, die die Eigenschaft hat, dass ein großer Teil unserer positiven Handlungen eher von spontanem Optimismus geleitet sind als von mathematischen Erwartungen", John Maynard Keynes, 1936.

Menschentypen: Man unterscheidet zwei Typen von Menschen. Solche, die aktiver sind und eher nach vorne "marschieren" mit mehr Risiko  (Do you play to win?) und solche, die eher zurückhaltend, vorsichtig, abwägend und bewahrend sind (Do you play to not lose?). Ersterer Menschentyp wäre für KMU besser geeignet.

Gibt es das Unternehmer-Gen? Sicher gibt es kein Patent-Rezept. Erfolgreiche Unternehmer weisen aber bestimmte Regelmäßigkeiten auf: Sie haben Mut, Disziplin, Durchsetzungsfähigkeit, schöpferische Zerstörung und bestimmte Handwerksinstrumente. Weiterhin ist Freiraum notwendig. Vgl. Welt der Wirtschaft, hr info, 2016, S. 91ff.  Oft spricht man auch von Unternehmergeist.

Unternehmer kommt von unternehmen: Unternehmer sollten immer darauf achten, dass sie noch was unternehmen können. In der Corona-Krise verändern sich die Konsumgewohnheiten der Menschen. Unternehmen müssen sich strategisch darauf einstellen. Solange man nicht weiß, was auf einen zukommt, mach es Sinn, sich auf sich selbst zu konzentrieren. Wer scharf an der Kreditkante wirtschaftet, darf nicht überrascht sein, wenn eine Krise ihn massiv trifft. Unternehmen brauchen agile Mitarbeiter mit mehr Eigenständigkeit und neuen Qualifikationen (IT, Physik). Der reine Schumpeter - Held scheint nicht mehr auszureichen. Vgl. Enkelmann, W.- D-/ Priddat, Birger: Genie und Routine. Beiträge zur Philosophie des Unternehmens, Metropolis Verlag 2020.

Gründungsklima weltweit 2019: Der Anteil der Bürger, die sich eine Firmengründung zutrauen sieht in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich aus: Am höchsten ist der Anteil in den USA (65,5% vpr Großbritannien (55,2%). Hinten liegt Japan mit 14%. Deutschland hat 45,5%. Quelle: Total Entrepreneuerial Activity-Quote (TEA), GEM (Global Entrepreneuerial Monitor). Zusätzlich gibt es in diesem Monitor eine Experteneinschätzung zu den gründungsbezogenen Rahmenbedingungen: Die USA liegen vor den Niederlanden und der Schweiz. Deutschland liegt auf dem 9. Platz.

Feige Speichellecker: Die Führungsetagen deutscher Unternehmen sind geprägt von Verwaltungsmentalität, mangelnder Risikobereitschaft, interner Intransparenz, Gleichschaltung der Nachwuchskräfte und Festhalten an Altbewährtem. Quelle: Ergebnisse einer Umfrage der Hochschule Fresenius  unter Geschäftsführern, Top-Management-Beratern und Berufstrainern.

Geduld:  Neuere Studien kommen zu dem Schluss, dass menschliche Geduld für Kapitalbildung, Investitionen und Prosperität sorgt. Das trägt wesentlich zum Reichtum der Nationen bei. Vgl. Studien vom Behavior and Inequality Research Institute in Bonn (Armin Falk)

Narzissten: Die mächtigsten Köpfe der Wirtschaft gehören manchmal dazu (nach psychologischen Studien). Es endet oft im Größenwahn. Man entlarvt diese "Superegos" meist, wenn es schon zu spät ist und sie großen Schaden angerichtet haben (z. B. Thomas Middelhoff, Donald Trump). Sie genießen den öffentlichen Auftritt, sind eitel, unduldsam und beratungsresistent (dulden keinen Widerspruch). Sie umgeben sich daher eher mit Jasagern. Ein Warnzeichen ist das Schreiben einer Autobiographie in jüngeren Jahren. Soziale Netzwerke sind eine Paradies für Narzissten.

Psychopathen: Sie gelangen überdurchschnittlich häufig in Führungspositionen (Anteil wesentlich höher in Führungspositionen als im Durchschnitt der Bevölkerung). Firmen-Psychopathen zeichnen sich durch die Merkmale Blenden, Gefühlskälte und Manipulation aus. Das Menschenbild der Ökonomie dürfte dabei einen Einfluss haben ebenso wie falsche Anreize. "Typisch an Führungspersönlichkeiten ist auch, dass man nicht jemand sein kann, der auf moderate, ausgeglichene, überlegt und vorsichtige Weise eine Strategie vermittelt. Man muss zum Fanatischen/Exentrischen neigen", Jack Welch, geb. 1935, Chairman von General Electric bis 2001.

Menschen mit so genannten neurologischen Störungen: Das sind Abweichungen wie Autismus, Dypraxie oder Legasthenie vefügen über erstaunliche Fähigkeiten im Bereich Mustererkennung, Gedächtnisleistung oder Mathematik. Unternehmen müssen ihre HR-Praktiken verändern, um von den Fähigkeiten dieser Menschen zu profitieren. Vgl. Austin, R. D. u. a.: Anders, aber besser, in: Harvard Business Manager, Oktober 2017, S. 52ff.

Passion/ Leidenschaft/ leichte Psychopathie: Die ungezähmte Besessenheit ist eine Gefahr für Gründer und Unternehmer. Sie muss auf ein Ziel ausgerichtet werden unter Beachtung der eigenen Gesundheit. Ohne Passion würde man aber Rückschläge nicht verkraften. Leichte Psychopathie ist offenbar für Erfolg notwendig. "Obsessive Unternehmer brauchen einen analytischen Sparringspartner - wie beim Facebook-Duo Zuckerberg und Sandberg", Katahrina Wolff, Gründerin D-Level, in: WiWo 36, 31.8.2018, S. 21.

Makel, Komplex: Oft haben es besonders erfolgreiche Menschen geschafft, ihre vermeintliche Schwäche in Stärke umzuwandeln. Menschlicher Makel scheint ein gutes Karriereprinzip zu sein, wie viele Beispiele zeigen.

Hybris: Größenwahn bei Managern von Unternehmen. Topmanager treffen Fehlentscheidungen, weil sie sich selbst überschätzen. Vielleicht kann das auch mit einer krankhaften Persönlichkeitsstruktur zusammenhängen. Man überschätzt sich in seiner Macht.

Rebellen, Querdenker, Andersmachen: Sie sind in Unternehmen gefragt, weil Unternehmen neue Ideen brauchen. Revolutionen sind gewünscht, nicht Anarchie. Man muss sich gegen Widerstand durchsetzen können und Traditionen brechen. "Eine Regel zu brechen bedeutet immer Stress für das Gehirn. Sie zu befolgen fällt deshalb leichter", Roland Pfister, Psychologe, Uni Würzburg.

Authentizität: Gilt als positiver Wert. Heißt, sich selbst treu bleiben. Hat etwas mit dem Original zu tun. Doch manchmal ist es erfolgreicher, die Gefühle zu kontrollieren und geschmeidig zu sein..

Generalisten: Betriebswirte und Ingenieure haben von immer weniger Dingen Ahnung und wissen gleichzeitig immer mehr, wenn es um ihr eigenes Spezial-Gebiet geht. Die Lücken werden mit Wissen aus dem Internet oder aus der Presse bzw. anderen Medien gefüllt. Dies ist eine Folge zunehmender Komplexität der Welt und immer größerer Dynamik in Technik und Wirtschaft. Immer wichtiger werden so Vorsicht bei Entscheidungen, Bescheidenheit und analytisches sowie rationales Denken. Gerade Generalisten sind eher in KMU gefragt.

Sozialpsychologie: Sie beschäftigt sich mit den sozialen Ursachen von und den Einflüssen auf unser Verhalten. Welche Auswirkungen haben unsere Mitmenschen auf unser individuelles Verhalten? Wie hängt z. B. menschliches Verhalten von Geschlechtsrollen, Konformismus und Gruppenzwang ab? Normalerweise liegt heute ein biopsychosoziales Modell zugrunde: die Rolle des Körpers (Gehirn), die Rolle des Geistes (Gedanken, Gefühle, Wünsche, Überzeugungen), die Rolle des sozialen Umfelds (andere Menschen, materielle Umwelt).

Zentrale Konzepte der Sozialpsychologie: Wahrnehmung, Personenbeurteilung, Sympathie (interpersonale Attraktion), soziale Macht, Status und Schicht, Normengenese und Konformität, Führung, Rolle (Rollendruck), Aggression, Sozialisation (soziales Lernen, kognitive Kontrolle, das Selbst), Prozess der sozialen Beeinflussung (Stereotyp, Vorurteil), Kommunikation.

Motivation: Sie kann extrinsisch sein (finanzielle Vergütung, soziale Leistungen, soziale Kontakte, Macht, Status) oder intrinsisch (Sinn, Eigenständigkeit, Kompetenz). Äußere Faktoren können die Motivation beeinflussen (Kultur, Unternehmenskultur, Karriereentwicklung, Organisation). Die Motivation kann hoch oder niedrig sein (Demotivation). Normalerweise ist die Motivation in KMU höher als in anderen Unternehmen.

Bedürfnisse: Sicherheit, Zugehörigkeit, Selbstverwirklichung, Transzendenz. Im Unternehmen muss allen vier Bedürfnissen Rechnung getragen werden. Wenn dies geschieht, spricht man von Life-Blending.

Wahrnehmung in zwei Systemen: Das menschliche Intellekt ("mind") funktioniert in zwei Teilen. System 1 arbeitet automatisch und schnell. System 2 geht mit subjektivem Erleben einher und setzt anstrengende mentale Aktivitäten in Gang. Vgl. Daniel Kahneman: Schnelles Denken, Langsames Denken, München 2012, S. 33.

Selbstwahrnehmung (Self-Awareness): Das Innere von uns und wie es empfinden. Oft sind wir in eigenen Erfahrungen gefangen. Wir müssen Reize erkennen, um nicht nur zu reagieren.

Zwei Selbste: Diese können in Konflikt treten. Das eine ist das erinnernde Selbst, das Buch führt und die Entscheidungen trifft. Das andere ist das erlebende Selbst, das die Erfahrungen macht. Vgl. Ebenda, S. 505ff.

Kreative Stellenbezeichnungen durch die Mitarbeiter selbst: Wenn Mitarbeiter selbst entscheiden dürfen, gehen sie motivierter zur Arbeit. Dies könnte sogar ein Mittel gegen Burn-out sein. Vgl. Laszlo Bock: Work rules!, Vahlen, München 2016. Auch: Knochensucher und Keimschlachter, in: Harvard Business Manager, Juni 2016, s. 10ff.

Karriere: Unterschätzt wird immer die Rolle von Glück und Zufall. Ansonsten hängen die Kriterien von der Art der Organisation ab. Individuell kann zwischen Qualifikation (Noten) und Persönlichkeitsmerkmalen unterschieden werden (Schönheit, Körpergröße). Mittlerweile glauben auch viele Menschen, dass Opportunismus und Rücksichtslosigkeit wichtig für den beruflichen Aufstieg sind.

Machtspiele: Sie werden auch Intrigen genannt. Sie können überall im Job lauern oder eine Rolle spielen. Sie können auch ein Mittel sein, die eigene Macht auszudehnen. Vor allem Männern wird das Machtmotiv unterstellt. Hier könnte eine der Ursachen vor die Vormacht der Männer in Führungspositionen liegen. Machtspiele sind eng mit Misstrauen verbunden.

Teamzugehörigkeit und Leistung: Forscher haben untersucht, worin sich die engagiertesten Beschäftigten von anderen unterscheiden. Der bei weitem wichtigste Faktor war die Zugehörigkeit zu einem Team. Allein: In der modernen Arbeitswelt formen sich Teams andauernd neu. Sie sind abteilungsübergreifend, projektbezogen und lösen sich schnell wieder auf. Unternehmen müssen neue Technologien nutzen, um die wahren Teams in ihrer Organisation sichtbar zu machen. Dann müssen sie die Teamleiter darin schulen, wie sie eine Vertrauensbasis schaffen, Mitarbeitern Aufmerksamkeit schenken, gemeinsames Lernen fördern, das Teamerlebnis in den Mittelpunkt stellen und neue Arbeitsformen unterstützen können. Vgl. Buckingham, M./ Goodall, A.: Die Stärke unsichtbarer Teams, in: HBM, Januar 2020, S. 20ff.

Nerven im Wettbewerb: In Wettbewerben können Männer schlechter mit Druck umgehen als Frauen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Verhaltensökonomen Alex Krumer aus St. Gallen (vgl. HBM, Februar 2018, S. 16ff.). Die Leistungen der Männer brachen in kritischen Phasen stärker ein als die der Frauen.

Etikette: Erleben eine Renaissance. Sie betreffen Kleidung und Verhalten. Umstritten ist die Frage der sinnvollen Anrede "Sie" oder "Du". Einige Länder schreiben hier Lässigkeit vor. So z. B. Ikea oder H&M in Schweden. Formal beim Sie bleibt man eher in Frankreich. Locker geht es in Italien und Holland zu. Auch die Familie Schwarz bei Lidl hat zum Vornamen geraten. In der Gründerszene ist das Du üblich. 88 Prozent der Deutschen befürworte das Du unter gleichrangigen Kollegen.

Talent: Allein mit Übung und Fleiß lässt sich Erfolg nicht erzielen. Angeborenes Talent ist wichtig.

Hybris und Nemesis: Hochmut und Egoismus sind die schlimmsten Laster im Charakter eines Unternehmers. Sehr anschaulich beschreibt dies James C Collins in seinem Buch "How the Mighty Fall: And Why Companies Never Give in", 2009.

Soft Skills: Mitgefühl (Empathie), Interkulturelle Kompetenz, Blick in den Spiegel (eigene Grenzen), Professionalität, Respekt.

Feedback (kontruktiv): Zuspruch; Mehrwert für Alle; Lobe, wem Lob gebührt. Mittlerweile gibt Feedback-Weiterbildungsveranstaltungen.

Grundlegende menschliche Emotionen: Dazu gehören Angst, Trauer und Verbitterung. Mit diesen Emotionen muss auch der Unternehmer und Beschäftigte umgehen können. Gegenstrategien beruhen auf Weisheit und Lebenserfahrung. "Um einen Clown zu verstehen, muss man ein guter Mensch sein", Charlie Rivel, berühmter spanischer Clown. Gilt auch für den Umgang mit den Horror-Clowns, die 2016 als Mode aus den USA bei uns ihr Unwesen treiben.

Emotionale Intelligenz: Emotionale Intelligenz hat fünf Komponenten: Selbsterkenntnis, Selbstbeherrschung, Motivation, Empathie und Soziale Fähigkeiten. Vgl. James Coleman, Emotionale Intelligenz, 1995. "Emotionale Intelligenz hat mit Moral nichts zu tun. Sie ist eine kühle Disziplin", Wolf Lotter, Zündstoff, in: Brandeins, 11/16, S. 42.

Intelligenz: Mit Intelligenz wird heute vieles erklärt. Es gibt eine Inflation des Begriffes. Dabei ist eine Grunderkenntnis der Psychologie, dass Intelligenz immer das ist, was ein Test jeweils misst. In der Schule sollen alle Kinder hochintelligent sein. Das drückt sich dann auch in einer Inflation guter Noten aus, die aber auf ein Zurückfahren der Anforderungen beruht. Noch schlimmer ist der Missbrauch des Begriffes in der Internetökonomie: Man spricht von Scharmintelligenz. Das meint eigentlich, dass viele Menschen zusammen besser denken können. Andererseits weiß die Massenpsychologie, dass die Masse Mensch eigentlich dumm ist. Auch der Begriff Künstliche Intelligenz ist arg missverständlich: Denn in Wirklichkeit werden programmierte Rechenschritte ausgeführt. Das heißt, es wird nur das getan, was vorher von Menschen programmiert wurde oder wenn die Maschine diesen Algorithmus selbstständig weiterentwickelt. Der Verfasser plädiert insofern nur dafür, entsprechende Begriffe klarer zu definieren.

Intuition ("Bauchgefühl"): Die Entscheidungen im Unternehmen und im Leben insgesamt folgen oft nicht der Vernunft, sondern einfach einem Bauchgefühl (im Bauch ist ein zutiefst persönlicher Wissensschatz gespeichert). Und je mehr wir entscheiden und je komplexer die Rahmenbedingungen sind, umso so wichtiger wird es, darauf zu hören. Folglich wird die Intuition immer wichtiger, auch in KMU. Sogar Wissenschaftler raten mittlerweile zum Bauchgefühl. Aber was heißt das? Innere Weisheit, innerliche Klarheit, innere Stimme, Gespür für das Wesentliche, was ist im Herzen wichtig? Was ist, wenn es schweigt?  Auf jeden Fall mehr im Moment leben. Vgl. Daniel Kahnemann: Schnelles Denken, langsames Handeln. Jan Becker: Das Geheimnis der Intuition. Ist wohl durch Computer nicht zu ersetzen. Dabei können allerdings auch typische Fehler auftreten (Verfügbarkeit, Verstehen, Ankereffekte). Das Gefühl ist zum großen Teil ein Erfahrungswert. In allen menschlichen Entscheidungen können Fehler auftreten. Deshalb könnte das Gefühl zukünftig in Teilen durch Big Data ersetzt werden. "Der Rationalist ist einfach ein Mensch, dem mehr daran liegt, zu lernen als recht zu behalten", Karl Popper. "Intuition und Vernunft sind keine Gegensätze. Sie ergänzen einander ideal", Wolf Lotter, in: brandeins 11/16, S. 36. "Folge nicht den Ideen anderer, sondern lerne auf deine innere Stimme zu hören. Dein Körper und Geist werden klarer, und du wirst die Einheit der Dinge realisieren", Dogen Zenji.

Emotion: Emotional Economics: Dynamische, zeitabhängige Prozesse bei den Auswirkungen von Arbeitsbelastung. Insbesondere Folgen von psychischem Stress. Auch Zusammenhänge zwischen Emotionen und ökonomischem Verhalten, insbesondere auch im finanziellen Bereich. Vgl. www.emotional.economics.uni-mainz.de  . Auch Vertreterin an der Uni Heidelberg gibt es eine Forschungsgruppe, die dieser Richtung zuzuordnen ist (Prof. Dr. Christiane Schwieren). Im Mittelpunkt stehen hier die ökonomischen Entscheidungen unter Stress. Zusammenfassend kann man zu bisherigen Ergebnissen sagen (bis 2017): Höhere Risikoneigung unter Stress. Mehr Cortisol. "Reflection Bias". Emotion ist auch sehr wichtig bei Gründungsprozessen. Vgl. z. B. www.patricknini.com.

Managementrollen nach Mintzberg: Informationsfunktion, Interpersonelle Funktion, Entscheidungsfunktion. Vgl. Henry Mintzberg, The Nature of Managerial Work, 1973.

Risikobereitschaft: Je moderner Gesellschaften sind, desto mehr Risiken werden produziert. Wachstum, internationaler Handel, Mobilität und Vernetzung schaffen Vorteile und bergen große Risiken. Das Bewusstsein zum Risiko und die Bereitschaft zur Übernahme von Risiko ist kulturell sehr unterschiedlich. Es gibt zusätzlich eine hohe Korrelation mit der Unsicherheitsabsorption, die ebenso stark von der Kultur beeinflusst wird. Als unabhängige Variable beeinflusst die Risikobereitschaft stark die Gründungstätigkeit und die Bereitschaft zur Selbstständigkeit. "In einer Welt ohne Risiko will niemand leben, wir könnten den Planeten gar nicht ernähren", lloyd Blankfein 2016, Chef von Goldman Sachs.

Optimismus: Eine der wichtigsten Eigenschaften für Unternehmer. Optimismus ist auch abhängig von der jeweiligen Epoche. Am zuversichtlichsten waren die Deutschen zwischen 1958 und 1964 (Quelle: Soziologe Heinz Bude). Optimismus sollte aber nicht entgrenzt auftreten: dann sind Gier oder Größenwahn möglich.

Erfolgreiche Zielsetzung: Sie soll vor allem Ansporn sein. Zusätzlich sollte sie realistisch sein. Sie sollte auf Schmerz und Verstand basieren. Vgl. www.ansporner.de .

Anreiz zur Komplettierung: Menschen lieben es, etwas zu komplettieren. Sie haben eine Freude an Vollständigkeit. Dafür nehmen sie sogar Risiken in Kauf. Vgl. Kate Barasz et al.: Pseudo-Set Framing, Journal of Experimental Psychology, General, 2017.

Agilität: Psychologisch ist Agilität keine Methode oder Einzelmaßnahme, sondern eine generelle Haltung. Im Vordergrund steht aber die Integration in selbst organisierte Teams. Die Agilität muss passen, auf Vorhandenes aufsetzen und sie braucht Reife.

Flexibilität: Berufliche Flexibilität betrifft die inhaltliche und niveaubedingte Fähigkeit sich anzupassen. Entweder stimmen Ausbildungsrichtung und Inhalt der Tätigkeit nicht überein oder Ausbildungsniveau und Tätigkeitsniveau. Auch beides kann nicht übereinstimmen. Liegt das Ausbildungsniveau erheblich über dem Tätigkeitsniveau, kann dies zu Stress führen. Man kann Flexibilität auch als psychische Fähigkeit sehen.  "Flexibilität gibt uns die Möglichkeit, zu lernen und uns zu erkennen, dass alle Situationen, die wir erleben, uns etwas lehren - falls wir bereit und fähig sind, zu lernen. Auf diese Weise werden wir uns nicht, wenn wir Problemen begegnen von unserer Angst aufhalten lassen, sondern in der Lage sein, das Positive in Allem wahrzunehmen", Dadi Janki, 365 Days of Wisdom.

Design Thinking: Als goldene Regeln gelten: flexible Räumlichkeiten schaffen, gemischte Teams bilden, Problem definieren, nicht auf Zahlen fixieren, im Chaos versinken, Regeln nicht zu starr festlegen. Die Methode ist derzeit die wichtigste Innovationsmethode. Sie bietet einen strukturierten Prozess. Innovatoren können sich von kontraproduktiven und innovationsfeindlichen Tendenzen freimachen. Es handelt sich um eine soziale Technologie, die praktische Tools mit menschlichen Eigenschaften verbindet.

Kreativität: Kreativität ist eine wertvolle und erstrebenswerte Fähigkeit ist ein Übermaß vorhanden, kann sich eine negative Seite zeigen: Paranoia). Mit richtigem Führungsstil und passender Arbeitsumgebung kann Kreativität gefördert werden. Kreativität ist eine wichtige Führungsqualität. Bestimmte Methoden führen zu mehr Kreativität: Brainstorming, Mind Map, Methode 653, Sechs-Hüte-Methode, Umkehrmethode u. a. Besonders förderlich ist Bewegung. In Experimenten in den USA haben sich Spaziergänge als besonders förderlich erwiesen. Abstraktes Denken und körperliche Aktion sind eng miteinander verzahnt. Kreativität und Erfindergeist sind eine wichtige Grundlage für Innovation, das Alles im Unternehmen durchdringen muss (Alle, immer und überall). Der Computer wird dem Menschen immer ähnlicher. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Computer den Menschen auch in der Kreativität teilweise ersetzen kann.  "Wer neue Ideen einbringt, verlässt immer den Boden der Solidarität", Max von der Grün, 1926-2005, deutscher Schriftsteller. "Der einzig wahre Realist ist der Visionär", Frederico Fellini, italienischer Regisseur. "Kreativität ist kein Beruf, sie ist eine psychische Krankheit", Philippe Starck, französischer Designer. "Creativity ist Intelligence having Fun", Albert Einstein (1879-1955).

Zaudern: Prozess des Zögerns, an dessen Beginn eine Frage steht und am Ende ein Ja oder Nein. Es bewahrt uns vor unwiderruflichen Urteilen und endgültigen Lösungen. Die Haltung wird oft mit willenschwach und antriebslos verwechselt.

Konservativer Impuls: Waldmann spricht von einer "quasianthropologischen Grunddisposition". Menschen hängen aus Angst vor Verlusten am Altbewährten. Es ist eine intuitive Verankerung des Denkens, Fühlens und Handelns in traditionellen Mustern. Das muss nicht nachteilig sein. Nach Waldmann ist der konservative Impuls ambivalent. Vgl. Peter Waldmann: Der konservative Impuls. Wandel als Verlusterfahrung, Hamburg 2017.

Hirnforschung in der Ökonomie (Neuroökonomie; Verhaltensökonomie): Sie verbindet psychologische, medizinische und ökonomische Erkenntnisse. Es geht um "Production of people and personalities" (Ernst Fehr, Uni Zürich). Im ökonomischen Leben eine wichtige Rolle spielen spielen Gefühle wie Angst und soziale Normen wie Fairness eine wichtige Rolle. Um sich diesen Phänomenen zu nähern, arbeitet man mit Gehirnscannern. Es gibt einen ausgeprägten Hang, so genannte Trittbrettfahrer zu bestrafen. Grundfragen sind die folgenden: Wie werden wir zu der Persönlichkeit, die wir sind? Warum ist jemand kooperativ und ein anderer egoistisch? Woher kommen unsere Präferenzen? "Wir können ethischen Verhalten ändern und haben die Möglichkeiten dafür noch längst nicht ausgeschöpft", Ernst Fehr, Uni Zürich. Auch: "In der Modellwelt der Ökonomie wird viel weggelassen, was im Leben eine wichtige Rolle spielt". (Zitiert nach: Torsten Riecke: Mit warmem Herzen und kühlem Kopf, in: Handelsblatt, Nr. 35, 19. 02.2015, S. 12,13).

Neurofeedback: Man könnte es als Tuning fürs Gehirn (mehr Leistungsfähigkeit und mehr Aufmerksamkeit) sehen. Einmal kann dies durch leistungssteigernde Pillen erreicht werden. Zum anderen werden Entspannungstechniken eingesetzt. Je entspannter, desto besser arbeitet das Gehirn. Das Gehirn soll in einer optimalen Frequenz arbeiten.

Querdenken: Auch mal gegen den Strom und Konventionen denken. Hängt eng mit Meinungsfreiheit zusammen. Befindet sich in Deutschland kulturell auf dem Rückzug. "Querdenken gilt in Deutschland so lange als gut, bis es wirklich praktiziert wird", Christian Scholz, Personalforscher, Uni Saarbrücken.

Bedeutung der Familie: Menschen lernen, auf die Mitglieder der Familie zu reagieren. Diese Reaktionen verfestigen sich zu einer Rolle. diese Rolle kann das authentische Selbst überdecken und bis ins Erwachsenenalter fortwirken. Die Familie ist insofern die "Fabrik", in der Menschen gemacht werden. Wichtig ist diese Erkenntnis für das Verstehen von Familienunternehmen und ihre Geschichte. Virginia Satir (1916-1988, USA) hat dazu ein familientherapeutisches Ausbildungsprogramm entwickelt (Satir-Modell). Vgl. Collin C. u. a.: Das Psychologiebuch, München 2012, S. 146f.

Familienorientierung in verschiedenen Kulturen (Verbindung von Privatem und Geschäftlichem): Die islamische Religion beeinflusst stark das Geschäftsleben. Es gelten die fünf Säulen das Islam: Glaubensbekenntnis (Schahada), Gebet (Salat), Almosensteuer (Zakat), Fastenmonat Ramadan und Pilgerfahrt nach Mekka (Haddsch). Familiäre Strukturen und traditionelle Werte prägen auch das Business.  Gastfreundschaft, indirekte Kommunikation, Gastgeschenke und Netzwerke sind darüber hinaus besonders wichtig. Danwei (Einheit von Familie und Arbeitseinheit usw.) übt einen starken Einfluss in China aus. Z. B. bringen die Kredite der Auslandschinesen an Angehörige im Land die Wirtschaft immer wieder in Schwung. Auch sind viele Privatunternehmer auf die Hilfe ihrer Familie und Freunde angewiesen, da sie bei staatlichen Banken nur schwierig Kredite bekommen. Die Danwei - Philosophie führt dazu, dass der Wert des Einzelnen als begrenzt angesehen und das Individuum nur in seiner Funktion als Teil eines sozialen Verbandes wertvoll betrachtet wird.

Netzwerke (Vitamin B, Beziehungen, Guanxi, Fakelaki): In jeder Kultur spielen informelle Netzwerke im Geschäftsleben eine große Rolle. In Kulturen mit einem hohen Anteil an indirekter Kommunikation nehmen diese Netzwerke einen großen Raum ein. Sie zeigen sich vor allem in der Ess- und Trinkkultur. Geht nichts mehr ohne Einsatz dieser Mittel, spricht man von Korruption. Die NGO Transparency International stellt jährlich einen Korruptionsindex auf. In der EU nimmt Griechenland einen unrühmlichen Spitzenplatz ein. Ob Fahrprüfung oder Baugenehmigung, ohne Bestechungsgeld läuft fast gar nichts. "Beziehungen schaden nur dem, der sie nicht hat", Otto Bettermann, Menden, Unternehmer, "Hidden Champion".

Netzwerken: Kontaktpflege und Aufbau eines beruflichen Beziehungsnetzes. Folgende Empfehlungen könnten nützlich sein: 1. Auf das Lernen konzentrieren. 2. Gemeinsame Interessen finden. 3. Gründlich überlegen, was sie zu bieten haben. 4. Nach einem höheren ziel suchen. Vgl. Casciaro, T./ Gino, F./ Kouchaki, M: So lernen sie Netzwerken, in: Harvard Business Manager Oktober 2016, S. 92ff.

Geschlechter-Unterschiede in der Wirtschaft: Eine Studie des Briq - Instituts für Verhalten und Ungleichheit in Bonn (Armin Falk) 2018 hat 80.000 Menschen in 76 Ländern befragt. Es gibt deutliche Unterschiede hinsichtlich Geduld, Risikofreude, Altruismus, Vertrauen, Belohnen und Kooperation. Diese Unterschiede haben auch Konsequenzen im Wirtschaftsleben. Männer sind geduldiger bei Investitionen, sie sind risikofreudiger, sie bestrafen eher unkooperatives Verhalten. Frauen schenken anderen schneller Vertrauen, helfen öfter aus altruistischen Gründen. Vgl. Uwe Jan Heuser: Keine Angst! in: Die Zeit, Nr. 44, 25. Oktober 2018, S. 23.

Psychologische Gerechtigkeit: Menschen brauchen die Überzeugung, in einer gerechten Welt zu leben. Deshalb glauben wir, dass Menschen bekommen, was sie verdienen (und verdienen, was sie bekommen). Wichtige Erkenntnisse gehen auf Melvin Lerner (geb. 1929) zurück. Der Ansatz folgt der psychologischen Attributions-Theorie. Dieser Ansatz ist wichtig für die Akzeptanz von Unternehmenserfolg und wirtschaftlicher Macht.

Psychological Safety: Der Begriff von von der Harvard-Professorin Amy Edmondson eingeführt. Er bezeichnet das subjektive Gefühl, innerhalb einer Gruppe gut aufgehoben zu sein. Man kann Ideen einbringen ohne Zurückweisung und frei seine Meinung äußern.

Leistung: Sie lässt sich auf drei Hauptbedürfnisse zurückführen (David McClelland, 1917-1998). Erstens auf das Bedürfnis, sich stetig zu verbessern und auszuzeichnen. Zweitens auf das Bedürfnis, andere zu beeinflussen. Drittens auf das Bedürfnis, freundschaftliche Beziehungen zu knüpfen und aufrechtzuerhalten.

Sucht: Mehr Leistung um jeden Preis lässt sich oft nur mit Drogen und Rauschgift erreichen. Man spricht auch von Hirndoping (z.B. Koks, Amphetamine). Die Delikte beim Bundeskriminalamt sind zwischen 2009 und 2013 sehr stark angestiegen.

Neue Erwartungstheorie (Daniel Kahneman, geb. 1934): Wir neigen dazu, die Häufigkeit relativ unwahrscheinlicher Ereignisse zu überschätzen und die Häufigkeit von Ereignissen mit höherer Wahrscheinlichkeit zu unterschätzen. Wir such dabei ständig nach Kausalverknüpfungen. mit diesem Gebiet, das der Verhaltensökonomie zugerechnet wird, können Entscheidungspräferenzen in risikobehafteten Situationen erklärt werden. Es spielt auch eine große Rolle beim Erklären von Unternehmerverhalten in KMU.

Dankbarkeit: Grundlegende Forschungen stammen von Robert Emmons. Dankbare Menschen sind glücklicher, hilfsbereiter und einfühlsamer. Sie sind insgesamt auch erfolgreicher. Dankbarkeit kann man trainieren und regelmäßig üben. Eine dankbare Lebenseinstellung ist Grundlage jeder Veränderung. Mittlerweile gibt es auch Dankbarkeits-Coaching. Dankbarkeit kann helfen gegen Stress, Schlafstörungen und Depressionen. Psychologen empfehlen, täglich fünf Dinge zu notieren, die man als Geschenk empfindet.

Lob: Feedback für die geleistete Arbeit. Es kann Menschen stark motivieren. Es sollte aus echter Überzeugung verteilt werden. "Wer seine Arbeit nur noch als Instrument sieht, um an eine Belohnung zu gelangen, erledigt sie so simpel wie möglich", Edward Deci, US-Sozialpsychologe.

Freundlichkeit: Freundlichkeit kann ökonomisch auf Märkten nützen. Immaterielle Anreize wie Lob und Anerkennung werden in der Gesellschaft eher unterschätzt, finanzielle Anreize überschätzt. Derartige nicht finanzielle Anreize haben auch einen starken Einfluss auf Konsumentscheidungen (M. Kirchner, Uni Innsbruck, Experimental Economics). Motto: "Wer nett ist, bekommt mehr Eis".

Vertrauen: In der Psychologie ein aufeinander verlassen können. Dadurch kann erheblich Teamarbeit und Produktivität gefördert werden. Auch die Krankheitstage sinken. Vgl. Paul J Zak: Wie Vertrauen die Leistung steigert, in: Harvard Business Manager, Mai/2017, S. 72ff.

Ehrlichkeit: Wer in einem Wettbewerb siegt, handelt danach eher unehrlich als Verlierer. Der Sieg löse ein Gefühl der Überlegenheit und Anspruchsdenken aus, das wiederum ein Übertreten von Regeln leichter mache (Experimente an der Hebräischen Universität Jerusalem).

Anstand: Das moralisch-ethische Verhalten jedes Einzelnen. Grundgedanke ist, dass Menschen nur im zusammenleben existieren können. Manche ziehen sich in die Sicherheit der eigenen sozialen Schicht zurück. Andere verlieren sich in der Arbeit an der eigenen "Performance". Viele Menschen arbeiten zu sehr am Ego und zu selten am Wir. Vgl. Axel Hacke: Über den anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen, 2017 (Kunstmann-Verlag). Vgl. auch: Ders.: Anstand, in: die Zeit, Nr. 35, 24. August 2017, S. 51ff.

Ethisches Verhalten in der Psychologie: Wer wird sich eher unethisch verhalten - eine Einzelperson, zwei Freunde oder zwei Menschen, die einander fremd sind? Zwei Fremde ohne soziale Bindung brechen am ehesten die Regeln. Quelle: Hristina Nikolova et al.: Stranger Danger: When and Why Consumer Dyads Behave Less Ethically Than Individuals, Journal of Consumer Research, Juni 2018.

Altruismus: Etwas zu geben oder zu helfen, ohne etwas dafür zu erwarten widerspricht eigentlich der Biologie und ihrem Kampf ums Überleben. Trotzdem verhalten sich Ratten oder Affen auch selbstlos, wie viele Menschen. Das Christentum spricht von Barmherzigkeit. Sie scheint sie aber nicht erfunden zu haben, sondern die Evolution. Altruismus kann zusätzlich von sozialen Erwartungen abhängen. Man kann Altruismus auch trainieren. Weltweit scheit Altruismus zuzunehmen.

Wandel im Unternehmen: Nach Kurt Lewin (1890-1947, Feldtheorie) versteht man ein System erst dann, wenn man versucht, es zu verändern. Deshalb liefert ein Veränderungsprozess wichtige Informationen über ein System.

Gerüchte: Sie entstehen durch einfache Situationsdeutungen in einem kommunikativen Vakuum. Sie sind nie ganz zu verhindern, allenfalls kann man sie eindämmen. Sie sind auch Ausdruck kollektiver Selbsthilfe, wenn ein Mangel an Informationen besteht oder wenn Normen und Werte verletzt werden. Eine Gruppe von Menschen kann sich dann in einer als unsicher empfundenen Situation wieder stark fühlen. Dieses Wir-Gefühl entsteht auf Kosten anderer.

Stress: Der Begriff kommt vom österreichisch-kanadischen Mediziner Hans Selye (später gestand er, dass "Strain" besser gewesen wäre).  Zunächst stieß er auf Unverständnis. Er entdeckte auch das Adrenalin und die Hormonklasse der Corticoide. Er unterschied schon 3 Phasen der Stressreaktion: Alarmreaktion, Widerstandsstadium, Erschöpfungsphase. Heute herrschen drei Modell zur Erfassung von Stress am Arbeitsplatz vor: Das "Job Demands-Control"-Stressmodell, das "Job-Demands-Resources"-Stressmodell und das "Effort-Reward"-Stressmodell; vgl. Bauer, Joachim:  Arbeit, München 2013, S. 83ff. Führt Stress zur massiven Bedrohung der psychischen Gesundheit spricht man von Burn-out. Herausragende Forscher auf diesem Gebiet sind Kurt Lewin, Herbert Freudenberger und Christina Maslach. Immer mehr Konzerne schulen inzwischen Manager, dass sie Gespür für psychische Probleme der Mitarbeiter zeigen. In jüngster Zeit wird der Stress nicht mehr so sehr als Krankmacher verteufelt, sondern eher als Lebensretter gesehen. Stress hält die Evolution auf Touren. Eine Studie an der UCLA (Laura Klein) zeigt, dass Frauen und Männer unter Stress unterschiedlich reagieren, weil unterschiedliche Hormone freigesetzt werde. Bei Männern Testosteron, das aggressiver und aktiver macht. Bei Frauen Oxytocin, das das  soziale Verhalten steigert und sich positiv auf das allgemeine Wohlbefinden auswirkt (Argument für eine weiblichere Welt). Vorsichtig sollte man sein, persönlichen Stressbekundungen zu glauben. Stress ist in vielen Berufen ein Status-Symbol. Geschäftigkeit gilt als Auszeichnung. Stress kann Erinnerungen, Lernen und den Tastsinn beeinflussen. Verantwortlich ist das Stresshormon Cortisol, das die Wahrnehmung beeinflusst. Stress fördert das Mitgefühl und Einfühlungsvermögen (Forscher der Uni Wien).  Im Auftrag der Technikerkrankenkasse macht 2013 das Meinungsforschungsinstitut Forsa eine Umfrage zu Stress in Deutschland ("Bleib locker Deutschland"). Immer mehr Menschen kommen an die Belastungsgrenze. Im Süden Deutschland gibt es mehr Stress. Der Job ist der größte Stresstreiber. Psychische Leiden der Beschäftigten lassen den Krankenstand in den Betrieben seit Jahren steigen (Leistungsdruck und schlechter Führungsstil der Vorgesetzten). "Ohne Leid ändert sich nichts, schon gar nicht die menschliche Natur", C G. Jung. "Beim Burn-Out warst du damals nicht so gut drauf", Sepp Maier, Torwartlegende. Ein europäisches Forscherteam kommt 2014 mit Experimenten zu folgendem Ergebnis: Stehen Männer unter Stress, denken sie zuerst an sich selbst. Bei Frauen ist genau das Gegenteil. 2012 lag die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage, die auf psychische Probleme und Verhaltensstörungen zurückgehen, bei rund 61,5 Mio. (mehr als jeder sechste Krankheitstag: Bundesarbeitsministerium). 2015 nehmen die Diagnosen von Burn-out und Depression dramatisch zu: Jede siebte Krankschreibung in Deutschland hat seelische Ursachen. Auch 2017 ist Arbeit noch der Hauptstressfaktor. 30- bis 39-Jährige leiden besonders. Vgl. Fischer/ Schorn: Die gestresste Gesellschaft, in: Handelsblatt, Nr. 113, 14.06.17, S. 24, 25.  "Spannst du eine Saite zu stark, wird sie reißen. Spannst du sie zu schwach, kannst du nicht auf ihr spielen", Gautama Buddha.

Burn-out: Überforderung und psychischer Zusammenbruch durch die Arbeit. Besonders Gebertypen sind anfällig dafür (Hilfsbereitschaft ist aber eine Management-Tugend). Selbstlosigkeit kann zu dauernder Erschöpfung führen. Deshalb sollte man mehr tun, was einen selbst interessiert, die Belastung möglichst breit verteilen, auf eigene Bedürfnisse achten, Widerstand maximieren und Nehmer auf Abstand halten. Vgl. Harvard Business Manager, Mai 2017, S. 22ff.

Resilienz: Entspricht am ehesten dem deutschen Begriff "Widerstandsfähigkeit" (auch "Elastizitätsfähigkeit"). Es ist die Fähigkeit, auf Krisensituationen besonders gut zu reagieren. Aus der Psychologie wurde der Begriff auch in die Ökonomie übernommen. Die Resilienz wird auch beeinflusst von der Kultur und von der Unternehmensgröße. Bezogen auf KMU spricht man von System - Resilienz. Diese kann besonders wichtig sein bei extremen Krisensituationen. Allgemein gilt die Hypothese, dass die Resilienz bei KMU höher als bei Großunternehmen ist. Individuell besteht eine hohe Korrelation zur Arbeitszufriedenheit (und die wiederum beeinflusst die Produktivität stark).

Futability: Bewältigung von Veränderungen und Transformation. Vgl. Melanie Vogel: Futability, 2016. Unsere Welt ist VUCA geworden: volatil, ungewiss, komplex und mehrdeutig. Es geht darum, mit Veränderungen umzugehen. "Lernen bedeutet nicht nur das Aneignen neuen Wissens und neuer Kompetenzen, sondern auch das bewusste Ver-Lernen von veralteten Informationen, die in einer veränderten Umwelt zum mentalen Ballast werden". Vgl. auch www.futability.com .

Zeitmanagement: Wird immer wichtiger. Gilt für Arbeitnehmer, Elternteil, Verbraucher oder Partner. Grund ist der immer komplexer werdende Alltag. Techniken, die Überforderung verhindern, werden immer wichtiger. Dazu gehören: Technik abschalten, Nein sagen, Aufgaben eliminieren, Leistungen auslagern. "Laufe nicht der Vergangenheit nach, verliere dich nicht in der Zukunft. Die Vergangenheit ist nicht mehr. Die Zukunft ist noch nicht gekommen. Das Leben ist hier und jetzt", Laotse.

Karma Business: Es gibt drei Glücksfaktoren: Wachstum, Kreation, Fürsorge. Karma Business besteht aus fünf Prinzipien: Das Prinzip "Freude", das Prinzip "Klarheit", das Prinzip "Mitgefühl", das Prinzip "Freigebigkeit", das Prinzip "Leerheit". Dazu gibt es drei Regeln: Regel Nr. 1, Geld erwirtschaften; Regel Nr. 2, Freude am Geld; Regel Nr. 3, Bedeutsamkeit. Zum Set-up gehören idealer Businesspartner, Transparenz in der Positionierung, Integration von Archetyp und Lebensaufgabe, Herzenswärme und emotionale Intelligenz, Zehn Prozent, Gelassenheit in allen Situationen. Siehe Niedermeier, Katja: Karma Business, München 2017.

Achtsamkeit: Modethema in der Wirtschaft 2013 und 2014. Achtsamkeit soll vor Stress und Überforderung schützen. Es werden viele Kurse bei den und für die großen Unternehmen international eingerichtet ("Search inside yourself", Google). Es geht um Stressbewältigung und Meditation. Die Konzeption und der Grundgedanke stammen aus dem Buddhismus. Hier steht die "sehende" Achtsamkeit im Vordergrund.  In KMU kann Achtsamkeit in Prozessmanagement, Unternehmensführung und Personalwirtschaft einfließen. Achtsamkeit dürfte eine der wichtigsten Fähigkeiten in unserer schnellen Zeit sein. "Nicht außerhalb, nur in dir selbst soll man den Frieden suchen. Wer die innere Stille gefunden hat, der greift nach nichts, und verwirft auch nichts", Buddha.

Ruhig bleiben unter Druck in Extremsituationen: Es gibt verschiedene Trainingsmethoden dafür: Die Was - Wäre - Wenn - Methode, Meditation und Yoga, Gewohnheit, Erst denken, dann handeln.

Muße: Müßiggang, um Ruhe zu bewahren und sich von Stress zu erholen. Freie Zeit jenseits von Nützlichkeitsperspektiven. Freie Räume für verschiedene Möglichkeiten der Lebensgestaltung. Als Musterbeispiel gilt die Comic-Figur Snoopy, der Hund von Charly Brown. Vgl. Otium: Verein zur Förderung des Müßiggangs. www.otium-ev.de . Muße wird oft gleichgesetzt mit "Sich -Treiben - lassen", seliges Nichtstun oder erholsame Langeweile. Wichtig ist der Freiraum, der geschaffen wird und nach persönlichen Bedürfnissen genutzt wird (die Mitte finden, Auszeiten nutzen, Zeit für Wesentliches finden). 

Neugier: Wer neugierig ist, lernt schneller und ist kreativer. Wer nicht fragt, bleibt eher dumm. Viele zufällige Entdeckungen werden durch Neugier gemacht. "Es ist wichtig, dass der Kopf sich ständig weitet. Wenn wir nicht mehr neugierig sind, dann bleiben wir stehen", Jörg Mittelsten Scheid, als Digitalisierungsmacher 2017 für sein Lebenswerk geehrt, mit 81 Jahren.

Überheblichkeit: Todsünde im Management. Man sollte bescheiden bleiben und immer offen für einen besseren Vorschlag. Vgl. Bill Taylor: How Great Organizations Do Ordinary Things in Extraordinary Ways, Penguin 2016. Taylor ist Mitbegründer der "Fast Company"

Demut (lateinisch: humilitas - Mut zur Wahrheit): Ist auch lernbar. Man sollte sich bewusst in Situationen begeben, in denen man Schüler ist. Rollenwechsel kann sinnvoll sein. Eng damit zusammenhängend ist Mäßigung.

Humor: Gelegentliche Scherze können Besprechungen auflockern und Menschen zusammenschweißen. Man darf aber andere nicht nur bloßstellen, sondern auch über sich selbst lachen. Pointen müssen richtig gesetzt sein.

Widerspruch: Gegenteil von Schleimen. Schleimer können den Erfolg von Unternehmen gefährden. Widerspruch ist sehr produktiv. Er setzt Loyalität und Selbstbewusstsein voraus. "Widerspruch ist Pflicht", Bill Taylor.

Konzentration: Wichtig, um neu denken zu können. Wer zu viel Zeit mit Oberflächlichkeit verbringt, verringert diese Fähigkeit. Man braucht Mut zur Muße. Pausen machen produktiv. Multitasking ist eher Blödsinn. In eine rZeit chronischer Überbeschäftigung ist Konzentration enorm wichtig. Man unterscheidet in der Psychologie vier Phasen der Konzentration: 1. Fokussiert und produktiv. 2. Wanderung der Gedanken. 3. Hyperfokussierung möglich durch Konzentration auf einen Gegenstand. 4. Bündelung der Aufmerksamkeit, wenn Gedanken abschweifen. Vgl. auch Chris Bailey: Hyperfocus, Redline 2019.

Intuition (Bauchgefühl): Bauchentscheidungen können aus verfahrenen Situationen einen erlösenden Ausweg finden. Es ist ein Gespür dafür, wann und wie zu handeln ist (zur rechten Zeit das richtige tun). Dahinter steckt die Fähigkeit der Intuition.

Soziale Wahrnehmung: Die Wahrnehmung ist stark auf das soziale Umfeld gepolt und zwar unbewusst. Verarbeitungsprozesse laufen automatisch ab. Vor in bestimmten Kommunikationsprozessen (Treffen auf Angehörige anderer Kulturen) müssen Störungen (Vorurteile, Stereotype) aber bewusst vermieden werden.

Kreative Wahrnehmung: Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale sind wichtig für Kreativität. Unbewusst wird davon ausgegangen, dass Männer die besseren Ideen haben. Menschen assoziieren Kreativität mit so genannten agentischen maskulinen Eigenschaften. Also muss man sich besonders mit Vorurteilen in diesem Bereich befassen. Vgl. O. V., Kreative Wahrnehmung, in: Harvard Business Manager, Juni 2016, S. 16ff.

Verbitterung und Weisheit: Verbitterung ist eine grundlegende menschliche Emotion (so wie Angst und Trauer). Menschen reagieren verbittert, wenn sie sich ungerecht behandelt oder erniedrigt fühlen. Das gleiche gilt für Vertrauensmissbrauch oder Betrug durch den Ehepartner. Das Gefühl kann ständig das Denken beschäftigen und alle Lebensbereiche anstecken. Als beste Maßnahme dagegen kann Weisheit gesehen werden: Vor allem die darin enthaltene Fähigkeit, Perspektivwechsel (Humor, Selbstdistanz) vorzunehmen. Man versetzt sich so in die andere Seite hinein.

Verwundbarkeit: Es erfordert Mut, Schwäche zu zeigen. Trotzdem ist es besser als nur den starken Macher zu präsentieren. Heute weiß man auch, dass "harte Hunde" in Wirklichkeit eher schwach sind.  "Langfristig mit sich und der Welt im Reinen sein kann man nur, wenn man lernt, es kurzfristig überhaupt nicht zu sein", Brene Brown, US-Wissenschaftlerin. Vgl. Wirtschaftswoche 10/3.3.2017, S. 86ff.

Wert der Arbeit: Arbeit gibt dem Leben Sinn. Der Mensch zeigt, welche Talente in ihm stecken. Arbeit liefert Anerkennung. Wer mit Freude arbeitet, bringt etwas Gutes zustande. Die Würde eine Menschen hängt maßgeblich davon ab, ob er sich in seinem Beruf entfalten kann. Arbeitslose reagieren in der Regel mit Resignation. Nach der Entfremdungstheorie von Karl Marx müsste in KMU die Nähe zum Produkt immer gegeben sein, so dass der Wert der Arbeit für den Einzelnen hoch ist und die Entfremdung gering. "Solange man etwas tut, was einem Spaß macht, fühlt es sich nicht wie Arbeit an", Lena Heuermann, Google-Pressesprecherin.

Arbeitszufriedenheit: Am bekanntesten ist die Zweifaktorentheorie von Herzberg. Für die Hypothese liegen auch die meisten empirischen Studien aus der ganzen Welt vor. Herzberg unterteil in Arbeitszufriedenheit und Nicht-Arbeitsunzufriedenheit. Auf diese Ebenen wirken Motivatoren und Hygienefaktoren. Mensch Abraham und Tier Adam sind die Ausgangstypen. Die Grundhaltung "Zufriedenheit" wird teilweise vererbt. In KMU ist die Arbeitszufriedenheit höher als in Großunternehmen. Zu unterscheiden von der Arbeitszufriedenheit ist die Arbeitshingabe. Sie wird in der Regel zusammen mit der Arbeitsmotivation behandelt.

Innere Kündigung ("Dienst nach Vorschrift"):  Die Motivation für den Job ist zerstört worden bzw. verloren gegangen. Es gibt Umfragen , die hier 70% ermitteln. Das beste Mittel dagegen ist Kommunikation auf Augenhöhe (es gibt auch spezielle Coaching-Programme).  Es gibt auch Anreize, die dagegen eingesetzt werden: Finanzielle Anreize, persönliche Freiheit, Führungskultur.

Klarheit (kognitive Konsistenz): Menschen streben auch nach einer Übereinstimmung ihrer Gedanken und Gefühle. Die Psychologie nennt den Prozess "kognitive Konsistenz". Ambivalente Beziehungen sind nicht hilfreich. Vgl. Allan Lee et al.: Leader-Member Exchange (LMX) Ambivalence and Task Performance, in. Journal of Management, November 2017.

Stereotype und Vorurteile: Sie spielen interkulturell einen große Rolle und beeinträchtigen die Kommunikation. Personalwirtschaftlich trüben sie den Blick für Talente und Leistung.

Interaktionsgesetz von Homans: Wenn sich die Häufigkeit der Interaktion zwischen zwei und mehr Personen erhöht, so wird auch das Ausmaß ihrer Neigung füreinander zunehmen, und vice versa. Dies kann z. B. die höhere Arbeitszufriedenheit in KMU erklären. Die dort häufig vorhandene höhere Arbeitszufriedenheit (im Vergleich zu Großunternehmen) wirkt sich positiv auf den Unternehmenserfolg aus. Es ist jedoch schwierig, in empirischen Studien intervenierende Variablen wie z. B. die Qualität des Managements auszuschalten.

Psychische Krankheiten und KMU: Die häufigsten psychischen Krankheiten in Deutschland sind Angst- und Alkoholerkrankungen sowie Depression. In KMU ist die Arbeitszufriedenheit wesentlich höher als in großen Unternehmen. Dies und die höhere soziale Kontrolle lassen die Krankheiten seltener in KMU auftreten.

Konzentration und Durchhaltevermögen: Diese psychologischen Fähigkeiten werden immer wichtiger. Immer mehr Menschen sind abgelenkt (Phänomen des "wandernden Geistes": wie reagiert des Gehirn auf Ablenkung?). Dies ist auch eine Begleiterscheinung der modernen Internet- und Kommunikationstechniken. "Was zählt, sind Ausdauer und Widerstandsfähigkeit. Das Leben ist kein Sprint. Es ist ein Marathon. Was im Leben zählt, ist Dranbleiben", James Heckman, Wirtschaftsnobelpreisträger (s. Der Spiegel 11/ 2015, S. 110).

Aufmerksamkeitsdefizitstörungen: Die digitale Revolution bringt mehr Ablenkung mit sich. Im schlimmsten Falle drohen Realitätsflucht und Sucht. Die Störungen werden zunehmen. Menschliche Interaktionen und Bindungen verändern sich.

Lambda-Hypothese: Zusammenhang zwischen Aktivierungsniveau eines Individuums und dessen Leistungsfähigkeit. In abhängigkeit von der Aufgabenkomplexität existiert ein optimales Aktivierungsniveau.

Gerontologie und ältere Führungskräfte: Geron kommt vom griechischen Begriff "Greis". Die Wissenschaft erforscht das Altern und die Leistungsfähigkeit im Alter. Die Erkenntnisse werden immer wichtiger, weil die Menschen in Zukunft  länger arbeiten müssen. Im Marketing gerät die Generation 50plus immer mehr ins Blickfeld, weil sie stark wächst und über große Kaufkraft verfügt. Erfolgreiches Altern wird in der Psychologie stark mit Zufriedenheit verbunden. Es gibt zahlreiche Klassifizierungsversuche älterer Menschen.

Die Dimensionen des Alters: Es betrifft unterschiedliche Aspekte des Lebens. Es gibt ein chronologisches oder biographisches Alter. Ebenso kennt man ein Biologisches Alter (Alterung hinterlässt Spuren). Weiterhin ist ein Soziales Alter bekannt (Zugehörigkeit zu anderen Personen). Zuletzt spricht man von einem Psychologischen Alter (Veränderung kognitiver Funktionen, gefühltes Alter).

Alter und Leistungsfähigkeit: Zwei Faktoren bestimmen, wie produktiv ein Mensch ist. Die physische und kognitive Leistungsfähigkeit, die mit steigendem alter sinkt. Und das Erfahrungswissen, das mit steigendem Alter wächst. Wie sich der Saldo beider Größen entwickelt, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Wie lange jemand im job produktiv sein kann, hängt von den spezifischen Anforderungen des Jobs ab. die Robotisierung und der technische Fortschritt könnte in Segen für die Älteren sein. Besonders wichtig ist darüber hinaus die Motivation.

Erfahrung (unternehmerische): Dürfte eine große Rolle spielen. Ist noch relativ wenig erforscht. Vg. Metzger, G.: On the role of entrepreneurial experience for start-up financing: An empirical investigation for Germany, ZEW, Discission Paper 07-047/ 2007.

Kapitalismus als eine geschichtliche Formation: Er ist Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden und wird wieder verschwinden. "Der demokratische Kapitalismus ist in Gefahr, wenn die Staaten als Inkassoagenturen im Auftrag einer globalen Oligarchie von Investoren agieren", Wolfgang Streek, Direktor des Max Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln. Ebenso: "Möglich, dass der finanzielle Kraftakt, den wir derzeit beobachten, der letzte ist, zu dem das westliche Staatensystem in der Lage ist. Danach wäre der Kapitalismus sich selbst überlassen". Vgl. Simon Book: Ein Mann stellt sich gegen das Imperium, in: Handelsblatt, Dienstag 24.02,2015, S. 12/13.

Verhandlungsstrategien: Wichtig ist, dass ca. 65% der zwischenmenschlichen Kommunikation über nonverbale Signale läuft. Entsprechend wichtig ist die Körpersprache (Haltung, Gesten, Kopfbewegung, Gesichtsausdruck, Augenkontakt). Verhandlungen sollten vorbereitet werden, Grundregeln sollten beachtet werden, besonders die Lösung sollte man im Auge haben. In Verhandlungen  das Schlimmste ist Rechthaberei.

Pendelschlichtung (pendulum arbitration, final-offer arbitration): Wurde in der 60er Jahren in den USA von Carl Stevens entwickelt. Realitätsnähe wird belohnt. Die beiden Widersacher legen ihre endgültigen Angebote vor. Der Schlichter muss sich für eines entscheiden. Er wählt das von zwei Übeln geringere aus und sucht nicht nach der fairsten Lösung.

Büro als Wohlfühloase: Unternehmen versuchen alles, um die Mitarbeiter unter Bedingungen arbeiten zu lassen, dass neue Ideen entstehen. Büros sollen immer mehr einer schönen Natur entsprechen. Als vorbildlich in dieser Hinsicht gelten die Unternehmen im Silicon Valley. Die Gebäude enthalten viele Gärten und bieten an vielen Stellen Gelegenheit zu Sport und Yoga. "Die größte Offenbarung ist die Stille", Laotse.

Recht auf Ruhe: Psychologen warnen vor einer Überlastung durch Schrillen, Blinken und Blenden. Sie plädieren für ein Stärken der knappen Ressource Aufmerksamkeit. Vgl. Matthew Crawford: Die Wiedergewinnung des Wirklichen, Ullstein 2016. "Entspanne dich. Laß das Steuer los. Trudele durch die Welt. Sie ist so schön: gib dich hin, und sie wird sich dir geben", Kurt Tucholsky.

"Rest in Pixels": Im Jahre 2045 nach Google - Futurist Kurzweil Realität. Gemeint ist Unsterblichkeit im Netz. Einige Tech - Unternehmen spezialisieren sich schon darauf. Sie wollen vorher das menschliche Leben verlängern (Bluttransfusion, Stammzellentherapie, Frühdiagnostik). Wir würden dann nach dem Tod als Avatare weiterleben. Gehirne würden in Form von "Künstlicher Intelligenz" in die Cloud geladen.

Nachbarschaft: KMU sind Nachbarn der Anwohner, die häufig im Unternehmen arbeiten. Die Umgebung prägt sehr stark. Gute Nachbarschaft kann helfen, schlechte macht krank. Vor deutschen Gerichten gibt es Hunderttausende Fälle von Nachbarschaftsstreit.

Psychofehler an der Börse: Richtig Geld kosten können folgende Fehler: Gier, Angst, Selbstüberschätzung, Trotzreaktion, Vogel-Strauß-Prinzip (lieber eigene Fehler analysieren), Ungeduld (nicht zu früh verkaufen), Wahrnehmungsknick, Aldi-Reflex (nur Schnäppchen kaufen), Rosa Brille, Heimatliebe. Siehe Bortenlänger, C./ Kirstein, U.: Börse für dummies, Weinheim 2016, S. 359ff.

Der Mensch im digitalen Zeitalter (Mensch&Maschine; der Mensch bei IoT, KI und Industrie 4.0): Es geht um die geschickte Kooperation zwischen Mensch und Maschine. Inwieweit dabei Beschäftigung verloren geht, ist umstritten Es gibt viele Szenarien. Der Roboter kann viele Dinge nicht (ausprobieren, weiterentwickeln). Offen ist, inwieweit künstliche Intelligenz natürliche Intelligenz ersetzen kann.

New Work: Komplexität, Vernetzung, Flexibilität und Dynamik als zentrale Merkmale der modernen Arbeitsgesellschaft ("der Job organisiert uns"). Vgl. Markus Väth: Arbeit. Die schönste Nebensache der Welt, Offenbach 2016. New Work soll uns vor Depression, Burn-out und anderen Psycholeiden bewahren. New Work bedeutet nach einem Konzept des US-Philosophen Frithjof Bergmann Kritik am Lohnarbeitssystem, Selbstversorgung (high-tech self-providing) und arbeitsbezogene Berufung (Calling). Zum Gelingen von New Work sollen folgende Elemente beitragen: Life-Blending (den eigenen Bedürfnissen folgen), systemrelevante Kompetenzen (Methoden- und Handlungskompetenz neben personalen Kompetenzen wie Fach-, Selbst- und Sozialkompetenz), Akzeptanz in der Organisation (Vertrauen), die Qualität der Arbeit für den Menschen verbessern.

Sitzordnung: Sie zeigt Macht, Ansehen und Strategie. Berühmt sind die Regeln des Feng Shui: Höchstrangige Person möglichst weit von der Tür weg. Daneben der höchste Gast. Einige andere Grundregeln sind: Rechts vom Chef sitzt seine rechte Hand (manchmal auch ein Schleimer). Links vom Chef sitzt ein loyaler Verbündeter - aber mit eigener Meinung. Der Ranghöchste sitzt am Kopfende. Manchmal auch in der Mitte. Die meisten Menschen zieht es instinktiv in Richtung Ecke. Räumliche Nähe kann zu Sympathie und Vertrauen führen (Experimente). Erfahrungen zeigen dies auch in Vor- und Grundschulen.


Fortsetzung des VWL - Lehrbuchs auf der Seite Fallstudie/ E-Learning: hier (Volkswirtschaftslehre, Inhalt: Fallstudien, Funktionsweise, Ideologien (Ideen) und Wirtschaft, wirtschaftspolitische Grundkonzeptionen, Marktbetrachtung (Grundlagen, Finanzmärkte, Umwelt, Arbeitsmarkt), Weltwirtschaftskrise,  Wirtschaftsordnungen) und auf der Seite "Methode" (Übungsmodell, Spieltheorie, Lern-Datenraster, Methode der VWL, Wissenschaftstheoretische Grundlagen der VWL).

 

"Kein Ding sieht so aus, wie es ist. am wenigsten der Mensch, dieser lederne Sack voller Kniffe und Pfiffe", Wilhelm Busch, verstarb vor ca. 100 Jahren am 09. 01. 1908. Er war Satiriker, Dichter, Zeichner (Urvater des Comics) und Maler, auch Buddhist. Vgl. auch die W.-B.-Gesellschaft.

"Wegzehrung"

"Mit einem Sack Nüsse will ich begraben sein und mit den neuesten Zähnen. Wenn es dann kracht, wo ich liege, kann vermutet werden: Er ist das, immer noch er", Grass Gedicht von 1997. Auf der Homepage des Lübecker Grass-Hauses veröffentlicht zum Tode von Günter Grass am 13.04.2015.