Werner Krämer

 Economics/ Spezial

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"Nur auf dem Boden wirklicher Freiheit kann sich alles Große entwickeln", Ferdinand Lasalle (war 1864 auch in Neustadt an der Weinstraße, wo ich lebe)  Online-VWL-Lehrbuch:  1.Teil, 2.Teil,  3.Teil, 4.Teil , VWL - Blogs) . Auch: "Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren", Benjamin Franklin.  "Der Sinn von Politik ist Freiheit, und ohne sie wäre das politische Leben sinnlos", Hannah Arendt. "Freiheit" lautet auch eine bekannte Hymne von dem Liedermacher und Sänger Marius Müller-Westernhagen (1990 veröffentlicht; "Freiheit, Freiheit ist die einzige, die fehlt"). Im Mai 2022 macht Jens Stoltenberg, noch Nato-Chef und zukünftiger Präsident der Notenbank Norwegens, folgenden Spruch: "Freiheit ist wichtiger als Freihandel". Besser kann man die "neue" Globalisierung nicht charakterisieren (auf dem WEF in Davos). Den Gesellschaften der westlichen Welt ist das Bewusstsein für Freiheit zunehmend abhanden gekommen. Freiheit kann nur in Demokratien geboten werden.           

  Büste von Ferdinand Lasalle im Museum Leipzig. Er gründete zusammen mit anderen 1863 in Leipzig  den "Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein" (ADAV). Lasalle wurde zum Präsidenten gewählt. Lasalle starb 1864 mit nur 39 Jahren nach einem Pistolenduell. Er war einer der besten Redner seiner Zeit. Seine Familie war jüdisch. Sein Kampf galt der Verbindung von Freiheit, Demokratie und Sozialer Gerechtigkeit. Karl Marx und Friedrich Engels waren Zeitgenossen (sie lebten in England, in London bzw. Manchester). Marx hielt nicht viel von den Werken Lasalles, Engels bewunderte seine politische Wirkung. Bismarck hatte dagegen eine positive Meinung von Lasalle. Vgl. das Gebiet "Arbeitsökonomik". Die genanten Personen beschäftigten sich mit den Folgen der industriellen Revolution für die Arbeit. Heute geht es ähnlich und vergleichbar um die Auswirkungen der digitalen Revolution auf die Arbeit. Die Konsequenzen könnten unsere Gesellschaft grundlegend verändern, wenn die Nachfrage nach Arbeit wirklich stark zurückgeht oder die Arbeitsanforderungen sich grundlegend verändern. Viele aktuellen Probleme resultieren daraus, dass die Umwelt zu niedrig und die Arbeit im Wert zu hoch angesetzt wird. Der Finanzsektor hat sich global weitgehend vom realen Sektor verselbständigt und hat das Problem der sozialen Ungerechtigkeit auf der Welt mit geprägt. Die Ökonomie ist im Zuge der Finanzkrise 2008 von der Dogmatik abgerückt. Marktversagen ist mehr ins Blickfeld gelangt, wenn auch Marktlösungen weiterhin staatlichen Vorgaben meist überlegen sind.  Ein weiterer Gründer und Vorsitzende der SPD, nämlich August Bebel (1840-1913), sagte etwas, was heute aktueller denn je ist (auch für seine Partei): "Nichts ist ewig, weder in der Natur noch im Menschenleben, ewig ist nur der Wechsel, die Veränderung". Der dynamische Wechsel kennzeichnet heute die Entwicklung in allen drei Bereichen: in Umwelt, Arbeit und Globalökonomik. Die entscheidende Frage für den Menschen dabei ist: Kann in dieser Entwicklung die Freiheit gewahrt bleiben? "In Zeiten stürmischen Wandels braucht es Prinzipien und Haltungen, die den Tag überdauern", Winfried Kretschmann (erster grüner Ministerpräsident in Deutschland; Ders.: Worauf wir uns verlassen wollen, Frankfurt 2018). Es gibt eine zentrale Verbindung zwischen den drei Feldern: Die Umwelt wurde Jahrhunderte lang unterbewertet, die Arbeit wurde überbewertet und die Globalisierung macht offenbar, dass das Missverhältnis im Preis in Zukunft nicht durchzuhalten ist. Die Digitalisierung rettet den Preis der Arbeit bei Hochqualifizierten, verschärft aber die Verteilungsproblematik. Die dritte wichtige Figur in sozialen Belangen und Teilnehmer an den Revolutionen 1848/49 war Wilhelm Liebknecht (1826-1900). Er war einer der Gründerväter der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und gründete auch den Vorwärts mit im Jahre 1876.

Seiteninhalt:  Theoreme, Glossar, aktuelle Fakten und Daten aus folgenden ökonomischen Bereichen: Umweltökonomik/ Umweltökonomik (Climate Economics; Boden, Energie, Rohstoffe, Nahrung, Wasser, Nachhaltigkeit, Klimawandel, Wachstum, Infrastruktur, Natur, Bodenschätze, Zeit), Arbeitsökonomik/ Arbeitsökonomik (Personal, HRM, Verteilung, Gerechtigkeit, Armut, Arbeitsmarkt, Bildung, Arbeit 4.0, Arbeitspsychologie, Arbeitswissenschaft, Sozialpolitik, Migration, Gesundheit, Leben, Tod, Glück), Globalökonomik/ Globalökonomik  (Internationale Wirtschaft, Geoökonomik, Finanzmärkte/Finance, Kapital, Konjunktur/ Schwankungen, Fluktuationen, Handel, Protektionismus/ Zölle, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Internationale Makroökonomik, EU, Entwicklungsländer; Südamerika, Vorderasien,  Globalisierung, Decoupling, Global Government, Kriege/ Rüstung, geopolitische Beratung, International Business), (Wiki). Mittelstandsökonomik/ Mittelstandsökonomik (KMU/SME, Start-up, Entrepreneurship, Gründung, Familienunternehmen, ABWL, Business Economics,  Internationales Management; Managerial Economics; Entrepreneurial Economics) auf der Seite "Economics/Basic"

Die Theoreme werden immer in ihren praktischen Anwendungen (tagesaktuell, Wirtschaftspolitik überwiegt) zusammen mit empirischen Daten behandelt! So sollen Fakten bzw. Wissen immer mit ökonomischem Denken verbunden werden. Das macht im Kern den Unterschied dieser Plattform zu klassischen Lehrbüchern aus. Die Relevanz für StudentInnen und damit die konkrete Selektion der Theoreme durch die Nutzer ergibt aus der jeweiligen Veranstaltung (Hinweis auf Pfade mitschreiben!). In der Veranstaltung erfolgen auch Hinweise auf die jeweils beste Fachliteratur und auf die Verbindung zu meinen Skripten. Diese Plattform kann aber auch ohne Veranstaltungen gut genutzt werden, am besten zusammen mit Lehrbüchern Es bestehen Zusammenhänge mit den Seiten "Fallstudie/ case" (aktuelle Probleme und Themen), Methoden (empirisch und statistisch orientiert, auch Philosophie und Psychologie), Links (Zugang zu den Experten und Quellen; alternativen zu dieser Plattform) und Ostasien/Global (Daten und Fakten zu dem Bereich über einen langen Zeitraum). Teilweise sind diese Zusammenhänge und Überschneidungen durch Links gekennzeichnet. Diese genannten Seiten sind allgemein für die StudentInnen die interessantesten. Die restlichen Seiten sind bei speziellen Interessen (Abschlussarbeit, vor Prüfungen, Überblick über meine Vorlesungen, Interesse an meiner Person usw.) zu besuchen. "Aktuelles von der Startseite" wird immer mehr in die anderen Seiten eingearbeitet, so dass es leichter zugänglich ist durch die bessere Verknüpfung ("grün" geschrieben). Natürlich experimentiere ich auch mit offiziellen E-Learning-Systemen (z. B. OLAT; hier sind die Skripten abrufbar; bei Hausarbeitsthemen kann OLAT die Organisation übernehmen). In der Kombination dieses E-Learning-Systems mit Skript, Lehrbuch und Präsens-Veranstaltung wird die höchste Effektivität erreicht. Da ich die in Deutschland noch übliche Trennung zwischen Volks- und Betriebswirtschaftslehre für nicht sinnvoll halte, gehen die Theoreme auch stark in die Betriebswirtschaftslehre. Dies indiziert die Überschrift "Economics" (vgl. zu mehr die Seite "Dozentenprofil, Fachverständnis"). Im Grunde genommen enthält diese Seite das Gebiet "Economics", gegliedert nach den drei Produktionsfaktoren "Arbeit (Personal), Boden (Umwelt, Energie) und Kapital  (die internationalen Finanzmärkte dominieren bei Globalökonomik, Informationen als Ressource der Stunde)". Dies ist eine problembezogene, praxisorientierte Einteilung, die ich aber für zeitgemäßer halte als andere konventionelle (schon der Begründer der BWL in Deutschland Gutenberg folgte dieser Systematik). Die Gliederung ist für die Zukunft meiner Meinung nach tragfähiger als die in Mikro- und Makroökonomik (zumal das Aggregationsproblem ungelöst ist). Sie wird mittlerweile von vielen Ökonomen unterstützt (etwa vom Netzwerk "Plurale Ökonomie e. V."). Es handelt sich hier an dieser Stelle um ein Informationsmanagement-Tool, das irgendwann eine komplette Collaborations-Umgebung  für Economics (Mittelstandsökonomik bzw. Entrepreneurial Economics käme noch hinzu) darstellen soll. Traditionelle Lehr- und Fachbücher sind kaum mehr in der Lage, die tagesaktuelle Entwicklung gerade in diesen drei Bereichen abzubilden. Die Schocks der letzten 15 Jahre (Finanzkrise 2008/9, Fukushima und Klimakrise 2011, Migrationskrise 2015, Corona-Krise 2020, Ukraine-Krise 2022) haben zu einer ungeheuren Dynamik geführt, der man nur noch im Internet gerecht werden kann. Insofern ist es verständlich, dass diese Seiten auch von Studenten anderer Hochschulen (mittlerweile die große Mehrheit; Hochschulen in aller Welt) genutzt werden. Auch immer mehr Führungskräfte nutzen die Plattform. Für Hinweise auf Fehler und Verbesserungsvorschläge bin ich immer sehr dankbar. Die Korrekturen erfolgen dann schnellstmöglich.  Diese Plattform hat nicht die Ziele, Suchsysteme zu ersetzen oder ein Wikipedia für die Ökonomie sein zu wollen. Sie folgt der individuellen Erfahrung, Logik und Systematik des Autors, in der Hoffnung, dass Lernende daraus einen Nutzen ziehen können, aber nicht müssen. Ich folge einem humanistischen Bildungsideal (Unabhängigkeit, Humanität, Weltbürgertum, Gewissenspflicht, Abenteuer, Wissen wollen/ Neugier) das alle möglichen Informationen, Positionen und Argumente darstellt und dem Leser die Meinungsbildung überlässt. Damit  ist dies ein Gegenmodell zu vielen Sozialen Medien, die häufig Vorurteile und fertige Meinungen nur bestätigen (Selbstselektion der Nutzer, oder Programmieren von Meinungen durch Algorithmus). Insofern sind die sozialen Medien mit Vorsicht zu genießen.

"In der Wirtschaft sind Glaube und Hoffnung mit großem wissenschaftlichen Anspruch und dem tiefen Wunsch nach Respektabilität gepaart", John Kenneth Galbraith (US-Ökonom, 1908-2006).

 

Ha Long Bucht im Norden Vietnams. Es ist eine der schönsten Buchten der Welt und Weltnaturerbe der UNESCO. Über 2000 Inseln ragen aus dem Meer, meist dicht bewachsene Kalkfelsen. Zunehmend zeigen sich  Umweltverschmutzungen. In der Nähe ist das Kohleabbaugebiet Vietnams, das erhebliche Verschmutzungen mit sich bringt. Der stark steigende Tourismus (extrem stark aus der chinesischen Mittelschicht; die längste Zeit seiner Geschichte war Vietnam unter chinesischer Kontrolle) führt zu viel Plastikmüll im Meer. Die Schiffe lassen zusätzlich  ihre anderen Abfälle ins Meer. Außerdem kommen zu viele Touristen. So steht die Regierung im klassischen Konflikt zwischen Arbeit und Umweltschutz. In Entwicklungs- und Schwellenländern wird dieser Zielkonflikt meist zugunsten der .Arbeit entschieden. Die Bildperspektive ist eine ganz berühmte: Sie ist von einer Aussichtsplattform auf der höchsten Erhebung. Der leichte Dunst ist fast immer vorhanden. Wenn die USA aus dem Klimaabkommen von Paris aussteigen 2020, werden die Industrieländer alleine den Klimawandel verbunden mit zunehmender Erderwärmung nicht verhindern können. Es kommt immer mehr auf die Schwellenländer an, die wie z. B. Brasilien und Russland über große natürliche Ressourcen verfügen, die dem Klimawandel auch entgegen wirken können.  Aber diese Länder sind oft an der langen Leine von mächtigen Lobby-Gruppen, die Geschäftsinteressen haben, die in eine andere Richtung gehen. So wird oft der Klimawandel sogar geleugnet, obwohl die Länder selbst massiv unter den Folgen leiden (Beispiel Australien). Das Schlüsselland für den Klimawandel ist aber mittlerweile China. Rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen kommen aus diesem Land. China müsste sich aus globaler Verantwortung auch endlich an der Klimaschutzfinanzierung beteiligen.

 

Umweltökonomik (Climate Economics: Land, Klimawandel, Ökologie, Sustainable Development, Nachhaltigkeitsforschung, ökologische Ökonomie, Energie, Ressourcen, Umweltpolitik, Umweltmanagement, globale Aspekte der Umwelt; an der Hochschule Wiesbaden habe ich schon Mitte der Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts Vorlesungen dazu gehalten (erste grüne Regierungsbeteiligung in Hessen; Geisenheim mit dem Weinbau gehörte noch zur Hochschule Wiesbaden; es gab damals noch kaum Anbieter derartiger Veranstaltungen in Deutschland). In der Economics in China wird der Produktionsfaktor "Boden" aufgeteilt in Material Force (Bodenschätze), Freight Force (Infrastruktur), Natural Force (Natur), Time Force (Zeit). Eine solche Präzisierung würde auch der Economics bei uns weiter helfen.

 "Die Früchte der Erde gehören allen, die Erde selbst niemanden", Jean-Jacques Rousseau (1712-1778), Discours sur l´inegalite. Er war Wegbereiter der Aufklärung und der geistige Vorbereiter der französischen Revolution. Ohne die Aufklärung wäre die moderne Ökonomie nicht möglich gewesen. Heute gibt es eine Diskussion, inwieweit man die Werte der Aufklärung noch für die Ökonomie braucht (in Anbetracht des Erfolges Chinas).

Gliederung: Theorie/Ursachen, Umwelt-Politik (mit Mobilität/ Verkehr), Praxis (betriebliches Umwelt- und Energiemanagement, Plastik, Gebäude und Dämmung), Global Government (globale Aspekte der Umwelt, wichtigste Länder, Kooperation), Klima-Wandel (Emissionen, Schadstoffe, Grenzwerte, Biodiversität) und Folgen, Ressourcen I (Rohstoffe, Bodenschätze) Ressourcen II (Nahrung, Landwirtschaft, Wasser), Energie und Energiepolitik (fossil, erneuerbar), Messung (Empirische Aspekte, Operationalisierung, Quellen).

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Theorie/Ursachen (von Umweltverschmutzung, Klima - Veränderungen, Erklärungen; Umwelttheorie; menschliche Schnittstelle; Hypothesen zur Umweltverschmutzung)

"Nur weil´s mich nicht kümmert heißt es nicht, dass ich´s nicht verstehe", Homer Simpson, Comicfigur aus Springfield, USA.

Funktionen: Umwelt ist im Sinne von Natur zu sehen (nicht nur als Rahmenbedingung). Sie ist Konsumgut (Freizeit, Erholung), Produktionsfaktor (Rohstoffe, Energie) und Aufnahmemedium für Schadstoffe (Emissionen). In der Volkswirtschaftslehre wird heute häufig der Produktionsfaktor "Boden" im Sinne von Umwelt interpretiert.

Anthropozän: Die Anfänge liegen 9600 v. Chr. Damals entwickelte sich die erste Landwirtschaft im Vorderen Orient (im Zweistromland). Schafe, Ziegen, Rinder und Schweine wurden domestiziert, unterschiedliche Getreidearten kultiviert. Das war der Anfang des "global change". Die ersten Landwirte verursachen schon die Überausbeutung natürlicher Ressourcen (und Abfälle wurden in Flüsse und Seen eingeleitet. Insofern war und ist der Mensch der Verursacher von Umweltverschmutzung. Vgl. Der Spiegel Nr. 36, 31.8.2019, S. 87.

Subsidenz: über das Lebensnotwendige verfügen. Subsidenzwirtschaft heißt also, das Lebensnotwendige zu erwirtschaften. Der Gedanke stammt aus der Klassik (Adam Smith), spielt auch im Marxismus (Rosa Luxemburg) eine große Rolle. Die übergroßen Bedürfnisse und die Gier werden als Ursache des Umweltproblems gesehen. Der Gedanke ist heute als Gegenmodell zur Wachstumswirtschaft gerichtet, die ausschließlich Geld in den Mittelpunkt stellt und auf die Mehrwertproduktion ausgerichtet ist. Ziel sollte aber das Leben sein. Vgl. Bennholdt-Thomsen, V.: Geld oder Leben, München 2010. Empfohlen werden Eigenproduktion, Leistungsaustausch in sozialen Netzen, gemeinnützige Arbeit, Nutzungsdauerverlängerung.

Suffizienz: Vermeidung von Reizüberflutung, entschleunigte Lebensstile, Zeitsouveränität, Entrümpelung (Wohlstandsballast abwerfen). Vgl. Niko Paech: Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie, München 2016 (9. Auflage), S. 151. Vgl. auch: Paech, Niko: Nur sparen, wenn die Hütte brennt? Das ist zu wenig, in: Wiwo 28/ 8.7.22, S. 44ff. Vgl. zur Kritik daran: Paque, Karl-Heinz: Das Elend der Enthaltsamkeit, in: WiWo 30/ 22.7.22, S. 42f. "Nicht der Verzicht liefert den Schlüssel zum Errechen globaler Klimaziele, sondern der technische Fortschritt - global angewandt. Wir sind mehr denn je auf weltweite Arbeitsteilung angewiesen".

Substitution: Robert Solow, Ökonom aus den USA, bekam 1987 noch den Nobelpreis für seine Wachstumstheorie. Neue Erfindungen sollten der Motor (Innovationen) für die Volkswirtschaft sein. Er war noch der Ansicht, dass Naturkapital durch künstliche Elemente ersetzt werden konnte. Es war insofern kein Fehler, die Natur durch den Menschen zu zerstören; er muss sie nur durch Technik ersetzen. Grundidee war also eine ausreichende Substitution der Natur.

Sozio-Ökonomische Entwicklungstrends: Sie beeinflussen massiv die Umwelt. Weltbevölkerung, Reales BIP, ausländische Direktinvestitionen, Primärenergieverbrauch, Große Staudämme, Wasserverbrauch, Düngerverbrauch, Papierproduktion, Städtische Bevölkerung, Transportwesen, Telekommunikation, Internationaler Tourismus. Quelle: agora 42, 2018, S. 43.

Erdsystembezogene Entwicklungstrends: CO2, Stickoxid, Methan, Ozonschicht, Oberflächentemperatur, Versauerung der Meere, Seefischfang, Garnelen - Aquakulturen, Nitratbelastung der Küstengewässer, Verlust des tropischen Regenwaldes, Zivilisationsland, terrestrische Biosphärenverschlechterung. Vgl. ebenda, S. 43.

Elemente und Kreisläufe: Die Elemente beeinflussen das globale Klima, das Pflanzenwachstum und die Sauerstoffproduktion. Es sind Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Phosphor, Schwefel, Calcium, Eisen, Silizium. Kreisläufe sind der Kohlenstoffkreislauf, der Wasserkreislauf, der Stickstoffkreislauf, der Sauerstoffkreislauf, der Phosphorkreislauf. Vgl. Fred Hageneder: Happy Planet, Saarbrücken 2019, S. 19ff.

Planetarische Grenzen: Sammelbegriff für insgesamt neun ökologische Belastungsgrenzen der Erde, deren Überschreitung die Stabilität des Ökosystems sowie der Lebensgrundlagen der Menschen gefährdet un die teilweise bereits überschritten sind: 1. Erderwärmung( Klimawandel). 2. Artensterben (Verlust an Biodiversität)... Daraus ergibt sich unmittelbar die Frage nach den Grenzen des Wachstums. Vgl. Ernst/ Sailer/ Gabriel: Nachhaltige Betriebswirtschaft, München 2021, S. 410.

Die 8 Lehren der Natur: Sie stammen von Gary Ferguson, einem US-Naturforscher. Was in der menschlichen  Gemeinschaften oft nur mit Mühe funktioniert, klappt in der Natur mit größerer Selbstverständlichkeit: Verantwortungsbewusstsein, Kooperation, Diversität. Das System der Natur hängt alles mit allem zusammen und ist auf engst verwoben. Die große Lehre der Natur: " Die Natur mag ein förderliches Umfeld sein, um über unser Leben nachzudenken, ...Wenn die Schönheit der natürlichen Welt unsere Aufmerksamkeit fesselt, weichen die Wände der Verzagtheit zurück, die uns einschließen - sogar die harten, starken mauern von Verlust und Traurigkeit". Vgl. Gary Ferguson: Die 8 großen Lehren der Natur. Was wir von Tieren und Pflanzen lernen können, München (dtv), 2020.

Umwelt und Markt: Im Umweltbereich mit den Problemen "Artenschwund, Waldsterben, Überfischung, Sterben der Meereskorallen, Gletscherschmelze, Wasserverknappung, Ressourcenmangel, umweltbedingte Migration, Naturkatastrophen (schwere Stürme, Erdbeben, Überschwemmungen), Ausbreitung der Wüsten und Klimawandel" macht sich besonders negativ bemerkbar, das der Markt global, aber das Umweltrecht weitgehend national ist. Außerdem belohnt der Markt die Geschwindigkeit und die Bedenkenlosigkeit und fördert externe Effekte. Auch die Wohlstands-Disparitäten in der Welt zwischen Industrieländern, Schwellenländern und Entwicklungsländern verhindern globale Lösungen (Energieeffizienz, d. h. Primärenergieverbrauch je 1 Mrd. $ BIP: China 0,83; Russland 1,09; Indien 0,86). Die größten Klimaverschmutzer USA, China, Indien und Australien können sich zu keiner effektiven Reduktion entscheiden. Die Umweltökonomik ist sicher der wichtigste Teil der Volkswirtschaftslehre, da von ihrer Problemlösungskompetenz die Zukunft der Menschheit und das Überleben der Erde abhängt. Die Entwicklung der Zertifikate und ihre weltweite umweltpolitische Umsetzung spricht einerseits für diese Problemlösungskompetenz, andererseits können damit alleine nicht alle Umweltprobleme gelöst werden. Zertifikate (Erlaubnisscheine) sind eine marktwirtschaftliche Vorgehensweise, die aber mit erheblichen institutionellen Problemen verbunden sind.

Moralisch (in der Umweltpolitik ist Moral purer Realismus) und rational sind in beiden Bereichen globale Institutionen notwendig. Vielleicht kann man die Weltbank als multilaterales Kreditinstitut für Entwicklungsländer zurückfahren und ihr mehr Aufgaben in der Umweltpolitik und im Finanzcontrolling geben. Die Wirtschaftswissenschaften und ihre Theorien widmen diesen für die Menschheit zentralen Phänomen viel zu wenig Aufmerksamkeit, weil sie einmal in der Regel fernab der normalen Lehrbuchweisheiten liegen und andererseits ein interdisziplinäres, ethisches Denken erfordern. Die StudentInnen werde ich bei diesen Themen für Abschlussarbeiten, aber auch bei speziellen Wünschen nach Sonderveranstaltungen, nach meinen Kräften unterstützen. "Unser Marktradikalismus war ein unverschämter Ego-Trip", Erhard Eppler.

Anleger können über Aktien, Fonds und Zertifikate für das eigene Vermögen beide Bereiche verbinden: Bioenergie aus nachwachsenden Rohstoffen ist das Potential der Zukunft. In den vergangenen drei Jahren erzielte der Dow Jones Sustainable Total Return Index, der die Entwicklung nachhaltiger Aktien abbildet, eine bessere Wertentwicklung als das Börsenbarometer für internationale Aktien "MSCI". "Bis 2030 sind wir der größte Treibstofflieferant der Welt", L. I. Lula da Silva, brasilianischer Staatspräsident über Ethanol aus Zuckerrohr. Ebenso Chancen bieten Unternehmen, die sich mit Energieeffizienz beschäftigen. 46 Staaten wollen 2007 eine starke UN-Umweltbehörde schaffen (allerdings sind die größten Verschmutzer "USA, Russland, China und Indien" nicht dabei). Über die Finanzmärkte können Bürger vielleicht den größten Einfluss ausüben. Die Aktionäre sollten niedrigere Vorstandsgehälter, weniger Atomstrom und mehr Moral durchsetzen. 2011 betrug das Volumen nachhaltiger Geldanlagen weltweit 11,0 Billionen $ (2006 3,6 Bio.). Die Umweltbranche boomt seit langem in Deutschland und hat sehr viele Arbeitsplätze geschaffen. Ebenso dürfte die Energiewende eine große Chance darstellen (First-mover- advantage). Das Angebot an Nachhaltigkeitsfonds wächst auch 2015. Dabei setzen ihre Manager auf unterschiedliche Konzepte.  "Nachhaltigkeit liegt im Auge des Betrachters, jede Fondsgesellschaft legt dieses Ziel anders aus", Detlev Glow, Lipper, 2015.  

Marktversagen: Situation, in der ein unregulierter Markt ineffizient ist, weil die Preise nicht die "richtigen" Signale an Konsumenten und Produzenten senden (Ursachen unter anderem: externe Effekte, free rider, kein freier Zugang, öffentliche Güter, ungleiche Vermögensverteilung). Ein gutes Lehrbeispiel ist der Altkleidermarkt. Hier wirken alle Effekte zusammen: Öffentliche Güter (Gemeinden, Wohltätigkeitsorganisationen), externe Effekte (Verfallen der Textilindustrie in EL, neue Orientierung), Marktmacht (Monopol der Städte), asymmetrische Information. Können private Parteien mit externen Effekten (z. B. Umweltverschmutzung) nicht hinreichend umgehen (Begründung spieltheoretisch!), tritt die Regierung mit bestimmten Vorkehrungen ein. Ein Sonderfall des Markversagens ist das moralische Wagnis: Das Bestehen einer Versicherung gegen ein Risiko erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Risikofall eintreten wird, weil die versicherten Wirtschaftssubjekte aufgrund der Versicherung allzu sorglos werden (vgl. Miles/ Scott/ Breedon: Makroökonomie, Weinheim 2014, S. 660). "Wenn der Markt vollkommen frei ist, haben die Akteure nicht nur die Freiheit der Wahl, sondern auch die Freiheit zum Betrug", George A. Akerlof, US-Wirtschaftsnobelpreisträger.

Marktversagen und Umwelt: Märkte sind unter bestimmten Bedingungen funktionsunfähig (z. B. bei externen Effekten, öffentlichen Gütern, asymmetrischen Informationen). Hier muss in der Regel der Staat mit seiner Wirtschaftspolitik, d.h. Umweltpolitik,  eingreifen. "Der Klimawandel ist das größte Marktversagen, das es je gab", N. Stern, britischer Ökonom und Umweltforscher (Stern-Bericht über Klimawandel 2006). Allerdings gibt es auch Staatsversagen, etwa durch Lobbys, Korruption und die Notwendigkeit, zu Wahlen anzutreten. Vgl. Vogt, G.: Faszinierende Mikroökonomik, München 2007, S.348 ff. Siehe auch meine Markt-Betrachtung.

Free Rider (Trittbrettfahrer, Schwarzfahrer-Haltung): Ein Konsument oder Produzent, der für ein nicht nicht - ausschließbares Gut  nichts bezahlt in der Hoffnung, dass andere dafür bezahlen. Die Theorie impliziert, dass kooperatives Verhalten in vielen Fällen irrational ist. Dafür gibt es folgende Gründe: Selbst, wenn der Einzelne sich kooperative verhält, wird es niemand anders tun. Der eigene Beitrag bleibt verschwindend gering. Vgl. Tuck, R.: Free Riding, Cambridge: Harvard University Press 2008. Wenn alle so denken würden, käme es zu einem riesigen "Game of Chicken" (Feiglingsspiel). Dies führte zu einer hochgradig instabilen Gesellschaft. Das Versagen des Ausschlussprinzips führt zu einem Verhalten, den individuellen Nutzen zu maximieren und die Präferenzen für ein öffentliches Gut zu verbergen. Das Gewissen wird mit der Geringfügigkeit des eigenen Beitrages beruhigt. Das Ausschlussprinzip ermöglicht erst private Güter, für die ein Preis zu zahlen ist. Die Schwarzfahrerhaltung überdeckt oft Bequemlichkeit und Ignoranz gegenüber der Umwelt.

Märkte als Diffusion von Verantwortung: Märkte sind totale Diffusion. Sie generieren soziale Informationen und informieren über die Gültigkeit sozialer Normen. Aber es entsteht eine marktimmanente Distanzierung und Delegation von Moral. Sie können die Moral untergraben. Lange Lieferketten führen zu einer geografischen und psychologischen Distanzierung. Deshalb können märkte auch nicht das Klima retten. Vgl. Falk, Armin: Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein, München 2022, S. 179ff. Auch: Kluzik, Vicky: Regelt der Markt die Klimakrise? in: wiWo 1/2 5.1.2023, S. 40f.

Coase - Theorem:  Die Nutzung des Markt- bzw. Preismechanismus kostet Geld (sobald Transaktionskosten eine Rolle spielen, kommt es auf die institutionelle Einbindung an). Transaktionskosten sind Such-, Informations-, Kontroll- und Durchsetzungskosten; Ronald H. Coase: The Firm, the Market and the Law, Chicago 1990. Auch die reinen Kosten einer Preisänderung, die man Menu costs (Speisekartenkosten) nennt, gehören dazu. Coase erklärt auch Unternehmen: ein Unternehmen werde das Ausmaß der Arbeitsteilung solange in der eigenen Organisation bewältigen wie die Such- und die Vertragskosten größer sind als die Kosten für die Aufrecherhaltung der Organisation (The nature of the firm, in: Economica, Vol.4, No. 16 (1937), S. 386-405). Transaktionskosten spielen heute auch eine zentrale Rolle, wenn es um die Entscheidung zwischen öffentlicher und privater Leistungserstellung geht. Wichtig ist auch der Aufsatz von Coase über Soziale Kosten: The Problem of Social Cost, 1960. Externe Effekte, also Folgen einer Aktivität, die andere tragen müssen, lassen sich unter bestimmten Umständen ohne staatlichen Eingriffe "internalisieren". R. Coase lehrte zuletzt in Chicago; er starb 2013 mit 102 Jahren.  Coase ist häufig fehl interpretiert worden, vor allem von der Chicago-Schule. Das betrifft vor allem die Anwendung auf die Umweltverschmutzung. und den CO2-Zertifikate-Handel. Man unterstellt ihm die Aussage, Umweltverschmutzung könne in einem absoluten oder objektiven Sinne gar nicht schädlich sein. Der "Geschädigte" trage ebenso Schuld wie der "Schädiger". Die Interpretation stammt von Kollegen, nicht von Coase. Der CO2-Emissionsrechte-Handel ist heute der größte künstliche Markt. Davon hängt zum großen Teil das Schicksal der Menschen ab. Das Vertrauen in den Markt ist hier riesig, weil die Transaktionskosten falsch eingeschätzt werden. Ohne das Handeln der entscheidenden Staaten kann die Welt aber nicht gerettet werden vor den Folgen des Klimawandels. Vgl. Aldred, Jonathan: Der Korrumpierte Mensch. Die ethischen Folgen wirtschaftlichen Denkens, Stuttgart 2020, S. 100ff.

Verursacherprinzip: Als Erster analysierte der englische Ökonom Arthur Cecil Pigou (1872 - 1959) das Verursacherprinzip. Er plädierte dafür, dass die wahren Gesamtproduktionskosten auch die Kosten einer absehbaren Umweltverschmutzung berücksichtigen sollten. Wer verschmutzt zahlt. So sind bekannte Instrumente nach ihm benannt (Pigou - Steuern). Das grundsätzliche Problem ist aber, das man oft den Verursacher nicht kennt, dass am ihn nicht ermitteln kann oder dass er außerhalb des Rechtsgebietes wirkt.

Theorie öffentlicher Güter (Begründer Samuelson, Musgrave u. a.): Bei Öffentlichen Gütern gilt weder das Ausschlussprinzip noch das Konkurrenzprinzip (auch Rivalität genannt, z. B. Wissen, nationale Verteidigung). Bei gesellschaftlichen Ressourcen (auch Allmendegüter genannt), zu denen die Umwelt gehört, gilt das Ausschlussprinzip nicht, aber das Konkurrenzprinzip. Daneben gibt es noch Private Güter, Meritorische Güter und Natürliche Monopole. Bei Natürlichen Monopolen gilt das Ausschlussprinzip, nicht aber das Konkurrenzprinzip. Ein Angebot durch mehrere konkurrierende Produzenten ist daher ökonomischer Unsinn, weil die Fixkosten so hoch sind. Dies trifft vor allem auf Infrastrukturnetze wie Schienen, Gas, Wasser und Strom zu. Es wäre unwirtschaftlich, mehrere Netze, die dem gleichen Zweck dienen, nebeneinander zu betreiben. Vgl. Mankiw (2001), a. a. O., S. 247. Manche nennen diese Güter auch Clubgüter (auch Filme im Pay-TV, Computer-Software, Vgl. Krugman/ Wells, Volkswirtschaftslehre, Stuttgart 2010, S. 624). Wichtigste Theorie zur Erklärung von Umweltverschmutzung und zur Notwendigkeit des Staatseingriffs (Soziales Dilemma).

Globale öffentliche Güter: Die Menschheit ist noch nicht in der Lage, solche Güter bereitzustellen. Das sieht man deutlich in der Klimapolitik. Noch klarer wird dies in der Corona-Krise 2020. Jedes Land zieht sich zurück und versucht, seine Probleme zu lösen. Der Wohlstand im 21-Jahrhundert hängt aber an solchen globalen öffentlichen Gütern. Dazu gehören auch die Ozeane und die großen Eisflächen (Arktis und Antarktis). Es ist sogar ein Gegentrend beobachtbar: Einzelne Staaten stellen Eigentumsansprüche (private Güter), um Zugang zu Rohstoffen zu bekommen.

Institutionelle Sklerose von Mancur Olson (1932-1998, The Logic of Collective Action, Cambridge 1965, auch: The Rise and Decline of Nations, 1982): diese entsteht dadurch, dass Lobbygruppen durch Verteidigung ihrer Privilegien die Wettbewerbsordnung verzerren und damit die Anfälligkeit gegenüber externen Schocks erhöhen. Olson gilt als Nestor der Institutionenökonomik. Lobbyismus ist heute sehr stark in den USA ausgeprägt. Der Einfluss der reichsten Amerikaner auf die Politik des Landes ist unmittelbarer als gedacht. Zwischen 1984 und 2009 hat sich das Vermögen der Kongressabgeordneten mehr als verdoppelt (jeder Zweite Millionär), während die Amerikaner insgesamt ärmer geworden sind. Einen Wahlkampf können sich nur Reiche leisten. Schon bei den alten Römern sollen in der "lobia", in der Vor- und Wandelhalle des römischen Senats, Interessenvertreter auf die Senatoren eingewirkt haben. Bei der Bundestagsverwaltung sind zur Zeit (2012) 2094 Lobbygruppen offiziell registriert. 2011 sind 13 Spitzenpolitiker direkt von der Politik in die Wirtschaft gewechselt. 70 Lobbyisten arbeiten 2011 in den Bundesministerien. Rheinland-Pfalz führt als erstes Bundesland 2012 ein Lobbyistenregister ein. Es gibt einen Verein in Deutschland, der den Lobbyismus kontrollieren will: Lobbycontrol ( www.lobbycontrol.de ) "Alle Formen der Marktbeherrschung müssen Anlass zur Sorge geben, alle", Mancur Olson. Die Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes forscht in Harvard zum Einfluss von Lobbygruppen auf Umweltthemen. "Merchants of Doubt" (Händler des Zweifels) nannte sie die Akteure der Desinformation. 2023 ist ihr Buch "The Big Myth" erschienen. Bereits vor fünf Jahrzehnten sahen die Ölkonzerne den Klimawandel voraus. Sie leugneten öffentlich. "Sie werden nicht kampflos untergehen". Siehe Die Zeit 51/ 30.11.23, S. 44.

Queue-Jumping (Vordrängeln): Man lässt andere in der Warteschlange für sich anstehen und bezahlt dafür. Die Lobbyisten großer Konzerne machen ausgiebig Gebrauch davon.

Korruption: In vielen Ländern werden Bemühungen, die Umweltzerstörung zu bekämpfen, durch den Einfluss der Korruption behindert. Korrupte Praktiken finden durch Bestechung, Missachtung der Gesetze, gefälschte Papiere u. a. statt. Besonders betroffen sind die Wasserversorgung (deshalb hier Privatisierung vermeiden), wichtige Dienste (Gesundheitsbereich, Medikamente), illegaler Tierhandel, Illegaler Holzschlag. In vielen teilen der Welt sind die Gehälter von Beamten und öffentlichen angestellten so niedrig, dass sie besonders anfällig sind.

Terrorismus: Der Terrorismus ist ein globales Phänomen. Terroristen versuchen, durch Anschläge und Angstverbreitung ihre Ziele durchzusetzen. Sie berufen sich häufig auf religiöse Motive. Dabei wird eine Schädigung der Umwelt als Schaden in kauf genommen.

Prinzipal-Agent-Probleme: Die Präferenzen der Bürger kommen nicht direkt zur Geltung. Normalerweise beauftragt der Bürger als Wähler Politiker damit, seine Interessen wahrzunehmen. Es entsteht ein Delegationsverhältnis, das sowohl zwischen Bürger und Politikern als auch zwischen Politikern und Beamten der Bürokratie in der Verlässlichkeit Fehler und Missverständnisse haben kann. Vgl. als wichtigsten Aufsatz: Stephen Ross, The Economic Theory of Agency: The Principal`s Problem, in: AER, 1973.

Kapitalgesellschaften: Papst Innozenz IV. beschloss im Mittelalter, die Klöster selbst als juristische Personen anzusehen, damit die Mönche, die ein Armutsgelübde abgelegt hatten, entlastet wurden. Diese rechtliche Konstruktion wurde dann später auch auf die Wirtschaft übertragen. Die Anteilseigner von Kapitalgesellschaften haften nur in begrenztem Umfang für das Tun des Unternehmens. Hinzu kamen externe Effekte, also Folgen von Handlungen, die die Verursacher nicht tragen mussten (Lücke zwischen Buchführung und realer Welt). In der Globalisierung kam dann später noch das Lösen von nationalen Steuern dazu. Kapitalgesellschaften sind dem Profit verpflichtet und vernachlässigen eher die Umwelt als Personengesellschaften, die von Natur aus nachhaltiger wirken.

Externe Effekte: Wirkungen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, die außerhalb von Marktbeziehungen auftreten und bei denen Verursacher und Betroffener nicht übereinstimmen (Theorie der öffentlichen Güter, Erklärung umweltschädlichen Verhaltens, zusammen mit Free-Rider). Die Internalisierung negativer externer Effekte kann durch Verhandlungen, Grenzwerte (Emissionsstandards, Auflagen), Umweltsteuern und handelbare Emissionsrechte erfolgen. Probleme ergeben sich vor allem durch die Grenzüberschreitung der Effekte. Nach R. coase lassen sich externe Effekte unter bestimmten Umständen auch ohne staatliche Eingriffe "internalisieren" "Just doing my bit for the environment", (ich trage nur meinen Teil zum Umweltschutz bei). Ein Beispiel sind Lebensmittel. Viele Schäden, die die Landwirtschaft verursacht, werden bislang bei den Lebensmittelpreisen nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt. Sonst lägen die Preise von Fleisch, Milch und Käse höher. Vor allem bei Fleisch gibt es hohe versteckte Kosten. Die Preisaufschläge sind bei Bio-Produkten geringer.

Wirtschaftswachstum und Umwelt: In der modernen Umweltökonomik gilt Wirtschaftswachstum nicht mehr als Ursache von Umweltzerstörung in Industrieländern, weil nachhaltiges Wachstum möglich ist (ohne mehr Energienutzung und Umweltzerstörung, der Zielkonflikt scheint aufgehoben). In Schwellenländern (China, Indien, Brasilien) gilt dies jedoch nicht. Die bisherige Entwicklung des Kapitalismus in den letzten 250 Jahren basierte auf fossilen Energieträgern: Kohle, Öl, Gas. Ohne sie wären Wachstum und Innovationen nicht möglich gewesen. Was passiert aber, wenn das Öl zu Ende geht? Kann man die fossilen Energieträger ersetzen? Das ist die entscheidende Frage der Menschheit heute. Sergei Podolinsky, ein ukrainischer Sozialist und Zeitgenosse von Karl Marx, erkannte im 19. Jahrhundert schon, dass Energie über die Zukunft des Kapitalismus entscheiden würde. "Ohne Land, Flüsse, Ozeane, Wälder und Tausende von natürlichen Ressourcen hätten wir überhaupt keine Wirtschaft", Satish Kumar, Indischer Umweltaktivist. 2009 legt Tim Jackson den Bericht der Sustainable Development Commission in GB vor. Der Bericht erschien auch auf Deutsch: Wohlstand ohne Wachstum. Ein Update kam 2017. Darin wird die Grundthese vertreten, dass man auf Wachstum verzichten könne, um die Umwelt zu retten. Dieser Grundthese folgt auch Ulrike Herrmann: Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden, KiWi-Verlag 2022. Sie fordert ein Ende des Kapitalismus, um das Klima zu schützen. Sie schlägt grünes Schrumpfen vor.

Wirtschaftswachstum als Ziel: Es ist im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967 für Deutschland festgelegt (Formulierung: angemessen). Dass ist Wirtschaft ständig wachsen soll, ist auch heute noch das Ziel fast aller Volkswirtschaften. In der Realität sieht es aber nach der Finanzkrise 2008 ganz anders aus. Insofern wäre zu überlegen, sich von dem Ziel zu verabschieden und in Richtung Nachhaltigkeit zu denken.  Die Eurozone hatte im Jahr 2014 ein Wachstum von 0,9%. Die USA wuchsen seit 2011 nur um 2 % (Prognose 2015: 2 Prozent). Deutschland hat für 2015 eine Prognose von 1,6% (tatsächlich liegt das Wachstum bei 1,7%). GB wächst seit der Finanzkrise erst wieder 2015. Frankreich erwartet 2015 1,1%. Für Japan lieht die Prognose für 2015 bei 0,7%. Brasilien, als Wachstums - Vorzeigeland, soll 2015 bei -0,8% liegen. 2016 hat die Euro-Zone die höchste Wachstumsrate aller großen Industrieländer mit 1,7% (USA 1,6%, Kanada 1,3%, Japan 0,9%). 2017 wächst Deutschland beim BIP mit 2,2%. Im Frühjahr 2018 korrigieren die Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognose für 2018 auf 2,2% (2019 2,0%). Im ersten Quartal 2018 wächst die Wirtschaft aber nur um 0,3% gegenüber dem Vorquartal (Ölpreis, möglicher Handelskrieg).

Nachhaltiges Wachstum: Orientierung an sozialen und ökologischen Vorgaben. Neue Wachstumsstrategie mit Chancengerechtigkeit. Ziel ist die intergenerationelle Gerechtigkeit. Danach dürfen künftige Generationen nicht durch die Lebensweise der gegenwärtigen Generationen beeinträchtigt werden. Vgl. Hauff, M. v.: Nachhaltiges Wachstum - ein anderer Weg, in: WISU 12/2015, S 1353ff. Die Kapitalschwemme, die heute da ist, sollte in die Realwirtschaft (innovative Technik, ressourceneffiziente Infrastruktur) investiert werden. Eine Agrarwende ist erforderlich. Die Urbanisierung (produziert Slums) sollte gebremst werden. Vgl. G. Müller: Unfair, Hamburg 2017, S. 158. Der lange Wachstumstrend - wie er auch 2018 noch anhält - ist unüblich und eine exzellente Möglichkeit in die Zukunft zu investieren, auch in Nachhaltigkeit (vgl. IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld: Ich sehe keine Immobilienblase, in: Die Zeit, Nr. 5, 25.01.18, S. 27). Im Januar 2015 begrüßten Studenten die Teilnehmer der Jahrestagung der American Economics Association mit ihrer Kulturkritik und dem Plakat "Is Economic Growth Killing the Planet"? an der Straßenfront des Bostoner Sheraton Hotels.

"Die Grenzen des Wachstums" (Meadows et al., 1972; Club of Rome): Prognose war: Die Erschöpfung von Ressourcen und die starke Verschmutzung würden zum Zusammenbruch um etwa 2025 führen. Es wurde der Standardverlauf folgender Strömungen analysiert: Rohstoffvorräte, Bevölkerung, Nahrungsmittel pro Person, Industrielle Produktion pro Person, Umweltverschmutzung. Die Prognosen hinsichtlich des Verbrauchs von Ressourcen waren falsch. Die Umweltpolitik wurde noch nicht gesehen.

Wachstumsgrenzen: Die Menschheit und die globale Konsumwirtschaft können nicht auf unbestimmte Zeit weiter wachsen, denn irgendwann wird es nichts mehr geben, was man verbrauchen kann. Es gibt auch noch Ökonomen, die meinen, der Markt könne die Ressourcenknappheit lösen. Der Lösungsmechanismus läuft über den Preis, z. B. beim Öl. Das funktioniert jedoch nicht immer, vor allem nicht bei Umweltgütern wie Fischgründe und dem Klima für die starke Eigentumsrechte fehlen. Man weiß aber nicht genau, wo die Grenzen liegen. Der erste, der diese Grenze versucht hat zu definieren war Thomas Malthus (1766-1834). Nach Malthus wuchs die Bevölkerung exponentiell oder geometrisch, die Nahrungsmenge dagegen linear oder arithmetisch (begrenzte Ressourcen). "Die Potenz der Bevölkerung ist unendlich viel größer als die Potenz der Erde, den Lebensunterhalt der Menschheit zu erzeugen", Thomas Malthus, 1798. Vgl. Marron, Donald: Wirtschaft in 30 Sekunden, Librero 2018, S. 82.

Neoklassische Wachstumstheorie: Die Umweltproblematik wird nicht erschöpfend behandelt. Aufgrund von Backstop-Technologien werden keine Grenzen des Wachstums befürchtet (dies ist fraglich). Die einzelnen Arten des Kapitalstocks sind substituierbar, so dass eine ständige Anpassung an sich verändernde Knappheitsverhältnisse  erfolgt. Die Theorie geht zurück auf das Solow-Swan-Modell (1956). Es wird das Wachstum mit nicht erneuerbaren Ressourcen untersucht. Vgl. dazu: Hauff von Michael/ Jörg, Andrea, Nachhaltiges Wachstum, München 2013, S. 54ff.

Endogene Wachstumstheorie: Modell mit konstantem Technologieparameter (Uzawa-Lucas). Modell mit variablem Technologieparameter (Romer). Die Resultate sind abhängig von der Spezifizierung der Nutzen- und Produktionsfunktion. Positiv ist die Berücksichtigung des technologischen Wandels.

Postwachstumsgesellschaft: Gesellschaft ohne Wirtschaftswachstum mit neuer Rolle der Erwerbsarbeit und Ökologie im Zentrum. Systeme der sozialen Sicherung, der Besteuerung und Erwerbsarbeit müssen umgestellt werden. Kriterien:  1. Kein weiteres Wachstum. 2. Stabilisierung der Gesellschaft ohne Wachstum. 3. Bedingungen für Gesellschaft ohne Wachstum.

Klimaschutz und Wirtschaftswunder (Wachstum): Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck versprechen 2023, dass der Klimaschutz ein neues Wirtschaftswunder bringe. Viele Ökonomen und Unternehmer sehen das anders. Sie vermuten, dass es kein Wachstum gibt, weil Kraftwerke, Heizungen  und Autos nur ersetzt werden. Ein Teil der dreckigen Produktion, wie Stahl, könnte nach Afrika oder in andere Länder abwandern. Als Gewinner werden vielleicht noch Maschinenbau und Fahrzeugbau eingeschätzt. Verlierer sind Ölraffinerien, Schifffahrt, Straßenverkehr (Güterbeförderung), Konsumgüterindustrie und energieintensive Industrien (Glas, Stahl). Vgl. Hägler, Max/ Rudzio, Kolja/ Widmann, Marc: Schön wär`s, in: Die Zeit 20/ 11.5.23, S. 19.

Bioökonomie: Auflösen des Konfliktes zwischen Nachhaltigkeit und Innovation. Fossile Rohstoffe durch biogene Rohstoffe ersetzen. Wohlstand und Klimawandel in Einklang bringen. Der Begriff findet auch Einzug in die Politik. Man will Zentralstellen für Bioökonomie schaffen, um den Zielkonflikt zu lösen.

Zügelloser Kapitalismus: Menschen sehen sich nur noch als Konsumenten, Shopping wird zum Lebensinhalt. Der Markt hat immer mehr zu regeln bekommen durch die Privatisierung von Energieversorgung und Verkehr. Kern des Bruttoinlandsprodukts sind Konsum, Import und Export. Es gibt keine Strategie, Planung und Steuerung. Das System belohnt schnelle Gewinne. Das sind die Grundthesen von Naomi Klein: Die Entscheidung - Kapitalismus vs. Klima, Frankfurt 2015. Ähnlich auch Jean Ziegler: Was ist so schlimm am Kapitalismus. Antworten auf die Fragen meiner Enkelin, München (C. Bertelsmann) 2018. Er erzählt seiner Enkelin Zohra und ihrer Generation, welchen unmenschlichen Preis wir für dieses System zahlen. Kapitalistische Profitgier zerstöre die Umwelt, vergifte Böden, Flüsse und Meere, beschädige das Klima und bedrohe die Natur. Der Kapitalismus als "kannibalische Weltordnung" sei unreformierbar.

Neoliberalismus: Die beherrschende Wirtschaftsphilosophie des 20. Jahrhunderts. Danach ist der Staat zu dumm, um ihm die Verantwortung für das Wohlergehen der Menschen zu überlassen. Der Staat habe daher nur die Aufgabe, das Rechtssystem zu schaffen und die Eigentumsrechte zu schützen. Kernsatz ist die Aussage "Gier ist gut". Rechtfertigung ist die Befriedigung des Individualismus der Menschen durch den Markt. Da jeder eigene, verschiedene Bedürfnisse habe, könne nur der Markt Angebot und Nachfrage zusammenbringen. Erst der Zusammenstoß von Individualismus und Umweltschutz konnte zu einem wirtschaftlichen Umdenken führen. Die Wirkungen von Rationalität, Utilitarismus und Individualismus müssen genauer analysiert werden.

Gaia-Theorie (Name geht auf des Buch des Romanciers William Golding, Herr der Fliegen, zurück): Die Theorie geht auf die Arbeiten von James Lovelock und Margulis zurück. Danach kann man den Planeten Erde als einen sich selbst regulierenden Organismus begreifen, der seinen physikalischen Zustand verändert, um die für das Leben notwendigen Bedingungen aufrechtzuerhalten. Daher können nur plötzliche Klimawechsel, bei dem die natürlichen Rhythmen des Planeten in ein nicht vorhersehbares Chaos umkippen, das Gleichgewicht ins Wanken bringen. Die Gaia - Theorie des Naturwissenschaftlers Lovelock hat das ökologische Weltbild revolutioniert. 2019 wurde Lovelock 100 Jahre alt. Er ist Träger zahlreicher Umweltpreise, darunter der japanische Blue Planet Prize. "Warum sollen wir uns um die Erde sorgen, wo doch die Verpflichtung den Armen und Kranken unter uns gilt? Gott wird für die Erde sorgen." Mutter Theresa 1988.

Preservationists: Denkweise in Bezug zu Wildnis und Umwelt: John Muir (1838-1914). In Schottland wurde er geboren und wuchs in Wisconsin/ USA auf. Gebiete und Wildnis sollten als abgeschlossene Reservate ausgesondert und in möglichst unberührtem Zustand belassen werden. Dem Menschen sei das Bedürfnis nach Wildnis und natürlicher Schönheit angeboren.

Ökozentrismus: Vertreter waren Aldo Leopold (1887-1948) und  Arne Naess (1912-2009). Radikale Form des Umweltschutzes. Es geht um das Wohl des ökologischen Ganzen. "Integrität, Stabilität und Schönheit" von Ökosystemen und Arten.

Bevölkerungswachstum und Urbanisierung (Überbevölkerung): Das rapide Bevölkerungswachstum seit dem 18. und besonders im 20. Jahrhundert hat das Verhältnis zu den Ökosystemen radikal verändert. Ein weiteres Problem sind das Wachstum der Megastädte (27, erstmals lebt über die Hälfte der Menschen in Städten). Um eine Stabilisierung herbeizuführen ist eine bessere Bildung für Mädchen, Mit- und Selbstbestimmung für Frauen in der Familie und eine niedrige Kindersterblichkeit erforderlich. Die Zahl der Städte mit mehr als 10 Millionen Einwohner wächst ständig. Die größten Metropolen der Welt sind Tokio, Mumbai, Lagos, Schanghai, Jakarta, Dehli, Karachi, Peking, Sao Paulo und New York. Auch Dhaka, die Hauptstadt von Bangladesch, ist auf 15 Mio. Einwohner angewachsen. Rapide gewachsen  sind auch Bogota, Shenyang und London. Diese Städte müssen versorgt werden, so dass die Industrie dort mit wächst. Ein besonders großes Problem ist die Urbanisierung in China. Riesige Wanderungsbewegungen in die Industrie der Städte der Ostküste haben dort die Luftqualität drastisch sinken lassen (500 Mio. Menschen sind in den letzten 30 Jahren in die Städte gezogen). Vor allem die Städte, die nicht direkt am Meer liegen, sind betroffen. Hier vor allem Peking und Chongqing. In den Großstädten Deutschlands und Europas ist ein anderer Wandel zu beobachten: Wohnraum ist knapp und die Mieten steigen rasant an. Einkommensschwache Gruppen haben immer größere Schwierigkeiten. Auf der anderen Seite gibt es auch erhebliche Fehlinvestitionen beim Städtebau in China (Immobilieninvestoren könnten ruiniert werden und die Weltwirtschaft hart treffen). Dadurch sind sogar Geisterstädte entstanden (bis 2030 sollten laut der Regierung 1 Milliarde Menschen in Städten leben). Aber viele Menschen bleiben lieber auf dem Lande. Die zehn Städte in China mit den meisten offiziell gemeldeten Einwohnern sind Shanghai, Peking, Chongqing, Shenzhen, Guangzhou, InTianjin, Wuhan, Dongguan, Hongkong, Foshan, Chengdu (Mercator Institute for China Studies). In manchen Ländern sind die Megastädte extrem wichtig (Mexiko-Stadt 50% des BIP). Durch Urbanisierung verschärfen sich zentrale Umweltprobleme: Wasserknappheit, Müll, Luftqualität. Besonders kritisch ist die Situation in den "informellen Stadtlagen" (teilweise bis zu 50% der Stadt wie etwa in Mumbai). Indiens Hauptstadt Delhi hat wohl die schlechteste Luft der Welt (kaum Sicht im Winter, Smog). Dann folgt die chinesische Hauptstadt Peking. Zu den Umweltproblemen kommt der wilde Zustrom von Menschen in die Städte, wo sie Arbeit suchen. Die Kontrolle der Bevölkerung wird zum Problem. 33 der 50 europäischen Städte mit der schlimmsten Luftqualität liegen 2018 in Polen. Am schlechtesten schneiden die südpolnischen Städte ab, wo die bedeutendste Industrieregion liegt. Urbanisierung bringt Transportvorteile (weniger Energie) und fördert Innovationen. Bei Urbanisierung werden die Menschen dort reich im Vergleich zur Landbevölkerung. Das bringt Probleme mit sich. Im Sommer 2019 beschäftigt sich der Weltklimarat in Genf mit der Frage: Wie lässt sich die Ernährung einer rapide wachsenden Weltbevölkerung sicherstellen, ohne die Natur und damit die Existenzgrundlage zu zerstören? "The bicycle is the most civilized conveyance known to man. Other forms of transport grow daily more nightmarish. Only the bicycle remains pure in heart", Iris Murdoch, 1919-1999, Anglo-Irish Philosopher. Vor rund 5000 Jahren war Uruk in Mesopotamien (heutiger Irak) zwei Jahrtausende mit 40.000 Einwohnern die größte Stadt der Welt. Bekannt wurde sie durch das Epos über ihren König Gilgamesch. Im REM, Mannheim, findet 2013 eine Ausstellung statt. Nur drei von 74 Großstädten in China konnten 2014 den staatlichen Standard für gute Luft einhalten. Besonders betroffen ist die Hauptstadt Peking (fast unbewohnbar für menschliche Wesen).  Die Chinesen sehen den Ausweg darin, eine Monster-Metropole zu schaffen. Es soll eine Metropolregion von 130 Mio. Menschen entstehen. Sie soll Jingjinli heißen und die Städte Peking und Tianjin zusammenlegen. Stadtverwaltungen werden schon ins Umland verlegt. Pendler sollen mit Hochgeschwindigkeitszügen zu ihren Arbeitsplätzen kommen.  Das Ballungsgebiet hätte einen Durchmesser von mehr als 100 Kilometern. Im Oktober 2016 findet eine UN-Konferenz über die Urbanisierung statt. Sie ist in Quito, Ecuador. Die Konferenz heißt "HabitatIII". 54 Prozent der Menschheit leben in Städten, bis 2050 werden es zwei Drittel der Menschheit sein. 900 Mio. Menschen leben auf der Welt in Slums. Als lebenswerteste Stadt der Welt gilt Melbourne vor Wien. Ganz hinten liegt 2017 Damaskus (Studie der Zeitschrift Economist 2017). New York, eine der großen Metropolen der Welt, ist wie kaum eine andere Stadt 2020 von der Corona-Pandemie betroffen. Viele Bewohner kehren der Stadt den rücken. Sie könnte sich dauerhaft verändern. Ab 2021 baut Saudi-Arabien eine Mega-City am Roten Meer.

Dreckigste Stadt der Welt: Jahrelang führte diesen Titel Lanzhou in China, die Hauptstadt der Provinz Gansu in der Wüste Gobi. Dort gibt es viel Ölindustrie. Heute hat diesen zweifelhaften Titel Mexicali in Mexko an der Südgrenze von Kalifornien/ USA. Die Umwelt ist voller Gifte: Arsen, DDT, PCB, Chloran, Dieldrin, Hydrogensulfat, Rohabwasser. Vgl. Grenzwerte, in: Die Zeit Nr. 16, 15. April 2021, S. 31.

Flächenversiegelung (Flächenfraß, Flächenverbrauch): Immer weniger Menschen in Deutschland brauchen immer mehr Raum. 2011 bewohnt jeder Deutsche durchschnittlich 43 Quadratmeter. In den Metropolen in Deutschland herrscht Wohnungsmangel. Auf dem Lande werden mehr Häuser und Wohnungen gebaut als benötigt werden (Quelle: Baubedarfsanalyse 2017 des IW, Köln) . In Bayern ist eine Fläche versiegelt, die achtmal so groß ist wie der Bodensee. Pro Jahr wächst die versiegelte Fläche in Größe des Chiemsees. Folgen sind schlechtere Luft und mehr Überschwemmungen. außerdem geht Lebensraum verloren. Der Ursprungszustand kann kaum wiederhergestellt werden.  Der tägliche Flächenverbrauch, der zwar zurückgeht, ist aber immer noch mit 61 ha pro Tag viel zu hoch ist. Die Hälfte davon wird dann noch versiegelt. Ziel war bis 2020 auf 30 ha zu kommen. Das Ziel wird weit verfehlt. Der Bund setzt auch falsche Anreize, wie etwa das Baukindergeld. Die Kommunen müssten Obergrenzen festlegen. Von 1992 bis 2016 stieg die Siedlungs- und Verkehrsfläche von 40.305 auf 49.254 Quadratkilometer (+22,2%). Quelle: Umweltbundesamt, Halle, 2018. Die Schweizer machen als erstes Land 2019 eine Volksabstimmung "Zersiedlung stoppen". Es geht um die hässlichen, traurigen Vorstädte. Umweltverbände haben den Antrag eingebracht.

Wohnungsmarkt (in Deutschland, Boden): Es gibt in Deutschland wachsende Wohnungsnot und steigende Mieten. Das Problem besteht besonders in Ballungsgebieten. Der Anstieg der Mieten sollte durch eine Mietpreisbremse begrenzt werden. 2016 zeigt sich, dass diese Bremse überhaupt nicht wirkt. Das liegt auch daran, dass jedes Jahr 400.000 Wohnungen gebaut werden müssten. Tatsächlich wird nur etwa die Hälfte gebaut. Weiterhin fehlen vor allem bezahlbare Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen. Damit sich solche Wohnungen zum Bau lohnen, müssten die Baukosten drastisch sinken. Der Bestand an Sozialwohnungen schrumpft von Jahr zu Jahr. Es tauchen zunehmend Alternativen auf. Diese bieten Sharing- und Teilnutzungsplattformen. Steigende Mieten und Kaufpreise wollen alle Parteien bekämpfen, allerdings mit höchst unterschiedlichen Mitteln: Die CDU ist für Baukindergeld. Die SPD für Familiengeld und Preisbremse. Die Linke für Mietvollbremse und Sozialbau. Die Grünen sind für Daseinsvorsorge. Die FDP will einen Freibetrag. Die AfD will weniger Regeln und mehr Bauland. Besonders problematisch ist, dass jeder zweite Euro an Investitionen in Immobilien aus dem Ausland kommt (USA, GB, Südkorea, Frankreich, Schweiz, Kanada, Italien, Schweden). Die Wohnungskrise ist zum größten Teil eine Bodenkrise. Nur der Bund könnte die Spekulationen beenden.   Deutschland größtes und umstrittenstes  Wohnungsunternehmen ist Vonovia (knapp 350.000 Wohnungen, die meisten in NRW; früher Deutsche Annington; kaufte Wohnungen der öffentlichen Hand auf). Teure Städte in Deutschland sind Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf, München , Leipzig, Berlin. Am stärksten sind die Steigerungen zwischen 2012 und 2017 in Berlin (+28%) und Leipzig (+22%) vor München (21%). Bewertet man Grund und Boden sind sie in Berlin 523 Mrd. Euro wert (Köln 118 Mrd. Euro, Frankfurt 117 Mrd. Euro). Quelle: WiWo 44/26.10.18, S. 20ff. 

Metropolen und Mobilität: Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wohnten erstmals mehr Menschen in Städten als auf dem Land. 50 Jahre früher lebten noch 70 Prozent aller Menschen auf dem Land. Je komplexer eine Gesellschaft wird, desto weiter schreitet die Bildung von Metropolen. Metropolen haben  alle das Grundproblem, Mobilität sicher zustellen. Corona 2020 und 2021 verändert die Situation. die Stadtflucht wird befördert. Dei Pandemie verändert die Arbeitswelt. Menschen suchen wegen Homeoffice jetzt billigere und größere Wohnungen und Häuser im Umfeld der Städte.

Metropolen und Wachstum: Es wächst die Kritik in den Metropolen an Wachstum. In Berlin und New York empfindet man Wachstum zunehmend als Bedrohung (Amazon in N. Y., Google in Berlin). Besondere Sorgen bereiten die hohen Mieten. Die öffentliche Hand bekommt teilweise wieder Aufgaben zurück, die einst an private unternehmen übertragen waren.

Metropolen und Lebenshaltungskosten: Jahrelang führte Zürich in der Schweiz. ,2019 wird die Stadt von San Francisco abgelöst (schnelle Wachstum des US-amerikanischen Technologiesektors). Quelle: Deutsche Bank Research, Mapping the World´s Prices 2019, achter Report.

Stadtentwicklung: Forscher gehen davon aus, dass im Jahr 2050 mehr als zwei Drittel aller Menschen in Städten leben werden. Die Städte könnten nach unten wachsen, unter die Erde. Vorreiter sind Montreal, Singapur, Neapel, Helsinki und Tokio. Die Städte müssen sich verwandeln. Sie müssen den Gemeinsinn neu entdecken. Es wird neue Architektur geben (Hochhäuser aus Holz, Möhrenanbau). Das Warenhaus wir ein anderes werden (mit Bars und Wohnungen, Erlebnissen, Kultur). Die Mobilität muss neu gestaltet werden. Das Zusammenleben muss überdacht werden (Mehrgenerationenhäuser). Die Städte müssen auch gegen Hitzewellen, Sturzregen und Trockenheit gerüstet werden. Grüne Fassaden und Dächer kühlen Häuser ab. Unterirdische Becken fangen Niederschläge auf. Kies und Sand statt Asphalt nehmen Wasser auf. Parks und Deiche schützen vor Überschwemmungen.

Neue Wohnungen und Häuser: In Deutschland leben 2019 41% der Bevölkerung in kleineren Städten und Vororten. 36% wohnen in Städten. 23% sind in ländlichen Gebieten. Baupolitik und Wohnen müssten dringend geändert werden. Häuser verbrauchen zu viele Flächen. Die Wohnungen müssten wieder kleiner werden und in großen Häusern sein. Vgl. Der Spiegel Nr. 11, 13.3.21, S. 48ff. Interview mit der einzigen Wohnsozilogin in Deutschland Hannemann.

Ende der Innenstadt als Einkaufszone: Erst waren in den Fußgängerzonen der Innenstädte immer die gleichen Filialfolgen. Dadurch verbilligten sich die Fußgängerzonen. Amazon, Online-Handel und die Corona-Krise bedrohen die Innenstadt als Einkaufszone. Die Pandemie und die Lockdowns leeren die Innenstädte. Die Einzelhändler brauchen eigene Webshops. Nur 37% der Einzelhändler haben dies. Kulturschaffende (Museen, Galerien, Sammlungen) könnten die Lücken schließen. Aber dafür müssten die Mietpreise sinken.

Bodenversiegelung: Im Jahre 2021 waren 6,35% der Fläche Deutschlands versiegelt (22.718 Quadratkilometer, entspricht etwa der Fläche Hessens). Die Bodenversiegelung nahm von 1992 bis 2021 um 4879 Quadratkilometer zu. Quellen: Umweltbundesamt, Destatis.

Dörfer und ländliche Regionen: Es gibt eine Grundsatzdiskussion darüber, entweder ländliche Räume aufzugeben (weil gleichwertige Lebensverhältnisse nicht herstellbar sind) oder sie als soziale Orte zu pflegen und zu erhalten ("Bibliotheken, Freibäder und Grundschulen sind soziale Orte. Und wo ist Staatlichkeit, wenn die nächste Polizeistation 25 Kilometer entfernt liegt?" Claudia Neu (Kersten, Neu, Vogel: Politik des Zusammenhalts. Über Demokratie und Bürokratie, Hamburg 2019). Räume sollten nicht für Rechtsextreme freigegeben werden. Sie haben auch eine große Bedeutung für Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Das Berlin-Institut für Bevölkerung legt 2019 eine Studie vor: Es enthält auch ein Ranking von 401 Kreisen und Städten. Pirmasens aus der Westpfalz liegt dabei auf dem vorletzten Platz. Mit Blick auf Wirtschaft und Bevölkerungsentwicklung sind die Probleme größer als in vielen Regionen der neuen Bundesländer.

Dörfer im Speckgürtel der Großstadt: Mehr und mehr Großstädter entscheiden sich für ein Leben auf dem Dorf. Ursache sind die Immobilienpreise. Eine Rolle spielen auch die Zunahme des Homeoffice und der Digitalschub in der Provinz. Man versucht so, das Beste aus zwei Welten zu vereinen. Wichtig ist die Verkehrsinfrastruktur (S-Bahn). Aber auch die Einstellung verändert sich: Lust auf die Provinz! Das Dorf könnte davon profitieren. so wachsen mittlerweile die Metropolen in Deutschland auch langsamer. Die Corona-Krise beschleunigt dies. Das kann die Wohnungsmärkte in den Metropolen entlasten.

Landwirtschaft und Umwelt: Durch den Düngemitteleinsatz, die Schaffung von Agrarflächen durch Rodung, den Anbau von Energiepflanzen und den CO2-Ausstoß von Kühen sowie die Abgabe von Giftstoffe in Nahrungsmittel  ist auch die Landwirtschaft Zerstörer der Umwelt. In Europa ist etwa die Gegend um Moguer in Südspanien zu nennen: Durch die Erdbeermonokultur wird Natur verschlissen. Auch die Produktionsbedingungen und die Arbeitsbedingungen werden immer wieder kritisiert. 2011 wird in Deutschland ein Dioxinskandal  aufgedeckt. 150.000t Tierfutter wurden mit großen Mengen des Giftes Dioxin kontaminiert.

Nahrung: Die intensive Landwirtschaft trägt zut Umweltverschmutzung bei. Hinzu kommen Wachstumshilfen (Düngemittel) und Gifte (Pestizide). Schützende Wälder werden für den Anbau abgeholzt (Entwaldung). Es gibt weniger Fische im Meer (Überfischung). Invasive Arten bedrohen Ernten. Lebensmittel werden verschwendet. Der Wasserverbrauch ist zu hoch (extensiver Wasserverbrauch). Vgl. Gifford u. a.: Simply Klimawandel, München 2023, S. 48ff.

Erderwärmung als Gefahr für die Welternährung (Gutachten des IPCC 2019): Der Bericht des IPCC 2019 ist 1200 Seiten stark. Tausende Wissenschaftler haben den jeweiligen Stand der Forschung zusammengestellt. Die Staaten der Welt werden darin zur schnellen Kehrtwende bei der Landnutzung aufgefordert. Die Agrarwirtschaft verursache zu viele Treibhausgase; zu viele Wälder würden für Weideland abgeholzt. Etwa ein Viertel aller von Menschen verursachten Treibhausgase hänge mit der Bestellung des Bodens zusammen. Die Aufforstung solle vorangetrieben werden. Wälder und Moore sollten besser geschützt werden. Die ärmsten Länder in Afrika, Asien, Lateinamerika und in der Karibik haben das größte Risiko. Immer mehr Böden trocken auch aus und es kommt daher zu Missernten.

Waldbrände/ Brandrodung: Die großen Wälder dieser Welt haben großen Einfluss auf das Weltklima und die Umwelt. Durch Waldbrände, natürlich oder Brandrodung, werden im Schnitt 20% des CO2 freigesetzt. Besonders wichtig sind der Amazonas-Regenwald und die Wälder in Sibirien.

Bio-Dünger: Es gibt immer mehr Ansätze. so kann man verkohlte Holzmasse mit Stallmist kompostieren. Dann überzieht sie sich mit einer organischen Beschichtung. Dadurch kann die Pflanzenkohle die Nährstoffe besser speichern und besseren weiteren nährstoffreichen Boden aufbauen. Es soll eine neue Generation Grundwasser- und Klima schonender Düngemittel entwickelt werden. 

Thünens Ringe: Johann Heinrich von Thünen (1783-1850) gilt als Begründer der modernen Agrar- und Raumwirtschaft. Er hat einen Musterbetrieb im mecklenburgischen Tellow aufgebaut. 1926 veröffentlichte er sein Hauptwerk "Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Ökonomie". Er entwickelte darin ein Konzept für eine optimale räumliche Verteilung der Agrarproduktion. Direkt an der Stadt soll der Anbau leicht verderblicher und transportempfindlicher Güter liegen. Dann folgt Forstwirtschaft (Nutzholz). Den dritten Kreis bildet intensiver Ackerbau (Getreide). Dann kommt Koppelwirtschaft gefolgt von Dreifelderwirtschaft. Den äußeren Kreis bildet die Viehzucht.

Regionale Ökonomie: Entspricht im Grunde genommen der Konzeption von Thünen (modern ausgedrückt heute): Community Supported Agriculture (CSA), regionale Komplementärwährungen, de - globalisierte Wertschöpfungsketten.

Soziale Kosten: Die Summe aller gegenwärtigen und zukünftigen Kosten, die durch eine Transaktion ausgelöst werden, unabhängig davon, wer die Kosten trägt (vgl. R. Coase: The Problem of Social Cost, 1960). Konkret wird vor allem bei der Planung öffentlicher Projekte die Kosten-Nutzen-Analyse (KNA) angewandt. Die Bewertung der Umweltqualität steht dabei im Vordergrund, aber auch die Kosten des Umweltschutzes sind schwierig zu ermitteln. Vgl. E. Fees: Umweltökonomie und Umweltpolitik, München 2007,  291ff. .

Nettowohlfahrtsverlust: Nettoverlust der gesamten Rente (Konsumenten- und Produzentenrente, Deadweight - Verlust). Wohlfahrtsökonomische Modelle der Umweltökonomik unterliegen einem Wandel. So hat sich der Zielkonflikt zwischen Wirtschafts-Wachstum und Umweltqualität in hoch entwickelten Ländern durch Nachhaltigkeit aufgelöst. Trotzdem wird der Zwang immer größer werden, rein quantitatives Wachstum zugunsten von Ressourceneffizienz zurückzudrängen. "Markt und Wirtschaft haben eine dienende Funktion für den Menschen. Wachstum und Energieverbrauch muss entkoppelt werden. Dies wird eine grundlegende Änderung der Lebens- und Wirtschaftsweise nach sich ziehen", Norbert Röttgen, ehemaliger Bundesumweltminister. 

Allmendeproblematik (Aristoteles, 384-322 v. Chr., englisch: tragedy of the Commons; Tragik des gemeinsamen Besitzes): Was vielen gehört, wird mit geringerer Sorgfalt behandelt, da jeder vorzugsweise eher auf sein privates Eigentum achtet als auf das Gemeinschaftseigentum. Bekannt ist das Beispiel von Kleinbauern in England und Schottland im späten Mittelalter oder die globale Fischereiwirtschaft heute. Das Problem lässt sich entweder durch Privatisierung (im ersten Fall) oder durch staatliche Verfügungsgewalt in Kooperation (im zweiten Fall) lösen. Vgl. J Stiglitz: Die Chancen der Globalisierung, München 2006, S. 208ff. . Vgl. als grundlegende Quelle: Garret Hardin: The tragedy of the commons/ Die Tragödie der Allmende, in: Science, 162/ 1968, S. 1243-1248. Garret Hardin lebte von 1915 - 2003. In neuerer Zeit griff Elinor Ostrom (geb. 1933) die Idee wieder auf. Sie stellte die negative Sichtweise in Frage: Sie zeigte auf, dass es vielen Gemeinschaften gelingt, Ressourcen langfristig nachhaltig zu nutzen. 2009 bekam sie den Nobelpreis.

Alexander von Humboldt: Er lebte von 1769 bis 1859. Er wurde in Berlin geboren und starb dort (begraben im Schloss Tegel). Er studierte in Göttingen. Heute ist eine Stiftung nach ihm benannt. Sein Denken war revolutionär. Er gilt als der Wegbereiter der Ökologie und des Umweltschutzes. Er war wahrscheinlich auch der erste Naturschützer. Da er für seine Zeit ungeheuer alt wurde, konnte er viel publizieren. Er besuchte und erforschte die Natur vieler Länder: in Südamerika, Nordamerika. Allein 29 Bände schreib er über Südamerika. Er verfasste insgesamt 30.000 Briefe. Die meisten seiner Werke sind im Berliner Naturkundemuseum. Er sprach acht Sprachen und fasste so einen großen Teil des Naturkundewissens seiner Zeit zusammen. Die Erde würde aus einem Netz vieler Abhängigkeiten gebildet. Er spricht vom "Netz des Lebens". Weltberühmt wurde seine Panoramagraphik zur "Geographie der Pflanzen". 2019 wird sein 250. Geburtstag gefeiert. Er reiste auch durch Asien. Der Potsdamer Zoologe Ernst Haeckel nannte Humboldts Disziplin Mitte des 19. Jh. zum ersten Mal "Oecologie". Wahrscheinlich war Humboldt auch der erste Weltbürger. Ihn trieb nicht die Gier des Eroberers, sondern sein Wissensdrang als Forscher und sein Interesse als Humanist. Er war gut vernetzt und sehr offen.

Nicholas Stern (geb. 1946): Er ist ein britischer Ökonom und ehemaliger Vizepräsident er Weltbank. 2006 machte ihn die Veröffentlichung des Stern-Report berühmt (Leiter der Kommission des britischen Finanzministeriums). Es geht um die Folgen der globalen Erwärmung. Darin wird der Klimawandel als Ergebnis des größten Marktversagens aller Zeiten beschrieben. Vgl.. Kernfragen Wirtschaft, München 2019, S. 151. Der Ökonom Nicholas Stern war von 2000 bis 2003 Chefökonom der Weltbank. Heute ist er Professor an der LSE in London und berät die britische Regierung in Wirtschaftsfragen). Vgl. auch: HB 28.11.23, S. 10f. Interview mit ihm (er ist 77 Jahre alt).

Economics of Diversity: Partha Dasgupta, Uni Cambridge/ GB. Er stammt aus Bagladesch, hat an der Uni in Delhi/ Indien studiert. Er plädiert dafür, die Natur als Produktionsfaktor zu sehen. Er hat mehrere Reports für die UN erstellt.

Schwache Eigentumsrechte (Property Rights): Sie verursachen auch Umweltprobleme (vgl. Artikel vorher). Genauso wie der Schutz des Rechts am geistigen Eigentum Innovationen fördert, was in der Regel auch der Umwelt zugute kommt.

Natürliches Monopol: wenn ein Gut dem Ausschlussprinzip unterliegt, aber kein Konkurrenzverhältnis der Güternutzung besteht (vgl. Mankiw, VWL, Kap. 11, S. 247).

Moral Hazard (Moralische Wagnisse): Möglichkeit unehrlichen Verhaltens in Situationen, in denen das Verhalten nur unvollkommen kontrolliert wird. Die am Markt orientierte Umweltpolitik setzt bei ökonomischen Anreizen an, um sie gezielt zu instrumentalisieren: Umweltschutz durch Eigennutz. "Der Großteil der Ökonomie kann in vier Worten zusammengefasst werden: Menschen reagieren auf Anreize. Der Rest ist Kommentar", Steven Landsberg, US-Ökonom. Moral Hazard gibt es auch in anderen Bereichen, z. B. auf den Finanzmärkten: die Notenbanken können nicht suggerieren, dass sie nicht eingreifen. Also planen die Akteure dies ein, vgl. F. S. Mishkin: Housing and the Monetary Transmission Mechanism, Fed, Series, 40/ August 2007. Entscheidend für Moral Hazard ist nach jüngsten Forschungsergebnissen (Torgler, Levitt) das soziale Umfeld. auch die Angst vor Überführung (Kontrolle) hat einen Einfluss.

Asymmetrische Information: Situation, in der einer der Akteure systematisch besser informiert ist als der andere. Sie kann sowohl als versteckte Information, versteckte Absichten und versteckte Handlungsmöglichkeiten (hidden characteristics, hidden intentions, hidden actions) als auch als negative Auslese (adverse selection) auftreten. Informationsmängel und Unsicherheit sind auch Ursachen der Umweltverschmutzung. Als Marktlösungen bieten sich nach der Prinzipal-Agent-Theorie hier Screening, Signaling und Interessenharmonisierung an. Vgl. Neubäumer/ Hewel (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, Wiesbaden 2001, S. 636ff. . Das Gegenteil ist ein informationseffizienter Markt, auf dem das Grossman-Stiglitz-Paradoxon gelten kann: wenn alle relevanten Informationen eingespeist sind, hat ein Einzelner keinen Anreiz mehr, Informationen zu erwerben (Wertpapiermarkt). Vgl. Grossman, S./ Stiglitz, J.: On the Impossibility of Informationally Efficient Markets, in: AER, 1980. Die Informationsasymmetrie gilt auch auf anderen Märkten, wie z. B. auf dem Kreditmarkt. Akerlof hat das Grundprinzip auf dem Gebrauchtwagenmarkt dargestellt: George Akerlof: The Market for Lemon`s: Quality, Uncertainty and the Market Mechanism, in: Quaterly Journal of Economics, Vol. 84, 1970, S. 488-500.

Signaling und Screening von Informationen: Eine Aktion, von unterrichteter Seite unternommen, um private Informationen gegenüber einer unwissenden Partei aufzudecken. Beim Screening geht es um das Vorgehen einer uninformierten Partei, die informierte Seite zur Preisgabe der Informationen zu veranlassen. Bei einer Preissignalisierung besteht eine stillschweigende Übereinkunft, so dass ein Unternehmen eine Preiserhöhung verkündet und dabei hofft, dass der Konkurrent das gleiche tut.

Haftungsrisiken: Diese sind global völlig ungeregelt. Ein Grund ist mangelndes Eigenkapital von Unternehmen. Ein weiterer Grund liegt in der ökonomischen Bewertung. Fehlende Haftungsrisiken haben schon die Finanzkrise 2008 mit verursacht. Mit entscheidend waren sie auch beim Atomunglück in Japan 2011. Die Reaktorenbetreiber werden sich kaum verantworten müssen.

Ökosystemtheorie: Immer mehr Ökonomen wollen von Biologen lernen, wie komplexe Netzwerke in der Natur funktionieren. Beispiele sind Bienenstöcke und Ameisenhaufen. Die bestehenden Theorien der Ökonomie sind zu sehr auf Optimierung ausgerichtet.

Umwelt-Kuznets-Kurve: Ein besonders hoher Wohlstand schützt die Natur. Die Kurve sieht einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Umweltzerstörung und dem Pro-Kopf-Einkommen. Moderne Gesellschaften bringen weniger Umweltzerstörung, weil sie Wohlstand durch Dienstleistungen erreichen. Ein großer Fehler der Kurve ist, dass sie nicht berücksichtigt, dass Energieeffizienz eine Folge des Handels ist.

Öko-Enzyklika  des Papstes im Juni 2015 (Enzyklika über Klimawandel und Umweltschutz): Laudate sii - "Sei du gelobt" nach dem Eingangsvers der Schöpfungshymnen des Franz von Assisi (1181 - 1226). Hauptthese: Konsumismus und Kapitalismus sind die Ursachen eines weltweiten Klimawandels, und die Folgen treffen zuerst die Armen in den Entwicklungsländern (Umweltschutz und Bekämpfung der Armut zusammen denken; das System aus Finanzen und Technokratie verhindere ein Nachdenken über die Folgen des unheilvollen Wachstums). Der Papst plädiert für einen Ausstieg aus der Energiegewinnung mit Hilfe von Kohle und Gas.

Menschenbild in der Biologie: Der Mensch ist ein Erfolgsmodell der Evolution. Aufrechtgeher, Hände frei, Feuer, Arbeitsteilung, Fleisch als Kraftnahrung haben ihn die Natur erobern lassen ("intelligentes Tier"). Inzwischen bedroht er seine eigene Existenz durch Umweltzerstörung und Ressourcenverbrauch. Werden wir überleben? Dazu muss man die natürliche Programmierung betrachten. Skepsis ist angebracht.

Umweltbewusstsein: Ein mangelndes Umweltbewusstsein ist generell immer die Ursache von Umweltverschmutzung. Bildung und Erziehung können das Umweltbewusstsein langfristig erhöhen. Das Umweltbundesamt führt alle zwei Jahre eine repräsentative Studie zum Umweltbewusstsein in Deutschland durch: 2014 sind 82 Prozent der Befragten dafür, in Städten und Gemeinden nicht vorrangig die Interessen der Autofahrer zu bedienen. Stattdessen müssten Fuß- und Fahrradwege ausgebaut werden (ebenso Car-Sharing und öffentlicher Personennahverkehr). "Sich selbst verändern, um die Welt zu verändern", Christophe Andre.

Umweltmoral:  Es gibt einerseits einen angeborenen Sinn für Moral, auch in Bezug auf die Umwelt. Beim Heranwachsen wird dieser abgestimmt. Andererseits gibt es auch einen moralischen Relativismus. "Jeder glaubt ausnahmslos an seine eigenen Gewohnheiten und dass die Religion, in der er oder sie erzogen wurde, die beste ist.", Herodot, Historien, 500 v. Chr. So sind die Religionen, in denen Menschen mehrere Leben und Lebensformen haben, grundsätzlich moralischer in Bezug auf die Umwelt (Buddhismus, Hinduismus). Die meisten Experten bezweifeln aber, dass Moral und verhalten der Menschen die Umweltprobleme lösen können. Innovationen werden als wirksamer eingeschätzt.

Umweltbildung: Sie wurde in den letzten Jahrzehnten in allen Bundesländern verstärkt. Sie findet oft schon in Kindergärten und Grundschulen statt. Es kommen Profis zum Einsatz (Förster, Meerestaucher, Forscher).

Umsonst-Denken: Es ist Voraussetzung für die Ausbeutung der Natur. Es kann von Menschen wohl nicht überwunden werden. Menschen sind Treuhänder der Umwelt, die Verantwortung für ihr Tun übernehmen müssen. Insofern ist Artenschutz auch zu unserem Schutz. Ausbeutung muss etwas kosten. "Die zunehmende Knappheit der Natur beginnt, unsere Lebensgrundlagen zu zerstören und unsere Ertragsabsichten zu durchkreuzen. wir wachsen uns arm", siehe: Stuchtey, M./ Wallacher, J.: Eine kurze Geschichte des (mangelhaften) Artenschutzes, in: WiWo 50/ 9.12.22, S. 46f

Verhältnis der Menschen zur Natur: Es hat sich sicher im Laufe der Jahrtausende verändert. Wir wissen heute immer weniger über die Natur, weil wir sie immer seltener spüren. Helen MacDonald ist Wissenschaftshistorikerin an der Universität Cambridge in Großbritannien. Sie hat Bücher zu diesem Thema geschrieben. 2021 Abendflüge. Das Buch H wie Habicht von 2014 wurde ein Bestseller.

Gerechtigkeit: Man unterscheidet Leistungsgerechtigkeit, Chancengerechtigkeit und Ergebnisgerechtigkeit. Daneben werden oft noch Familiengerechtigkeit, Generationengerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit genannt. Es ist ein Dauerthema der politischen Diskussion, wenn effiziente Marktergebnisse als ungerecht empfunden werden. Nach Umfragen ist die gefühlte Ungerechtigkeit seit den 80er Jahren stetig gewachsen, seit 2008 sprunghaft. Viele glauben, dass Leistung nicht mehr gerecht gemessen wird. Auch Bildung kann Aufstieg nicht mehr garantieren. Es gibt nicht mehr genug Arbeit für alle, die arbeiten wollen. Der britische Sozialforscher Roger Wilkinson behauptet: Je ungleicher eine Gesellschaft, desto größer ihre sozialen Probleme. Insofern ist der wachsende Abstand zwischen Arm und Reich schlecht für alle (zusammen mit Kate Picket: Gleichheit ist Glück, 2010). Auch ungerechte Arbeitsbedingungen im Ausland werden oft angeprangert. 2011 werden Adidas und Puma der unmenschlichen Arbeit in El Salvador beschuldigt. Die Generationengerechtigkeit ist in Deutschland durch die dramatische demographische Entwicklung gefährdet. Die Menschen leben sehr lange, es gibt zu wenige Kinder. Wächst die Ungleichheit in der Gesellschaft, verliert die Demokratie. Wer Geld hat, kann mehr Einfluss nehmen.  In Potsdam steht die erste deutsche "Gated Community" (geschlossene, bewachte Wohnsiedlung). "Gerechtigkeit ist der Schlüssel für eine nachhaltige Wirtschaftsweise, wenn sie global funktionieren soll. Nur so kann man verhindern, dass die ökologische Frage gegen die soziale ausgespielt wird. Beide gehören zusammen und lassen sich nur miteinander lösen. Für diese neue Art der Gerechtigkeit müssen wir ein paar heilige Kühe der Wachstumszählung schlachten und andere Wege gehen. Damit können wir aber auch ihre zunehmend ausufernden Nebenwirkungen hinter uns lassen, Maja Göpel: Unsere Welt neu denken, Berlin 2020, S. 179f.

Unsere Welt neu denken: Vgl. Maja Göpel: Unsere Welt neu denken. Eine Einladung, Berlin (Ullstein) 2020. Klimawandel, zunehmende Konflikte zwischen Arm und Reich und die Polarisierung unserer Gesellschaften zeigen deutlich: Weitermachen wie bisher ist keine Option. Wir müssen grundsätzlich umdenken. In unserer heutigen Welt kommen nahezu gleichzeitig überall Systeme unter Druck, die über Jahrzehnte verlässlich funktioniert zu haben scheinen. "Es sind ja nicht nur der Klimawandel, das Plastik in den Weltmeeren, der brennende Regenwald oder die Massentierhaltung. Da sind auch die explodierenden Mieten in den Städten, die wild gewordenen Finanzmärkte, der immer größer werdende Graben zwischen Arm und Reich, zunehmende Burnout - Zahlen und die unüberschaubaren, vielschichtigen Folgen der Gentechnik und der Digitalisierung. Längst hat sich das Gefühl von Zeitenwechsel in unsere Wahrnehmung von der Welt eingeschlichen. Unsere Gegenwart wirkt zerbrechlich, während unsere Zukunft unaufhaltsam auf jene Szenarien zuzulaufen scheint, die wir aus Weltuntergangsfilmen kennen... Zukunft ist nichts, was bloß vom Himmel fällt, was einfach nur passiert. Sie ist in vielen Zeilen das Ergebnis unserer Entscheidungen". Das Buch ist wochenlang auf der Bestsellerliste des Spiegel. Es hat folgenden Inhalt: Eine Einladung. Eine neue Realität. Natur und Leben. Mensch und Verhalten. Wachstum und Entwicklung. Technologischer Fortschritt. Konsum. Markt, Staat und Gemeingut. Gerechtigkeit. Denken und Handeln. Wer weitermachen will. 2022 gerät Maja Göpel in Verruf. Sie hat das Buch nicht allein geschrieben. Hauptsächlich soll es von einem Ghostwriter stammen: Marcus Jauer, einem Journalisten, der im Buch nicht erwähnt wird. Vgl. Willeke, Stefan: Maja Göpel und der gute Geist, in: Die Zeit Nr. 33/ 11.8.22, S. 3. 2022 erscheint ein neues Buch von Maja Göpel: "Wir können auch anders. Aufbruch in die Welt von morgen", Ullstein. Es geht unter anderem um die materielle Versorgung als Priorität, um Normalität und Stabilität. Behandelt werden wichtige Märkte im Umweltbereich, z. B. der Strommarkt, Kriterien für Erfolg. Göpel stellt die Wissenschaftskommunikation in den Mittelpunkt. Jauer wird jetzt namentlich genannt.  Vgl. interview mit ihr in Der Spiegel 36/ 3.9.22, S. 103ff.

Beziehung den Umweltgedankens zu Karl Marx: Kohei Saito: Systemsturz. Der Sieg der Natur über den Kapitalismus, München (dtv) 2023. Der japanische Philosoph, der an der HU in Berlin promoviert hat, analysiert die Verflechtung von Kapital, Natur und Gesellschaft. Dabei entdeckt er den Gedanken von Karl Marx neu und entwickelt mit seiner Hilfe das Modell für eine gerechte Gesellschaft im Zeitalter des Anthropozän. Das Wirtschaftswachstum der Moderne versprach uns ein Leben im Wohlstand. Jedoch wird durch dei Umwelt- und Klimakrise klar, dass es gerade das Wirtschaftswachstum ist, das die Grundlagen des menschlichen Wohlstands untergräbt. Gleichzeitig hält uns der Glaube, dass der Erfolg im Kampf gegen den Klimawandel davon abhängt, wie viel jeder Einzelne von uns tut, davon ab, einen notwendigen Systemsturz einzuleiten. Kaito sieht den Klimawandel auch als Folge einer imperialen Lebensweise. Er zeigt die Grenzen des Klima - Keynesianismus auf. Der kapitalistische Degrowth sei nicht erfolgreich. Er entdeckt Marx wieder im Anthropozän. Seine Hoffnung setzt Saito auf den Degrowth - Kommunismus.

Klima, Klimawandel und Erwärmung der Erde: Die Zirkulation in der Atmosphäre, die verschiedenen Meeresströmungen, der Kohlestoffkreiskauf und auch regionale Ereignisse bestimmen das Klima. In diese natürlichen Abläufe greift der Mensch ein. Die Landwirtschaft erzeugt Methan, ein Gas mit intensiver Treibhauswirkung. Der Mensch greift in den CO2-Kreislauf ein, indem er den Stoff durch Produktion erzeugt oder indem er die Absorptionen (Wasser, Ozeane, Wald, Urwald, Moore) beseitigt. Eisflächen und Gletscher schmelzen und verändern dadurch das Wetter und die Niederschlagsmenge. Das Ozonloch vergrößert sich und verstärkt die Sonneneinstrahlung. Vgl. zu einer ausführlicheren Analyse den Abschnitt über Klimawandel hier. Vgl. zu einer verständlichen Gesamtdarstellung Sven Plöger: Zieht Euch warm an, es wird heiss! Den Klimawandel verstehen und aus der Krise für die Welt von morgen lernen, Frankfurt/ Main (Westend) 2020.

Umweltvergehen: Sie werden weltweit von der Umweltbehörde der Vereinten Nationen (Unep) registriert. Umweltverbrechen haben im Jahre 2015 die Weltwirtschaft 258  Mrd. Dollar gekostet. Gegenüber dem Vorjahr war das eine Steigerung um 26 Prozent. Etwa die Hälfte kann der illegalen Abholzung von Wäldern zugeschrieben werden. Ein Teil geht auf die unrechtmäßige Entsorgung von Elektro-Schrott zurück (4 Mrd. $).

Lust auf Konsum (Überkonsum): Wachsender Konsum und das, was davon übrig bleibt, der Müll führen auch zu Umweltverschmutzung. Steigender Lebensstandard hat bei vielen Konsumgütern zu einer Explosion der Nachfrage geführt. Die Erde braucht dringend Verbraucher, die ihre Einkäufe überdenken. Besonders gefährlich sind "Cocktaileffekte", die sich durch die Wechselwirkung mehrerer Stoffe ergeben (Chemiecocktail). Der Überkonsum bedroht auch lebenswichtige Ressourcen auf der Erde: das Wasser, die Fischerei, die Viehhaltung (richtige Viehzucht).  "Unser Konsumverhalten im reichen Westen ist nur durch die Externalisierung der Kosten möglich. Es macht uns auch nicht glücklich, Besitz und Status als Marker für unseren Stellenwert zu setzen. Die Rolle und Art von Konsum in unseren Gesellschaften zu ändern ist daher ein wichtiger Schlüssel zu Nachhaltigkeit. Die Versöhnung von sozialen und ökologischen Zielen sollte daher im Zentrum stehen", siehe Maja Göpel: Unsere Welt neu denken, Berlin 2020, S. 135.

Klimakiller Wohlstand: Der jährliche Pro-Kopf-Ressourcenverbrauch in Deutschland (und wohl auch in anderen Ländern) steigt mit dem Haushaltseinkommen: Bei einem Einkommen über 3000 €  liegt der Energieverbrauch bei 21,5 (in tausend kWh) und die CO2-Emissionen bei 7,0 (in Tonnen CO2-Äquivalente). Quelle: Umweltbundesamt 2018.

"Grüne Lüge": Greenwashing der Konzerne. Selbstbetrug ökologisch bewegter Konsumenten. Wohlstand ist lebbar, nur eben grün, fair und sauber. Die Umweltstörung geht trotzdem weiter wie bisher. Diese Position vertritt etwa die Globalisierungskritikerin Kathrin Hartman.

Globale Arbeitsteilung: Institutionelle Innovationen. Die Funktionsweise müsste durch die internationale Politik umgebaut werden. Also könnten bestehende Mechanismen geändert werden: Ressourcengewinnung durch Entsiegelung und Rückbau. Re-Building, Re-Manufactoring, Konversion. Reparabilität und Modularität. Psychisch und kulturell dauerhaftes Produktdesign. Effiziente und konsistente Technologien. Umgestaltung statt Neuproduktion. Vgl. Paech, Niko: Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie, München 2012, S. 151.

Öko-Dumping bzw. Pollution Haven Hypothese: Die stark Umwelt verschmutzende Industrie verlagert ihre Standorte in Länder mit einer schwachen Umweltgesetzgebung. Es gibt darüber keine eindeutige empirische Evidenz.

Race-to-the-Bottom-Hypothese (RTB-Hypothese): Besagt, dass Unternehmen für Investitionen diejenigen Länder auswählen, in denen sie die höchsten Gewinne machen können. Hohe Steuern und strenge Regeln für Umwelt- und Arbeitnehmerschutz schmälern die Gewinne. Um eine Kapitalflucht zu vermeiden, werden Länder gezwungen sein, immer niedrigere Standards zu setzen.

Flugverkehr: Im Jahr 1970 wurden rund 300 Mio. Passagierflüge absolviert. Bis zum Jahre 2015 ist diese Zahl um mehr als das Zehnfache auf über 3,2 Mrd. gestiegen. Dieses Wachstum war im Wesentlichen die Folge fallender Preise und veränderter Geschäftspraktiken in Folge der Globalisierung. Auf der anderen Seite erhöhte sich die Kraftstoffeffizienz. Der Kerosinverbrauch konnte erheblich reduziert werden. Vgl. Tony Juniper: Unsere Erde unter Druck, München 2017, S. 100f.

Lärm: Der Lärm nimmt insgesamt zu, man kann ihm kaum entkommen (auch auf dem Land nicht). Wir leben in einer akustisch totalitären Gesellschaft. 113 Mio. europäer leben in einer Umgebung mit gesundheitsschädlichen Lärmwerten (Quelle: Europäische Umweltagentur (EEA: Bericht "Lärm in Europa - 2020"). Jeder Fünfte in der EU sowie Island, Norwegen, Liechtenstein, Schweiz haben dauerhaft Lärm mit einer Lautstärke von mehr als 55 Dezibel. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt 30 Dezibel für erholsame Nächte und maximal 40 für stressfreie Tage. Größter Lärmverursacher ist der Straßen-Verkehr. Weitere Quellen sind Züge, Flugzeuge und die Industrie.

Zeit: In der Umwelt ist die Zeit extrem wichtig. Nachhaltigkeit verlangt einen großen Zeithorizont. Für den Menschen, d. h. ein Leben, ist die Zeit dagegen kurz bzw. es ist eine Frist gesetzt. Der Gott der Zeit "Chronos" verkörpert die knappe, unerbittliche Zeit. Der Gott "Kairos" verkörpert die rechte Zeit, den glücklichen Augenblick. So war das Verhältnis der alten Griechen zur Zeit definiert. Heute setzen wir auf Timing: Wir versuchen die Zeit zu berechnen und optimal zu nutzen. Gutes Timing ist Kalkulation und Intuition. Im Umweltbereich argumentieren wir nicht mit unserem bzw. einem Leben, wir sorgen uns um unsere Kinder, Enkel, also um um die nachfolgenden Generationen. "Kostbare Zeit. Wir müssen erkennen, dass der einzige Moment, über die wir Kontrolle haben, der jetzige Augenblick ist. Die Art und weise, wie wir unsere Zeit nutzen, wirkt sich auch auf unsere Zukunft aus. Betrachten wir die Zeit als Geschenk, gewinnt sie sofort an Bedeutung. Sie wird zu etwas, das wir schätzen und aus dem wir das Beste machen wollen. Der einzige Weg, eine schöne Zukunft zu gestalten, ist, das Beste aus dem gegenwärtigen Moment zu holen", Dadi Janki, aus: "365 Days of Wisdom". "Die Lieblingsdinge in meinem Leben kosten kein Geld. Völlig klar ist: Die kostbarste Ressource, die wir alle haben, ist Zeit", Steve Jobs, Mitbegründer von Apple. "Wir müssen jetzt Bereiche definieren, in denen Wachstum, Beschleunigung und Effizienz nicht die einzige Maxime sein dürfen. In denen es erlaubt sein muss, sich Zeit zu nehmen", Lisa Suckert, in: Wiwo 40/ 25.9.2020, S. 44f. (Essay-Preis der Hertie-Stiftung, dritter Preis). "Die Zeit , die ist ein sonderbar Ding. Wenn man so hinlebt, ist sie rein gar nichts. Aber dann auf einmal, da spürt man nichts als sie: Sie ist um uns herum, sie ist auch in uns drinnen...Manchmal hör` ich sie fließen unaufhaltsam. Manchmal steh` ich auf, mitten in der Nacht, und lass` die Uhren alle stehen. Allein, man muss sich auch vor ihr nicht fürchten". Monolog der Marschallin, Hugo von Hofmannsthal/ Richard Strauss, Der Rosenkavalier, 1911.

Eine neue, ökologische Ökonomie müsste folgende Kriterien erfüllen: 1. Die ökonomischen Ziele als solches müssen in Frage gestellt werden (insbesondere Wachstum). 2. Die Messkonzepte müssen verändert werden (bis heute misst die Weltbank Naturkapital nicht in Hektar, Biodiversität, Sauberkeit, sondern in Form von Einnahmen aus ihrer Nutzung). 3. Ein konsequentes Bezahlen für Umweltverbrauch muss gewährleistet sein. 4. Die Integrationsformel für Umwelt und seine Fassung im Drei-Säulen-Modell haben die Kernprobleme verschleiert. 5. Lebensqualität muss stärker einfließen. 6. Die Grenzen sind erreicht, so dass einen neue Utopie der Ökonomie gebraucht wird. Vgl. Maja Göpel: Das Ende des Homo oeconomicus, in: Futur zwei, Nr. 5/ 2018, S. 14ff. Frau Göpel ist Mitglied des Club of Rome (vgl. auch: Dies.: The Great Mindshift, 2016/Springer). Es muss auch konsequent definiert werden, welche Natur geschützt werden soll. Es muss ein ökologisch definierter Rahmen des volkswirtschaftlichen Strukturwandels geschaffen werden. Degrowth und freiheitliches Wirtschaften gehen nicht zusammen. Vgl. Michael Hüther: Marktwirtschaft + Öko, in: Futur zwei, 5/ 2018, S. 30f.

Postwachstumsökonomie (ökologische Ökonomik, Climate Economics): Alternative zum Denken in Wachstumskategorien und zur neoklassischen Volkswirtschaftslehre, die die Finanzkrise 2008 nicht vorhergesehen hat.  Wachstumskritik. Vertreter: Niko Paech. Vgl. Felix Rohrbeck, Der Verstoßene, in: Die Zeit, Nr. 11, 09. März 2017, S. 28. Der Nachhaltigkeitsaspekt sollte eigentlich Bestandteil jeder Volkswirtschaftslehre sein, insofern ist der Begriff tautologisch. Eine ökologische Priorität ist sowieso unerlässlich für das Überleben der Menschheit. Paech will die gesamte Wirtschaft schrumpfen. Er will das sogar im Alltag vorleben. Der britisch Ökonom Tim Jackson rechnet sich auch der Bewegung zu (im Englischen "Degrowth"). Gegner dieser Bewegung verweisen immer wieder darauf, dass man Wachstum braucht, um einen Sozialstaat zu finanzieren (Umverteilung). Vgl. Katharina Matheis: Es reicht jetzt, in: Wirtschaftswoche 1/2 2018, 05.01.18, S. 62f. Paech entwirft eine Konzeption, um institutionelle Innovationen politisch zu flankieren: Bausteine sind 1. Suffizienz. 2. Subsidenz. 3. Regionale Ökonomie. 4. Globale Arbeitsteilung. Zur Postwachstumsökonomie hinzu kommen müssen eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 20 Stunden und ein entkommerzialisierter Bereich. Vgl. Paech, Niko: Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie, München 2012. Vgl. auch: Wellbeing Economy Alliance (Globales Netzwerk von Organisationen und Individuen, die zu einer Ökonomie im dienst von Natur und Menschen forschen, experimentieren, publizieren, sich organisieren und zunehmend vernetzen): https://www.wellbeingeconomy.org . "Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wenig braucht", Niko Paech (Umschlagsrückseite). Vgl. zur Postwachstums-Ökonomie auch: Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum, München 2017, insbesondere S. 230ff.

Donut-Ökonomie: Neues Modell zur Beschreibung nachhaltigen Wirtschaftens. Kate Raworth: Die Donut-Ökonomie, München (Hanser) 2018. Die englischsprachige Originalausgabe ist 2017 in London erschienen: Doughnut Ecomomics. Seven Ways to think Like a 21sr-Century Economist. "Das Wesen des Donuts: ein gesellschaftliches Fundament des Wohlergehens, unter das niemand abstürzen sollte, und eine ökologische Decke des planetarischen Drucks, über die wir nicht hinausgehen sollten. Zwischen beiden Bereichen liegt ein sicherer und gerechter Raum für alle", S. 20. Wenn das Ziel der Menschheit im 21. Jahrhundert darin besteht, in das Innere des Donuts zu gelangen, welche ökonomische Denkhaltung eröffnet uns dann die besten Chancen, dies zu erreichen?", S. 20.  "Das machtvollste Werkzeug in der Ökonomie ist nicht das Geld, auch nicht die Mathematik. Es ist der Bleistift. Denn mit einem Bleistift kann man die Welt neu zeichnen", S. III. Vglwww.kateraworth.com Ihr Konzept besteht aus sieben Denkansätzen: 1. Das Ziel ändern. Der Donut. 2. Das Gesamtbild erfassen. Eingebettete Ökonomie. 3. Die menschliche Natur pflegen und fördern. Sozial anpassungsfähiger Mensch. 4. Den Umgang mit Systemen lernen. Dynamische Komplexität. 5. Auf Verteilungsgerechtigkeit zielen. Von vornherein Verteilungsgerechtigkeit anstreben. 6. Eine regenerative Ausrichtung fördern. Von vornherein regenerativ ausrichten. 7. Eine agnostische Haltung zum Wachstum einnehmen. Agnostisch gegenüber  Wachstum. Ihr Buch wurde bis 2021 in 18 Sprachen übersetzt. Sie betreibt mittlerweile auch ein Active Lab (Practice). Vgl. https://doughnuteconomics.org . Ratworth lehrt in Amsterdam und forscht in Oxford. Ihr Werk ist eng mit dem Gedankengebäude der Gemeinwohl-Ökonomie verbunden. Es gibt in Deutschland viele Regionalgruppen. Vorlesungen von ihr zu ihrer Konzeption findet man auch bei YouTube.

3-Säulen-Modell: Es begründet, dass Nachhaltigkeit nur dann möglich ist, wenn ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte gleichermaßen berücksichtigt werden.

Verändertes Konsumverhalten durch Corona? : Kann man den Konsum so verändern, dass die Natur überleben kann? Diese Frage wird durch die Corona-Krise besonders virulent. Grob gibt es zwei Antwortgruppen: "Mehr" oder "weniger" Konsum. Mehr ist durch weniger Verbrauch von Rohstoffen möglich, also nachhaltig. Aber der CO2-Ausstoß steigt. Weniger Konsum sei durch vegane Ernährung, weniger Tourismus und mehr Freizeit möglich. Mehr Geld und Konsum mache nicht glücklicher (Glücksforschung). Corona scheint aber das Verhalten der Menschen nicht nachhaltig verändert zu haben. Führende Wirtschaftswissenschaftler geben eine unterschiedliche Einschätzung dazu: Tim Jackson und Dennis Meadows halten eine schrumpfende Wirtschaft in Zukunft für möglich. Clemens Fuest vom Münchener Ifo-Institut verteidigt die Freiheit der Konsumentscheidung. Marianna Mazzucato und Jeffrey Sachs wollen eine neue Art von Wachstum. Claudia Kempfert beschreibt die Bedingungen dafür. Der Wachstumspapst Robert Solow  sieht einen steinigen Weg bei weniger Wachstum. Vgl. Die Wende zum Weniger, in: Die Zeit Nr. 29, 9. Juli 2020, S. 19ff.

Theorie und Handeln: Wir wissen fast alles, was zu tun ist, um die Klimakrise zu lösen: Der CO2-Austoß muss gesenkt werden, der Flächenverbrauch, insbesondere von Grün- und Waldflächen, muss zurückgefahren werden, unsere Mobilitätsprofile müssen sich ändern. Es gibt kaum eine Krise und kollektive Aufgabe, über die wir mehr wissen und bei der es weniger Differenzen und Konflikte über die Ursachen des Problems gibt. Dennoch scheint es schwierig, die gesteckten Ziele zu erreichen. 1,5 Grad werden vereinbart, aber dann ist die Frage "wie?". Damit kommen wir zum nächsten Punkt. Über die Wege und Instrumente gibt es harte Auseinandersetzungen.

Literatur und Umwelt: Schon 1851 schrieb Hermann Melville Moby - Dick. Der Wal war Methapher für den Raubbau an der Natur, eine Ahnung. Heute äußerte sich der Literaturnobelpreisträger auch zur Umwelt.   Bob Dylan zur Corona-Pandemie und zur aktuellen Lage einschließlich Klima (in einem der seltenen Interviews): "Ich bin davon überzeugt, dass wir es bisher nur mit Vorläufern zu tun haben. ... Extreme Arroganz kann katastrophale Folgen haben. Vielleicht befinden wir uns am Vorabend des Weltuntergangs. Es gibt viele Möglichkeiten das Virus zu erklären. Ich schätze, man sollte die Dinge einfach ihren Lauf nehmen lassen." Siehe Focus 28/2020, S. 77 (Telefon-Interview mit Douglas Brinkley). "Murder Most Foul" zeugt von einer apokalyptischen Grundstimmung. Technologie und Hyperindustrialisierung könnten sich letztlich gegen das menschliche Leben auf der Erde wenden. 2020 ist Bob Dylan auf der Höhe seines Ruhmes. Das aktuelle Album "Rough and Rowdy Ways" erreicht erstmals Platz eins in den deutschen Charts. Der Song "Murder Most Foul" wird der erste Nummer-eins-Hit in den Billbord Charts der USA. Es kann als Kommentar zur Zeit gelesen werden. 2012 hatte er die Freiheitsmedaille in den USA erhalten, 2016 den Literaturnobelpreis. Weitere wichtige Bücher und Bestseller zu dem Thema sind: Frank Schätzing: Der Schwarm. T. C. Boyle: Blue Skies, 2023.

 

 

Mopeds und Motorroller ("Eisen-Wasserbüffel" genannt; sie transportieren "alles außer Elefanten") in Saigon/ Vietnam. Saigon (eigentlich Ho Chi Minh-Stadt) ist die größte Stadt Vietnams mit über 15 Mio. Einwohnern. Alle Städte in Vietnam und den Nachbarländern werden durch dem Mopedverkehr geprägt. Als Fußgänger ist man sogar auf den Bürgersteigen verloren. Es gibt zu wenig ÖVP und keine U-Bahnen (werden zur Zeit gebaut in Kooperation mit Japan). Die "fliegenden Särge" (öffentliche Busse) sind in jeder Hinsicht überfordert. Man fragt sich, wie Asien und viele anderen Länder ihre Verkehrs- und Umweltprobleme in den Griff kriegen wollen. Die Städte wachsen stark, weil die dort im Umkreis vertretenen ausländischen Direktinvestitionen gute Arbeitsplätze bieten.  Dagegen wirken deutsche Städte mit ihrer Luft und ihren Straßen ruhig und sauber.  Da redet man noch nicht über die Wohnsituation, die Abwasserkanäle und die Stromversorgung. Noch schlimmer ist die Situation in Delhi oder Mumbai (Kalkutta)/ Indien. Mittlerweile machen auch in Istanbul motorisierte Kuriere Straßen und Gehwege unsicher. Bummeln und flanieren geht nicht mehr in der Stadt. Man muss ständig hochkonzentriert sein, um sich vor den rasenden Moped-Kurieren zu retten. 2019 gab es schon 18 Tote und rund 4500 Verletzte in Istanbul mit Mopeds bzw. Motorrollern. Diese Entwicklung könnte vielen Großstädten in der Welt bevorstehen, weil die Straßen heillos verstopft sind und man mit anderen Verkehrsmitteln nicht mehr durchkommt. Die Städte brauchen weltweit dringend neue Mobilitätskonzepte. Als vorbildlich gilt etwa Kopenhagen in Dänemark.

 

 

Politik (Umweltpolitik; insbesondere als Staatsaufgabe bzw. öffentliche Aufgabe; aber auch sozial-ökologische Marktwirtschaft; Mobilität und Verkehr; betriebliche Umweltpolitik im nächsten Abschnitt; die Umweltpolitik gehört zur Finanzpolitik; für Asien, hauptsächlich China, Indien, Russland, Südkorea und Japan, ist sie ausführlicher auf der entsprechenden Seite "Asien und China" dargestellt). Ein kompakter Artikel zur Umwelt und Umweltpolitik findet sich auf der Site "Casestudy/ Narrativ/ Themen/ Praxis".

Ziele der Umweltpolitik: Der Global Challenges Index (GCX) der Börse Hannover konkretisiert das Thema Nachhaltigkeit und konzentriert sich auf sieben zukunftsrelevante Handlungsfelder: 1. Die Bekämpfung der Ursachen und Folgen des Klimawandels. 2. Die Sicherstellung eine rausreichenden Versorgung mit Trinkwasser. 3. Die Beendigung der Entwaldung und die Förderung nachhaltiger Waldwirtschaft. 4. Der Erhalt der Artenvielfalt. 5. Der Umgang mit der Bevölkerungsentwicklung. 6. Die Bekämpfung der Armut. 7. Die Unterstützung verantwortungsvoller Führungs- (Governance-) Strukturen. 

Instrumente der Umweltpolitik: Es gibt verschiedene Systematiken. Eine der bekanntesten ist die Einteilung in nichtfiskalische, fiskalische und marktorientierte Instrumente. Zu den den nichtfiskalischen werden Auflagen, Kooperationslösungen und Benutzervorteile gerechnet. Fiskalische Instrumente sind Abgaben und Gebühren sowie Steuern. Zu den marktwirtschaftlichen rechnen die Zertifikate (auch Abgaben).

Auswahl umweltpolitischer Instrumente (Beurteilungsraster für die Umweltpolitik): Effektivität, Effizienz, wirtschaftspolitische Verträglichkeit, administrativ-rechtliche Praktikabilität, politische Durchsetzbarkeit, Förderung des Umweltbewusstseins, Beachtung der Prinzipien der Umweltpolitik, Evaluation.

Strategien der Umweltpolitik: Zwei grundsätzliche Strategien sind erkennbar. Der eine Weg will eine florierende Wirtschaft (Wirtschaftswachstum) nutzen, um auf saubere Technologien umzusteigen. Bei dem anderen Weg geht es um radikalen Verzicht, insbesondere von Konsum. "Die Zeit rennt uns davon", Ottmar Edenhofer, designierter Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) 2018.

Grundsätzliche Kritik an der Umweltpolitik, insbesondere der Energiewende: Das beste Buch in dieser Hinsicht ist das von Vince Ebert: Lichtblick statt Blackout. Warum wir beim Weltverbessern neu denken müssen, München (dtv) 2022, 7. Auflage. Ebert, Jahrgang 1968,  studierte Physik und startete 1998 seine Karriere als Kabarettist. Eines seiner Bühnenprogramme trägt den Titel "Make Science Great Again". Ebert lebt heute in Wien, er verbrachte auch einige Zeit in den USA. Ebert analysiert sehr scharfsinnig Mythen und Halbwahrheiten: Mythos 1 Wir müssen der Wissenschaft folgen. Mythos 2 Die Welt wird immer schlimmer. Mythos 3 Klimaschutz ist der Megatrend. Mythos 4 Energie lässt sich wenden. Mythos 5 Nachhaltigkeit. Er spricht von Denkfallen und Irrationalitäten. Dieser Teil ist besonders lesenswert. Er hält Weltretten für Religionsersatz, spricht von fehlerhafter Risikoeinschätzung und Überforderung durch Komplexität. Ebert hält auch Lösungen und Alternativen parat: Mehr Technikoffenheit, mehr Praxis, mehr Pragmatismus, mehr Bildung, mehr Optimismus. Müsste Pflichtlektüre für alle Grünen werden, um sie von der Ideologie zu beffreien.

Umweltpreis als gerechter Preis: Die Umwelt muss einen angemessenen Preis bekommen. Biologische Wertschöpfung müsste eingerechnet werden (z.B. Wert der Bienen bei der Befruchtung). Versteckte Kosten und regenerative Prozesse müssen hinzugefügt werden. Vgl. Maja Göpel: Unsere Welt neu denken, 2020 (Generalsekretärin des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen). die Idee eines gerechten Umweltpreises ist über 40 Jahre alt. Wir haben uns schon im Studium damit beschäftigt. Die entscheidende Frage ist, wie man einen solchen Preis in der Praxis umsetzen könnte.

Sozial-ökologische Marktwirtschaft:  Eine gute Klimapolitik sollte die Märkte unterstützen. Die konsequente Bepreisung von CO2-Emissionen ist dabei wesentlich. Schmutziges Verhalten muss teurer werden, und das entlang der ganzen Wertschöpfungskette. Gutes Gewissen und günstige Preise müssen zusammen fallen. Man muss klare Kriterien haben, um klimapolitische Einzelmaßnahmen zu bewerten. Die Gemeinde sollte Vorreiter der Klimapolitik sein (Solaranlagen auf den Gebäuden, Umstellung der Fahrzeugflotte, Radwegenetz, Infrastruktur. Markt und Staat werden gebraucht. Bund und die EU müssen schneller werden (Solar- und Windenergie, Kohleausstieg, Kooperationen). Innovationen müssen diesen schnellen Wandel schaffen. Vgl. Wambach, Achim: Klima muss sich lohnen. Ökonomische Vernunft für ein gutes Gewissen,  Freiburg, Basel, Wien 2022

Klima-Bürgerräte: Zwei Grundmerkmale der Klimapolitik werfen die Frage auf, wo die Grenzen der Bürgerräte liegen: der Mechanismus der Ambitionssteigerung und die Multi-Level-Governance. Vgl. Vogas, A. A./ Pogrebinschi, T.: Auf dem Weg zu echter Partizipation, in: WZB Mitteilungen H. 174/ Dezember 2021, S. 9ff.

Volksentscheide über Klimaziele: Berlin versucht im März 2023, ehrgeizigere Klimaziele zu setzen. Die benötigte Mindestzahl von Stimmen kommt nicht zustande.

Klimaschutzpaket Deutschland 2019: Das Klimaschutzpaket bzw. -programm wird am 20.09.19 vom Bundeskabinett beschlossen (so sollen die CO2-Ziele bis 2030 erreicht werden): 1. CO2-Preis (fossile Brennstoffe, ab 2021 Festpreis 10€ pro Tonne, bis 2025 schrittweise auf 35€, später ab 2026 bis 60€). 2. Geringere EEG-Umlage (sie sinkt mit den Einnahmen aus dem CO2-Preis, sozialer Ausgleich). 3. Zuschüsse zu E-Autos. 4. Austausch von Ölheizungen fördern (bis zu 40%). 5. Mehrwertsteuer auf Bahntickets senken. 6. Pendlerpauschale ab 2021 auf 21km befristet bis 35 Cent steigen. 7. Höheres Wohngeld (für Heizkostenerhöhung). 8. Veränderungen für die Landwirtschaft (vermehrt Biogasanlagen, Ausweitung ökologisch bewirtschaftete Flächen, Schutz der Moore).  Bis 2023 mehr als 50 Mrd. € (keine Neuverschuldung). Es ist ein Einstieg, aber es muss bedeutend mehr kommen (der CO2-Preis ist sehr niedrig und dürfte folglich nicht Verhaltens - Änderungen hervorrufen; Experten rechnen erst ab 50€ pro Tonne mit anderem Verhalten). Es ist vor allem ein Signal an die anderen Länder. Die Kontrolle (Monitoring) und Nachbesserung muss sichergestellt werden. Umweltexperten und Umweltverbände kritisieren die Maßnahmen als nicht ausreichend. Sie zweifeln an der Zielerreichung (zu wenig und zu langsam). Die Grünen wollen über den Bundesrat Druck machen. Auf sehr starke Kritik stößt der Verzicht der Bundesregierung, Angaben zur Wirksamkeit der von ihr geplanten Klimaschutzmaßnahmen bis 2030 zu machen. Ein Spiegel-Artikel prognostiziert den Wegfall des Monitoring, des Zieles für 2040 und weitere Abschwächungen. Man sollte die endgültige Fassung abwarten. Auf die Kritik hin macht die Bundesregierung konkrete Jahresziele. Sie werden auf einzelne Sektoren herunter gebrochen. Verantwortlich für die Einhaltung sind die jeweiligen Ministerien. Nun sind Bundesrat und Bundestag dran. Im Bundesrat werden Nachbesserungen gefordert. Der Bundestag legt am 15.11.19 konkrete Treibhausgas-Einsparziele für die einzelnen Sektoren wie Energiewirtschaft, Verkehr und Wohnen vor. Jedes Ministerium ist dafür verantwortlich, die Vorgaben zu erreichen (damit das Ziel, bis 2030 rund 55 % Treibhausgase im Vergleich zu 1990 einzusparen, erreicht werden kann).  Beim Klimapaket der Bundesregierung wackelt mittlerweile der Zeitplan. Teile des Klimapakets werden gestoppt: Der Bundesrat verlangt Nachbesserungen bei steuerlichen Regelungen. Im Vermittlungsausschuss einigt man sich schon auf einen höheren Preis für 1 Tonne CO2 von 25€. Damit dürften die Preise für Benzin und Diesel maßvoll steigen. Die Fernpendler werden entlastet.

Klimaschutzgesetz (Novellierung 2023, Novelle 24): Entwürfe dazu gab es im Koalitionsvertrag der Ampel. Danach wird der Entwurf x-mal geändert. Im März 2023 beschließt man in einer Koalitionsrunde schnellere Planungsverfahren, große Infrastrukturprojekte (144 Autobahnprojekte mit solar am Rand), mehr Geld für die Bahn aus der Erhöhung der LKW-Maut, mehr Geld für Stromnetze und erneuerbare Energien. Die Verantwortung der Sektoren wird aufgeweicht. Zielverfehlungen in einem Sektor können mit anderen aufgefangen werden (fundamental!). Die Umweltverbände kritisieren gerade diesen Punkt. Die FDP wird als Sieger gesehen. Weitere Punkte sind: Anreize für die Nutzung von E - Fuels. Ausgleich für Eingriffe in die Natur. Verbesserungen im Nahverkehr. Ab dem 1. Januar 2024 muss jede neu eingebaute Heizung zu 65% mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das endgültige Gesetz dürfte noch eine Aufweichung bekommen. 2024 soll eine weitere Novelle kommen. Die Parteien der Ampel können sich nicht einigen. Verkehrsminister Wissing mahnt die Reform bis 15.7.24 an. Sonst will er Fahrverbote erlassen. Schließlich kommt die Einigung am 15.4.24. Zentraler Punkt ist, dass die Verantwortung der Einzelsektoren aufgeweicht wird. Weiterhin kommt ein Solarpaket. Damit soll vieles im Energiebereich entbürokratisiert werden. Eine Subventionierung einheimischer Solarunternehmen ist vom Tisch. Einfacher und schneller sollen Wind- und Solarparks geplant und umgesetzt werden. Ein Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht scheitert. Am 26.4. soll das Gesetz im Bundestag beschlossen werden. Umweltverbände wollen vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen klagen.

Klima- und Transformationsfonds (KTF): Es ist eine Art Nebenhaushalt des Bundes. Mit den KTF-Geldern will der Bund in den nächsten Jahren den Weg zur Klimaneutralität finanzieren. Laut Wirtschaftsplan sollen 2024 58 Mrd. € zur Verfügung stehen. Für die Jahre danach bis 2027 plant die Bundesregierung Investitionen in Höhe von knapp 212 Mrd. €. Allerdings fließen die Einnahmen aus der CO2-Steuer nicht an die Bürger wie geplant. Um den Fonds zu finanzieren, erhöht die Bundesregierung unter anderem die CO2-Abgabe ab 2024 auf 40 Euro (2025 45 €. Die Einführung eines Klimageldes steht nicht darin. Die versprochene Entlastung der Bürger kommt in dieser Legislaturperiode nicht (frühestens ab 2027, nationaler Emissionshandel an den Markt gebunden). folgende Projekte waren geplant: Eisenbahninfrastruktur, Elektromobilität, Wasserstoffindustrie, Gebäudeförderung, Entlastungen der Bürger und Unternehmen. Im November 2023 stoppt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Ampel: Es entsteht ein 60-Milliarden-Loch. Karlsruhe verwirft den Kniff der Regierung, nicht benötigte Kredite aus Corona-Zeiten in einen Fonds für Klimaschutzmaßnahmen zu überführen. Geklagt hatte die Union. Es ist ein Haushaltsurteil zur Schuldenbremse. Zumindest 2024 sollen Fördermittel noch weiter laufen.  Doch es kann nur zu einem Kompromiss kommen. Subventionen müssen gekürzt werden: Prämien für E-Autos, Solar, stärkere Anhebung CO2-Preis, Wegfall der Bremsen (2024 -12 Mrd. €; bis 2027 -45 Mrd. €).

Klimaverträge 2024: Unterstützung für klimafreundliche Firmen. Am 12.3.24 eröffnet europaweit das erste Gebotsverfahren für sogenannte Klimaschutzverträge. Wenn betriebe ihre Produktion umstellen, etwa von Öl auf Wasserstoff, müssen sie investieren. Da die klimafreundlichere Produktion erst einmal teuerer ist, gleicht der Staat diei Kostendifferenz zur Produktion mit fossilen Energie - Trägern aus. Wird die klimafreundlichere Produktion mit der Zeit günstiger, zahlen die Unternehmen die Differenz an den Staat zurück. Die Klimaschutzsubventionen sollen an firmen aus energieintensiven Brachen wie Chemie, Zement, Papier, Glas, Stahl oder Gips fließen. Innerhalb der kommenden vier Monate können sich die Unternehmen um Förderung bewerben. Es soll eine Antwort auf IRA in den USA sein. Vgl. HB 12.3.24, S. 1 und 4. Es stehen bis zu 20 Mrd. € zur Verfügung bis zu der Laufzeit bis 2045.

Verzicht: Das wirksamste Mittel der Umweltpolitik, wenn es kollektiv weltweit umgesetzt werden könnte. Kein oder weniger Auto fahren, nicht in den Urlaub fliegen, kein Fleisch oder Zucker essen und damit für den Klimaschutz eintreten. Der Verzicht ist mit einem Ändern von Gewohnheiten verbunden. Vor allem wohlhabende Leute in reichen Ländern verändern seit Jahren ihr Konsumverhalten. Voreiter sind urbane Mittelschichen, die Trends beeinflussen können. "Wenn ich nur eine aussage habe, dann möchte ich für den Verzicht als positiven Wert hier eine Lanze brechen. Für mich war der verzicht der Schlüssel zum Erfolg", Reinhold Messner, Extrembergsteiger, Quelle: Focus 37/2019, S. 30.

Regionalökonomie: Das wäre die zweite wichtige Orientierung. Nutzen der Ressourcen in eigenen Land, um die basalen Bedürfnisse zu befriedigen. Erst dann sollte Außenhandel kommen. Der Agrarsektor sollte umgebaut werden, so dass Nahrungsautonomie im Vordergrund steht. die Wohnfläche sollte drastisch reduziert werden (von Energieversorgung abhängig). Man sollte weg vom Akademisierungswahn hin zu Handwerk. Vgl. Niko Paech: Unser Realitätsverlust ist unser größtes Problem, in: bdvb aktuell Nr. 158 2022, S. 24/25.

Forschungsförderung: Sie ist eines der effektivsten Mittel der Umweltpolitik. So können Innovationskräfte freigesetzt werden. Unternehmen müssten durch Kreativität und Wettbewerb die grüne Technologie so günstig machen, dass Länder und Unternehmen die fossilen Energieträger in der Erde lassen.

Nachhaltiger Konsum in der Postwachstumsgesellschaft (Einfluss der Ethik): Produkte müssen haltbarer, weniger werden. Sie dürfen nicht mehr sinnstiftend sein. Die Menschen sollten ihr Glück mehr über Partizipation, Kontakte, Kommunikation u. a. definieren. Der Anstieg der Arbeitsproduktivität bringt mehr Freizeit, die für immaterielle Bedürfnisse verwendet werden sollte. Auch empirisch kann man nachweisen, dass die Bürger nachhaltige Produktion unterstützen, soziale Kriterien zugrundelegen und auf artgerechte Tierhaltung Wert legen. Der Einfluss ethischer Werte wird immer größer: 2009 achteten 13,3% der Konsumenten auf Fair Trade, 2015 schon 19,5%; 2009 waren 14,4 der Konsumenten ökologisch und sozial verantwortungsvolle Hersteller wichtig, 2015 16,7% (Quelle: Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse).

Grundsätzliche Möglichkeiten einer CO2-neutralen Wirtschaft: 1. Technologie. 2. Verhaltensänderung. 3. Kompensation. 4. Anpassung an den Klimawandel.

Zukunftsfonds für eine Nachhaltigkeitswende: Die Konzeption stammt vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam un deinem damit verbundenen Netzwerk. Vgl. Beer, David Löw/ Leggewie, Claus/ Schlüter, Teresa/ Schellnhuber, Hans-Joachim: Ein Zukunftsfonds für die Nachhaltigkeitswende, in: Wirtschaftsdienst 2019/8, S. 532ff. Der Fonds soll gespeist werden aus einer Flat-Tax-Nachlasssteuer (0% bei Nachlässen unter 500.000 €; 25% bei Nachlässen über 500.000 €) und einer CO2-Steuer sowie einem Emissionshandel. Die Einnahmen aus der Nachlasssteuer sollen zu 100% in einen transformativen Staatsfonds einfließen, der eine soziale und strukturpolitische Nachhaltigkeitswende flankiert. Die einnahmen aus dem zweiten Teil sollen zu 50% in den Ausbau nachhaltiger Infrastrukturen und Innovationsförderung und zu 50% in Direktzahlungen an Haushalte fließen.

Vorschläge des Umweltbundesamtes Ende 2019: Für das Erreichen der deutschen Klimaziele im Verkehr sind drastische Einschnitte notwendig. 1. Abschaffung des Dieselprivilegs. 2. Tempolimit von 120 km auf Autobahnen. 3. Wegfall des steuerlichen Dienstwagenprivilegs. 4. Streichen der Pendlerpauschale.

Bürgerstiftung Klimaschutz: Plan von Bundeswirtschaftsminister Altmaier im September 2019 privates Kapital für den Klimaschutz bereitzustellen. Es sollen bis zu 50 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Die Stiftung soll Bürgeranleihen zu einem festen Zinssatz von zwei Prozent mit einer Mindestlaufzeit von zehn Jahren ausgeben. Jeder Bürger soll die Möglichkeit bekommen, Anleihen bis zu einer bestimmten Höhe zu zeichnen. Der Bund soll als einmaligen Beitrag zum Stiftungskapital fünf Milliarden Euro geben. Man will so die "Schwarze Null" halten.

Verwaltungsgerichte: Der Bundestag beschließt im Februar 2023 ein Gesetz. Bei wichtigen Vorhaben der Infrastruktur können Verwaltungsgerichte künftig schneller entscheiden. Das betrifft Windräder, Stromleitungen, Schienen und Straßen. Es können spezielle Kammern gebildet werden, im Planungsrecht können Entscheidungsfindungen verkürzt werden.

Oberlandesgericht Berlin-Brandenburg: Im November 2023 kommt ein Bahn brechendes Urteil vom Oberlandesgericht Berlin-Brandenburg, das für die Bundeshauptstadt und Bundesregierung zuständig ist. I, Verkehr und bei Gebäuden hapere es an Maßnahmen, um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen. Es spricht auch von Sofortmaßnahmen, die notwendig seien. Geklagt hatten Umweltverbände.  Die Bundesregierung geht in Revision, um Zeit zu gewinnen.

Mittelstand und Nachhaltigkeit: Eine besondere Rolle spielt der Begriff "Nachhaltigkeit" in mittelständischen Unternehmen. Hier wird er oft im Zusammenhang mit Familienunternehmen gebraucht. Im engeren Sinne wird der Begriff häufig auf die Nachfolge zugespitzt. Er kann aber auch umfassender im Mittelstand strategisch und ökologisch verwendet werden oder die gleichzeitige Berücksichtigung von ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten meinen. So wird nach der Finanz- und Weltwirtschaftskrise darauf verwiesen, dass der Mittelstand mit seiner Nachhaltigkeit für den schnellen Wiederaufstieg Deutschlands entscheidend verantwortlich sei. Nachhaltigkeit kann speziell sozial sein (social compliance - Erhalt langfristiger Beziehungen) oder auch finanziell (Erhöhung des Eigenkapitals, um die Abhängigkeit von Krediten zu verringern, Lösen von den Banken) sowie technologisch (optimale Anpassung an die Digitalisierung).

Finanzsektor und Nachhaltigkeit: Der Finanzsektor soll zukünftig auch Klimaschutzzielen unterworfen werden. Anleger und Investoren wollen für Nachhaltigkeit Rendite kassieren. Das ganze läuft unter dem Motto "Nur grünes Geld ist gutes Geld" (vgl. WiWo 17, 18.4.2019, S. 28). So wird auch der DAX einem Nachhaltigkeits-Check unterworfen. Äußerst positiv werden Allianz und Münchener Rück bewertet. Sehr positiv sind SAP, Infineon, und Deutsche Börse. Positiv Merck, Wirecard, Deutsche Telekom, Henkel, Siemens, Adidas, Deutsche Post, Neutral Covestro, Continental, BMW, FMC. Negativ werden die restlichen unternehmen bewertet. Quelle: Globalance Footprint. Ebenso werden Investitionen in ihrer positiven Wirkung auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft bewertet: 2018 wurden 2900 Milliarden Euro investiert. Quelle: Forum Nachhaltige Geldanlagen.

Stakeholder-Kapitalismus: Engagement für Klimaschutz soll nicht nur Aktionäre bereichern, sondern auch Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten und Kommunen. Kalifornien in den USA gilt als Beispiel.

Nachhaltiges Wachstum: Orientierung an sozialen und ökologischen Vorgaben. Neue Wachstumsstrategie mit Chancengerechtigkeit. Ziel ist die intergenerationelle Gerechtigkeit. Danach dürfen künftige Generationen nicht durch die Lebensweise der gegenwärtigen Generationen beeinträchtigt werden. Vgl. Hauff, M. v.: Nachhaltiges Wachstum - ein anderer Weg, in: WISU 12/2015, S 1353ff.

Konstitutive Elemente der Nachhaltigkeit nach der Brundtland-Kommission: Bericht von 1987. Benannt ach der Vorsitzenden der UN-Weltkommission für Umwelt und Entwicklung.  1. Bedürfnisorientierung. 2. Intergenerative Gerechtigkeit. 3. Intragenerative Gerechtigkeit. 4. Integrativer Aspekt.

Massive Veränderung der Wirtschafts- und Lebensweise: In den Jahren 2018 und 2019, in denen sich immer drastischer die Folgen der Klimaerwärmung zeigen, wird deutlich, dass die Ökologie nicht dem Markt und der Wachstumsideologie unterworfen werden kann. Es bedarf grundlegender Maßnahmen, in erster Linie global.

Vier Leitlinien bei der Umsetzung der Nachhaltigkeit: Verantwortungsprinzip, Kreislaufprinzip, Kooperationsprinzip, Stakeholder-Prinzip.

Öko-Update: ökosoziale Transformation moderner Gesellschaften (NGOs, Bürgerinitiativen, Universitätsinstitute, Konsumenten) plus ökonomische Transformation (Thema vom Kopf (Bewusstsein) auf die Füße (Wirtschaft) stellen. Veränderung des Kapitalismus.

Manipulation der Natur, um die Klimakatastrophe abzuwenden: So gibt es immer wieder Diskussionen, den CO2-Ausstoß über Filter zu beeinflussen (Algen in Ozeanen, Bäume). Als eine besondere Warnung gilt Maos Spatzenkrieg in China. 1957 machte Mao die Spatzen für zu geringen Ernteertrag verantwortlich. Also rief er zum Spatzenkrieg auf. Die Vögel sollten gejagt werden, indem sie durch Lärm nirgendwo hinsetzen konnten und erschöpft vom Himmel und dann erschlagen werden konnten. Ca. 2 Milliarden Spatzen kamen ums Leben. Dann wurden die Ernteausfälle noch größer, weil die Spatzen keine Getreideschädlinge mehr fraßen. Daraufhin importierte man wieder Spatzen aus Russland.

Innovationen: Erfindung neuer Produkte, z. B. mit KI, um ganz ohne Emissionen auszukommen. Das wäre die wirksamste Umweltpolitik. Auf Flugreisen oder Kreuzfahrten zu verzichten oder kein Fleisch zu essen kann das Problem nicht grundsätzlich lösen, sondern ist eher symbolisch. Vgl. Interview mit Hans von Storch, Der Spiegel Nr. 15/6.4.2019, S. 35.

Die Grünen/ Bündnis 90: Vertreten als Partei Umweltziele. Die Gründungsbewegung entsteht in den 1970er-Jahren des letzten Jahrhunderts aus der Bewegung gegen Kernkraft als Protestpartei. 1983 erstmals im Bundestag. 1985 Joschka Fischer als hessischer Umweltminister mit Turmschuhen. 1993 Zusammenschluss mit dem ostdeutschen Bündnis 90. 1998 Eintritt in die Bundesregierung. 2011 wird das wichtigste Ziel erreicht: nach Fukushima Ausstieg aus der Kernenergie. Kretschmann Ministerpräsident in Baden-Württemberg. 2018 in Umfragen zweitstärkste Partei mit 19%. Schon zweitstärkste Partei in Bayern mit 17,5%. Auch 2019 bleiben die Grünen zweitstärkste Partei in Deutschland. Die Vorsitzenden Baerbock und Habeck werden mit großer Mehrheit wieder gewählt. Die Grünen wollen gestalten und führen, also Verantwortung übernehmen. 2020 kommt ein neues Grundsatzprogramm der Partei. Es soll den Weg zur Volkspartei öffnen. Es soll im Herbst 2020 beschlossen werden. Die Partei flirtet immer heftiger mit der Wirtschaft (man baut systematisch Verbindungen auf, viele Spitzen-Grüne sind in die Wirtschaft gegangen). Sie ist auf dem Weg zur neuen FDP. Am 21.11.20 beginnt ein virtueller Parteitag der Partei. Es soll ein neues Grundsatzprogramm beschlossen werden. Die Grünen wollen in die Regierung. Deshalb wollen sie ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis stellen. Alte Positionen werden geräumt (Gentechnologie). Veräußerungsgewinne und Verschuldung werden diskutiert. Man sagt der Volksabstimmung ade. 2021 erhalten die Grünen einen Geldsegen. Sie erhalten 500.000 €, so viel wie nie. Im März 2021 legt man einen Entwurf für das Wahlprogramm 2021 vor: "Alles ist drin". Die soziale Marktwirtschaft soll weiterentwickelt werden. Annalena Baerbock wird im April 2021 zur Kanzlerkandidatin nominiert. Im Wahlkampf 2021 zur Bundestagswahl können sich die Grünen nur noch selber schlagen. Falsche Radikalität (gepaart mit Intoleranz) und Gesinnungspolitik (Boris Palmer) könnten den Erfolg gefährden. Können die Grünen ihr Wahlprogramm umsetzen, wird das allerdings teuer. Nicht alle Kosten lassen sich bereits beziffern. Sie sollen durch Schulden und Steuern ausgeglichen werden. Auf dem Parteitag am 12./13.6.21 (virtuell werden das Bundestagswahlprogramm und die Kanzlerkandidatin Baerbock bestätigt). Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier trifft die Grünen ins Mark. Damit könnte der Öko-Partei der Bruch mit der Basis drohen. Sie haben die Symbolik unterschätzt. Auch das Heizungsgesetz schadet den Grünen stark. Sie müssen mit ihrem Image als Regierungsschreck kämpfen. Die Partei steht vor einer Bewährungsprobe (fliegt in Hessen aus der Koalition). 2024 nehmen Hass und Gewalt gegen die Grünen dramatisch zu. Die Partei ist immer stärker von Übergriffen betroffen. Im Visier ist besonders stark die Grünen-Chefin Ricarda Lang. Die Partei steckt auch 2024 in einer Abwärtsspirale aus Orientierungslosigkeit und Verunsicherung.  Im September 24 tritt die Grünen-Spitze zurück und setzt damit die Ampel unter Druck. Der Parteivorstand wird im November 24 neu gewählt. Es kandidieren Franziska Brantner und  Felix Banaszak. "Wir definieren uns nicht über Ideologien, sondern über Werte, die und wichtig sind", Parteichefin Annalena Baerbock 2018. Ende November 2020 soll ein neues Grundsatzprogramm in Frankfurt beschlossen werden (hier wurden die westdeutschen Grünen 1980 gegründet). Über eine Namensänderung soll noch nicht abgestimmt werden. Da Habeck und Baerbock 2022 Minister sind, müssen neue Vorsitzende gewählt werden. Es kandidieren Ricarda Lang und Omid Nouripour.

Die AfD: Sie entdeckt immer mehr (2019) die Umweltpolitik für sich. Sie leugnet, dass der Mensch für die Klimakrise verantwortlich sei. Sie schürt die Furcht vor dem Ende der Autoindustrie. In der deutschen Bevölkerung wächst allerdings das Problembewusstsein für Umwelt und Energiewende.

CDU/ CSU: Programm für die Bundestagswahl im Herbst 2021, das im juni 2021 vorgestellt wird. Im Jahre 2045, soll Deutschland klimaneutral sein. Bei der Mobilität setzt man auf eine moderne Verkehrssteuerung und für Verlagerung von Gütern auf Bahn und Binnenschiffe. Beim Straßenverkehr setzt die Union auf Elektromobilität und synthetische Kraftstoffe.  andere sollen nicht verboten werden. .

Umweltbundesamt: 1974 als zentrale Umweltbehörde in Deutschland gegründet. Es arbeiten ca. 1500 Personen dort an 13 Standorten; die Zentrale ist seit 2005 in Dessau (vorher in West-Berlin). Das Amt unterhält ein Frühwarnsystem, sammelt Daten, informiert die Öffentlichkeit und sorgt für die Implementierung von Umweltgesetzen.

Lobbying Verkehr und Mobilität: Verband der Automobilindustrie (VDA), Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Verkehrsforum, Pro Mobilität, ADAC, Allianz pro Schiene, Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (ADFC), Autoclub Europa (ACE), Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Verkehrsclub Deutschland  (VCD).

Lobbyismus bei Erneuerbaren Energien: 1. Energiebranchenverband BDEW. Er wird 2021 von der früheren Grünen-Abgeordneten Kerstin Andreae geleitet. 2. Solarverband BSW. An der Sitze steht 2021 der Grüne Jörg Ebel. 3. Solargenossenschaften und Windparks: Verband BEE. Hier leitet 2021 die frühere Grünen-Chefin Simone Peter.

Wohlstands- und Nachhaltigkeitsgesetz: Experten fordern eine Ablösung des bald 50 Jahre geltenden Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes. Die Wirtschaftspolitik hat neue Herausforderungen. Man brauchte also neue Zielsysteme in einem Gesetz. Darin müssten fiskalische, soziale und ökologische Ziele der Nachhaltigkeit enthalten sein. Vgl. Koll, Willi: Vom Stabilitäts- und Wachstumsgesetz zum Wohlstands- und Nachhaltigkeitsgesetz, in: Wirtschaftsdienst 2016/1, S. 40ff. Der Umweltschutz ist bisher weder im Grundgesetz noch in einem sonstigen Gesetz. Vielleicht will die Politik das auch nicht. Klimaschutz ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, vor allem finanziell. Dadurch wird der Wohlstand in Deutschland, verstanden als Konsummöglichkeiten, sinken. Die Bevölkerung müsste also für den Klimaschutz verzichten. Diese Wahrheit will die Politik nicht auftischen. Vgl. Fuest, C. im Interview im HB, 28.3.23, S. 5.

Klima- und Umweltschutz im Grundgesetz: Es hat immer wieder Vorstöße gegeben, Klima- und Umweltschutz im Grundgesetz zu verankern. Andere Politiker sind der Ansicht, ein Klimaschutzgesetz, das im Herbst 2019 auch kommen soll, zu machen.

Demokratie: Herrschaft des Volkes (griechisch). Doch die Frage ist, was das Volk umfasst. In der ersten Demokratie in Athen durfte nur ein Viertel des Volkes entscheiden (ohne Frauen, Sklaven und "Fremde"/Banausen). Bis 1818 durften in Deutschland nur die Männer an die Urnen. In Südafrika hatten eine lange Zeit nur Weiße das Wahlrecht. Man sollte also immer genau hinsehen, wer das Volk gerade ist. John Stuart Mill, der große englische Ökonom,  hat schon erkannt, dass eine funktionierende Demokratie erfordert, dass die Bürger gebildet sind. Heute wird in Anbetracht der Wahl von Trump in den USA oder der Brexit - Entscheidung der Briten bzw. der Mehrheit für eine Präsidialverfassung in der Türkei diese These wieder sehr aktuell. Außerdem fällt immer mehr ins Gewicht, dass totalitäre Systeme in einer komplexen, globalisierten Welt wesentlich schneller agieren können (ein Tabu-Thema). Wenig diskutiert wird auch die Macht schrumpfender Parteien mit nur noch wenigen Mitgliedern in der Demokratie. Problematisch ist auch die Mehrheit älterer Menschen ("Silver Hairs"), die ihre Interessen durchsetzen können. Vgl. Merkel, Wolfgang/ Ritzi, Claudia (Hg.): Die Legitimität direkter Demokratie, Wiesbaden 2017. Volksentscheide können nicht in jedem Falle Demokratie ersetzen. Sie sind nicht immer frei von Willkür (ganz wichtig ist die Abgrenzung der Abstimmenden; z. B. die Stuttgarter gegen 21 und die Baden-Württemberger dafür). Deshalb führen sie nicht zu unumstrittenen Ergebnissen. Ähnlich problematisch sind Entscheidungen der Parteimitglieder. Das Demokratiemodell gerät auch dadurch unter Druck, weil in autokratischen Staaten der Wohlstand oft höher ist (VAE, Saudi-Arabien). In Ländern wie China, Russland und der Türkei bauen Autokraten ihre Macht aus. Der Parlamentarismus scheint für die Umweltpolitik zu langsam zu sein. Die Klimakehrtwende scheitert immer wieder. 2018 bildet sich in Deutschland eine Hochschul-Initiative "liberale Demokratie". Es gibt 10 Gründungsmitglieder. Es sind auch Professoren aktiv, die keine Verbindung zur FDP haben. "Der Fukuyama-moment, als 1989 das Ende der Geschichte erreicht schien, ist verraucht. Die Attraktivität westlicher Werte hat nachgelassen, auch in der atlantischen Welt", Jens Hacke, Prof. für politische Theorie in Greifswald 2018. Vgl. auch Adam Tooze: Crashed, München (Siedler) 2018. Er stellt einen Zusammenhang zwischen der Finanzkrise 2008, dem Niedergang der liberalen Demokratie und der deutschen Verantwortung her.

Individuelles Handeln für den Umweltschutz: Das Handeln muss sich von Grund auf ändern nach dem Motto "Global denken, lokal handeln". Klima-Aktivismus hat das Recht, sich Gehör zu verschaffen. Wir müssen an unsere zukunft dnekn, insbesondere für die Jugend. Wir sitzen alle im selben Boot, brauchen also kollektive Veränderungen. Wir sollten anders reise, uns nachhaltig ernähren, elektrisch fahren und zusammen fahren (Öffentlicher Verkehr). Vgl. O. V.: Simply Klimawandel, München 2023.

Umweltbewegung: In Deutschland kommt nach der Friedensbewegung in den Siebzigern ab 1980 eine politische Umweltbewegung. Als Partei etablieren sich die Grünen. Nach den Landtagen in Hamburg, Hessen und Niedersachsen dann 1983 erstmals im Bund.

Utilitarismus: Eine Handlung wird immer nach ihren Folgen beurteilt. Führt sie zu mehr Glück als Leiden ist sie gut. Wären alle Menschen Utilitaristen, brauchte man keine Umweltpolitik. Als Beispiel gilt Peter Singer, der Gründungsvater der Tierrechtsbewegung.

Nichtregierungsorganisationen (engl. NGO): Sie spielen in der Umweltpolitik eine große und wichtige Rolle überall auf der Welt (z. B. BUND, Greenpeace, Pollicia). Schon lange gibt es den Verdacht, dass unabhängige Initiativen von Fast-Food-Ketten, Tabakkonzernen und anderen Unternehmen genutzt werden. Zum Teil kassieren diese auch Steuergeld. Die Geldgeber bleiben trotz Transparenzregister im Dunkeln.  Vgl. z.B. die umfangreiche Liste bei Links (Umwelt). Die NGOs treiben mittlerweile Politik und Wirtschaft vor sich her. Der Europäische Rechnungshof kritisiert 2019 die EU - Finanzierung von NGO.: Mit zweierlei Maß, Transparenz. 2015 nimmt die chinesische Führung mit einem neuen Gesetz ausländische Nichtregierungsorganisationen (NGO) ins Visier (z. B. Registrierung beim Sicherheitsapparat, nicht nur vom Ausland finanziert, Hälfte der Mitarbeiter Chinesen). Starke Behinderungen gab es auch in letzter Zeit in Russland und Ägypten. Die Deutschsche Umwelthilfe hat folgendes Finanzierungsmodell: 34% Spenden und Sponsoring, 30% Marktüberwachung (kostenpflichtige Abmahnungen, Verstöße gegen Umweltgesetze), 20% öffentliche Zuschüsse, 16% Sonstiges (von der Basis 8,1 Mio. €; Quelle: DUH - Jahresbericht, Daten für 2016). Bei Abmahnungen gab es 2018 geringere Einnahmen. die Umweltverbände in Deutschland haben mittlerweile (2019) mehr Mitglieder als die Parteien.

Unternehmen als Umweltaktivisten: Banken, Versicherer und Fonds werden zu Umweltaktivisten. Sie erhöhen den Druck auf börsennotierte Unternehmen, ihre Klimarisiken offen zulegen. 32 Billionen Dollar  Kapital sind von 310 Großinvestoren in der Initiative "Climate Action 100".

Unternehmen/ Stiftung 2: Im September 2019 bringt die deutsche Wirtschaft konkrete Vorschläge zum Klimaschutz ein. 1. Verkehr: Bestehende Anreiz- und Förderprogramme für E-Autos müssen ausgebaut werden. 2. Industrie: Es sollte in europäischer Industriestrompreis kommen. 3. Gebäude: Die Regierung soll die Sanierungsrate auf 2 bis 3 Prozent steigern bis 2030. 4. Klimaschutz soll zum Geschäftsmodell werden.

Deutsche Umwelthilfe (DUH): Sie betreibt Umweltpolitik mit Abmahnungen. Diese treffen Unternehmen, die sich nicht an die Umweltvorschriften der EU halten. 2014 nahm die Organisation so 2,3Mio. € ein. Es gibt Bestrebungen von Betroffenen (Immobilienmakler, Elektrohändler, Autohäuser), dass die EU-Kommission dem einen Riegel vorschiebt. Parteien, wie z. B. die CDU, erwägen, dem Verband die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Die DUH lebt auch von Spenden. Sie will die Liste der Spender nicht offen legen. Zu diesen soll z. B. die japanische Firma Toyota gehören. Der Bundesgerichtshof bestätigt im Juli 2019 die Arbeitsweise. Die Umwelthilfe kann auch in Zukunft ungehindert abmahnen und klagen, wenn Unternehmen gegen Verbraucherschutz-Vorschriften verstoßen.

"Fridays for Future": Schüler, Studenten demonstrieren weltweit einmal pro Woche am Freitag für Umwelt- und Klimaschutz. Gallionsfigur der Bewegung ist die junge Schwedin Greta Thunberg. Mittlerweile gibt es eine Reihe weiterer Bewegungen für Klimaschutz. Anfang August 2019 diskutiert der Vorsitzende des SRW Schmidt mit den Aktivisten in Dortmund. Im August 2019 macht Greta Thunberg eine klimaneutrale Reise nach New York zum Weltklimagipfel. Viele Gegner tun das als Spinnerei ab, weil die Flüge des Teams höhere Umweltbelastungen mit sich bringen. Greta braucht zwei Wochen für die Reise. Am 20.09.2019 finden wieder weltweit Demonstrationen für Klimaschutz statt (Beginn des UN-Gipfels). Die Bundesregierung will ihr Klimapaket verkünden. Vgl. Rucht, Dieter/ Sommer, Moritz: Fridays for Future. Vom Phänomen Greta Thunberg, medialer Verkürzung und geschickter Mobilisierung: Zwischenbilanz eines Höhenflugs, in: Internationale Politik, 2019, Juli/ August, S. 121-125. Rucht, Dieter: Jugend auf der Straße. Fridays for Future und die Generationenfrage, in: WZB Mitteilungen 165, September 2019, S.6ff. Doch die Bewegung geht weltweit weiter, vor allem wieder stärker vor dem Weltklimagipfel in Madrid. Die größte Demonstration in Deutschland findet in Berlin statt. 2020 will sich Greta Thunberg mit einer Stiftung die Markenrechte an ihrer Bewegung sichern. In der Pandemie verliert die Bewegung ihren Schwung. Vor der Bundestagswahl am 26.9.21 finden am 24.9. wieder viele Demos in Deutschland statt. Greta Thunberg ist in Berlin dabei. Sie bezeichnet Deutschland als "einen der größten Klima-Bösewichte". 2023 leben die Demonstrationen wieder auf. Im September 23 ist schon der 13. globale Klimastreik. Luisa Neubauer scheint der führende Kopf in Deutschland zu sein. Greta Thunberg ist 2023 immer umstrittener, weil sie im Gaza-Krieg einseitig Partei für die Palästinenser ergreift. Ihr Blick auf Israel ist kalt und distanziert. Als Noch-Idol spaltet sie jetzt die Klimabewegung. Mannheim schickt als erster Ort in Deutschland Bußgeldbescheide an die Familien protestierender Schüler. Diese werden aber wieder aufgehoben. 2020 gibt es innerhalb der deutschen Friday-for-Future-Bewegung Unmut über den Umgang mit Finanzen.

Greta-Effekt: Nach Greta Thunberg benannt. Bürger handeln bewusst im Sinne des Umweltschutzes. Das Umweltbewusstsein sorgt für mehr Klimaschutz. Zum Beispiel, wenn immer mehr Bürger mit der Bahn nach Paris fahren statt das Flugzeug zu nehmen. 2023 spricht man von der Greta-Frage: Es geht um die Haltung zum Gaza-Krieg und zu Israel.

Extinction Rebellion: Rebellion gegen das Aussterben. Sie führen auch Blockaden weltweit durch. Die Organisation wurde 2018 in London gegründet.  Sie organisiert 2019 Demonstrationen auf der ganzen Welt. Handlungsmaximen sind Gewaltlosigkeit, Respekt gegenüber anderen, Verzicht auf Drogen und Vermummung bei Aktionen. Auf Verhaftungen scheint man es wegen der großen Publizität anzulegen. Zentrum der Proteste ist Berlin. Im April 23 kommt es zu 60 Festnahmen.

Letzte Generation: Klimaschutzgruppe bzw. Klimaaktivisten (in mehr als 50 Orten). Sie kleben sich auf der Straße fest und stoppen Autofahrer. Sie blockieren auch Autobahnen. Einmal wird ein Krankentransport gestört (Radlerin für hirntot erklärt). Sie besprühen auch Bilder in Museen oder machen Attacken auf Parteizentralen. In bestimmten Fällen gibt es Gefängnisstrafen. Im Dezember gibt es eine Razzia gegen die Klimaaktivisten. Sie erfolgt in mehreren Bundesländern. Im Mittelpunkt stehen Attacken auf Anlagen der Raffinerie PCK Schwedt. Mitbegründer ist Henning Jeschke. Vgl. sein Interview im Spiegel Nr. 2. 7.1.23, S. 16ff.. Im Januar 2023 kündigt die Letzte Generation Störungen in jeder Stadt an. Ab 6. Februar soll es losgehen. Es wird ein "Gesellschaftsrat" gefordert. In Berlin will man gegen das Klimagesetz protestieren. "Klebewochen" könnten Berlin im Frühjahr 23 lahm legen. Die radikale Bewegung fügt den Grünen schweren Schaden zu. 2024 will sich die Letzte Generation nicht mehr ankleben. Im September 2023 fängt eine Viernheimer Firma an, Klimakleber-Figuren für den Modellbau zu vertreiben. Die Mehrheit der jungen Generation sitzt allerdings gern hinter dem Steuer. Die Anti-Auto-Jugend ist eine Mär. Vgl. Der Spiegel 46/ 11.11.23, s. 40f.

Weitere Bewegungen für Klimaschutz: 1. Ubitricity: Gründer F. Pawlitschek. Elektroautos an Straßenlaternen aufladen. 2. Beyond Meat: Ethan Brown. 51% der Treibhausgase von Massentierhaltung und sehr viel Wasserverbrauch. 3. Vaude. Antje von Dewitz. Bekämpfung von unfairer Produktion. 4. Climeworks. Gebald, Wurzbacher. Filteranlagen, die CO2 aus der Luft saugen. Transport in Treibhäuser. Später daraus Treibstoff. 5. Green City Solutions: Sänger u. a. aus Berlin. Moos filtert von Natur Schadstoffe aus der Luft. 6. Mark van Baal. "Follow this". Kauf von Anteilen an Firmen, um diese zum Klimaschutz zu zwingen. 7. Alexandra Ocasio-Cortez.  Demokratische Politikerin in den USA. Green New Deal. Klimaneutrale US-Ökonomie. 8. Felix Finkbeiner. Bäume pflanzen. Bis 2017 waren eine Milliarde geschafft. Hinzu kommen die traditionellen Gruppen: Greenpeace, BUND, WWF.

Klima-Fonds von Jeff Bezos: Er baute den global operierenden und heute führenden Handelsriesen Amazon auf. Bezos Vermögen wird 2020 auf 130 Mrd. Dollar geschätzt (Forbes). In Seattle hat er ein hochmodernes Hauptquartier errichtet. Seattle ist aber auch ein Zentrum der Klimabewegung der USA. So ist der Druck aus der eigenen Belegschaft immer mehr gewachsen, etwas für den Klimaschutz zu tun. So gründet Bezos 2020 einen Klimaschutz-Fonds, den er mit 10 Mrd. Dollar ausstattet.

Bill & Melinda Gates Foundation (2020 50 Mrd. Dollar; größte Privatstiftung der Erde; 1994 angefangen, 2000 gegründet; 20 Jahre nach dem Tod muss das Geld ausgegeben sein; Entwicklung in armen Ländern, Klimaschutz, Bildungs- und Gesundheitsbereich). Ab 2021 sollen jährlich 110 Mrd. $ in den Klimaschutz investiert werden, fünfmal so viel wie bisher. Man macht eine eigene Klima-Agenda. Dabei setzt man auch auf umstrittene Technologien: 1. Kernkraft ist noch unerlässlich. 2. Nachträgliche Abscheidung von CO2. 3. Grüner Wasserstoff. 2021 lassen sich Bill und Melinda scheiden. Die Frage ist, wie sich das auf die Stiftung auswirkt.

Hal Harvey (Hewlett Foundation): Er ist der mächtigste Grüne der Welt. Er ist Ideengeber und Gründer zahlreicher Stiftungen, die als Geldgeber über finanzielle Unterstützung auch die europäische Klimapolitik beeinflussen. Kern ist die Hewlett Foundation (seit 1966, heute 13 Mrd. $). Von da aus werden gelenkt: Climate Imperative Foundation, Energy Foundation und Climate Works Foundation. Hinzu kommt die European Climate Foundation (seit 2008). Harvey kontrolliert in Europa folgende Organisationen: ICCT (Forschungseinrichtung), Transport & Enrironment, Agora Energiewende, Agora Verkehrswende, Clean Energy Wire.  Vgl. Tatje, Claas: Der mächtigste Grüne der Welt, in: Die Zeit Nr. 25/ 15. Juni 2022, S. 26f.

Vgl. dazu auch folgendes Buch: Bill Gates: Wie wir die Klimakatastrophe verhindern. Welche Lösungen es gibt und welche Fortschritte nötig sind, München (Piper) 2021. Um die globale Erwärmung zu stoppen und den Klimawandel zu verhindern, müssen die Menschen aufhören, der Atmosphäre Treibhausgase zuzuführen. Gates beschreibt konkret die Werkzeuge, die wir heute dazu nutzen können: Stromerzeugung, Industrieproduktion, Landwirtschaft, Transport und Verkehr, Kühlen und Heizen. Er hat auch einen Plan zur Dekarbonisierung. Er geht auch auf fünf konkrete Fragen ein: 1. Um welchen Anteil dieser 51 Mrd. Tonnen geht es? 2. Welchen Plan haben wir für Zement? 3. Von wie viel Leistung reden wir? 4. Wie viel Platz braucht das? 5. Wie viel wird das kosten? Wichtig ist der Begriff Ökozuschlag ("Green Premium").  Das sind zusätzliche Kosten, die wir für klimaneutrale Ersatzprodukte zahlen müssen.

Das größte Koordinationsproblem der Menschheitsgeschichte: Ein nationaler Alleingang in der Klimapolitik wäre sinnlos und teuer. Deutschland trägt mit seinem CO2-Ausstoß mit einem Anteil von 2% am Weltausstoß bei. Also muss es eine globale Koordination mit einem globalen CO2-Preis geben. Seit Trump bremsen die USA, versteckt stehen hinter ihm auch Brasilien, die Türkei, Saudi-Arabien und Australien (aus unterschiedlichen Motiven). Vielleicht könnte man sich einmal auf ein gemeinsames Ziel einigen, wie es das Pariser Klimaabkommen vorsieht. Es fehlt aber die gemeinsame Verpflichtung. Einziger Ausweg wäre ein globaler CO2-Preis (Flexibilität, Transparenz, Kontrolle). Vgl. auch Ockenfels, Axel: Das größte Koordinationsproblem der Menschheitsgeschichte, in: WiWo 27, 28.6.2019, S. 41.

Weltrepublik für die Lösung der globalen Umweltprobleme: 1794 starb der französische Anarchist Cloots durch die Guillotine. Er forderte vor mehr als 200 Jahren ein Parlament für die ganze Menschheit. Sein Fernziel war die politische Einheit des Planeten. "Lang lebe die Weltrepublik", Cloots. Er schrieb 1793 das Werk "Die Republik des Menschengeschlechts". Eine parlamentarische Versammlung der UN könnte der erste Schritt sein. Vgl. auch: Bummel, A./ Leinen, J.: Das demokratische Weltparlament, Dietz-Verlag 2017.

Öko-Diktatur (Der neunte Arm des Oktopuss, Dirk Rossmann, 2020): Russland, China und die USA bilden eine Allianz, um den Klimawandel zu stoppen. Das ist die letzte Chance für den Planeten. Erderwärmung, Bevölkerungsexplosion und Aufrüstung sollen auf einen Schlag gelöst werden.

Komplementarität wirtschaftspolitischer Ziele: Klimaschutz und Konjunkturpolitik kann man verbinden. Dies zeigen z. B. grüne Elemente in den Konjunkturprogrammen in der Weltwirtschaftskrise. Auch Umweltschutz und Vollbeschäftigung können sich ergänzen. Hier wird häufig auch ein Zielkonflikt konstatiert. Dies gilt auch für die Ziele Umweltschutz und Preisniveaustabilität. Für klare und differenzierte Aussagen fehlen allerdings die Forschungen.

"Green Economy": Steht für ein umweltpolitisches Konzept, dass über Innovationsdruck und Markteinführungshilfen die "grünen" Produktionsbereiche ausbauen will. Die kapitalistische Wirtschaft soll zu einer nachhaltigen Wirtschaft transformiert werden. Die wirtschaftliche Dynamik soll soziale und ökologische Gerechtigkeit zusammenführen. Es ist die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie. Nachhaltiges Wachstum braucht aber länger, bis es Rendite abwirft. Die Globale Finanzindustrie muss mitmachen.

"Green-New-Deal": Es gibt viele Bemühungen, die Gesellschaft nachhaltiger auszurichten. Es geht um eine ökologische Modernisierung. In gewisser Weise ist das aber eine Ideologie. Sie liefert der Konsumgesellschaft ein Alibi. Der Wandel zum Weniger soll aufgeschoben werden auf unbestimmte Zeit. Der materielle Raubbau wird teilweise sogar verschärft, indem verschont gebliebene Naturgüter und Landschaften einer "grünen" Verwertung zugeführt werden. Vgl. Nico Paech: Wohlstand im Widerspruch, in: agora 42, 2018, S. 9ff.

Nirwana-Approach: von Harold Demsetz. Real existierende, unvollkommene Zustände werden mit theoretischen Idealen verglichen. Besser ist es, real existierende Situationen zu vergleichen. Der Nirvana-Approach hat meist drei logische Fehlschlüsse: "the grass is always greener fallacy, the fallacy of free lunch, people could be different fallacy".

Verhaltensökonomie/ Paternalismus 2.0: Zunehmend setzt die Mikroökonomie auf das Verhalten. Diese Richtung findet auch immer mehr Einzug in die Politikberatung und Umweltökonomie. Richard Thaler aus Chicago beschäftigt sich mit "Nudge" (Anstupsen), das psychologisch der Staat das Verhalten von Menschen beeinflussen kann. Gruppendruck lässt sich ausnutzen, um die Menschen zum Beispiel zum Energiesparen zu bewegen.  Auch bei dem Ausbau des Stromnetzes sollen Erkenntnisse der Verhaltensökonomie eingesetzt werden: Anrainer geplanter Stromtrassen sollen sich finanziell am Bau neuer Stromautobahnen beteiligen können. Bis zu fünf Prozent Zinsen sollen garantiert werden. Es wird auch untersucht, welche Anreize die Kooperation beim Klimaschutz erleichtern. Das kann bis zu "Economic Engineering" gehen.

Nudge (Nudging) als zentrales Element: Zentraler Fachbegriff aus der Verhaltensökonomik. Er wurde von R. H. Thaler (Nobelpreis 2017) and C. R. Sunstein eingeführt (vgl. Dieselben: Wie man kluge Entscheidungen anstößt, 2009/ USA 2008; ebenso D. Kahnemann: Schnelles Denken, langsames Denken, München 2012, USA 2011). Kahneman führt folgende Bausteine ein: Zwei Selbste, Econs und Humans, Zwei Systeme. "Nudge" ist das Gegenteil eines Verbots oder eines Befehls. Es geht um kluge, durchdachte Entscheidungshilfen und -anstöße.  Damit ist die Kraft, Menschen zu beeinflussen, größer. Beispiele bei Thaler sind eine Fliege im Urinal oder Obst in Griffnähe. Bei total freien Märkten kann Nudge zum Desaster führen, weil die Menschen keine guten Entscheider sind (Argument für die Regulierung von Gesundheitsmärkten). Der Begriff spielt heute auch in der Marketing-Kommunikation eine große Rolle. Die bekannteste Art von Nudges sind Standardvorgaben, die Defaults. Diese sollen Menschen in eine bestimmte Richtung "stupsen". Nudges können die Entscheidungen von Menschen verbessern, wie sie in Form gut aufbereiteter Informationen angeboten werden. Sie können auch die Selbstbindung verstärken (Selbstkontrollprobleme reduzieren; z. B. durch Wetten). In der Praxis kann Nudging in der Wirtschaftspolitik (Gefahr: Verwaltungsfreude, Obrigkeitsdenken), bei Konsumente (Gefahr: Manipulation), in der Alterssicherung und beim Verbraucherschutz bewusst eingesetzt werden. So gesehen ist es sanfter Paternalismus und verhaltensökonomisch fundierte Ordnungspolitik. Die Frage ist, ob unvollständige Rationalität eine hinreichende Begründung ist. In Umweltpolitik kommt es oft zu falschen Verheißungen: Mit Nudging könne man die Umwelt retten, ohne dass es wehtut. So könnten wirksamere Maßnahmen unterbleiben (die effektiver, aber schmerzhafter sind). Das Nudging im Energiesparen scheint 2020 nicht mehr zu funktionieren. Vgl. Andoe, Mark/ Gerster, Andreas/ Peters, Jörg: Information Campaign for Residential Energy Conservation, Ruhr Economic Papers B71, 2020.

Weitere Aspekte der Verhaltensökonomie: Klimafreundliches Verhalten ist für den Einzelnen mit wahrnehmbaren Kosten verbunden. Die externen Effekte durch Umweltschädigung sind kaum wahrnehmbar. Also ist der Klima-Nutzen des Einzelnen kaum messbar. Klimafreundliches Verhalten ist immer Kooperation. Das fällt egoistischeren Menschen schwerer. Wichtig ist auch die diskontierte Zukunft: Der Nutzen fällt erst in der Zukunft an. Entschuldigungen sind schnell parat: Verharmlosung, Leugnung, Herabwürdigung. Vgl. Falk, Armin: Ich und das Klima, in: Die Zeit, Nr. 48, 21.11. 2019, S. 31.

Coase-Theorem in der Umweltökonomik: Das Coase-Theorem spielt auch eine Rolle in der Umweltökonomik bei der Internalisierung externer Effekte. Vorschlag von R. Coase: freiwillige Einigung von Schädiger und Geschädigtem bei Ausschaltung des Verursacherprinzips, weil negative externe Effekte reziprok sind, da beide das knappe Gut Umwelt beanspruchen . Für globale Fragen ist die Verhandlungslösung wohl ungeeignet, weil zu viele Akteure da sind.

Auktionsmärkte: Produkte werden im Rahmen eines formalen Bietprozesses ge- oder verkauft. Man unterscheidet Auktionen mit gemeinsamem Wert (gleicher Wert, aber unbekannt) und privatem Wert (persönlicher Wert bekannt). Versteigert werden in Zukunft wahrscheinlich auch Parkplätze. Autos und Stellplätze können digital vernetzt werden. Damit entstehen völlig neue Möglichkeiten (z. B. erzielte in Boston 2013 ein Parkplatz eine Viertelmillion Dollar). 2020 erhalten die US-Ökonomen Paul R. Milgrom und Robert A. Wilson (sein Lehrer) für die Verbesserung der Auktionstheorie den Wirtschaftsnobelpreis. Sie erfinden neue Auktionsformate und zeigen praktische Anwendungen. Unterschiedliche Formen (Fischereirechte, CO2-Zertifikate, Strompreise, Start- und Landerechte, Funkfrequenzen) haben unterschiedliche Auswirkungen. Die öffentliche Aufmerksamkeit für Auktionen stieg in den 1990er Jahren. Da wurden Mobilfunkfrequenzen mithilfe von Auktionen vergeben. Zahlungsbereitschaften der Bieter waren von denselben fundamentalen Daten abhängig. Die Simultaneous Multiple Round Auction stellte ausgeklügelte Regeln zur Verfügung. Die zunehmende Digitalisierung ermöglicht immer komplexere Auktionsformate.

Umweltethik: Ethische Prinzipien sind ein wichtiger Bestandteil des Umweltbewusstseins. In allen Religionen wird der Mensch als Hüter der Natur gesehen. Häufig wird auf die Ethik zurückgegriffen, wenn alle anderen Methoden nicht funktionieren (Lückenbüßer). Ökonomische Signale sollten immer damit verbunden sein, wenn die Handlungsfolgen abzusehen sind (auch Transaktionskosten werden gespart). Der Umweltethik können  vor allem Religionen (Hinduismus, Buddhismus) förderlich sein. Oft wird ein Konflikt zwischen Ethik und Wirtschaft gesehen. Die Väter der Ökonomie, vor allem Adam Smith als Theologe, bezogen die Ethik selbstverständlich ein.  "Störe nicht den Himmel und verschmutze nicht den Luftraum", Hinduismus, Yajurveda, 5,43). "Natur und Umwelt zu schützen, um eine Welt des Friedens aufzubauen, ist die Pflicht eines jeden Menschen", Papst Benedikt XVI. Eklatante Verstöße gegen die Umweltethik fallen besonders bei Unternehmen auf. Im Herbst 2015 gerät VW in den USA in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Das Unternehmen hat in den USA Abgaswerte von Diesel-Autos massiv manipuliert. Mittels der Software wurde der Schadstoffausstoß bei Testes manipuliert. Es sind Strafzahlungen von über 18 Mrd. Dollar möglich. Hinzu kommen Sammelklagen von Kunden und Aktienbesitzern. Der Aktienkurs bricht zeitweise um 20% ein. Einen Tag später noch mal erheblich (insgesamt ein Drittel des Wertes verloren; zieht den DAX um 4% nach unten). 11 Mio. Fahrzeuge weltweit sind betroffen. VW gibt eine Gewinnwarnung heraus. Vorstandschef Winterkorn tritt zurück. Die Konzern- und Kontrollstruktur hat offenbar versagt. Vielleicht ist das Unternehmen zu groß geworden. Neuer Chef wird Matthias Müller von Porsche. Er verspricht schonungslose Aufklärung.

Anthroposophie: Rudolf Steiner (1862-1925), der im Jahre 2011 150 Jahre alt geworden wäre, ist der Begründer der Waldorfpädagogik. Er hat aber auch ganz wesentlich den ökologischen Landbau beeinflusst. Heute gelten als anthroposophische Unternehmen z. B. DM, Weleda und Demeter. Steiner übernahm Meditationstechniken aus Fernost und den Glaube an die Reinkarnation. Steiner schrieb auch Aufsätze zur Volkswirtschaftslehre. Seine politischen Ideen waren teilweise umstritten, weil sie Missinterpretationen ermöglichen (nationalistisch?). Über den Verdacht, dass er Nationalist und Rassist war, gab und gibt es eine intensive Diskussion.  Steiner war auf jeden Fall ein Menschenfreund. Er war ein Denker der individuellen Freiheit mit Misstrauen gegen staatliche Eingriffe und Großsysteme. Vgl. Wolfgang Müller: Ein Menschenfreund, in: Die Zeit Nr. 7, 11.02,21, S. 50. Steiner entwickelte auch eine Gymnastik, die spezielle Übungen beinhaltet: Das sind 7 stärkende Übungen (Bejahung - Verneinung, Sympathie - Antipathie, Liebe - E, Hoffnung - U, R mit Beugen des Oberkörpers, H - A (Eurythmisches Lachen, A - Verehrung). Vgl. natur & heilen 4/2021, S. 22ff. Steiner gilt auch als Begründer einer biodynamischen Landwirtschaft (Kreislaufwirtschaft und kosmische Kräfte). Seine Vorträge dazu hielt er 1924, sie feiern also 2024 ihr hundertjähriges Jubiläum. Auch zur Düngung entwickelte er spezielle Ideen: Biologischer Dünger von tieren des Hofs. Hornmist: Ausgleichende Wirkung auf "Bodenatmung". Vgl. Die Rheinpfalz, 6.6.24.

Henry David Thoreau: Im 19. Jahrhundert entwickelte der amerikanische Schriftsteller einen Entwurf einfachen, echten Lebens. Er lebte als Einsiedler, war Konsumkritiker und Umweltschützer. Berühmt ist sein Buch "Walden: Life in the Woods, 1854". Es geht um Leben nur mit dem nötigsten. Heute ist daraus eine "Thin-House" - Bewegung entstanden. In den Niederlanden ist 2017 eine ganze Straße mit Minihäusern entstanden.

Fürst Pückler: Er gilt als der große deutsche Park- und Gartengestalter. Seine grünen Visitenkarten bestehen bis heute. Er schuf Anlagen in Bad Muskau, in Branitz (persönlichste Werk, Herz, Altersruhesitz) und in Babelsberg. Seine Devise war "Oasen in Sandwüsten anlegen".  Er reiste in Europa herum, um sich Anregungen für seine Gärten zu holen.

Klaus Töpfer: Wahrscheinlich der wichtigste Politiker in Deutschland für den Umweltschutz. 1938 wurde er in Schlesien geboren, 2024 stirbt er in München. Er war Bundesumweltminister 1987 bis 1994 (CDU). 1988 durchschwamm er den Rhein, um seine Sauberkeit zu zeigen. 1992 erreichte er ein FCKW - Verbot. Er verhalf 1992 dem Umweltgipfel in rio de Janeiro mit zum Durchbruch. 1998 wechselte er als Exekutivdirektor beim Umweltprogramm der UN in Nairobi. Bis 2006 blieb er in Kenia. 2011 wurde er von Merkel als Co-Vorsitzender einer Kommission berufen, die nach Fukushima den Atomausstieg organisieren sollte. Er setzte sich immer für mehr ökologisches Profil der CDU ein.

Prinzipien der Umweltpolitik: Vorsorge, Verursacher, Kooperation, Gemeinlast. Diese Prinzipien stehen auch in der Rangfolge ihrer Aufzählung. "Der Umweltpolitik fehlt bisher noch der makroökonomische Ansatz", Achim Steiner, Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms.

Äquivalenzprinzip: Gleichheit von Leistung und Gegenleistung (Gegensatz: Leistungsfähigkeitsprinzip, Rechtfertigungsgrundsatz der Besteuerung und der Gebühren bzw. Abgaben in der Umweltpolitik). Beispiel: Abwasserabgabe, die an den Wasserverbrauch gekoppelt ist.

Nachhaltigkeit (Sustainability): Im Kern die schonende Nutzung der Produkte eines regenerierbaren natürlichen Systems in einer Weise, dass dieses im Wesentlichen erhalten bleibt und sein Bestand nachwachsen kann. Die Idee ist ca. 300 Jahre alt und wurde erstmals von Carl von Carlowitz (1645-1714) in seinem Werk "Sylvicultura oeconomica" (1713) formuliert. Er ist der Vater der Forstwirtschaftslehre und lebte in Freiberg, Sachsen. Danach wird ein Wald nachhaltig genutzt, wenn nur so viel Holz eingeschlagen wird, wie nachwächst. Bereits im 15. Jahrhundert findet sich der Begriff in Forstordnungen (Speyer 1442). Heute ist der Begriff ein Modewort, der auf viele Bereiche angewandt wird. Z.B. wird häufig die gleichberechtigte Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Belange als "nachhaltig" bezeichnet. Mittlerweile kommt der Druck auch von den Kapitalgebern auf die Unternehmen, Nachhaltigkeit als Maßstab zu setzen. So wird es als Wert und als Maßstab für Erfolg etabliert. "Wer nachhaltig handelt, denkt an die Stabilität wirtschaftlicher, sozialer oder ökologischer Systeme übers Jahr hinaus. Er wird keine Strohfeuer entfachen", Franz Fehrenbach, Vorstandsvorsitzender Bosch, in: Handelsblatt, Nr. 253, 2010, S. 20. "Eine Welt, die Platz für die Öffentlichkeit haben soll, kann nicht nur für eine Generation errichtet oder nur für die Lebenden geplant sein; sie muss die Lebensspanne sterblicher Menschen übersteigen", Hannah Arendt (Vita activa oder Vom tätigen Leben, München 2020, S. 68.

Ökologie: "Die gesamte Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Außenwelt", Ernst Haeckel, Generelle Morphologie der Organismen, Berlin 1866, S. 286. Er war Biologe und gilt als Begründer der Ökologie als Disziplin (1834-1919).

Intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit: Spielt zunehmend als Prinzip eine Rolle. Es wird international an Konzepten gearbeitet: Planetary Trust, Helmholtz-Gesellschaft, Weltbank. Das Bundesverfassungsgericht bringt diesen Aspekt massiv in sein Klimaschutzurteil im Mai 2021 ein.  "Ich bin davon überzeugt, dass die Wirtschaft auf konventionelle Art nicht zu retten ist. Das Nachkriegszeitalter endete politisch mit dem Fall der Mauer, soziökonomisch endet es mit dem gegenwärtigen Crash", Hans Joachim Schellnhuber, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, am 26.03.09 in DIE ZEIT, S.18.

Ordnungsrecht bzw. Verordnungen (Auflagen): Gesetzliche Vorgaben von Grenzwerten. Diese Maßnahmen sind in der Regel genauso effektiv, aber weniger effizient als marktwirtschaftliche Instrumente. Seit Ende 2009 darf die US-Umweltbehörde EPA Grenzwerte für Treibhausgase verhängen. Normalerweise entfernt man sich von solchen Instrumenten der Umweltpolitik. 

Havanna-Effekt: Pauschale Verbote - wie  z. B. das Heizungsverbot von Öl und Gas 2023 geplant - sorgen für diesen Effekt. Deutsche Haushalte werden versuchen, ihre Gas und Ölheizungen möglichst lange zu halten (wie die Kubaner ihre alten US-Autos aus den Fünfziger- und Sechziger-Jahren). Das zeigt sehr deutlich, die Ineffizient von ordnungsrechtlichen Maßnahmen.

Innovationen: Gemeint sind Sprung-Innovationen in der Umwelttechnologie. Die meisten Umweltexperten sind heute der Meinung, dass sie der entscheidende Faktor für eine erfolgreiche Klima- und Umweltpolitik sind. Der Staat kann Rahmenbedingungen setzen, die Mehrheit der Bürger müssen mit ihrem Umweltbewusstsein und -verhalten dahinter stehen. Aber es muss technologisch umsetzbar sein.

CO2-Preis und staatliche Preispolitik: Drei Möglichkeiten staatlicher Preispolitik. 1. CO2-Steuer. Auf jede ausgestoßene Tonne CO2 eine Steuer. Die Erhebung ist nicht einfach, weil es schwierig ist, Emissionen zu messen. Deshalb wird in der Regel auf den CO2-Gehalt der fossilen Brennstoffe rekurriert. Die Energiepreise erhöhen sich in der Folge. Dadurch entstehen Anreize, Energie effizienter einzusetzen. Es muss einen sozialen Ausgleich geben und Investitionen in moderne Technologien. 2. Emissionsobergrenzen. Dies wird mit einem Handelssystem verbunden. Die Menge wird in Zertifikate unterteilt. So entsteht indirekt ein Preis. Am besten wäre es, man würde die größten Emittenten China und USA mit ins Boot bekommen. Funktioniert am besten im Energiesektor. Schwierig im Verkehr und bei Gebäuden. 3. Implizite Preise. Die Unternehmen übernehmen die Kosten staatlicher Vorgaben. Die Unternehmen können den impliziten Preis schätzen. Im Oktober 2020 beschließt der Bundestag die Einführung einer CO2-Steuer. Sie wird auf fossile Energieträger erhoben. Das wird die Preise ab 1.1.21 erhöhen.

Emissionsgebühr: Eine Gebühr, die auf jede Emissionseinheit eines Unternehmens erhoben wird. In der Regel gibt es dann einen Emissionsgrenzwert, der gesetzlich die Höchstmenge eines Schadstoffes festlegt. Bei einer zweistufigen Gebühr muss sowohl für den Markteintritt als auch für die Nutzung gezahlt werden. "Pecunia non olet, Geld stinkt nicht", berühmter Ausspruch vom römischen Kaiser Vespasian, als er zur Finanzierung des Baus vom Kolosseum eine Latrinenabgabe einführte.

Zertifikate: Zertifikate sind handelbare Rechte zur Inanspruchnahme von Umweltgütern. Sie zeichnen sich durch eine größere Effizienz aus (bei gleicher Effektivität kostengünstiger). Die Umweltbehörde legt im Zuge der Ausgabe die Menge der Umweltgüter fest. Probleme bereiten die Kalkulation der Menge pro Region und der Wettbewerb beim Handel. London ist Zentrum des weltweiten Handels, dessen Chancen immer mehr Unternehmen erkennen. Ein erhebliches Problem liegt darin, ob man sie zuteilt oder versteigert. In Deutschland werden die Zertifikate an der Energiebörse in Leipzig gehandelt. Sinnvoll wäre es sicher auch, den Straßenverkehr einzubeziehen. Die Firmen bekommen dabei weniger Zertifikate zugeteilt als benötigt. So sollen sie zu Einsparungen gezwungen werden. Unternehmen, die Emissionen verringern, können Rechte gewinnbringend verkaufen. Es gibt auch Handel zwischen Staaten (in der EU) sowie Zusammenarbeit zwischen EU und US-Staaten. 2012 schließt sich Australien dem Emissionshandel an. Das Endziel ist ein globaler Markt. 2010 werden CO2-Rechte geklaut über gefälschte Zugangsdaten und Emails. Im Oktober 2003 ist die EU-Emissionshandelsrichtlinie in Kraft getreten. Einem "Grandfathering" - Ansatz folgend wurden den Betreibern von Großanlagen kostenlos Zertifikate zugeteilt. 2008 kommen neue Zertifikate bis 2012. Anfangs war der Preis mit 60 Cent pro t zu niedrig, in der nächsten Handelsperiode soll er über 20€ liegen. Die Industrie- und Stromfabriken erhalten ein festgelegtes Budget für den CO2-Ausstoß. Wer mehr benötigt, muss Rechte dazukaufen. Mittlerweile wurde eine Kooperation im Emissionshandel mit US-Bundesstaten, kanadischen Provinzen und Neuseeland  vereinbart. Obama wird voraussichtlich bemüht sein, die Kooperation auszudehnen. Im Gegensatz zur ersten Handelsrunde dürfen die Teilnehmer jetzt auch Emissionsberechtigungen außerhalb der EU erwerben (Joint Implementation). Außerdem besteht die Möglichkeit zu Emissionsminderungen aus dem Clean Development Mechanism (CDM). Die Industrie der EU kann die Hälfte der CO2-Reduktionen im Ausland leisten. Ab 2012 werden auch die Fluggesellschaften, die die EU anfliegen, in den Emissionshandel einbezogen. Sie müssen Zertifikate für den Ausstoß von Kohlendioxid kaufen, den sie bei Starts und Landungen in Europa verursachen. Dies führt zu Streit mit den USA und China (Androhung von Handelskrieg). Strittig ist auch, wie der Handel ab 2013 funktionieren soll. Auch die Kraftwerksbetreiber und Osteuropa sind schwierig einzubeziehen. Die Produktionsunternehmen sollen zunächst ein Fünftel der Zertifikate ersteigern, 2020 100%. Im Januar 2011 muss der Handel für eine Woche ausgesetzt werden, wegen umfangreicher Betrügereien mit Verschmutzungsrechten und Sicherheitslücken im elektronischen Dateisystem. Um auf Fehlentwicklungen zu reagieren, hat die Kommission Mitte 2012 einen Vorschlag zur Änderung des Zeitplans gemacht. Oberstes Ziel des Handels mit Emissionszertifikaten ist Klimaneutralität. Endgültig können Zertifikate nur funktionieren, wenn es einen globalen Preis für Treibhausgase  gibt. Es müsste also einen für alle verpflichtenden CO2-Preis geben. 2018 steigt der Preis für Zertifikate an bis auf ein Zehnjahreshoch. Die Reform der ETS zeigt Wirkung.

Zertifikate gehören zusammen mit Abgaben zu den Markt orientierten Instrumenten. Andere Instrumente der Umweltpolitik sind ordnungsrechtliche Auflagen, finanzielle Anreize (insb. Steuern) und Kooperationslösungen (freiwillige Selbstverpflichtungen). Wer keine Zertifikate kaufen will, muss zur Modernisierungsstrategie greifen. Mit den steigenden Preisen für CO2-Zertifikate werden Anreize gesetzt, ineffiziente Anlagen zu ersetzen. Mit dem Personal Carbon Trading liegt auch ein Konzept zur Errichtung eines Emissionshandels für private Haushalte vor. Im Januar 2010 hielt ich einen Vortrag über die Funktionsweise von Zertifikaten im Rahmen der Kinder-Uni. "Wenn du schnell gehen willst, geh alleine, wenn du weit gehen willst, geh zusammen", afrikanisches Sprichwort. Für Müll und Abwasser gab es die ersten Umweltgebühren in Deutschland. Beide steigen mit der Menge der Nutzung. Vor 170 Jahren (von 2013 aus) wurde in Hamburg die erste moderne Abwasserkanalisation Deutschlands gebaut. Die Rohre sind so gut geplant, dass sie teilweise heute noch in Betrieb sind.

Emissionshandel in der EU ab 2013: Die EU setzt eine Obergrenze fest, die jährlich um 1,74% reduziert wird. Große Emittenten (Zement-, Stahl-, oder Glashersteller) von CO2 erhalten einige kostenlose Emissionszertifikate (Erlaubnisscheine). Zugrunde gelegt werden frühere Produktionszahlen und ein Effizienz - Faktor. Die kostenlosen Zertifikate werden bis 2020 schrittweise reduziert. Alternativ kann in umweltfreundliche Technik investiert werden. Die Emissionszertifikate werden von der Deutschen Emissionshandelsstelle (Unterabteilung des Umweltbundesamtes) ausgegeben. Für Anlagen, deren Ausstoß über dem Effizienzfaktor liegt, müssen zusätzliche Zertifikate an einer speziellen Börse ersteigert werden. An der Börse (z. B. Leipziger EEX) bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis für die Zertifikate. 2011 muss der so genannte Spotmarkt ausgesetzt werden, weil Emissionszertifikate im Wert von 28 Mio. € im Computer gestohlen wurden. Auf andere CO2-Emissionswerte käme man, wenn man den Handel mit einrechnet. So würden sich die CO2-Emissionen Deutschlands um 222 Mio. t erhöhen, wenn die umweltschädlich produzierten Importe dazugezählt würden (z. B. aus China). Mittlerweile stellt der Emissionshandel für einige Firmen weniger ein Kostenfaktor dar, sondern eine Einnahmequelle. Dies betrifft vor allem die Unternehmen, die eine bestimmte Anzahl von Zertifikaten kostenfrei erhalten haben (Schutz bestimmter Branchen). Der Emissionshandel funktioniert wie folgt: Der Staat verteilt Emissionsrechte an die Unternehmen. Ein Unternehmen mit modernen Anlagen benötigt diese Rechte nicht und verkauft sie direkt oder über den Handel an der Energiebörse. Auch die Banken handeln mit CO2-Zertifikaten, die die Preisentwicklung abbilden oder Handel im Auftrag eines Kunden. Der Emissionshandel in Europa gerät immer wieder in der Diskussion, vor allem bei den steigenden Strompreisen. Die Staaten sollen stärker eingreifen. Der Umweltausschuss kämpft für die Beibehaltung. 2013 scheitert Polen mit einer Klage gegen den Emissionsrechte -Handel vor dem erstinstanzlichen Gericht der EU. Privatanlegern ist der Zugang zum Emissionshandel (EEX, Leipzig; ICE, Londen) verwehrt. Banken bieten aber Zertifikate an, die die Preise für Kohlendioxid widerspiegeln. Dies sind Spekulationspapiere (wenn der Klimaschutz verschärft wird, steigen die Preise für Emissionsrechte). Die Reduzierung der Zertifikate - Anzahl, um den Preis zu stabilisieren, scheitert 2013 im Europaparlament. Im Juli 2013 wird dann doch eine Reform beschlossen, um den Preisverfall aufzuhalten. Die CO2-Zertifikate werden dem Markt entzogen (nur noch einmaliger Verkauf). Die wird im November 2013 noch verschärft. 900 Mio. Verschmutzungszertifikate werden bis 2020 aus dem Handel genommen. So soll ein Preisanstieg erreicht werden (der Preis lag bei 5 € pro Tonne CO2, statt bei 30 €, wie geplant; Überangebot an Papieren, zurückgehend auf die Finanzkrise). Im Februar 2014 beschließen die EU-Staaten eine Reform des Emissionshandels: die zeitweise Rechteverknappung des Ausstoßes von CO2 ist zulässig. Sicher könnte das System noch besser und effizienter gestaltet werden: jährliche Mengen sinnvoller festlegen; mehr als 50% versteigern; kostenlose Rechte - Zuteilung muss nicht sein; Erlöse sinnvoller verwenden; nur rund 45% der EU-Treibhausgasemissionen werden vom EU-ETS erfasst. 2014 taucht sogar die Idee auf, dass die EZB CO2-Zertifikate kaufen soll, um danach Geld in den Klimaschutz zu stecken. Der Klimaschutz entzweit immer mehr die EU. 2015 setzen die Osteuropäer einen späteren Beginn der Emissionshandelsreform durch (erst 2021; Deutschland hatte sich für 2017 stark gemacht). Unter anderem sollen 2 Mio. Zertifikate aus dem Emissionshandel herausgenommen werden. Die EU will den CO2-Handel nach 2020 ankurbeln: Ab 2019 sollen Rechte für 1,5 Mrd. t CO2 in eine Art Ablage verschoben werden. Die Verknappung soll zu steigenden Preisen führen. Die Grenzen für kostenlose Zertifikate sollen Jahr für Jahr sinken. Ziel der ETS-Reform ist es, energieintensive Unternehmen zu mehr Investitionen in klimafreundliche Technologien zu bewegen. Die Gefahr könnte sein, dass energieintensive Branchen aus Europa abwandern. Das EU-Parlament beschließt die Reform am 08.07.15. Auf einer EU-Sitzung 2017 in Malta einigen sich die EU-Umweltminister auf folgende Änderung des EU-Emissionsrechtehandels: Die Zertifikate werden Unternehmen kostenlos zugeteilt 8bis zu 2% mehr als vorher). Erst bei größeren Mengen Kohlendioxid müssen sie kaufen. Die europäische Stahlindustrie und ihre Lobbyisten werden dahinter vermutet. Im November 2017 reformiert die EU ihren Emissionshandel: Die Regelung gilt ab 2020. Es sollen mehr Anreize zum Klimaschutz geschaffen werden. Es sollen mehr Rechte aus dem Handel genommen werden, um den Preis zu erhöhen (bis 2030 jedes Jahr 2,2 Prozent weniger Rechte). Weil Deutschland seine Klimaziele reißt, wird die Regierung Milliarden an andere EU-Länder zahlen müssen. Man will in Bulgarien, Ungarn, Kroatien und der Slowakei überzählige CO2-Zertifikate kaufen (hat Malta auch vor). 2022 beschließt das EU Parlament, den Zertifikate - Handel auf die Bereiche Verkehr und Gebäude auszuweiten. Damit entsagt sie einer subventionierten Verordnungspolitik. Die Neuregelung soll aber erst ab 2027 kommen.  Vgl. Wambach, Achim: Klima muss sich lohnen, in: WiWo 29/ 15.7.22, S. 42f. Privathaushalte und kleine Unternehmen müssen zahlen. Zur Unterstützung kommen Sozialfonds. Auf die Industrie kommen höhere Kosten zu. Dazu gehört auch der CO2-Preis für Importe. Deutschland erhält für 2022 13 Mrd. Euro aus dem Emissionshandel. 2023 bringt der Emissionsrechtehandel einen Rekorderlös: 18,4 Mrd. € (+40%). Die Mittel fließen in den Klima- und Transformationsfonds. Der Ausgleich für Haushalte für steigende CO2-Preise fehlt noch, das Klimageld. 2024 ist der CO2-Preis in der EU binnen eines Jahres um die Hälfte gefallen. Dabei sollte er doch steigen. Funktionieret der Handel mit dem Klimakiller? Ursachen sind die schlechte Wirtschaftslage und die wieder sinkenden fossilen Energiepreise. Der Emissionsmarkt ist flexibel. Vgl. Waak, Jonas: CO2 zum Schnäppchenpreis, in: Die Zeit 12/ 14.3.24, S. 21.

CO2-Preis: 2024 ist der CO2-Preis in der EU binnen eines Jahres um die Hälfte gefallen. Dabei sollte er doch steigen. Funktionieret der Handel mit dem Klimakiller? Ursachen sind die schlechte Wirtschaftslage und die wieder sinkenden fossilen Energiepreise. Der Emissionsmarkt ist flexibel. Vgl. Waak, Jonas: CO2 zum Schnäppchenpreis, in: Die Zeit 12/ 14.3.24, S. 21. Der Preisverfall erschwert den Kampf gegen die Erderwärmung und verteuert grüne Investitionen. Vgl. Müller-Arnold, B./ Sauga, M.: Verschmutzen lohnt sich wieder, in: Der Spiegel 12/ 16.3.24, S. 57.

Europäisches Zertifikate - System (EU- ETS) und Dekarbonisierung: Wenn die Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden soll, muss das Zertifikatesystem effizienter auf private Haushalte und Transportsektor ausgedehnt werden. Fossile Rohstoffe müssen verknappt werden.

Deutsche Emissionshandelsstelle ( www.dehst.de ): Sie ist im Umweltbundesamt angesiedelt. Sie ist für den Emissionshandel und die anderen Mechanismen (Joint Implementation, Clean Development Mechanism) zuständig. Sie teilt auch die Emissionsberechtigungen zu und verändert die Menge. Über den Primärmarkt/ Strombörse EEX werden die Zertifikate an Unternehmen zugeteilt, die erhöhte CO2-Emissionen haben und mehr Zertifikate benötigen. Unternehmen mit modernen Anlagen, die Zertifikate nicht benötigen, versteigern Zertifikate über EEX. Unternehmen können überschüssige Zertifikate auch untereinander handeln (Sekundärmarkt). Vor der erwähnten Leipziger Messe liegen in der Bedeutung die Londoner European Climate Exchange (ECX, 80% des Handelsvolumens), die Osloer Nord Pool und die Pariser PowerNext. Eine Reform des Emissionshandels auf europäischer Ebene scheitert im April 2013. 900 Mio. Zertifikate werden nicht vom Markt genommen (um den Preis zu erhöhen bzw. zu stabilisieren).

Nationaler Emissionshandel: Damit Deutschland seine Klimaziele bis 2030 erfüllen kann, wird ein nationaler Emissionshandel mit Verschmutzungsrechten diskutiert. Er soll im Bereich Verkehr und Wärme eingeführt werden. Die CDU/ CSU neigt diesem Umweltschutz-Instrument zu.

Emissionshandel in der Welt: 2013 startet China ein Pilotprojekt im Emissionshandel. Einige Aspekte sprechen dafür, dass das System besser funktioniert als der Handel mit Verschmutzungsrechten in der EU. Der Handel wird in der Stadt Shenzhen gestartet. Die chinesische Regierung kann die Zertifikate jederzeit verknappen. Die chinesischen Firmen sollen klimatechnisch effizienter werden. Der CO2-Ausstoß je Produktionseinheit soll bis 2017 um mindestens 40 Prozent sinken. Der Gesamtausstoß wird wahrscheinlich noch bis 2030 ansteigen. 2014 denkt China über einen landesweiten CO2-Emissionshandel nach. Eine Studie des ZEW untersucht, wie sich der Schritt auf die Wirtschaft auswirken könnte: Hübler/ Löschel/Voigt, Designing an Emissions Trading Scheme for China - An Up-to-date Climate Policy Asessment, Paper, ZEW 2014.

Schwächen des Zertifikate - Handels: Weltweit setzen Unternehmen zum erreichen der Klimaziele auf Kompensationen. Dabei haben sie sich scheinbar über Jahre mit Zertifikaten freigekauft, die viel weniger CO2 einsparen als versprochen. Es geht vor allem um Waldschutz-Zertifikate. Vgl., Fischer, Tin/ Knuth, Hannah: Grün getarnt, in: die Zeit, Nr. 4/ 19.1.23, s. 19ff.

Finanzierung des Klimaschutzes nach Wohlstand: 2019 gibt es in Deutschland eine Diskussion, ob die Reichen den Klimaschutz finanzieren sollten. Ärmere Menschen wohnen auf kleinerer Fläche. Reiche Menschen reisen mehr und verbrauchen auch mehr von der Umwelt. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass Umweltpolitik nicht funktionieren kann, wenn alles für alle teuer wird. Ansatzpunkt wäre eine CO2-Steuer. Je klimaschädlicher eine Aktivität ist, desto teuerer wird sie damit. Die Schweiz hat eine solche Steuer eingeführt. Das Steueraufkommen wird den Bürgern komplett zurückgegeben. Jeder Schweizer bekommt ein pauschales Energiegeld. Von dem profitieren die Armen überproportional (weil sie in kleineren Wohnungen leben). Kanada hat ein ähnliches Modell. Vgl. auch CO2-Steuer weiter unten.

Globales Preisabkommen für Treibhausgase: Die Idee stammt con W. Nordhaus (Nobelpreis 2018). Es ist die Voraussetzung für kosteneffizienten Klimaschutz. Außerdem kann jedes Land individuell handeln. Für arme Länder könnte man einen Mindestpreis einführen. Vgl. Frondel, M.: Globales Preisabkommen für Treibhausgase: ein Weg zu effektivem Klimaschutz? in: Wirtschaftsdienst 2019/3, S. 167ff.

Schadstoffgrenzwerte für Autos: Es geht um den CO2-Ausstoß. Deutschland verhindert immer wieder eine schnelle Lösung, weil es die Interessen der großen Automobilproduzenten vertritt. Für Daimler und BMW sollen flexiblere Flottenlösungen erreicht werden. Ende 2013 wird der Streit über Abgaswerte für Autos beigelegt. Deutschland stimmt dem Kompromiss für Verbrauchszahlen auf EU-Ebene zu. Um Herstellern wie Daimler und BMW entgegenzukommen, werden die Abgaswerte erst 2021 voll greifen. Neuwagen dürfen nun von 2021 an nur noch 95 Gramm Kohlendioxid pro gefahrener Kilometer ausstoßen. 2018 verschärft die EU die Abgasregelung. Die Emissionen von PKW sollen bis 2030 um 35% im Vergleich zu den Werten von 2021 gesenkt werden, bei Lieferwagen sollen es 30% sein. Die Flotte der Elektro- und Hybrisautos soll bis 2030 auf einen Anteil von 35% anwachsen. Gleichzeitig sollen die Autobauer  bessere Möglichkeiten bekommen, höhere Anteile von E-Autos auf ihren Gesamtflottenverbrauch anzurechnen. Ende 2018 verschärft die EU die CO2-Grenzen für Autos. Neuwagen sollen bis 2030 rund 37,5 % weniger Kohlendioxid ausstoßen. Das ist das Ergebnis eines Vermittlungsverfahrens zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und Mitgliedsländern. Die EU-Länder wollen auch CO2-Grenzwerte für Lastwagen. Nach einer Studie des Umweltbundesamtes 2015 ist die Umweltbelastung durch Autos im Vergleich zu 1990 stark gestiegen: immer stärkere Autos, mehr Lastwagen. Die EU will den Ausstoß von Lastwagen im November 2018 reduzieren. Es gibt große Sorgen in der LKW-Branche (Daimler in Mannheim und Wörth). Ab 2030 gelten in der EU für Neuwagen scharfe CO2-Grenzwerte. Der Flottenwert in Europa beträgt ab 2021 95g CO2/km. Daimler, BMW, VW liegen 2020 noch deutlich drüber.

Stickstoffbelastung (Stickstoffoxide): Gasförmige Verbindungen mit den Atomen Stickstoff und Sauerstoff. Es werden starke Emissionen reaktiver Stickstoffverbindungen in Wasser, Luft und Boden für Deutschland festgestellt (Quelle: Bundesumweltministerium). Es kommt zu Schädigungen von Menschen und Natur. Hauptursachen sind die übermäßige Nutzung von Mineraldünger in der Landwirtschaft, die Kohleverstromung und der hohe Anteil von Dieselfahrzeugen. Die Bronchien verengen sich. Stickstoffoxide entstehen bei Verbrennungsprozessen. In Ballungsräumen ist der Straßenverkehr die bedeutendste Quelle. . Zwischen 2006 und 2016 sollen mehr al eine Million Autos mit unerlaubt hohem Schadstoffausstoß verkauft worden sein. Mittlerweile wird häufiger die Begünstigung von Diesel-Kraftstoff bei der Mineralölsteuer in Deutschland kritisiert ("Dieselprivileg"). Beim "Diesel-Gipfel" im August 2017 war auch sind auch Förderprogramme für Städte beschlossen worden, die über den Schadstoffgrenzwerten liegen (500 Mio. € vom Bund). Es melden sich immer mehr Städte. Die Hersteller sträuben sich gegen die Umrüstung ihrer Fahrzeuge. Die Kommunen fordern Geld für saubere Luft. Sie wollen Verkehrsprojekte. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes Ende Februar 2018 ermöglicht den Städten, Fahrverbote unter bestimmten Umständen zu erteilen. Betroffen davon sind etwa 70 Städte, die zeitweise über den Grenzwerten liegen. In RLP sind dies Ludwigshafen und Mainz. In 130 Staaten der EU leiden die Bürger deshalb. In Deutschland ist die Belastung mit Stickstoffoxiden am stärksten in den Städten Stuttgart, München, Reutlingen, Kiel und Köln.

Feinstaubplaketten: Sie werden illegal gehandelt. Besonders beliebt als Forum ist Facebook. Es gibt keine offizielle Statistik über das Ausmaß des illegalen Handels.

Fahrtverbote für Innenstädte versus Gebühren für die Wegnutzung (City-Maut): Am Beispiel von Dieselautos gibt es diese Diskussion. London und Schweden haben Erfahrungen mit der City-Maut. Diese sind eher positiv. Bei den Gebühren ist der Preis entscheidend. 2018 will die Bundesregierung die Rechtsgrundlage schaffen, damit Fahrverbote in Städten möglich sind. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes Ende Februar 2018 ermöglicht den Städten, Fahrverbote unter bestimmten Umständen zu erteilen. Betroffen davon sind etwa 70 Städte, die zeitweise über den Grenzwerten liegen (in der Öffentlichkeit am bekanntesten sind die Fälle Stuttgart und Düsseldorf). In RLP sind Ludwigshafen und Mainz betroffen. Die meisten Experten sehen die Lösung in einer blauen Plakette. Es gibt Übergangsfristen. Das Umweltbundesamt spricht sich für zwei verschiedene blaue Plaketten aus (dunkel- und hellblau, je nach Ausstoß). "Fahrverbote halten wir für keine gute Lösung. Für den Wirtschaftsstandort Stuttgart sind sie ein Eigentor", Dieter Zetsche, Chef von Daimler, 2018. Ab Februar 2019 gibt es in Frankfurt ein Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge (Norm Euro 4 und älter). So entscheidet das Verwaltungsgericht in Wiesbaden. Bayern ignoriert gerichtlich angeordnete Fahrverbote. Europa-Richter entscheiden über die Folgen (Beugehaft?).

Anwohnerparken in Innenstädten: Das Problem wird immer größer. Der Deutsche Städtetag spricht sich 2022 für höhere Preise beim Anwohnerparken aus (mehr als 300 € pro Jahr).

Abgasnorm Euro 7 (Verschärfung der EU-Kommission ab 2021?): Grenzwerte unter härteren Bedingungen (ab 1. Kilometer im echten Fahrbetrieb). Inkrafttreten könnten die neuen Werte ab frühesten 2025. Es soll eine "Nullverschmutzungsstrategie" sein. Es kommt im rahmen von "New Green Deal". Helfen sollen die E-Autos und die Hybrid-Fahrzeuge. Im September 23 wird die neue Abgasnorm wieder entschärft. Das ist eine Schlappe für die deutschen Grünen.

City-Maut (congestion charge): Die erste bedeutende Stadt, die eine City-Maut in Europa einführte, um das Verkehrsaufkommen in und um das Stadtzentrum zu verringern und Investitionsgelder für das Verkehrssystem zu beschaffen, war 2003 London. Fahrzeuge mit nicht-britischen Nummernschildern sind ausgenommen, aber britische Mietfahrzeuge nicht. Das Modell in London wird "Flatrate-Modell" (einmal zahlen, den ganzen Tag fahren) genannt. Im April 2019 kommt zusätzlich eine Abgasgebühr, die vor allem ältere Autos trifft. Mittlerweile haben Singapur (Mautmodell, Ausbau des ÖVP mit den Mitteln), Stockholm und Florenz ähnliche Konzepte. Stockholm handelt nach dem Prinzip "Volle Straßen, hohe Preise". Florenz hat ein Verbotsmodell: Zu ausgewählten Zeiten ist eine Zone gesperrt. Peking erlässt Fahrverbote bzw. -gebote für bestimmte Nummernschilder. Das Anwohnerparken in der City soll auch teurer werden. Der Bundestag ermöglicht 240 € pro Jahr. Schon jetzt sind in Deutschland viele Autofahrer ohne die vorgeschriebenen Plaketten in den Umweltzonen der Städte unterwegs. Die Frage der Kontrolle stellt sich bei allen Plaketten. Im April 2019 will der Deutsche Städtetag den Gemeinden die Möglichkeit einräumen, eine City-Maut oder eine Nahverkehrsabgabe zu erheben.

Road pricing: Durch die Digitalisierung wäre eine exakte Benutzungsgebühr für Straßen möglich. Damit könnten neue Finanzierungsquellen für den Verkehr erschlossen werden. Von den Gesamtkosten her gesehen, decken die Kosten des Autos nicht die von ihm verursachten Schäden. Nach dem Verursacherprinzip müssten deshalb alle Kosten auf den Fahrer übertragen werden, auch die externen Effekte (Lärm, Abgase, Straßenverschleiß). Das Autofahren ist zu günstig. Vielleicht kommt im Zusammenhang mit den Luftproblemen in den Innenstädten eine Lösung.

Bei einer Umweltsteuer (Pigou - Steuer, Preislösung) ist der Steuersatz so zu gestalten, dass er dem Abstand zwischen sozialen Grenzkosten und privaten Grenzkosten der Produktion eines umweltschädigenden Gutes entspricht (externe Kosten). Wegen der extrem schwierigen Kostenmessungen ist dies in der Praxis schwierig umzusetzen. Einfacher ist die Besteuerung bei den anderen Produktionsfaktoren zu planen: immer sind die negativen Verzerrungen zu kalkulieren. Einkommensteuern machen Arbeit unattraktiver und senken die Beschäftigung. Trotzdem wählt man diesen Weg, je starrer das Arbeitsangebot ist. Die Kapitalertragsteuer ist insbesondere wegen ihrer Verteilungswirkung der Konsummöglichkeiten von Reich zu Arm zu wählen (optimal seien 36%). Pigou legte mit seinen Beiträgen zur Theorie externer Effekte den Grundstein für die Analyse von Umweltbelastungen. Sein zentrales Werk "Wealth and Welfare erschien 1912 (1920 Neuauflage als "The Economics of Welfare"). Seine Lehrer waren A. Marshall und H. Sidgwick.

In Deutschland war die erste Pigou - Steuer die Ökosteuer von 1999 (2006 ins Energiesteuergesetz überführt und EU-kompatibel). Insbesondere sollten die Beiträge der Sozialversicherung gesenkt werden. Erwägenswert wäre eine Öko-Steuer, die den Benzinpreis stetig steigen lässt. Die Ökosteuer sieht Ausnahmen für energieintensive Industriebranchen vor. Dieser Kreis soll 2011 eingeschränkt werden, wobei KMU und besonders energieintensive Unternehmen auch entlastet werden. In den Niederlanden wird ab 2012 Kfz-Steuer für jeden gefahrenen Kilometer gezahlt. Erfasst werden sollen die Fahrdaten durch GPS. Die EU schlägt eine weltweite Finanzmarkttransaktionsteuer vor, dessen Aufkommen für den Klimaschutz zur Verfügung gestellt werden soll. Die Bundesregierung plant eine Brennelemente - Steuer, die für Atomkraftwerke erhoben wird, die länger als geplant am Netz bleiben wollen (Gewinnanschöpfung).  Vgl. Conesa J. C./ Kitao, S./ Krüger, D.: Taxing Capital? Not a Bad Idea after All! NBER Working Paper Nr. 12880, Dez. 2007.

CO2-Preis - Zustandekommen (Abgabe): Er wird ab 2021 eingeführt. Anfangs beträgt der Preis 25 Euro und später 65 € pro Tonne CO2. Das Umweltbundesamt hatte 195 € vorgeschlagen. Insofern ist das ein Schnäppchenpreis, der viel zu gering ist. Die Erhöhung der Pendlerpauschale begünstigt Emmission-starke Verbrenner. Die Senkung des Strompreises begünstigt auch fossile Träger. Die fossilen Energieträger werden nicht nach den Klimafolgekosten bewertet. Vgl. Claudia Kempfert: Der CO2-Preis ist viel zu niedrig. Homo oeconomicus, in: Handelsblatt Nr. 7, Dienstag den 12.01.2021, S. 10. Die Preise für Öl und Gas gehen sofort nach oben. Trotzdem dürfte der CO2-Preis nach oben gehen. In den Sektoren Verkehr und Gebäude ist das so ausgemacht. Bei privaten Haushalten sind Entlastungen eingeplant, die einkommensabhängig sind. Die Ampel einigt sich im April 2022 übe reine Klimaabgabe für Mieter. In vielen Fällen sollen sich die Vermieter an der CO2-Abgabe beteiligen. Das soll davon abhängig sein, wie klimafreundlich das Haus ist. Im Mai 2022 entscheidet das Bundesverfassungsgericht: Die Vermieter sind an der Klimaabgabe zu beteiligen. Das gilt ab 2023. Die Vermieter sollen zu energetischen Sanierungen animiert werden. Ab 2024 soll der CO2-Preis deutlich angehoben werden. Er wird konkret auf 40 € pro Tonne angehoben (geplant waren 35 €). Damit wird Tanken und Heizen teurer. Eine Erhöhung Anfang 23 war wegen der Energiekrise verschoben worden. Ab 24 wird eine Steigerung kommen, da alle Bremsen und Unterstützungen im Zuge der Haushaltsknappheit (Verfassungsgerichtsurteil) zurückgenommen wurden. Auch ein Klimageld soll es nicht mehr geben. Dann wird entschieden, dass es ab 2025 fließen soll. Ein Weg soll vorher festgelegt werden.

CO2-Steuer: Alle Energieträger werden abhängig von ihren Folgen fürs Klima besteuert. Diskutiert werden verschiedene Preise. Sie wird 2015 von der EU geprüft. Grund ist, dass 50 Prozent des EU-CO2-Ausstoßes nicht im Emissionshandel erfasst sind. In einigen Ländern gibt es eine Klimasteuer, so z. B. in Australien. Der CO2-Ausstoß hängt auch an den Diesel-Autos. Diese sind in Deutschland und Europa stark verbreitet und stoßen weniger CO2 aus. Dafür verunreinigt der Diesel mit Stickoxiden, die Krebs verursachen.  Die Städte erwägen, ihre Umweltzonen neu zu definieren. Eine Abgabe auf CO2 gerät immer wieder in die Diskussion, auch in Deutschland. Sie könnte Teil eines Klimaschutzgesetzes sein, das 2019 kommen soll. Wichtig wäre eine gerechte Verteilungsberücksichtigung. Es müsste eine Ausschüttung der Mehreinnahmen pro Kopf und eine Rückerstattung geben. Den könnten ärmere Menschen zu den Gewinnern der Steuer gehören. In GB gibt es eine CO2-Steuer, die man als erfolgreich ansehen kann. Sie könnte die Emissionen drastisch senken. Die Förderung von Wind und Photovoltaik sind absurd. Die erneuerbaren verdrängen sauberes Gas, kaum Kohle.  Die SPD spricht sich im Europawahlkampf für eine solche Steuer aus. Die CDU tritt erst mal auf die Bremse. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung sieht 2019 Handlungsbedarf beim Klimaschutz, lehnt aber eine CO2-Steuer ab (Quelle: ARD-Deutschlandtrend). Im Juli 2019 will die Bundesregierung eine Entscheidung über die CO2-Steuer treffen. Die Grünen wollen einen sozialen Ausgleich. Die Erhöhung kommt an 01.01.2021. Norwegen verdreifacht seine CO2-Abgabe  im Januar 2021. Auch 2022 steigt die CO2-Steuer in Deutschland, um den Klimaschutz attraktiver zu machen. Die Erhöhung ist nicht so stark wie 2021, Diesel und Benzin dürften ca. eineinhalb Cent teurer werden.

CO2-Steuermodell, Konzept von Christoph Schmidt (RWI) und Ottmar Edenhofer (PIK) 2018 vor der Weltklimakonferenz in Kattowice: 1. CO2-Mindestpreis von 20 Euro. 2. CO2-Mindestpreis wird Maßstab für die Besteuerung aller fossilen Energieträger. Senkung der heutigen Stromsteuer sowie der Steuer auf Erdgas. 4. Anhebung des CO2-Mindestpreises. 5. Steuereinnahmen sollen Haushalte entlasten. Quelle: Der Spiegel Nr. 49, 1, 12. 2018, S. 27.

CO2-Aufschlag für fossile Brennstoffe (Abgabe: Heizöl, Erdgas, Benzin): Fossile Brennstoffe sollen teuerer werden. Strom soll im Gegenzug billiger werden (etwa durch Senkung der Ökostrom-Umlage, EEG). Das schlägt das Umweltbundesamt im Juni 2019 vor. Durch die Senkung der EEG-Umlage würden auch die Elektromobilität und andere Strom gebundene öffentliche Verkehre konkurrenzfähiger. Die CO2-Bepreisung sollte mit einem moderaten Eingangssatz im mittleren zweistelligen Eurobereich beginnen, der dann schrittweise steigen.

CO2-Steuer (Konzeption von Bundesumweltministerin Schulze): Die Konzeption wurde von drei wissenschaftlichen Instituten entwickelt: Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Forum für Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Oberstes Ziel soll die Sozialverträglichkeit sein. Für 2020 wird ein CO2-Preis von 35 Euro je Tonne angenommen. Dieser soll schrittweise bis zum Jahre 2030 auf 180 Euro steigen. Bei den Benzinpreisen wird dies zunächst zu einer Mehrbelastung von rund 10 Cent pro Liter führen. Am Ende soll der Preis 54 Cent höher liegen. Umweltfreundliches Verhalten soll durch eine "Klimaprämie" belohnt werden. So kann jeder Haushalt im Schnitt das zurück bekommen, was er eingezahlt hat. Wer sich klimafreundlicher verhält (E-Auto, optimal gedämmtes Haus)  kann eine Prämie bekommen, die die Einzahlung überragt. Auch Familien mit Kindern wären begünstigt, da die Prämie pro kopf gezahlt wird. Am 18. Juli soll der Entwurf dem Klimakabinett vorgelegt werden. Im Oktober 2020 beschließt der Bundestag die Einführung einer CO2-Steuer. Sie wird auf fossile Energieträger erhoben. Das wird die Preise ab 1.1.21 erhöhen.

CO2-Steuer (Gutachten des Sachverständigenrates für Wirtschaft/ SRW): Am 12.07.2017 legt der SRW sein Sondergutachten vor. Die Marktkräfte sollen im Mittelpunkt stehen. Heizen und Verkehr müssen teurer werden (spätesten sbis 2030). Also müssen Benzin, Diesel, Heizöl und Gas einen höheren Preis bekommen. Eine europaweite CO2-Handel für alle Sektoren wird empfohlen, notfalls auch vorübergehend nur deutschlandweit. In diesen Falle ist der SRW dafür, einen Ausgleich zu gewähren. Entscheidend sei der CO2-Preis ("ein glaubwürdiges mittel- bis langfristiges Preissignal"). Eine CO2-Steuer wird nicht abgelehnt. Kurzfristig könnte sie am stärksten wirken. Die Steuer müsse dann regelmäßig erhöht werden und für den Klimaschutz verwendet werden. Das Problem bei einer CO2-Abgabe dürfte auch der soziale Ausgleich sein. Er kann etwa direkt über eine pauschale Rückgabe je Einwohner oder einer Senkung der Stromsteuer erfolgen. Grenzüberschreitende Ungerechtigkeit könnte durch einen Grenzausgleich (Border Tax Adjustment) bekämpft werden. Dabei würden Importgüter entsprechend den mit ihrer Produktion verbundenen Emissionen belastet, während Exporteure die mit der Produktion entstandenen CO2-Kosten an der Grenze zurück erhielten.

Grüne Vermögen - Steuern: Sie werden in vielen Ländern diskutiert. Auch im US-Präsidentenwahlkampf. In Zeiten großer Kapitalakkumulation und großer Erbschaften infolge langen Friedens könnte es einen sozialen Ausgleich geben. Dabei könnte eine Klimakomponente eingebaut werden: Höhere Vermögensteuern und Erbschaftsteuern  auf Anlagen, die klimaschädlich sind. Umgekehrt könnten die Steuern erlassen werden für die Bereitstellung und Nutzung erneuerbarer Energien. Es könnten allerdings Vermeidungsstrategien einsetzen. Durch internationale Kapitalbewegungen könnte Kapital entzogen werden.

Ausweitung des CO2-Zertifikatehandels auf die Bereiche Gebäude und Verkehr: Das ist die Alternative zur CO2-Steuer. Bei der Steuer wären die Kosten klar definiert und die Auswirkungen auf Bürger und Wirtschaft klarer vorhersehbar. Doch auch hier besteht keine Garantie auf die Erreichung des CO2-Abbauziels. Bei Zertifikatshandel wird die gewünschte Kohlendioxidmenge politisch festgelegt, die gesellschaftliche (inklusive volkswirtschaftliche) Belastung ist schlecht zu prognostizieren.

Globaler CO2-Preis: Logisch ist ein CO2-Preis der beste, der für alle 196 Staaten gilt. Fängt ein Land allein an, z. B. Deutschland, hängt es davon ab, wie andere Staaten reagieren (Anreiz). Wenn sich die größten Emittenten ausklinken (USA, China, Indien) ist der Nutzen nur begrenzt. Der Zertifikatshandel aus dem Kyoto - Protokoll von 1997  funktioniert nicht. Man könnte ein Koalition der Willigen bilden, also einen Klimaclub. Eine CO2-Abgabe haben bereits Frankreich, die skandinavischen Länder, Großbritannien, die Schweiz und Kanada. Dann müsste es einen Grenzausgleich geben. Andernfalls wären die Unternehmen dieser Länder benachteiligt. Vgl. WiWo 34, 16.8.19, S. 38f. und A. Ockenfels, Uni Köln.

CO2-Abgabe als Handelsinstrument (CO2-Grenzausgleich): Die EU will CO2-intensive Produkte aus dem Ausland teurer machen, um europäische Jobs zu schützen. Es soll ein CO2-Grenzausgleich kommen. Doch es könnte zu Handelskriegen kommen. Es soll einen CO2-Fußabdruck exportierter Waren geben. Kann das die Klimapolitik effektiver machen? Das Problem dürfte in der Messung liegen. "Eine hersteller- oder produktgenaue Feststellung der Emissionen ausländischer und heimischer Güter ist kaum möglich". Problematisch ist auch die Doppelförderung heimischer Firmen. Sie sind befreit und bekommen kostenfreie Zertifikate. Vgl. Rausch, Sebastian: Lässt sich die Flucht vor dem CO2-Preis wirklich stoppen? in: WiWo 15/9.4.21, S. 43.

CO2 Lagerung unter der Erde (CCS-Technologie, CO2- Sequestrierung): CO2-Speicher als Ausgleich für fossilen Ausbau. Einige Staaten lagern CO2 unter der Erde. Bekannt sind die Projekte in Großbritannien. Es gibt neun Großprojekte. CCS spielt eine Schlüsselrolle für die britische Regierung. Bei uns wird die Technik blockiert. Es gibt nur ein Lager in Deutschland, in Ketzin. Skandinavien arbeitet auch damit. Technologisch arbeitet man mit Thermischen Kraftwerken. CO2 wird über Filter konzentriert und unter Basalt- und Felsschichten gelagert (Grundwasser, Gesteinsschichten, undurchlässig, poröser Sandstein). Bei CCS wird Kohlendioxid also in tiefe Gesteinsschichten gepresst. Unter hohem Druck ist es flüssig. Mit der Zeit wird es teilweise zu Kalzit, festem Gestein. Vgl. Novotny, Rudi: Deckel drauf, in: Die Zeit Nr. 97 23.2.23, S. 31. Die Anlagen werden immer besser. Das Vorbild gilt die Orca - Anlage auf Island. Sie kann jährlich 4000 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre filtern. Sie arbeitet mit vier Stufen: 1. Adsorption. 2. Desorption. 3. Injektion. 4. Mineralisierung. CCS ist sogar innerhalb der Grünen umstritten. Sie bremsen Habeck. Nach dem Willen der EU-Kommission 2024 sollen künftig große Mengen Kohlendioxid in den Boden gepresst werden. Zugleich wird ein neues Zwischenziel vorgeschlagen: 90% weniger Treibhausgase bis 2040. Habeck entscheidet sich im Februar 2024 dafür, kein CO2 an Land zu lagern. Es soll in den Meeresgrund gepresst werden (neues Gesetz in Arbeit). Das Kabinett beschließt im Mai 24, dass die Speicherung in der Nordsee erlaubt werden soll. Vgl. auch: Pittel, Karen/ Pfeiffer, J.: Abscheidung und Speicherung von CO und "schwer oder nicht vermeidbare Emissionen", in: Wirtschaftsdienst 7/ 2024, S. 462.469. Besonders für Zement- und Müllanlagen ist eine CO2-Abtrennung geplant.

CO2-Speicherung in Kombination mit Gaskraftwerken: Da die Speicherung in der Nordsee extrem umstritten ist, wird diese kombi vorgeschlagen. Dei FDP ist für diese Lösung.

Klimazölle: Einführung auf CO2-intensive Waren. Es müssten alle Länder mitmachen. Sonst kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen für Unternehmen. Es könnte zur Eskalation von Handelskonflikten kommen.

Besteuerung von fossilen Energieträgern: Die Besteuerung orientiert sich nicht an CO2. Zum Beispiel wird bei der Verbrennung von Diesel mehr CO2 freigesetzt, also könnte man hier höhere Steuern erheben. Kerosin, das Flugbenzin, ist immer noch steuerbefreit. Das Steuersystem müsste anders ausgerichtet werden. Bisher sind weder Energie- noch Kraftfahrzeugsteuer steuersystemisch konsistent. Beide Steuern entsprechen weder dem Leistungsfähigkeits- noch dem Äquivalenzprinzip. Die Energiesteuer müsste in Abhängigkeit von der bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe freiwerdenden Menge an Kohlendioxid erhoben werden. Dann könnte man die KFZ - Steuer ersatzlos streichen.

Fleischsteuer: Fleisch würde teuerer. Aber die Hersteller könnten weiter billig produzieren. Man sollte Massentierhaltung generell unterbinden (Tierschutz, Gesundheit).

Ökobonus: Konsequente CO2-Bepreisung (Internalisierung externer Kosten) bei Berücksichtigung sozialer Gerechtigkeit. Methoden: 1. Direkte Verknüpfung von Einnahmen und Ausgaben. 2. Abschwächung regressiver Belastungswirkungen. Vgl. Held, Benjamin: Der Ökobonus - Instrument für eine sozial gerechte Umwelt- und Klimapolitik, in: Wirtschaftsdienst 2019/1, S. 53ff.

Brennelementesteuer: Das Bundesverfassungsgericht erklärt im Juni 2017 die Steuer auf Brennelemente in Kernkraftwerken für nichtig. Die Brennelementesteuer sei keine Verbrauchssteuer wie etwa die Mehrwertsteuer. Besteuert werde vielmehr das Produktionsmittel. Eine solche Steuer sei im Grundgesetz nicht vorgesehen.  Sie war 2011 von der damaligen schwarzgelben Bundesregierung eingeführt worden. Es geht um sechs Milliarden Euro für RWE, Eon und EnBW. Das Geld sollte für die Sanierung maroder Atommülllager verwendet werden.

Mehrwertsteuersatz bei landwirtschaftlichen Produkten: Hier gilt in der Regel der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent (tierische Produkte wie Fleisch und Milch). Sonst wird er normale Mehrwertsteuersatz berechnet, der bei 19 Prozent liegt. Da die Viehhaltung besonders umweltschädlich sei (wegen CO2-Ausstoß) gibt es Pläne, landwirtschaftliche Produkte normal zu besteuern (im Rahmen einer Subventionsstudie des UBA). Dafür findet sich zunächst keine Mehrheit. Dafür spricht, dass das eingenommene Geld für Umwelt- und Klimaschutzprojekte verwendet werden könnte. Dagegen spricht, dass Teile der Landwirtschaft dem Naturschutz dienen (Schafherden, Almen u. a.). Der Fleischverbrauch ist mit ca. 60 kg pro Kopf pro Jahr relativ hoch. Für die Viehhaltung müssen viele Pflanzen (vor allem Soja) angebaut werden.

Mehrwertsteuer bei der Gasumlage: Ab Oktober 2022 soll eine Gasumlage für Gasverbraucher erhoben werden. Mit ihr soll der Zusammenbruch von Importeuren infolge stark gedrosselter russsicher Gaslieferungen verhindert werden. Die genaue Höhe der Umlage soll bis zum 15. August 22 ermittelt werden. Bisherige Berechnungen gehen von einer Spanne zwischen 1,5 und 5 Cent pro Kilowattstunde aus. Die Bundesgerierung will eine Besteuerung mit der Mehrwertsteuer verhindern. Dem stehen aber rechtliche Hürden entgegen.

Mehrwertsteuerreform: Schweden führt ein, dass Reparaturen mit einem geringen Mehrwertsteuersatz besteuert werden. Damit soll umweltschonendes Handel und der Arbeitsmarkt angeregt werden. Für die Steuererleichterungen hat die Regierung 76,5 Mio. Euro eingeplant. Auch der Handel mit Gebrauchtwagen soll gefördert werden.

KfZ-Steuer-Reform (auch Dieselsteuer): 2009 wurde teilweise der CO2-Ausstoß einbezogen (in Deutschland und anderen europäischen Ländern). Der Bund erhielt die Ertragskompetenz. Damit rückt sie näher an die Energiebesteuerung. eine Klimasteuer ist noch nicht entstanden. Vgl. Gawel, E.: KfZ-Steuer-Reform und Klimaschutz, in: Wirtschaftsdienst 2011/2, S. 137ff. Die EU will 2012 die Klimaauflagen für Autos schärfer gestalten. Ab 2020 sollen nur noch 95 Gramm CO2-Ausstoß je Kilometer zugelassen werden. Die deutschen Premium-Firmen (BMW, Audi, Daimler) leisten erfolgreiche Lobby-Arbeit. Der Berechnungsfaktor wird geändert (z.B. Elektroautos gegen gerechnet, auch Verschiebung). BMW zahlt auch eine Parteispende in Höhe von fast 700.000 € an die CDU. Ende 2013 wird der Streit über Abgaswerte für Autos beigelegt. Deutschland stimmt dem Kompromiss für Verbrauchszahlen auf EU-Ebene zu. Um Herstellern wie Daimler und BMW entgegenzukommen, werden die Abgaswerte erst 2021 voll greifen. Neuwagen dürfen nun von 2021 an nur noch 95 Gramm Kohlendioxid pro gefahrener Kilometer ausstoßen. Die Abgasmessung bei Autos ist sehr umstritten. Bei der Messung gelten Laborbedingungen. In der Praxis sind die Werte höher. Eklatant ist der Unterschied bei Dieselmotoren von VW. Wegen Softwaremanipulation in den USA gerät der Konzern im September 2015 in eine große Krise. VW einigt sich im April 2016 mit den US-Behörden. Die Länder können sich 2016 nicht auf eine Abschaffung der Steuererleichterungen für Diesel einigen. Die Umweltminister vieler Bundesländer hatten das gefordert. Stattdessen kommt eine zusätzliche blaue Plakette, die bei schlechten Umweltwerten die Innenstädte schützt. Das Bundesfinanzministerium entwickelt 2023 einen Plan, E - Fuels steuerlich zu entlasten. Bei vielen Autofirmen werden 2016 auffällige CO2-Werte gemessen. Das Verkehrsministerium will Nachmessungen veranlassen, da vom CO2 auch die Steuern abhängen.

Grundsteuer - Differenzierung gegen Zersiedelung der Landschaft: Der Nabu hat diese Konzeption entwickelt. In intensiv genutzten Flächen innerorts sollte die Grundsteuer gesenkt werden. Auf unbebauten Flächen sollte sie dagegen erhöht werden.

EEG-Umlage: Sie ist eine Umlage zur Finanzierung des Ökostroms. Diese wird seit 2000 erhoben. Sie sinkt zum Jahreswechsel 21/22 auf 3,723 Cent je Kilowattstunde. Das sind mehr als 40%. Billiger dürfte der Strom aber nicht werden, weil die Umlage nur ein Bestandteil des Preises ist und Versorger beim Einkauf mehr als vor einem Jahr zahlen. Die EEG-Umlage soll ab 2023 ganz entfallen. Verbände und Kommunen fordern eine frühere Abschaffung, weil der Strompreis stark steigt. Der Bundesfinanzminister stellt das in Aussicht. Die wegfallenden Einnahmen müssten dann aus allgemeinen Haushaltsmitteln des Bundes ausgeglichen werden.

Niedrigere Steuern zur Förderung von klimafreundlichem Verkehr: Die Bundesregierung plant Mitte 2019 Steuererleichterungen. Die Maßnahmen sind: Jobtickets des Arbeitgebers grundsätzlich steuerfrei. Sonderabschreibungen von 50 Prozent auf dei Kaufkosten von Elektro-Lieferfahrzeugen. Halbierung der Dienstwagenbesteuerung für E-Autos auf 0,5 Prozent des geldwerten Vorteils.

Umweltfreundlicher Straßenverkehr: Aber auch ein umweltfreundlicherer Straßenverkehr wird die Automobilindustrie massiv verändern: Die Umweltbilanz der Autos muss besser werden. Es muss eine flächendeckende Ladestruktur eingerichtet werden. Die Produzenten müssen ihre Wertschöpfungsketten verändern: 70% fallen im Schnitt auf Zulieferer. Beim Elektro-Auto würden sie so untergehen. Der Staat muss massiv  eingreifen. Er sollte als Generalplaner auftreten und Anschubfinanzierungen geben. 2020 sollen Erdgas-LKWs dem Klima helfen. Sie sollen von Maut befreit werden.

Umweltschädliche Subventionen: Diese könnten abgebaut werden. Das Umweltbundesamt (UBA) beziffert diese für 2012 auf 57 Mrd. Euro. Der größte Teil betreffe den Energie- und Verkehrssektor. Aber auch im Agrarsektoren setzen Subventionen falsche Anreize. Nach dem Brexit von GB will die EU die Agrarsubventionen zugunsten von Großbetrieben auf die Förderung von nachhaltiger Wirtschaft umstellen.

Verhandlungslösungen: Zur Einschätzung effizienter Verhandlungslösungen wird in der Regel auf das Coase-Theorem zurückgegriffen. Hierbei werden Transaktionskosten einbezogen.

Genossenschaftsmodell: Es geht auf Friedrich Wilhelm Raiffeisen zurück. Er wurde 1818 in Hamm/Sieg geboren und starb 1888 in Heddesdorf/ Neuwied (kurz vor dem Ehrendoktortitel der Uni Bonn), wo auch sein Grab ist. Er wuchs ohne Vater auf, stark geprägt von seinem Onkel, der evangelischer Pfarrer in Hamm war. Raiffeisen musste den Militärdienst früh wegen eines Augenleidens aufgeben. Das Genossenschaftswesen erlebt heute eine Renaissance auf der Welt. Raiffeisen ist außerordentlich bekannt in Japan und Indien sowie Brasilien (starker Tourismus in den Wirkungsstätten). In Weyerbusch/ Westerwald, wo Raiffeisen seine erste Bürgermeisterstelle hatte, entwickelte er 1845 die Idee des Brotvereins (Getreide für Arme auf Kredit; reiche Bürger sind Bürgen). Von dort ließ er die Historische Raiffeisenstraße bauen (heute B 256), damit die Bauern auch in den Städten verkaufen konnten. Die zweite Bürgermeisterstelle hatte er in Flammersfeld/Ww.. Hier gründete er den Hilfsverein für bedürftige Landwirte. Dies war der Kern der Genossenschaft, die heute weltumspannend ist (Antrag auf immaterielles Weltkulturerbe). Zuerst waren die Genossenschaften in der Landwirtschaft (Molkereien, Winzergenossenschaften, Märkte). Wichtig war der sichere Preis für die Erzeuger. Heute wird die Idee auch im Energiebereich umgesetzt (Solarparks, Windparks; z. B. Maxwäll - Energiegenossenschaft). Bei seiner dritten Bürgermeisterstelle in Heddesdorf bei Neuwied  gründete er die erste Genossenschaftsbank. Prinzip war "Hilfe zur Selbsthilfe" (wie heute bei den Mikrokrediten). 1889 kam ein Genossenschaftsgesetz im Deutschen Reich, das zum Vorbild in vielen Ländern wurde (auch stark geprägt von Schulze-Delitzsch der im Reichstag saß). Raiffeisen war Sozialreformer, Helfer der Armen, Vater des Raiffeisengedankens, Begründer der Genossenschaftsidee. Heute gibt es in Deutschland nicht nur die regionalen Raiffeisenbanken, sondern auch die Deutsche Zentrale Genossenschaftsbank (DZ, Berlin, Frankfurt) und die WGZ-Bank als überregionale Banken. Die Genossenschaft als Finanzierungsmodell ist wegen der Finanzkrise und den Auswüchsen auf den Finanzmärkten wieder stark im Kommen. Genossenschaften sind Zusammenschlüsse vieler Personen, die ein Geschäft betreiben wollen. Vorrangig geht es nicht um Gewinn, sondern um Vorteile. 973 Energiegenossenschaften waren Ende 2014 in Deutschland registriert.

Genossenschaft und nachhaltiges Wirtschaften: 1. Soziale Verantwortung gegenüber ihren Mitgliedern. 2. Genossenschaften werden von Mitgliedern getragen und sind demokratisch. "Was der Einzelne nicht vermag, das vermögen viele". 3. Die Mitglieder sind am inneren Wert der Genossenschaft beteiligt. 4. Genossenschaften sind regional orientiert. 5. Eine Genossenschaft praktiziert Kooperation und ein adäquates Prüfwesen. 6. 2016 werden Genossenschaften zum UN-Weltkulturerbe.

Umweltsubventionen in Deutschland: Mit diesen werden in der Regel alternative Energieformen gefördert. Am bekanntesten ist die Förderung für Solaranlagen auf Dächern. Ab 1. Juni 2010 soll diese um 16% gekürzt werden. Es soll eine "Überförderung" vermieden werden, die Solarindustrie fürchtet ihre internationale Spitzenstellung zu verlieren. Inzwischen wird erwogen, auch Zölle auf CO2-intensive Produkte als umweltpolitisches Instrument einzuführen. Die höchsten Subventionen für Ökostromerzeuger fließen nach Bayern (1101 Mio. € 2011). Dann folgen Schleswig-Holstein und Brandenburg.

Klimafreundliche und klimaschädliche Subventionen in Deutschland: Niemand ist in der Lage, alle Staatsausgaben nach ihren Auswirkungen auf das Klima zu bewerten. Bei den Subventionen, die alle zwei Jahre im Subventionsbericht der Bundesregierung festgehalten werden, kann man dies versuchen. Die folgende Aufstellung wurde von der Zeit (Nr. 36, 29.8.2918, S. 18) für 2018 angefertigt. 1. Klimafreundliche Subventionen: Insgesamt 7,0 Mrd. € (Verkehr 2,8; Energiebereitstellung und -nutzung 1,9; Bau- und Wohnungswesen 1,8; Land- und Forstwirtschaft 0,1; Sonstige 0,4). 2. Klimaschädliche Subventionen: Insgesamt 7,4 Mrd. € (Energiebereitstellung und -nutzung 6; Verkehr 1; Land- und Forstwirtschaft 0,4).

Subventionen als Klimakiller: Viele Subventionen schaden dem Klima. In Deutschland stehen die Pendlerpauschale, der Dienstwagenrabatt, das verbilligte Flugbenzin durch Steuerbefreiung, Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge  und der Dieselbonus in der Kritik. Eine Untersuchung des Öko-Instituts/ Freiburg 2024 kommt zu dem Ergebnis, dass Subventionen im Gesamtvolumen von 35,8 Mrd. € zu höheren CO2-Emissionen führen. Umweltschutzverbände (DUH, VCD, BUND, Klima-Allianz) fordern prompt die Abschaffung.

Klimaschädliche Hilfen in der EU: 1. Steuervergünstigung für Dieselkraftstoff. 2. Energiesteuerbefreiung für Kerosin. 3. Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge. 4. Energiesteuerermäßigung für das Produzierende Gewerbe.5. Kostenlose Zuteilung von Emissionslizenzen für EU-Emissionshandelssystem. 6. Dienstwagenprivileg. 7. Energiesteuerbefreiung für nicht-energetische Verwendung fossiler Energieträger. 8. Steuervergünstigung für Agrardiesel.

Agrarsubventionen der EU: 80% der Flächenprämien gehen an das reichste Fünftel der Landbewirtschafter.  Das sind Großbetriebe, zum Teil auch in Osteuropa. Das fördert Spekulationen in Landwirtschaft. Für die Umwelt ist ein Umsteuern dringend erforderlich. So müssten kleine Höfe und Landschafts- sowie Umweltschutz gefördert werden.

Verkehrssektor: 670 Mrd. Kilometer legte die deutsche Fahrzeugflotte im Jahr 2021 zurück. Der Verkehrssektor verursacht fast 20% der Emissionen in Deutschland. 46 Minuten werden Autos im Durchschnitt täglich gefahren. Vgl. Der Spiegel 9/ 25.2.23, S. 11. In Deutschland kommen 2022 583 Autos auf 1000 Einwohner, ein neuer Rekordwert. Quelle: Statistisches Bundesamt 2023.

Autos, KFZ (Verbrennungsmotor): Die EU-Kommission beschließt 2017, der Autoindustrie schärfere Vorgaben für den Spritverbrauch zu machen. Zwischen 2021 und 2030 soll der Ausstoß von CO2 pro gefahrener Kilometer bei Personenwagen um 30 Prozent sinken. Der Absatz emissionsarmer Fahrzeuge soll angekurbelt werden (bei weniger als 40 Gramm CO2 pro Kilometer Erleichterung bei den CO2-Zielen anderer Fahrzeugkategorien. Es soll auch verbindliche Zwischenziele für 2025 formuliert werden. Es kommt keine EU-Quote für Elektroautos. Die Effizienz bei Motoren hat zwar zugenommen. Aber dafür sind im Straßenverkehr die Fahrzeuge größer und schwerer geworden. 60% aller Emissionen des Verkehrssektors entfallen darauf. Wahrscheinlich geht es nicht ohne staatliche Eingriffe: CO2-Steuer, höhere PKW- und LKW-Maut? Das EU-Parlament stimmt im Juni 2022 für das Verbrenner - Aus ab 2035.Die FDP ist in Deutschland gegen ein Aus des Verbrennungsmotors. Sie setzt durch, dass ab 2035 nur noch klimaneutrale Verbrennungsmotoren gebaut werden. China forscht intensiv an effizienten Verbrenner - Motoren weiter. Daimler will sich nicht auf Elektroautos allein verlassen. VW und BMW setzen mehr auf Elektro. In Europa gibt es immer mehr Stimmen,  das Aus des Verbrennungsmotors aufzuheben. Die CDU will das Verbrennerverbot auf EU-Ebene kippen. Das wird schwierig und spaltet die Branche. Von der Leyen, 2024 als EU-Kommissionspräsidentin frisch wieder gewählt,  kündigt Ausnahmen an. 2024 zeichnet sich immer mehr eine Verlängerung für Verbrenner in der EU ab. Die Deutschen kaufen immer seltener ein E-Auto. Die Hersteller sind ratlos. Ob sich das eine oder das andere (E-Auto) rechnet, kommt darauf an. Wenn man selbst eine Solaranlage auf dem Dach ist E auf jeden Fall billiger. Noch ist der Verbrenner aber in allen anderen Punkten günstiger (Wertverlust, Reparaturen, Steuern, über fünf Jahre). Vgl. Böttcher, C./ Hägler, M.; Rüssel oder Stecker, in: Die Zeit 35/ 15.8.24, S. 17. Sinnvoll wäre es, das Verbrenner - Verbot zu kippen. Es könnte durch ein internationales Emissionshandelssystem ersetzt werden. Vgl. NZZ 4.9.24, s. 19.  Ende Juni 2019 findet ein Autogipfel im Kanzleramt statt. Er bringt nicht viel. Es gibt allgemeine Erklärungen. Einzelne Bundesländer wollen ein Aus des Verbrennungsmotors. Bayern plädiert für 2035. Kalifornien in den USA gilt als Vorreiter: Ab 2035 nur noch emmissionsfreie Autos neu zulassen. Über die Zukunft entscheidet aber der größte Markt der Welt China. Das Land arbeitet mit Quoten. 2019 liegt die Quote für Elektroautos bei 12% pro Hersteller. 2025 steigt sie auf 25%. Schweden, Dänemark, Niederland, Indien, Norwegen wollen ab 2030 keine Verbrennungsautos mehr zulassen. In der EU soll es ab 2035 nur emissionsfreie Neuwagen geben. Diese Regelung von 2022 soll in fünf Jahren noch mal überprüft werden. Am 24.2.23 besiegelt das EU-Parlament diese Regelung. Die FDP stemmt sich in Deutschland gegen das Verbrenner - Aus. Sie fordert die Zulassung synthetischer Kraftstoffe. Die Bundesregierung solle sich in der EU - Kommission enthalten. Die EU-Kommission und die deutsche Regierung spielen Pingpong. Andere Staaten schließen sich der deutschen Position an (Italien).

Umweltklage gegen Autos mit Verbrennungsmotor: In Braunschweig geht eine Klage gegen VW ein. Öko - Bauer, Imker, Jugendliche mithilfe von Greenpeace. Verbrennungsmotoren von VW sollen früher verboten werden.

Verbote von Verbrenner - Autos: Indien hat faktisch ein Verbot, um tuere Ölimporte zu verhindern. China ist Vorreiter bei E-Autos ohne Verbot von Verbrennern. Brasilien will mit Zuckerrohr fahren (Bioethanol). In Kalifornien gibt es ein Verbot für Diesel-Trucks. In Norwehgen hat da sVerbot keine Relevanz, weil 90% aller Autos elektrisch sind. In GB besteht ein Verbot ab 2030. Vgl. HB 22.10.24, S. 10f.

Tempolimit: Es gibt immer wieder Initiativen und Vorschläge in Deutschland. Am häufigsten ist der Vorschlag für 130 Kilometer pro Stunde auf Autobahnen. Die Bundesregierung spricht sich im Januar 2019 gegen ein Tempolimit aus. Die Diskussion leidet unter unter einem Mangel an evidenzbasierten Daten. Kausale Zusammenhänge müssten empirisch besser erforscht werden. Vgl. auch: Habla, W./ Huwe, V./ Kesternich, M.: Tempolimits und Grenzwerte: für eine evidenzbasierte verkehrspolitische Debatte, in: Wirtschaftsdienst 2019/5, S. 330ff. Ende 2019 ist die Groko gespalten. Die SPD ist für Höchsttempo 130, CDU/CSU nicht. Die Gewerkschaft der Polizei fordert ein unabhängiges Gutachten. Andere Vorschläge beziehen sich auf Geschwindigkeitsbeschränkungen in Städten: Hier soll 2020 30 km getestet werden. Bei Hauptverkehrsstraßen 50 km. Im Oktober 2022 gibt es einen Lord-Voldemort-Moment in der Autobranche: Audi-Chef Duesmann gibt ein Plädoyer für Fahrverbote und ein Tempolimit ab.

Peak Car: Höchster Punkt der privaten Autonutzung. Er könnte bald erreicht sein. Es ist der Moment, in dem in Industriestaaten Autoverkäufe und mit dem eigenen Auto zurückgelegte Kilometer nicht weiter steigen, sondern auf einem Stand verharren oder zu sinken beginnen.

Diesel-Autos: Bei VW-Modellen in den USA wird eine Manipulation der Abgaswerte festgestellt. Auf VW kommen hohe Forderungen, vor allem in den USA, zu. Immer mehr Führungskräfte von VW werden in den Skandal hineingezogen. Bosch, das die Hard- und Software zur Verfügung gestellt hat, ist noch außen vor. In Deutschland strengt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Prozesse an vor Verwaltungsgerichten. Sie bekommt in Düsseldorf Recht. Fahrverbote für Dieselfahrzeuge sollen die Stickstoffdioxidbelastung senken. Die EU eröffnet ein Verfahren gegen Deutschland. Sie hält die Reaktion auf den Abgas-Skandal für unzureichend. Das Bundesumweltministerium schafft für Kommunen die Möglichkeit, eine Verbotszone einzurichten, in der nur umweltfreundliche Autos zeitweise fahren dürfen. Das Umweltbundesamt plädiert im März 2017 für eine Abschaffung des Dieselprivilegs (steuerliche Begünstigung). Der Ausstoß von Treibhausgasen ist 2016 wieder gestiegen (Niveau von 2009). Die Dieselmotoren von Mercedes sollen ähnlich dreckig wie die Skandalautos von VW sein. 2017 macht das Umweltbundesamt Überprüfungen von Dieselautos. Sogar Euro 6 Diesel sind viel schmutziger als angegeben. Der Stickoxidausstoß im Alltag ist wesentlich höher als unter Laborbedingungen. Auch Audi gerät 2017 zunehmend unter Druck. Genauso Porsche. Das Schicksal des Diesels dürfte sich aber in China entscheiden (wenn dort Verbote kommen). BMW und Audi geben Ende 2017 bekannt, dass sie viele Diesel umrüsten wollen. Bayern macht einen Diesel-Gipfel: neue E-Ladesäulen, öffentlichen E-Verkehr fördern, Kaufanreiz für neue Diesel-Autos. Im Juli 2017 bestellt der Bundesverkehrsminister Daimler ein. Es geht um Vorwürfe wegen hoher Abgaswerte bei Dieselautos. Zwischen 2006 und 2016 sollen mehr al eine Million Autos mit unerlaubt hohem Schadstoffausstoß verkauft worden sein. Mittlerweile wird häufiger die Begünstigung von Diesel-Kraftstoff bei der Mineralölsteuer in Deutschland kritisiert ("Dieselprivileg"). Beim "Diesel-Gipfel" im August 2017 sind auch Förderprogramme für Städte beschlossen worden, die über den Schadstoffgrenzwerten liegen. Es melden sich immer mehr Städte. Ursprünglich sollte die Umrüstung des Verkehrs in den betroffenen Städten mit 500 Mio. € gefördert werden. Später werden noch mal 500 Mio. € drauf gelegt. Die Hersteller sträuben sich gegen die Umrüstung ihrer Fahrzeuge. Die CSU will nur mitregieren in einer zukünftigen Koalition , wenn der Verbrennungsmotor bleibt. Die Grünen wollen dies nur, wenn Ende der nächsten Legislaturperiode das Ende des Verbrennungsmotors ins Auge gefasst wird. Merkel spricht von Brückentechnologie, die man noch Jahrzehnte brauche. Ende November 2017 findet wieder ein Diesel-Gipfel mit Kommunen statt, die stark betroffen sind. 2017 sinkt der Dieselabsatz um -12%. Das Ende der Diesel-Subvention müsste eigentlich nächste Legislaturperiode kommen (ursprünglich wollte man damit Nutzfahrzeuge fördern). Auch der Bundesrechnungshof empfiehlt im Dezember 2017 das Steuerprivileg für den Diesel aufzugeben. Der Deutsche Städtetag fordert die Blaue Plakette. VW will Ende 2017 einen Sonderprüfer in der Abgasaffäre verhindern, scheitert aber vor dem Bundesverfassungsgericht. Der Gebrauchtwagenmarkt für Dieselfahrzeuge stockt immer mehr (Autos stehen länger auf dem Hof der Händler). Mittlerweile ist es technisch möglich, Diesel aus Kohlendioxid herzustellen, der fast klimaneutral ist (RWTH Aachen). Bosch fordert zur Rettung der Diesel-Technik mehr Transparenz an. Die Bundesregierung erwägt im Februar 2018, die Nachrüstung schmutziger Dieselautos vorzuschreiben. Im März 2018 gibt es eine Razzia bei BMW. Damit stehen schon drei deutsche Firmen im Diesel-Skandal am Pranger (Daimler, BMW, VW). Der Druck aus der Öffentlichkeit, dem Städtetag, den Landesregierungen und der Bundesregierung auf die Autoindustrie wächst, Hardware für ältere Diesel nachzurüsten. Der Dieselanteil ist im ersten Halbjahr 2018 europaweit gesunken. In immer mehr Städten sprechen die Verwaltungsgerichte Fahrverbote aus. Es geht um die Kostenverteilung. Experten empfehlen als Hardwarenachrüstung im September 2018 den SCR-Kat. Die Zahlung ist umstritten (Eigentümer, Industrie, Steuerzahler). Im Oktober 2018 zahlt Audi 800 Mio. € Bußgeld wegen der Dieselmanipulationen. VW bietet ab Herbst 2018 Rabatte fürs Verschrotten. Im Einzelfall werden bis zu 10.000 € für alte Diesel der Schadstufen 1 bis 4 beim Kauf eines neuen Autos geboten. Die deutschen Autobauer geraten beim Dieselbetrug 2019 immer mehr in Bedrängnis. Das Kanzleramt scheint hingegen die Industrie weiterhin stark zu unterstützen. Wie will man dies der Bevölkerung vermitteln? Im September 2019 tauchen interne Dokumente bei VW auf, die darauf hinweisen, dass auch neuere Dieselmotoren über eine Abschalteinrichtung verfügen (von 2012). Im September klagt die Staatsanwaltschaft Braunschweig die VW-Bosse Diess, Pötsch und Winterkorn an (Marktmanipulation). Daimler muss 870 Mio. € Bußgeld zahlen (fahrlässige Verletzung der Aufsichtspflicht). Für deutsche VW-Kunden gibt es 2020 einen Hoffnungsschimmer. Es könnte ein Vergleich zustande kommen. 2024 kommt der klimaschonende HVO 100-Diesel. Er ist teurer, aber besser fürs Klima.  Als erste Stadt der Welt sperrt 2017 Oslo in Norwegen Dieselautos aus. Bis 2024 sollen alle Autos mit Verbrennungsmotor aus der Innenstadt ausgesperrt werden. In Stuttgart haben ältere Diesel, die nicht die Abgasnorm Euro 6 erfüllen, in kritischen Phasen Fahrverbote in der Stadt. Im März 2017 gibt es eine Razzia bei Audi wegen des Dieselskandals. Noch 2017 plant München ein Fahrverbot für Diesel. Es findet in Berlin im August 2017 ein Dieselgipfel statt. Die deutschen Autofirmen sagen Software - Updats zu. Sie geben Anreize für den Verkauf älterer Diesel-Autos. Der japanische Autobauer Nissan bietet eine Innenstadtgarantie (Absicherung im Falle von Fahrverboten).  2018 gerät VW zusammen mit Daimler und BMW in den USA wieder negativ in die Schlagzeilen: Umstrittene Tierversuche mit Affen, die Dieselabgase einatmen müssen, sorgen für Unruhe (gemeinsames Lobby- und Forschungsinstitut "EUGT"). VW entschuldigt sich. Heraus kommt auch, dass die RWTH Aachen Stickoxid-Tests mit Menschen gemacht hat (isolierte Auswirkungen). Ergebnisse sind wohl für Werbezwecke der Auto-Industrie missbraucht worden. VW trennt sich von Chef-Lobbyist Thomas Steg. Mallorca will 2018 Diesel-Autos von der Insel verbannen. Als erste deutsche Stadt erlässt Hamburg ab 31. Mai 2018 Dieselverbote auf ausgewählten Straßen. Das Bundesverkehrsministerium gibt im Mai 2018 Daimler eine Zweiwochenfrist, um die Manipulation beim Transporter Vito aufzuklären. Später muss Daimler 238.000 Dieselfahrzeuge zurückrufen. Ein Dieselfahrverbot droht im Juni 2018 auch in Aachen. Auch Stuttgart könnte noch folgen. Im Juni 2018 verschicken die Städte Ludwigshafen, Mainz und Koblenz erste Stilllegungsverfügungen für Diesel-Autos. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig verurteilt VW am 13.06.2018 zu einer Strafe von 1 Mrd. € in der Dieselaffäre (Aufsichtspflichtverletzung, Ordnungswidrigkeit). Das Geld geht an die Staatskasse. VW akzeptiert das Urteil und legt keine Rechtsmittel ein. Am 18.06.18 wird Audi-Chef Rupert Stadler in Untersuchungshaft genommen wegen der Diesel-Affäre (Verdunklungsgefahr). Der VW-Aufsichtsrat beurlaubt ihn. Ab 1. Januar 2019 will Stuttgart Fahrverbote für ältere Dieselautos einrichten (Euro-Abgasnorm 4 und schlechter). Ab Februar 2019 gibt es in Frankfurt ein Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge (Norm Euro 4 und älter). So entscheidet das Verwaltungsgericht in Wiesbaden. Der Bundesverkehrsminister Scheuer schließt im September 2018 eine Nachrüstung direkt am Motor von Dieselfahrzeugen (Hardware-Lösung) nicht mehr aus. Porsche gibt im September 2018 als erster deutscher Autobauer bekannt, keine Dieselmotoren mehr in seinen Fahrzeugen zu verwenden. Bundesverkehrsminister Scheuer kündigt Ende September 2018 ein staatliches Förderprogramm für Hardware-Nachrüstungen bei Nutzfahrzeugen an. Eine Gesamtlösung für ältere Dieselfahrzeuge soll am 01.10.18 beschlossen werden. Es kommt eine Kombination der Elemente (Umrüstung, Haftung Nachrüster, Einbauten in Altfahrzeugen von Technik und Kostenverteilung her umstritten + Umtauschaktion: Neukauf mit Prämien oder Gebrauchter). Vorerst gilt dies nur für bestimmte Regionen (besonders belastete Städte, 14). Es bleiben viele offene Fragen. Die Autobauer wollen sich unterschiedlich engagieren. Nach Urteilen in Hamburg, Frankfurt und Stuttgart sollen auch Teile der Berliner Innenstadt zur Sperrzone für Dieselfahrer werden. Die Fahrverbote sollen ab Juni 2019 gelten. Der Bundesverkehrsminister unterstreicht im Herbst 2018 im Kampf gegen Fahrverbote und Luftverschmutzung immer wieder die Verantwortung der Hersteller. Im Oktober verhängt das Verwaltungsgericht Fahrverbote in Mainz ab 01.09.2019, wenn die Werte dann noch überschritten werden (Zeitpuffer: erste Halbjahr 2019; bis 01.04.19 Luftreinhalteplan). Die Porsche SE, die VW-Dachgesellschaft, muss fast 47 Mio. Euro Schadensersatz wegen des VW-Dieselskandals zahlen (Urteil des Landgerichts Stuttgart). Im November 2018 verhängt das Verwaltungsgericht Köln Fahrverbote für Dieselautos in Bonn und Köln ab 01.04.2019 für Euro IV und älter (ab 01.09.2019 für Euro V). Die Autoindustrie und das Bundesverkehrsministerium einigen sich im November 2018 auf einen Kompromiss ("Diesel-Kompromiss"): Daimler und VW sind bereit zur Nachrüstung älterer Diesel. Autobesitzer in den 15 besonders mit Stickoxiden belasteten Städte werden bei der Hardware-Nachrüstung unterstützt. Das Kraftfahrt-Bundesamt gerät im November 2018 in die Kritik von ADAC und Verbraucherzentrale: Die Behörde bevorzugt deutsche Automarken. Im November 2018 kommen auch Fahrverbote für ältere Diesel-Autos in Essen und Gelsenkirchen. Es sollen Fahrverbote in Frankfurt folgen. In Darmstadt führen Fhrverbote zu einer verminderten Schadstoffbelastung. Mit der A40 ist die erste Autobahn betroffen (ab Juli 2019 nur noch Euro 5 und 6). In Darmstadt kommt es Ende 2018 erstmals zu einem Vergleich. Ab 01. Januar tritt das erste Diesel-Fahrverbot in Deutschland in Stuttgart in Kraft. Im Februar 2019 stärken die Richter am Bundesgerichtshof die Position von Diesel-Besitzern: Illegale Abschalteinrichtungen in Diesel - PKW sind ein Sachmangel. So steigen die Chancen für Schadensersatz. Im April 2019 gibt es Verdacht wegen Abgasschummelei bei Daimler (GLK 220 CDI). Das Kraftfahrtbundesamt ordnet einen Rückruf an. Im April 2019 erfolgt auch die Anklage gegen den Ex-VW-Chef Winterkorn in Deutschland. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig wirft ihm besonders schweren Betrug vor. Ihm droht eine mehrjährige Haftstrafe und könnte millionenschwere Bonuszahlungen verlieren. Im Mai 2019 werden Bosch und Porsche zu Strafzahlungen verurteilt. Am 30.09.2019 treffen sich die Anwälte von VW und 470.000 Dieselkunden. Das Braunschweiger Gericht regt eine einvernehmliche Beilegung an. VW lehnt den Vergleich ab, stellt aber 830 Mio. € für die Geschädigten zur Verfügung. Im Januar 2020 gibt es bei Mitsubishi Verdacht auf Abgasmanipulationen. Schließlich einigt man sich am 28.02.20 auf die Entschädigungssumme von 830 Mio. €. In Großbritannien verurteilt ein Gericht VW auch zu Entschädigungen. Der Bundesgerichtshof kommt am 25.05.20 zu einem Urteil für Deutschland bei VW: 5 Jahre nach dem Dieselskandal können Kunden, die geklagt haben, Schadensersatz bekommen. Sie können ihr Auto auch zurückgeben, allerdings die Kilometer anrechnen lassen. Davon könnten 60.000 Kunden betroffen sein. Im Herbst 2020 steht der Ex-Audi-Chef Rupert Stadler vor Gericht. 

Dieselabgase: Das Umweltbundesamt unterscheidet bei der Stickstoffdioxid - Messung Intensivstädte und belastete Städte mit einer geringen Überschreitung ("nicht verhältnismäßig") . Zu den Intensivstädten rechnen 14 deutsche Städte mit einem Ausstoß von über 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Nach der neuesten Liste gehört dazu auch Frankfurt, so dass die Liste 15 Städte enthält. Es handelt sich um einen EU-Grenzwert (Jahresmittelwert in Frankfurt 2017 54 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft). Die Bundesregierung will Fahrverbote in 51 Städten abwenden. Sie will Fahrverbote für unverhältnismäßig erklären lassen. Damit sind geringfügigere Überschreitungen zwischen 40 und 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft gemeint. Dann würden den Werten nach noch 14 von 65 Städten übrig bleiben mit Fahrverboten. Auch bei der Kontrolle eines Fahrverbotes gibt es Streit: Städte bevorzugen eine blaue Plakette. Das Bundesverkehrsministerium plädiert für Diesel - Check - Points.

Dieselfonds: Kommunen, die extrem mit Stickoxid belastet sind, können finanzielle Hilfen erhalten. Er kommt 2017 allerdings schleppend voran. Bisher gibt es noch keine Förderrichtlinien. Die Kommunen warten auf das Geld zur Verbesserung der Luft. Pauschale Fahrverbote sollen vermieden werden. Die Mittel sollen in die Elektrifizierung des Verkehrs (350 Mio. €), Nachrüstung von Dieselbussen (150 Mio. €) und Digitalisierung (500 Mio. €, z. B. Fahrgastinformationssysteme) gesteckt werden. Von den 1 Mrd. Euro sollen 240 Mio. von der Autoindustrie kommen. Ausländische Autobauer wollen sich nicht am Milliarden-Fonds beteiligen. AKK erweitert im Herbst 2018 diese Idee: Die Bußgelder der Dieselfahrer sollten auch in den Fonds statt in die Haushalte der jeweiligen Länder fließen. Am 03. Dezember 2018 beim Dieselgipfel im Kanzleramt werden die Mittel aufgestockt (doppelt so viel als bisher). Es gibt jetzt fast 1 Mrd. €. Es wird Sofortprogramm "Saubere Luft" genannt. Zusätzlich gibt es 500 Mio. € für die Umrüstung der Hardware von Kleinlastern. Die Städte fordern eine Verstetigung der Mittel. Wieder kommt die Forderung nach mehr Geld von der Automobilindustrie.

Dieselsteuer-Privileg: Diesel wird in Deutschland geringer versteuert als Benzin. Wären die Steuersätze gleich, hätte der Staat allein 2018 8,2 Mrd. € Mehreinnahmen gehabt und in den letzten drei Jahren mehr als 25 Mrd. € (Quelle: BMVI). Auch Kerosin ist ganz Steuer befreit. Die Bundesregierung führt wegen des Verfassungsgerichtsurteils Ende 2023 Änderungen ein. Für Inlandsflüge gilt die Kerosinsteuer. Das Steuerbefreiung für Landwirte bei der Dieselbesteuerung wird abgeschafft.

Modell Dudenhöffer: Ferdinand Dudenhöffer, Mobilitätsprofessor an der Uni Duisburg/Essen, schlägt ein Modell vor. Otto- und Dieselmotoren sollten gleich besteuert werden sowie die Kfz-Steuer sollte angeglichen werden. Mit den Einnahmen könnte der Staat Diesel-Eigentümern einen Gutschein für die Umrüstung finanzieren (Steuern für Nachrüstung).

LKW- und PKW-Maut: In Deutschland soll die PKW-Maut ab Oktober 2020 eingeführt werden. Die deutschen Autofahrer sollen bei der PKW-Steuer entlastet werden. Der Europäische Gerichtshof entscheidet im Juni 2019, dass dieses Vorhaben gegen europäisches Recht verstößt. Damit ist die PKW-Maut, ein Lieblingskind der CSU, in Deutschland vorläufig aus Eis gelegt. Es sind hohe Entschädigungszahlungen fällig. Vertreter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes fordern eine Maut für alle Straßen. Sie solle intelligent gestaltet werden und einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Entzerrung von Verkehrsströmen leisten. Angeregt wird eine klometerbezogene Maut für In- und Ausländer. Vielfahrer würden stärker belastet. Im Dezember 2019 startet der Untersuchungs-Ausschuss des Bundestages für die PKW-Maut. Hat Scheuer den Bundestag belogen? Der Bundesrechnungshof erstellt Ende 2019 einen Prüfbericht. Der ist vernichtend für das Bundesverkehrsministerium: die Maut ist rechtswidrig, die Betreiber akzeptieren die Kündigung nicht, hoher Schadensersatz ist fällig, die Öffentlichkeit wurde belogen. Vgl. auch: Die Zeit 30, 16.7.20; S. 19f. Falschfahrer. Auch die Maut-Befreiung für GAS-LKW, die bis 2023 gilt, ist wohl rechtswidrig. Sie verstößt gegen EU-Recht. Überall in Europa zahlen Autofahrer eine Maut. Deutschland verzichtet darauf. Das ist nicht gerecht und ein großer Fehler. Der zweite Eingriff des Staates bei LKW erfolgt über Flottengrenzwerte für LKW und Busse.  Es geht um Lkw-CO2-Grenzwerte. sie werden innerhalb der EU festgelegt (2024).  Verkehrsminister Andres Scheuer muss am 01.10.20 vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagen. Es geht darum ob er gelogen hat (Verträge erst nach Entscheidung des EU-Gerichtes). Im Juli 2023 kommt es zu einem Vergleich mit den Firmen. Sie bekommen 243 Mio. € Entschädigung. Das ist ein teures Scheitern der CSU-Verkehrspolitik. Verkehrsminister Wissing lässt prüfen, inwieweit mögliche Schadensersatzforderungen gegen den ehemaligen Verkehrsminister Scheurer bestehen (Gutachten). Anfang Dezember 2023 wird die LKW-Maut erhöht. Das könnte die Teuerung für die Verbraucher treiben. Die LKW-Maut hat nun eine CO2-komponente. Die Mehreinnahmen fließen teilweise in Bahnnetz-Sanierung.

CO2-Grenzwerte für LKW: Erstmals beschließt die EU im Februar 2018 verbindliche Vorgaben für den Ausstoß des Klimagases für den Spritverbrauch schwerer Lastwagen. Bis 2020 soll der Ausstoß um 15% und bis 2030 um 30% gesenkt werden.

Städtemaut bzw. Toxicity-Charge: Der Sachverständigenrat für Wirtschaft hält in seinem Jahresgutachten im Herbst 2018 die Städtemaut für eine bessere Lösung als Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Preisliche Mechanismen seien besser, um Emissionen von Stickoxiden, Feinstaub oder Ähnliches zu reduzieren. Als Vorbild gilt London, das seit 2017 die "Giftmaut" erhebt. Die FDP macht eine Wende und schlägt die Reduzierung von Fußgängerzonen und Fahrradstraßen vor. Da sind die Kommunen irritiert.

Deutsches Institut für Verbrauchs- und Emissionsmessungen (Divem): Es wird 2017 eingerichtet und soll Verbrauchs- und Abgasmessungen unter realen Bedingungen durchführen. Die Transparenz für Verbraucher soll dadurch steigen. In einem Beirat sollen alle relevanten Akteure vertreten sein.

Elektroautos: Eine weltweit beispiellose Förderung von Elektroautos gab es in Norwegen. Von 2012 bis 2015 ist das Land zum Elektroautoland aufgestiegen. 2015 gab es 60.000 Elektroautos (Deutschland 24.000). Die Subventionen und Privilegien haben ganz schnell gewirkt: Befreiung von der Mehrwertsteuer, kostenloses Parken, Befreiung von Maut und Benutzung von Busspuren. Vor allem wohlhabende Stadtbewohner haben sich E-Autos angeschafft. Diese verstopfen Busspuren, so dass der Rest der Bevölkerung darunter leidet. Deshalb soll die Förderung aus sozialen Gründen beendet werden. Wenn wirklich Elektroautos solche mit Verbrennungsmotor ablösen, steht ein Umbruch der deutschen Industrie bevor. Die meisten Antriebskomponenten der E-Autos sind billig. Die Hochspannungsbatterien werden von Samsung, Panasonic und LG hergestellt. Gut 750.000 Menschen arbeiten in der deutschen Autozulieferungsindustrie.  2016 zeichnet sich eine Förderung von Elektroautos ab. Deutsche Hersteller haben 2016 etwa 30 Modelle von E-Fahrzeugen im Angebot. Die Förderung beträgt dann pro E-Auto 4000 € (Hybrid 3000; Hersteller und Staat teilen den Aufwand; Umweltbonus ist die Bezeichnung). 10 Jahre werden diese Autos dann steuerbefreit. Der Umweltbonus ist ordnungspolitisch sehr umstritten, weil es sich um eine Subvention für Automobilfirmen handelt. Nutznießer der Prämie scheinen vor allem die Händler zu sein. Die staatliche Prämie scheint aber kein guter Anreiz zu sein.   Die Bundesregierung erwägt, eine Quote für Elektroautos bei den deutschen Automobilproduzenten einzuführen. Die zunehmende Abkehr vom Verbrennungsmotor bringt viele Jobs in Deutschland in Gefahr (100.000?). Es könnte zu einer Pleitewelle bei Zulieferern kommen. Sehr umstritten ist die These, dass Elektroautos nachhaltiger und umweltfreundlicher als Diesel und Benziner sind. Berücksichtigt werden muss die Produktion, das Fahren und die Entsorgung. Bei der Produktion sind herkömmliche Autos normalerweise umweltschonender. Beim Fahren sind E-Autos besser für Vielfahrer und Kurz- und Mittelstreckler. Die Entsorgung hängt vom Akku ab, wo man die Fortschritte schwer einschätzen kann. Anfang des 20.Jahrhunderts konstruierte Porsche-Gründer Ferdinand Porsche die ersten Elektroautos der Welt. Auch Siemens baute bis 1927 16.000 Elektroautos. Einige Politiker wollen eine Mindestquote für Elektroautos einführen. China will mit der Elektromobilität den weltweiten Automarkt revolutionieren. Nur die chinesischen Autokunden wollen 2017 noch nicht. Ab 1. Januar 2017 macht China aber Ernst: Es kommt die Quote. Jedes zehnte in China abgesetzte Auto muss ein Elektro- oder Hybridfahrzeug sein (unterschiedliche Punktzahl). Ab 2030 sollen in Paris nur noch Elektroautos erlaubt sein. Die Technologie gezielt Sonne zu tanken kann immer weiter entwickelt werden. Solarzellen sorgen dafür, dass E-Autos dann geladen werden, wenn sie sowieso stehen. Das Bundesverkehrsministerium will noch 2018 Elektro - LKW fördern. Elektroautos sind eigentlich ökologisch nur sinnvoll, wenn sie mit sauberer Energie fahren. Im Moment ersetzt der Ökostrom nur den ebenfalls Kohlendioxyd neutralen Atomstrom. Es wird auch immer mehr gefahren. Die BASF hat neue Batteriematerialien entwickelt, mit denen ab 2025 E-Autos billiger werden können. Bei Elektro-Autos müssen bei der Umweltverträglichkeit Produktion, Entsorgung der Batterien und Strom-Mix bei der Aufladung berücksichtigt werden. Bei der Berücksichtigung dieser Punkte stoßen E-Autos noch -16% an CO2-Emissionen aus. Nach VW gibt auch Daimler im Mai 2019 bekannt, langfristig nicht mehr auf Verbrennungsmotoren zu setzen. 125.000 Arbeitsplätze bei Herstellern und Zulieferern sind in Deutschland in Gefahr, wenn der Umstieg auf E-Autos kommt (Quelle: Uni Duisburg-Essen). Ab 2030 wollen die Chinesen auf E-Autos umsteigen. Das wird großen Einfluss auf die Technologie haben. 2020 ist VW schon der viertgrößte Produzent von E-Autos. An der Spitze liegt Tesla aus den USA vor BAIC aus China und Renault-Nissan-Mitsubishi aus Frankreich/ Japan. 2022 steigt die E-Auto-Produktion stark an: 32% mehr Neuzulassungen als im Vorjahr in Deutschland. Die Verbrenner - Importe gehen stark zurück. 2024 kriselt das E-Auto in Deutschland. Viele zulieferer verlieren die Lust am Geschäft mit Elektroteilen. Einige planen den Verkauf der Sparten.  "Der Umwelt-Vorteil der E-Autos ist dabei, durch die Nachteile wieder aufgefressen zu werden", Bard Norheim, Norwegischer Transportexperte. Größter Hersteller von E-Autos ist 2017 BYD aus China vor BAIC aus China, vor Tesla aus den USA. Dann folgt schon BMW aus Deutschland. VW liegt auf platz sechs vor wiederum zwei chinesischen Firmen: Geely, SAIC. Frühestens 2019 könnte Deutschland die Führung übernehmen. Das wird aber schwierig, weil China die Supermacht der Elektromobilität ist: größter Markt und größter Anbieter. In Norwegen sind 2017 über 50% aller Autos Elektroautos. Die Post und Ford bauen zusammen größere E-Transporter ab 2017 (Streetscooter Work XL). Die Post ist mittlerweile Deutschland größter E-Auto-Produzent. Weltweit sind schon bis 2017 92.000 kleinere Modelle im Einsatz, die in Aachen  gebaut werden. Tesla (Model S) hat 2017 die größte Reichweite aller Elektroautos. Im März 2018 gibt es erst 1274 öffentlich zugängliche Schnellladesäulen für E-Autos. Die meisten sind in B. - W. vor Bayern. Ab 2018 will die Bundesregierung Elektro-Dienstwagen steuerlich bevorzugen (Anreiz, um vom Diesel umzusteigen). Die Autohersteller fordern im Januar 2020 Hilfe in Milliardenhöhe für den Strukturwandel. 2020 überholt der Markt Europa beim Marktanteil von Elektroautos in Prozent aller verkauften Autos die Märkte China, Global, Nordamerika (fast 7%). Die Förderung für E-Autos wird bis 2025 verlängert. Damit gibt es einen Wertverlust für Gebrauchte. E-Autos sind vor allem im Leasing. Es zeichnet sich 2020 ab, dass die Elektrowende weniger Arbeitsplätze bei den Herstellern kostet als erwartet. Die schweren Einschnitte drohen bei den Zulieferern. 2020 ist die Zahl der PKW-Zulassungen von E-Autos um +206% angestiegen. Im Sommer 2022 droht ein Ende des Elektrobooms. Der Absatz von E-Autos gerät ins Stocken. Lange Lieferzeiten schrecken Kunden ab. Die Schweiz erlässt im Winter 2022 als erstes Land ein Fahrverbot für Elektroautos. Sie hat Angst vor einem Blackout beim Strom. 2024 purzeln die Preise nach unten. Tesla liefert sich eine Rabattschlacht mit Herstellern aus China und Europa. Die Strategie ist hochriskant: Leasinggesellschaften und Firmenwagenkäufer ziehen sich zurück. Sie befürchten sinkende Restwerte. Im September 2024 verspricht Wirtschaftsminister Habeck eine neue Förderung von E-Autos (es drohen Werksschließungen in Deutschland, vor allem bei VW).

Förderung der E-Autos in Deutschland (Umweltbonus): Nach drei Jahren Ende Juni 2019 sollte die Förderung für E-Autos auslaufen (2000€ vom Staat, evtl. 2000€ von der Firma). Bislang, bis zu diesem Zeitpunkt, wurden nur 177 der bereitgestellten 600 Millionen € abgerufen 96.632 Anträge; 327.932 sollten es werden). Das Programm soll deshalb bis Ende 2020 verlängert werden. Um die Kaufanreize zu erhöhen, wird im November 2020 beschlossen, bis Ende 2025 zu verlängern. Es kann bis zu 9000 € Zuschuss geben. Bei LKW soll es eine Abwrack-Prämie geben. Die Prämie wird auch weiterhin für Plug-in-Hybride gezahlt. Die neue Bundesregierung (Ampel) verlängert die Förderung von E-Autos bis Ende 2023. Vgl. Seiler, Robert/ Wermuth, D.:Rebplik: Aufbau von E-Auto-Kapazitäten keine Fehlinvestition, in: Wirtschaftsdienst 3/ 2023, S. 217-220. Die Förderung von E-Autos läuft Ende 2023 aus. Das Geld ist aufgebraucht. Im September 2024 bringt die SPD eine erneute Abwrackprämie in die Diskussion. Hintergrund ist die Krise der deutschen Automobilindustrie, insbesondere VW.    Schon 1898 konstruierte Ferdinand Porsche E-Fahrzeuge für die Weltausstellung in Paris. Der Verkauf war jedoch ein Flop.

Ökonomische Beurteilung der Förderung von E-Autos: "Seit einiger Zeit wird erbittert um die Frage gestritten, ob Elektroautos gegenüber konventionellen Fahrzeugen CO2 einsparen oder nicht. Dieser Streit wird allerdings in einer sehr unglücklichen Form ausgetragen. Vor allem basieren die Studien zu diesem Thema auf sehr unterschiedlichen und zum Teil unrealistischen Annahmen. Zudem vernachlässigen sie zwei zentrale Aspekte für die Beurteilung der Elektromobilität sträflich: den Emissionshandel und die Frage der Kosteneffizienz. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Förderung von Elektroautos die vermutlich ineffizienteste Form von Klimapolitik ist, die weltweit zurzeit betrieben wird." Siehe Weinmann, Joachim: Elektroautos und das Klima: die große Verwirrung, in: Wirtschaftsdienst, H. 11, 2020, S. 890 - 895.  "Es gibt vermutlich kaum eine andere Form der CO2-Vermeidung, die noch teurer, noch verschwenderischer und noch ineffizienter ist als der Bau und der Betrieb von BEV – und das unter der Annahme, dass der Schmidt-Effekt keine Rolle spielt." Ebenda, S. 895. Elektroautosubventionen dürften bald überflüssig sein. In einigen Jahren dürften E-Autos nicht teurer sein als andere. Die ungleiche Förderung der Antriebsarten sollte beendet werden (Diesel Steuervorteil, Kerosin steuerfrei, E-Auto Kaufprämie). Große Motoren (Schiffe, LKW) können auf Erdgas und Ammoniak umgerüstet werden.

E-Autos und Reparatur, Haltbarkeit, Entsorgung: Weniger Verschleißteile, weniger Kosten. E-Autos gelten als robust und langlebig. Doch allmählich zeigen sich die Schwachstellen. Werkstätten sind überfordert mit der komplexen Technik. Vgl. Prengel, H. T.: Das Märchen vom soliden Elektroauto, in: Der Spiegel 12/ 16.3.24, S. 100f.

Elektromobilität: In Skandinavien ist der Anteil an Elektroautos relativ hoch. Das liegt an der Förderung der Konsumenten durch den Staat. Deutschland hält sich hier zurück, weil man nicht dadurch ausländische Produzenten fördern will, Die deutsche Automobilindustrie ist eher Ottomotor orientiert. Große Elektromobilitätsprojekte werden aber zusammen mit chinesischen Produzenten durchgeführt (Daimler, BMW, VW). Die Bundesregierung fördert die Technologie und Entwicklung der Elektroautos bei den deutschen Autoproduzenten. Die Erhöhung der Elektromobilität ist wegen der Klimavereinbarungen notwendig. Unklar ist, welche Förderung besser ist: Kaufprämien oder staatliche Förderung von Ladesäulen. Die deutschen Automobilfirmen und die Bundesregierung versuchen, eine Strategie zu entwickeln. Industriepolitisch ist wichtig, dass Deutschland nicht von China eingeholt wird. Bei VW gibt es 2016 Pläne für eine Batteriefabrik in Deutschland (Salzgitter?). Die Bundesregierung will ab 2017 Ladesäulen für E-Autos fördern (bis zu 30.000 €). Die Grünen wollen erreichen, dass ab 2030 keine Benzin- und Dieselautos in Deutschland mehr zugelassen werden. Ein Gesetz der Bundesregierung soll die Nutzung von Carsharing - Angeboten attraktiver machen. 2016 gibt es in Deutschland 24.667 Ladestationen für E-Autos (Marktanteil an E-Autos 2016 in Deutschland 0,7%). Angeblich verhindert die Bundesregierung 2017 in der EU eine stärkere Kontrolle der Automobilindustrie (z. B. TÜV mehr staatlich beaufsichtigen). Mit den fossilen Energieträgern steht gleichzeitig das Geschäftsmodell des Autos in der Kritik. Neue Formen der Mobilität dürften sich zukünftig entwickeln, vor allem in den Städten (öffentliche Verkehrsmittel, Carsharing, Fahrrad u. a.). China will ab 2018 eine Zwangsquote für Elektroautos einführen. Das kommt besonders Tesla (Elon Musk) entgegen, das ein Werk in China/ Shanghai bauen will. China fährt insgesamt eine massive Strategie für Elektromobilität. Bestandteil sind Subventionen, rigide Gesetze und die Quote. Volvo will ab 2019 keine Verbrennungsmotoren mehr entwickeln. Nach Einschätzung der Energiewirtschaft ist das Stromnetz in Bayern und Baden-Württemberg nicht auf eine Flut von Elektroautos und Wärmepumpen vorbereitet. Dafür reicht zur Zeit die Strommenge in Süddeutschland nicht aus. Die Auswirkungen der Elektromobilität auf den Strommarkt und die CO2-Bilanz sind zu wenig erforscht.  Das Stromnetz müsste auf die Elektromobilität vorbereitet werden, vor allem für die Stoßzeiten (z. B. abends). Die ICCT legt im Februar 2018 eine Studie vor: In drei Jahren ab 2018 haben die Elektroautos den Diesel und den Benziner in der Klimabilanz überholt. Entscheidend ist die Batterieproduktion. Die Chefs der drei deutschen Autobauer Volkswagen, Daimler und BMW einigen sich im März 2019 auf einen Kurs bei E-Mobilität. Bundesverkehrsminister Scheuer plant ein Gesetz für mehr Ladestationen. Im April 2019 beschließt die EU, Subventionen bereitzustellen für Batteriefabriken von europäischen Unternehmen in Europa (zuerst für Peugeot). Am 04.11.19 findet wieder ein Auto-Gipfel statt: Es geht um drei Kernbereiche. Die Förderung alternativer Antriebe, der Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Auswirkungen auf die Arbeit in der Automobilwirtschaft. Der Staat erhöht die Prämie  für den Kauf von E-Autos. 2021 wird eine kontroverse über die Klimabilanz von Elektroautos ausgetragen. Thomas Koch vom Karlsruher KIT spricht von einem Rechenfehler (CO2-Ausstoß des Strommix oder CO2-Ausstoß des Grenzstrommix). Martin Wietschel vom Fraunhofer.Institut spricht sich für Durchschnittsemissionen aus und die Nutzung der flexiblen Speicher. Der Trend zur Elektromobilität hat viele Investoren in E-Auto-Aktien getrieben. Jetzt, 2024, bricht der Markt ein, Anlegern drohen Milliardenverluste. Vgl. HB 2.4.24, S. 1. Das E-Auto zieht nicht mehr so (es hakt auch bei Lasesäulen). Aldi Süd will 2017 Ladesäulen einrichten. In Kalifornien sollen bis 2030 5 Mio. Elektro-Autos fahren. Dazu unterzeichnete der Gouverneur im Januar 2018 eine Verordnung. Das Ziel soll mit finanziellen Anreizen erreicht werden (2,5 Mrd. $ über 8 Jahre). China ist das führende Land der Elektromobilität vor Norwegen (nach Absatzzahlen liegen die USA auf Platz zwei). Führende Stadt in China ist die Metropole Shenzhen. Innerhalb weniger Jahre wurden knapp 16.300 Elektrobusse auf die Straße gebracht. Die Stadt setzt damit vollständig auf eine elektrische Flotte. Tesla springt 2019 Fiat/ Chrysler (FCA) bei. Es geht um die Klimaziele der EU und die Anpassung der Flotte. Er riskiert damit das Image von Tesla. In Deutschland herrscht ein scharfer Wettbewerb zwischen den großen Zulieferern von Elektroantrieben: Bosch, ZF, Vitesco. Der Bund plant 2030 mit 15 Mio. Elektroautos. Doch das Kundeninteresse nimmt Ende 2022 bereits ab. Bald könnten die Neuzulassungen drastisch einbrechen. Damit ist die Verkehrswende in Gefahr. "Deutschland muss sich sehr schnell auf die Elektromobilität einstellen. Das ist die Zukunftstechnologie der Chinesen", Frank Sieren 2019.

Batteriezellenmarkt: Dank besserer Produktionsmethoden und der beginnenden Massenfertigung werden Lithium-Ionen-Akkus immer günstiger. Die Produktion macht weniger als 20% der Wertschöpfung der Zelle aus und ist hoch automatisiert. die meisten Arbeitsplätze haben Roboter. Der Weltmarkt wird von folgenden Anbietern dominiert: Panasonic/ Japan (38%), BYD/ China (18%), LG Chem/ Südkorea (11%) und AESC/ Japan (8%). Quelle: McKinsey, IHS Automotive, Strategy Analytics, 2017. Kleinere weitere Hersteller sind CATL/ China, Guoxuan High-Tech/ China, Samsung SDI/ Südkorea, Lishen/ China. Die BASF will eine Fabrik zur Herstellung von Kathodenmaterialien für Lithium-Ionen-Batterien in Europa bauen. Andere Konsortien planen auch damit. Sie locken auch Subventionen. Europa ist zu stark von Batteriezellen in Asien abhängig. Die Marktmacht asiatischer Anbieter ist groß. In Thüringen soll die größte Batteriezellenfabrik in Europa entstehen. Es ist ein Großprojekt des chinesischen Herstellers CATL. BMW, VW und Daimler vergeben hier Großaufträge. Im November 2018 kündigt Bundeswirtschaftsminister Altmaier eine milliardenschwere Unterstützung an. National (Konsortium) arbeiten Varta, BASF und Ford zusammen. Die Bundesregierung hält an ihrer Konzeption fest, Konzerne zu schützen und Batteriefirmen zu fördern. Viele Ökonomen kritisieren diese Konzeption. China hält 80 Prozent des Marktes. Das Land hat die Rohstoffe, billige Energie und die Werke. Europa setzt auf das Recycling alter Akkus uns auf die Feststoffbatterie. Sie sind zuverlässiger, langlebiger und leichter und könnten die Reichweite eines Elektrogolfs von 300 auf 750 Kilometer erhöhen. Im Moment arbeiten sie mit einer geringeren Stromstärke, was zu langen Ladezeiten führt. Das Batterieauto gilt 2019 noch als die Zukunft. VW steigt im Juni 2019 bei der schwedischen Batterie-Firma Northvolt mit 900 Mio. € ein. Im Rahmen der Forschungspolitik gibt die Bundesregierung im Sommer 2019 500 Mio. Euro für eine Batterieforschungsfabrik bei Münster. Der Start ist für Mitte 2020 geplant. Es wird ein zweites deutsches und europäisches Konsortium  2019 gebildet: Dabei sind BMW, BASF, Varta sowie BMZ. Peugeot/ Opel planen einen Batteriezellenstandort in Kaiserslautern. Im November 2019 fährt VW die Batterie-Fertigung in Braunschweig hoch. Die EU billigt im Dezember 2019 Subventionen für die Batteriefertigung in Frankreich und Deutschland (Kaiserslautern). Ab 2020 bauen zwei frühere Tesla-Manager in Schweden eine riesige Batterie-Fabrik. Das Unternehmen heißt Northvolt. VW und BMW sind beteiligt. Es ist eine strategische Kooperation in Forschung und Entwicklung. Die Bundesregierung gibt eine millionenschwere staatliche Garantie.  Die Väter der Lithium-Ionen-Batterie bekommen 2019 den Chemie-Nobelpreis. Damit teilen sich ein Japaner, ein Brite und ein Amerikaner der Preis.

Batteriehersteller in der Welt: 2020 führt deutlich CATL aus China (maßgeblich mit Hilfe von VW). Dahinter liegen Panasonic aus Japan und LG Chem aus Südkorea. Dann kommt wieder ein chinesisches Unternehmen, nämlich BYD. Dann folgen Samsung/ Südkorea, AESC/ Japan, Guoxuan/ China, Peve/ Japan, Lishen/ China, Ski/ Südkorea. Durch die intensive Förderung durch die Staaten bildet sich eine Batterie-Blase. Es drohen Überkapazitäten. Nicht alle Projekte werden überleben. 2030 könnte die weltweite Struktur bei der Produktion von Batteriezellen wie folgt aussehen: USA 11%, EU 33%, China 46%, Sonstige 10%. 2020 führt China noch mit 74%. Northvolt aus Schweden hat 2021 eine Finanzierungsrunde, die 2600 Mio. Dollar einbringt (Rekord). Dann folgen SVolt aus China mit 1400 Mio. Dollar und Redwood aus den USA mit 700 Mio. $ (Batterierecycling).

Batteriehersteller in Deutschland: 1. Tesla/ USA (Grünheide), 2. Microvast/ USA (Ludwigsfelde), 3. Farasis/ China (Bitterfeld), 4. Volkswagen/ D, Schweden (mit Northvolt, Salzgitter), 5. CATL/ China (Arnstadt), 6.ACC/PSA Frankreich (Kaiserslautern, 7. Svolt/ China (Überherrn), 8. Leclanche (Willstädt). 9. Northvolt/ Schweden in Heide/ S.-H. Die EU billigt Millionen-Subventionen. Fachkräfte sind rar. Die Hersteller müssen mit hohen Gehältern locken. Daimler und die Opel-Mutter Stellantis forcieren ab 21 die Batterie-Technik zusammen mit dem US-Unternehmen Factoral Energy , Vielleicht entsteht ein gemeinsames Werk bei Amsterdam. Northvolt aus Schweden will ab 2023 eine große Batteriefabrik in Schleswig-Holstein/ Heide  bauen.   Mit dem Zellspezialisten Customcells aus Itzehoe und Tübingen gründet Porsche 2021 ein Joint-Venture für eine Batteriezellenfabrik. Es sollen Batterie-Hochleistungszellen hergestellt werden.

Batterie - Recycling: Das Wirtschaftsministerium fördert 2022 eine Pilotanlage für die Wiederverwertung von Lithium - Ionen - Batterien (17 Mio. €). Diese Art von Kreislaufwirtschaft ist ein wichtiger Baustein der E-Mobilität. 2024 nimmt Damler eine Anlage in Betrieb in Baden.

Natrium - Ionen - Akkus: Revolutionäre Speichertechnologie für Elektroautos. Sie kommen ohne knappe Rohstoffe aus. Sie sind billige rund lassen sich blitzschnell laden. Sie kommen wegen der geringeren energiedichte nur für schwächere Autos in Betracht. Außerdem ist das Atomgewicht von Natrium dreimal so hoch als Lithium. China hat technisch die Nase vorn: CATL. Vgl. Haitsch, Arvid: Bananen-Batterie, in: Der Spiegel 16/ 15.4.23, S. 96.

Festkörperbatterie: Damit könnten gigantische Reichweiten und superschnelles Laden erreicht werden. Jetzt mehren sich die Anzeichen, dass der Durchbruch nah ist. Führend in Deutschland ist die Materialforschung an der Uni Gießen. China hat angst davor, dass andere dem Land dei Vormachtstellung streitig machen. Vgl. WiWo 16/ 12.4.24, S. 50ff.

Sauerstoff - Ionen - Batterie: 2023 von der TU Wien entwickelt. Sie ist für große Energiemengen gedacht. Sie ist langlebig und ohne seltene Erden. Sie ist aber für Smartphones und Elektroautos weniger geeignet. Vgl. Die Rheinpfalz 18.4.23.

Batteriemetalle: Lithium-Akkus sind hoch effizient, nutzen sich jedoch schnell ab. Andere Technologie stehen vor dem Durchbruch: Redox-Flow-Batterie, Vanadium, Natrum-Lithium-Alternative aus dem Meer. Vgl. HB 8.8.23, S. 22f. Man forscht auch intensiv an Magnesiumbatterien (z. B. TU Dresden). Bei anderen Stoffen , wie Grafit und Lithium, hat China fast ein Monopol bei Erzaufbereitung und Vorproduktion. Nickel und Kobalt kommen aus instabilen Regionen. Man will dei Schwäche von Aluminium mit zweidimensionalen Polymeren auffangen, die wie ein Filter wirken.

Umweltbelastungen durch Elektrofahrzeuge: Man muss die Gesamtbelastung im Auge haben. Dazu gehört auch die Produktion von Elektrofahrzeugen im Vergleich zur Produktion konventioneller Fahrzeuge. Außerdem ist der Abbau von Lithium und Kobalt, die man für die Batterien braucht, und der Batteriebau und -Abbau sehr Umwelt belastend. Ein weiteres Problem stellt die Lebensdauer der Batterien dar. Nach 100.000 bis 200.000 Kilometern muss ein Austausch erfolgen. Auffällig ist auch, dass die Angaben übe rdie Reichweite in der Regel nicht stimmen, weil der Mehrverbrauch eklatant höher ist. Die Branche scheint zu tricksen. Vgl. Seiwert, Martin: Das Rätsel der Reichweite, in: WiWo 41/ 6.10.23, S. 48ff.

Ladesäulen in Deutschland: Im Jahre 2018 waren 16.125 Ladesäulen in Betrieb. 2029 sollen es 100.000 sein. Der Bau wird vom Verkehrsministerium gefördert. Die meisten Ladestellen gibt es in den Städten Berlin, München, Stuttgart, Nürnberg und Köln. Ladestellen fehlen am dringendsten an stark befahrenen Strecken. Shell ist in die Ladesäulen-Infrastruktur eingestiegen. Aldi, Rewe und Lidl wollen künftig Ladestationen zur Verfügung stellen. Es gibt Probleme bei der Umsetzung (unzureichende Netzleistung).2021 sind in Deutschland 252.000 private Ladestationen beantragt. Der 900-Euro Zuschuss für Wallboxen lässt die Nachfrage explodieren. Im September 2023 kommen weitere Maßnahmen für Ladestationen: Förderung von privaten Lagestationen mit grünem Strom und eigenes E-Auto. 300 Mio. € stehen dafür zur Verfügung. Das Interesse an den Mitteln, die über die KfW vergeben werden, ist so groß, dass sie nach einem Tag aufgebraucht sind. Im ersten Halbjahr 2023 werden 17.00 neue Ladesäulen installiert. Die Bundesregierung erwägt 2024 eine Ladesäulenpflicht für Groß-Tankstellen. Die Branche lehnt einen Zwang ab.

Wasserstoff und Brennstoffzellen-Autos: Es gibt Einigkeit in der Automobilbranche darüber, dass die Brennstoffzelle die einzig sinnvolle Lösung ist. Noch ist dazu eine Batterie als Zwischenspeicher notwendig. Die Infrastruktur ist allerdings sehr kostspielig. Nur Toyota und Hyundai bieten Brennstoffzellen-Autos in Großserie an (allerdings viel zu teuer). Daimler und andere Hersteller forschen intensiv. In Deutschland forscht auch Linde. Bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio sollen nur noch Brennstoffzellen-Autos fahren. Deshalb gilt dieses Jahr als Meilenstein. In Deutschland wird der öffentliche Personennahverkehr (Busse) zunehmend auf Wasserstoff umgestellt. Es gibt immer mehr Tankstellen, etwa im Rhein-Main-Gebiet. Der globale Wasserstoffrat tritt bei der G20-Tagung der Energieminister im Juni 2019 in Osaka auf. Dem Rat, der 2017 gegründet wurde, gehören 60 Konzerne an. Japan investiert zur Zeit am meisten in die Technologie. In Deutschland fordert 2019 die Industrie den schnelleren Ausbau des Tankstellennetzes für Wasserstoff. Bis Jahresende sollen 100 Stationen nachgerüstet sein. Denkbar wären direkte Subventionen von ÖPP oder auch Investitionsgarantien. Ab 2019 plant Siemens ein Wasserstoff-Technologie-Zentrum in der Lausitz bei Görlitz. Für den Öko-Vergleich von Brennstoffzellen-Fahrzeug und Elektroauto ist die Reichweite der Fahrzeuge entscheidend. Je größer sie ist, desto mehr sind Brennstoffzellenautos im Vorteil. Der Bundeswirtschaftsminister will ab 2020 klimaneutral hergestellten Wasserstoff im industriellen Maßstab produzieren lassen. Eine der größten Anlagen baut Arcelor-Mittal in Hamburg. In Zukunft könnte die Brennstoffzelle Dieselaggregate ersetzen. Vor allem für Baustellen und entlegene Messstationen. Man kann dei Technik hervorragend digital steuern und kontrollieren. Mit der Massenproduktion sinken die Kosten. "Die Technologie funktioniert und ist ausgereift, sie ist bezahlbar, und ihre Vorteile sind einzigartig: Wasserstoff-betriebene Fahrzeuge erzeugen keinerlei Emissionen", Aldo Belloni, Chef der Linde AG 2017. 2019 fahren Wasserstoff-Triebwagen auf deutschen Schienen (von Alstom). Ferdinand Dudenhöffer gibt der Technologie nur im Nutzfahrzeugeverkehr eine Chance. Vgl. Dudenhöffer, Ferdinand: Automobilindustrie: Nikola versus Tesla, in: Wirtschaftsdienst August 2020 (online). Im Chemiepark Höchst entsteht 2020eine Tankstelle für Wasserstofftriebwagen. 27 Fahrzeuge sind für Ende 2022 bestellt.

E-Benzin (E-Fuels) für PKWs: Porsche und Siemens Energy setzen darauf. Doch es ist wichtig für mehr Resilienz gegenüber China und für die globalen Klimaziele. In einigen Jahren soll es konkurrenzfähig sein. Es gibt eine Fabrik in Chile (Haru Oni, Provinz Magallanes). Sie wird im Dezember 2022 eröffnet. Der Treibstoff ist aus Windenergie, Wasser und Luft. Die Kapazität soll gesteigert werden. 2023 plant das Finanzministerium eine steuerliche Entlastung.

Dienstwagenprivileg: Es sichert die Absatzkanäle für Oberklassefahrzeuge. Manche Autos der Oberklasse sind nur als Dienstwagen unterwegs. Ein normaler Mensch könnte sich diese nicht mehr leisten, nur noch der Staat und Unternehmen. Die deutsche Autoindustrie hängt ziemlich daran. Der Fortbestand der automobilen Oberklasse wird gesichert. Die Regeln müssten dringend reformiert werden.

Wasserstoffzug: Die Deutsche Bahn und Siemens erproben einen Wasserstoffzug. Das Projekt startet 2024 auf der Strecke Tübingen - Pforzheim. Dei mobilen Wasserstofftankstellen sollen mit Ökostrom betrieben werden.

Hybridfahrzeuge: Kombination von Elektroantrieb und Verbrennungsmotor. Laut einer Studie des Karlsruher Instituts für Technologie Ende 2017 haben sie eine bessere Umweltgesamtbilanz als reine E-Autos. Akku-Hybrid-Triebwagen werden immer mehr im Zugverkehr eingesetzt. Die Autokonzerne wollen die Produktion von Plug-in-Hybriden stark erhöhen. Sie führen zu besseren CO2-Bilanzen und mehr Gewinnen. Sie sind allerdings auch oft klimaschädliche Mogelpackungen. Die Autoindustrie hofft auf Anreiz-Prämien. Es tauchen 2020 Zweifel an der Ökobilanz von Zwitter-Motoren auf. Bisher kennt nur der Nutzer die Daten. Das könnte sich ändern. Viele Nutzer laden ihre Autos gar nicht. Auf dem Papier sind Plug-in-Hybride klimafreundlich, auf der Straße nicht. Man fürchtet einen neuen Abgasskandal. die Nutzer nehmen die Prämie und die Steuervergünstigungen (Mitnahmeeffekt). Ende 2022 soll die Förderung für Hybride auslaufen (Umweltvorteil entfällt, vor allen SUVs). Hybrid-Autos haben in der Praxis einen wesentlichen höheren Verbrauch als in Testzyklen. Die Subventionen für Plug-in-Hybride waren umweltschädlich. Das ist das Ergebnis einer ZEW/ Mannheim - Studie 2023.   In Japan dürfen ab 2050 nur noch Hybridfahrzeuge und E-Autos gebaut werden.

SUVs: Paris stimmt im Januar 2024 ab. Die Parkgebühren für SUVs sollen sich verdreifachen. Das ist ein weiterer Baustein von Bürgermeisterin Anne Hidalgo gegen die Umweltbelastungen durch den Autoverkehr. Nur noch rund ein Drittel der Pariser hat ein eigenes Auto. Die Abstimmung geht knapp für die Verdreifachung der Gebühren aus, weil SUVs mehr Platz im öffentlichen Raum beanspruchen. Viele Menschen fordern das Gleiche bei uns. SUVs sind auch bei uns eine urbane Plage. Am besten wäre es die Straßennutzung zu ändern: Parken sollte überall verboten sein, wo es nicht explizit erlaubt ist. In Parkhäusern könnte man extrabreite und teurere Parkplätze für SUVs einrichten. Vgl. Rohwetter, Marc: Aus dem Weg! in: Die Zeit 7/ 8.2.24, S. 19. Auf den Straßen in Deutshcland ist auch immer mehr SUVs unterwegs. Man sieht es auch an den Modellreihen der Firmen. In solchen rolllenden Festungen sitzen die Ängstlichen, hat ein Verkehrsforscher festgestellt. Und sie fahren aggressiv. Vgl. Gössling, Stefan: Psychology of the car. Gössling ist Professor in Lund und Linnaeus/ Schweden.

Zukunftsfonds der Bundesregierung: Er wird am 18.8.21 beschlossen. Klimaschonende Antriebe sollen vom Bund gefördert werden. Bis 2025 stehen 1 Milliarde Euro zur Verfügung. 340 Mio. € davon fließen in regionale Transformationsnetzwerke. 320 Mio. € bekommen mittelständische Zulieferfirmen für die Umstellung der Produktion. Gefördert werden auch Weiterbildungsprogramme der Beschäftigten.

Carsharing: Bei den Carsharing-Autos pro 1000 Einwohner führt Karlsruhe vor Stuttgart, Freiburg, Köln, Heidelberg und München. Seit September 2017 gilt ein Carsharing-Gesetz: jede Kommune hat die Zuständigkeit für Stellplätze. Carsharing reduziert den Autoverkehr auf sanfte Art. Der öffentliche Personennahverkehr muss aber ergänzen. 2018 rückt eine Carsharing-Fusion näher: Die BMW und Daimler-Töchter Drive Now und Car-2-go sollen zusammengelegt werden. 2017 gibt es erstmals über zwei Millionen Carsharing-Kunden in Deutschland. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Nutzer um 23% gestiegen. Ein besonderes Thema ist Carsharing auf dem Land. Hier hofft man auf die Wirkung der Corona-Krise. Krisen führen oft zu einem Umdenken. Ein Versuch läuft in Riol an der Mosel (1200 Einwohner). Eine Beraterin versucht Nutzer und Anbieter zusammenzubringen (mindestens 20 Nutzer). Im März 2018 übernimmt Daimler Car2Go komplett. Eine Fusion mit der BMW-Tochter "DriveNow" wird in Aussicht gestellt.

Roboterautos (autonom fahrende Autos): Alle Autofirmen arbeiten im Versuchsstadium. Am weitesten ist man im Silicon Valley bei den großen Internetfirmen. Roboterautos könnten innerstädtisch für Entlastung sorgen. Auch bei Uber laufen Versuche. Im März 2018 kommt es in Arizona zum ersten tödlichen Unfall. Viele grundsätzliche Fragen sind noch offen. Die EU-Kommission will ab Ende 2018 rechtliche Grundlagen für das autonome Fahren schaffen. Bei der Technik ist 2018 Google führend (Waymo). Dann folgen General Motors, Daimler, BMW, VW. Der Verkehrsminister legt im Februar 2021 ein Gesetz zum autonomen Fahren vor: Es hat drei Problempunkte: 1. Haftung. 2. Versicherung. 3. Daten. Vieles deutet darauf hin, dass selbst fahrende Autos bald Alltag sind (das Ende des Lenkrades). Die Technik wird immer präziser. 2021 kann die S-Klasse von Mercedes in Staus bis 60 km autonom fahren. Waymo, die Tochter von Google, hat Millionen von Testkilometern hinter sich. Tesla ist ein Pionier, doch Unfälle sorgten für Schlagzeilen. 2022 ist Tesla nicht mehr das Maß aller Dinge. Bei Level 2 + 3 führt Mercedes Benz BMW und Volkswagen sind auch sehr weit. Level 2: Unter bestimmten Bedingungen hält das Fahrzeug die Spur, bremst und beschleunigt, doch der Fahrer bleibt verantwortlich (teilautonom). Level 3: Der Fahrer darf sich vorübergehend von der Fahraufgabe abwenden, in dieser Zeit haftet der Hersteller (hoch automatisiert). Vollautonome Systeme sind : Waymo/ Google, Mobileye/ Intel, Zoox/ Amazon, Cruise/ GM, Baidu, Pony.AI, Argo.AI/ VW, Tesla, Hyundai, Didi Chusing, Drive AI/ Apple, Toyota. In 10 bis 20 Jahren wird die digitale Technik über Autos entscheiden. In China werden mit 5G oder einer noch moderneren Technik keine ausländsichen Autos mehr fahren dürfen, weil technisch eine Kontrolle möglich ist. Andere Länder könnten folgen.

Intelligente Straßen-Laternen: Sie werden zunehmend von Energiekonzernen eingesetzt. Neben ihrer Hauptfunktion können sie Parkleitsysteme (Freie Parkplätze), frühzeitige Umleitungen, Umweltdaten erfassen, Elektroautos laden und Umweltdaten erfassen.

Halmstad, Schweden. Mini-Fahrräder (Birdy, zum Falten). Diese Fahrräder scheinen mir wesentlich sinnvoller als die E-Scooter. Sie werden nicht als Hindernis abgestellt, weil sie in persönlichem Eigentum sind,  und man muss sich selbst betätigen. Sie können in allen öffentlichen Verkehrsmitteln mitgeführt werden (gelten zusammengefaltet als Gepäck). Ich benutze das Fahrrad selbst, auch im Urlaub und in der Lehre an Hochschulen (CO2-neutrale Lehre).

Mikromobilität (E-Scooter, Trottinette): Tretroller mit Elektromotor: Sie könnten Deutschland den Verkehr in den Städten umkrempeln. Die Roller sind kostengünstiger und schneller profitabel als E-Bikes. Die Roller können auf Fahrradwegen fahren. Hinzu kommen E-Einrad, E-Skateboard, E-Scooter u. a. Als Vorreiter bzw. Mekka der Mikro-Mobilität gilt San Francisco. Probleme mit E-Rollern gibt es in Paris und Madrid sowie Wien. Es müssen klare Regeln eingeführt werden. In Deutschland bekommen die E-Roller grünes Licht vom Verkehrsministerium ab Sommer 2019. Allerdings werden keine eigenen Spuren geschaffen. Sie müssen auf Rad- und Gehwege. Man entscheidet sich für Radwege bzw. Straßen (mit Versicherungskennzeichen, mit Licht, ohne Helm). Der Bundesrat stimmt einer Zulassung grundsätzlich zu. Wild umher liegende E-Roller, rücksichtslose Fahrer, viele Unfälle. So kann es mit Scootern nicht weitergehen. Der Vormarsch der E-Scooter wird auch gestoppt.  Aus den öffentlichen Verkehrsmitteln werden sie verbannt.  2019 findet in Hannover die "Micromobility-Expo" statt. Paris und Stockholm gelten als Teststädte: In Paris gibt es eine Benimm-Charta. In Stockholm rollen schon im Mai 2019 ca. 2000 E-Scooter. Es gibt zahlreiche Verleihstationen. Die Roller sind im Schnitt nach 5 Wochen kaputt. Damit sind sie bisher ein Verlustgeschäft und nicht unbedingt nachhaltig. 36 Städte in Deutschland planen 2019 ab Juni ein E-Scooter-Sharing. Darunter sind auch kleinere Städte. In Frankreich wurde in den Städten Paris, Lyon und Marselle 2019 eine große Studie gemacht: Der typische Nutzer ist ein junger Mann in gehobener Stellung. Spaß und Bequemlichkeit stehen bei der Nutzung im Vordergrund. Bisher überwiegen die Nachteile den Nutzwert (Unfallzahlen, Beschwerden). Angesichts der Probleme bei E-Scootern in den Städten schieben sich Deutscher Städtetag und Bundesverkehrsminister die Schuld gegenseitig zu. Anfang August fordert der Deutsche Städtetag klare Regeln. Besonders groß sind die Probleme schon in Berlin, weil auch der allgemeine Radverkehr (E-Bikes) stark zugenommen hat. Es soll schon 2019 strengere Regeln für E-Scooter geben. Bei Verstößen sollen Fahrer gesperrt werden. Es entstehen viele Schäden durch E-Scooter. Versicherer zahlen im Schnitt 3850 € pro Fall. Es herrscht ein Gehweg-Verbot. Radwege werden zugestellt. In Paris wird ein Verbot erwogen.  Das kommt dann auch ab August 2023 (nach einer Bürgerbefragung, für die Scooter der Leifirmen). Ein Teil der ausrangierten Scooter landet in Berlin.

Drohnen: Sie stellen mittlerweile ein ernst zu nehmendes Geschäft dar und beflügeln viele Business-Felder.  Hervorzuheben sind der Paketdienst und die Landwirtschaft (Smart Farming und Umweltschutz). Drohnen liefern Pakete aus, inspizieren, vermessen. Es gibt auch Indoor - Drohen im Lager. Eine immer größere Rolle spielen Drohnen beim Militär und im Krieg (Kampfdrohnen, Spionagedrohnen). Drohnen werden zunehmend in der Logistik eingesetzt. Amazon testet Drohen in der Auslieferung, zunächst im Raum Los Angeles. 2019 gibt es eine Drohnenausstellung im Zeppelin-Museum Friedrichshafen.

Taxis der Lüfte (Flugtaxi): Passagierdrohnen sollen für Mobilität in der Zukunft sorgen. Airbus, Daimler und Toyota investieren Millionen. Weltweit tüfteln Start-ups an Lösungen. Das Start-up Lilium präsentiert 2019 sein neues fünfsitziges Flugtaxi. Es soll spätestens 2024 in Serienfertigung gehen. Ein Flug soll nicht teurer als eine Fahrt mit dem Taxi werden. Man unterscheidet drei Arten: 1. City Taxis (individuelle Flüge). 2. Airport Shuttle (festgelegte Routen). 3. Inter-City-Dienste (Regelmäßig auf festgelegten Routen).

Bikesharing: Das Geschäftsmodell, das aus den Metropolen Chinas kommt, breitet sich immer stärker in Deutschland aus. In Berlin, Frankfurt und München werden Gehwege und Plätze mit den bunten Leihrädern voll gestellt. Die Anbieter obike, mobike und byke haben 2018 15.000 Fahrräder aufgestellt. Der deutsche Konkurrent Nextbike hat nur 10.000 Räder aufgestellt. Die Deutsche Bahn hat 15.000 Räder im Umlauf.

Luftverschmutzung durch den Straßenverkehr: 1. Kohlenstoffdioxid (CO2). Seit 1990 insgesamt gesunken, aber im Verkehrsbereich gestiegen. 2. Stickstoffdioxid (NO2). Hauptsächliche Verursacher sind Dieselautos (bis zu 80% des NO2-Ausstoßes). 3. Feinstaub. Emissionen durch Bremsen- und Reifenabtrieb. 4. Kohlenstoffmonoxid und Kohlenwasserstoffe (CO, HC) u. a. Benzol. Vor allem durch Abgase von Benzinmotoren (sind stark gesunken). Quelle: UBA. Im Mai 2018 verklagt die EU Deutschland und fünf weitere Länder vor dem Europäischen Gerichtshof, weil die Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub in einzelnen Städten nicht eingehalten werden.

Senfsamen-Öl (Carinata): Wird als Biokraftstoff für Flugzeuge erprobt. Die University of Queensland in Australien plant 2018 einen Linienflug von Los Angeles nach Melbourne. Der Kraftstoff hat keinen Kohlendioxidausstoß.

Synthetische Kraftstoffe: Ethanol, Wasserstoff, Biogas. Sie könnten zu einer nachhaltigen Nutzung von Hybridfahrzeugen führen, insbesondere, wenn deren Gewinnung durch Anlagen erfolgt, die mit überschüssigem Strom aus erneuerbaren Energiequellen (Wasser-, Wind- und Sonnenenergie) betrieben werden. Es müssten für synthetische Kraftstoffe verfahrenstechnische Anlagen aufgebaut und ausgebaut werden. Man könnte die Tankstelleninfrastruktur nutzen.

Anreizregulierung für Schienenwegbetreiber/ Bahn: So gibt es ein 2016 in Kraft getretenes Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich. Die Bundesnetzagentur hat ab 2019 eine jährliche Preisobergrenze vorgegeben.  Insgesamt sollte mehr Güter- und Personenverkehr auf die Schiene verlagert werden. Die Bahn könnte der größte Nutznießer der kommenden mobilen Revolution sein. Sie kann den Verkehr zwischen den Metropolen bewältigen und den größten Teil des Güterverkehrs bestreiten. Doch die Infrastruktur ist total veraltert.

Allianz pro Schiene: Interessensgruppe für die Bahn. Sie lässt 2019 eine Studie vom Infras - Institut in Zürich machen. Danach ist der Autoverkehr mit hohen Folgekosten verbunden (externe Kosten von 141 Mrd. € jährlich). Quelle: Der Spiegel Nr. 36, 31.8.2019, S. 56ff.

Deutsche Bahn: Die Deutsche Bahn ist 2019 noch kein grünes Vorzeigeunternehmen. Teile des Stroms stammen aus Kohlekraftwerken (ca. 25%). Nur 57% des Stroms sind aus erneuerbaren Energien. Die Gleise werden tonnenweise mit Glyphosat besprüht.

Öffentlicher Personennahverkehr (ÖVP): Um die Anzahl von Autos in Innenstädten zu verringern und die Luft sauberer zu machen, erwägt die Bundesregierung 2018 einen kostenlosen Nahverkehr. Es soll vorher Modellstädte geben (darunter auch Mannheim). Offen ist die Verteilung der Kosten. Später spricht die Regierung von "zeitweiligen Gratisangeboten". Bei Städten, Verkehrsverbünden und den Verbänden überwiegt die Skepsis. Diese Tests wird es wohl nicht geben, weil sich die fünf Modellstädte eindeutig dagegen aussprechen. Sie wollen keine Abwälzung auf die Städte, sondern eine blaue Plakette. Der englische Ausdruck ist "public transport free of charge". In der Wissenschaft wird davon abgeraten: immense Subventionen, keine Preisdifferenzierung, keine Anreize für optimale Kapazität. Vgl. Gernot Sieg: Kostenloser ÖPNV? Besser gar nicht als falsch einführen, in: Wirtschaftsdienst 2018/3, S. 154ff. Luxemburg führt im Februar 2020 als erstes Land der Welt den kostenlosen Nahverkehr ein. Eine EU-Richtlinie sieht E-Bus-Quoten vor. Die Bundesregierung will 2021 die Richtlinie umsetzen. 2022 kommt das 9-€-Ticket als Entlastungsmaßnahme für die Energiepreisexplosion. Danach drohen stark steigende Preise wegen der Energiesituation. Man sucht nach einer schnellen Anschlussregelung. Die soll auch kommen: Der Bund gibt 1,5 Mrd. €, die Länder sollen genauso viel geben. Bund und Länder wollen im Oktober 2022 eine Einigung erzielen. Es kommt das 49-Euro-Ticket. Die Verteilung der Finanzierung zwischen Bunde und Ländern ist noch offen. Am 02.11.22 wird das 49-Euro-Ticket beschlossen. Wegen der Finanzierung (Verteilung) wird es wahrscheinlich erst im Frühjahr 2023 kommen. Man einigt sich Ende 2022 (es kann sogar Frühsommer werden).  Am wahrscheinlichsten ist der Termin 1. April 2023. Nach einer
Umfrage von PWC im Dezember 2022 wird die Nachfrage nach dem Ticket hoch sein. Bund und Länder einigen sich schließlich. Das Ticket kommt dann zum 1.5.23. Nach der Finanzierung geht es um die praktische Umsetzung. Verkehrsminister Wissing will keine Papierfahrkarte. Die Länder feilen an Ausnahmen und Zusatzmaßnahmen. Vgl. Berschin, E./ Böttger, C.: Auswirkungen des 49-Euro-Tickets auf Verkehrsverbünde und Einnahmenaufteilung, in: Wirtschaftsdienst 3/ 2023, s. 186-191. Der Bundesrat gibt Ende März 2023 den Weg frei für das 49-Euro-Ticket ab 1. Mai 2023. Es wird Deutschlandticket genannt und startet mit Komplikationen. Am 09.08.23 besteht es 100 Tage. Es hat 11 Mio. Nutzer. In der Stadt ist es wesentlich erfolgreicher als auf dem Land. Für 2024 steht es auf der Kippe. Mitte Januar gibt die Bundesregierung bekannt, dass der Preis 2024 stabil bleibt.

9-Euro-Ticket und Deutschland-Ticket: 2022 kommt das 9-€-Ticket als Entlastungsmaßnahme für die Energiepreisexplosion. Danach drohen stark steigende Preise wegen der Energiesituation. Man sucht nach einer schnellen Anschlussregelung. Die soll auch kommen: Der Bund gibt 1,5 Mrd. €, die Länder sollen genauso viel geben. Bund und Länder wollen im Oktober 2022 eine Einigung erzielen. Es kommt das 49-Euro-Ticket. Die Verteilung der Finanzierung zwischen Bunde und Ländern ist noch offen. Am 02.11.22 wird das 49-Euro-Ticket beschlossen. Wegen der Finanzierung (Verteilung) wird es wahrscheinlich erst im Frühjahr 2023 kommen. Man einigt sich Ende 2022 (es kann sogar Frühsommer werden).  Am wahrscheinlichsten ist der Termin 1. April 2023. Nach einer
Umfrage von PWC im Dezember 2022 wird die Nachfrage nach dem Ticket hoch sein. Bund und Länder einigen sich schließlich. Das Ticket kommt dann zum 1.5.23. Nach der Finanzierung geht es um die praktische Umsetzung. Verkehrsminister Wissing will keine Papierfahrkarte. Die Länder feilen an Ausnahmen und Zusatzmaßnahmen. Vgl. Berschin, E./ Böttger, C.: Auswirkungen des 49-Euro-Tickets auf Verkehrsverbünde und Einnahmenaufteilung, in: Wirtschaftsdienst 3/ 2023, s. 186-191. Der Bundesrat gibt Ende März 2023 den Weg frei für das 49-Euro-Ticket ab 1. Mai 2023. Es wird Deutschlandticket genannt und startet mit Komplikationen. Am 09.08.23 besteht es 100 Tage. Es hat 11 Mio. Nutzer. In der Stadt ist es wesentlich erfolgreicher als auf dem Land. Das ticket könnte ab 2024 teurer werden. Grund ist ein ungelöster Finanzstreit zwischen Bund und Ländern. Um den höheren Zuschussbedarf (Bund und Länder tragen die Hälfte) zu verringern, müsste der Ticketpreis erhöht oder der Nutzerkreis erweitert werden. Mitte Januar gibt die Bundesregierung bekannt, dass der Preis 2024 stabil bleibt. Die Länder wollen eine dauerhafte Finanzierung sicher. NRW will das möglichst für 10 Jahre aushandeln. 2024 bleibt der Preis stabil. Ab 2025 soll er steigen (das Ausmaß ist noch offen). Das Ticket hat einen Nachteil. Es beschränkt das Nahverkehrsangebot. Vgl. zur Diskussion auch: Ist das 40-Euro-Ticket ein Fehler? Diskussion zwischen Haarmann und Böttger in: Die Zeit 35/ 15.8.24, S. 9. 2024 geht die Untersuchung im Auftrag von Bund und Ländern davon aus, dass das Deutschland-Ticket 2025auf maximal 59 € steigt. Vgl. Der Spiegel 37/ 7.9.24, S. 9. Vgl. insgesamt zum Deutschland-Ticket: Krämer, Andreas/ Mietsch, Oliver: Zukunft Deutschlandticket: Verkehrswende, Finanzierung und wohlfahrtsökonomische Wirkung, in: Wirtschaftsdienst 9/ 2024, S. 636-643. Ab 2025 wird das Deutschland-Ticket 58€ kosten. Es hat 2024 13 Mio. Nutzer. Das Ampel-Aus gefährdet dann im November 24 das Deutschlandticket. Doch Minderheitsregierung und CDU sichern im November 24 noch das Ticket für 2025. Darüber hinaus muss die Finanzierung zwischen Bund und Ländern geklärt werden.

Kooperationen von Nahverkehr und Mobilitätsanbietern: Kooperationen zwischen Nahverkehrsbetreibern, Parkraumanagern, Leihrad- und Carsharing- Anbietern sind noch immer selten. Eine Vernetzung verschiedener Mobilitätsdienste könnte über Chipkarten erfolgen. Ein Hemmnis ist nicht nur die mangelnde Nachfrage, sondern auch die Bedingung der Kooperation zwischen Anbietern. Der Nahverkehr folgt der Daseinsvorsorge. Andere Angebote folgen anderen Regeln. Vgl. Scherf, Christian: Alles auf eine Karte? in: WZB Mitteilungen, Heft 159, März 2018, S. 44ff.

Taxi, Uber (Mietwagen mit Fahrer), Moia, my taxi match: Konkurrierende Alternativen im Nahverkehr, insbesondere in der Stadt. Beim Taxi braucht der Fahrer eine Lizenz und ein Taxameter. Der Tarif wird behördlich festgelegt. Der Mietwagen ist wenig reglementiert. Leere Wagen müssen zum Betriebssitz zurückkehren. Moia ist ein VW-Elektroshuttle mit sechs Sitzen. Der Preis liegt zwischen Taxi und Bus. Bei my taxi bucht der Kunde eine Taxifahrt mit anderen. Der Fahrer kann entscheiden, ob er die Anfrage annimmt. 

Individuelle Mobilität: Grundsätzliche Änderung der Mobilitätskonzepte. Die Menschen sagen, dass sie von A nach B wollen und suchen sich die beste Alternative aus. Die Bundesregierung versuch, die Straßenverkehrsordnung Schritt für Schritt vom Auto weg hinzu zu andern Konzepten umzubauen (Fahrrad, ÖVP).

Mobilitätswende: Im Mittelpunkt stehen die Einsparungen von CO2. Ohne diese wird Deutschland seine Klimaziele auch nicht erreichen. Hamburg will Modellstadt werden. Viele EU-Länder haben schon Zeitpunkte festgelegt, ab wann Neuwagen mit Verbrennungsmotor nicht mehr verkauft werden dürfen: die meisten Länder ab 2030 (Island, Dänemark, Schweden, Niederlande). Einige Länder haben spätere Termine (Spanien, Frankreich, GB). Einige Länder planen früher (Norwegen, Deutschland).

Illusionen der Mobilität: 1. Wir verlagern den Verkehr auf dei Schiene. 2. Das E-mobil in der Stadt löst die Probleme. 3. Dem Nahverkehr gehört die Zukunft. Vgl. HB Nr. 32, 15. Februar 2022, S. 14f.

Pendeln: Tägliche Fahrt zum Arbeitsplatz. Eine Revolution des Berufsverkehrs steht bevor. Berlin baut 100 Kilometer Radschnellwege. Noch benutzen 2018 65% der Pendler das Auto. Je größer die Stadt, desto unwichtiger wird das Auto. 22% der Deutschen fahren 2018 mit Bus oder Straßenbahn zur Arbeit. Ab 2019 sind Jobtickets steuerfrei. Elektroautos und Hybridfahrzeuge werden bei der Dienst-Wagen-Besteuerung begünstigt. die Pendler-Pauschale wird 2022 im Zuge der starken Energiepreisanstiege erhöht.

Radschnellroute (Pendlerroute mit Rad): Solche Routen sind bzw. werden im Ruhrgebiet und in Berlin gebaut. Auch RLP will so schnell wie möglich eine solche Route zwischen Schifferstadt und Ludwigshafen bauen.

Pop-up-Radwege: Sonderspuren - vorübergehend - für Radfahrer. Sie berücksichtigen die Zunahme des Radverkehrs in der Corona-Krise. Die ersten wurden in Berlin mit einer Länge von 10 km angelegt.

Fahrräder (E-Bike): 2020 in der Corona-Krise boomen die E - Bikes. 2013 lag ihr Bestand noch bei 1,6 Mio. in Deutschland, 2019 bei 5,4 Mio. In der Fahrrad-Branche läuft es rund. Die Städte bauen jetzt auch die Wege. Der Umsatz der Fahrradbranche steig von 2019 auf 2020 um +137%. Der Durchschnittpreis pro verkauften Fahrrads steig auf 1279 €.  Gleichzeitig stiegen die Fahrraddiebstähle an. Das Bundeskabinett beschließ im April 2021 einen "Nationalen Radverkehrsplan". Er soll bis 2030 bessere Bedingungen für Radfahrer schaffen. Das gilt für Stadt und Land. Das Verkehrsministerium arbeitet 2021 an einem "Klimabonus". Er soll auch für E-Bikes gewährt werden (steuerliche Erleichterung analog Handwerkerbonus). Das Konzept scheitert am EU-Beihilferecht. E-Lastenräder bleiben ohne Steuervorteil. 2024 flaut die Fahrrad-Euphorie ab. Der Fahrradverkauf ist ebenfalls rückläufig. 2023 kostete ein E-Bike durchschnittlich 2959 €. Die durchschnittlichen Kosten pro Monat belaufen sich auf 80€. Vgl. WiWo 33/ 9.8.24, S. 14.

Integrierte Verkehrsplanung: Es gibt zahlreiche Ziele der Verkehrsplanung mit zahlreichen Zielkonflikten: Reisezeiten, Wirtschaftsentwicklung, Wirtschaftlichkeit, Klimaschutz und -anpassung, Im- und Emissionsschutz, geringer Flächenverbrauch, Nutzerkosten, Nutzbarkeit, Barrierefreiheit, Zuverlässigkeit, Verkehrssicherheit, soziale Sicherheit. Vgl. Holz-Rau, Christian/ Reichert, Alexander: Klimaschutz im Verkehr - Utopie und Wirksamkeit, in: Wirtschaftsdienst 2018/5, S. 311ff.

Sofortprogramm im Verkehrssektor 2022: Es ist zur Minderung der Treibhausgase im Verkehrssektor. Laut Expertenrat wird es gesetzlichen Änderungen zum Klimaschutz nicht gerecht.

Mobilitätskonzept: 1. Neue Antriebstechniken. 2. Gezielte Technologieförderung. 3. Ende des Dieselprivilegs und start der CO2-Bepreisung. 4. Einführung einer blauen Plakette. 5. Festlegung einer E-Auto-Quote. 6. Nachhaltige Batteriefertigung. 7. Menschengerechte Stadt. 8. Bepreisung von Mobilität. 9. Individuelle Mobilität statt Individualverkehr. 10. Digitalisierung. Siehe: Claudia Kemfert: In zehn Schritten zum Weltmarktführer der Mobilität, in: WiWo 30, 19.7.2019, S. 10.

Deutsches Zentrum Mobilität der Zukunft, München (DZM, Mobilitätsforschungszentrum): Von Verkehrsminister Andreas Scheuer geplant. Als Stiftung soll es vor der Ampel-Koalition gerettet werden.

Kutsuplus-Pilotprojekt in Helsinki: Helsinki ist die erste Stadt, die einen voll automatisierten, echtzeitbasierten öffentlichen Minibustransportdienst mit flexiblen Routen eingeführt hat. Das Experiment ist auf drei Jahre angelegt. Die Busse sind nicht fahrerlos. Ein wesentlicher Kostenbestandteil sind aber die Lohnkosten für die Fahrer. Das Projekt wird von der EU finanziert.

Big Data für die Stadt: Mit der fortschreitenden Digitalisierung ergeben sich Optionen für eine effizientere und flexiblere Verkehrsordnung. Daran arbeiten neben der Politik auch die Technologiekonzerne Google und Microsoft. Die Städte werden als Living Labs gesehen, um selbst lernende Verkehrs- und Logistiksysteme zu nutzen. Diese Entwicklung hat aber auch eine Kehrseite: der öffentliche Raum wird zur Überwachungszone (automatische Gesichtserkennung, Drohnen, digitales Dorf).

Smart City (Deutschland, EU): Entwicklungskonzepte, die die Stadt effizienter, fortschrittlicher, ökologischer und sozial inklusiver gestalten. Dazu gehören als Bausteine bzw. Ebenen  Smart Ecomomy, Smart People, Smart Governance, Smart Mobility, Smart Governance,  Smart Environment, Smart Living. Akteure der Wirtschaft wie IBM, Siemens, Cisco Systems, Vattenfall sind an internationalen Projekten beteiligt. Es werden Netzwerke gebildet ("Internet of Everything"), die den Sektor Wirtschaft in den Städten produktiver machen sollen. Im Bereich von Governance (Politik, Verwaltung) gibt es Fördermittel im EU-Programm Horizont 2020. Geförderte Städte sind Kopenhagen, Amsterdam, Santander, Wien und Berlin. Häufig sind Hochschulen mit eingebunden (z. B. Barcelona). Häufig ist der Sharing - Gedanke enthalten. Man spricht von Urban Commons" (E. Oström). Ideen der Kreislaufwirtschaft (Thünen) sollen die Nachhaltigkeit erhöhen. Mobile Verkehrskonzepte (Mobile App) sollen Umwelt und Energie schonen. Die Kritik geht Richtung Social Scoring und Manipulierung der Menschen durch perfektes Marketing. Vgl. Wikipedia - Artikel. Siemens entwickelt 2018 ein innerstädtisches Verkehrssystem für Hamburg. Man spricht von intelligenter Infrastruktur. In Siemensstadt in Berlin soll von Siemens eine technologische Musterstadt aufgebaut werden. 2018 sind in Deutschland drei Städte am weitesten: Bielefeld, Darmstadt und Norderstedt. Wichtige Elemente sind: Stromersparnis, mehr Sicherheit für Patienten, im Amt mit PayPal bezahlen. Vgl. auch: Gassmann, Oliver/ Böhm, J./ Palmie, M.: Smart City. Innovationen für die vernetzte Stadt -  Geschäftsmodelle und Management, Hanser Fachbuch, Oktober 2018. Nach dem Smart-City-Index führt in Deutschland Hamburg vor Karlsruhe, Stuttgart, Berlin und München (dann folgen Heidelberg, Bonn, Köln, Dortmund, Darmstadt).

Smart Citys in der Welt: Relativ weit ist Singapur. Dort nehmen Straßen so viel Platz ein wie die gesamte Wohnfläche. Toshiba hat in einem Stadtteil von Tokio eine Smart City aufgebaut. Pittsburg in den USA ist eine ehemalige Kohle- und Stahlhochburg. Start-ups gestalten den Verkehr von morgen. Casharing - Dienste teilen ihre Verkehrsdaten mit der Stadt, um Staus zu umgehen. Die Stadt will führende Innovationsstadt werden. Altanta ist der Nachhaltigkeitschampion der USA. Die Stadt hat den Energieverbrauch in allen Bereichen optimiert.

Smart Communities: Optimale Energieausnutzung in Wohnanlagen. In der Regel anhand von Solaranlagen ausgeführt. Entscheidend ist die Steuerungs- und Speichertechnik. 2015 startet ein Experiment in Speyer (Stadt, Stadtwerke, Gewo, Nedo). Das japanische Staatsunternehmen Nedo liefert die wichtige Steuerungs- und Speichertechnik. In Landau soll ein E-Park entstehen: ein intelligentes Gewerbegebiet, in dem Firmen vieles gemeinsam nutzen. Als Smart City schlechthin gilt die spanische Stadt "Santander". Hier ist fast alles miteinander verbunden (Parkplätze, Müll. Baustellen, Beschwerden gegen die Verwaltung, öffentliche Beleuchtung).

Kommunaler Klimaschutz: Nationale Klimaschutzziele können nur zusammen mit den Kommunen erreicht werden. Deshalb gibt es eine Reihe von kommunalen Förderprogrammen (über das Umweltministerium). Diese sind z. B. für die Installierung von Klimaschutzmanagern, Energiesparmodellen an Schulen oder Kindergärten, sowie die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf Leuchtdioden. Kommunen können sich auch dem "Masterplan 100 Prozent Umweltschutz" verschreiben und sich verpflichten, bis 2050 ihre Treibhausgasemissionen um 95 Prozent zu senken. Dann bekommen sie achtzig Prozent der Kosten ersetzt. Die Mittel stammen aus dem Handel mit Emissionszertifikaten. 5 Städte in Deutschland wollen und sollen im Umweltschutz vorangehen. Sie sollen verschiedene Konzepte ausprobieren, um die Luftqualität weiter zu verbessern (ÖVP, Fahrrad, Individualverkehr reduzieren, Digitalisierung; dazu gehören Bonn, Essen, Mannheim, Herrenberg, Reutlingen).  Als ein Vorreiter im kommunalen Klimaschutz gilt Grenoble in Frankreich. Der erste grüne Bürgermeister Eric Piolle (kommt aus der Wirtschaft) hat neue Maßstäbe gegen die Belastung der Einwohner durch Feinstaub, Kohlendioxid und Ozon gesetzt. Radfahrer haben immer Vorfahrt.

Klimapolitik in der Gemeinde: Die Kommunen haben eine zentrale Bedeutung in der Klimapolitik. Der Bezug von Ökostrom allein bewirkt noch keinen CO2-Rückgang. Ausgleichszahlungen für Flugreisen wirken umso mehr, je mehr innereuropäisch geflogen wird. Solaranlagen auf den Gebäuden der Gemeinden können wirtschaftlich Sinn machen. Die Umstellung der Fahrzeugflotte auf Elektrofahrzeuge wäre ein erstes Signal. Radschellwege müssen gebaut werden und weitere Infrastruktur. Vgl. Wambach, Achim: Klima muss sich lohnen, Freiburg, Basel, Wien 2022, S. 31ff.

Städte als handelnde Akteure in der globalen Umweltpolitik: Wie im Mittelalter, als die großen Städte Vorreiter in Kultur, Innovation und Organisation waren, so übernehmen auch heute Städte immer größere globale Aufgaben. In der EU handelte z. B. Danzig in der Flüchtlingspolitik nicht im Sinne Polens sondern der EU. In den USA haben sich 300 Städte ("Städte der Zuflucht") zusammengeschlossen, weil sie gegen den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen sind.

Schwammstädte: Städte die bei Extremregen möglichst viel Wasser in sich aufsaugen und es dann speichern. die Idee wurde zum ersten Mal in China umgesetzt. Mittlerweile arbeiten auch Städte in Deutschland mit diesem Konzept. möglichste viele Seen im Stadtgebiet, Begrünung der Häuser und Dächer sollen Wasser aufnehmen. Wasser soll nicht mehr die Kanalisation überlasten und auf die Straßen fluten.

Urbane Industrie: Immer mehr Menschen zieht es in die Städte. Deshalb entwickeln Stadtplaner wieder Konzepte für eine urbane Industrie. Das könnte durch weniger Massenproduktion begünstigt werden. Ein neues Planungsrecht müsste Nutzungskonflikte zwischen Wohnen und Gewerbe auflösen. Die Corona-Krise mit Home-Office könnte das Land wieder attraktiver machen.

Parken, Parkgebühr und Parkausweise für Anwohner: Das Parksystem in Städten dürfte in den nächsten Jahren reformiert werden. Mit digitaler Technik lassen sich die Parkgebühren flexibel gestalten . So dürften sich die Gebühren in Stoßzeiten erhöhen. Auch Parkausweis edürften bald teurer werden. Zu der Preiselastizität von Parkgebühren haben wir mal ein Projekt gemacht.

Parken für Anwohner: 2019 erlaubt der Bundesverkehrsminister, dass die Städte Parken für Anwohner teurer machen dürfen. In Stockholm und London sind die Preise schon extrem hoch.

Passivhäuser: Dei größte Passivhaussiedlung der Welt ist die Bahnstadt (Schmidtsche Siedlung) in Heidelberg direkt in der Nähe des Hauptbahnhofs. Die komplette Bahnstadt wurde in extremer Energiesparweise errichtet. Sie liegt auf einer Fläche von 116 Hektar. Bis 2022 soll die Siedlung ganz fertig sein. Rund 70.000 Menschen sollen dann dort leben. Die Siedlung hat ein Wärmerückgewinnungssystem , das etwa 80% der Abluftwärme recycelt.

Tiny Houses: Wir leben in immer größeren Wohnungen und Häusern. Doch es gibt auch einen Trend zu kompakter, gemütlicher, nachhaltiger. Dieser Gegentrend heißt Tiny Houses. Sie fördern auch einen anderen Lebensstil.

Abwrackprämie für Ölheizungen: Im Rahmen einer Steuerreform im Energiesektor, gedacht als klimafreundlicher Anreiz. Dann muss auch ein Ersatz durch moderne Heizungssysteme kommen.

Ölheizungen: Sie sollen in das Klimaschutzgesetz Ende 2019 Eingang finden. Die Förderung zur Umrüstung soll noch 10 Jahre laufen. Danach sollen Ölheizungen verboten werden.

Gas-, Öl-, und Pellets- Heizungen: Hier arbeitet die Bundesregierung 2023 an Verboten (Ordnungsrecht). Sie sollen ab 2024 nicht mehr ersetzt werden können. 65% der Energie sollen aus klimafreundlichen Anlagen kommen, z. B. Wärmepumpen. Das Problem dabei ist, dass nicht die Infrastruktur des Hauses als Ganzes betrachtet wird (Alter, Dämmung, Eigentumswohnungen u. a.). Es sollen Entlastungsmaßnahmen kommen, die sozial gestaffelt sind. Ungerecht dabei ist, dass Pellets extrem CO2 ausstoßen, aber als umweltfreundlich gelten. Im März 2023 einigt sich die Ampel auf Regeln für neue Heizungen. Ab 1.1.24 neu eingebaute Heizungen müssen zu 65% mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Es soll Ausnahmen, Übergangsfristen und eine Förderung kommen. Die Regelungen werden in einem Gebäude-Energiegesetz formuliert.

Flugverkehr: Im Jahr 1970 wurden rund 300 Mio. Passagierflüge absolviert. Bis zum Jahre 2015 ist diese Zahl um mehr als das Zehnfache auf über 3,2 Mrd. gestiegen. Dieses Wachstum war im Wesentlichen die Folge fallender Preise und veränderter Geschäftspraktiken in Folge der Globalisierung. Auf der anderen Seite erhöhte sich die Kraftstoffeffizienz. Der Kerosinverbrauch konnte erheblich reduziert werden. Vgl. Tony Juniper: Unsere Erde unter Druck, München 2017, S. 100f. Die Preise im Flugverkehr sind vor allem bei Kurzstreckenflügen zwischen Städten zu niedrig. Das ist auch möglich, weil die Infrastruktur und das Flugbenzin staatlich subventioniert werden. Es ist auch ein Skandal, dass Flugreisen nicht der Mehrwertsteuer unterliegen. Der Flugverkehr trägt immer mehr zum Menschen gemachten Treibhauseffekt bei. 2050 haben die Kondensstreifen eine dreimal so hohe Auswirkung wie 2006. Der Einfluss dieser Zirruswolken sei stärker auf das Klima als der von Kohlendioxid. Quelle: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Oberpfaffenhofen. Die Flugindustrie plant, mit synthetischem Kerosin zu fliegen. Die Forschung wird verstärkt. Mit Ökoenergie soll Wasserstoff hergestellt werden, dem CO2 beigesetzt wird. Ziel ist klimaneutraler Kraftstoff. In Flughafennähe treten hohe Konzentrationen von Ultrafeinstaub auf, die durch Flugzeugtriebwerke verursacht werden.  Das vor allem beim Starten und Landen. Das räumt im Sommer 2019 erstmals die hessische Landesregierung ein. Der Bundesverkehrsminister will 2019 eine Strafsteuer auf Billig-Flugtickets einrichten. Andere Länder erwägen eine Ticket-Steuer. Die Luftfahrtbranche warnt davor (Wettbewerbsverzerrung).  2018 steigt Ryanair mehrheitlich bei Laudamotion ein. Laudamotion hatte Teile von Air Berlin übernommen, die Lufthansa nicht übernehmen durfte. Kunden hoffen durch mehr Wettbewerb auf sinkende Preise, Unter Umweltaspekten wäre dies problematisch. Aber 2018 deutet sich an, dass die Billigfliegerei zu ende gehen könnte. Nach dem Chaos-Sommer mit Rekordverspätungen stoßen die Discounter- Airlines an ihre Grenzen. Der Spielraum sinkt deutlich, um mit aggressiven Preisen neue Kunden zu generieren. Mobilitätsforscher fordert 2019 in Deutschland ein Verbot von Inlandsflügen. Die Urlaubs - Airline Germania eröffnet Anfang 2019 ein Insolvenzverfahren. 2019 wird bei Airbus entschieden, die Produktion des Großraumflugzeugs A 380 2021 einzustellen. Die beiden letzten Großabnehmer Australien und Dubai stornieren Aufträge. Franreich schlägt im Juni 2019 eine Flugsteuer in der EU vor. Ab 2020 kommt die Abgabe in Frankreich (Flug-Ökosteuer: zwischen 1,50 und 18 €). Das Klimakabinett in Deutschland erwägt eine Erhöhung der Luftverkehrsabgabe. Am 21.08.19 findet eine Nationale Luftverkehrskonferenz in Leipzig statt. Es geht um Möglichkeiten der Reduzierung von CO2 (Biokraftstoffe u. a.). In den nächsten Jahren wird der Luftverkehr stark wachsen. Alternative Kraftstoffe würden den Preis stark erhöhen. 2021 investieren frühere Topmanager der Lufthansa in ein Unternehmen, das CO2-neutrale Flüge verspricht. Das könnte die Luftfahrt revolutionieren. Das Projekt läuft unter dem Namen "Pegasus". Treiber ist der Ex-Manager Misselhorn. Noch ist die Herstellung von synthetischen Kerosin sehr teuer. Das BMWi soll fördern. Im Emsland ist im Herbst 2021 die weltweit erste Anlage für klimaneutrales Kerosin (E-Kerosin) in Betrieb. Die Lufthansa ist die erste Kundin. Nachhaltiges Fliegen wird 2022 zum Trendthema. E-Kerosin trägt große Hoffnungen. Aber es wird wesentlich teurer sein: 1600 $ als Prognose für 2030 (2022 1346 $ (jeweils pro Tonne). Dafür braucht man riesige Landflächen (Solarkraftwerke) und gigantische Investitionen. Vgl. Grimme, Wolfgang u. a.: Klimaschutzregeln für den europäischen Luftverkehr, in: Wirtschaftsdienst 2/ 2023, S. 118-129. In Deutschland erholt sich der Flugverkehr nach Corona deutlich langsamer als im Rest Europas. Schuld daran sind vor allem die hohen staatlich kontrollierten Kosten. Vgl. WiWo 44/ 25.10.24, S. 10.

Fuel Dumping: Ablassen von Kerosin in der Nähe von Flughäfen, um das Landegewicht zu reduzieren. Das können um die 15 Tonnen Kerosin sein. Obwohl das Ablassen in der Regel in großer Höhe (10.000 m) erfolgt werden die Natur und die Menschen geschädigt. Die Schäden sind noch wenig erforscht. Im Pfälzerwald gibt es häufiger solche Kerosinablässe: Flughafen Frankfurt, Militärflughafen Rammstein. Die Flugsicherung gibt die Ablässe bekannt. Sie werden nicht ohne Not gemacht, weil dazu Kerosin zu teuer ist.

Luftverkehrssteuer: Sie wird als Steuer auf Flugtickets erhoben. 2019 wird beschlossen im Rahmen des Klimaschutzpakets die Luftverkehrssteuer für Flüge im Inland und in EU-Staaten um drei Euro anzuheben. Jedes Jahr soll es dann eine Überprüfung geben. Ursprünglich waren für den Klimaschutz viel höhere Steueraufschläge abvisiert.

Privatjets: 2022 war ein Anstieg um 64% in Europa (Quelle: CE Delft, private Flugzeuge mit mindestens drei Sitzen). Greenpeace fordert ein Verbot. Die Flüge hätten 3,4 Mio. Tonnen CO2 ausgestoßen.

Elektrische Luftfahrt: Norwegen gilt als Vorreiter. Ab 2040 müssen Kurzstreckenflüge zu 100 Prozent elektrisch sein. Die Zertifizierung durch die europäische Luftfahrtbehörde EASA und ihr US-Gegenstück FAA kann Jahre dauern. Bisher haben die Flugzeuge 4 Elektromotoren und eine Reichweite von 200 km. Führend ist im Moment der Elektroflieger Heart ES-30. Drei Prototypen sollen 2026 kommen. Vgl. Efler, Markus: Enormer Schub, in: Der Spiegel 28/ 8.7.23, S. 94ff.

Kreuzfahrtschiffe: Sie sind besonders umweltfeindlich und zerstören wichtige Kulturgüter wie etwa Venedig oder Dubrovnik. Der Nabu fordert ab 2020 Einfahrverbote für schmutzige Kreuzfahrtschiffe in Häfen wie Kiel oder Rostock. Auch Regionen wie das Wattenmeer sollten geschützt werden. Die meisten Reederein verfeuern skrupellos Schweröl. Hybrid- und Gasantriebe sind eine Ausnahme. Nach dem Corona-Ausfall von 2 Jahren cruisen die "Mumiendampfer" wieder 2022. Es gibt schon wieder weltweit 28,2 Mio. Passagiere (fast so viele wie 2019). Top-Destination ist die Karibik vor Asien/ China. Die größten Kreuzfahrtunternehmen sind Carnival Corporation und die Royal Caribbean Group vor Norwegian. Bis 2050 müssen die Treibhausgasemissionen reduziert werden. Es gibt einen Beschluss der Weltschifffahrtsorganisation IMO (mit Zwischenzielen 2030, 2040). 

Tanker: Auch für die Tanker (Container) gelten die Abgas-Vorgaben.

Binnenschifffahrt: Die Binnenschifffahrt (Rhein, Donau, Kanäle, Oder, Mosel, Neckar, Main u. a.) ist sehr effizient. Problem sind die niedrigen Wasserstände im Sommer. Langfristig muss man sich wohl auf extreme Niedrigwasser-Situationen aufgrund des Klimawandels einstellen. Der Rhein ist die wichtigste Wasserstraße in Deutschland.

LKW-Verkehr und Toll Collect: Seit 2005 betreibt Toll Collect für den Staat die LKW-Maut ein (Begründung: Verschleiß der Straßen durch LKWs). Über Satellit und mit Kameras werden Lastwagen auf Straßen erfasst. Die Nutzung wird in Rechnung gestellt. Rund 4,5 Mrd. € bringt die Maut pro Jahr ein. Daimler und die Telekom sind Mehrheitseigner. Ende August 2018 übernimmt der Bund für eine Übergangszeit. Dann soll eine erneute Privatisierung geplant werden (Problem: Bewertung; wenn tatsächlicher Zustand nicht dem erwarteten entspricht). Im März 2023 beschließt die Koalition im Bund, die LKW-Maut zu erhöhen. Das Geld soll in die Bahn fließen. Insbesondere das Schienennetz soll ausgebaut und modernisiert werden.

PKW-Maut in Deutschland (Infrastrukturabgabe): Ein Gutachter des EuGH (Generalanwalt) hält sie Anfang Februar 2019 für rechtens. Insbesondere Österreich will dagegen angehen und hatte schon eine Klage eingereicht. So steigen die Chancen für die Einführung der Maut. Sie soll auf Autobahnen und Bundesstraßen gelten, von der Größe und Umweltfreundlichkeit des Motors abhängen und maximal 130 € pro Jahr kosten (deutsche Autofahrer sollen bei der KfZ - Steuer entlastet werden). Der Europäische Gerichtshof entscheidet im Juni 2019, dass dieses Vorhaben gegen europäisches Recht verstößt. Damit ist die PKW-Maut, ein Lieblingskind der CSU, in Deutschland vorläufig aus Eis gelegt. Die Betreiber fordern einen Ausgleich. Die Maut hat im Vorfeld schon 53 Mio. € gekostet. Dem Bundeshaushalt fehlen Einnahmen von 1 Milliarde Euro, die eingeplant waren. Außerdem könnten Entschädigungen fällig werden. Im November 2019 setzt der Bundestag mit den Stimmen der Oppositionsparteien einen Untersuchungsausschuss ein. Im Juli 2023 einigt man sich auf einen Vergleich mit den Betreibern: Der Bund muss 243 Mio. € zahlen. Österreich will die grenznahe Autobahn zu Deutschland von der Maut befreien, um die Landstraßen vom Ausweichverkehr zu entlasten.

Bahn: Deutschland steckt deutlich weniger Geld in den Bahnverkehr als andere Länder. Die Pro-Kopf-Investitionen betrugen 2018 77 Euro. In Europa liegt die Schweiz an der Spitze mit 365 Euro, vor Österreich (218), Dänemark (182), Schweden (172), Niederlande (135), Großbritannien (116), Italien (93). Im Oktober 2021 finden Testfahrten für autonomen Schienenverkehr im Elmsteiner Tal statt (Zug ohne Lokführer). Im März 2023 beschließt die Koalition im Bund, die LKW-Maut zu erhöhen. Das Geld soll in die Bahn fließen. Insbesondere das Schienennetz soll ausgebaut und modernisiert werden.

Motorräder: Sie sollen leiser werden. Am Wochenende sollen Strecken gesperrt werden. Die Zahl der Motorräder steigt stark. Sie sind auch legal lauter geworden. Sie sollen auf 80 Dezibil. beschränkt werden. 4,4 Mio. Motorräder sind 2020 in Deutschland zugelassen. 2023 sind 4,9 Mio. Motorräder zugelassen. In der Corona-Pandemie gab es einen Bikerboom. Bei den Marken führt 2023 BMW (13,0%) vor Yamaha, Suzuki, Piaggio und Honda.

Seilbahnen: Sie sind ein Symbol des Bergtourismus. Entwickelt wurden sie allerdings, um Rohstoffe wie Kupfer aus den Minen zu schleppen. In den städten könnten die Gondeln ein Verkehrsmittel der Zukunft sein. Vgl. Schlick, Andreas: Drahtseilakt, in: Rheinpfalz am Sonntag, 30.1.22, S. 21.

Umweltgesetzbuch: Seit 1998 (A. Merkel Umweltminister) gibt es in Deutschland den Entwurf für ein Umweltgesetzbuch (UGB), dass alle umweltrelevante Regeln zusammenfassen soll. Auch im Koalitionsvertrag von 2005 wird ein Umweltgesetzbuch vereinbart. Im Januar 2009 scheitert das einheitliche Umweltrecht im Koalitionsstreit vorläufig. Auch die Aufnahme des Umweltziels ins Grundgesetz scheiterte immer wieder. Mitte 2009 gibt es stark abgespeckte Neuregelungen beim Naturschutz und beim Wasserrecht, um ein Mindestmaß an bundeseinheitlichen Umweltstandards sicherzustellen.

Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz: Regelt den Einfluss von Verbänden in Deutschland. auf Baupläne und Umweltprogramme. Eine Novelle, die den Verbänden mehr Einfluss geben soll, liegt 2017 auf Eis. Die EU und insbesondere der EuGH machen Druck.

Umwelthaftung: Seit Ende 1990 gibt es in Deutschland ein Umwelthaftungsgesetz (UHG). Es bestehen zwei Arten von Haftungsregeln: Verschuldungshaftung und Gefährdungshaftung. Die Regeln können bei Monokausalität, alternativer Kausalität und Multikausalität Anwendung finden, allerdings mit unterschiedlicher Effektivität (Wahrscheinlichkeit, Dezentralisierung). 2017 wird eine Klage eines peruanischen Kleinbauern und Bergsteigers gegen RWE vor dem Landgericht Hamm zugelassen. Gletscher oberhalb seines Dorfes in Peru schmelzen infolge des Klimawandels und ein Bergsee droht überzulaufen. Der Fall könnte ein Präzedenzfall sein. RWE ist europaweit der größte CO2-Emitenet, weil das Unternehmen die meisten Kraftwerke mit fossilen Energieträgern betreibt. Das könnte ein neues, großes Betätigungsfeld für Anwälte sein. Wenn RWE Schadensersatz leisten müsste (Nachweis von 0,47% aller Treibhausgasemissionen seit Beginn der Industrialisierung), stiegen für alle Verursacher die Haftungsrisiken dramatisch. 

Fehlende Rechtskonstruktionen in Deutschland für eine konsequente Umweltpolitik: 1. Der individuelle Nachweis bei Personen-Schäden im Rahmen des Verursacherprinzip im Deutschen Recht bremst. Japan hat schon in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts den statistischen Nachweis zugelassen (Häufigkeit weit über dem Mittelwert). Angefangen wurde im Großraum Tokio. 2. Fehlen einer Sammelklage. In den USA zeigt sich, wie wirksam Sammelklagen sein können. 2017 gibt es in der EU Überlegungen, die Gruppenklage einzuführen. Vgl. auch Umwelthaftung oben.

Umstrittene Umweltschutzmaßnahmen: Dosenpfand, Wärmedämmung, gelber Sack, Energiesparlampen, E10-Benzin widersprechen vielen Kriterien des Umweltschutzes und bringen ihn in Misskredit. Aufwand und Ertrag stehen oft in keinem Verhältnis zueinander. Biosprit führt z. B. zu zusätzlichen Treibhausgasen. Energiesparlampen werden unter fragwürdigen Bedingungen in China produziert und sind giftiger.

Öko-Siegel: vor allem im Lebensmittelbereich eingesetzt. Einmal gibt es das deutsche Bio-Siegel. Daneben gibt es ein EU-Bio-Siegel (ab 2010 auf jedem Bio-Produkt). Zusätzlich gibt es ein Fairtrade-Label, das MSC-Label für nachhaltigen Fischfang und das Neuland-Label f artgerechte Tierhaltung.

Flurbereinigungsverfahren: ein wichtiges Instrument der Landschaftspflege, des Naturschutzes und des Umweltschutzes. Vor allem wird hiermit der Trend zu immer weniger und größeren Betrieben begleitet. Es kommt zu einer Wertermittlung, damit Landtausch und Entschädigungen abgegolten werden können.

Raumordnung: Dieses Instrument müsste mehr genutzt werden. Dabei müssen sich dei Bundesländer abstimmen. Nach den Überflutungen der Täler von Ahr, Erft und Wupper 2021 will man möglichst schnell vor Ort den Wiederaufbau beginnen. Besonders wichtig ist das Vorkaufsrecht der Länder. Es wird besonders in Bayern genutzt.

Klimafonds: Mittel, um die Energiewende zu unterstützen. Damit werden Maßnahmen zur Wärmedämmung oder die Förderung von Elektroautos finanziert. Er speist sich aus dem Handel der CO2-Emissionsrechte. 2013 nimmt der Fonds aber nur 890 Mio. € statt der erwarteten 2 Milliarden Euro ein. Die Kreditanstalt für wiederaufbau soll mit über 300 Mio. € einspringen. Das ist teilweise ein Abgesang auf den Nationalstaat (vgl. Benjamin Barber: If Mayors ruled the World", 2013).

Zahlungsbereitschaft für Klimaschutz: Der Klimawandel und das (globale) öffentliche Gut "Klimaschutz" genießen große Aufmerksamkeit und Unterstützung in der deutschen Öffentlichkeit. Wie sieht es aber mit der realen Zahlungsbereitschaft aus in Anbetracht dessen, dass Klimaschutz hohe Kosten verursacht? Ergebnisse zeigen, dass die Bereitschaft der Menschen sehr begrenzt ist. Deshalb sind Anpassungsmaßnahmen von größerer Bedeutung, die als privates Gut organisierbar sind. Vgl. Löschel/ Sturm/ Vogt: Die reale Zahlungsbereitschaft für Klimaschutz, in: Wirtschaftsdienst, 2010/11, S. 749-753.

Fossil Free Divestment: Eine Kampagne, die von der Überlegung ausgeht, ganzen Branchen die Geschäftsgrundlage zu entziehen, dadurch, dass man das Geld dort herausnimmt. In Amerika ist diese Bewegung sehr erfolgreich. US-Universitäten und andere Organisationen ziehen ihr Stiftungsvermögen heraus, wenn Unternehmen Überlebensgrundlagen nicht beachten. Divestition ist das Gegenteil von Investition. Auch in Deutschland hat die Bewegung Fuß gefasst. Kapital soll aus allen Geldanlagen herausgezogen werden, die in fossile Energien investieren. Im November 2015 zieht die Allianz ihre Investitionen in Kohlekraftwerke zurück. Auch die Großbank ING will keine Kohlkraftwerke mehr finanzieren. Der Chef der Internationalen Energieagentur fordert das weltweite Ende der Subventionierung von Kohle und Öl. 2018 geraten die Allianz und Munich Re in die Kritik, weil sie Kraftwerks-Neubauten versichern. die Neubauten sind vor allem in Polen. Es handelt sich um Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke.

Investitionen nach ethischen Kriterien: Der norwegische Staatsfonds nimmt für sich in Anspruch, nach ethischen Kriterien Geld anzulegen. Seit 2008 leitet Yngve Slyngstadt den Fonds, der 865 Milliarden Euro umfasst. 1,3 Milliarden Euro betragen die Anteile an deutschen Unternehmen 2018.

Exzentrische Wissenschaftler, Silicon-Valley-Milliardäre und Unternehmen ("Die Kaltmacher"): Es geht um verschiedene Initiativen und Versuche, den Klimawandel in positive Richtung durch moderne Technik zu lenken. 1. Inwieweit kann man CO2 durch Turbinen aus der Luft filtern (Schweiz).  2. Künstlich vermehrtes Plankton in Ozeanen. 3. Die Sonne reflektieren. Verteilter Kieselsand soll die Arktis schützen. Inwieweit kann die Technologie-Industrie die Klimafrage bewältigen? Vgl. Thomas Fischermann: Die Kaltmacher, in: Die Zeit  Nr. 37, 5. September 2019, S. 23ff.

Finanzsektor und Nachhaltigkeit: Der Finanzsektor soll zukünftig auch Klimaschutzzielen unterworfen werden. Anleger und Investoren wollen für Nachhaltigkeit Rendite kassieren. Das ganze läuft unter dem Motto "Nur grünes Geld ist gutes Geld" (vgl. WiWo 17, 18.4.2019, S. 28). So wird auch der DAX einem Nachhaltigkeits-Check unterworfen. Äußerst positiv werden Allianz und Münchener Rück bewertet. Sehr positiv sind SAP, Infineon, und Deutsche Börse. Positiv Merck, Wirecard, Deutsche Telekom, Henkel, Siemens, Adidas, Deutsche Post, Neutral Covestro, Continental, BMW, FMC. Negativ werden die restlichen unternehmen bewertet. Quelle: Globalance Footprint. Ebenso werden Investitionen in ihrer positiven Wirkung auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft bewertet: 2018 wurden 2900 Milliarden Euro investiert. Quelle: Forum Nachhaltige Geldanlagen.

Green Finance: Blackrock hält weltweit in rund 2500 Firmen fünf bis zehn Proent des Kapitals, teils als größter Aktionär. Wenn Der Chef Larry Fink in seinem Neujahrsbrief auf eine Systemwechsel verweist hat das Wirkung.  CO2 wird zum Risiko für Firmen.  Weltweit verwalten Pensionsfonds ein Vermögen von über 41 Billionen US-$. Der internationale Publikumsfondsmarkt ist mit 53 Billionen US-$ noch größer. Wenn diese Gelder in Dekarbonisierung umgesteuert werden, könnte  ein grünes wirtschaftswunder kommen. Vgl. Claudia Kemfert: Mondays for Future, Hamburg 2020, S. 72.

Grüne Anleihen und Generationen überspannen: Staaten, Regionen, Städte, IWF oder Banken geben Anleihen aus, deren Kapital in den Klimaschutz investiert wird. Sie könnten auch Bürgschaften übernehmen. Man könnte in Deutschland günstige sKapital mit viel Know-how in grüner Technik verbinden und Pakete exportieren. Vgl,  Prage, Semmler, Fischermann: Mit Ökonomen das Klima retten? in: Die Zeit, Nr. 11, 5. März 2020, S. 29.

Stimmrechtsberater und Shareholder-Einfluss: Umweltschützer setzen zunehmend auf die Mobilisierung der Öffentlichkeit. Sie treten massiver auf den Hauptversammlungen der Konzerne auf. Das hat Folgen für das Image der Unternehmen. Professionelle Stimmrechtsberater sind häufig Verbündete der Kleinaktionäre. Die größte Organisation hat ihren Sitz in den USA und heißt ISS (International Shareholder Services). So haben Allianz, Commerzbank und Deutsche Bank schon die Finanzierung des Kohlebergbaus und der Kohleverstromung zurückfahren müssen.

Klimazoll (Grenzausgleichsteuer; CO2-Abgabe auf Importe; Border - Taxes): Bei importierten Produkten soll der CO2-Verbrauch nach versteuert werden. Das betrifft oft nur den Transport. Er ist der beste Schutz vor Öko-Dumping. Man könnte sich an der Mehrwertsteuer orientieren. Er könnte zu einem Eingangstor von Protektionismus werden und handelspolitische Gegenmaßnahmen hervorrufen. Die Idee hat in der EU viele Anhänger. Andere warnen, weil sie erhebliche Gegenmaßnahmen befürchten. Ein gutes Beispiel ist der Strompreis in China und Deutschland: 8 Cent gegenüber 39 Cent pro Kilowattstunde. Der CO2-Preis würde in Zölle eingerechnet. "Das CO2-Grenzausgleichssystem der EU kann die Verlagerung der Produktion bzw. von Emissionen in Drittländer nur zum Teil verhindern. Es wird sehr hohe Kosten verursachen, nicht zu einer kosteneffizienten Emissionsreduktion beitragen und kaum Anreize für Dritt-länder schaffen, ihre Emissionen zu reduzieren. Das System ist nicht WTO-konform und wird deshalb Anlass zu handelspolitischen Streitigkeiten und Konflikten geben, unter denen vor allem Deutschland mit seinen hohen Exportüberschüssen zu leiden haben wird. Es spricht vieles dafür, das vorgeschlagene System nicht zu realisieren und die Wettbewerbsnachteile europäischer Unternehmen weiter durch die teilweise kostenlose Zuteilung von ETS-Zertifikaten auszugleichen." Siehe Söllner, Fritz: EU-Pläne für einen CO2-Grenzausgleich, in: Wirtschaftsdienst 8/ 2022, S. 609-617. Auch: Treptow, Thomas: EU-Klimazölle: einnahmen und Emissionsexporte, in: Wirtschaftsdienst 4/ 2023, S. 229.

Klimageld: Im Koalitionsvertrag vereinbart. Es soll 2025 ausgezahlt werden. Es ist eine Kompensation für steigende CO2-Abgaben (etwa 100 € jährlich). Die Auszahlung ist über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) vorgesehen. Die Zollverwaltung soll personell helfen.

Kooperative Lösungen zum Klimaschutz: Gegenmodell zum Klimazoll. Angebote an Schwellenländer. Drei Gründe sprechen dafür: 1. Betroffene Grundstoffe werden vor allem aus Russland, der Ukraine und Türkei importiert. 2. Keines der Schellenländer beteiligt sich an den Handelssanktionen gegen Russland. 3. Die Schwellenländer müssen für Dekarbonisierung gewonnen werden. Vgl. Neuhoff/ Goldthau: Kooperative Lösungen zum Klimaschutz, in: HB Nr. 117/ 21.6.22, S. 48.

EU-Wiederaufbau-Fond: Deutschland stehen ca. 26 Mrd. Euro zu. Die Bundesregierung will das Geld für Klimaprojekte und Digitalisierung verwenden. Vor allem ein digital orientiertes Bildungssystem soll gefördert werden. Beim klima soll gefördert werden: Wasserstoffforschung, klimafreundliche Mobilität.

EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur: Am 27.2.24 vom EU-Parlament beschlossen. Das Gesetz legt Ziele für die Wiederherstellung geschädigter Ökosyteme vor. Bis 2023 müssen die EU-Länder mindestens 30% geschädigter Lebensräume im Wasser und an Land wiederherstellen. Bis 20240 sind es 60%, bis 2050 dann 90%. Das Gesetz ist umstritten. Die Mitgliedsstaaten müssen der Vereinbarung noch zustimmen.

Ökozid-Gesetz: Man will den Ökozid als Strafbestand einführen. Es soll zum internationalen Verbrechen werden. Es gibt Entwürfe in Mexiko und Frankreich.

 

Praxis (vor allem betriebliche Umweltwirtschaft, Umweltmanagement, Nachhaltigkeitsmanagement, Energiemanagement, Renewable Energy Management, Natural Resources Management and Development; Social Sustainability; Plastik; Schädlingsbekämpfung, Recycling; Bauen und Dämmung; Sustainable Entrepreneurship und Management; Anteil der Industrie/ Wirtschaft an der CO2-Einsparung vgl. auch Werteorientierung  und Produktionswirtschaft( einschl. Logistik, Nachhaltigkeit) bei Mittelstandsökonomik/ Allgemeine BWL). Life Cicle Engineering.

Porter - Hypothese (Michael Porter): durch eine strikte Umweltpolitik können Unternehmen strategisch zu Innovationen "gezwungen" werden, die ihre Gewinne verbessern. Dabei helfen zwei Mechanismen: die Vorreiterrolle bzw. first-mover advantage und der Innovationsausgleich durch Kosteneinsparungen an anderer Stelle. Die Strategie des Ökodumping ist kein Ausweg mehr, da der Verzicht auf vollständige Internalisierung inländischer Umweltschadenskosten zu riskant ist. 

Technischer Fortschritt (technological change): Verbesserungen in den Produktionsprozessen von Gütern und Dienstleistungen (Prozessinnovationen), Veränderungen bestehender Produkte und die Einführung neuer Produkte (Produktinnovationen). Beide machen die Nachhaltigkeit (Sustainability, mehr Output bei gleichem Input und gleicher Umweltverschmutzung) in der Umweltökonomik erst möglich. Auf einen Zeitraum von 50 Jahren ist es schwierig, die technologische Entwicklung vorherzusagen. Es sollten aber dynamische Anreizwirkungen gesetzt werden. Der umwelttechnische Fortschritt kann auch als spezielle Form des technischen Fortschritts gesehen werden.  Die Bundesregierung plant ein Aktionsprogramm zum Technologiewandel nach dem Welt-Klimabericht 2007. Technischer Fortschritt garantiert allerdings noch keine geopolitische Macht. Seit dem 15. Jahrhundert erst ist der technologische Vorteil des Westens über andere Kulturen wie China oder Arabien aufgebaut worden. Dies muss nicht so bleiben. Vgl. Headrick, Daniel: Power Over Peoples,  Princeton 2010.

Neue Technologien: Sie sind auch notwendig, um den Produktionsstandort Deutschland zu sichern. Dafür erforderlich sind Innovationen und eine Akzeptanz. Diese kann nur durch technische Bildung erreicht werden. Umweltschutz setzt einen gewissen Reichtum voraus. Wir müssen mit besserer Technik die weniger und teurer werdenden Ressourcen ausgleichen. Vgl. Fuchs, Willi: Wachsen ohne Wachstum, München 2011.

Grüne Technologie: Die Verwendung von Technologie, um den menschlichen Einfluss auf die Umwelt zu minimieren. Dies geschieht vor allem durch eine erhöhte Effizienz, die Verringerung von Umweltverschmutzung und die Nutzung alternativer Energiequellen. Zu den typischen Anwendungen grüner Technologie gehören Recycling, erneuerbare Energien, Wasseraufbereitung, Abfallreduzierung und Abwasseraufbereitung. Siehe Donald Marron: Wirtschaft in 30 Sekunden, Librero/ Niederlande 2018, S. 68.

Digitalisierung und Umweltverschmutzung: Videokonferenzen (weniger Dienst-Reisen), weniger Verkehr (Smart Autos) und papierloses Büro (Cloud) sollten eigentlich zu weniger Umweltschädigung führen. Doch gigantische Datenströme (Krypto - Währungen) und steigende Warenströme (Online-Handel) setzen noch mehr Treibhausgase frei.

Innovationen: Umweltinnovationen, insbesondere integrierte Umwelttechnologien, ermöglichen ein ausgewogenes Wachstum. Die additiven Technologien (z. B. Filter) müssen zunehmend durch integrierte ersetzt werden. Damit können Emissionen gesenkt werden und auch der Umweltverbrauch, wodurch auch die Produktivität steigt.

Umweltwirtschaft: Deutschland hat weltweit einen Spitzenplatz. Als Exporteur liegen wir auf Platz zwei hinter China (13%-Anteil am Welthandel). Wir fallen aber bei Patenten und Forschung zurück. Massive Rückgänge haben wir bei Solar und Windkraft. 2017 arbeiteten 2,8 Mio. Beschäftigte in diesem Bereich. Er zerfällt in folgende Untergruppen (in %): Umweltschutzorientierte Dienstleistungen (55,7), Erneuerbare Energien (11,2), Energetische Gebäudesanierung im Bestand (20,2), Nachfrage nach Umweltschutzgütern in klassischen Bereichen (12,9).

Zirkuläre Wirtschaft: Beinhaltet einmal das klassische Recycling. Alle Beiträge zur Ressourceneffizienz werden integriert. Man erreicht die Nachhaltigkeitsziele der UN und hat zusätzlich Wachstumspotential. Industriepolitische Maßnahmen können unterstützen.

Cleantech-Markt: Er umfasst grüne Technologien, Produkte und Dienstleistungen, die helfen, Ressourcen zu schonen, Schadstoffe zu minimieren. Es geht um Energieeffizienz, Umweltfreundliche Speicherung und Verteilung von Energien, nachhaltige Mobilität, nachhaltige Wasserwirtschaft, Materialeffizienz, Kreislaufwirtschaft. Der Markt steht im globalen Wettbewerb.

Langzeitökonomie: Wegen der Rohstoffknappheit muss die Lebensdauer von Gütern wieder verlängert bzw. verdoppelt werden.

Umwelttechnik (auch "Green Business"): Schon 2008 sind in dieser Branche die meisten industriellen Arbeitsplätze in Deutschland (1,1 Mio., 2020 sollen es 2,2 Mio. sein). Zu der Branche gehören die Bereiche Energieeffizienz, nachhaltige Wasserwirtschaft, nachhaltige Mobilität, Energieerzeugung, Rohstoff- und Materialeffizienz, Kreislaufwirtschaft. Die Konjunkturprogramme in der Weltwirtschaftskrise 2009 bringen viele Milliarden in die grünen Technologien. 30% beträgt der Weltmarktanteil deutscher Unternehmen bei den umweltfreundlichen Energien. Deutschland profitiert erheblich von der Öko-Wende. Man unterscheidet additive und integrierte Umwelttechnik. Die integrative Technik beinhaltet den Input, den Produktionsprozess und den Output. Additiv sind Rückstände, Emissionen aus Produktion bzw. Konsum. 2011 wurden mit Produkten und Leistungen rund um erneuerbare Energien und die Reduktion von Treibgasen rund 45,5 Mrd. € umgesetzt. Damit liegt der Klimaschutz vor der Pharmabranche. "Umwelt- und Klimatechniken haben das Potential, die Wachstumstreiber des 21. Jahrhunderts zu werden", Siemens-Chef Peter Löscher. In RLP gibt es ca. 750 Umwelt-Technik-Betriebe. Sie nennen sich Eco-Lions. Sie erbringen fast ein Drittel der Wirtschaftsleistung der Industrie.

"Grüne Jobs" (Umweltschutz und Arbeitsmarkt): Die Zahl der Arbeitsplätze/Erwerbstätige im Umweltbereich ist relativ schwer zumessen. 1,4 Mio. Menschen sollen in der Umwelttechnologie beschäftigt sein (Umwelttechnologieatlas von Roland Berger 2012). Nach Angaben des Umweltministerium arbeiten 380.000 bei Erneuerbaren Energien. Nach dem Bundesverband Solarwirtschaft 2014  sind noch 60.000 Menschen in der Solarbranche beschäftigt. Eine Studie des Umweltbundesamtes 2014 zeigt: 2010 sind zwei Millionen Menschen im Umweltsektor beschäftigt (fünf Prozent aller Erwerbstätigen). In den letzten zwei Jahren wurden 18.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Beschäftigungsrückgänge gab es bei umweltorientierten Dienstleistungen und erneuerbaren Energien.

Umweltschutzinvestitionen: Sowohl die öffentlichen als auch die privaten Umweltschutzinvestitionen werden statistisch erfasst. Viele Studien belegen, dass Investitionen in Umwelt Wachstum sichern und Arbeitsplätze schaffen. Deshalb sollten die Produktionsstrukturen an Energieeffizienz, Umwelttechnologien und Klimaschutz ausgerichtet werden. Dies würde auch die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft vom Export reduzieren. Es gibt spezielle Rating - Agenturen für nachhaltige Investments, z. B. Oekom Research. Bei Einsatz ökologischer Investitionen in Unternehmen könnten 25% der Energie eingespart werden. Natürliche Ressourcen werden weltweit immer teurer. Erfolg wird nur noch derjenige haben, der ökologisch wirtschaftet. Nur so kann man noch wirtschaftlich effizient arbeiten. "Oft tut auch der unrecht, der nichts tut, nicht bloß der, der etwas tut", Marc Aurel, römischer Kaiser und Philosoph.

Umweltschutzinvestitionen der Unternehmen: 2017 gaben die Unternehmen in Deutschland 1 Prozent weniger für Umweltschutz aus als 2016. Insgesamt flossen 2017 8,4 Mrd. € in Umweltschutzinvestitionen: 42,7% in Abwasserwirtschaft, 26,7% in Klimaschutz, 18,6% in Abfallwirtschaft, 7,7% in Luftreinhaltung, Sonstige 4,4%. Quelle: Statistisches Bundesamt 2019.  Eine Studie des Umweltministeriums in Deutschland im September 2020 stellt fest, dass dei Anstrengungen der Unternehmen bei Nachhaltigkeit unzureichend sind. Folglich werden mehr "grüne Investitionen" gefordert. "Große Unternehmen haben noch viel Arbeit vor sich auf dem Weg in die Klimaneutralität", Svenja Schulze, Bundesumweltministerin.

Klima-Konjunkturprogramm: 70 deutsche Firmen (darunter; ThyssenKrupp, Allianz, Bayer, Eon, Puma, Otto, Telekom, Wacker Chemie) starten im April 2020 einen Aufruf an die Bundesregierung, nach der Corona-Krise ein Klima-Konjunkturprogramm zu starten.

Öko-Bilanzen: systematische Darstellung der Umweltbelastungen, die mit Produktionsprozessen, Produkten oder der ganzen Unternehmung verbunden sind. Folglich gibt Prozessbilanzen, Unternehmensbilanzen und Produktbilanzen. Von den 30 deutschen Dax - Konzernen haben Henkel, Deutsche Telekom und Allianz die besten Umweltstandards 2009. Das nachhaltige Lieferkettenmanagement steht erst am Anfang (noch bei 60% aller deutschen Großunternehmen unbekannt). In den USA bildete sich anlässlich des Weltklimagipfels 2009 die Partnerschaft für Klimaaktion (USCAP). Vier Großunternehmen (ConcoPhilips, BPAmerica, Caterpillar) steigen 2010 wieder aus. "Noch unsere kleinste Handlung beeinflusst das gesamte Universum", Dalai Lama.

Öko-Systeme: Sie haben einen ökonomischen Wert (Nutzen) für die Menschen. Dieser ist sehr schwierig zu berechnen (hier stößt die Ökonomie an die Grenzen), aber notwendig, weil sonst nur die Kosten betrachtet werden. Vor allem arme Menschen sind von einer gesunden Natur abhängig. Als Negativbeispiel gilt besonders die Umwandlung von Mangrovenwäldern zu Shrimpsfarmen in Thailand mit hohen Subventionen. Vor allem Frankreich will zukünftig die Unberührtheit der Natur und kulturelle Werte in die Wohlstandsmessung aufnehmen. Der Wert der jährlichen Nutzeffekte (z. B. Nährstoffkreislauf, Erosionshemmung, Regulierung der Atmosphäre, genetische Ressourcen, Erholung, Wasserversorgung) in der Welt wird auf 30 Billionen Euro geschätzt (Kurswert 2008).

Reach: Chemikalien - Tüv der EU. Schutz des Verbrauchers vor giftigen Substanzen. Wer jährlich eine Tonne einer Chemikalie herstellt, muss nachweisen, dass sie harmlos ist. Es wird geschätzt dies 9,5 Mrd. € und 54 Mio. Versuchstiere kosten wird. Mehr als 140.000 Chemikalien wurden registriert.

Giftige Chemikalien: Im Herbst 2020 soll der Schutz vor PFAS verstärkt werden. Sie schwächen das Immunsystem und können zu Krebs führen. Die EU-Kommission will 40 Gesetze ändern. Die Mitgliedsländer der EU müssen noch zustimmen. 2020 rückt durch eine Studie PFC in den Mittelpunkt. PFC-Stoffe lösen bei Kindern in großem Maße Allergien aus, sie sind in Spielzeug, Kosmetika, Lebensmitteln u. a. enthalten. Die EU plant zunächst eine Reduktion, dann ein Verbot.

Endokrine Disruptoren: Umwelthormone mit schädlicher Wirkung auf Mensch und Tier. Sie finden sich in Kosmetika, Shampoos, Duschgelen, Plastikverpackungen, Spielzeug, Pestiziden und Kassenbons. Sie führen zu Unfruchtbarkeit, Brust- und Prostatakrebs, Diabetes mellitus und weiteren Krankheiten. Quelle: Natur & Heilen 11/2020, S. 13ff.

Technologien zur Abtrennung und Speicherung von Kohlendioxid: Erprobt werden sollen spezielle Speicher für CO2. Regionen mit Speichermöglichkeiten in Deutschland liegen im Norddeutschen Becken, im Alpenvorland-Becken u. a. Diese Möglichkeiten sind hoch umstritten. 2011 bringt die Regierung ein Gesetz auf den Weg. Enthalten ist die CCS-Technologie. Klimaschädliches CO2 wird abgetrennt und in Gasspeichern gelagert.

Spitzenlast-Preisbildung (Peak Load): Berechnung höherer Preise in Spitzenzeiten, wenn Kapazitätsengpässe die Grenzkosten ansteigen lassen.

Ecological Foot Print: Auf Produkte oder Unternehmen umgerechnete gesamte Umweltbilanz. In der globalen Wertschöpfung wird auch die Logistik dazugerechnet. Daneben gibt es den "carbon footprint", der die CO2-Bilanz misst. Seit 2008 müssen in Japan Lebensmittelverpackungen beschriftet werden, so dass Verbraucher erkennen können, wie viel CO2 bei der Herstellung, Lieferung und Beseitigung eines jeden Produkts ausgestoßen wird. Die Verantwortung liegt beim Handelsministerium, so dass Firmen Zahlen nicht manipulieren können. Der "water footprint" gibt den durchschnittlichen Wasserverbrauch eines Haushalts an.

Klimawandel und Unternehmen: Klimaveränderungen haben gezielte Auswirkungen auf die einzelnen Branchen. Die ökonomischen Systeme müssen sich anpassen. Dabei hilft die Bildung regionaler Netzwerke von Wissenschaft, Unternehmen, Verwaltung und gesellschaftlichen Bedarfsträgern. Besonderes Augenmerk muss auf Extrem(wetter)ereignisse gelegt werden.

Nachhaltigkeitsmarketing: Nach Belz (Nachhaltigkeits-Marketing, Wiesbaden 2005) als duale Führungskonzeption zu planen. Das im doppelten Sinne. Einmal durch Einbeziehung der Beschaffungs- und Absatzmärkte. Zum anderen durch eine marktorientierte und umweltorientierte Führungsphilosophie. Dabei sind die Stufen Beschaffung, Produktion und Marketing zu beachten. Es wird auch ein Nachhaltigkeitsimage verschiedener Marken ermittelt. 2016 führt Miele vor Erdinger, Radeberger und Landliebe (Quelle: Serviceplan).

Nachhaltigkeitsmarketing in der Praxis: Die meisten Verbraucher behaupten, umweltfreundlichen Produkten und Dienstleistungen positiv gegenüberzustehen. doch oft sind sie nicht bereit, den Preis dafür zu zahlen. Aus der Verhaltensforschung kommen fünf Lösungswege: 1. Sozialen Einfluss nutzen (soziale Normen, öffentlich machen, positive Assoziationen). 2. Prägen Sie gute Gewohnheiten (Standard, Anreize). 3. Setzen Sie den Dominoeffekt ein (erste Aktion besonders aufwendig). 4. Entscheiden Sie: Herz oder Hirn (Gefühle der Hoffnung und des Stolzes nutzen, Schuldgefühle). 5. Bieten Sie Erlebnisse an statt Eigentum ( Geschäftsmodelle, umfunktionieren). Vgl. White, K./ Hardisty, D. J./ Habib, R.: Wann Kunden grün kaufen, in: HBM, September 2019, S. 21ff.

Konstitutive Elemente der Nachhaltigkeit nach der Brundtland-Kommission: Bericht von 1987. Benannt ach der Vorsitzenden der UN-Weltkommission für Umwelt und Entwicklung.  1. Bedürfnisorientierung. 2. Intergenerative Gerechtigkeit. 3. Intragenerative Gerechtigkeit. 4. Integrativer Aspekt (vgl. nächsten Abschnitt).

Nachhaltigkeit als normatives Leitkonzept: Der Begriff geht Carl von Carlowitz in der preußischen Forstwirtschaft des 18. Jahrhunderts zurück. Ein Meilenstein war 1972 die Studie "Grenzen des Wachstums" des Club of Rome. Der Brundtlandbericht förderte 1987 die Nachhaltigkeitsdebatte. Im 21. Jahrhundert prägen die Klimakonferenzen die Diskussion. Vgl. G. Grunwald/ J. Schwill: Nachhaltigkeitsmarketing, in: WISU 12/17, S. 1364ff.

Vier Leitlinien bei der Umsetzung der Nachhaltigkeit: Verantwortungsprinzip, Kreislaufprinzip, Kooperationsprinzip, Stakeholder-Prinzip.

Instrumente des operativen Nachhaltigkeitsmarketings: 1. Nachhaltige Produktpolitik: alternative Produkte, Produktkern, Produktperipherie. 2. Nachhaltige Preispolitik: nachhaltiger Nutzen sichtbar, Mischkalkulationen, Sharing. 3. Nachhaltige Distributionspolitik: umweltfreundliche Transportmittel, Ressourcen schonende Verpackungen, Mehrwegsysteme. 4. Nachhaltige Kommunikationspolitik: Sponsoring, Lieferkettenkommunikation.

Nachhaltigkeitsbericht: Das Bilanzieren der Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung. Die Global Reporting Initiative (GRI) hat eine weltweiten Standard entwickelt. Zwischen 2008 und 2012 gab es in Deutschland eine Verdreifachung der Reporte. In erster Linie sind diese Berichte auf den Kapitalmarkt ausgerichtet (vor allem bei AG). Deshalb sind sie im Mittelstand noch die Ausnahme.

Nachhaltigkeit bei Firmen (erweiterte Konzepte): 1. Nachhaltigkeit für den Kunden. Unterstützung der Kunden bei nachhaltigeren Lebensweisen. Vor allem Angebot bei entsprechenden Produktkategorien. 2. Unabhängigkeit von Ressourcen und Energie. Reduzierung des Energieverbrauchs und ökologischer Fußabdruck. 3. Besseres Leben für Menschen und Gemeinschaften. Kooperation mit entsprechenden Organisationen (UN Principles on Business and human Rights, UNICEF u. a.). Als vorbildlich auf dem Gebiet gilt IKEA aus Schweden. 2016 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen K+S. Der Salz- und Düngemittelhersteller soll Gewässer verunreinigt haben.

Zertifikate der Nachhaltigkeit: Entweder selbst zertifizieren lassen oder bei Anbietern mit Siegel kaufen. Branchenübergreifend gibt es Fairtrade (siehe oben). Bei Textilien werden viele Siegel angeboten (global-standard.or; fairwear.org; naturtextil.de). Bei Lebensmitteln kann man auf folgende zurückgreifen: msc.org, sternenfair.de. Dutzdende von Siegeln gibt es in der Landwirtschaft (bioland.de; demeter.de; naturland.de). Für Möbel liegt vor: fsc-deutschland.de. Focus-Money vergibt Nachhaltigkeitspreise an Unternehmen. Es geht hier um die Sicht der Verbraucher. Auf dem Prüfstand stehen 1400 Unternehmen bzw. Marken aus über 100 Branchen.

Rang Nachhaltigkeit: Wird von Harvard Business Manager vergeben. Wird aus den beiden Komponenten Sustainalytics und CSRHub gebildet und auf die Bewertung von CEOs angewandt.

Institutionelle Anleger (Investoren) und Nachhaltigkeit: Institutionelle Anleger machen Ernst beim Thema Nachhaltigkeit. Aktiengesellschaften müssen ihnen jetzt Rechenschaft darüber ablegen, was sie für Umwelt und Gesellschaft tun ("Environmental, Social and Governance, ESG). Fünf Maßnahmen helfen Unternehmen, sich auf das neue Zeitalter einzustellen: 1. Erklären, welchen übergeordneten Sinn ihr unternehmerisches Handeln hat. 2. Investoren einen integrierten Bericht vorlegen. 3. Ihre Mittelmanager bei ESG-Themen stärker einbinden. 4. In neue Software investieren. 5. ESG-Ziele besser messen. Vgl. Eccles, R. C./ Klimenko, S.: Revolution der Investoren, in: HBM, September 2019, S. 30ff.

Ressourcensparende Produkte: Insbesondere bei Konsumgütern (Endkonsument als Einzelperson oder Haushalt). Produkte, die möglichst wenig natürliche Ressourcen (Rohstoffe, Wasser) bei der Produktion verbrauchen, zur Rohstoffwiederverwertung recycelt werden und Fora und Fauna nachhaltig erhalten. Es soll ein Leitbild für nachhaltige Produktionsmuster entwickelt werden (UBA, European Environment Agency).

Engagement von Wirtschaftsführern: Immer mehr bekannte CEOs setzen sich für Sustainability ein. Chief Sustainability Officer sind in fast allen größeren Unternehmen installiert. Die Unternehmen sollen im Sinne einer "Low Carbon"-Wirtschaft umgebaut werden. Entscheidet ist natürlich das WAS und WIE. Auf globaler Ebene können Minimalkompromisse und Absichtserklärungen keine Lösung sein. "Shareholder Value is the dumbest Idea in the world", Jack Welch, ehemaliger CEO von GE.

Peerproduktion und Commons: Gemeingutfertigung durch Ebenbürtige. Sie basiert auf dem Bedürfnisprinzip. Die heute schon greifbaren Resultate sind freie Softwareprojekte wie Linux und Firefox oder auch Wikipedia. Die Trennung von Produzent und Konsument ist überwunden. Die Beteiligten produzieren - ohne Hierarchie und Machtstrukturen - in freiwilliger Kooperation. Eine bewährte Organisationsform ist die Genossenschaft, die heute eine Renaissance erlebt (vgl. das Genossenschaftsmodell bei Finanzierung und Share-Economy bei Mikroökonomik). Nicht immer erfüllen aber Share-Unternehmen das Kriterium der größeren Nachhaltigkeit.

Gentechnik: Methode, Ernteerträge zu erhöhen und Ausfälle zu vermeiden. Der Einsatz der Gentechnik ist sehr umstritten. China war das erste Land weltweit, in dem eine gentechnisch veränderte Pflanze kommerziell angebaut wurde: Tabak. Inzwischen ist eine Ausdehnung auf Hybrid-Reis erfolgt (Produktionssteigerung um 10%).  Eine wachsende Bevölkerung soll mit Nahrungsmitteln versorgt werden. Relativ stark auf Gentechnik setzen auch die USA, vorangetrieben durch die großen Saatgutkonzerne (z. B. der Agrochemiekonzern Monsanto). Gefordert wird international eine Kennzeichnung. Bisher gelangt Gentechnik in Europa vor allem über verändertes Pflanzenmaterial direkt oder indirekt über das Fleisch von Tieren zum Menschen. Die USA wollen 2013 erstmals ein genetisch verändertes Tier zum Verzehr freigeben. Es handelt sich um einen schnell wachsenden Lachs. 16 Monate braucht der Lachs bis er ausgewachsen ist. Er wächst in einer Aquafarm hoch über Panama. Gentech-Lebensmittel sind bei uns kaum zu erkennen. Vom Gesetz her ist "Verbrauchertäuschung ausdrücklich erlaubt". Sogar wenn "ohne Gentechnik" draufsteht, bedeutet dies keine Sicherheit. Viele Stoffe werden meist gentechnisch hergestellt (Vitamine, Käse, Backwaren, Glukosesirup). In den USA sind schon 69,0 Mio. Hektar mit gentechnisch veränderten Pflanzen bebaut (Mais, Soja, Baumwolle, Raps, Zuckerüben, Deutschland 35,5 Mio. Hektar Landesfläche). Dann folgen in der Reihenfolge der Anbaufläche Brasilien, Argentinien und Indien. Ab 2015 ermöglicht die EU nationale Verbote von Gen-Pflanzen (auch wichtig für die Freihandelsabkommen). In Deutschland sollen Bund und Länder gemeinsam entscheiden (Gentechnikgesetz 2016). Die BASF dampft ab 2016 die grüne Gentechnik ein. Die Hälfte der 700 Arbeitsplätze weltweit wird abgebaut. Aufwendige Projekte werden aufgegeben. 2016 will Bayer Monsanto aus den USA übernehmen. Monsanto ist der größte Saatgutkonzern der Welt. die Übernahme gelingt, was Bayer viele Prozesse in den USA einbringt. 2022 spricht sich die Nobelpreisträgerin Nüsslein-Volhard für die grüne Gentechnik aus. Sie plädiert für den Anbau gentechnisch veränderter resistenter Kulturpflanzen in Kombination mit nachhaltigen Verfahren. Sie meint, das europäische Gentechnikrecht müsse gründlich überarbeitet werden. Vgl. Der Spiegel 52/ 23.12.22, S. 102ff. 2023 lockert die EU-Kommission die Genmanipulation von Pflanzen. Wissenschaft und Unternehmen halten dies für überfällig. Die Gen-Editierung wird als Durchbruchstechnologie gesehen. In der Bevölkerung ist die Skepsis nach wie vor groß. Die Medizin setzt große Hoffnung auf die Medizintechnik.

Pflanzenschutz (Glyphosat) in der EU (Schädlingsbekämpfung; Pestizide): Wird 2014 neu reguliert. Wieder- und Neuzulassungsverfahren von Wirkstoffen werden aufwendiger und teurer. Sehr umstritten ist das Verfahren zu Glyphosat (größter Produzent Monsanto; das Mittel ist billig; inwieweit das mittel Krebs beim Menschen erzeugt, ist umstritten). Im Juni 2016 verlängert die EU-Kommission die Zulassung um 18 Monate (und fragt nicht nach dem Votum der Mitgliedsländer). Im Oktober 2017 ist die neue Zulassung unsicher (in Deutschland sind Umwelt- und Landwirtschaftsministerium zerstritten). 2017 wird Monsanto von Bayer übernommen. Die EU-Behörde (europäische Chemikalienagentur) stuft Glyphosat als nicht krebserregend ein (die Zulassung bleibt aber im Unklaren; auch wegen der deutschen Enthaltung). Schließlich stimmt Deutschland im November 2017 doch zu und sorgt für eine Mehrheit (die Stimme gibt der CSU-Landwirtschaftsminister gegen die Umweltministerin der SPD ab; ein Bruch der Koalitionsgeschäftsordnung). Es soll in Deutschland nationale Beschränkungen geben. Die Baumärkte in Deutschland nehmen Ende 2017 Glyphosat aus dem Sortiment. Daraufhin verlagert sich der Handel ins Internet. Die Grünen fordern ein Verbot für Privathaushalte. Pestizide kann man weder schmecken noch riechen. Sie sind aber in vielen produzierten Lebensmitteln nachweisbar. In Obst, Gemüse, Brot und Milchprodukten. Die Folgen sind noch nicht absehbar. Man weiß noch nicht, wie die Rückstände wirken. Besonders Ungeborene und Kleinkinder sind gegenüber Pestiziden besonders anfällig. 2017 wird in Deutschland wieder mehr Glyphosat verbraucht als 2016 (4694 Tonnen gegenüber 3780 Tonnen, Quelle: BVL). Österreich will 2019 Glyphosat komplett verbieten. Die EU will den Einsatz bis 2030 halbieren. Die Bundesregierung will Glyphosat in Deutschland ab 2024 verbieten. Die Bahn plant schon für 2020 der Glyphosat - Ausstieg. Der Ukraine-Krieg 2022 dient als Vorwand, um eine Gegenbewegung ins Leben zu rufen. Die EU will den Einsatz von Agrarchemikalien deutlich reduzieren. In Deutschland sind 950 Pestizide zugelassen. Es kommt Kritik aus der Landwirtschaft. Im September 2023 schlägt die EU eine Verlängerung für Glyphosat von 10 Jahren vor. Nach heftigen Bauernprotesten in der EU kommt ein Pestizid-Gesetz überhaupt nicht.  Glyphosat ist ein Breitbandherbizit, heißt Allestöter. Monsanto vertreibt es unter dem Namen Roundup. Große Mengen werden mittlerweile in China hergestellt. Glyphosat blockiert das Enzym EPSPS. Einige gentechnisch veränderte Nutzpflanzen sind resistent. 5000 Pestizide werden weltweit eingesetzt. Die Zulassungsverfahren bilden nicht die Realbedingungen ab. Unklar ist, was die Spritzmittel auf lange Sicht anrichten. Das Bundeslandwirtschaftsministerium will 2018 Glyphosat in Gärten verbieten. 2018 wird von einem Gericht in San Francisco einem Hausmeister 250 Mio. Euro an Schadensersatz von Monsanto zugesprochen. Der Konzern habe nicht ausreichend vor den Risiken von Glyphosat gewarnt. Monsanto geht in Berufung. In Deutschland verschwindet Glyphosat zunehmend aus den Regalen der Baumärkte. Im US-Verfahren erleidet Bayer eine Schlappe: Die Strafe wird deutlich reduziert, aber Glyphosat wird als Ursache von Krebs anerkannt. Damit kann die Klagewelle nicht gestoppt werden. Die Bundesregierung (Bundesumweltministerium) plant im November 2018 strengere Auflagen für Glyphosat. Landwirte sollen das Unkrautvernichtungsmittel nur noch spritzen dürfen, wenn sie gleichzeitig zehn Prozent der Fläche unbehandelt lassen. Die Uni Essen findet in einer Studie 2018 heraus, dass insbesondere die Glyphosat - Hilfsstoffe den Nervenzellen schaden. Im März 2019 sieht eine US-Jury (Bundesgericht in San Francisco)  Krebsgefahr bei Glyphosat. Das ist ein großer Rückschlag für Bayer, da es sich um eine Art Musterfall handelt. In Europa hat Bayer Erfolg. Der Unkrautvernichter Glyphosat wird in der EU weiter zugelassen (vorerst noch 10 Jahre).

Unkrautvernichter: Eine Jury in den USA verurteilt im Februar 2020 Bayer und BASF zu millionenschweren Schadensersatz. Sie sollen an einen Pfirsichbauern aus Missouri 265 Mio. Dollar zahlen. Es geht um den Einsatz von Dicamba. Benachbarte Felder sollen hohe Ertragsverluste gehabt haben. Dicamba wird von Monsanto in den USA produziert, die BASF hat ein ähnliches Produkt.

Insektizide: Bestimmte Insektizide sind in der Anwendung verboten, weil sie in Nahrungsmittel gelangen können. Dazu gehört etwa Fipronil, mit dem Läuse in Hühnerställen bekämpft werden können. Im Juli und August 2017 wird das Mittel in Eiern und weiterverarbeiteten Produkten nachgewiesen. Es wurde in belgischen und niederländischen Hühnerställen verbotswidrig eingesetzt. Die EU will 2018 mehr Transparenz bei Pestiziden einführen. Die EU verbietet 2018 drei so genannte Neonicotinoide, die Bienen töten. Auch Schmetterlinge sind betroffen. 2018 nimmt Kanada zwei bienenschädliche Insektizide vom Markt: Thimamethoxam von Sygenta und Clothianidin von Bayer.

Insektenschutzplan: Am 10.2.21 wird ein so genannter Insektenschutzplan von der Bundesregierung beraten. Zwei Punkte stehen in der Kritik der Landwirte: 1. Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in großflächigen Schutzgebieten beschränken. 2. An bestimmten Flüssen und Bächen soll es einen zehn Meter breiten Uferbereich geben, wo Spritzmittel verboten sind. Die Bauern befürchten bei Verboten vor allem Importe aus dem Ausland. Die Bauern protestieren heftig gegen den Plan. Im Bundesrat dürfte es Probleme geben (RLP, Niedersachsen). Der Bundesregierung geht es vor allem um den Schutz sehr nützlicher Insekten, wie etwa Bienen.

Siegel für Öko-Standard: Am bekanntesten ist das staatliche Bio-Siegel in Deutschland (2001). Seit 2010 gibt es das EU-Gemeinschaftslogo. Daneben gibt es Bio-Siegel deutscher Anbauverbände: Bioland, Naturland, Demeter, Biopark, Ecovin.

Lebensmittel-Informationsverordnung 1169/ 2011 und EU-Verordnung 2021/ 2117: Exakte Angaben zum Inhalt: Nährwert, Zutaten auf dem Etikett vermerken. Man kann auch QR-Codes nutzen. Der neuen EU-Kennzeichnungsfrist unterliegt nicht "lose Ware" (z. B. auf Weihnachtsmarkt).

Greenwashing: Vortäuschen von Umweltschutz in der Werbung oder im Verkauf. Dies geschieht oft mit Hilfe von Siegeln, die nicht geschützt sind. 2017 gerät Aldi in die Kritik , weil Nackensteaks ganz günstig angeboten werden mit dem Tierwohl-Siegel. Die Tierrechtsschützer von Peta sprechen von einer perfiden Marketingstrategie.

Endlager: Es gibt nicht nur Endlager für Atommüll (z. B. Gorleben). Auch Chemieabfall wird endgelagert (z. B. in Herfa-Neurode an der Grenze Thüringens). Daneben gibt es noch andere Problemabfälle. Die Bundesregierung hat sich für Untertage-Deponien entschlossen (in der Regel alte Salzbergwerke). Andere Länder lagern in oberirdischen Deponien (z.B. Italien). Eventuell besteht ja irgendwann mal die Möglichkeit zum Recyclen. Das Kippen der Gifte in Ozeane ist in Deutschland verboten.

Genossenschaften: Nach der Finanzkrise mit der Bankenkrise und in der Energiewende erleben Genossenschaften eine Renaissance. Die Idee von Friedrich Wilhelm Raiffeisen (seit 1847) findet immer mehr Anhänger. Sie haben mittlerweile insgesamt über 20 Mio. Mitglieder. Das Genossenschaftswesen könnte 2017 als erster deutscher Kulturstandard als Immaterielles Kulturgut anerkannt werden (vgl. längeren Artikel dazu bei Economics/basic/Mittelstandsökonomik/Finanzierung.

Transition-Town-Bewegung: Mittlerweile in der ganzen Welt. Zu Deutsch etwa "Stadt im Wandel". Die Erde hat im ersten Halbjahr 2013 etwa so viel Ressourcen verbraucht, wie in einem Jahr regenerierbar sind. Das heißt, dass die Ressourcen eines halben Jahres nicht mehr wieder herstellbar sind. Das bekannteste Merkmal sind die Repair-Cafes. Hier werden ehrenamtlich Geräte repariert und Kommunikation betrieben. Die umwelt- und Nachhaltigkeitsinitiativen gibt es seit 2006.

Plastikproduktion und Kunststoffteile als Müll: 2017 liegt die Welt-Plastik-Produktion bei 348 Mio. Tonnen (1950: 1,7 Mio. Tonnen; 1990: 105 Mio. Tonnen). Deutschland alleine hatte 2017 2,4 Mio. Tonnen Kunststoffabfälle. Mehr als 5,25 Billionen Kunststoffteile schwimmen 2018 in den Meeren. Die Zersetzung dauert ewig: Plastikflasche 450 Jahre, Einwegwindel 450 Jahre, Take-away-Box aus Styropor 50 Jahre, Plastiktüte 10 bis 20 Jahre. Quelle: Der Spiegel Nr. 4/ 19.1.2019, S. 10ff. 2019 will dei Bundesumweltministerin schärfer gegen Plastikbecher und -Deckel vorgehen. Man prangert die Wegwerfmentalität an. Die Wegwerfbecher sollen nach und nach durch Mehrfachbecher ersetzt werden. Man setzt erst mal auf die Freiwilligkeit der Industrie. Hamburg und Thüringen starten im Februar 2019 eine Bundesratsinitiative gegen Mikroplastik in Kosmetika. 2019 erstickt Mexiko-Stadt im Müll: Becher und Teller aus Plastik liegen meterhoch auf der Gasse. Ab 2012 sollen Plastikprodukte bis hin zum Luftballon verbannt werden. Jeder Deutsche verursacht im Schnitt 38 Kilogramm Plastikmüll pro Jahr. Das war deutlich mehr als der EU-Durchschnitt mit 24 Kilogramm (Quelle: Plastikatlas 2019, Hrsg. Heinrich-Böll-Stiftung und BUND). Von den 2017 bundesweit angefallenen 5,2 Millionen Tonnen Kunststoffabfällen seien nur 15,6% wiederverwertet worden. Auch die Umweltminister der G20 wollen ab 2019 gegen Plastikmüll vorgehen (G20-Treffen in Osaka). Geplant sind konkrete Maßnahmen gegen Meeresabfälle. Bundeslandwirtschaftsminister Müller fordert im Juni 2019 ein Exportverbot für Plastikmüll. 2020 ist im Vergleich zu 2006 das Kunststoffabfall -Aufkommen stark gestiegen, aber die Aufteilung hat sich verändert: 29,5 Mio. t beträgt das Gesamtaufkommen, davon werden 6,9 deponiert, 12,4 fließen in die Energierückgewinnung, 10,2 werden recycelt. Plastikmüll aus Deutschland wird aber weiterhin 2022 illegal im Ausland entsorgt: Türkei, Südostasien. Quelle: Tracking-Geräte von Greenpeace.

Exkurs: Plastik in der DDR: Die DDR war in Bezug auf Plastik vorbildlich. Allerdings nicht aus Umweltgründen. Aber Nachhaltigkeit spielte eine Rolle: Obst und Gemüse wurden in ostdeutschen Läden fast immer ohne Verpackungen verkauft. 1989 produzierte der DDR-Bürger im Schnitt 180 Kilo Müll im Jahr. Im Westen war es das Dreifache. Den Plastikabfall nannte man in der DDR "Plaste". Plastik wurde fleißig gesammelt (Sero-Männchen). Es gab 17.000 Annahmestellen. Die Wertstoffe wurden fleißig recycelt, weil die Rohstoffe knapp waren. Leider ging diese Kultur in der Wende verloren. Vgl. Umweltschutz in der DDR, Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung Hrsg., Oekom Verlag 2007, 3 Bände. 

Plastiktüten (Plastikmüll): Sie stellen eine große Bedrohung für viele Tierarten dar und halten fast eine Ewigkeit, wenn sie nicht richtig entsorgt werden. Deshalb erwägt die EU eine Steuer oder ein Verbot (oder Selbstverpflichtung). Besonders die leichten, dünnen Beutel kommen in zu großen Mengen vor. In der EU werden 2013 werden pro Jahr und Kopf 200 Tüten verbraucht. 2020 sollen es nur noch 40 sein (mit 20 liegt Irland heute schon drunter). Das Fernziel ist 2025. Bis dahin soll der Verbrauch pro Kopf deutlich sinken (der Verbrauch ist aktuell am höchsten in Portugal und Tschechien; Deutschland ist nach Irland und Österreich Dritter im geringsten Verbrauch). Rund 8 Mio. Tonnen Plastikmüll insgesamt gelangten im Jahr 2010 in die Weltmeere (University of Georgia). Mittlerweile kann das Plastik in Fischen nachgewiesen werden. Das Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven hat in 18 bis 30% der Makrelen Mikroplastikteile festgestellt. Nicht zu unterschätzen ist auch die Gefahr durch in Massen aufsteigende Luftballons. sie landen irgendwo und verschmutzen die Natur bzw. führen zum Tod vieler Tiere. Für einen Müllberg an Aluminium und Plastik sorgen auch die Kaffeekapseln. Die Grünen fordern dafür eine Umweltabgabe. In Deutschland eröffnen immer mehr "Unverpackt Läden" (Verpackungsfreie Supermärkte). In einigen Entwicklungsländern gibt es Projekte, aus gepresstem Plastikmüll Häuser zu bauen. 2107 wird entdeckt, dass die Larven der Wachsmotte Plastik fressen. Das will man sich direkt oder indirekt (Analyse des Stoffwechselprozesses und Imitation) zu Nutze machen. Besonders schädlich sind auch die Micro-Plastik-Partikel und -Fasern: Sie stammen aus dem Abwaschen von Funktionskleidung, aus Waschmitteln und vom Abrieb von Autoreifen. Sie sind besonders schädlich für das Gewebe von Fischen und Meeressäugern.  Larvaceen (Manteltiere) bringen das Mikroplastik auf den Meeresboden. Der Einzelhandel nimmt ab 2017 meistens Geld für Plastiktüten. Die Frage ist, ob das der Umwelt hilft. Genau weiß das keiner, weil die Statistik Lücken hat. Im Klimaschutzgesetz Ende 2019 soll ein Verbot der Plastiktüten kommen (Ausnahme: Beutel für Obst und Gemüse). In der EU werden im Durchschnitt pro Jahr 198 Plastiktüten pro Person gebraucht (2015). In Deutschland liegt dieser Durchschnitt bei 71. Die EU will den Durchschnitt bis 2019 auf 90, und bis 2025 auf 40 senken. Die weltweite Plastikproduktion wird von 15 Mio. Tonnen in den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts auf 1124 Mio. Tonnen bis 2050 steigen (2015 311 Mio. Tonnen). Den meisten Plastikmüll für das Meer produzieren China, Indien/Südasien und Afrika. Bald gibt es mehr Plastikmüll im Meer als Fische. Jährlich landen mehr als acht Millionen Tonnen Plastikmüll in den Ozeanen. Das wurde auf der ersten Meeresschutzkonferenz der UN im Juni 2017 bekannt gegeben. Im August 2017 verbietet Kenia Plastiktüten ganz. Eine erfolgreiche Maßnahme gegen Plastikmüll im Meer ist das Projekt  "Fishing for Litter". Fischer nehmen Müllsäcke an Bord, um den Plastikmüll im Hafen kostenlos zu entsorgen. Nord- und Ostsee sind stark mit Plastikmüll verunreinigt. In Italien sorgt eine neue Regelung 2018 zum Verpacken von Obst und Gemüse für Aufregung. Biotüten dafür müssen auch bezahlt werden mit einem bis drei Cent. Obwohl es sich um die Umsetzung einer EU-Richtlinie handelt, macht das rechte Parteilager Wahlkampf damit. Von 2005 bis 2015 ist der Plastikmüll in der EU um +33% gewachsen. Die EU-Kommission arbeitet an einer Strategie zur Reduzierung (siehe nächsten Abschnitt). Ca. 24 Mio. Plastikteilchen sind nach der Container-Havarie Ende Januar 2019 in der Nordsee vor den Niederlanden (Schiermonnikoog u. a.).  "Wir vermuten, dass sich im Jahr 2050, als Gewicht gerechnet, mehr Plastik als Fisch in den Weltmeeren befinden wird", Bernhard Bauske, Projektkoordinator Meeresmüll beim WWF 2018. Die Bundesregierung will den Plastikmüll ab 2019 vor dem Export besser sortieren lassen. Aldi schafft im Juni 2019 die kostenlosen Obst- und Gemüsetüten ab. Es ist ein "symbolischer Preis" von 1 Cent pro Stück fällig.

Plastik-Deckel von Flaschen: Sie sollen ab 2024 fest mit den Flaschen verbunden sein. Lose Deckel sorgen an Stränden und Stellen mit Meeresnähe für großen Ärger. Die EU macht eine Deckel-Verordnung. In der Handhabung dürfte das nicht einfach sein. Es droht ein weiterer Imageverlust für die EU.

Plastikpartikel im Gehirn und Blut: Krebstiere und Fische, die mit Nanoplastik gefüttert wurden zeigen Verhaltensänderungen. Menschen atmen auch Partikel ein. Je kleiner sie sind, desto eher können sie biologische Barrieren überwinden. Sie können Entzündungen, Gewebeschäden  oder oxidativen Stress auslösen. Plastik im Blut führt auch zu Gefäßentzündungen.

Nano - Plastikpartikel (Mikroplastik): Es ist in vielen Kosmetik-Artikeln (Duchdels, Augencreme, Lippenstift, Zahnersatz-Haftcreme, Wimperntusche). Vom Abfluss gelangt es in Kläranlagen. Etwa 90% werden dort rausgefiltert. Ca. 10% gelangen über Flüsse ins Meer. Fische essen das Mikroplastik. Über die Fische landet das Plastik auf unserem Teller.

Bisphenol A (BPA): Der Stoff ist in vielen Produkten der Plastikindustrie. Laut Umweltbundesamt wirkt BPA auf den Hormonhaushalt und kann schädlich für die Fortpflanzung sein. Vor allem Kinder seien gefährdet. Daher wurde 2011 verboten, die Chemikalie bei der Herstellung von Babyflaschen einzusetzen.  BPA ist eine der meisten genutzten Chemikalien. Weltweit werden jährlich rund 3,8 Tonnen hergestellt. Im Juli 2019 entscheidet der EuGH, dass der Stoff zu Recht als besonders besorgniserregend eingestuft ist.

Plastik in Flüssen (Belastung, in Tonnen Plastik pro Jahr): Yangtze/ China 333.000, Ganges/ Indien 115.000, Xi/ china 74.000, Huangpu/ China 41.000, Kreuzfluss( Nigeria, Kamerun 40.000. Quelle: Nature.

Plastiksteuer und andere Maßnahmen: Die EU erwägt 2018 eine Plastiksteuer. Es soll eine zusätzliche Einnahmequelle für den EU-Haushalt sein. Die Kunststoffmenge müsse aus Umweltschutzgründen reduziert werden. Es geht auch um die Lücke in der Finanzierung der EU, die der Brexit hinterlässt. Weitere Maßnahmen gegen Plastik sind: Recycling vorantreiben. Neue Regeln zur Wiederverwertung. Neue regeln zur Vermeidung von Plastik (Trinkhalme, Becher). In den Häfen sollen Abfallannahmestellen für Schiffe eingerichtet werden. Der Druck ist gestiegen, seit China ab 2018 keinen Plastikabfall mehr annimmt. Für Verpackungen wird in Deutschland der meiste Kunststoff produziert. Dann folgen Bau, Automobil, Elektro und Möbel. Im Februar 2018 schlägt die EU neue Qualitätsstandards und zusätzliche Kontrollen vor. Es soll mehr Wasser aus dem Hahn getrunken werden und weniger aus Plastikflaschen. Alle Restaurants sollen grundsätzlich kostenlos Leitungswasser anbieten. Schweden verbietet 2018 Mikroplastik in Kosmetika. 2018 finden die Commonwealth - Staaten auf ihrer Konferenz das gemeinsame Thema Plastikmüll. Trinkhalme aus Plastik sollen verboten werden. Im Mai erarbeitet die EU eine Richtlinie, die Plastikgeschirr verbietet. Eine Plastiksteuer wäre nur sinnvoll, wenn Anpassungs- und Ausweichreaktionen realisiert werden können. Eine Preiserhöhung dürfte induziert sein, müsste aber auch die Umweltschädigung reduzieren. Die EU verbietet Plastikgeschirr, Plastikbesteck und Trinkhalme und andere Plastikwegwerfprodukte (Einweg-Plastik). Hersteller sollen an den Kosten der Umweltsäuberung beteiligt werden. Die Recycling-Quote soll erhöht werden. Das Parlament billigt die Verschärfung der Richtlinien am 24.10.18.  Die EU-Staaten sollen die neuen Regeln bis 2021 umsetzen. Die Bundesregierung will dem Vorschlag der EU-Kommission folgen. Im November 2018 gibt die Umweltministerin Schulze einen Plan zur Eindämmung der Plastikflut bekannt: Gemüse ohne Plastik, Vermeidung und Verbote, umweltfreundlichere Verpackungen, freiwillige Selbstverpflichtungen. Unglücklicherweise sollen die neuen Regeln erst in zwei Jahren verbindlich sein. Dann will die EU auch die Tabakindustrie wegen der Kippen zur Kasse bitten. In der Industrie setzt man auf Plastik-Recycling. Adidas will immer mehr Schuhe aus recyceltem Plastikabfall herstellen. Am 27.03.2019 beschließt das EU-Parlament ein Verbot vieler Einwegprodukte ab 2021 (Plastikteller und -besteck, Trinkhalme, Luftballonstäbe, Wattestäbchen). Formell müssen noch die einzelnen Staaten Regeln verabschieden. Am 10.05.2019 unterzeichen 187 Staaten ein Abkommen: Es ist ein Meilenstein gegen Plastikmüll. Der Export von Kunststoffabfällen soll eingedämmt werden (Basler Konvention, Genf). "Verpackungen werden massenhaft unreflektiert in den Markt gedrückt", Thomas Fischer, Deutsche Umwelthilfe 2018. 37 Kilo Plastikmüll verursacht jeder Deutsche pro Jahr - und damit deutlich mehr als im EU-Durchschnitt. Im Oktober 2018 werden erstmals Plastikrückstände im menschlichen Stuhl nachgewiesen. Der Einfluss von Mikroplastik auf die menschliche Gesundheit ist bisher kaum untersucht worden. In Laborexperimenten müssten endlich die richtigen Kunststoffe untersucht werden. Das System "The Ocean Cleanup" zur Säuberung der Meere vom Plastikmüll braucht länger, um anzulaufen. Dies wird wahrscheinlich erst 2019 sein. Initiator ist der Niederländer Boyan Slat.

Abgabe für Einwegplastik und Verbot (EU): Im März 2023 beschließt der Bundestag eine Sonderabgabe auf Produkte aus Einwegplastik. Die Kommunen sollen bei der Reinigung von Straßen und Parks finanziell entlastet werden. Die Plastikhersteller zahlen in einen Fonds, der beim Umweltbundesamt verwaltet wird, ab 2025 ein. Die Abgabe richtet sich nach der im Vorjahr in den Verkehr gebrachten Plastikmenge. Das Gesetz soll ca. 450 Mio. € an Einnahmen bringen. Im April 24 beschließt das EU-Parlament bestimmte Einwegverpackungen zu verbieten: unverarbeitetes Obst und Gemüse, Zucker, dünne Plastiktüten in der Selbstbedienungstheke. Verpackungsmüll soll damit bis 20240 schrittweise um mindestens 15% reduziert werden. Dei Unternehmen könnten sich in Papier flüchten und Mehrweg scheuen. Beim Verpackungsabfall liegt Deutschland pro Kopf hinter Irland auf dem zweiten Platz vor Frankreich und dem EU-Durchschnitt. Quelle: Eurostat 2024. 

Export von Plastikmüll: Im Jahre 2018 wurden die meisten Plastikabfälle von deutschen Unternehmen in folgende Länder exportiert (Rangfolge): Malaysia, Niederlande, Polen, Hongkong, Indien. China nimmt keinen Müll mehr auf. Quelle: Statistisches Bundesamt. In der EU ist Deutschland der größte Exporteur von Plastikmüll. Der Höhepunkt war 2012 (1,511 Mio. Tonnen). 2020 ist man bei 1,004 Mio. Tonnen. 2021 steigt der Export von Plastikmüll nach Asien wieder leicht an. Plastikmüll aus Deutschland wird aber weiterhin 2022 illegal im Ausland entsorgt: Türkei, Südostasien. Quelle: Tracking-Geräte von Greenpeace. 2023 verbietet die EU den Export von Plastikmüll in bestimmte Länder: Afrika und weite Teile Asiens.

Wiederverwertung von Plastikmüll: Besonders viele Idee hat der US-Unternehmer Dave Hakkens entwickelt. So baute er einen Extruder, der Kunststoff-Flocken in neue Formen verwandelt. Er ist auch zum Influencer für Ökothemen geworden. Er kooperierte auch mit Google, lehnte aber einen Job bei dem Unternehmen ab. Seine Ideen werden weltweit nachgeahmt. Vgl. Kempkens, Sebastian: Der Schrott und sein zweites Leben, in: die Zeit, Nr. 48. 21.11.2019, S. 30. Im Herbst 2020 kritisiert der EU-Rechnungshof das Plastik-Recycling in den Mitgliedsstaaten. Die Quoten seien schöngeredet. Der kanadische Unternehmer David Katz kauft Abfälle, die an den Stränden gesammelt werden. Er schleust sie in den Recyclingkreislauf. Es gibt auch eine "Plastic Bank". Sie bietet Menschen in Entwicklungsländern an, Plastikmüll zu sammeln gegen Bargeld. Inzwischen ist Plastikmüll zum begehrten Rohstoff geworden. Adidas fertigt sogar das WM-Trikot der Fußball-Nationalmannschaft 2022 daraus.

Recycling von Plastik (PET): Mittlerweile gibt e seinen Verteilungskampf. Immer mehr Branchen verwenden recyceltes Plastik. Die Mineralwasser-Produzenten, die wegen des Gewichts oft Plastikflaschen verwenden, fordern ein Vorgriffsrecht von der EU gegenüber anderen Branchen. Die EU lehnt noch den Eingriff in den Markt ab.

Weltweites Plastikabkommen: Es gibt immer wieder Verhandlungen. Die jüngste Runde 2024 findet in Ottawa/ Kanada statt. Seit 2022 wird dort von den Mitgliedsstaaten der UN verhandelt. Die größten Blockierer sind Staaten mit starker Kunststoffindustrie und fossilen Rohstoffen (USA, Russland, Saudi-Arabien, Süd-Afrika). Der größte Kunststoffhersteller der Welt ist ExxonMobil in den USA. Ziel ist ein Vertrag zur Reduzierung der Plastikflut und des Plastikmülls. Die Abschlusskonferenz soll in sechs Monaten in Südkorea stattfinden.

Patagonia, Ventura/ Kalifornien/ USA (Outdoorkleidung, Ausrüstung; Berühmt 2011 "Don ´ buy this jacket", Firmengründer Yvon Choulnard 1973, Erfinder der Fleecejacke, Vorzeigeunternehmen mit recyceltem Plastikflaschen, repariert Kleidung, Verschmelzung der Produkte mit Umweltschutz, bei US-Wahlen folgender Slogan: "Vote the Assholes out". Die Welt retten und gleichzeitig Geld verdienen)

Plastikmüll der Konsumgüter-Konzerne und verändertes Konsumverhalten: In 1000 Tonnen pro Jahr: Coca Cola 3000; Nestle 1700; Danone 750; Unilever 610. Quelle: Plastikatlas 2019, DUH. Die Bundesumweltministerin will 2019 die Konzerne an den Kosten der Müllbeseitigung beteiligen (Plastikbecher, Fast - Food, Zigaretten-Kippen). Verpackungsfirmen sollen in erster Linie zahlen. In Deutschland fällt immer mehr Verpackungsabfall an. Der Grund dafür ist das veränderte Konsumverhalten: zunehmende Online-Bestellungen, Essen und Trinken zum Mitnehmen.  Die Deutsche kaufen 2,8 Mrd. Plastikbecher (1,1 Mrd. Plastikbecher, 1,7 Mrd. mit Plastikbeschichtung). Die Plastikalternativen (Bambusfasern, Maismehl) können gesundheitsschädlich sein (Melamin-Formaldehyd-Harze). Bis 2022 soll ein Gesetzentwurf der EU kommen. Quelle: UBA. Einwegplastikartikel sind seit 3.7.21 in Deutschland verboten.

Papier: In Deutschland ist der Papierverbrauch mit 242 Kilo pro Kopf (einschließlich Pappe, Karton)  2018 so hoch wie in keinem anderen Industrie- und Schwellenland (von allen G20). Auf Platz 2 folgen die USA mit 211 Kilo. Der EU-Durchschnitt liegt bei 182,1 Kilo. In chin asind es 74 Kilo. in Indien 13 Kilo. Einen hohen Anteil am hohen Verbrauch hat in Deutschland der Online-Handel mit seinen Verpackungen. Die Recycling-Quote ist hoch. Quelle: Bundesumweltministerium.

Verpackungsmüll: Das Umweltbundesamt sieht 2018 eine Rekordmenge in Deutschland (Spitze in Europa): 227,5 Kilogramm pro Kopf. Bei den Materialien liegt Papier/ Karton vor Holz, Kunststoff und Glas. die Recyclingquote lag bei 69%.

Gras als Verpackung: Verpackungen aus Gras sind im Kommen. Vorreiter ist die Firma Creapaper aus Hennef. Sie gewinnt den StartGreen Award 2016 des BMU. Die Verpackungen bestehen aus Gras und Holz (40%). 75% CO2-Ersparnis bringt das mit sich. Es gibt mittlerweile auch Bambus-Becher. Verbraucherschützer warnen allerdings davor, weil sie gesundheitsschädlich sind (enthalten auch Kunststoffe).

Müll als globales Gut: Ein Teil des Mülls (Elektroschrott, Plastik u. a.) wird in Entwicklungsländern entsorgt. Die Müllberge werden systematisch von den Einheimischen durchstöbert. Sie suchen nach Verwertbarem. Für die Menschen vor Ort sind diese Müllberge Fluch und Segen zugleich. Einerseits kann man etwas verdienen. Andererseits werden die Menschen von den Giftstoffen krank. Sehr viel Müll schwirrt auch im Weltall herum und stellt mittlerweile eine Gefahr dar. Immer häufiger kommt es zu Kollisionen (Kessler-Syndrom). Müll kann auf folgenden Wegen entsorgt werden: 1. Recycling. 2. Kompostierung. 3. Verbrennung. 4. Deponierung. Deutschland führt weltweit bei der Müllentsorgung. Immer stärker holt China auf.  Eine der großen Müllkippen ist in Payatas auf den Philippinen. 500 große Lastwagen liefern täglich 1200 Tonnen Abfall. Ende 2016 stuft der Bundesrat Polystyrol mit Flammschutz wieder als normalen Abfall ein. So kann der Dämmstoff weiter kostengünstig entsorgt werden. Deutschland exportiert eine riesige Menge Altverpackungen. 2016 gab es Plastikmüll-Exporte im Wert von 249 Mio. Euro. Von den insgesamt produzierten 5,92 Mio. t Plastikmüll (2015) wurden 1,4 Mio. t exportiert. Zielländer waren der Reihenfolge nach: China, Niederlande, Malaysia, Indonesien, USA.  Elektroschrott aus Deutschland wird oft versteckt in Altautos nach Afrika geschafft (Nigeria). 2018 wurden 500.000 Tonnen weniger Haushaltsmüll in Deutschland gesammelt als im Vorjahr. Pro Kopf verursachten die Bundesbürger 455 Kilogramm. Quelle: Statistisches Bundesamt 2019. Auch in Europa produzieren die Menschen imme rmehr Müll. Eine Ursache dafür ist der Online-Handel. Die EU-Kommission will gegensteuern.

Abfall pro Kopf: Im Jahr 2016 ergab sich folgendes Bild in der EU: 1. Dänemark 777 kg; 2. Zypern 640 kg; 3. Deutschland 627; 4. Malta 621; 5. Luxemburg 614. Quelle: Eurostat. In Deutschland sinkt das Abfallaufkommen seit 2018. Quelle: StBa, Wiesbaden.

Vernichtung von Retouren: In Deutschland wird jedes sechste im Online-Handel bestellte Paket wieder zurückgeschickt. 2018 waren das 280 Millionen Pakete und 487 Millionen Artikel. Bei Kleidung und Schuhen geht sogar fast die Hälfte der Pakete zurück (Quelle: Wirtschaftswissenschaftler, Uni Bamberg). Die Grünen wollen 2019 den Online-Händlern wie Amazon, Otto und C. diese Vernichtung verbieten. Die Sachen sollten an Arme verschenkt bzw. Sozialkaufhäusern übergeben werden. 2019 hat nach Angaben des HDE der Online-Handel nur 10% des Handels. Also müsste man auch den Offline - Handel einbeziehen. 2020 will die Bundesregierung die Warenvernichtung stoppen: Sie beschließt im Februar ein Gesetz, das Retouren im Handel grundsätzlich erschwert. Retouren und Überhangware soll nur noch in Ausnahmefällen zu vernichten. "Perversion der Wegwerfgesellschaft", Katrin Göring-Eckardt, Fraktionschefin der Grünen im Bundestag.

Verwertung von Haushaltsabfällen: Möglich sind Deponierung, Energetische Verwertung und Recycling/ Kompostierung. Bei der energetischen Verwertung führen Schweden und Belgien in der EU. Bei der Deponierungen liegen Griechenland und Malta vorne. Beim Recycling führen die skandinavischen Länder, Deutschland liegt in der Spitzengruppe. Quelle: CEWEP (Vereinigung europäischer Müllheizkraftwerke).

Lebensmittel und Müll: Etwa 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel werden pro Jahr rund um den Globus verschwendet, in dem  sie - obwohl noch essbar - in den Müll gelangen (Schätzung). Seit 2012 gibt es die Internet-Plattform "foodsharing.de", über die Privatleute, Einrichtungen und Händler kostenlos Nahrungsmittel anbieten können. 2017 wird der erste Laden mit ausgesonderten Lebensmitteln in Berlin-Charlottenburg gegründet. Er heißt "SirPlus" (Wortspiel mit dem Englischen "Surplus"). Die Anschubfinanzierung erfolgte über Crowdfunding (1700 Leute, über 90.000 Euro, Plattform "Startnext"). Es soll ein Online-Lieferdienst und eine Super-Markt-Kette aufgebaut werden. Ähnliche Konzepte verfolgen das Cafe "Raupe Nimmersatt" und das Restaurant "Restlos glücklich" in Berlin. 18 Millionen Tonnen Lebensmittel landen jährlich in Deutschland auf dem Müll (Institut für nachhaltige Ernährung der FH Münster). Dazu werden allein 15 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche genutzt. Die Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner will 2019 die Lebensmittelabfälle bis 2030 halbieren. Es sind Maßnahmen auf freiwilliger Basis geplant. Das Bundesverfassungsgericht soll klären, ob das "Containern" straffrei wird. Bisher riskiert man einen Verurteilung wegen Diebstahls, wenn man aus Müllcontainern von Supermärkten Lebensmittel raus nimmt.

Müll und Kommunen: Jedes Jahr fallen hohe Reinigungsgebühren an. Allein das Entsorgen von Zigarettenkippen verschlingt 225 Mio. €. Man will die Hersteller von Produkten mehr beteiligen. Klimaschutz könnte Müllgebühren erhöhen. Ab 2023 soll die Abfallverbrennung mit einem CO2-Preis belastet werden. Die Anlagenbetreiber müssen Emissionszertifikate kaufen. Die Kosten liegen bundesweit bei 900 Mio. Euro. Abfall wird teurer.

Containern: Als erstes Bundesland will Hamburg das Mitnehmen weggeworfener Supermarkt-Lebensmittel aus Müll-Containern legalisieren. Vielleicht kann bundesweit die Selbstbedienung bei entsorgten Lebensmitteln kommen? Die Justizminister der Länder entscheiden sich aber im Juni 2019 gegen das Containern. Somit ist der Antrag Hamburgs abgelehnt. Auch vor Gericht hat Containern keinen Bestand. Die Lebensmittelrettung soll 2023 straffrei sein (Strafen für Containern abschaffen).

Gesetze zur Reduktion von Müll: Im September 2020 beschleißt der Bundestag verschiedene Gesetze, die dafür sorgen sollen, dass weniger Müll entsteht. 1. Einwegplastik (Wegwerfprodukte dürfen nicht mehr verkauft werden). 2. Retouren-Vernichtung (verboten). 3. Hersteller zahlen für Reinigung. 4. Staat kauft umweltfreundlich. 5. Batterie-Gesetz (Rücknahme).

Müllabfuhr für die Atmosphäre: Filtern von Kohlendioxid aus der Luft. Es gibt grundsätzlich sechs Verfahren: 1. Biomasse verfeuern mit CO2-Ausscheidung. 2. Abscheidung aus der Luft mit geologischer Speicherung. 3. Mineralien ausstreuen. 4. Bodenkohlenstoff anreichern. 5. Pflanzenkohle. 6., Aufforstung. Bume sind klar am billigsten Quelle: Mercator Research Instiute on global Commons and Climate Change.

Elektroschrott: Gemessen in Tonnen 2016. 1. China 7,2 Mio. Tonnen. 2. USA 6,3 Mio. Tonnen. 3. Japan 2,1 Mio. 4. Indien 2,0 Mio. 5. Deutschland 1,9 Mio. Pro kopf sind das 22,8 kg pro Kopf. Quelle: The Global E-Waste Monitor 2017. Nicht einmal die Hälfte des Elektroschrotts wird in Deutschland gesammelt. Quelle: UBA, Halle. 2021 steigt die Menge an Elektroschrott weltweit auf 57,4 Megatonnen (2016 48,3). Ein Grund ist, dass immer neue und kurzlebige Produkte auf den Markt kommen.

Elektrosmog: Die Digitalisierung führt zu einer starken Zunahme der drahtlosen Kommunikation mit einem vermehrten Einsatz elektromagnetsicher Felder. Die Belastung der Bevölkerung wird steigen. Elektrosmog macht Menschen, Tieren und Pflanzen zu schaffen. Es wird noch mehr Strahlungsquellen durch 5G geben. Studien und Urteile belegen die Risiken frequenter Strahlung.

Recycling: Im März 2017 kommt ein neues Verpackungsgesetz in Deutschland. Die Recycling-Quote soll dadurch stark erhöht werden. 65% des Hausmülls werden 2017 recycelt. Bei Bau- und Abbruchsabfällen liegt die Recyclingrate sogar bei fast 90%. Deutschland liegt mittlerweile an der Spitze der Recycling-Quoten: 47%. Damit wird schon das Ziel von 2035 erreicht. Das gilt allerdings nach der alten Berechnungsmethode. Einer der höchsten Recycling-Quoten hat die Bauindustrie. Die Verwertungsquote bei mineralischen Bauabfällen liegt bei gut 90%. 2021 verspricht der Sportartikelhersteller Nike gebrauchte Turnschuhe zu recyclen. Man will damit den Klimawandel bekämpfen. Allerdings ist ein Stau entstanden: Zehntausende Schuhpaare warten auf ihre Vernichtung. Journalisten haben Peilsender in den Schuhen versteckt: Sie empfangen Signale aus der Ukraine oder Afrika.

Wiederverwertungs-Industrie: In der Schweiz gibt es das Unternehmen Revendo, das Digitalschrott angeht. Vor allem Apple-Geräte werden angekauft, repariert und wieder verkauft. In den Städten treten "Reparatur-Cafes" ihren Siegeszug an.

"Recht auf Reparatur": Die EU-Kommission möchte 2023 weg von der Wegwerfgesellschaft. Das Reparieren von Geräten soll leichter werden. Geregelt werden soll die Reparatur in und nach der Garantiefrist. Es soll transparente Kosten für eine Reparatur geben. Damit will die EU die Wegwerfmentalität beenden. Allerdings ist da sin der Praxis noch nicht angekommen. Ein Großteil der Hersteller streicht Ersatzteillager und Serviceabteilungen. Um wirklich was zu bewegen, müsste man den Herstellern Konstruktionsprinzipien verordnen. Die EU bringt dei neuen Rechte für den Verbrauche rauf den Weg. Reparieren statt wegwerfen.

Urban Mining: Wiederverwertung von allen Baumaterialien und -stoffen. Recycling am Bau. Am weitesten ist die Schweiz (Zürich). Österreich will nachziehen. Auch in Deutschland gibt es immer mehr Recycling-Werke für Baumaterialien. Die Gesetze müssen angepasst werden.

Circular Economy (Konzept der Kreislaufwirtschaft): Grundlegende Veränderungen in der gesamten Wertschöpfungskette. Die Grundidee steht darin, Ressourcen so lange wie möglich im Einsatz zu halten. Dabei wird der gesamte Lebenszyklus einer Ressource betrachtet (Gewinnung, Produktgestaltung, Produktion, Verbrauch, Abfallwirtschaft)  Im engeren Sinne Abfallmanagement und Recycling. Ziel ist die Minimierung des Materialeinsatzes und er Abfallentstehung. Die EU folgt mittlerweile diesem Konzept. Sie will weg vom linearen Wirtschaftsmodell "Produzieren - Nutzen - Wegwerfen".

Verlängerte Produktnutzung: Weiternutzung. Reparatur. Mehrfachnutzung. Wieder verwenden. Nach- und Umrüsten. Stofflich verwerten. Anders nutzen.

Remanufacturing: Industrielle Aufbereitung gebrauchter Produkte. Das geschieht weltweit in vielen Branchen. Damit werden Ressourcen gespart und Müllberge verkleinert.

Rezyklaten: Sie sollen optimal genutzt werden. Gibt es bei Arbeitsbekleidung.

Chemische Umweltverschmutzung: Es gibt bislang keine Kontrollvariable. Toxische Substanzen, wie etwa synthetische  chemische Schadstoff und Schwermetalle, die in die Biosphäre gelangen, können dort lange Zeit verharren und irreversible Auswirkungen nach sich ziehen. Wenn sie sich im Gewebe von Lebewesen wie etwa Vögeln und Säugetieren anreichern, beeinträchtigen sie deren Fruchtbarkeit und verursachen genetische Schäden.

Antibiotika in Gewässern: Die weltweite Herstellung von Antibiotika verursacht zum Teil massive Wirkstoffkonzentrationen im Abwasser und in Gewässern rund um die Produktionsanlagen.. quelle: Studie 2023 der AOK, RW-Institut für Wasserforschung und Umweltbundesamt.

Fluorchemikalien (PFC): Sie sind in Outdoor - Kleidung und im Verpackungsmaterial von Fast Food. Von dort können sie ins Essen gelangen. Die Stoffe reichern sich auch seit 50 Jahren in der Umwelt an. Es gibt rund 900 Arten der extrem stabilen Kohlenstoffketten. Sie werden in der Natur kaum zersetzt. Die EU hat zwar zwei besonders gefährliche Substanzen auf den Index gesetzt. Sie werden weiter importiert.

Textilindustrie: Sie schädigt die Umwelt wie kaum eine andere Branche. Der ökologische Fußabdruck ist verheerend. Die weltweite Textilproduktion hat sich zwischen 2000 und 2015 verdoppelt. Kleidung ist zu einem Wegwerfartikel geworden. Der Materialfluss sieht wie folgt aus: 97/ werden neue Rohstoffe verwendet (Plastik, Baumwolle), 3% werden Rohstoffe aus Recycling gewonnen. 53 Millionen Tonen Fasern wurden 2015 für Bekleidung produziert (12% Produktionsverluste). 75% landen im Altkleider-Container. 12% werden zu niederwertigen Produkten recycelt.

Recycling von Textilien: Viele Altkleidercontainer werden mittlerweile abmontiert oder weggebracht. Moderne Textilien sind oft minderwertig.

Energiemanagement: In großen Unternehmen verbunden mit den ERP-Systemen. SAP hat ein eigenes System entwickelt: Energy & Environmental Resource Management.. Es läuft mit HANA-Technologie (Spaltenbasierte Ablage der Daten, in memory). Dies könnte auch bisher ein Hindernis der bei der Verbreitung sein (ab 2014). Förderlich wäre sich eine gesetzliche Pflicht zur Energiebilanz. Der analytische Teil kann gesondert betrieben werden und wird auch getrennt verkauft. Planungen sind auch mit dem System möglich.

Dämmung: 14% der Treibhausgasemissionen  kommt aus dem Gebäudebereich. Hier steckt viel Potential in neuen Produkten. So gibt es eine neue Methode mit Glaskügelchen.

Gemeinwohl-Ökonomie: Das Konzept wurde vom österreichischen Attac-Mitbegründer Christian Felber entwickelt. Im deutschsprachigen Raum gibt es etwa 1400 Unternehmen, überwiegend kleinere, die sich dem Konzept verpflichtet fühlen. Ein Drittel legt jährlich eine entsprechende Bilanz vor. Langfristig wird angestrebt, eine solche Bilanz gesetzlich verpflichtend zu machen. Unternehmen mit einer guten Gemeinwohlbilanz sollen von niedrigeren Steuern, günstigeren Krediten und Bevorzugung bei der Auftragsvergabe profitieren.

Grüne Gründer: 2013 konnten schon 15,0 Mio. € für Start-Ups für nachhaltige Projekte durch Crowdinvesting eingesammelt werden.

Nachhaltigkeitsbericht: Aktiengesellschaften (AG) können einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Sie nehmen damit Bezug auf ihre Interessengruppen "Stakeholder" und "Shareholder". Gleichzeitig vervollständigen sie damit ihre Corporate Social Responsibility. Sie folgen den drei Säulen der Nachhaltigkeit. Zuerst wird ein Nachhaltigkeitskodex erstellt. Dann wird ein qualitativer und quantitativer Berichtsrahmen aufgebaut, der in der Regel der Best-Practice-Empfehlung der Deutschen Börse folgt. Als Benchmark können auch die Konzepte bestimmter Firmen dienen.

Social Sustainability: Umfasst drei Bereiche in der Praxis von Unternehmen: Social Compliance (ethisches Verhalten zahlt sich langfristig aus), Nachfolge (langfristige Personalpolitik, auch im Familienrahmen), hoher Anteil an Eigen- und Selbstfinanzierung im gesamten Finzierungsbudget.

Energiesparen als B2C- und B2B-Geschäftsmodell: Als Musterunternehmen in diesem Bereich gilt Grünspar. Es handelt sich um einen Online-Versand in Münster (Whitelabel-Shop für Versprger). Heute erreicht Grünspar zehn Millionen Haushalte in Deutschland und Österreich. Das Unternehmen arbeitet mit 110 regionalen Versorgern zusammen.

Stop-Climate-Change-Standard: Zertifizierung. Hier gibt es verschiedene Standards. Der höchste ist der Goldstandard. Bewertet wird die so genannte Klimaneutralität.

Health-Claims-Verordnung: Lebensmittel, die gesundheitsfördernd sind, lassen sich besonders gut verkaufen. Das ist ein Anreiz für irreführende Werbung. Die EU macht deshalb genaue Vorgaben: wissenschaftliche Absicherung ud Positivliste der EU. Zielt die Werbung auf kinder, bedarf es einer Einzelzulassung. 

Berliner Erklärung zu nachhaltigen und sicheren Lieferketten in der Industrie (Berliner Konsens): Kooperation von OECD, BMA, DAX-Unternehmen, BDI, BDA und NGO. Abschluss nicht mehr vor der Bundestagswahl. Umstritten sind Haftungsfragen für den Mittelstand. Nachhaltige Lieferketten sind auf den G20-gipfeln und G7-Treffen bekräftigt worden.

Entlarver-App: So werden Handys zu tragbaren Laboren. Sie können feststellen, wie viel Spritzmittel auf Lebensmitteln ist.

Umweltmanagement: In den vergangenen Jahren ist der betriebliche Umweltschutz zu einem eigenständigen Unternehmensziel geworden. Das betriebliche Umweltmanagement stellt eine neue unternehmerische Führungsaufgabe dar. Instrumente sind z. B. das Öko-Audit oder Öko-Bilanzen.

Agiles Management und Umwelt: Der Klimaschutz ist eine komplexe Aufgabe. Man muss auch möglichst schnell zu Ergebnissen kommen. In der Wirtschaft wird dafür "Design Thinking" angewendet. Beim Agilen Management wird die komplexe Gesamtaudgabe in kleingruppen mit Detailaufgaben aufgeteilt. Vgl. Claudia Kemfert: Monday for Future, Hamburg 2020, S. 109.

Typen von Nachhaltigkeitsmanagern: Typ 1: Leugner (Profis im Greenwashing). 2. Die Sturköpfe (Reduzierung der strategischen Argumente). 3. Die Oberflächlichen (wollen nicht vorangehen). 4. Die Selbstzufriedenen (zufrieden mit der Vergangenheit). 5. Die Überzeugten (verstehen Nachhaltigkeit). Vgl. Smith, n. C./ Soonieus, R.: Von Leugnern, Oberflächlichen und Überzeugten, in: HBM, September 2019, S. 40ff.

Umweltrechnungswesen: Es umfasst zwei Teile: Die mengenmäßige Input-Outputrechnung (stoffliche und energetische Mengenbilanzen, stoffliche und energetische Flussrechnungen). Die wertmäßige Aufwand- und Ertragsrechnung. Sie münden in Umweltberichten (nach ISO 14.001 und ISO 14040ff. bzw. EMAS).

CO2-Risiko als internen Preis (Antizipation): Clevere Unternehmen berechnen schon jetzt einen internen Preis für Kohlendioxidemissionen. So können sie besser zukünftige Geschäfte planen. Außerdem wollen sie Investitionen besser beurteilen, Risiken besser steuern und eine nachhaltige Strategie entwickeln. Ein interner Preis, der sorgfältig kalkuliert ist, kann Unternehmen auf dei künftige Regulierung vorbereiten und ihnen langfristig Vorteile verschaffen. Vgl. Aldy, Joseph E./ Gianfrate, G.: Wie hoch ist ihr CO2-Risiko? in: HBM, September 2019, S. 44f.

Umweltorganisation: Funktionen: Umweltbeauftragter. Immissionsschutzbeauftragter. Abfallbeauftragter. Abwasserschutzbeauftragter.

Umweltschutz am Produkt: Er richtet sich nach folgenden Grundsätzen: 1. Je kleiner ein Produkt ist, desto geringer sind die Mengen am Altprodukten (Miniaturisierung). 2. Je leichter das Produkt ist, desto umweltfreundlicher ist es (Gewicht). 3. Je länger das Produkt lebt, desto geringer der Abfall an Altprodukten (Lebensdauer). 4. Je benutzerfreundlicher das Produkt ist, desto seltener sind Ersatzprobleme (Benutzerfreundlichkeit). 5. Je geringer die Produktionsrückstände sind, desto umweltfreundlicher ist das Produkt (Abbaubarkeit). Vgl. Albach, Horst: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 2000, S. 390.

Umweltschutz bei Produktionssystemen: End-of-Pipe-Produktionssysteme, Integrierte Produktionssysteme, Produktionsplanung mit Abprodukten.

Nachhaltigkeit in Lieferketten (Stolperfallen, Kettenreaktion): Unternehmen betreiben enormen Aufwand, um ihre Lieferantennetzwerke zu optimieren und nachhaltig zu gestalten. Vielfach übersehen sie dabei jedoch die entscheidenden Gefahren. Stolperfallen lassen sich mit gezielten Maßnahmen aus dem Weg räumen. Im Idealfall arbeiten mulinationale Unternehmen mit einer Kombination aus verschiedenen Herangehensweisen, um in ihrem gesamten Lieferantennetzwerk für nachhaltige Praktiken zu sorgen. Man unterscheidet direkte, indirekte, kollektive un d globale Ansätze. 1. Direkter Ansatz: Direkten Zulieferer mit Nachhaltigkeitskennzahlen bewerten. Audits zu den Praktiken der Zulieferer. Übersicht über das Netzwerk. 2. Indirekter Ansatz: Schulungen für gemeinsames Lernen der direkten Zulieferer. Starke Zulieferer als Vorreiter für neue Nachhaltigkeitsinitiativen. Belohnungen. 3. Kollektiver Ansatz: Branchenweite Nachhaltigkeitsstandards. Ressourcen mit Wettbewerbern und großen Zulieferern teilen. 4. Globaler Ansatz: Zusammenarbeit mit NGOs. Daten dieser Organisationen nutzen. Wertschätzung für die Zulieferer, die bei den Programmen der NGOs mitmachen. Vgl. Villena, V. H./ Gioia, D. A.: Kettenreaktion, in: HBM März/ 2021, S. 46ff.

Lieferkettengesetz (LkSG): Sozial- und Umweltstandards (auch Menschenrechte) in globalen Lieferketten: Ende 2019 planen Arbeitsministerium und Entwicklungshilfeministerium ein solches Gesetz. Sie wollen Standards in der globalen Produktion erreichen. Es geht um mehr Fairness bei der Herstellung. Preise sollen offen gelegt werden. Große Handelsketten haben sich schon freiwillig verpflichtet, Existenz sichernde Einkommen für Erzeuger in Herkunftsländern zu fördern. 2200 große Unternehmen sollen einen Fragebogen ausfüllen, der 37 Kriterien überprüft. Die Corona-Krise führt dazu, dass das Gesetz vorläufig auf Eis gelegt wird. Danach geht ein Gezerre los. Die Spitzenverbände der Wirtschaft laufen Sturm gegen das Gesetz. Sie fürchten um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Aber auch die EU arbeitet an neuen regeln. Es soll eine Gleichbehandlung von Online- und stationärem Handel geben. Eine europäische Antwort wäre auch besser. Im Februar 2021 einigt man sich in der Regierung auf das Gesetz (Arbeitsminister, Entwiklungshilfeminister, Wirtschaftsminister). Es ist ein Minimalkonsens. Es gilt für größere Unternehmen ab 2023. Weltweit sollen Menschenrechte und Umweltvorgaben eingehalten werden. Es gibt auch Bußgelder und einen Klageweg für Hilfsorganisationen.  Wirtschaftsvertreter fürchten mehr Bürokratie. Insgesamt wird aber der gefundene Kompromiss gelobt. Für mittelbare Zulieferer gilt eine abgestufte Verantwortung. Im ersten Schritt soll das Gesetz 600 Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern betreffen wohl mehr 900). Von der Wertschöpfung aus den globalen Produktionsnetzen entfallen 67 Prozent auf dei Industriestaaten der OECD und 33 Prozent auf die Schwellen- und Entwicklungsländer. 152 Mio. Kinder arbeiten trotz Verbots. 25 Mio. Menschen gelten als moderne Sklaven. Quellen: ILO, UN-Handelskonferenz.

Fuel Dumping: Ablassen von Kerosin bei Flugzeugen, wenn der Tank für eine Landung zu voll ist. Die schädlichen Folgen für Menschen sind noch unklar.

Klimaschutz in Unternehmen: Abfallmanagement und Mülltrennung. Abschaffung von Einwegprodukten und Plastikprodukten. Flächendeckend Energiesparlampen. Stromsparregelungen. Mehr sichere Stellplätze für Fahrräder. Ersatz veralteter Computer und Drucker. Fianzielle Förderung von Fahrgemeinschaften. Kantine und Catering mit fair gehandelten Produkten. Wechsel des Stromanbieters zu Ökostrom. Ausgabe von Bahncards für Dienstreisen. Einführung von Videokonferenzen. Finanzielle Förderung von E-Bikes. Abschaffung von Dienstflugreisen. Vom Arbeitgeber bezahlte Zeit für ehrenamtliches Engagement für die Umwelt. Keine Leihwagen bei Dienstreisen. Vgl. Klimaschutz ist Arbeit, in: Die Zeit Nr. 50, 2.12.2019, S. 24.

Green Finance: Blackrock hält weltweit in rund 2500 Firmen fünf bis zehn Proent des Kapitals, teils als größter Aktionär. Wenn der Chef Larry Fink in seinem Neujahrsbrief auf eine Systemwechsel verweist hat das Wirkung.  CO2 wird zum Risiko für Firmen.  Weltweit verwalten Pensionsfonds ein Vermögen von über 41 Billionen US-$. Der internationale Publikumsfondsmarkt ist mit 53 Billionen US-$ noch größer. Wenn diese Gelder in Dekarbonisierung umgesteuert werden, könnte  ein grünes wirtschaftswunder kommen. Vgl. Claudia Kemfert: Mondays for Future, Hamburg 2020, S. 72. Die Digitalisierung ist im Finanzbereich am weitesten.

Online-Handel und Umweltverschmutzung: Die CO2-Bilanz sieht nicht gut aus. Dafür gibt es mehrere Gründe: 1. Empfänger wird nicht angetroffen. Das ist bei einem Viertel der Fall. Das Päckchen geht auf Reisen. 2. Zu viele Retouren. 16% aller Pakete werden zurückgeschickt. 3. Üppige Verpackung. Sehr viel Verpackungsmaterial als Schutz vor Schäden. 4. Schneller ist schmutziger. Die Frage ist, ob Pakete grüner werden können. Kann man das Klimaproblem der Branche also lösen? Mikrodepots in Innenstädten könnten helfen, aber es fehlt an Platz. Es darf auch nicht viel kosten.

 Ökosysteme: Partnerschaften in Ökosystemen bieten Unternehmen viele neue Möglichkeiten für Wertschöpfungen und Innovationen. Man spricht auch von Digital Hub. Merkmale sind: 1. Netzwerk der Stakeholder (Kunden und Lieferanten). 2. Vernetzung der Informations- und Kommunikationstechnologien. 3. Kooperationen im Netzwerk. 4. Selbsthilfe, Selbstverantwortung, Selbstverwaltung. Das gilt besonders für genossenschaftliche Ökosysteme. 5. Offenheit für Experimente. 5. Vorbild: Vancouver-Modell (Gemeinwohlorientierung, Integration der Zukunftstrends Smart City, Green Economy, langjährige Einbindung aller wesentlichen Stakeholder, Campus-City Collaborative, Unterstützung lokaler Unternehmen, zielgerichtete Einbindung der Finanzwirtschaft, Aufbau von Innovations-, Gründer- und Wagniskapital). Vgl. Mauerer, Jürgen: Viele schaffen mehr als einer, in: com!professional 10/2020, S. 22f.

Öko-Aktienfonds: Es sind global anlegende Aktienfonds mit Nachhaltigkeitsfokus. Sie haben ein gutes Rating und beste Performance: Green Benefit Global Impact Fund. Ökoworld Klima. Deka-Umweltinvest. Green Effects - NAI - Wertefonds. Schroder ISF Global Climate Change. HSBC GIF Global Eq. Climate Change. Pictet - global Environmental Opp. KBC Eco Fund Impact Investing. Swisscanto Equity Fund Sustainable. GLS Bank Aktienfonds. NN Global Sustainable Equity. Erste Responsible Stock global. DPAM Invest Equities World Sustain. Mirova Global Sustainable Quity. BMO Global Resonsible Equity. Quelle: HB Nr. 48, 10.3.21, S. 30f.

Nachhaltigkeit zahlt sich aus: Man muss die "begünstigenden Faktoren" verbessern und quantifizieren. Dann wird der finanzielle Erfolg des Unternehmens verbessert. Man muss folgende Bereiche betrachten: 1. Innovation. 2. Operative Effizienz. 3. Marketing und Vertrieb. 4. Kundenbindung. 5. Risikomanagement. 6. Mitarbeiterengagement. 7. Lieferantenbeziehungen. 8. Medienberichterstattung. 9. Einbinden von Stakeholdern. Man spricht von der ROSI -Methode (Return on Sustainability Investment): Man macht zunächst eine Bestandsaufnahme der Nachhaltigkeitsprojekte und findet heraus, welche Gewohnheiten und Methoden sich dadurch verändern lassen. Anschließend ermitteln Sie den immateriellen, den finanziellen Nutzen und den monetären Gesamtwert. Vgl. Whelan, Tensie/ Douglas, Elyse: Nachhaltigkeit zahlt sich aus, in: HBM April 2021, S. 66ff.

Nachhaltigkeit als Trend ("Grüner Schein"): Klima schonend und sozial verträglich ist ein Megatrend ab 2020. Dabei gibt es eine Reihe von Akteuren: 1. Der Banker. Jede Bank will Green Bonds auflegen. Es gibt auch Spezialbanken dafür. 2. Die EU-Kommission: Für die Fianzbranache ist 2021 Mairead McGuiness zuständig. Drei Artikel der EU-Verordnung sind relevant (Artikel 6, Artikel 8, Artikel 9). 3. Der Unternehmer. 4. Rating - Agenturen (Sustainalytics, RobecoSAM, MSCI, KLD, Video Eiris, Asset4). Sie haben einen großen Einfluss, liegen aber oft weit auseinander. Sie berechnen z. B. den Fußabdruck oder schätzen. 5. Der Privatanleger. Vgl. Goebel, J. u. a.: Grüner Schein, in: WiWo 15/ 9.4.21, S. 14ff.

Greentech: Man könnte Deutschland in sieben Leitmärkte unterteilen: 1. Energieeffizienz. 2. Umweltfreundliche Erzeugung, Speicherung und Verteilung von Energie. 3. Nachhaltige Mobilität. 4. Nachhaltige Wasserwirtschaft. 5. Rohstoff- und Materialeffizienz. 6. Kreislaufwirtschaft. 7. Nachhaltige Agrar- und Forstwirtschaft. Das Marktwachstum dieser Bereiche in Deutschland ist sehr stark (mit starkem Wachstum der Beschäftigtenzahl von 6,8% 2020 bis 2025). Aber auch das globale Marktvolumen ist hoch (4,6 Billionen € 2020). Vgl. Focus 18/2021, S. 49.

Transformation (Anteil der Industrie am Klimaziel): Die Industrie fordert Klimahilfe, vor allem in Anbetracht der schärferen Ziele (bis 2045  0, Treibhausgasneutralität). Es stehen folgende Hilfen zur Diskussion und zur Verfügung: 1. Differenzverträge: Carbon Contracts for Difference (CCfDs). Differenzverträge gleichen die Mehrkosten des Umstiegs auf klimaneutrale Prozesse ganz oder teilweise aus. Sie können für Investitionen in neue Anlagen oder für den Ausgleich von Betriebskosten genutzt werden. Der CCfD wird zwischen Staat und Unternehmen geschlossen. Der Vertrag garantiert eine Zahlung der Differenz zwischen dem vereinbarten Vertragspreis und dem Preis eines CO2-Zertifikats für Emissionsminderungen gegenüber dem Benmark einer konventionellen Referenztechnologie. 2. Grenzausgleich: Stahl- oder Chemieprodukte würden bei Einfuhr aus Nicht-EU-Staaten mit einem Aufschlag belegt., der die CO2-Kosten in Europa ausgleicht. Es könnte in "grüner Handelskrieg" drohen, vor allem mit China. 3. Kostenlose Zertifikate: Industrieunternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, erhalten kostenlose Emissionszertifikate, die ausreichen, um die tatsächlichen Emissionen zum großen Teil abzudecken. 4. Transformationsfonds: Aus einem mit zweistelligen Milliardenbeträgen ausgestatteten Fonds könnten beispielsweise CCfDs für Investitionen und laufende Kosten gespeist werden. 5. Industriestrompreis: Ein garantierter EU-weit geltender Industriestrompreis von beispielsweise vier Cent je Kilowattstunde könnte dei Lösung sein. Dabei tauchen beihilferechtliche Fragen auf. Vgl. Kersting, Silke/ Stratmann, Klaus: Industrie fordert Klimahilfe, in: Handelsblatt Nr. 98, 26. Mai 2021, S. 4f. 

Wettbewerbszentrale: Kontrollinstanz der deutschen Werbewirtschaft. Verein gegen den unlauteren Wettbewerb. Ihm gehören 800 Verbände und 1200 Unternehmen an. 2021 wird gegen mehrere Unternehmen geklagt. Es geht immer um den Begriff "klimaneutral". Die verklagten Unternehmen erreichen den Status nur, weil sie kompensieren. Das geschieht durch den Kauf von CO2-Zertifikaten. Die Aussichten vor Gericht sind gering.

Kreislaufwirtschaft: Ressourcen schonen, Produkte länger nutzen, Rohstoffe wieder verwenden: All das sind Gründe für eine neue Kreislaufwirtschaft. Es gibt grundsätzlich drei grundlegende Kreislaufstrategien: Produkteigentümer bleiben, Verlängerung der Nutzungsdauer und Design für Recycling. Eine Kreislaufmatrix kann die Entscheidung für eine Strategie oder Kombination transparent machen. Je nach individuellen Fähigkeiten und Wettbewerbskontext sind Unternehmen mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. 1. Wie lang kann ich meine Produkte zurückbekommen? 2. Zugang und Verwertung schwierig. 3. Zugang einfach, Verwertung schwierig. Zugang schwierig, Verwertung einfach, Zugang und Verwertung einfach.

International Sustainability Standards Board (ISSB): Unabhängiges Gremium. Soll den Wildwuchs an Regeln für ESG, also Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung eindämmen und Standards entwickeln. ESG-Kriterien liegen mittlerweile auch für die Boni der obersten Führungskräfte zugrunde. 

Weltgrößter Öl-Konzern Exxon: ExxonMobil berechnete den Klimawandel schon vor Jahrzehnten überraschend exakt voraus. Die ab Ende der 70er Jahre bei Exxon ausgearbeiteten Prognosen seien im Rückblick präziser gewesen als die der amtlichen Klimaforschung. Artikel Der Harvard-University und des Potsdam-Instituts für Klimaforschung im Fachmagazin Science. Es geht um Daten und Szenarien aus dem Zeitraum 1977 und 2003.

 

Global Government (internationale Aspekte der Umwelt, globaler Klimaschutz; Weltklima-Konferenzen, Klimaabkommen, globale Koordinierung, Klimapolitik besonders wichtiger Länder und Integrationen; Umweltschutz als globale Aufgabe und globale Kooperation, die einzige Chance zur Rettung der Welt)

Globaler Klimaschutz: Klimaschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe., die auf verschiedenen Ebenen angegangen werden muss: global, europäisch, national und regional. Das Klima schert sich nicht darum, wo die klimaschädlichen Emissionen stattfinden. Jede Weltregion, jedes Land ist gefordert. Dei USA haben angekündigt, bis 2050 klimaneutral zu werden. China möchte dies 2060 erreichen. Das sind die beiden zentralen Länder. Die EU strebt Klimaneutralität bis 2050 an und gibt ihren Mitgliedsstaaten den Rahmen für eigene Maßnahmen vor. In diesem institutionellen Geflecht bewegen sich Unternehmen, Kommunen und Privatpersonen, die alle einen Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen. Vgl. Wambach, Achim: Klima muss sich lohnen, Freiburg, Basel, Wien 2022, S. 14f.

Umweltaspekte des Welthandels: Es geht um den Einfluss von Umweltregulierungen auf die Wettbewerbsfähigkeit, um die Wirkung von Handelsliberalisierung auf die Umwelt, um die Legitimität handelspolitischer Maßnahmen für die Umwelt, um den Handel von Klimaschutztechnologien und um Ressourcenhandel und -konflikte. Die Klimadebatte wird auch zu Marktverschiebungen führen und industrielle Prozesse verändern: die Zement- und Grundstoffindustrie wird in Deutschland Probleme bekommen, es profitiert der Maschinenbau in Bezug auf Umwelttechnologie. Nur ein globaler Emissionshandel (bisher nur hauptsächlich Europa) könnte wohl die Klima - Veränderungen bremsen. Mittlerweile investieren die großen deutschen Energieversorger (RWE, Osram) in Projekte in Indien und China, um ihre Kosten für CO2-Emissionsrechte zu verbessern. Insgesamt führt auch die starke Produktionsverlagerung in Entwicklungs- und Schwellenländer gleichzeitig zu einer Verlagerung der CO2-Problematik in diese Länder. Vgl. auch: Mayer, H.: Umweltökonomische Aspekte der Globalisierung, in: Wirtschaft und Statistik, 12/2007, S. 1261-1269. "Was wir brauchen, sind innovative Klimaschutztechnologien, die wir ins Ausland verkaufen können. Nur das rettet das Klima", Sigmar Gabriel, ehemaliger Bundesumweltminister, jetzt SPD-Vorsitzender und Bundeswirtschaftsminister.

Öko-Dumping: Oligopolistische Weltmärkte können dazu führen, dass Multis ihre externen Effekte in Entwicklungs- und Schwellenländern produzieren oder Export in unbeteiligte Drittländer durchführen. Hiergegen müssen protektionistische Maßnahmen in den betroffenen Ländern, globalere Emissionsgrenzen oder strategische Innovationsanreize in den Ursprungsländern gegeben werden. 2012 häufen sich wieder Meldungen über Öko-Dumping in Entwicklungsländern.

Verteilung und Entwicklung der CO2-Emissionen nach Wirtschaftsräumen: Entwicklung jeweils von 1990 bis 2013. Die Industrieländer zeigen ein gemischtes Bild: USA +6%; EU, Japan und der Rest -14%. Die Entwicklungs- und Schwellenländer haben einen Anstieg um +56%. Darunter am stärksten China (+312% und Indien +200%). Der Gesamtausstoß ist von 22,7 Milliarden Tonnen 1990 auf 35,3 Milliarden Tonnen 2013 gestiegen. Quelle: Der Spiegel 9/2015, S.61. Vgl. auch: Naomi Klein: Die Entscheidung - Kapitalismus vs. Klima, Frankfurt 2015.

Kosten des Klimawandels in der Welt: Staaten mit schwachen Institutionen trifft die globale Erwärmung stärker. Wärmere Regionen sind nicht notwendigerweise ärmer. Wirtschaftliche Schäden durch den Klimawandel zeigen sich vor allem längerfristig und in Regionen innerhalb besonders verwundbarer Staaten. Vgl. Meierriks, Daniel/ Stadelmann, David: Die Kosten des Klimawandels, in: WZB Mitteilungen H. 174/Dezember 2021, S. 6ff.

Globaler Flugverkehr: Neue Flugzeugmodelle erzeugen weniger Lärm und Abgase. Hersteller und Fluggesellschaften werden nur dann investieren, wenn die Umweltregeln (schärfere Umweltschutz-, Klimaschutz- und Lärmschutzregeln) verschärft werden. Im harten Wettbewerb werden teilweise Verlust gemacht. Es gibt 2016 im Flugverkehr weltweite Überkapazitäten. Lokal werden Flughäfen in der EU und Deutschland oft hoch subventioniert. Die EU hat den Subventionen ab 2024 einen Riegel vorgeschoben. In RLP ist der Flughafen Hahn betroffen . Ab 2016, dem Jahr des Flughafenverkaufs an Shanghai Yiqian Trading LTD., können noch 70 Mio. Euro bis 2024 gezahlt werden.

Globaler Emissionshandel: Als komplexes System soll er Regierungen und der Wirtschaft helfen, die Reduzierung der Emissionen effizient zu erreichen. Er besteht aus zwei Elementen: Cap and Trade (Obergrenzen und Handel mit Emissionsrechten) und Offsetting (CO2-Ausgleich). Als Marktlösung entspricht er wirtschaftstheoretischen Überlegungen, die in die UN-Umweltgipfel von Rio bis Kyoto einfließen. Mit dem EU-ETS hat die EU den weltweit größten Markt für CO2-Zertifikate geschaffen und verfügt über die längste Erfahrung. In der dritten Phase gibt es Probleme durch angesparte Zertifikate, Ausgleichszertifikate und in der Vernetzung der Gesetzeslücken. Besonders umstritten ist weltweit REDD, d. h. die Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Bodenverarmung. Vgl. Gilbertson, T./ Reyes, O.: Globaler Emissionshandel, Frankfurt 2010. Es gibt auch noch andere negative Auswirkungen: So verhindert der Handel mit Emissionszertifikaten die Modernisierung von Kühlmittelfabriken in Indien und China. Z. B. stehen 12 dieser Fabriken in China, bei denen HFKW-23 anfällt, für deren Entsorgung Zertifikate verkauft werden dürfen. Spekulanten, Energiekonzerne und Kriminelle bereichern sich auch mittlerweile an Zertifikaten. US-Investoren kontrollieren den Handel. "Das ,was wir jetzt erleben, ist nur ein Vorgeschmack auf das, was uns bald erwartet", Mojib Latif, Klimaforscher.

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) sieht im  globalen UN-Umweltzustandsbericht 2007 (Geo-4, "Environment for Development", alle 3-5 Jahre) 60% aller Ökosysteme geschädigt und warnt vor großer Wasserknappheit. Durch verschmutztes Wasser sterben in Entwicklungsländern jährlich 3 Mio. Menschen. Das UN-Klimareferat befindet sich in Bonn (Leiter: de Boer). Es rechnet nicht vor 2009 mit einem Abschluss der Verhandlungen zum Klimaschutz. Alles fing 1992 mit der UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change) an. Der erste Umwelt-Weltgipfel fand 1972 in Stockholm statt. Sitz des Umweltprogramms ist Nairobi in Kenia. Chef ist ein Deutscher: Achim Steiner. Der Deutsche Jochen Flasbarth will neuer Chef werden. 2016 findet eine Konferenz in Kigali/ Ruanda statt. Man einigt sich auf Folgeabkommen zum Verbot von FKW. Schrittweise sollen von bei den Industrieländern 2019 bis 2035 85% des FKW-Ausstoßes verringert werden. Bei den entwicklungs- und Schwellenländern ist eine Reduktion um 80 bzw. 85% von 2014 bis 2047 vorgesehen. Die Treibhausgase beschädigen die Ozon-Schicht.

Es gibt auch ein UN-Klimasekretariat, dessen Chefin Christina Figueres aus Cost Rica ist. 2016 wird die Mexikanerin Patricia Espinosa Cantelano neue Generalsekretärin. Hauptaufgabe der Organisation besteht in der Vorbereitung der Weltklimakonferenzen. "Wir Menschen haben es mit einem globalen Notfall zu tun. Die Erde hat jetzt Fieber. Und das Fieber steigt," Al Gore.

Club of Rome: Es handelt sich um ein Expertengremium bzw. eine Denkfabrik für globale Zukunftsfragen, insbesondere Umweltprobleme. Er wurde 1968 in Rom gegründet. 2016 wird 50 Jahre gefeiert (in Winterthur/ Schweiz). Er umfasst maximal 100 Persönlichkeiten aus fünf Kontinenten. Seit 2008 ist der Hautsitz im schweizerischen Winterthur. 1972 wurde die berühmte Studie "Grenzen des Wachstums" (Dennis Meadows) vorgelegt. 1973 erhielt die Organisation den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Aktuell 2016 gibt das Gremium ein Plädoyer für die Ein-Kind-Familie ab. Es wird ein geringeres Wachstum der Weltbevölkerung gefordert. Neben Umweltschutz und Klimawandel ist Weltbevölkerungsentwicklung der zweite Schwerpunkt.   "Nachhaltige Entwicklung ist eine unsinnige Vokabel wie friedlicher Krieg. Und was die grüne Industrie angeht, das ist reine Fantasie", Dennis Meadows, US-Ökonom.

Climate and Clean Air Coalition: Im Februar 2012 gegründet. Im Mai treten die G8-Staaten geschlossen bei.

Internationaler Klimafonds (Grüner Klimafonds): Sitz ist  Songdo (Südkorea). Er soll künftig Entwicklungs- und Schwellenländern Finanzmittel zur Verfügung stellen, um die Volkswirtschaften klimafreundlich umzugestalten.

Agenda 21: Ein Entwicklungs- und Umweltpolitisches Programm für das 21. Jahrhundert zur Erreichung einer nachhaltigeren Entwicklung. 178 Staaten haben es 1992 in Rio de Janeiro beschlossen. Dort gab es auch eine Deklaration, genannt Rio-Deklaration. Es ist ein Grundgesetz der Umweltpolitik (Präambel und 27 Grundsätze). "Reine Luft, saubere Böden, und ungiftige Lebensmittel gehören zu den Menschenrechten", Felipe, spanischer Kronprinz bei der UN-Wüstenkonferenz in Madrid.

Weltklimarat (IPCC): Im Auftrag der Uno erstellt der Weltklimarat (195 Mitgliedsstaaten) Berichte über die globale Erderwärmung (Auswirkungen auf Natur und Menschen; Anpassungsstrategien). Die UN-Organisation besteht seit 1988 und hat seinen Sitz in Genf. Berichte wurden 1990, 1995, 2001, 2007 und 2018 vorgestellt. Ein weiterer Bericht, der fünfte Report, ist von 2013 (September) und 2014 (November). Die Experten (bis zu 95) warnen vor größeren Gefahren in den Küstenregionen. Die Meeresspiegel könnten bis zum Jahre 2100 - je nach Szenario -  um 26 bis 82 cm steigen. Es wird auch auf 85% der weltweiten Landfläche brutal heiß. Ende März 2014 wird im japanischen Yokohama ein weiterer Teilbericht bekannt gegeben: Der CO2-Ausstoß ist zu hoch. Die Meere erwärmen sich dadurch schneller und die Meeresspiegel steigen. Befürchtet werden Hunger und Konflikte in der Welt. Hunderte Millionen Küstenbewohner werden ihre Heimat verlieren, weil Überflutungen durch den starken Anstieg con CO2 zunehmen (Meeresspiegel ist von 1901 bis 2010 um 19 Zentimeter gestiegen). 500 Experten schreiben an dem Entwurf. Weizen-, Reis und Maiserträge nehmen ab, wodurch Hungersnöte entstehen. Die Oberflächentemperatur ist von 1880 auf 2012 um 0,85 Grad Celsius gestiegen. Die Gletscher werden weiter abschmelzen. Die Verbreitung der Tier- und Pflanzenarten verschiebt sich mit den Klimazonen. Extremwetter wie Hitzewellen, Überflutungen, Wirbelstürme und Brände werden zunehmen. Verantwortlich dafür ist vor allem die Nutzung der fossilen Brennstoffe. Die Erderwärmung kann auf zwei Grad begrenzt werden, wenn die Menschheit deutlich mehr für den Klimaschutz tut. Der rechtzeitige Wechel auf alternative Energien kostet wenig und schlägt mit einem Wirtschaftswachstum von 1,6 bis drei Prozent pro Jahr mit einem Minus von jährlich 0,06% zu Buche. Im November 2014 werden folgende Ergebnisse veröffentlicht: Die Konzentration von Treibhausgasen ist auf dem höchsten Stand seit 800.000 Jahren. Die Oberflächentemperatur der Erde hat sich zwischen 1880 und 2012 um 0,85 Grad erhöht. Der Meeresspiegel ist zwischen 1901 und 2010 um 19 Zentimeter gestiegen. Notwendig sei eine Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen um 40 bis 50% zwischen 2010 und 2050 und auf Null bis 2100. Von fossilen Energieträgern müsse auf erneuerbare Quellen umgeschwenkt werden. Am 08. Oktober veröffentlicht der Klimarat wieder einen Gesamtüberblick in Form eines Sonderberichts , diesmal in Südkorea. Das Expertengremium der UN schlägt Alarm: Die Menschheit schaffe es bisher nicht, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Es drohten enorme Schäden für Erdbewohner und Umwelt. Der Netto-Ausstoß von Kohlendioxid muss gemäß dem Bericht bis 2050 auf Null sinken. Ein Erwärmungsgrad um zwei Grad Celsius würde praktisch zur Vernichtung der Korallenriffe führen und andere massive Auswirkungen haben (Überschwemmungen, Eisschmelze u. a.). Im Sommer 2019 beschäftigt sich der Weltklimarat in Genf mit der Frage: Wie lässt sich die Ernährung einer rapide wachsenden Weltbevölkerung sicherstellen, ohne die Natur und damit die Existenzgrundlage zu zerstören? Ende September 2019 legt der IPCC seinen Sonderbericht zu den weltweiten Schnee- und Eisvorkommen und zu den Meeren vor: Er hat 900 Seiten und 7000 Studien ausgewertet. Schon jetzt tauen vielerorts die Gletscher. Der antarktische Eisschild verlor im Zeitraum 2007 bis 2016 dreimal so schnell an Masse wie von 1997 bis 2006. Als Folge dieser Entwicklung müsse mittel- bis langfristig mit regelmäßig überschwemmten Küstenmetropolen und versinkenden Inselstaaten gerechnet werden. so genannte Jahrhundertüberschwemmungen drohen ab 2050 in bestimmten Regionen und Städten. Nur durch eine deutliche Reduktion der Treibhausgase könnte diese Entwicklung abgemildert werden. Der Meeresspiegel steigt seit Beginn des 21. Jh. zweimal so schnell wie im 20. Jh. "Der Hochgeschwindigkeitszug zur Treibhausgasminderung muss jetzt schnell abfahren, und die Welt muss darauf aufspringen", Rajendra Pachauri, Ex-Vorsitzender des IPPC (tritt nach Vorwürfen sexueller Belästigung zurück). Im Februar veranstaltet der Weltklimarat eine globale Weltklimakonferenz in Kenia zur Vorbereitung des Weltklimagipfels in Paris.

Erderwärmung als Gefahr für die Welternährung (Gutachten des IPCC 2019): Der Bericht des IPCC 2019 ist 1200 Seiten stark. Tausende Wissenschaftler haben den jeweiligen Stand der Forschung zusammengestellt. Die Staaten der Welt werden darin zur schnellen Kehrtwende bei der Landnutzung aufgefordert. Die Agrarwirtschaft verursache zu viele Treibhausgase; zu viele Wälder würden für Weideland abgeholzt. Etwa ein Viertel aller von Menschen verursachten Treibhausgase hänge mit der Bestellung des Bodens zusammen. Die Aufforstung solle vorangetrieben werden. Wälder und Moore sollten besser geschützt werden.

Weltrat für Biologische Vielfalt (IPBES): Seit 2012 als UN-Gremium. Erstellt in bestimmten Zeitabständen Reports. "Die Erde riecht großartig", Alexander Gerst, deutscher Astronaut 2014 nach der Landung.

UN World Conference on Disaster Risk Reduction: Es geht um ein neues Rahmenwerk zur Reduzierung von Naturkatastrophen mit einer Laufzeit von 15 Jahren. Die dritte Konferenz findet in Sendai/ Japan statt. vgl. www.wcdrr.org .

G-77 und Aosis - Staaten: Die Gruppe der 77 ist einloser Zusammenschluss von überwiegend ärmeren Staaten des Südens. Sie versuchen die Entwicklungsländer zu kooperieren. Hauptsprachrohr ist China. Die Alliance of Small Island States (Aosis) ist ein Bündnis kleiner Inselstaaten, die vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht sind. Dazu gehören Dominica und die Malediven. "Kopenhagen kann und muss der Wendepunkt im Kampf gegen den Klimawandel werden", Yvo de Boer, Chef des Un-Klimasekretariats.

Umweltforen:  Im Jahre 2020 nur noch 737 Mio. t CO2 im Jahr (jetzt 1007). 1. Geringerer Stromverbrauch, 2. Effizientere Kraftwerke, 3. Erneuerbare Energien, 4. Wärmeerzeugung, 5. Kraft-Wärme-Kopplung, 6. Gebäudesanierung, 7. Verkehr, 8. Andere Treibhausgase. Das Klimaschutzziel soll pro Kopf definiert werden, um die Schwellenländer einzubeziehen. Daraus wird folgendes  Klima-Paket im Sommer 2007 der Bundesregierung entwickelt und Mitte 2008 beschlossen: Bis 2020 rund 30% durch erneuerbare Energien (vor allem Kraftwärmekopplung). Bis 2020 Reduktion von CO2 um 40% gegenüber 1990. Das Paket besteht aus vier Gesetzen. Es soll bis 2020  500.000 zusätzliche Jobs schaffen und kostet 313 Mrd. €. Auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm hatte man sich darauf geeinigt, dass bis 2050 eine Reduktion von CO2 um mindestens 50% geprüft werden soll und nur noch eine Erwärmung im Rahmen von 2 Grad toleriert werden kann. "Wir werden eine Halbierung der globalen Emissionen bis 2050 ernsthaft prüfen", aus der Abschlusserklärung der G8  2007 in Heiligendamm. 2008 haben sich die Umweltminister der G8 in Kobe (Japan) getroffen. Sie haben beschlossen, bis 2050 den CO2-Ausstoß mindestens um die Hälfte zu reduzieren. Die wird auf dem G8 Gipfel 2008 in Toyako/Japan bestätigt und soll Ende 2009 in ein Abkommen einfließen, aber nur, wenn die Schwellenländer (G5, zusammen 80% CO2) mitmachen. Neuere Studien zeigen, dass die G8 hinter ihren Zielen zurückbleiben. 2009 setzt Obama eine neue Umweltschutzpolitik in den USA durch: das CO2 -Ziel ist allerdings sehr bescheiden (bis 2020 soll CO2-ausstoß um 17% unter das Niveau von 2005 sinken). Auf dem G8-Gipfel im Juli 2009 in Italien geht es um die Vorbereitung von Kopenhagen: Die Industriestaaten alleine wollen den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2050 um 80% im Vergleich zu 1990 herunterfahren. Im Mai 2010 findet in Bonn der "Petersberger Klimadialog" statt. Er soll in erster Linie der Vertrauensbildung nach der Pleite von Kopenhagen dienen und die Konferenz von Cancun Ende 2010 vorbereiten. Fortschritte werden aber erst auf der Konferenz 2011 in Südafrika erwartet. Deutschland hat in Europa die ehrgeizigsten Klimaziele: bis 2020 sollen die CO2-Emissionen um 40% im Vergleich zu 1990 gesenkt werden. Das Gemeinschaftsziel der EU fällt mit 20% viel geringer aus. Im Sommer 2011 lädt die Bundesregierung 35 Staaten nach Berlin, um die nächste Weltklimakonferenz Ende des Jahres in Südafrika vorzubereiten. Es geht erstmal um freiwillige Maßnahmen. Auch im Mai 2013 findet wieder eine Petersberger Konferenz statt. Sie macht deutlich, das beim Klimaschutz Wunsch und Wirklichkeit weit auseinanderklaffen. Rund 30 Regierungen haben Vertreter entsandt. Der Emissionshandel funktioniert nicht. Im Juli 2014 findet wieder der Petersberger Dialog in Berlin statt. Es geht um die Vorbereitung des nächsten Weltklimagipfels. 35 Staaten sind beteiligt. China will den globalen Vertrag 2015 mit unterstützen. 2022 findet wieder ein Petersberger Dialog in Berlin statt. Kanzler Scholz ist anwesend. Das deutsche Klimaziel wanke nicht (er hält seine erste klimapolitische Rede seit er Kanzler ist). Der Dialog dient der Vorbereitung der nächsten Weltklimakonferenz. Der Klimadialog bleibt ohne konkrete Ergebnisse.  "Großes wird auf Gipfeltreffen nicht bewegt, aber Schlimmeres verhindert", Helmut Schmidt.

Klimaspiel: Spieltheoretisch, d. h. strategisch, lässt sich erklären, warum Klimaverhandlungen auf globaler Ebene scheitern. Das Design des Spiels wurde schon 1968 von dem US-Ökologen Garret Hardin entwickelt. Es geht um Kühe auf einer Weide. Vgl. Milinski, M./ Marotzke, J.: Das Klimaspiel, in: Marotzke, J./ Stratmann, M.: Die Zukunft des Klimas, München 2015, S. 93ff.

Umweltkonferenz in Stockholm 1972: Sie gilt als Beginn der globalen Umweltpolitik.

Genf 1979. Erste Weltklimakonferenz unter dem Dach der UN, organisiert von der WMO. Seit dem steigt das CO2 in der Atmosphäre ungebremst an ohne Trendwende.

Toronto (ein Vorläufer der Weltklimakonferenz) 1988: Erste Weltklimakonferenz. Sie blieb ohne wichtige Ergebnisse. Andere Ereignisse in der Welt hatten Priorität (bevorstehender Fall der Mauer, Freihandelsabkommen USA, Kanada u. a.).

Rio de Janeiro (Weltklimakonferenz): 1992 fand dort der erste Weltklimagipfel statt, der eine Klimaweltrahmenkonvention verabschiedete. Es trafen sich Vertreter von 178 Staaten. Es war eines der größten diplomatischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts. Es waren nahezu alle Politikgrößen der Welt vertreten. Damals wurden erstmals Leitlinien zur nachhaltigen Entwicklung der Welt festgelegt (fünf Dokumente: nachhaltige Entwicklung, Klimaschutz, Wälder, Biodiversität, Bekämpfung der Wüstenbildung). Im Juni 2012 wird ein Jubiläumsgipfel wieder in Rio tagen (Rio+20, Beginn 20. Juni, Vorgespräche 14. Juni, Ende 22.06.). Allerdings bröckelt die Teilnehmerzahl merklich. Aber noch ca. 100 Staats- und Regierungschefs treffen sich. Insgesamt sind rund 190 Staaten vertreten. Zentrale Punkte sind eine "grüne Ökonomie" im Kontext von Armutsbekämpfung (Nachhaltigkeitsziele) sowie die Stärkung von Institutionen für den Umweltschutz. Vor allem die UN-Umweltorganisationen sollen reformiert werden (auf eine stärkere finanzielle Basis gestellt). Daneben spielen die Nutzung von Rohstoffen und Menschenrechte eine Rolle. Es geht auch um den Schutz der Meere. Es wird ein Menschenrecht auf Nahrung verankert.  Man kann sich auf eine Schlusserklärung am Anfang  einigen! (sagt Alles). Ein Durchbruch wird nicht erzielt. Auf Rio geht aber die Agenda 21 zurück. Sie hat das Umweltbewusstsein vieler Länder verändert und Menschen lokal einbezogen. "Denke global - handle lokal" war eine der vielen Zusammenfassungen von Rio.

Kyoto-Protokoll: Es wurde 1997 in Kyoto (Japan) beschlossen und schreibt vor, dass die Industrienationen ihren Ausstoß von Treibhausgasen (greenhouse gases) um durchschnittlich 5,2% relativ zu 1990 im Zeitraum 2008-2012 reduzieren (am 16. Februar 2005 ist es mit der Ratifizierung Russlands in Kraft getreten). China, Indien, sowie die USA  sind nicht beigetreten (Australien erst 2007). Die Schwellenländer argumentieren mit der Verantwortung der Industrieländer für den Klimawandel. Enthalten ist auch das Joint Development: es wird einer Firma in einem Industrieland erlaubt, Investitionen zur Minderung von CO2 auch in einem anderen Industrieland vorzunehmen und sich diese anrechnen zu lassen. Daneben gibt es einen Clean-Development-Mechanismus (CDM), mit dem sich reichere Staaten von ihrer Pflicht freikaufen können, weniger Treibhausgase in die Luft zu pusten. China gehört hier zu den größten Nutznießern (z. B. Windparks in der Inneren Mongolei). Speziell zum Schutze der Ozonschicht wurde 1987 das Montrealer Protokoll beschlossen, das den Ausstoß der FCKWs regelt, damit sich die stratosphärische Ozonschicht erholen kann. Es könnte als Modell für globale Klimaabkommen genutzt werden. Gefährlich ist das Ozonloch, das eine starke Ausdünnung der Ozonschicht über der Antarktis bezeichnet, die jedes Jahr zu Beginn des Frühlings auf der Südhalbkugel beobachtet werden kann. Im September 2007 wird die Regelung verschärft: bis 2020 sollen die IL und bis 2030 die EL auf FCKW und H-FCKW verzichten. 1992 wurde in Rio de Janeiro das erste Weltklimaabkommen unterzeichnet (erste völkerrechtliche Abkommen). Kanada ist mittlerweile aus dem Protokoll ausgestiegen. "Die Menschen müssen begreifen, dass sie das gefährlichste Ungeziefer sind, das je die Erde bevölkert hat", Friedensreich Hundertwasser, österreichischer Maler, gestorben.

Die Weltklimakonferenz (die 13.) fand im Dezember 2007 auf Bali statt (vom 3.-14.). Vertreten sind vor allem die 20 größten Energieverbraucher der Welt, insgesamt 190 Länder. Es ging um einen verbindlichen Fahrplan (Roadmap) sowie ein quantitatives Ziel (konnte nicht beziffert werden) und um einen Umweltfonds für Entwicklungsländer (bis 2012 Volumen von 500 Mio. $, mit einem Transfer umweltfreundlicher Technologien, auch Fonds zum Waldschutz). Im September 2007 wurde die Konferenz in Berlin vorbereitet. In Accra/ Ghana beraten vom 21. 08. 08 mehr als 1000 Delegierte aus über 170 Ländern über ein neues Klimaabkommen (UN-Klimatagung). Der neue globale Klimapakt soll 2009 beschlossen werden. Eine weitere vorbereitende Konferenz gibt es Ende 2008 im polnischen  Poznan/Posen, die aber ohne konkretes Ergebnis endet (Anpassungsfonds von 300 Mio. $ zu gering). Weitere Konferenzen folgen 2009 in Bonn (März und Juni, 175 Länder, Aktion von 80 Städten der Welt: "Earth Hour"), im April in den USA und in Italien. Die Vorgespräche in Bonn im Juni 2009 gehen ergebnislos zu Ende (4600 Vertreter, Japan USA und Kanada sperren sich, immer weiter zurückgehende Basisjahre). Auf der UN-Klimakonferenz im September 2009 sichern die USA und China zu, die Treibhausgase zu mindern, machen aber keine konkreten Zusagen.

Ein globaler Klimapakt, der über 2012 hinausgeht, soll 2009 auf einer UN-Konferenz in Kopenhagen beschlossen werden. Die Konferenz beginnt am 7. und endet am 18. Dezember. Viele Vorbereitungskonferenzen finden statt. Sehr wichtig ist die Haltung von den USA, China und Indien. Es geht auch um Gerechtigkeit und Geschichte, aber auch um Wirtschaftsinteressen (eine unrühmliche Rolle haben die arabischen Ölstaaten gespielt). Über 190 Nationen sollen den neuen Vertrag schließen. Als wichtigstes Ziel gilt, den Temperaturanstieg unter dem Wert von zwei Grad gegenüber vorindustrieller Zeit zu halten. Dazu müssen die Treibhausgase bis 2050 im Vergleich zu 1990 um mehr als 50% (IL 80%, EL 30%) verringert werden. Umstritten ist vor allem die Übertragung der Verschmutzungsrecht auf die Jahre nach 2012 (Osteuropa). Auf der APEC - Konferenz in Singapur Mitte November 2009, wo 60% aller CO2-Mengen - Länder zusammenkamen, wurden keine positiven Signale gesendet. Asiaten und die USA geben damit zu verstehen, dass ein Klimavertrag wohl erst später kommen kann. Damit sind die Aussichten gleich null auf eine erfolgreiche Klimakonferenz. Symbolisch wollen die USA unterstützen, indem Obama kommt. Außerdem wollen Sie bis 2020 um 17% ausgehend von 2005 den Kohlendioxid-Ausstoß senken. China bekundet, seinen Kohlendioxidausstoß im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung zu senken. Auch die Industrie ist an einem erfolgreichen Gipfel interessiert, weil sonst Katastrophen-Policen unbezahlbar würden. So will die Münchener einen Klimaschäden - Topf einrichten, der zum Teil aus Umweltsteuern bezahlt werden soll. Die Commonwealth-Staaten(53) fordern ein rechtlich verbindliches Abkommen und einen Fonds für Entwicklungsländer mit 10 Mrd. € (ab 2012). Indien will keine verbindlichen Zusagen machen. Deutschland will Zahlungen an die EL bei der Entwicklungshilfe-Quote anrechnen (0,7%). China, die USA, Russland und Indien sind für die Hälfte des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Es soll ein Klimafonds gegründet werden, aus dem die Entwicklungsländer bei ihrer Umweltpolitik unterstützt werden. Die EU will sich beteiligen (bis 2012 jährlich 2,4 Mrd. €). Japan bietet sogar 13,45 Mrd. € für EL an. In den kommenden drei Jahren stellen die Industrieländer insgesamt 30 Mrd. $ zur Verfügung. Bis zuletzt umstritten umstritten und offen bleiben drei Aspekte: Der Umfang der Minderung der Treibhausgase, die Finanzierung von Klimahilfen und die Vertragsform. Der Minimalkonsensus lautet: nicht mehr als zwei Grad Erwärmung bis Ende des Jahrzehnts (nicht als Abkommen und mit offener Verteilung bzw. Kontrolle). Konkrete Maßnahmen werden nicht beschlossen. Alle Industrieländer sollen bis 2010 nationale Treibhausgasziele vorlegen. Keiner muss internationale , unabhängige Klimaschutz-Überprüfungen im eigenen Land zulassen. Die Finanzierung des Regenwälder-Schutzes bleibt offen. "Die USA und China stellen ihre nationalen Interessen oft über die Umwelt. Das ist engstirnig, da auch sie ein Teil der Welt sind", Dalai - Lama.

UN-Weltklimakonferenz im mexikanischen Cancun 2010:  Ende November und Anfang Dezember 2010 findet die Weltklimakonferenz in Cancun statt (194 Staaten). China und die USA bremsen so stark, dass kein Durchbruch stattfindet. In der Folge auch Japan. China und Indien gestehen ein, dass sie das Klima stärker als geplant belasten. Die Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung steht auch im Mittelpunkt: 70% der weltweit erzeugten Kalorien hängen von den drei Quellen Mais, Reis und Weizen ab (wichtig auch Soja). Am stärksten vom Klimawandel in Wirkung auf die Agrarproduktion ist Afrika betroffen. Die sechs größten Klimasünder (gemessen an CO2-Emissionen) sind: China, USA, Russland, Indien, Japan, Deutschland. Pro-Kopf ergibt sich eine andere Rangfolge. Ein weiteres Schwerpunktthema ist der Schutz der Wälder. Mit Milliarden Dollar sollen jene Länder belohnt werden, die ihre Urwälder schonen. Urwälder waschen und speichern. Durch Rodung entstehen weltweit 17,4% der Treibhausgase. Weiterhin soll die Technologiekooperation zwischen Entwicklungs- und Industrieländern verbessert werden, ebenso die langfristige Finanzierung von Umweltschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern (Grüner Klima-Fonds mit 100 Mrd. € aus öffentlichen und privaten Quellen über Weltbank). Alle Staaten bekennen sich in der Abschlusserklärung (Präambel) zum Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen (konkrete Grenzen auf der nächsten Klimakonferenz 2011 in Südafrika; bis 2015 1,5 Grad). Damit gibt es Reduktionsziele, die aber nicht bindend sind. China und die USA stimmen zu, vor allem Bolivien wollte mehr (konnte aber von Mexikos Außenministerin Parizia Espinosa umgestimmt werden). "Zeit ist im Klimaschutz nun einmal noch vor dem Geld die kostbarste Ressource", Die Rheinpfalz, 13. 12. 10, S. 2.

Weltklimakonferenz im Dezember 2011 in Südafrika (Durban, 28.11.-10.12.11): Ca. 190 Staaten. Es wird vor allem um den Emissionshandel gehen. Ziel soll mehr Klimagerechtigkeit sein. Vor der Konferenz warnt der Weltklimarat IPCC vor der Zunahme extremer Wetterereignisse. Nach der Internationalen Energieagentur steigen die weltweiten CO2-Emissionen bis 2035 ohne Gegensteuern auf 43 Mrd. t (mit beschlossenen Maßnahmen auf 37 Mrd. t, für das Zwei-Grad-Ziel dürfen es nur 10 Mrd. t sein). Die Chancen für das Zwei-Grad-Ziel schwinden. Nach der UN-Wetterorganisation WMO waren die letzten 13 Jahre die wärmsten auf der Erde. Polen, das bis Ende des Jahres 2011 die EU-Ratspräsidentschaft innehat, wird für die EU verhandeln (Bremsklotz bisher). Die großen Verursacher von Treibhausgasen (China, USA, Brasilien, Indien, Russland) bewegen sich nicht. Die EU kann eine Koalition mit den Entwicklungsländern schließen (120 Länder insgesamt: EU, afrikanische Staaten, am wenigsten entwickelte Länder, kleine Inselstaaten). Man einigt sich auf das Zwei-Grad-Ziel und beschließt einen Fahrplan, Klimafonds (jährlich 100 Mrd. $) und will ein internationales Klimaabkommen vorbereiten. Die Konferenz wird verlängert, um einen endgültigen Kompromiss zu finden (Kerngruppe von 28 Staaten mit Deutschland, USA, China). Umstritten ist die Bindung der Ziele. Am Ende findet man einen Fahrplan: bis 2015 soll ein neues, rechtlich verbindliches Protokoll beschlossen werden, das 2020 in Kraft treten soll. Das Kyoto-Protokoll läuft bis 2017 (Fortschreibung, allerdings nur für 37 Staaten). Kurz nach der Konferenz kündigt Kanada seine Mitgliedschaft im Kyoto-Protokoll (sonst wären wegen Nichterreichung des Zieles 14 Mrd. $ fällig). Mit dem Ausscheiden Japans wird auch gerechnet.

Die Konferenz 2012 findet vom 26.11.2012 in Katar (Doha) statt. Es wird insbesondere um die Verteilung der Lasten gehen. Dabei ist das Gerechtigkeitsprinzip entscheidend (Gleichheit, Verursacher, Leistungsfähigkeit, Souveränität (d. h. ausgehend vom Status quo der Emissionsverteilung). Endlich sollen auch konkrete Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasen beschlossen werden. Man will auch China, Indien und die USA ins Boot holen. Der dritte Petersberger Dialog findet in Vorbereitung Mitte Juli 2012 in Berlin statt. 35 Minister sind gekommen. Die entscheidende Rolle wird China zukommen. Davon hängt auch die Haltung anderer Schwellenländer ab (z. B. Indien). Das Klimaproblem wird bleiben, wenn das Schuldenproblem je gelöst ist. Das Abschlusspapier der Vorbereitungskonferenz stellt fest, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen, die Erderwärmung auf maximal 2 Grad Celsius zusätzlich zu begrenzen. In Deutschland gibt es einen Streit darüber, ob ein "Klub der Willingen" (Cartagena-Gruppe) unterstützt werden soll. Es geht dabei auch um die grundsätzliche Frage, ob es sinnvoll ist, dass Deutschland und Europa eine Vorreiterrolle übernehmen (ist Vorleistung strategisch sinnvoll?). Dabei geht es auch um den Nutzen für die Umweltschutztechnologie-Branche. Die EU kann auf der Konferenz keine einheitliche Linie vertreten, weil sich Polen wegen seiner Kohlekraftwerke sträubt (obwohl es die nächste Klimaschutzkonferenz ausrichten soll). Außerdem geht es um die weitere Gültigkeit ungenutzter Emissionsrechte (interessant für osteuropäische Länder, sollen nicht verkäuflich sein, nur Eigenbedarf). Drei Punkte sind noch offen: 1.Bedingungen für eine neue Verpflichtungsperiode, 2.Neuer Fahrplan für Klimaabkommen, 3.Finanzielle Hilfen für Entwicklungsländer (fordern bis 2015 60 Mrd. $, nur die EU zeigt Zahlungsbereitschaft). Die Verhandlungen dauern über das ursprüngliche Ende 07.12. hinaus an und enden am 08.12.12. Das Ergebnis ist kaum als Kompromiss zu bezeichnen (auch die Abstimmung ist umstritten, der katarische Sitzungspräsident peitscht durch): Die neue Kyoto-Periode beginnt 2013. 2014 sollen die festgelegten Emissionsziele überarbeitet und nachgebessert werden. Entwicklungsländer sollen ab 2020 pro Jahr 100 Mrd. $ erhalten für Klimaschutz und Anpassung an Klimafolgen (unklar, wer zahlt). Russland, Japan und Kanada machen nicht mit. Zur Zeit ist die Welt schon bei einer Erwärmung von +3 Grad( "Climate Action Tracker"). Der Klimavertrag ab 2020 müsste von den Regierungschefs der wichtigsten Länder verhandelt werden. Zur Zeit scheint es sich nur noch um Illusionen zu handeln. Immer kritischer wirkt sich aus, dass das Gros der Umweltbelastungen aus Asien kommt, so dass die westlichen Industrieländer, insbesondere die EU, immer weniger tun können.

2013 gibt es die Konferenz in Polen (Warschau). Sie beginnt am 11.11. 2013. Kurz vorher gab es den größten Wirbelsturm aller Zeiten auf den Philippinen. So wird noch mal angezeigt, welche Folgen der erhöhte CO2-Ausstoß der letzten Jahre und die Klimaerwärmung haben. Allerdings spielt Klimaschutz in Polen keine große Rolle. 90 Prozent des Stroms werden aus Kohle erzeugt (doppelt so hoch wie in Deutschland). Das polnische Braunkohlekraftwerk in Belchatow ist am schlimmsten (31 Mio. t CO2 pro Jahr!). In Deutschland ist 2012 und 2013 der CO2-Ausstoß weiter gestiegen. Der Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms Steiner fordert vor der Konferenz ein höheres Tempo beim Klimaschutz. Delegierte aus 195 Ländern bereiten auf der 19. Weltklimakonferenz ein neues Klimaschutzabkommen vor, das bis 2015 ausgehandelt sein soll. Japan steigt zur Konferenz aus dem Kyotoprotokoll aus. Nach Fukushima müssen mehr Kohle- und Gaskraftwerke Strom liefern, die die Emissionsgrenzen nicht einhalten. Ein verheerendes Signal für die Konferenz. Weiterhin überschattet wird die Konferenz durch folgende Ereignisse: Der polnische Umweltminister, Präsident des Gipfels, wird aus innenpolitischen Gründen entlassen. 70 Entwicklungsländer verlassen die Konferenz vorübergehend, weil keine Institutionen entwickelt werden, um armen Ländern beim Klimaschutz zu helfen. Die Eliten in den meisten Ländern werden zwar "grüner", die Regierungen ziehen sich aber zurück. Noch gar nicht in den Blickpunkt gerückt ist der Verlust an fruchtbarem Boden. Man einigt sich auf ein Waldschutzabkommen. Am Schluss droht sogar das Chaos. Große Umwelt- und Entwicklungsorganisationen verlassen den Konferenzort: Greenpeace, Friends of Earth (BUND), Oxfam und andere NGO. Aufmerksamkeit erregt ein Bericht des britischen Guardian, worauf der Klimawandel überwiegend auf das Konto von nur 90 Unternehmen gehe (vor allem Energieunternehmen).  Die Konferenz wird um einen Tag verlängert, um noch eine Abschlusserklärung hinzubekommen. Diese gibt es dann auch. Es reicht aber nur für unverbindliche Ziele (einverbindlicherer Vorschlag Frankreichs wurde auf Druck der Schwellenländer China und Indien getilgt). Endgültig soll ein globales Klimaabkommen Ende 2015 in Paris fixiert werden, das 2020 in Kraft tritt. Die Begrenzung der klimaschädlichen Treibhausgase soll auf 2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Epoche begrenzt werden (momentan 4 Grad prognostiziert). Im Prinzip sollen die reichen Länder die armen Länder bei der Anpassung unterstützen (ebenso unverbindlich aufgenommen).

Weltumweltgipfel der UN in Nairobi: Ab 2014 soll dies das global wichtigste und höchste Gremium der Welt in Umweltfragen sein. Er fand im Juni 2014 in Nairobi/ Kenia statt. Es ging um Klimawandel, Artenschutz, Wasserknappheit usw. 2014 UN-Sonder-Klimagipfel in New York: Vor dem Weltklimagipfel in Paris findet eine Konferenz in New York statt. Sie beginnt 23.09. Am 21.09. gibt es die bisher größte Weltklimademonstration. Hunderttausende (300.000) kämpfen für besseren Klimaschutz (Al Gore,  Ban Ki Moon, Leonardo DiCaprio, Sting, Edward Norton u. a.). Demonstrationen werden auch in Melbourne/ Australien, Johannesburg/ Südafrika,  New Delhi/ Indien, Kathmandu/ Nepal, Rio de Janeiro/ Brasilien, London, Paris, Brüssel, Athen, Oslo und Berlin veranstaltet. Es entsteht quasi eine neue Umweltbewegung, die Druck erzeugt. Das Thema Umwelt wird auch mit sozialer Gerechtigkeit verbunden. Es geht auch um den Green Climate Fonds der UN, in den alle Industrieländer einzahlen sollen. Die Finanzierungslücke liegt noch bei 7,7 Mrd. $, weil es kaum Zusagen gab (bisher 2,3 Mrd. $).  Die USA und China wollen eine Vorreiterrolle übernehmen (?). Mehr als 100 Regierungschefs machen am 23.10.2014 eine Abschlusserklärung. Konkrete Zusagen gibt es nicht.

Anfang Dezember 2014 findet der UN-Klimagipfel eine Fortsetzung in Lima/ Peru. Es geht um die Vorbereitungen für den Weltklimagipfel Ende 2015 in Paris. Perus Umweltminister ist der Konferenzpräsident (Manuel Pulgar-Vidal). Die Entwicklungsländer benötigen das Dreifache der bisher veranschlagten Summe (100 Mrd. $  mal drei). 10 Mrd. Euro kommen erstmal für den grünen Klimafonds zusammen (Die EU und Australien stocken auf). Die CO2-Reduktion muss stärker als bisher geplant ausfallen. Die USA wollen im Jahr 2025 bis zu 28% weniger Treibgausgase emittieren als 2005. China will spätestens 2030 die Wende einleiten. Rückenwind erhält die Abkehr von fossiler Energie durch die Finanzwelt: Versicherungen und Stiftungen beginnen damit, ihre Investitionen aus fossilen Energieunternehmen abzuziehen. Der Gipfel wird verlängert, da man sich nicht auf eine Abschlusserklärung einigen kann. Diese kommt zwei Tage später, aber relativ unverbindlich. Nicht geklärt bleibt die Frage nach der Rolle der Schwellenländer wie China und Indien (gehören zu den stärksten CO2-Emittenten, auch Saudi-Arabien gehört dazu). Sie selbst wollen wie Entwicklungsländer behandelt werden und eher nicht zahlen. Bis Ende März 2015 sollen verbindliche nationale Klimaziele festgelegt werden. Dabei gibt es drei Säulen: 1. Alle Staaten reduzieren den Treinhausgasausstoß. 2. Das Leben auf der Erde wird dem Klimawandel angepasst. 3. Den ärmsten Ländern wird geholfen. Klimaschutz ist auch immer ein Thema auf den G7 und G20-Koferenzen. Greenpeace legt sich beim Gipfel mit der peruanischen Regierung an. In der Wüste von Nazca wird unter dem Kolibri-Scharrbild (2500 Jahre alt, Weltkulturerbe seit 1994) ein riesiges Tuch mit der Aufschrift "Time for Change. The Future is Renewable" enthüllt. Dabei ist das Betreten verboten und das Bild wurde zusätzlich beschädigt.

2015 Weltklimakonferenz in Paris (Tagungsort Le Bourget): Soll bis Ende 2015 stattfinden und einen umfassenden Weltklimavertrag bringen (Pariser Vertrag). Der Gipfel ist besonders wichtig, weil die Zeit abläuft und die Umsetzung von Beschlüssen Zeit kostet. China, mengenmäßig insgesamt weltweit größter Umweltverschmutzer, strebt ein nationales Treibhausgas-Minderungsziel an (Wendepunkt aber erst 2030). Im ersten Halbjahr will Klimaminister Xie Zhengua den konkreten Beitrag seines Landes festlegen. Das Land will den globalen Vertrag unterstützen. Auf dem G-20-Gipfel im November 2014 wird ein rechtsverbindliches Abkommen über Klimaschutz in Paris vereinbart. Japan und die USA machen Zusagen in Höhe von 4,5 Mrd. Dollar für den UN-Klimafonds. Deutschland und Frankreich hatten bereits vorher je eine Milliarde Dollar zugesagt. So enthält der grüne Klimafonds Ende 2014 9,3 Mrd. Dollar. Die ersten Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern sollen 2015 bewilligt werden. Man versucht unbedingt die Staaten ins Boot zubekommen, die bei Kyoto nicht mehr dabei sind: USA, China, Kanada, Japan, Russland, Australien. Das neue Abkommen soll 2020 in Kraft treten. Bis 2100 soll dann die Erderwärmung um höchstens 2 Grad zunehmen. Mai 2015 soll ein kompletter Plan vorliegen. Die Konfliktlinie verläuft zwischen Umweltschutz und wirtschaftlicher Entwicklung. Deshalb wird es den ganz großen Wurf nicht geben. Vorbereitend findet in Berlin am 18. und 19 Mai 2015 eine Konferenz der G7 statt. Es sollen Stolpersteine für die Konferenz in Paris ausgeräumt werden. Im Kern geht es um drei Fragen: Wer soll wie viel Treibhausgase produzieren? Wie können sich bestimmte Regionen an den Klimawandel anpassen? Wer zahlt wie viel in den Fonds für arme Länder? Deutschland will als Vorbild vorangehen und verdoppelt seine Klimafinanzierung  für den Klimafonds auf 4 Mrd. Euro jährlich. Die Weltgemeinschaft will ab 2020 100 Mrd. Dollar aufbringen. Auf dem G7-Gipfel auf Schloss Elmau werden weitere Punkte abgestimmt: Die G7 bekennen sich zum Zwei-Grad-Klimaziel bis 2100 (Geltung ab 2020, kein Einspruch von Japan und Kanada). Bis 2050 sollen die Treibhausgase aus der Nutzung fossiler Energieträger, insbesondere Kohle, um 40 bis 70 Prozent reduziert werden. Die vorbereitende Klimakonferenz in Bonn Anfang September 2015 erzielt kaum Fortschritte. Die EU will in Paris eine regelmäßige Überprüfung der Fortschritte beim Treibhausgas-Ausstoß durchsetzen. Die Staaten sollen alle fünf Jahre ihre Daten offen legen und eine Rücknahme der bereits formulierten Ziele soll nicht mehr möglich sein. Der Gipfel könnte dadurch Erfolg haben, dass die Supermächte voranschreiten und sogar in den USA die Leugner des Klimawandels verstummen. Ein Vortreffen in Bonn im Oktober 2015 scheitert: Finanzielle Unterstützung der armen Staaten noch unklar; Rechtsverbindlichkeit des Abkommens noch unklar. Der Weltklima-Gipfel findet vom 30.11. bis 11.12.2015 in Paris statt. Nach den Anschlägen von Paris werden Demonstrationen, Konzerte und Feiern abgesagt. Die meisten Staatschefs kommen zur Eröffnung (von 147 Staaten). Der Gipfel muss Antworten auf vier Grundfragen finden: 1. Begrenzung der Erderwärmung auf wie viel Grad?  2. Inwieweit einigt man sich auf Decarbonisierung? 3. Wie rechtsverbindlich ist das Abkommen? 4. Wie viel Geld bekommen die Schwellen- und Entwicklungsländer (und wer gehört in welche Gruppe)?  "Die Kosten des Nichthandelns werden entsetzlich viel höher sein als die Kosten des Handelns", Rajendra Pachauri 2014 nach der Studie des IPCC, Chef des Weltklimarates. Weltweit finden Ende November bzw. Anfang Dezember 2015 Demonstrationen für stärkeren Klimaschutz statt. Bei den Klimakonferenzen gilt immer noch das Prinzip der Einstimmigkeit. Ein einzelnes Land kann damit die Tagungsergebnisse blockieren. Aber auch das Mehrheitsprinzip wäre problematisch. Die meisten Staaten legen Wert darauf, in die Kategorie "Entwicklungsländer" zu fallen, um in den Genuss von Privilegien zu kommen. Es bilden sich mehrere Initiativen auf dem Gipfel: 1. 20 Staaten wollen ihre Mittel zur Erforschung erneuerbarer Energien fünf Jahre lang verdoppeln (Bill Gates u. a.). 2. Die drei größten Geberländer im Waldschutz Deutschland, Norwegen und Großbritannien wollen ihre Ausgaben zum Schutz der Tropenländer noch steigern. 3. Die Entwicklungsländer wollen bis 2020 jährlich 100 Mrd. Dollar (was danach zu verdoppeln wäre, Green Climate Fund). Die G7 sagen 300 Mio. Euro zusätzlich zu für Risiko-Versicherungen.  4. Leonardo DiCaprio, Robert Redford, Sean Penn und 1000 Bürgermeister appellieren an die Konferenz, zu Erfolgen zu kommen. 5. Die Ureinwohner vom amerikanischen Kontinent machen auf ihre Lebensbedingungen aufmerksam. Der französische Außenminister Fabius hat die Konferenzleitung. Er arbeitet auch mit Mediatoren. Die Verhandlungen finden hinter verschlossenen Türen statt. Man arbeitet mehr mit freiwilligen Zusagen. Zur Hälfte der Konferenz liegt ein Entwurf vor (ca. 30 S.). Dieser wird ab Montag von den Umweltministern verhandelt. Bisher ist nur ein Zwischenziel von 3 Grad und mehr Erwärmung erreicht (2 Grad wären notwendig; 1,5 Grad wären das Idealziel). Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist zur Zeit günstig finanzierbar. Das System müsste auch völkerrechtlich verbindlich sein (mit Überprüfung alle fünf Jahre; USA sind ihr Engpass wegen Senat). Frankreichs Außenminister Fabius legt Ende der letzten Verhandlungswoche einen neuen Verhandlungstext vor. Damit könnte man dem Ziel eines neuen Klimaabkommens näher kommen. Es gibt bereits mehr als 100 Staaten, die eine "Koalition des hohen Anspruchs" ("High Ambition Coalition") bilden. Dazu gehören die Staaten der EU, Staaten Afrikas, der Karibik und der Pazifikregion (APK). Mit dabei sind die USA und einige Staaten Lateinamerikas. Noch offen ist, ob man sich auf 2 Grad Erwärmung oder 1,5 Grad einigt (letzteres für kleine Inselstaaten notwendig). Der Gipfel muss um einen Tag verlängert werden bis Samstag. China, Indien, Malaysia, Süd-Korea und Saudi-Arabien lehnen den Entwurf ab. Umstritten ist die Finanzierung der Klima-Hilfen (wer zahlt wie viel, wer empfängt?), die Art der freiwilligen Selbstverpflichtung national mit Obergrenze (konkrete Maßnahmen, zwischen 1,5 Grad und 2?), die Einschränkung fossiler Energieträger (wohl nur "Emissionsneutralität" ab 2050) und die Kontrolle( ab 2023, alle 5 Jahre Überprüfungskonferenzen; informelle Bewertung ab 2018).

Neuer Klimavertrag von Paris 2015 (internationales Klimaschutzabkommen, komprimierter Inhalt; Klimaschutzplan 2050): Am Samstag 12. 12. kann ein Abschlusspapier vorgelegt werden: 1. Temperaturanstieg auf deutlich weniger als 2 Grad ab 2020 bis 2100 (möglichst 1,5 Grad; Nicaragua bis zuletzt dagegen, kann nur vom Papst umgestimmt werden; Ziel ist schwierig, da Kohlenstoffbudget fast aufgebraucht; die vorherigen Klimapläne liegen zwischen 2,7 und 3,5 Grad); 2. Finanzhilfen und Transfer von Technologie für ärmere Staaten ( Kompensation; 2020-2025 jährlich 100 Mrd. $; danach aber keine genauen Beträge); 3. Verteilung der Klimapflichten zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern (Vorsorgemaßnahmen, Türkei beharrt auf Sonderstatus, weil im Umbruch); große Verschmutzer wie China, Mexiko und Saudi-Arabien müssen höhere Anforderungen erfüllen und werden nicht mehr bei den Entwicklungsländern eingeordnet; 4. Kompletter Umbau der weltweiten Energieversorgung zu "Emissionsneutralität" ab 2050 (USA beharren auf "should" statt "shall"; Einstieg zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern; Emissionen sind die Schwäche des Vertrags; Dekarbonisierung kommt nicht vor ). Erneuerbare Energien sind anzustreben. 5. Wälder senken CO2 aus der Atmosphäre. Die Entwaldung soll gestoppt werden und eine Aufforstung für Klimaschutz betrieben werden.  6. Nicht-staatliche Akteure werden anerkannt (Energiegenossenschaften, Bürger). 7. Menschenrechte (Rechte Indigener, Geschlechtergerechtigkeit) in der Präambel.  7. Marktmechanismen werden ausdrücklich anerkannt, wie z. B. der Emissionshandel. Staaten können sich auch freikaufen durch Öko-Investitionen in armen Ländern. 8. Transparenz: Regelmäßige Überprüfung und Bekanntgabe. Anpassung im Sinne ärmerer Länder und evtl. Schadensersatz. Keine Sanktionen. Die Zustimmung der 195 Teilnehmer zum Klima-Vertrag kommt schließlich zustande. Damit liegt ein "historisches" Klimaabkommen vor, das erstmals von der ganzen Welt getragen wird ("Wendepunkt"; rechtlich verbindlich; nicht für nationale Zusagen). Beurteilung: Das Zeitfenster müsste in weiteren Verhandlungen verschärft werden (Ziele fangen erst 2025 bzw. 2030 an). Nur für die ferne Zukunft waren die Verhandler großzügig. Weiterhin müssen sich die Preisverzerrungen bald ändern. Öl und Kohle sind 2015 viel zu billig und verhindern den schnelleren Umstieg auf erneuerbare Energien. Das grundsätzliche Kooperationsproblem konnte nicht gelöst werden. Wer am meisten für den Umweltschutz tut, profitiert selbst nur zum kleinen Teil davon, hat aber hohe Kosten. Das "Free-Rider-Problem" konnte somit nicht geklärt werden. Jeder Staat darf weiter vor sich hin werkeln, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Auf globaler Ebene können Minimalkompromisse und Absichtserklärungen allein keine Lösung zur Rettung der Erde sein. Trotzdem wird der Vertrag als großer Durchbruch gesehen. Größter Mangel ist die Nichtverpflichtung einzelner Länder. Vgl. Alfred Endres: Prima Klima?!, in: WiSt, h. 4/ 2016, S. 208ff. Im Gegensatz zum 1997 geschlossenen Kyoto-Protokoll ist das Pariser Werk nicht rechtlich bindend.  Inkrafttreten:  China ratifiziert das Abkommen im September 2016 (20% aller Umweltverschmutzung). Ebenso die USA (17,9%). Damit steigt im September 2016 die Zahl der beigetretenen Länder auf 26. Mindestens 55 Länder müssen zum Inkrafttreten dabei sein. Sie müssen zusammen mindestens 55 Prozent der weltweiten Treibhausgase produzieren. Die EU wird gemeinsam ratifizieren. Das kann dauern. Man muss sich noch über die Verteilung einigen. Die EU-Umweltminister einigen sich aber am 30.09.16 über einen Weg. Daraufhin stimmt das EU-Parlament für die Ratifizierung. 7 Länder folgen China und den USA. Auf der UN-Vollversammlung am 21.09.16 folgen weitere 31 Länder. Der Bundestag ratifiziert am 22.09.16. Die bis September 2016 beigetretenen Länder decken 48% der weltweiten Emissionen ab. Am 25.09.16 gibt Indien (drittgrößter CO2-Emitent) bekannt, das Abkommen zu unterzeichnen. Damit könnte der Klimavertrag relativ früh in Kraft treten. Unter Trump treten die USA wieder aus.  "Das Abkommen wird die Welt der Energie- und Klimapolitik verändern", Christoph Bals, Germanwatch.  "Mit dem Klimavertrag hat sich zum ersten Mal die Gesamt Weltgemeinschaft zum Handeln verpflichtet. Das ist ein Zeichen der Hoffnung für Milliarden Menschen," Angela Merkel, Bundeskanzlerin, Ende 2015.

Implikationen von Paris für die Klimapolitik: Auf der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 wurde beschlossen, in der zweiten Hälfte des 21. J. das Stadium der Klimaneutralität zu erreichen. Das schafft man aber nur, wenn die Maßnahmen des Klimaschutz nicht auf einzelne Länder konzentriert bleibt,. Als ein solch globales Element bietet sich der Emissionshandel an als effizientes Instrument. Dazu müsste der CO2-Preis global vereinheitlicht werden, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen und Verlagerungen von CO2-emissionen (Carbon Leakage) kommt. In diesem Zusammenhang wird auch die Einführung einer CO2 - Steuer gefordert.

UN-Agenda-2030 für nachhaltige Entwicklung: Sie wurde am 25. September 2015  auf dem UN-Gipfel in New York verabschiedet. Es soll ein Zukunftsvertrag für die Menschheit sein. Geregelt werden Menschen, Planet, Wohlstand, Frieden und Partnerschaft. Siebzehn Ziele werden beschlossen: 1. Armut. 2. Hunger. 3. Gesundes Leben. 4. Bildung. 5. Geschlechtergleichstellung. 6. Wasser. 7. Energie. 8. nachhaltiges Wirtschaftswachstum. 9. Infrastruktur. 10. Ungleichheit verringern. 11. Städte. 12. Konsum- und Produktionsmuster. 13. Klimawandel. 14. Ozeane. 15. Landökosysteme. 16. Justiz. 17. Globale Partnerschaft.

2016 Klimakonferenz in Berlin: Die Ende 2015 in Paris beschlossenen Selbstverpflichtungsmaßnahmen der Staaten reichen wohl nicht aus. Also müssen die Staaten noch mehr unternehmen, Ins Blickfeld gerät der internationale Flugverkehr.

UN-Klimakonferenz 2016 in Marrakesch/ Marokko (vom 7. bis 18. November 2016):  Die einzelnen Länder sollen ihre Klimaschutzpläne vorlegen und zeigen, wie sie die Ziele der Weltklimakonferenz von Paris erreichen wollen. Es geht also um die Implementierung des Pariser Abkommens. Deutschland will seinen Treibhausgas - Ausstoß bis 2050 um 80 bis 95% reduzieren. Umstritten ist, welchen Beitrag die einzelnen Sektoren (Verkehr, Landwirtschaft, Energie) leisten sollen. Hier gibt es auch Gegensätze zwischen den Parteien und den einzelnen Ministerien. Es macht keinen guten Eindruck, dass Deutschland ohne fertiges Konzept teilnimmt. Man einigt sich schließlich auf so was wie einen Entwurf, der aber stark zusammengestrichen ist. Der deutsche Klimaschutzplan schont die Kohlereviere (NRW, Brandenburg; Energiesektor). Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß gegenüber dem Referenzjahr 1990 um 55% reduziert werden. Die wichtigsten Ergebnisse von Marrakesch sind die folgenden: 1. Kohleausstieg. 48 Länder wollen komplett auf erneuerbare Energien umsteigen bis 2050. 2. Beratung für Klimaschutz-Neulinge. Das sind 150 Länder. Sie sollen erfahrene  Partner bekommen. 3. Plattform für Klimaschutzpläne. 4. Geld für Anpassung. Deutschland ist mit 190 Mio. Euro der größte Einzelzahler. Der Fonds soll umgerechnet 500 Mio. Euro umfassen. Offen ist, wie der Geldtopf nach 2020 gefüllt wird.  "Der Klimawandel ist in Afrika am grausamsten und ungerechtesten", Segolene Royal, Frankreichs Umweltministerin auf der Konferenz.

UN-Klimakonferenz 2017, Bonn/ Deutschland (COP23): Sie findet Anfang November 2017 (ab 6.11. - 17.11. zwei Wochen) statt. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ist nach der Bundestagswahl 2017 dann nur noch als geschäftsführende Ministerin im Amt. Es werden 25.000 Teilnehmer aus über 190 Ländern erwartet. Die Präsidentschaft hat Fidschi inne (konnte aber wegen fehlender Hotelplätze die Konferenz nicht ausrichten). Der Inselstaat ist vom Untergang bedroht durch den Klimawandel. Auf eine der 300 Inseln müssen schon große Teile der Bevölkerung umgesiedelt werden, weil der Meeresspiegel ansteigt. Deutschland unterstützt die Umsiedlung mit Entwicklungshilfe. Insgesamt gibt Deutschland anlässlich des Gipfels 50 Mio. € mehr für den Umweltschutz der Entwicklungsländer. Wie immer am Anfang einer Konferenz kommt eine schlimme Prognose: Wenn nicht entscheidend gegengesteuert wird, erwärmt sich die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts um 3 bis 4 Grad (CO2-Neutralität ist notwendig). Ein wichtiges Thema sind auch die großen Städte (Megastädte) auf der Erde. Sie haben große Probleme (Naturkatastrophen, Trinkwasserknappheit, Smog, Abfall, Verkehrsströme). In der Gruppe der C40 arbeiten die Städte zusammen. Vor der Eröffnung findet eine große Demo in Bonn statt. Die Proteste richten sich gegen den Braunkohleabbau (Stilllegung von Kohlekraftwerken würde schnell am meisten bringen; aber eine gerechte Verteilung der Lasten wäre besser) . Ziel der Konferenz in Bonn ist die Umsetzung der Beschlüsse des Pariser Klimagipfels (so genanntes Regelbuch zur Umsetzung). Im Einzelnen geht es um folgende Punkte: 1. Ein verbindliches Regelwerk. 2. Länderpartnerschaften. 3. Unterstützung der Entwicklungsländer. Syrien will als eines der letzten Länder dem Pariser Abkommen beitreten (195 Länder). Damit wären die USA völlig isoliert (sie werden in Bonn von zwei Delegationen vertreten: Gegner und Befürworten von Paris).  Eine Gegendelegation der USA kommt demonstrativ nach Bonn (Al Gore, 20 Gouverneure, darunter die Gouverneure von Kalifornien und New York; Motto "We are still in"). Für den Ausstieg der USA beträgt die Kündigungsfrist 3 Jahre. In Paris soll es im Dezember 2017 eine Folgekonferenz geben (100 Länder, 2000 Teilnehmer). Ganz am Schluss der Konferenz einigt man sich auf die Fortführung des Anpassungsfonds für Entwicklungsländer. Die weltweiten Klimaschutzbemühungen sollen schon vor 2020 unter die Lupe genommen werden. Das erarbeitete Regelwerk soll auf der nächsten Weltklimakonferenz in Kattowitz verabschiedet werden. "Versprechen und auch noch halten geht nicht", rheinische Weisheit, auch in Bonn. Auf der Klimakonferenz in Bonn im November 2017 sagt Deutschland insgesamt 107 Millionen Euro für den Umweltschutz der Entwicklungsländer zu.

"One Planet" Summit, Paris/ Seine-Insel Seguin, Kulturzentrum La Seine: Mottos: "There is no Planet B". "Make Planet great again". 11. und 12.12. 2017. Es handelt sich um ein Spitzentreffen zur Finanzierung des Klimaschutzes, weil die USA sich zurückziehen. Anwesend sind 50 hochrangige Politiker und wichtige Geldgeber aus aller Welt, vor allem aus den USA: Bill Gates, Elon Musk, Leonardo DiCaprio, Arnold Schwarzenegger, Sean Penn, Mike Bloomberg u. a. Der französische Präsident Macron hat eingeladen. Die Weltbank erklärt, dass sie ab 2019 aus der Finanzierung von Öl- und Gasprojekten aussteigt. Die führenden europäischen Staaten wollen den Preis für den CO2-Ausstoß erhöhen. Wichtige Unternehmen wollen die Anstrengungen für Umweltschutz verstärken: Versicherer Axa und andere. Es soll massiv in umweltfreundliche Projekte investiert werden. So gab es auch eine Reihe von Initiativen: "Americas Pledge Initiative", Global Alliance to Power Past Coal" oder "We are still in". "Der Markt ist unsere stärkste Waffe", Mike Bloomberg, ehemals OB von New York.

UN-Klimakonferenz in Kattowitz (Katowice), Polen Anfang (3.12.) bis Mitte Dezember 2018 (Cop24): Ca. 200 Länder. Verhandlungen über Klimapolitik. Etwa 20.000 Teilnehmer. Polen war schon zweimal Ausrichter von Umweltkonferenzen: 2008 in Poznafi, 2013 in Warschau. Polen hat die schlechteste Luft in der EU. Kattowitz ist das Kohlerevier. 80% der Energie in Polen sind noch aus Kohle. Es soll ein Regelbuch verabschiedet werden, das die Erderwärmung verlangsamt. Die Vorgaben der Pariser Konferenz von 2015 sollen konkretisiert werden. Es geht um viele technische Details. Die lassen sich in drei Punkte gliedern: 1. Robuste Leitlinien. 2. Transparenz. 3. Verlässlichkeit. Die Weltbank verdoppelt die Mittel für arme Länder für den Klimaschutz auf 200 Mrd. € (+ 1,5 Mrd. € von Deutschland). Das sehr gespannte Verhältnis zwischen China und den USA wirkt sich negativ auf die Konferenz und Klimadiplomatie aus. China bezeichnet sich immer noch als Entwicklungsland und stellt sich an die Spitze dieser Gruppe. Das tolerieren immer weniger Länder. Die USA und Saudi-Arabien behindern systematisch die Klimaverhandlungen (auch Russland). Sie provozieren mit Werbung für die fossilen Energieträger. Die Konferenz wird um einige Tage verlängert. Man braucht noch Zeit um die Ziele zu erreichen: 1. Regelbuch (konkrete Umsetzung der Pariser Beschlüsse). 2. Robuste Datentransparenz. 3. Akzeptanz der Weltklimaberichte. 4. Unterstützung der armen Länder. 5. Ein neues System zum Handeln mit Verschmutzungsrechten. Die Türkei verlangt eine Änderung ihres Status in der Klimarahmenkonvention. Sie will an die Fördergelder für arme Länder ran. Brasilien will Zertifikate für den Amazonas-Regenwald, die reiche Länder kaufen können, noch mal für sich angerechnet bekommen. Es will auch wie China noch als Entwicklungsland eingeordnet werden. Das lehnen die übrigen Länder ab. Ab 2024 sollen alle Staaten nach denselben Regeln berichten. Im Regelbuch wird auch festgehalten, was zum Klimaschutz zählt. Vor der Konferenz gibt es einen Appell von 16 Staatsoberhäuptern zum Klimaschutz: "Initiative for more Climate Ambition". Unterzeichnet haben die Präsidenten Deutschlands, Italiens, Finnlands, Griechenlands, Zyperns, Ungarns, Lettlands, Litauens, Portugals, Sloweniens, Islands, Irlands und der Schweiz. Rechtzeitig legt auch die UN eine Klimastudie vor mit dem Titel "The Lancet Countdown". Es soll mehr Hitzewellen, mehr Unwetter und mehr schlechte Luft geben. "Es ist wichtig, dass wir nicht im Chaos enden", UN-Generalsekretär Guterres auf der Weltklima-Konferenz 2018.

UN-Klimakonferenz in Bonn im Juni 2019:  Es geht um die Vorbereitung der nächsten großen Klimakonferenz in Chile. UN-Generalsekretär Antonio Guterres würde die EU gerne auf eine stärkere Verpflichtung bis 2030 festlegen (mindestens 40% weniger Treibhausgase; er möchte 55% erreichen).

UN-Sonder-Klimakonferenz im September 2019 in New York/ USA: Bei der UN. Sie beginnt am 22.09.2019. Die Konferenz in Chile wird vorbereitet. Greta Thunberg ist auch dabei. Grundlage sind die Daten des Weltklimarates: Soll das Ziel einer "nur" 1,75 Grad Celsius wärmeren Welt mit einer ziemlichen Wahrscheinlichkeit erreicht werden, dürfen die Menschen weltweit nur noch 800 Milliarden Tonnen CO2 freisetzen. Für den deutsche Sachverständigenrat für Umweltfragen ergibt sich daraus ein nationales Budget von 6600 Millionen Tonnen. Nimmt man nur den deutschen Anteil an der Weltbevölkerung (ausgeklammert wird, dass Deutschland schon seit zwei Jahrhunderten CO2-Mengen in die Luft bläst), und machen wir so weiter wie bisher, wäre das deutsche Budget bereits 2028 aufgebraucht. Wenn die Bundesregierung ihre Zwischenziel bis 2030 nicht erreicht, kumulieren sich die Ansprüche und die Methoden müssen verstärkt werden. Von der Bundesregierung nehmen 5 Politiker teil: Angela Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer, Gerd Müller, Svenja Schulze, Heiko Maas. Greta Thunberg hält eine emotionale Rede an die Weltgemeinschaft und wirft den Regierungschefs mangelnde Handlungsbereitschaft vor. Trump ist nur kurz anwesend, darf aber nicht reden.

UN-Klimakonferenz 2019 in (Chile) Madrid (25.): Im Dezember 2019 (Start 2.12., bis 13.12.) findet die nächste UN-Klimakonferenz in Santiago de Chile statt. Sie muss wegen sozialen Unruhen in Chile abgesagt werden. Als Ersatz-Ort ist Bonn im Gespräch, das schon mal für die Fidschi-Inseln eingesprungen war. Es wird dann Madrid. Madrids Stadtpolitik versucht dann zu reagieren, aber eher nach dem Motto "Freie Fahrt statt besserer Luft". Bisherige Fahrverbote für Altfahrzeuge werden gelockert. Gebaute Radwege sollen wieder in Autospuren verwandelt werden. Es sind 196 Regierungsdelegationen angemeldet. Am Wochenende vorher finden weltweit Demonstrationen für mehr Klimaschutz statt. Die USA sind durch eine offizielle und eine inoffizielle Delegation vertreten. Nancy Pelosi führt letztere an. Man ringt um Versprechungen. Jeder scheint abzuwarten, was der andere macht. Im Kern geht es um zwei Punkte: 1. Genaue Regeln für  Handel von Klimaschutz-Zertifikaten. 2. Finanzhilfen für arme Länder. Man kann sich nicht einigen, so dass die Konferenz verlängert wird. Bremserstaaten sind die USA, Brasilien, Saudi-Arabien, Australien. Schließlich kommt es doch zu einem Kompromissbeschluss. Aber außer der EU äußert sich kein Staatenbund oder ein großes Land dazu, wie die Ziele von Paris konkret umgesetzt werden sollen. Brasilien besteht sogar auf einer Doppelanrechnung (Investitionen Dritter in Brasilien werden bei diesen und bei Brasilien angerechnet).  Eine Studie der des Netzwerks "Climate Transparency" 2019 ("Brown to Green"-Report) kommt zu dem Ergebnis, dass kein Staat der G20 beim Klimaschutz auf 1,5 Grad-Kurs ist. Diese Staaten sind für 80%  des Treibhausgas-Ausstoßes verantwortlich.

Video-Konferenz von 30 Ministern aus 30 Staaten in Bonn (Petersberger-Klima-Dialog, 27./ 28.04.20): Er findet normalerweise als reale Konferenz jedes Jahr statt, um andere UN-Konferenzen im Klimaschutz vorzubereiten. Die besondere Form ist wegen der Corona-Krise notwendig. Die Klimakrise soll lebendig gehalten werden, damit sie nicht in der Corona-Krise untergeht. Diese letztgenannte Krise führt zu einer Verschnaufpause für die Erderwärmung. Trotzdem geht es in Bonn um ein anderes Energiesystem. Klimaforscher fordern klimafreundliche Konjunkturprogramme nach der Corona-Krise. Die deutsche Wirtschaft hat Angst um die Wettbewerbsfähigkeit.

Video-Konferenz im April 2021 (22./23.4.21) in den USA: Am 18.4.21 treffen sich eine chinesische (Leiter Xie Zhenhua) und eine us-amerikanische Delegation in Shanghai. Man beschließt und trifft eine Vereinbarung, dass beide Länder bei der Klima- und Umweltpolitik kooperieren wollen (beide Länder haben einen weltweiten Anteil am CO2-Ausstoß von 40%). Sie sind die beiden größten CO2-Emitenten dieser Welt. In fast allen anderen Politikbereichen hat sich seit dem Amtsantritt von Biden das Verhältnis beider Länder eher abgekühlt bzw. ist eher konfliktträchtig. Die US-Delegation wird vom Klimabeauftragten der USA John Kerry geleitet. Beide Länder bereiten sich damit auf die virtuelle Klimakonferenz vor, die Ende April 2021 von den USA ausgerichtet wird (Vorbereitung). Im November 2021 soll in Glasgow/ Schottland dann die nächste reale Weltklima-Konferenz stattfinden.  Auf der Konferenz betont Biden die Chancen der USA. Er schraubt die Klimaziele hoch. Bis 2030 -50% gegenüber 2005.

UN-Klimakonferenz 2020 bzw. 2021 in Glasgow (COP26): Spätestens 2036 müsste der Ausstoß an Treibhausgasen auf Null gesenkt werden, um die Erhitzung der Erde auf 1,5 Grad zu beschränken. Das ist die Ausgangsposition der Konferenz. Die Konferenz wird wegen der Corona-Krise auf 2021 verschoben. Sie soll im November stattfinden (Beginn 31.10.21). Eventuell sollen die Teilnehmer vorher geimpft werden. Am 18.4.21 treffen sich eine chinesische (Leiter Xie Zhenhua) und eine US-amerikanische Delegation in Shanghai. Man beschließt und trifft eine Vereinbarung, dass beide Länder bei der Klima- und Umweltpolitik kooperieren wollen (beide Länder haben einen weltweiten Anteil am CO2-Ausstoß von 40%). Sie sind die beiden größten CO2-Emitenten dieser Welt. In fast allen anderen Politikbereichen hat sich seit dem Amtsantritt von Biden das Verhältnis beider Länder eher abgekühlt bzw. ist eher konfliktträchtig. Die US-Delegation wird vom Klimabeauftragten der USA John Kerry geleitet. Beide Länder bereiten sich damit auf die virtuelle Klimakonferenz vor, die Ende April 2021 von den USA ausgerichtet wird (Vorbereitung). Im November 2021 soll in Glasgow/ Schottland dann die nächste reale Weltklima-Konferenz stattfinden.  Es besteht sicher das Risiko, dass Corona den Klimagipfel überlagert. Die 192 Mitgliedsstaaten sollen überarbeitete Klimaschutzpläne einreichen (seit Paris). Zentral dürfte das Verhältnis zwischen den USA und China sein, die für 40% des weltweiten CO2-Ausstoßes stehen. Vier große Hürden tauchen auf der Konferenz auf: 1. Transfers der Industrieländer an die ärmeren Länder (100 Mrd. $, kommen nicht zusammen). 2. Haftung der reichen Länder für Schäden von Dürre, Wirbelstürme in ärmeren Ländern. 3. Artikel 6 des Pariser Abkommens: zwischenstaatliche Kompensation. CO2-Gutschriften gegenseitig abkaufen. Wer kriegt die Gutschrift: Standort oder Zahler? 4. Regeln und Standards für Fortschritte im Klimawandel. Vgl. Der Spiegel 44/ 30.10.21, S. 18ff. Eine Reihe von Initiativen werden ins Leben gerufen: 100 Staaten wollen die Entwaldung stoppen. Sogar Russland, China und Brasilien sind dabei. hoffentlich bleibt das nicht nur Symbolpolitik. Eine zweite Gruppe gründet einen "Methan-Pledge". Ausgerechnet die größten Emittenten sind nicht dabei: China, Indien, Russland, Australien. Ein globaler Emissionshandel mit sozialem Ausgleich steht noch in den Sternen.  In Glasgow bildet sich eine Initiative zur Abschaffung von Verbrennungsmotoren ab 2040. Deutschland schließt sich nicht an, weil man sich die Verwendung von synthetischem Treibstoff offen halten will. Nur Daimler macht mit. Die Klimakonferenz geht in die Verlängerung. Die Abschlusserklärung enthält erstmals einen Passus zur Abkehr von der Kohle ("phase-down", stark abgeschwächt durch Indien, auch China will nicht ganz auf Kohle verzichten, zusammen fast 40% der Weltbevölkerung ). Bis Ende 2022 sollen die Klimaschutzpläne nachgeschärft werden, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen (noch in diesem Jahrzehnt Senkung von CO2 um 45%, 192 Länder). Die Unterstützung ärmerer Länder war bis zuletzt umstritten (Deutschland unterstützt das Santiago-Netzwerk). Die USA und China verkünden eine verstärkte Zusammenarbeit (die beiden größten CO2-Produzenten). Es wurden Regeln für einen Länder übergreifenden Kohlenstoffmarkt vereinbart. Reiche Länder können für die Förderung ärmerer Länder Emissionszertifikate erhalten. Das Regelbuch zum Pariser Abkommen kann verabschiedet werden.  Die Treibhausgaskonzentration ist 2020 so hoch wie nie trotz der Corona-Krise. Insbesondere folgende Länder haben ihren Ausstoß stark erhöht: Australien, China, Russland, Kanada, Indien. Die Vereinten Nationen haben die Pläne der Regierungen unter die Lupe genommen. Die Erde steuert eher auf eine Erwärmung von 2,5 - 3,0 Grad zu (Quelle: WMO). Wahrscheinlich ist das 1,5 Grad-Ziel schon verloren. Die Queen muss die Reise zur Konferenz absagen. Johnson, der ausrichtende Staatschef,  spielt sich als Klimaretter auf. Guterres, der Generalsekretär der UN, warnt vor "Todesurteil für Staaten". Johnson sorgt sich vor "unbändiger Wut" zukünftiger Generationen. Es finden auch viele Demonstrationen in Glasgow statt. Sie werden von Klimaschutz-Aktivisten und Fridays for Future organisiert. Auf Plakaten finden sich folgende Slogans: "Kapitalismus killt den Planeten", "Die Dinosaurier dachten auch, sie hätten Zeit".

COP 27. UN-Klimakonferenz 2022 in Sharm el Sheikh (Scharm al -Scheich)/ Ägypten: Fast 200 Staaten, 40.000 Teilnehmer. Unweit des Berges Sinai, der durch Moses prägend für Christen und Muslime ist. Entschädigung bei Verlust von Heimat dürfte ein Hauptstreitpunkt werden. Sie findet im November (ab 06.11.) statt. Es gibt viele Vorbereitungsforen. Die UN mahnt vorher an, dass die Bemühungen für Klimaschutz bei weitem nicht ausreichen. Bis 2030 müssten die Treibhausgasemissionen um 45% reduziert werden. Jährlicher Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP). Die deutsche Delegation wird von Staatssekretärin Jennifer Morgan angeführt. Sie ist auch die Klimabeauftragte der Bundesregierung. Ägypten gilt nicht als Vorreiter in Umweltfragen. Es gibt große Bausünden. Auch bei Menschenrechten ist das Land in der Kritik. Es kommt eine Absicherung für ärmere Länder: "globaler Schutzschirm". Versicherungssystem für extreme Wetterereignisse. Gemeinsame Initiative von G7 und V20 (besonders bedrohte Länder). Der amerikanische Präsident Biden kommt zum Gipfel. Er verspricht das Erreichen der Ziele der USA. Dem schließen sich auch die G20-Staaten an: 1,5-Grad-Ziel. China und weitere Länder hatten eine Lockerung angestrebt. Der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern kommt aber wohl nicht in die Abschlusserklärung (nur bei Kohle, bei den anderen Ressourcen schrittweise). Die könnte sich herauszögern (Ende eigentlich am 18.11.22 geplant). Der künftige brasilianische Präsident Lula kommt auf den Gipfel. Er will die Abholzung stoppen, verlangt aber Geld dafür. China will sich nicht an der Finanzierung der armen Länder beteiligen (Ausgleich, Geldtopf für Klima bedingte Schäden), weil es sich selbst noch als Entwicklungsland definiert. Das ist ein Hauptgrund mit dafür, warum sich der Abschluss verzögert. Die Konferenzführung durch Ägypten ist ein weiterer Grund. Sie wird als intransparent, chaotisch und katastrophal  bezeichnet. Ägypten scheint auch nicht neutral zu sein, sondern folgt arabischen Positionen. Der Klimagipfel geht also in die Verlängerung. Am Sonntag, den 20.11. kommt es zu einer Abschlusserklärung. Ein Klimafonds ist zustande gekommen ("historischer Durchbruch"? Lob von den kleinen Inselstatten Aosis). Allerdings bleiben die einzelnen Beiträge zur Finanzierung offen. Die Position Chinas bleibt unklar. Die Erklärung ist vage. Der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern ist nicht enthalten (Ausnahme Kohle; verhindern die arabischen Länder und China). So kann das 1,5 Grad-Ziel nicht erreicht werden. Alle Länder verpflichten sich, mehr für die Umwelt zu tun (aber ohne Kontrolle und Sanktionen). "Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle - mit dem Fuß auf dem Gaspedal", Antonio Guterres, UN-Generalsekretär. "Hoffnung und Frustration liegen nahe beieinander", Außenministerin Annalena Baerbock, Leiterin der deutschen Delegation.

UN - Artenschutzkonferenz in Panama: Sie findet über zwei Wochen Ende November 2022 statt. Es nehmen 180 Staaten teil. Die Ergebnisse werden positiv bewertet. Es kommt zu größerem Schutz vor allem der Meerestiere.

UN - Biodiversitätskonferenz (COP15) in Montreal/ Kanada im Dezember 2022: Die Konferenz findet ab 7. Dezember 2022 statt. Es nehmen fast 200 Länder teil. Die Konferenz findet nur in Kanada statt, weil es in China wegen Covid nicht ging. china hatte aber den Vorsitz. Thema ist die biologische Vielfalt. Die EU will sich für den weltweiten Schutz von mindestens 30 Prozent aller Land- und Meeresflächen einsetzen (das wird auch durchgesetzt). Das soll zu den Zielen bis 2030 der UN hinzugefügt werden. Man will das Sterben von Lebewesen und Ökosystemen (Massensterben, globale Ökokrise) aufhalten. Berühmte und bedrohte Ökosysteme sind der peruanische Regenwald und die Galapagos-Inseln. Es werden über20 Ziele verhandelt.  Vgl. Habekuss, Fritz: Ode an die Fliege, in: Die Zeit 51/ 8.12.22, S. 1. Am 19.12.22 endet die Konferenz. Sie hat viel guten Willen gezeigt, es fehlen Finanzen (ärmere Länder bis 2025 20 Mrd. $; bis 2030 30 Mrd. $).  Deutschland war Vorreiter, die USA waren kaum vertreten. starke Kritik kam vom Kongo und von Uganda.112.000 Tierarten sind weltweit gefährdet, 32.000 stehen unmittelbar vor dem aussterben. Drei Viertel aller weltweiter Naturgebiete sind aus dem Gleichgewicht. Die Hälfte aller Korallenriffe abgestorben.

UN - Biodiversitätskonferenz 2024 (COP16, auch Naturschutzkonferenz) in Cali/ Kolumbien: Sie findet vom 21.10. bis 1.11.2024 statt. Themen sind Wassermanagement, Landmanagement, Anpassung an Klimawandel. 196 Vertragsstaaten nehmen teil. Ziele sollen bis 2030 erreicht werden: 30% der Land- und Meeresfläche unter Schutz stellen. Industrieländer sollen 20 Mrd. $ jährlich für Artenvielfalt zur Verfügung stellen. Es geht um die Berücksichtigung von Naturkapital im Finanzsektor.

COP 28 (Weltklimakonferenz) in Dubai: Die nächste Weltklimakonferenz findet Ende 2023 in Dubai statt, also in den VAE. Sie wird auf Wunsch des Gastgebers vom Vorsitzenden eines Ölunternehmens geleitet. Er heißt Sultan al-Dschaber und Chef des staatlichen Energieunternehmens ADNOC. Die Entscheidung stößt auf heftige Kritik. Der Sultan kommt auch zur Vorbereitungskonferenz nach Deutschland/ Bonn Anfang Mai 2023. Der Betrag für die ärmeren Länder ist noch nicht ausreichend zustande gekommen. Deutschland erhöht seinen Beitrag auf 6 Mrd. Euro. Die Vorbereitung der nächsten Klimakonferenz in Bonn hat Tradition (Petersberger Klima - Dialog, siehe die Abschnitte vorher). Schon zwei Wochen vor Beginn der Konferenz gibt das UN-Umweltprogramm (unep) bekannt, dass das 1,5-Grad-Ziel kaum noch erreichbar sei. Die Konferenz startet am 30.11.23. Sie dauert knapp zwei Wochen. Die VAE fahren eine Doppelstrategie: Auf der einen Seite Prestigeprojekte (z. B. große Solaranlage) zum Lösen von fossilen Energie-Trägern. Auf der anderen Seite kein Verzicht auf Öl und Gas, aber Reduktion schädlicher Emissionen. Es werden 70.000 Teilnehmer erwartet (von daher bisher größte Konferenz). Neue Technologie werden eine große Rolle spielen (CCS, CCU). Es gibt sofort einen Durchbruch am ersten Tag: Der vor einem Jahr vereinbarte Fonds für Klimabedingte Schäden wird arbeitsfähig gemacht: Deutschland und das Gastgeberland VAE zahlen sofort jeweils 100 Mio. US-$ ein. Andere Länder kündigen Einzahlungen an (EU, GB, USA). Die Gründung des Klimaclubs, die die G7 vorher beschlossen hatten, wird vollzogen. Ihm gehören 36 Länder an, insbesondere Industrieländer in der Transformation (aber auch Kolumbien, Costa Rica, Mosambik). Sie haben das Ziel CO2-neutraler Produktion, besonders bei Stahl und Zement. Die Führung übernehmen Deutschland und Chile. Deutschland setzt weiterhin auf eine Partnerschaft mit China, dem weltgrößten Emittenten klimaschädlicher Gase. Der Hauptstreitpunkt ist der Ausstieg aus fossilen Energieträgern (Öl, Gas, Kohle). 100 Staaten bekennen sich dazu (auch EU und USA). Dagegen sind Saudi-Arabien und Russland. Putin kommt extra zu einem Besuch von VAE/ Dubai und Saudi-Arabien. eine Auslieferung muss er hier nicht befürchten. Für Aufsehen sorgt ein Brief der OPEC, die ein Veto gegen den Ausstieg aus fossilen Energien fordert. Einige Länder kaufen massenhaft Land, um dort als Ausgleich Bäume zu pflanzen. In der Abschlusserklärung (Entwurf) fehlt der Ausstieg aus dem fossilen Energieträgern. Es ist nur von Abnahme die Rede. Die Konferenz wird verlängert. Trotzdem können sich die über 100 Ausstiegsstaaten nicht durchsetzen: Es ist nur noch von Abkehr von den fossilen Energieträgern die Rede (21 Seiten Schlussdokument). Es soll eine Verdreifachen der Erneuerbaren Energien geben. Es bleiben viele Schlupflöcher (z. B. kein festes Datum). Das 1,5-Grad-Ziel dürfte so schwierig zu errechen sein.  "Ohne China wird die Klimakrise nicht zu bewältigen sein", Jennifer Morgan, Sonderbeauftragte für den Klimaschutz im Außenministerium. Vgl. auch: Clausing, K./ Cramton, P./ Ockenfels, a./ Wolfram, C.: COP28: Strategische Klima-Kooperation, in: Wirtschaftsdienst 12/ 2023, S. 796.

COP 29 (Weltklimakonferenz) in Aserbaidschan: Sie findet Ende 2024 in Baku statt. Die Vorbereitungskonferenz ist wieder in Bonn (Petersberger Dialog) Anfang Juni 2024. Aserbaidschan will die Gas-Lieferungen an Deutschland erhöhen. Die Schwellenländer sollen mehr in die Finanzierung des globalen Umweltschutzes eingebunden werden. Von der Logik her gibt das auch sehr viel Sinn: Deutschland hat an der globalen CO2-Emission einen Anteil von ca. 2%. Das in der Effizienz zu steigern ist extrem teuer. Es ist deshalb besser, das Geld bei großen Verschmutzern einzusetzen. Die Konferenz startet am 11.11.24 und dauert zwei Wochen. Sie steht unter keinem guten Stern: Trump will aus dem Pariser Abkommen aussteigen. Aserbaidschan vertritt fossile Interessen, ist aber mit dem Kaspischen Meer selbst stark betroffen (Gastgeber Ilham Alijew bezeichnet Öl und Gas als "Gottesgeschenk"). Die EU ist gelähmt (Deutschland, Frankreich). Ca. 200 Staaten nehmen wieder teil. Im Mittelpunkt steht die Finanzierung des Klimaschutzes in ärmeren Ländern. Der benötigte Summe steigt auf 1 Billion €. China und die Ölstaaten in Vorderasien sollen einen Beitrag leisten. Guterres, der Generalsekretär der UN, zeichnet ein düsteres Bild. Der Treibhausgasausstoß ist weiter gestiegen, nie zuvor wurden solche Mengen an Öl, Gas und Kohle verbrannt, welche die Erderwärmung beschleunigen. In China, welches die erneuerbaren Energien rasant ausbaut, könnte der Wendepunkt erreicht sein. Man einigt sich relativ schnell über neue Regeln für den weltumspannenden Handel mit Verschmutzungsrechten. So soll es Staaten leichter fallen, ihre nationalen Ziele zu erreichen. Forscher in Deutschland sehen die Klimaschutzprojekte zu positiv gesehen. Die Zahlen seien mit Vorsicht zu genießen (May-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb/ München). Steuern für Superreiche sollen den Klimaschutz voranbringen.

UN-Artenschutz: Es werden regelmäßig Konferenzen über die Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt abgehalten. Die 9. Artenschutz-Konferenz findet im Mai 2008 in Bonn statt. 5200 Delegierte aus 190 Ländern beraten über das dramatische Tier- und Pflanzensterben auf der Welt. Es gibt zwei konkrete Ergebnisse: Stopp des künstlichen Düngens der Meere, Ausbau des weltweiten Netzes an Schutzgebieten.  Die Naturzerstörung kostet jährlich schätzungsweise 2 Bio. €. Täglich sterben 150 Arten aus. Besonders der globale Waldschutz muss verstärkt werden. Die Schwellenländer fordern einen Ausgleich für die Nutzung ihrer "Apotheke Natur". Die Banken wollen mit dem Naturwert "Regenwald " handeln: Der Regenwald speichert große Mengen CO2. Fische sichern die Eiweißversorgung für ein Sechstel der Menschheit. Bienen, die wichtig für die Bestäubung der Agrarpflanzen sind, haben einen geschätzten Wert von 8 Mrd. $. Bedroht sind auch Korallenriffe, Amphibien und Menschenaffen. Der Schutz der Biodiversität ist überlebensnotwendig. Der Begriff bedeutet Biologische Vielfalt und geht über die Artenvielfalt hinaus. Die Bedrohung spiegelt sich in den "Roten Listen" wider. 2010 wurde von der UN zum Jahr der biologischen Artenvielfalt ernannt. Die Bedrohung einzelner Arten hat auch oft ökonomische Gründe, hinter denen sich Traditionen verbergen (Horn der Nashörner als Wundermedizin in Asien, Elefantenzahn und Krokodilhaut für Schmuck und Taschen), zurückzuführen. Im August 2019 findet zweiwöchig eine Artenschutzkonferenz der UN in Genf statt. "Wenn der Mensch nicht über das nachdenkt, was in ferner Zukunft liegt, wird er das schon naher Zukunft bereuen", Konfuzius.

UN-Initiative zum nachhaltigen Schutz der Landschaften: Auf dem Klimagipfel der UN im Herbst 2019 kommt es zu dieser Initiative. Die Weltbank stellt Mittel dafür bereit. Deutschland beteiligt sich mit 200 Mio. Euro.

"One-Planet"-Gipfel am 11.01.21 in Paris: Es beraten Staats- und Regierungschefs aus aller Welt. Es kommen Zusagen von 12 Milliarden Euro zusammen. Im Mittelpunkt steht das Projekt "Grüne Mauer" in Afrika. Die fortschreitende Wüstenbildung durch den Klimawandel soll bekämpft werden. Ziel ist die Schaffung eines grünen Streifens fruchtbarer Landschaft in der Sahel-Zone (von Dakar bis zum Horn von Afrika). Der Artenschutz-Gipfel wurde vorwiegend online abgehalten. Ausrichter sind Frankreich, die UN und die Weltbank. Die Leitung des Projekte soll die Afrikanische Union übernehmen. Es sollen auch die Grundlagen für die UN-Verhandlungen zum Schutz der Biodiversität im Oktober in China gelegt werden. Dort sollen fast 200 Staaten zusammen kommen.

Finanzgipfel 2023 in Paris (globaler Pakt für neue Finanzordnung): Es geht im Juni 2023 um Klimaschutz und Armutsbekämpfung. Vertreter von etwa 100 Staaten, internationalen Entwicklungsbanken, IWF und anderen Organisationen  beraten über Hilfen für arme Staaten im Klimaschutz. Das Machtstreben Chinas drängt den Westen zur Reform der Finanzinstitutionen - und und mehr Rücksicht auf den globalen Süden.

Ozeankonferenzen der UN und Abkommen: Die zweite findet im Juni 2022 in Portugal/ Lissabon statt. Knapp 30 Staats- und Regierungschefs treffen sich. Vertreten sind auch Wissenschaftler, NGO. Es geht um die Zukunft der Weltmeere (70% der Erdoberfläche). Das erste Treffen war 2017 in New York. Im Februar 2023 findet eine Meereskonferenz in Vancouver/ Kanada statt. Ein Problem bleibt das Ausweisen von Schutzzonen weit vor den Küsten (über 200 Meilen hinaus). Ein weiteres wichtiges Thema war der Tiefsee-Bergbau. Kanada will das nicht zulassen. Eine weitere Konferenz ist Anfang März 2023 in Panama. Es können 18 Mrd. $ eingesammelt werden. Parallel dazu findet eine konferent in New York statt. Ein Hochseeabkommen der UN-Mitglieder kommt nach 15-jährigen Verhandlungen endlich zustande. 30% der Hochsee sollen künftig geschützt werden.

Regeln für den Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee: Mangan ist in nicht vielen Ländern. Russland muss 100% Mangan importieren. Wird vor allem für Batterien von Kleingeräten benötigt. In Autobatterien dient es heute dazu, den Anteil des problematischen Kobalts zu reduzieren.  Mangan wird häufig aus der Tiefsee geholt. Man spricht von Manganknollen. Einige Konzerne haben sich auf den Abbau spezialisiert. So der kanadische Konzern TMC. Der Tiefseebergbau ist sehr umstritten. Man sucht nach Regeln für den Abbau. In Kingston/ Jamaika findet im Juli 2023 ein internationale Konferenz statt. Man baut mit Erntemaschinen ab. Die machen alles kaputt und Jahrzehnte ist der Boden tot. Es gibt eine Clarion - Klipperton - Zone, wo viele Staaten - auch Deutschland -  Rechte gekauft haben. Man will einen internationalen Stopp, bis es mehr Untersuchungen über die Folgen gibt. Das soll für Internationales Gewässer gelten. Die Mangan-Knollen enthalten auch andere Metalle: Kobalt, Nickel, Kupfer.

UN-Wasserkonferenz: Sie findet vom 22.3.23 bis 24.3 in New York statt. Es ist das erste große Treffen seit 1977. Wasser wird als Menschenrecht gesehen. Man sucht nach Lösungen aus der Wasserknappheit von Regierungen, NGOs und Privatsektor. Man braucht eine Wasserstrategie. Dazu gehören z. B. Renaturierung von Mooren, Wasser aus den Flüssen für Grundwasser, Wasser im Sanitärbereich minimieren, Trinkwasser  u. a. Es besteht weltweit eine Wasserknappheit als Folge von klimawandel und Umweltproblemen. . "Wir haben den Wasserkreislauf durchbrochen, Ökosysteme zerstört und Grundwasser verseucht", Antonio Guterres, Un-Generalsekretär, auf der Konferenz.

Amazonas-Konferenz: Am 08.08.23 treffen sich die Anlieger-Länder des Amazonas-Regenwaldes in Belem/ Brasilien. Es sind Brasilien (60%), Kolumbien, Ecuador, Guyana, Peru, Surinam, Venezuela. Grundthema ist die Rettung des Regenwaldes. Man will den Regenwald besser nutzen, um höheren Profit zu erzielen als mit Abholzung. Eine Superfrucht ist Acai. Die Superbeere ist Grundnahrungsmittel. Sie soll auch getrocknet werden, um sie exportieren zu können. Auf ein Verbot von Abholzungen kann man sich nicht einigen, ebenso kein Verbot fossiler Brennstoffe. Brasilien und Kolumbien können sich nicht durchsetzen. Es kommt nu rein Minimalkonsens zustande: Gemeinsames Handeln, regionale Kooperation.

UN-Nachhaltigkeitsgipfel Mitte September 2023: Er beginnt am 18.9.23. 15% der Nachhaltigkeitsziele sind erst erreicht. Die UN definiert Nachhaltigkeit nicht nur mit Klimaschutz, sondern auch über Bildung, Armut und Gleichberechtigung. Deutschland ist auch mit dem Kanzler Scholz und zwei Ministerinnen vertreten (Schulze, Baerbock). Man feiert gleichzeitig 50 Jahre Mitgliedschaft von Deutschland in der UN. Am 19.9. hält Scholz eine Rede. Deutschland stellt 300 Mio. € für dei Nachhaltigkeitsziele zur Verfügung. Ein wichtiger Punkt der Sitzungen ist die Reform der Weltbank. Auch Biden hält eine Rede. Selensky redet auch 15 Minuten.

Weltweites Plastikabkommen: Es gibt immer wieder Verhandlungen. Die jüngste Runde 2024 findet in Ottawa/ Kanada statt. Seit 2022 wird dort von den Mitgliedsstaaten der UN verhandelt. Die größten Blockierer sind Staaten mit starker Kunststoffindustrie und fossilen Rohstoffen (USA, Russland, Saudi-Arabien, Süd-Afrika). Der größte Kunststoffhersteller der Welt ist ExxonMobil in den USA. Ziel ist ein Vertrag zur Reduzierung der Plastikflut und des Plastikmülls. Die Abschlusskonferenz soll in sechs Monaten in Südkorea stattfinden.

Multilaterales Abkommen über Klimaschutz unter dem Dach der UN: Ein solches Abkommen fehlt. Es müsste eingebettet sein in ein Gesamt-Ökonomisches Modell. Dazu gehören auch Seuchen ein neues globales Wirtschaftssystem. "Wir brauchen ein ähnliches Abkommen wie das von Bretton Woods", Nicolas Stern, London School of Economics, 2020.

Klimaclub und Energiepartnerschaften (G7 und Drittstaaten zum Klimaschutz): Sie werden auf dem G7-Gipfeltreffen im Juni 2022 in Elmau/ Bayern vereinbart. Vorbild ist Südafrika, das von Deutschland und anderen Ländern Geld erhält, um den Einsatz neuer sauberer Technologien zu fördern. Zum Gipfel eingeladen waren neben Südafrika, Senegal, Argentinien, Indien, Indonesien. Besonders relevant ist Indien. Bessere Erfassung von Treibhausgasemissionen und ihre Minderung. Es ist ein Leuchtturmprojekt des deutschen Vorsitzes. Die Bewährungsprobe kommt allerdings noch. Neue Finanzierungszusagen gab es nicht. 2024 teilen sich Deutschland und Chile den Vorsitz im Klimaclub. Gabriel Boric, der Staatspräsident von Chile, besucht deshalb Deutschland im Juni 24. Es geht auch um ein klimafreundliches Wachstum der Industrie. Es gibt 38 Mitglieder aus allen Regionen der Welt, die etwa 60% der Weltwirtschaft repräsentieren.

G7-Klimaschutz: Man trifft Vereinbarungen beim G7-Treffen 2023 in Nagano/ Japan. Die Umwelt- und Energieminister treffen sich parallel dazu in Sapporo. Die Windenergie soll ausgebaut werden. Aus fossilen Brennstoffen soll beschleunigt ausgestiegen werden. Bis 2040 soll die Plastikverschmutzung beendet werden. bis 2050 sollen Null-Emissionen in den Energiesystemen kommen. Am 1.5.24 treffen sich dei zuständigen Minister in Turin. Sie beschließen das Aus für Kohle in zehn Jahren, also 2035 (Ausnahme Deutschland 2038). Die Westlichen Staaten wollen ihren Klimagasausstoß bei der Stromproduktion massiv verringern. Sie beschäftigen sich auch mit dem Thema Umweltverschmutzung durch Plastik.

Erste Klimaschutzkonferenz der Staaten Afrikas 2023 in Nairobi, Kenia: Sie beginnt am 4. September 2023. Es treffen sich Dutzende Staatschefs, Hunderte von Regierungsmitgliedern und Tausende Vertreter der Zivilgesellschaften. Es geht in der Hauptsache um den finanziellen Ausgleich, den der globale Norden an den globalen Süden zahlen will. Die Beratungsfirma McKinsey mischt mit. Es geht auch um Afrikas Kohlenstoffmarkt-Initiative (ACMI). Hier müssen Firmen direkt zahlen. Kenias Präsident Ruto wird Obsession für den Emissionshandel vorgeworfen.  Er lebt vom Verbrennen fossiler Stoffe.

Klimaschutz Deutschlands: Deutschland hat sich international verpflichtet, im Jahr 2020 40 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 auszustoßen. Allerdings sind wir 2017 auf dem Stand von 2009 stehen geblieben. Nach Zahlen des Umweltbundesamtes (UBA) wurden bisher nur 23,8% Minderung erreicht. Damit wird Deutschland vom Vorreiter (2000) zum Nachzügler. 2013 wurden 951 Millionen Tonnen an klimaschädlichen Treibhausgasen in die Luft geblasen, ein Anstieg zu 2012 um 1,2% (UBA). Der Handel mit Verschmutzungsrechten soll deshalb schon 2016 und nicht erst 2020 reformiert werden. Auf Drängen des Bundeskanzleramtes muss Bundesumweltministerin Hendricks Abstriche am Klimaschutzplan 2050 machen. Konkrete Ziele zum Kohleausstieg werden gestrichen (Druck vom Wirtschaftsministerium). Gegen geplante Maßnahmen im Bereich Landwirtschaft und Verkehr haben die zuständigen Minister Widerstand angekündigt (Reduzierung des Fleischkonsums, Umstellung des Straßen- und Schienenverkehrs auf Strom- und Ökokraftstoffe). Deutschland will seinen Treibhausgas - Ausstoß bis 2050 um 80 bis 95% reduzieren. Umstritten ist, welchen Beitrag die einzelnen Sektoren (Verkehr, Landwirtschaft, Energie) leisten sollen. Hier gibt es auch Gegensätze zwischen den Parteien und den einzelnen Ministerien.  Im Bundestagswahlkampf 2017 nehmen die Parteien in etwa folgende Positionen ein (auch in ihren Wahlprogrammen): Bei der CDU soll die Digitalisierung helfen. Die SPD fordert eine Energiewende im Verkehr. Die Linke will die Hausbesitzer belasten. Die FDP ist gegen jede Verbotspolitik. Die AfD will aus dem Welt-Klimavertrag raus. Deutschland droht seine Klimaziele 2020 deutlich zu verfehlen (Daten von Agora Energiewende). Ursprünglich sollten die CO2-Emissionen mit Bezug auf 1990 um 40% reduziert werden. Nach derzeitigem Stand werden nur zwischen 31 und 33% geschafft. Innerhalb der EU verpflichtet sich Deutschland im Oktober 2017 zu folgendem Klimaziel: Bis 2030 soll der Ausstoß von Treibhausgasen aus Verkehr, Gebäuden, Landwirtschaft und Müllentsorgung um 38% gegenüber dem Wert von 2005 sinken. Besonders folgende Maßnahme zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes stocken 2017 gewaltig in Deutschland: Die Autos werden immer schwerer und größer. Der Palmölimport wird gefördert (macht dem Regenwald kaputt). Der Braunkohleausstieg stockt (Niederrhein, Lausitz). Die Bundesregierung verzichtet im November 2017 auf eine Klage gegen strengere Umweltvorgaben der EU. Dies war von eineigen Bundesländern gewünscht worden. Elf Verbände fordern, die Energiewende über Steuern und nicht über die Stromkosten zu finanzieren. Bei einer Abschaltung der 20 ältesten Braunkohlekraftwerke in Deutschland wäre die Stromversorgung nicht gefährdet (Quelle: Studie von Agora Energiewende 2017). Aber eine dazu gehörende Strukturpolitik fehlt noch (Wahlergebnisse im Osten!). Die Kohlekraftwerke haben in Deutschland einen Anteil von 18,4% am CO2-Ausstoß, genauso hoch wie der Verkehr. Am höchsten ist der Anteil der Häuser (29%). Der Kohlendioxid-Ausstoß und seine Reduzierung ist ein Schlüsselthema in den Jamaika-Verhandlungen. In den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD Anfang 2018 steht das Klimaziel für 2020 auf der Kippe. Es besteht auch keine Klarheit mehr in der Energiewende. Das ist nicht ungefährlich. Menschenrechte können eingeklagt werden (wenn auch nicht Sanktionen). Deutschland steht beim Pro-Kopf-Ausstoß an CO2 nicht ganz hinten, weil die Produktionsverlagerung zu einer Verzerrung führt. Im Januar 2018 wird klar, dass Deutschland auch die rechtsverbindlichen Klimaschutzziele der EU, die niedriger sind, verpasst: EU-Vorgaben für 2020:  14% weniger Kohlendioxid als 2005 in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft und Heizenergie. Die GROKO will bis 2030 gesetzlich verbindliche Klimaziele aufstellen für die Sektoren Energie, Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude. bisher sind die Erfolge in diesen Sektoren sehr unterschiedlich: Basisjahr 1990. Bezugsjahr 2016 (Quelle: UBA, Agora Energiewende). Energiewirtschaft -22%; Industrie 034%; Verkehr +1%; Haushalte -32%; Landwirtschaft -18%. Bis 2020 kann Deutschland voraussichtlich den Ausstoß von Kohlendioxyd nur um 32 Prozent statt wie geplant um 40% reduzieren (Stand 2018). Es gibt also eine "Klimaschutzlücke" (hohe Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum). Umweltministerin Schulz erhöht deshalb im Sommer 2018 den Druck auf CO2-intensive Branchen. Für Kattowitz kann Deutschland noch keinen Ausstiegsplan aus der Kohle vorlegen (spätestens 2030). Eine Regierungskommission schlägt im Januar 2019 vor, um die Klimaziele zu erreichen, höhere Spritsteuern und ein Tempolimit auf Autobahnen einzuführen. Im März 2019 setzt die Bundesregierung ein "Klimakabinett" ein. Das Gremium soll die rechtlich verbindliche Umsetzung der deutschen Klimaziele für 2030 umsetzen. Auf einer Klimakonferenz im Mai 2019 (35 Minister aus aller Welt) in Berlin kündigt Bundeskanzlerin Merkel an, dass sich Deutschland zur Treibhausgasneutralität bis 2050 bekennt. Noch 2019 soll in Deutschland ein Klimaschutzgesetz beschlossen werden. Bisher steht die gesamte Bundesregierung hinter der Zielmarke. AKK fordert einen "Nationalen Klimakonsens". Der soll auch einen CO2-Preis einschließen. Am 11.09.2019 kommt zu einer Generaldebatte über Klimaschutz im Bundestag. Dann werden Beratungen folgen über die künftige Klimapolitik. In den kommenden vier Jahren (ab2020) wird mit Kosten für den Klimaschutz in Deutschland in Höhe von 40 Mrd. € gerechnet (Quelle: Prognose der Bundesregierung). Am 20.09.2019 will man sich in der Koalition auf ein Klimaschutzgesetz einigen. Das Klimaschutzpaket wird am 20.09.19 beschlossen: 1. CO2-Preis (fossile Brennstoffe, ab 2021 Festpreis 10€ pro Tonne, bis 2025 schrittweise auf 35€). 2. Geringere EEG-Umlage. 3. Zuschüsse zu E-Autos. 4. Austausch von Ölheizungen fördern (40%). 5. Mehrwertsteuer auf Bahntickets senken. 6. Pendlerpauschale ab 2021 auf 21km befristet bis 35 Cent steigen. 7. Höheres Wohngeld (Heizkosten). 8. Bis 2023 mehr als 50 Mrd. € (keine Neuverschuldung). Grundlage sind die Daten des Weltklimarates: Soll das Ziel einer "nur" 1,75 Grad Celsius wärmeren Welt mit einer ziemlichen Wahrscheinlichkeit erreicht werden, dürfen die Menschen weltweit nur noch 800 Milliarden Tonnen CO2 freisetzen. Für den deutsche Sachverständigenrat für Umweltfragen ergibt sich daraus ein nationales Budget von 6600 Millionen Tonnen. Nimmt man nur den deutschen Anteil an der Weltbevölkerung (ausgeklammert wird, dass Deutschland schon seit zwei Jahrhunderten CO2-Mengen in die Luft bläst), und machen wir so weiter wie bisher, wäre das deutsche Budget bereits 2028 aufgebraucht. Auf ihrem Parteitag im November 2019 beschließen die Grünen einen höheren Preis für Kohlendioxid. Im November 2019 kommt der zweite Klimabericht der Bundesregierung: Die Folgen der globalen Erderwärmung werden spürbarer. Im Mittel sit die Lufttemperatur seit 1881 um 1,5 Grad Celsius gestiegen. Die Anzahl der heißen Tagen mit 30 Grad und mehr ist seit 1951 von etwa drei pro Jahr auf derzeit 2019 zehn gestiegen. Der Anteil des Klimawandels daran ist nicht exakt zu ermitteln. Beim Klimapaket der Bundesregierung wackelt mittlerweile der Zeitplan. Teile des Klimapakets werden gestoppt: Der Bundesrat verlangt Nachbesserungen bei steuerlichen Regelungen. Im Vermittlungsausschuss einigt man sich schon auf einen höheren Preis für 1 Tonne CO2 von 25€. Damit dürften die Preise für Benzin und Diesel maßvoll steigen. Die Fernpendler werden entlastet. Vor der Bundestagswahl 2021 will die Bundesregierung eine Charta für den Klimaschutz rausgeben. Es soll ein "historischer Kompromiss zwischen Klimaschutz und Wirtschaft" sein. Enthalten sein sollen eine Klimagarantie und eine Wirtschaftsgarantie. Konkret sollen Treibhausgasminderungsziele für jedes Jahr enthalten sein. Das Bundesverfassungsgericht erklärt am 29.4.21 das Klimaschutzgesetz von 2019 für verfassungswidrig. Es sieht die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen gefährdet. Was ist nach 2030? Es neues Gesetz muss her. Im Eiltempo macht die Koalition eine neues Gesetz. Man verständigt sich auf den "Klimapakt Deutschland". Für jeden Bereich wird die CO2-Reduktion geregelt: Bereche sind die Energiewirtschaft, der Verkehr, die Industrie, die Gebäude, die Landwirtschaft, der Abfall. Der Bundestag beschließt das Gesetz am 24.6.21 (letzte Sitzung vor der Sommerpause). In Glasgow bildet sich eine Initiative zur Abschaffung von Verbrennungsmotoren ab 2040. Deutschland schließt sich nicht an, weil man sich die Verwendung von synthetischem Treibstoff offen halten will. Nur Daimler macht mit. auch die FDP spricht sich später dagegen aus. Auf dem G7-Gipfel in Elmau/ Bayern gibt Deutschland bekannt, dass der Klimasozialfonds drastisch gekürzt wird. Der Klimawandel hat in Deutschland seit 2000 jährlich durchschnittlich Schäden in Höhe von 6,6 Mrd. € verursacht.  Quelle: Projekt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz 2022. 2022 hat Deutschland seine Klimaziele erreicht. Es wurden 1,9% weniger Treibhausgase ausgestoßen. Das reicht allerdings noch nicht, um die Klimaziele 2030 zu erfüllen. Der Verkehrssektor verfehlt die Ziele erneut. Bei den Koalitionsverhandlungen im März 2023 beschließt man, dass die einzelnen Sektoren gegeneinander aufrechenbar sind. Der aktualisierte Wirtschaftsplan für den deutschen Klima- und Transformationsfonds sieht 2023 Ausgaben von knapp 200 Mrd. € für die Jahre 2024 bis 2027 vor. Das Gremium zur Beurteilung der Klimapolitik sieht im August 2023 Deutschland nicht auf Kurs. Im März 2024 sieht der für Klimaschutz zuständige Minister Habeck  die Ziele schon für 2023 erreichbar (Wirtschaftsschwäche, mehr alternative Energien). Doch alles deutet darauf hin, dass das Klimaziel 2030 absehbar verfehlt wird (Projektion des UBA 2024). Deutschland verpasst 2024 die Abgabefrist für den nationalen Energie- und Klimaplan. Nur 4 EU-Länder legen diesen fristgerecht bis 30. Juni vor. Vgl. auch: Neubäumer, Renate: Ist Deutschland internationaler Vorreiter beim Klimaschutz durch EEG und Klimaschutzverträge?, in: Wirtschaftsdienst 8/ 2024, S. 563-571. Im November 2017 fordert ein Firmenbündnis mehr Klimaschutz und den Kohleausstieg in Deutschland. Mit im Boot sind SAP, Siemens, Deutsche Telekom, Deutsche Börse, Aldi-Süd, Metro, Tchibo und Hermes. Auf der Klimakonferenz in Bonn im November 2017 sagt Deutschland insgesamt 107 Millionen Euro für den Umweltschutz der Entwicklungsländer zu. Das nationale Klimaziel 2020 kann noch erreicht werden, wenn Braunkohlekraftwerke abgeschaltet bzw. gedrosselt werden (Quelle: Studie der Fraunhofer-Gesellschaft im Auftrag von Greenpeace 2018; NRW Stilllegungen 7,4 Gigawatt; Niederlausitz Drosselungen 6,0 Gigawatt). Germanwatch, eine Entwicklungs- und Umweltschutzorganisation, sieht 2018 Deutschland auf dem 25. Platz bei den Risken für Klimaschäden weltweit. Das Klimakabinett in Deutschland erwägt eine Erhöhung der Luftverkehrsabgabe. Die Lufthansa ist dagegen. 2019 ist der CO2-Ausstoß in Deutschland gegenüber 1990 überraschend um 35% zurückgegangen. Quelle: Agora Energiewende. Deutschland schafft doch noch das Klimaziel für 2020: Dank Corona und Kohleausstieg. Handlungsbedarf besteht im Verkehrsbereich. Schon 2045 könnte Deutschland klimaneutral sein (Agora Stiftung). Nach einer Studie von Germanwatch  und des New Climate Institute hat sich Deutschland beim Klimaschutz um 6 Plätze verbessert. Deutschland liegt auf dem Index-Rang 13. An der Spitze stehen die skandinavischen Staaten (Dänemark, Schweden, Norwegen). Vgl. Dum, Lisa/ Götze, Susanne/ Großekemper, Tobias/ Weinzierl, Alfred: Ein Land sieht grün, in: Der Spiegel Nr. 45/ 5.11.2022. "Die Deutschen können die Welt nicht retten", Hans von Storch, Klimaforscher, a. a. O, S. 29. Das ist richtig, aber wir müssen unsere Technologie umbauen. Autos und Maschinen, die uns den Wohlstand gebracht haben, werden ihn nicht erhalten können.

Deutschlands internationale Klimafinanzierung: "Deutschland finanziert Klimavorhaben in vulnerablen Ländern des Globalen Südens, wobei zu unterscheiden ist, ob es seinen eingegangenen internationalen Verpflichtungen nachkommt oder die Finanzierung vielmehr von deutschen Interessen geleitet ist. Dabei ist durchaus kritisch zu betrachten, dass die Mittel zur Klimafinanzierung über das Budget der Entwicklungszusammenarbeit finanziert werden. Bei der Allokation der Mittel zwischen Klimaanpassung und Klimaschutz sollte das Budget der Entwicklungszusammenarbeit aufgestockt und der Fokus innerhalb der internationalen Klimafinanzierung stärker auf Klimaanpassung gelegt werden." Siehe Becker, Ann-Kristin/ Sieberichs, Ina: Deutschlands internationale Klimafinanzierung auf dem Prüfstand, in: Wirtschaftsdienst 6/ 2023, S. 413-419.  2024 gerät die Finanzierung von Umweltprojekten in China in die Diskussion. Das Umweltbundesamt soll überprüfen, ob es sich nur um Fakes handelt. Das kommt offenbar seiner Pflicht nicht nach. Staatssekretärin Morgan spricht im Juni 24 mit dem stellvertretenden chinesischen Umweltminister. Vgl. Die Zeit 28/ 27.6.24, S. 8.

Klimawandel und Folgen für Deutschland: "Der Klimawandel ist ein globales Phänomen. Auf Grundlage des neusten Sachstandsberichts des IPCC ist mit einem Anstieg der Erdtemperatur um 2,5 °C bis 3 °C bis zum Jahr 2100 zu rechnen, verursacht durch die bisherige Klimapolitik der großen Emittenten. Nach einer vom Bundeswirtschafts­ministerium in Auftrag gegebenen Szenarioanalyse sind für Deutschland erhebliche Schäden zu erwarten, die sich jedoch durch verstärkte Anpassungsmaßnahmen deutlich reduzieren lassen. Der Beitrag schlussfolgert, dass Deutschland (und die EU) zum einen auf eine Vorreiterrolle verzichten und stärker auf eine Fortentwicklung des Pariser Abkommens nach dem Reziprozitätsprinzip hinwirken sollte. Zum anderen sollte Deutschland seine Anpassungsmaßnahmen deutlich verstärken." Siehe Neubäumer, Renate: Der Klimawandel als globales Problem und seine Folgen für Deutschland, in: Wirtschaftsdienst 1/2024, S. 47-52.

Klimaschutz der EU: Am 22.01.08 beschließt die EU-Kommission ein Klimaschutzpaket: bis 2020 soll der CO2-Ausstoß europaweit um 20% gegenüber 1990 sinken. Der Anteil erneuerbarer Energien soll auf 20% erhöht werden. Dies soll durch eine Verknappung der Zertifikate erreicht werden über einen Handel (die EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard will die Regeln im Emissionshandel verschärfen). Ein Solidaritätszuschlag für das Klima ist ein Zugeständnis an die Osteuropäer. Ende 2008 beschließt man, den Autofirmen mehr Zeit bei der Reduzierung von Kohlendioxyd zu geben (bis 2015 soll Ziel von 120g pro km bezogen auf die Autoflotte erreicht werden. Die Umweltminister der EU und der WWF glauben, dass die Treibhausgase der Industrieländer in den nächsten 40 Jahren um 95 % gesenkt werden. Vgl. auch zur Klimageschichte: http://www.klimaentwicklung.de. 2009 blockiert Polen die EU-Finanzhilfen für den Klimaschutz. 2012 blockiert Polen wieder den EU-Klimafahrplan (80% CO2-Reduktion bis 2050). Polen hat viele Kohlekraftwerke. Im April 2012 findet eine Konferenz der europäischen Umwelt- und Energieminister im Dänischen Horsens statt. Es soll in Ruhe über die Europäischen Klimaziele nach 2020 geredet werden. Vier EU-Länder wollen Subventionen für ihre Atommeiler. 2014 tobt innerhalb der EU und ihrer Institutionen ein Streit um die Umweltschutzziele bis 2030. Man einigt sich auf folgende Ziele: Bis 2030 soll der Kohlendioxid-Ausstoß um 40% gegenüber 1990 gesenkt werden. Der Anteil erneuerbarer Energien soll auf 27 % erhöht werden. Es gibt keine bindenden Ziele für die einzelnen Energieträger. Über die Nutzung einzelner Energieträger gibt es leider auch noch keine Einigkeit. So kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen der EU und den Nationalstaaten. 2014 mit Deutschland über die Industrierabatte im EEG-Gesetz. Deutscher Grünstrom wird in Überschusszeiten etwa nach Polen, Belgien und die Niederlande exportiert. Eine Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten ist also dringend erforderlich. Im Juli 2014 legt die EU die Eckwerte ihrer Energiepolitik bis 2030 vor: Gegenüber 1990 soll der Energieverbrauch der Mitgliedsstaaten um ca. 30% sinken (Energieeffizienz). Etwa 89 Mrd. € pro Jahr müssen dafür in Investitionen gesteckt werden (damit soll auch das übergeordnete Ziel der CO2-Reduktion um 40% erreicht werden). Nach der EU-Wahl 2014 ist ist für Umweltschutz, Meerespolitik und Fischerei Karmenu Vella aus Malta als EU-Kommissar zuständig (für Klimapolitik und Energie Miguel Arias Canete aus Spanien). Am 24.10.2014 beschließt die EU im Rahmen der Regierungschefs Maßnahmen zum Klimaschutz bis 2030: 1. Weniger Treibhausgase (-40%); 2. mehr alternative Energien (27%); Steigerung der Energieeffizienz (+27%). Hauptinstrument zur Erreichung der Ziele bleibt der Emissionshandel (Luftverschmutzungszertifikate werden knapper). Ausnahmen gibt es für Länder, deren BIP unter 60% des EU-Durchschnitts liegt. 40% der Zertifikate können umsonst an Betriebe ausgegeben werden (Polen, Kohlekraftwerke). 2014 kommt ein Gesetz in der EU, dass den Gebrauch von Plastik-Tüten einschränkt. Am 06.03.2015 beschließt die EU ihre Klimaziele für die Verhandlungen über ein globales Abkommen Ende 2015 in Paris. Laut Climate Action Network Europe stießen die 280 Kohlekraftwerke in der EU 2014 762 Mio. Tonnen CO2 aus (ca. 20% des CO2). 2017 ermahnt die EU Deutschland wegen drei Punkten: Dreckige Luft, zuviel Dünger, schleppender Naturschutz. Die EU verschärft gegen den Widerstand Deutschlands und Polens 2017 die Umweltstandards für Kohle-, Gas- und Ölkraftwerke. Es gibt schärfere Grenzwerte für den Ausstoß von Schadstoffen wie Quecksilber, Schwefeldioxid oder Stickoxid. Das gilt für 2021 Kraftwerke in der Union bis 2021. Jetzt müssen Filtersysteme nachgerüstet werden. Seit Jahren läuft in der EU ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland, weil wiederholt Grenzwerte bei Stickoxiden (Innenstädte) überschritten wurden. Jetzt, 2017, will die EU klagen. Die Europäische Investitionsbank gibt mittlerweile ein Viertel der Gelder für den Klimaschutz aus. 2017 schlägt Macron folgende Maßnahmen vor: Übergangshilfen für besonders betroffene Regionen, CO2-Mindestpreis, CO2-Steuer an der EU-Außengrenze. Die EU-Kommission will 2018 ihr Klimaziel für 2030 hochschrauben. Ausstoß von Treibhausgasen gegenüber 1990 nicht um 40%, sondern um 45% senken (Quelle: Klimakommissar Miguel Arias Canete). Kurz vor der Klimakonferenz in Katowice legt die EU eine neue Strategie vor: Die EU soll 2050 klimaneutral sein (Nettoausstoß der Emissionen auf Null). Auf einem EU-Gipfel am 20.06.2019 wird der "klimaneutrale Umbau der Wirtschaft" nicht beschlossen; man kann sich nicht einigen. Eine Woche vor Beginn der Weltklimakonferenz hat das Europaparlament den "Klimanotstand" für die EU ausgerufen. Die neue Kommissionspräsidentin von der Leyen kündigt einen neuen "Green Deal" an: Bis 2030 Reduktion von CO2 auf 50% im Vergleich zu 1990. Klimaneutralität bis 2050. CO2-Grenzsteuer für Importe, bei denen Umweltstandards nicht eingehalten werden. Klimazoll (Grenzausgleichsteuer; CO2-Abgabe auf Importe): Bei importierten Produkten soll der CO2-Verbruach nach versteuert werden. Das betrifft oft nur den Transport. Er ist der beste Schutz vor Öko-Dumping. Man könnte sich an der Mehrwertsteuer orientieren. Er könnte zu einem Eingangstor von Protektionismus werden und handelspolitische Gegenmaßnahmen hervorrufen. Die Idee hat in der EU viele Anhänger. Andere warnen, weil sie erhebliche Gegenmaßnahmen befürchten. Auf dem parallel laufenden EU-Gipfel streitet man über Kernkraft: Milliardenhilfen oder nicht. Die EU strebt eine führende Rolle beim Thema Wasserstoff an. Die Verkehrsinfrastruktur soll ausgebaut werden. Den höchsten Anteil an erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch hat Schweden, den niedrigsten Malta. 2020 will die Kommission strengere Zwischenziele festlegen. Der CO2-Ausstoß soll radikal gesenkt werden. Dazu kommt "Der Plan für das Klima-Ziel 2030": Verbot des Verbrennungsmotors, 70% weniger Kohle, 30% weniger Öl, 25% weniger Gas (-55% CO2). Das EU-Parlament verschärft diese Punkte noch im Oktober 2020: Verringerung der CO2-Emissionen bis 2030 um 60%. Die EZB soll in die EU-Klimapolitik eingebunden werden. Die Geldpolitik soll "grüner" werden. Das wirft viele Fragen auf: Wie ist der Plan? Darf die EZB das? Bringt das was? Soll man das tun?  Vgl. Schieritz, Mark: Soll sie sich ums Klima kümmern? in: Die Zeit Nr. 45, 29.1020, S. 25. Immer mehr Regierungen sträuben sich gegen den Green Deal, wenn  die Verbote kommen sollen. Es gibt auch Geschacher in Zusammenhang mit dem Haushalt (Druckmittel). Schließlich wird die Verschärfung des Klimaziels auf dem EU-Gipfel am 11.12.20 beschlossen. Man kommt Polen bei Kohle mit Entschädigungen entgegen. So kommt es doch zum Klimagesetz der EU 2021: Klimaneutralität 2050. Bis 2030 -30%. Damit liegt die EU bei den CO2-einsparungen bis 2050 weltweit auf dem 2. Platz (hinter den USA, vor Japan). Gleichzeitig hofft man, man bei Umwelttechnologien die Weltspitze übernehmen kann. Vgl. Der Spiegel Nr. 28, 107021, S. 61. Das Grundrezept in der EU ist: Wer Treibhausgase in Europa freisetzt und so den Klimawandel vorantreibt, soll dafür zahlen. Im Gesetz werden Ziele bis 2030 genannt. Die Kernkraft spaltet die EU: Frankreich kündigt den Bau neuer Anlagen an. Es möchte die Kernkraft zu einer "grünen" Energie definieren. Im Sommer 2022 einigt sich die EU auf einen Waldschutz: Vermeidung der Entwaldung beim Anbau bestimmter Produkte wie Palmöl, Holz, Kaffee, Kakao, Soja. Umweltverbände klagen im September 2022 gegen die EU-Taxonomie (Atomkraft und Gas als "grün"). Im Oktober 2022 beschließt die EU einen Plan für bessere Luftqualität: Der Grenzwert für Feinstaub der Kategorie PM2,5 soll im Jahr 2030 um mehr als die Hälfte reduziert werden auf 10 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Anfang Dezember 2022 erlässt die EU ein Verbot für Produkte aus zerstörten Regenwäldern. Das Importverbot gilt für bestimmte Rohstoffe: Kaffee, Kakao, Palmöl, Soja, wenn dafür Waldflächen abgeholzt werden. Es gilt auch für Folgeprodukte wie Rindfleisch, Kautschuk, Holz, Leder, Möbel, Holzkohle. Für die Abholzung gilt die Grenze Dezember 2020. Die Händler haben 18 Monate Zeit, um die Regeln umzusetzen. Ende 2022 verschärft die EU die Klimaregeln. Wer klimaschädliche Treibhausgase produziert, muss dafür zahlen. Wohnungen und Verkehr werden erfasst. Das ist eine Verschärfung des Zertifikate - Handels.  In der Industrie werden die Zertifikate verknappt. CO2-Abgabe für Importeure (weltweit erste seiner Art). Privatleute und kleine Betriebe müssen etwas mehr zahlen. 2023 fordert das EU - Parlament eine Pflicht zur Sanierung von Altbauten. Unbezahlbar, sagen die einen, reiner Popanz die anderen. Am 18.4.23 beschließt das EU-Parlament das neue Klimaschutzgesetz. Zentral ist die Neuregelung des Zertifikate - Handels. Die Industrie soll nach und nach klimaneutral werden. Im Oktober 2023 wird der Holländer W. Hoekstra EU-Klimakommissar. Er folgt auf Timmermanns, der Spitzenkandidat für die Europa-Wahl wird. Im November 2023 kommt ein Renaturierungsgesetz in der EU. Es ist ein Meilenstein im Naturschutz.  Es ist ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. Es muss noch vom EU-Parlament und den Einzelstaaten abgesegnet werden. Im März 2024 warnt Brüssel, dass sich diei EU dringend auf die Folgen des Klimawandels einrichten muss. Besonders Südeuropa ist stark betroffen.   2014 ist in der EU der Anteil der Öko-Energie auf 16% gestiegen. Am weitesten sind Schweden (49%), Lettland (40%) und Finnland (38%). Die EU hatte 2015 einen Anteil von 10% an dem weltweiten Treibhausgas-Ausstoß (Quelle: IPCC, World Resources Institute).

Klimaschutz in Skandinavien: Die Länder sind traditionell Vorreiter. Finnland baut auf die Kreislaufwirtschaft (circular economy). Grundidee ist, dass nichts weggeworfen wird. Der Mineralölkonzern Neste gehört zu den weltweit 100 nachhaltigsten Unternehmen. Schweden setzt auf eine nachhaltige Energieversorgung (Fernwärme und Wärmepumpen). Norwegen gilt als Mekka der grünen Mobilität. Schon 15% der Autos sind 2017 E-Autos.

Klimaschutz in Frankreich: Nur 16% der Energie stammt 2019 in Frankreich aus erneuerbaren Quellen. Es sind noch 58 Atomreaktoren am Netz, die 72% des französischen Energiehaushalts liefern. Umweltaktivisten werden in Franreich immer aktiver. 2019 stehlen sie Porträts des Staatspräsidenten Macron aus Rathäusern.

Klimaschutz in Großbritannien: Der Brexit hst GB wieder zum eigenständigen Staat gemacht. Boris Johnson tut so, als habe er sein Herz für den Klimaschutz entdeckt. Tatsächlich ist seine Bilanz scheinbar gut: Bis 2050 Treibhausgasemissionen auf Null (als erstes Land 2019). Atomkraft ist entscheidender Pfeiler für das Ziel. GB ist für ca. 1% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Es wird noch ein neues Steinkohlekraftwerk gebaut (Cumbria im Nordwesten).

Klimaschutz in der Schweiz: 2023 kann die Schweiz mit der erneuerbaren Hydrokraft mehr als die Hälfte seines Stroms erzeugen. Die Atomkraft soll verschwinden. Auf den Staumauern werden noch Solaranlagen angebracht. Am Grimselsee entsteht eine neue Staumauer.

Drei entscheidende Staaten: Drei Staaten sind verantwortlich für die Hälfte der Emissionen (Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß 2015): China 30%. USA 13,7%. Indien 6,6%. Dann folgen Russland 4,7%. Japan 3,6%. Deutschland 2,15%.

Top 10 der Unternehmen, die den höchsten CO2-Ausstoß haben (1988, 35% aller CO2-Emissionen): 1. China (Coal). 2. Saudi Arabian Oil Company (Aramco). 3. Gazprom. 4. National Iranian Oil Co. 5. ExxonMobil Corp. 6. Coal India. 7. Petroleos Mexicanos (Pemex). 8. Russia (Coal). 9. Royal Dutch Shell. 10. China National Petroleum Corp. 100 Unternehmen weltweit sind für 71% aller CO2-Emissionen verantwortlich. Quelle: Vgl. Welt der Wunder 8/19, S. 23.

Green GDP und 12. Fünfjahresplan in China /Umwelt-Politik und -Situation in China): In diesem Plan, der von 2011 bis 2016 gilt, sind 1,5 Billionen Dollar für Elektromobilität, Solarenergie und Biotechnik vorgesehen (jährlich 300 Mrd. $). Die Ziele für die Verringerung von Kohlendioxyd-Ausstoß wurden strenger. Die Binnennachfrage soll gestärkt werden. Die einkommensschwachen Westprovinzen sollen speziell gefördert werden. China will zum Vorbild einer nachhaltigen Ökonomie werden und in absehbarer Zeit weltgrößte Wirtschaftsnation werden. China bläst weltweit den meisten Smog in die Luft. Dieser wird auch exportiert. An manchen Tagen stammt ein Viertel der Schwefelgase an der amerikanischen Westküste aus China. Emissionen werden damit im doppelten Sinne exportiert. Denn rund ein Drittel des chinesischen Schwefeldioxids und der Stickoxide und fast 20 Prozent des Rußes gehen auf Konto des produzierten Exportes. Auf dem Apec-Gipfel im November 2014 geben die USA und China einen Klimaplan bekannt: Bis 2030 will China die erneuerbaren Energien auf 20 Prozent verdoppeln. auf dem UN-Weltklimagipfel in Lima/ Peru zeigt China Kooperationsbereitschaft (Einzahlung in den grünen Klimafonds; Wendepunkt 2030!). 2015 sind China gleichzeitig der größte Klimasünder (gemessen am Gesamt-CO2-Ausstoß) und der mit Abstand größte Nutzer von Wasser-, Wind-, Solar- und Bioenergie. Mittlerweile sind die Grenzwerte in China teilweise höher als in der EU und den USA: Bei Schwefeldioxid (in Milligramm je Kubikmeter Abluft) 35 für Neuanlagen und 50 für Altanlagen (EU: 75, 130; USA 60, 255). Trotzdem ist China noch für ca. ein Drittel des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Eines der größten Umweltprobleme in China ist der Wasserhaushalt. Der Norden verfügt über nur 20% des Wassers, der Süden hat ca. 80%. Der Wasserverbrauch steigt rapide an (Landwirtschaft, Viehzucht, Industrie). 70% aller Flüsse sind immer noch stark verschmutzt. Anfang September 2016 ratifiziert China das UN-Klimaabkommen von Paris. Das ist wegweisend für viele andere Länder, insbesondere die Entwicklungsländer. China geht nicht auf Trump - Kurs in der Klimapolitik. Es behält seine zugesagten Maßnahmen bei (Bekanntgabe im Ende März 2017). 2017 bohrt China erfolgreich nach Methanhydraten im Südchinesischen Meer. Dieses spezielle Erdgas könnte den Energiebedarf für Jahrtausende decken. Das tief im Meeresboden sitzende Gas ist schwer abzubauen. Entweicht Methangas in die Atmosphäre, ist es noch viel klimaschädlicher als CO2. China hat 24%-Anteil am weltweiten Treibhausgasausstoß (2015; IPCC, World Resources Institute). Nach drei Jahren Stagnation steigt 2017 wieder Kohlendioxid-Ausstoß in China. Chinas Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß beträgt 28%. allein schon durch seine Größe und die Zahl der Einwohner verschlingt das Riesenland gigantische Ressourcen. Die Tier- und Pflanzenwelt leidet nicht nur in Asien. Chinesische Investoren holzen illegal Wälder in Kambodscha, Myanmar und Indonesien ab. In Sumatra wird ein Wasserkraftwerk gebaut; genauso auf Borneo durch chinesische Investoren. Zunehmend verlagert China seine Umweltsünden in andere Länder. Ende 2019 bekennt sich das Land noch mal ausdrücklich zum Pariser Klimaabkommen (nach dem Ausstieg der USA). Noch 60% der Elektrizität werden 2019 mit Kohle erzeugt. Es gibt noch keine Schulstreiks im Rahmen von "Fridays for Future". Das Klimaproblem ist virulent in China: Viele Regionen im Hinterland sind von akuten Dürren betroffen. Wasserverschmutzung bedroht die Städte. Die massive Luftverschmutzung in den  Großstädten führt zu vielen Krankheiten und Todesfällen (2008 konnte ich die damals schmutzigste Stadt der Welt Lanzhou in der Provinz Gansu am Gelben Fluss besuchen und Vorlesungen halten; heute hat die Stadt das Schlusslicht abgegeben). Im Sommer macht China eine Attacke auf das Pazifikparadies Galapagosinseln. Eine riesige Fischfangflotte plündert die Gewässer. Ecuador will das nicht widerstandslos hinnehmen. Im September 2020 verkündet China vor der UN, dass man bis 2060 klimaneutral sein will. Das ist noch ein weiter Weg. 2020 hat man folgende Position in der Welt: Weltanteil bei den CO2-Emissionen 30%; Anteil fossiler Quellen am Energiemix 85%, davon Kohle 59%. Zweithöchstes BIP der Welt, Industrieanteil 39%. Quellen: EIA, IWF, Weltbank. 2019 übersteigt Chinas jährlicher Ausstoß von Treibhausgasen erstmals dei Emissionen aller entwickelten Länder zusammen. Nach einer Schätzung hat China 2019 27% aller Emissionen an CO2-Äquivalenten ausgestoßen (USA 11%). Pro Kopf lagen Chinas Emissionen bei 10,1 Tonnen (OECD-Durchschnitt 10,5; USA 17,6 t). Quelle: Rhodium Group, Denkfabrik USA. Deshalb sollte man die Zahlen mit Vorsicht gebrauchen.  China peilt auf der Weltklimakonferenz in Glasgow 2060 als Ziel für Klimaneutralität an (eventuell schon 2055). Auf der COP27 bleibt offen, ob sich China am Klimafonds beteiligt (das Land sieht sich als Entwicklungsland). China wollte auch den ausstieg aus fossilen Energieträgern verhindern (außer Kohle). China bleibt der weltweit größte Verursacher von Treibhausgasen. Doch das Land macht Fortschritte. Bei den E-Autos ist China auf dem Weg zur Weltspitze. Nirgends gibt es auch so viele Windräder und Solaranlagen. "In China ist grünes Wachstum das entscheidende Merkmal der künftigen Wirtschaft", Josef Ackermann, Deutsche Bank-Ex-Chef. "China hat die Fähigkeit und den Willen, mehr Gutes für die Asien-Pazifik-Region und die ganze Welt zu tun"; Xi Jinping, Staatspräsident, auf dem Asien-Pazifik-Gipfel 2014. Vgl. auch: John Mathews, Greening of Capitalism, Stanford University Press, 2015.

China könnte als Schwellenland seine Emissionen bis 2030 noch steigern. Doch so gesehen übertrifft China seine Ziele und reduziert (das kann zum Teil auch Desinformationskampagne sein). Daraus ziehen viele den Schluss, dass Diktaturen besser mit dem Klimawandel umgehen können. Das stimmt aber eigentlich nicht, wenn man an so erfolgreiche Nationen wie Schweden, Dänemark, Großbritannien und Litauen denkt. Normalerweise ist in Diktaturen die Verführung groß, sichere Energie zu billigen Preisen für die Bevölkerung bereit zu stellen. Deshalb bevorzugt man billige fossile Brennstoffe. Das macht China aber nur noch zum Teil (Kohlekraftwerke). Das Regime hat erkannt, das man mit erneuerbaren Energien und E-Mobilität sehr viel Geld verdienen kann.  Im Jahr 2023 wird China mehr erneuerbare Energien produzieren als dei EU (Weltenergieagentur). Vgl. Claudia Kemfert: Mondays for Future, Hamburg 2020, S. 55.

Umweltpolitik der USA: Die USA hat sich an den Beschlüssen der Weltklimakonferenz nicht beteiligt (auch nicht am Kyoto-Protokoll). 2013 planen die USA die ersten CO2-Grenzwerte für neue Kraftwerke, weil der Klimawandel im Land immer stärker spürbar ist. Erstmals werden von der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA damit US-weite Emissionsstandards festgelegt. Im Juni 2014 erlässt die Regierung neue Grenzwerte für Kraftwerke: Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen um 30% gesenkt werden. Den Bundesstaaten bleibt überlassen, ob sie den Durchschnittswerte über Zertifikate, alternative Energien oder Techniken (z. B. Filter) erreichen wollen. Dies ist die wichtigste Klimaschutzmaßnahme der Regierung Obama. 2014 sind noch 37% aller US-Kraftwerke Kohlekraftwerke. Bei den CO2-Emissionen 2013 liegen die USA an zweiter Stelle mit 4,8 Mio. Tonnen (Spitzenreiter ist China mit 7,6 Mio. Tonnen; pro Kopf allerdings die USA). Auf dem Apec-Gipfel im November 2014 geben die USA und China einen Klimaplan bekannt. Obama wird seine Ziele nicht mehr umsetzen können bzw. die Republikaner werden später gegensteuern. Auf dem Weltklimagipfel der UN in Lima/ Peru Ende 2014, zeigen die USA zumindest Kooperationsbereitschaft und zahlen in den grünen Klimafonds für die Entwicklungsländer ein. Die USA schließen sich auf dem G7-Gipfel in Deutschland im Juni 2015 dem 2 Gradziel an. Anfang August 2015 legt Präsident Obama den "Clean Power Plan" (Klimaplan) vor: Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien an der Energieerzeugung (bis 2015 nur 7%). CO2 bis 2030 auf Basis von 2005 um 32 % senken (bis 2018 Pläne der Bundesstaaten bei der EPA). Insbesondere der Anteil der Kohle an der Energieversorgung soll reduziert werden (von 2015 39%; insbesondere Kohlekraftwerke). Die Republikaner sind dagegen (Arbeitsplatzverlust, Strompreise steigen). Obama will eine Vorreiterrolle auf der Weltklimakonferenz 2015 in Paris übernehmen. Die USA und China sind in etwa für die Hälfte des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Nach dem Abschlussbericht der Weltklimakonferenz kündigen die Republikaner an, bei einem Wahlsieg wieder auszusteigen (sie bezeichnen noch immer den Klimawandel als Hirngespinst). Im Februar 2016 stoppt der Oberste Gerichtshof der USA die Klimaschutzpläne. Im September 2016 ratifizieren die USA das Klimaabkommen von Paris. Trump gewinnt die US-Präsidentenwahl. Im Wahlkampf hat es sich zu den fossilen Energieträgern bekannt. Er will aus dem Pariser Vertrag aussteigen. Im Dezember 2016 erlässt Obama noch ein Gesetz, das die Arktis und Teile des Atlantiks vor Öl- und Gasbohrungen schützt. Kanada schließt sich an. Trump revidiert Teile davon wieder. Er streicht die Mittel der staatlichen Umweltbehörde EPA um 31% zusammen. Zahlungen im Rahmen von Klimaverpflichtungen kürzt er ganz. Am 28.03.2017 unterzeichnet Trump ein Dekret zur Klimapolitik: Kohle, Gas  und Öl (fossile Energieträger) sollen wieder mehr gefördert werden. Vor allem die Begrenzung der Kohlestoffbelastung durch Kraftwerke soll überdacht werden. Die CO2-Ausstoß-Grenzen sollen wieder abgesenkt werden. Bundesbehören sollen nicht mehr die Auswirkungen des Klimawandels bedenken müssen. Das ist eine Demontage des "Clean Power Plan" von Obama, der die Beschlüsse des Pariser Weltklimagipfels implementieren sollte. Große US-Bundesstaaten, z. B. Kalifornien, haben angedeutet, dass sie an den Klimazielen festhalten wollen (das gleiche Vorgehen planen auch Städte). Außerdem dürfte der Rückbau und das Aufweichen der Regelungen von Obama auch Jahre dauern. Sehr schmerzhaft dürfte in jedem Falle sein, wenn sich die USA aus dem Klimafonds für Entwicklungsländer zurückziehen. Im April 2017 scheitert eine gemeinsame Erklärung der Wirtschafts- und Energieminister der G7 an den USA. Im Frühjahr 2017 setzt sich eher die Position durch, den Klimavertrag neu zu verhandeln. Auf dem G7-Gipfel in Taormina in Sizilien im Mai 2017 lässt Trump offen, ob er aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigt. Am 01.06.17 verkündet Trump den ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaschutzvertrag. Er bezeichnet das Abkommen als "unfair". Er will aber auch neu verhandeln. Diese Möglichkeit ist sehr unwahrscheinlich (Deutschland, Frankreich und Italien und die ganze EU verweigern sich, auch China und Russland). Die USA können frühestens am 4.11.2020 faktisch raus (einschließlich einjähriger Kündigungsfrist). Bis dahin sind sie gebunden. Gelder für den "Green Climate Fonds" werden nicht geleistet. Mehrere US-Bundesstaaten (30) wollen am Abkommen festhalten (auch viele Städte). Große Teile der Industrie äußern sich auch skeptisch (100 große Unternehmen, z. B. Apple, Google, Tesla; Exxon, Chevron). Die USA haben einen Anteil von 15% am weltweiten Treibhausgas-Ausstoß. auf dem G20-Gipfel in Hamburg geben die USA ihren Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen bekannt. Im September wird diese Aussage relativiert. Man kann sich ein Verbleiben vorstellen, wenn die Bedingungen fair sind (neue Verhandlungen). Im November 2017 legen 13 US - Behörden einen Klimareport kurz vor der Klimakonferenz in Bonn vor: Erstmals wird darin eingeräumt, dass der Mensch an der Erderwärmung die Verantwortung trägt (mit 95% bis 100% Sicherheit). Sie warnen vor einem Anstieg des Meeresspiegels bis 2100 um 2,40 Meter. Im Dezember 2017 verkleinert Trump zwei Naturschutzgebiete im Westen der USA. NGO klagen dagegen. Die US-Regierung will auch diei Sicherheitsstandards für Ölbohrungen auf dem Meer lockern. Im August 2018 will Trump den zukünftigen Kraftstoffverbrauch von Autos wieder liberalisieren. Das sind Regeln von Obama. Trump will die Regel abschaffen aus drei Gründen: 1. Verleitung zu mehr Fahren bei effizienteren Autos. 2. Ausgefeilte Technik treibt die Preise nach oben. 3. Leichteres Material ginge auf Kosten der Sicherheit. Er will auch die Autonomie der Bundesstatten bei dieser Regelung einschränken. Mit zahlreichen Dekreten versucht Trump alles, um Umweltgesetze auszuhebeln (Beispiele: Ölförderung in Naturschutzgebieten, Agrargifte zulassen, Grenzwerte verwässern, Wasserläufe freigeben für Abraum). Insgesamt geht es um 76 Maßnahmen. Doch er hat erhebliche Probleme bei der Umsetzung. Bürger, Juristen und ganze Bundesstaaten setzen sich zur Wehr. Im November 2019 kündigen die USA das Klimaabkommen offiziell. Aus ihrer Sicht sei das Klimaabkommen zu kostspielig und benachteilige das Land im internationalen Wettbewerb. Formal geht der Austritt erst ab Ende 2020. Die EU will mit einzelnen US-Staaten und Städten Abkommen schließen. Sofort nach seiner Vereidigung will  Biden den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen rückgängig machen. Biden entwickelt ein umfangreiches Programm, mit dem die USA den Klimawandel stoppen wollen. Seit 19.2.21 sind die USA wieder offiziell beim Pariser Klimaabkommen dabei. Stand der Klimapolitik Ende 2020: Weltanteil an den CO2-Emissionen 13%; Anteil fossiler Energiequellen 89%, davon Kohle 11%; höchstes BIP der Welt, Industrieanteil 11%. Quellen: EIA, IWF, Weltbank. Deb Haalands soll Innenministerin werden. Sie wird von Rechten als "neosozialistische Irre" verungimpflicht. Als Ministerin ist sie auch für die Nationalparks zuständig und soll das Suchen nach Bodenschätzen dort beenden. John Kerry ist Joe Bidens Klimabeauftragter. Plötzlich drängen die USA auf Klimaschutz. Sie treffen vor der virtuellen Klimakonferenz zur Vorbereitung auf Glasgow Vereinbarungen mit China. Bis 2030 wollen die USA 50% der Emissionen an CO2 im Vergleich zu 2005 einsparen. 2030 soll die Hälfte neuer PKW emissionsfrei sein. Dazu gehören Autos mit Elektro-, Hybrid- und Wasserstoffmotor. Ein großes Infrastrukturpaket soll auch Lagestationen fördern. Große Teile des Klimapakets scheitern dann am Widerstand von Senatoren aus der eigenen demokratischen Partei. Biden muss Kompromisse eingehen. Im Juli 2022 muss Biden sein Energiewende-Paket (550 Mrd. $) aufgeben. Es scheitert an Quertreiber Joe Manchin. Der ändert dann überraschend seine Meinung. So kommt das Klimaschutzpaket doch zustande: So gewinnt das Paket, wenn auch abgespeckt, eine Mehrheit im Senat (über die Stimme von Vize-Präsidentin Harris). Auch im Repräsentantenhaus haben die Demokraten eine knappe Mehrheit. Abgekürzt heißt das Paket jetzt "Inflationsbekämpfungsgesetz". Es hat noch ein Volumen von 740 Mrd. $. 370 Mrd. € sind für den Klimawandel vorgesehen über 10 Jahre. Die wichtigste Einnahmequelle zur Bezahlung der Reformen soll die Mindest-Körperschaftssteuer von 15% sein. Die Reduzierung der Treibhausgase soll nicht über eine Besteuerung, sondern über finanzielle Anreize gemacht werden. Das Programm "Inflation Reduction Act" (IRA, 369 Mrd. $) ist ein Klimaprogramm. Es fördert die Transformation zu alternativen Energien, allerdings protektionistisch. Die EU beschwert sich, weil sie davon am stärksten betroffen ist (am meisten Deutschland). Trotz vehementer Proteste von Umweltschützern lässt Biden 2023 in der unberührten Eislandschaft Alaskas nach Öl bohren. Im Juli 2023 reist Klima-Diplomat Kerry nach Peking. Er soll für einen Neustart beim Klimaschutz sorgen. Die weltgrößten Verursacher von Treibhausgasen müssen sich bewegen. Wird der neue Präsident Trump die Energiewende in den USA stoppen? 2023 beträgt der Anteil an erneuerbaren Energien 22,7%.  Die Regierung Biden will noch möglichste viele Projekte aus den IRA-Töpfen in Gang setzen. Einige Staaten, wie Kalifornien, versuchen sich gegen die Bundespolitik immun zu machen. Am schlimmsten könnte es die EPA (Environmental Protection Acency) treffen. Mehr als 16.000 Experten arbeiten für sie. Der neue Chef Lee Zeldin ist ein Gefolgsmann von Trump. Viele Fachleute dürften entlassen werden. Das gleiche könnte der NOAA drohen. Eine Katastrophe wäre es, wenn Trump wirklich aus dem Pariser Abkommen aussteigt. In den USA ist eine Bewegung entstanden, die sich "Rolling Coal" nennen. Ziel ist es, die Trucks so umzubauen, das sie möglichst viel Benzin verbrauchen und möglichst viel schwarzen Qualm produzieren. Sie wollen Präsident Obama den Stinkefinger zeigen. Radfahrer und japanische Hybrid-Kleinwagen sollen vernebelt werden. "Der Klimawandel ist die größte Bedrohung für unsere Zukunft. Wir haben nur ein Zuhause, nur einen Planeten", Barack Obama, 2015 bei der Verkündung neuer klimapolitischer Ziele. "Unsere Generation ist die letzte, die noch aktiv etwas gegen den Klimawandel tun kann", Barack Obama, ebenfalls 2015. In den USA wurden zwischen 2003 und 2010 mehr als 7 Mrd. $ in Organisationen gesteckt, die Zweifel am Klimawandel schüren sollen: Heartland Institute, Committee for a Constructive Tomorrow, vgl. Studie von Robert Brulle. 

National and Atmospheric Administration (NOAA), USA: Messung des Klimawandels: Als Leuchtturm gilt die US-Organisation NOAA in Silver Springs/ Maryland. Es ist die National and Atmospheric Administration, ein U.S.- Department. Sie ist unabhängig und kooperiert mit etwa 65 Ländern und deren Wissenschaftlern. Sie wurde 1970 unter Richard Nixon gegründet. Sie legt jedes Jahr einen Bericht vor. Bericht 2018: 2017 war das drittwärmste Jahr, seit es Wetteraufzeichnungen gibt. CO2 hat einen neuen Höchststand erreicht. Der durchschnittliche Meeresspiegel ist auf einem Höchststand. Zehn der niedrigsten Eiswerte der Arktis sind in den vergangenen 11 Jahren gemessen worden.

Kanada: Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 um 30% gegenüber 2005. Der Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen beträgt 1,7%. Im Februar 2020 kommt es zu einem Aufstand gegen eine Gaspipeline. Ureinwohner protestieren gegen den Bau. Sie blockieren Zuggleise und legen dadurch den Eisenbahnverkehr im Land lahm. Für die Regierung, die sich die Versöhnung mit den Indigenen auf die Fahne geschrieben hat, ist die Lage heikel. Deutschland und Kanada gehen 2022 eine Kooperation bei der Energie ein: Im Mittelpunkt steht grüner Wasserstoff. Deutschland braucht Kanada als Alternative zu Russland.

Russische Föderation: Nach Russlands INDCs-Plänen sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um rund 25% bis 30% unter das Niveau von 1990 sinken. Allerdings lag die Wirtschaft des Landes 1990 danieder, so dass die Steigerung nichts aussagt (Statistischer Basiseffekt). Vgl. zu den Zielen und der Effektivität einzelner Länder als Quelle: Climat Action Tracker, http://climateactiontracker.org/countries/developed/russianfederation.html. Russland liegt beim Kohlendioxidausstoß weltweit auf Platz 4 (1800 Mio. Tonnen 2013; 2015 Platz 5, 4,9%). Russland bezweifelt immer wieder die wissenschaftliche Basis des Klimawandels (Wirkung von CO2 u. a.). Russland hat bei den globalen Treibhausgasemissionen einen Anteil von 5,2%. Ziel ist es (in Paris vereinbart) bis 2030 um 25% bis 30% gegenüber 1990 zu senken. Im Januar 2020 verkündigt die russische Regierung einen umfassenden Klimaplan. Es werden 30 Maßnahmen präsentiert. Dabei geht es unter anderem um den Bau von Dämmen und das Ausweichen auf hitzeresistente landwirtschaftliche Anbauflächen. Im Kern geht es um die Bewältigung der Folgen des Klimawandels. Im November 2020 weist Putin eine gravierende Senkung des Ausstoßes von Treibhausgasen an: Das war genau an dem Tag, an dem die USA ausschieden (04.11.20). Besondere Sorge machen die Permafrostböden in Sibirien. Sie können gigantische Mengen von Methangas freigeben beim auftauen. Es gibt 2019, 2020 und 2021 große Waldbrände in Sibirien. Sie haben einen riesigen Treibhausgaseffekt. Auf der Klimakonferenz 2021 in Glasgow peilt Russland 2060 als Ziel für Klimaneutralität an. Im Sicherheitsrat der UN verhindert das Land eine UN-Resolution zum Klimawandel. Der Ukraine-Krieg wirft Russland beim Klimaschutz zurück (auch die westlichen Sanktionen).

Indien: Die Pro-Kopf-Emissionen in Indien sind viel geringer als bei den anderen Hauptemittenten (1,7 t CO2 pro Kopf). Insgesamt liegt Indien aber mit 2070 Mio. Tonnen Kohlendioxidausstoß 2013 schon an dritter Stelle in der Welt. Indien neigt in der Vergangenheit dazu, der chinesischen Position zu folgen. Die neue Zielsetzung für Paris ist wenig transparent. Indien scheint mit seinem Pro-Kopf-Ausstoß zu argumentieren und will sich kaum auf Ziele einlassen. Doch die Regierung stimmt schließlich dem Pariser Abkommen zu. Indien hat 6% des weltweiten Treibhausgas-Ausstoßes. Indien hängt noch stark an der Kohle. Das schmutzige Geschäft wird im Nachbarland Bangladesch betrieben. Wie kaum in einem anderen Land der Erde ist Indien vom Klimawandel und der Umweltverschmutzung betroffen. Alle 30 Minuten bringt sich ein Landwirt um, weil er in Existenznot ist. Die Kleinbauern bekommen keine Hilfe von der Regierung. In New Delhi ist ein Leben kaum noch möglich. Jährlich sollen vorzeitig 1,8 Mio. Inder an Luftverschmutzung sterben (Quelle: Fachzeitschrift "The Lancet" 2018). 640.000 Menschen kommen durch verunreinigtes Wasser zu Tode. Die Flüsse sind zu Kloaken mutiert, auch der heilige Fluss "Ganges" sowie seine Nebenflüsse. Inder sind sicher nicht schmutzigere Leute als anderswo. Im Lande werden Gesetze nicht durchgesetzt. Ausländische Konzerne stemmen sich auch gegen einen umweltfreundlichere Politik (z. B. deutsche Autohersteller). Sunita Narain ist Indiens bekannteste und einflussreichste Aktivistin in Umweltfragen. Indien hat einen Anteil von 6,2% an den weltweiten Treibhausgasemissionen. Es hat sich in Paris verpflichtet, den CO2-Ausstoß bis 2030 um 33% bis 35% gegenüber 2005 zu senken. Indien entscheidet maßgeblich mit, ob die globale Klimakatastrophe verhindert werden kann. Indien will zum grünen Pionier werden. Indien baut derzeit einige der größten Solarparks der Welt, der Bau vieler Kohlekraftwerke wurde abgesagt. Bis zum Jahre 2030 könnte nicht fossiler Strom mehr als 40% ausmachen (Climate Action Tracker). In Indien wird noch sehr viel gebaut (Straßen, Schienen, Fabriken, ganze Stadtteile). Dies wird den Energiebedarf stark erhöhen. 2016 wurden noch 65,2% der CO2-Emissionen durch Kohleverbrennung erzeugt (Deutschland 39,5%). Bis 2030 dürften die Emissionen noch weiter ansteigen. Vgl. Höflinger, Laura: Energiewende XXL, in: Der Spiegel Nr. 28, 6.7.2019, S. 78ff.. Indien versinkt regelmäßig unter Fluten und doch leidet das Land unter Wasserknappheit. Dafür ist der Klimawandel aber nur zum Teil verantwortlich, einen größeren Beitrag leistet die verfehlte Politik. Die Landwirtschaft verbraucht 80% des Grundwassers, das mit hoch subventioniertem Strom abgepumpt wird. Die Zuckerrohrpflanze und der Reis verschlingen eine Unmenge Wasser. Auf der Weltklimakonferenz in Glasgow gibt Indien bekannt, dass es bis 2070 klimaneutral sein will. Kaum ein Land leidet mehr unter dem Klimawandel. Und auf kaum ein Land kommt es jetzt so sehr an. Indien steht als Verschmutzer ganz oben, zusammen mit den USA und China. In Indien leben 1,4 Mrd. Menschen (2023 bevölkerungsreichstes Land). 90% des Landes sind gefährlichen Temperaturen ausgesetzt. Bis 20250 könnten Hitzewellen ein Niveau erréichen, die die Schwelle der Überlebensfähigkeit eines Menschen überschreiten (Hitzschläge, Nahrungsknappheit, Krankheiten, Wassermangel, Strommangel). 2021 betrug der CO2-ausstoß pro Jahr 2,71 Mrd. Tonnen (hinter China und USA). Pro einwohne rliegt der Ausstoß bei 1,93 Tonenn (weit hinter USA, China, Deutschland). Bis 2021 ist Indiens anteil am weltweiten CO2-ausstioß auf 3,29% gestiegen (hinter China, USA und D). Die krassesten Schauplätze sind Delhi, Kalkutta, Mumbai

Japan: Japan wollte seine Emissionen bis 2020 um 25% gegenüber 1990 senken. Das war die Zusage in Kopenhagen vor Fukushima. Nach dem Unglück wurde die Zusage zurückgezogen. Im Juli 2015 hat die japanische Regierung ihre Pläne für die INDCs bekannt gegeben. Darin sieht sie gegenüber 2013 eine Emissionsreduktion von 26% bis 2030 vor. Gemessen an 1990 kommt man auf minus 18%. Damit ist Japan am wenigsten ambitioniert von allen Industrieländern (würden sich auch die anderen Länder so verhalten, käme man auf 3 bis 4 Grad zusätzlicher Erderwärmung). Japan liegt beim Kohlendioxidausstoß weltweit auf Platz 5 (1360 Mio. Tonnen 2013; 2,9% des weltweiten Ausstoßes). Reduktion der Treibhausgase bis 2030 um 25% gegenüber 2005. Japan hat einen Anteil von 3,9%. 2020 möchte Japan wieder im Kreis der technologisch führenden Länder mitspielen: Bis 2050 will das Land klimaneutral sein. Kernkraft könnte wieder eine größere Bedeutung bekommen. Die Regierung will die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhöhen, damit sie Innovationen schaffen und die Dekarbonisierung. Die Unternehmen sollen ihre Kennziffern verbessern und die Informationen offen legen. Dei Task Force on Climate -Related Financial Disclosure (TCFD) soll besser genutzt werden. Längerfristig hat Fukushima im japanischen Energiemix doch zu einer Veränderung der Struktur geführt. die Rangfolge sieht 2019 wie folgt aus: 1. Edgas. 2. Kohle. 3. Erneuerbare Energien. 4. Nuklear. 5. Öl. 6. Andere. Quelle: IEA. Es gibt auch einen Entwurf des Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie für 2050: Erneuerbare Energien 50 bis 60%; Atomstrom und Thermalkraftwerke 30 bis 40%; Wasserstoff/ Amoniak 10%. Vgl. HB Nr. 48, 10.3.21, S. 14f. Japan hält auf der Weltklimakonferenz in Glasgow an dem Ziel für Klimaneutralität 2050 fest.

Brasilien: Brasilien hat mit dem Amazonas-Regenwald so etwas wie die "grüne Lunge" der Erde. Das Land hat am weltweiten Treibhausgas-Ausstoß 2015 einen Anteil von 2% (Platz 7 in der Welt). 2017 tobt ein Kampf zwischen Goldgräbern und der Umweltschutzbehörde. Naturschutzzonen werden missachtet, um Gold zu fördern und auch um Tropenholz zu fällen. Immer wieder kommt es zu Brandstiftungen, auch um Ureinwohner zu vertreiben. Der weltberühmte Photograph Salgado erhält 2019 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels für seinen Kampf für die Umwelt in Brasilien (hauptsächlich durch Fotos). Mitte 2019 entlässt der Präsident Ricardo Galvao, einen der renommiertesten Wissenschaftler. Er hatte die Urwald-Zerstörung dokumentiert. Seit den 1970er Jahren sind 20% des Amazonaswaldes in Brasilien verschwunden. Unter Brasiliens neuer Regierung wird der Amazonaswald schneller abgeholzt als zuvor (drei Fußballfelder pro Minute). Dabei scheinen die Landwirte diese Extraflächen gar nicht zu brauchen. 2019 stoppt die Bundesregierung den Geldfluss nach Brasilien (Förderung von Projekten zum Schutz von Wäldern und Artenvielfalt). Die Regierung in Brasilien stoppe nicht die Rodung des Regenwaldes. Dieser wird für Soja-Anbau und andere Agrarprodukte gerodet. Auch Norwegen stoppt 2019 aus gleichem Grund die Zahlungen. Jair Messias Bolsonaro gehört zu den Klima-Skeptikern, die den Menschen verursachten  Klimawandel leugnen. Seit seinem Amtsantritt ist das Ausmaß der Brandrodungen des Amazons - Regenwaldes wieder massiv angestiegen. Die Zerstörung des Dschungels in Brasilien ist eine Katastrophe für die Menschheit. Auf den gerodeten Flächen wird in der Regel Soja angebaut. Das wird überwiegend an Masttiere aus Europa verfüttert. Bolsonaro macht Umweltschützer für die Brände verantwortlich. Der internationale Druck wächst. Bolsonaro macht ein Dekret, das es erlaubt, Soldaten zum Löschen und zum Verhindern von Brandrodung in die Region zu schicken. Mittlerweile brennen auch Teile des Urwaldes in Bolivien. Umweltschützer leben in Brasilien gefährlich. Immer wieder werden sie bedroht und ermordet (Mafia). Das war schon vor der Machtübernahme von Bolsonaro so, doch unter ihm droht die Lage erst richtig zu eskalieren. Im Nordosten Brasiliens greift seit September 2019 eine mysteriöse Ölpest um sich. Das schwarze Gift wird an Hunderte Strände angespült. Die Regierung bleibt wieder weitgehend untätig. Im Februar 2020 werden der Bergbaukonzern Vale und der deutsche Tüv Süd verurteilt. Vale hat den Dammbruch in Kauf genommen, der TÜV hat ein Gefälligkeitsgutachten erstellt. Die Corona-Krise nutzen Firmen, um den Urwald im Amazonas-Gebiet weiter anzuholzen. die indigenen Völker sind von Corona besonders betroffen. Investoren machen aber Druck auf Brasilien. Obwohl es mittlerweile ein Dekret gibt, das die Brände verbietet. geht die massive Abholzung weiter. Es fehlt eine Überwachung.  2020 gibt es so die größte Abholzung seit 2008. Der Präsident gerät immer stärker unter Druck. Für die Weltklimakonferenz 2021 in Glasgow macht das Land zweifelhafte Versprechen. Der Schutz des Regenwaldes wird zugesagt. Wahrscheinlich wird unter Bolsonaro nicht mehr viel Positives für die Umwelt passieren. Doch das Wahlverhalten in dem Land ist rätselhaft: Die Arbeiterpartei (PT) hatte sich durchaus verdient gemacht (Erhöhung des Mindestlohns, neues System von Familienbeihilfen, Bolsa Familia). Der neue Präsident Lula kommt zum COP27 nach Ägypten. Die Abholzung des Regenwaldes will er stoppen, wenn er Geld dafür bekommt. Seine Amtseinführung ist zum Jahreswechsel 2023. Bundespräsident Steinmeier kommt. Deutschland will mit Brasilien eine Allianz für die Rettung des Regenwaldes und für den Artenschutz. Im Februar 2023 gibt es einen Militäreinsatz gegen illegale Goldsucher im Schutzgebiet des Yanomami-Volkes. Brasiliens Regierung setzt einen neuen Aufseher am Amazonas ein. Es ist der Umweltbeamte Hugo Loss. Er soll Goldgräber und Holzfäller vertreiben. 2022 ist Brasilien noch der größte Erdölproduzent Lateinamerikas (3,11 Mio. Barrel, vor Mexiko, Venezuela und Argentinien). "Umweltschutz ist was für Veganer", Jair Bolsonaro, Präsident Brasiliens 2019. Der deutschstämmige Brasilianer Eike Batista verlor in seinem Bestreben, der reichste Mann Brasiliens zu werden, 30 Milliarden Dollar 2013. Heute 2019 plant er wieder ein Comeback. Eine brasilianische Brauerei protestiert 2020 gegen die Vernichtung des Regenwaldes: Der Preis für Colorado Amazonica steigt mit der Vernichtung des Regenwaldes. Ende 2021 erlebt Brasilien die schwersten Überschwemmungen seit 30 Jahren. Betroffen ist der Bundesstaat Bashia im Nordosten. Inmitten des feuchttropischen Landes trocknet eine Region aus. Es ist der Sertao, eine dünn besiedelte Zone zwischen Amazonas-Regenwald und Küste. Dei Wüste kommt. Vgl. Der spuegel 44/ 26.10.24, S. 78f.

Uruguay: In dem Land südlich des Rio de la Plata leben nur 3,5 Mio. Menschen. 2019 rückt das Land nach drei sozialdemokratischen Wahlperioden nach rechts. 2022 ist das Land ein Musterstaat. Es entwickelt sich zur Vorzeigedemokratie. Für wirtschaftliche Dynamik sorgt die Energiewende (vor allem Windparks). 2022 wächst das BIP voraussichtlich um +3,9% (2021 -6,1%). Uruguay hat sich zum Klimachampion Südamerikas entwickelt. Fast die gesamte Energie wird 2022 aus Erneuerbaren generiert: 40% Windenergie, 30% Wasserkraft, 20% Biomasse, 4% Solarenergie.  Über die Energiepolitik herrscht ein politischer Konsens im Land. Allerdings sind die Kosten für den grünen Strom sehr hoch. Das liegt vor allem an dem vielen ausländischen Geld für Investitionen.

Chile: Chile hat seine Energieversorgung umgebaut. 2002 wurden die Erdgaslieferungen abrupt unterbrochen. Es wurden LNG - Terminals etabliert. 2023 gibt es Ökostrom im Überfluss (70-fach über dem Bedarf). Die Atacama - Wüste wird für Solarenergie genutzt. Patagonien ist ideal für Windkraft. Es gibt auch Projekte für grünen Wasserstoff. Das Projekt Haru Oni wurde mit deutschem Kapital in der Region Magallanes in Betrieb genommen. Seit 2019 besteht eine deutsch-chilenische Energiepartnerschaft. Es ist ein Abkommen zur Verbesserung der Kooperation und Koordination. Diego Pardow ist seit 2022 chilenischer Energieminister. Vlg. Pardow, Diego: Deutschland kann auf Chile zählen, in: WiWo 10/ 3.3.23, S. 10. Chile will grünen Wasserstoff nach Europa liefern. Doch 2023 ist der Strommarkt noch zu sehr auf Kohle ausgerichtet. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Bruttostromerzeugung liegt 2022 bei 55,7%.

Mexiko: Sehr umstritten ist der Maya-Zug (Tren-Maya) . In erster Linie dient er der Wirtschaft.  Mit ihm sollen aber auch Touristen durch Mexikos Regenwald fahren. Strand, Ruinen, Urwald - all das soll zu sehen sein. Nach dreieinhalb Jahren wird 2024 der erste Teil der 1554 km langen Stecke eröffnet. Zunächst fährt der Zug zwischen San Francisco de Campeche und Cancun.

Ecuador: Als erstes Land überhaupt schrieb Ecuador der Natur eigene Rechte in seine Verfassung. Im Namen von Tieren, Ökosystemen und Flüssen kann dort gegen Naturzerstörung geklagt werden. Ein Vorbild für den Rest der Welt. Vgl. Bethge, Philip: Der Wald zieht vor Gericht, in: Der Spiegel 51/ 17.12.22, S. 108ff. "Das Eigentum und sein Gebrauch sind...dem...ökologischen Wohle der Allgemeinheit verpflichtet", Artikel 14, Absatz 2 der Verfassung.

Südafrika: Das Land hat ein großes Wasserproblem. Dramatisch ist die Lage in Kapstadt. Für Sommer 2018 ist der Krisenfall geplant. Alle Wasserleitungen werden abgedreht; es gibt nur Notrationen. Es herrscht eine historische Dürre. Der größte Staudamm "Theewaterskloof-Damm liefert kaum noch Wasser. Südafrika verbraucht jährlich knapp ein Drittel seiner Wasser-Ressourcen. Salzwasser (Entsalzungsanlagen) könnte ein teurer Ausweg sein. Das Land erzeugt 2021 80% seiner Energie mit Kohle. Das belastet das Klima schwer. Die USA, GB und Deutschland unterstützen das Land, um Alternativen zu entwickeln. Die Windparkbetreiber kämpfen aktuell um ihre Existenz.

Kongo: 2023 stellt er die Industrieländer vor die Wahl: Entweder ihr bezahlt für den Klimaschutz - oder wir bohren im Regenwald nach Öl. Es geht um die Region Mbadaka, auch mit der Stadt Mpeka. Westliche Staaten finanzieren schon seit 2025 Naturschutzprojekte. Deutschland hat bisher 151 Mio. € gegeben. Es geht also um die zentrale Frage Naturschutz oder Öl. Die Menschen selbst sind zu arm, um sich allein für Naturschutz zu entscheiden. Vgl. Raupp, Judith: Was sind euch die Bäume wert, in: Die Zeit 10/ 2023, S. 23.

Afrika: Der Erdteil hat Treibhausgas-Emissionen in Höhe von 0,99 t CO2-Ausstioß pro Kopf. Er liegt damit weit hinter der EU-27 (6,17), china (7,99) und den USA (14,95). Quelle: Global Carbon Atlas 2023. Er weht sich deshalb - mit Recht - dagegen künfitig konsequent auf die Verwendung fossiler Brennstoffe zu verzichten. Afrika wirft dem Westen "Öko-Kolonialismus" vor.

Türkei: Die Türkei verlangt auf der Weltklimakonferenz in Kattowitz eine Änderung ihres Status in der Klimarahmenkonvention. Sie will an die Fördergelder für arme Länder ran. 2019 nehmen die Türken Abschied von der Plastiktüte. An der Spitze der Bewegung steht Präsidenten-Gattin Emine Erdogan. Die Türken müssen ab 01.01.2019 25 Kurus (etwa vier-Euro-Cent) für eine Plastiktüte zahlen.  Erdogan hat seine eigenen Theorien über den Klimawandel. Im Zweifel müssen die Demonstrationen im Gezi - Park für alles herhalten.

Australien: Treibhausgasreduktion bis 2030 um 26% bis 28% gegenüber 2005. Australien hat einen globalen Anteil von 1,2%. Australien bestätigt eine Verbindung zwischen Klimawandel und den Wetterbedingungen. Das Land wird von Jahr zu Jahr von schwereren Bränden eingeholt. Australiens Premierminister Morrison gerät Ende 2019 unter massive Kritik, weil er während der schweren Busch-Brände mit seiner Familien in Hawai Urlaub macht. Australien will aber nicht von der Pro-Kohle-Politik abrücken. Australien produziert relativ billig Kohle und ist einer der größten Exporteure von Stein-Kohle in der Welt. 2020 gerät ein Großprojekt der indischen Adani Group in die Kritik. Das größte Kohlebergwerk der Welt ist in Planung. Es passt nicht zu den riesigen Buschbränden, die auch auf den Klimawandel zurückgehen. Australien will noch jahrzehntelang Kohle fördern. Man geht von einem Nachfrageanstieg bis 2030 aus. In Glasgow schließt sich Australien nicht der Kohleinitiative an. Im August 2022 sagt das Repräsentantenhaus Ja zum Klimagesetz. Damit setzt die neue Labor-Regierung sofort ihr Vorhaben um. Das ist ein Meilenstein für Australien. Die CO2-Emissionen sollen bis 2030 um 43% gesenkt werden. Damit schließt das Land zu wichtigen Handelspartnern auf (Kanada 40-45%, Südkorea 40%, Japan 46%). Die Kohleindustrie soll reduziert werden. Australien soll eine "Supermacht der erneuerbaren Energien" werden. Australien will mit Deutschland ein Handelsabkommen schließen. Viele benötigte Ressourcen sind in Australien vorhanden. Man braucht aber Abnahmegarantien. Klimaproteste in Australien werden hoch bestraft: Eine Klimaaktivistin, die eine Brücke 28 Minuten lahm legte, muss für 15 Monate ins Gefängnis. 2024 will der Kohlestaat Australien energiepolitisch umsteuern. Man will die größte Solaranlage der Welt bauen: 120 Quadratkilometer, 20 Gigawatt Strom, von Darwin nach Singapur soll ein Unterseekabel gebaut werden (20% des Stromverbrauchs von Singapur). Es soll auch grüner Wasserstoff erzeugt werden. Vgl. WiWo 36/ 30.9.24, S. 37..

G20 und weiter B20, W20 u. a.: Die G20 werden zu einem immer wichtigeren Forum in der Weltwirtschaft. Innerhalb dieser Gruppe gibt es Untergruppen. Die B20 sind die größten Unternehmen. Sie bilden eine Taskforce Klimaschutz (Rohstoffe sparsam nutzen). Die USA steigen aus dem Pariser Klimaabkommen aus und wollen die Rückkehr zu fossilen Energieträgern (19 + 1). Das ist aber nicht ganz richtig, weil es viele Sonderpositionen gibt: Die Türkei will sich für ihre Klimapolitik bezahlen lassen.  China und Russland zweifeln die wissenschaftlichen Grundlagen an (machen völkerrechtlich mit, weil es keine Sanktionen gibt). Saudi-Arabien will eigentlich was anderes. Auf dem G20-Gipfel in Rom Ende Oktober 21 kann man sich nicht auf ein ein einheitliches Klimaziel einigen: China und Russland wollen Klimaneutralität erst 2060. Also schreibt man in das Endprotokoll Mitte des Jahrhunderts als Ziel. Die Maßnahmen dürften nicht ausreichen, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. 2021 liegt die Erde bei 1,1 Grad. Die G20 sind für 80% des CO2-Ausstoßes in der Welt verantwortlich.

Climate Engineering (Gezielte Eingriffe; Geoengineering): Hier ist die Diskussion erst am Anfang. Es gibt klimawissenschaftliche, völkerrechtliche, ethisch-moralische, ökonomische, technische und politische Fragen. Bezüglich der CDR-Maßnahmen sind in naturwissenschaftlicher Hinsicht vor allem das Potential und die Nebenwirkungen strittig. Bezüglich der Ozeandüngung gibt es bereits Feldexperimente. Vgl. Gezielte Eingriffe, in: Marotzke, J./ Stratmann, M.: Die Zukunft des Klimas, München 2015, S. 183ff. Immer mehr interessiert sich China für das Thema. So gibt es auch immer mehr Forscher aus China in Grönland. Es geht um Möglichkeiten, die Welt abzukühlen. auch die USA forschen intensiv in diesem Bereich. Sie bauen auch Eisbrecher-Kriegsschiffe.

Historischer Klimaschaden: Geschätzte CO2-Emissionen seit 1750 kumuliert bis 202 in Mrd. Tonnen: Europa 531; davon Deutschland 93; USA 417; China 235. Quelle: Our World in Data.

 

Klima (Klimawandel, Klimapolitik, Folgen des Klimawandels, bei Natur und Arten, Klimakatastrophe; Erwärmung, Rückkopplungen; Umweltschadstoffe, schädliche Emissionen; Grenzwerte und ihre Messung; Störung der Lebenssysteme; Biodiversität; Klimaresilienz, weltweite Rückkopplungen. Geoengineering)

"Climate is what we expect, weather is what we get", Mark Twain (1835-1910, American writer). Für die Republikaner in den USA gibt es keinen Klimawandel. James Inhofe, Senator aus Oklahoma, warf noch 2015 metaphorisch mit einem Schneeball nach Präsident Obama, um zu beweisen, dass es keinen Klimawandel gibt.

2020/21 segelt der Hamburger Boris Herrmann als erster Deutscher bei der härteste Segel-Regatta der Welt mit, der Vendee Globe. Er segelt auch für Klimaschutz und gegen Klimawandel. Sein Boot erhebt zahlreiche Daten. Schon vorher hatte er Greta Thunberg nach New York gefahren. Herrmann wird bei der Regatta Fünfter, weil er kurz vor dem Ziel eine Kollision mit einem Fischerboot hatte, sonst wäre vielleicht sogar der Sieg möglich gewesen.

Möglichkeiten zum Klimawandel: Grundsätzlich gibt erstmal zwei Möglichkeiten: Reduzierung der Emissionen oder Anpassung. Die Welt hat sich für die Reduzierung entschieden. Dann bestehen wieder zwei Wege: Weniger CO2  oder Behandlung (Geo-Engineering). Normalerweise entscheidet man sich für den ersten Weg. Eine Reduzierung ist möglich durch Verzicht, Effizienz oder Umstieg. Vorne liegen Effizienz und Umstieg (auch in Deutschland). Möglich ist auch eine Kompensation (Aufforstung, Abschaltung, Direct Air Capture). Es ist immer besser viele oder mehrere Optionen zu haben. Alle Wege haben Vor- und Nachteile (Risiken). Deshalb sollte man diversifizieren, also viele Optionen wählen. CO2 muss erheblich reduziert werden. Die technische, wirtschaftliche und soziale Umsetzbarkeit muss gewährleistet sein. Vgl. Vortrag von Gösta Jamin, Zoom-Video-Konferenz 29.4.21, HWG Ludwigshafen, Festvortrag zum 50. Jahre - Jubiläum.

Recht auf Zukunft: Klimawandel und der Beitrag Deutschlands: Deutschland setzt heute noch auf Wind, Solar, Sonstige Erneuerbare, Kohle, Erdgas, Kernenergie, Erdöl. Zukünftig sollen Wind, Solar und Sonstige Erneuerbare das schaffen. Das Bundesverfassungsgericht erklärt am 29.4.21 das Klimaschutzgesetz von 2019 für verfassungswidrig. Es sieht die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen gefährdet (Generationengerechtigkeit, Freiheitsrechte). Was ist nach 2030? Es neues Gesetz muss her. Gerichte treiben damit den Llimaschutz voran. Der Anteil fossiler Energien am CO2-Ausstoß dürfte noch zu hoch sein (Anteil nicht-erneuerbarer Energien 2020 84,8%). Eine Nachbesserung des Gesetzes muss kommen. Umweltverbände feiern das Urteil. Ein renoviertes Klimaschutzgesetz soll noch vor der Wahl zum Bundestag 2021 kommen. Das hat auch damit zu tun, den Grünen im Bundestagswahlkampf 21 den Wind aus den Segeln zu nehmen. Man will das Ziel der Klimaneutralität jetzt plötzlich bis 2045 erreichen. 65% sollen bis 2030 geschafft werden. Das BMWi ist skeptisch. Der Ausbau erneuerbarer Energie müsste verstärkt werden. Der CO2-Preis würde schneller steigen (Strompreis könnte nur durch Senkung der EEG-Umlage fallen). Bisher gab es immer externe Schocks, die geholfen haben (Deutsche Einheit, Corona-Krise).  Das Urteil könnte auf der einen Seite den Regierungsparteien (CDU, SPD) von 2021 nütze, denn mit einem neuen Gesetz könnten sie den Grünen den Wind aus den Segeln nehmen. Auf der anderen Seite könnte das Urteil auch für andere Felder der Zukunft gelten: Freiheitsrechte künftiger Generationen gelten auch bei Staatsschulden oder bei der Notenbankpolitik. Die Regierungskoalition einigt sich relativ schnell auf neue Ziele: Bis 2030 Reduktion der Emissionen um 65%, bis 2040 88%, spätestens 2045 Klimaneutralität. Allerdings brauchte man für das 1,5 Grad-Ziel wahrscheinlich 70% bis 2030.Man spricht von einem "Klimapaket Deutschland". Aus der Wirtschaft kommt barsche Kritik.

Klimawandel und Öffentlichkeitsarbeit: Skeptiker des Klimawandels (Zweifler an der Theorie vom Menschen gemachten Klimawandel) kommen in den Medien deutlich häufiger zu Wort als renommierte Klimaforscher. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Univerity of California in Merced 2019. Es wurden 100.000 Artikel zwischen 2000 und 2016 analysiert. Diese Erkenntnis der Klimawandel-Zweifler scheint aber auf den englischsprachigen Raum bzw. der englischsprachigen Medien begrenzt zu sein.

Klimawandel und öffentliche Meinung: Die meisten Menschen in Deutschland sind eher für den Begriff "Klimakrise". Am meisten Angst macht der Bevölkerung die Wirtschaftslage (27%) vor Ukraine-Krieg (24%), AfD - Aufstieg (21%) und Klimawandel (14%). 80% fürchten, dass dei Klimaauflagen der Wirtschaft schaden. Vgl. Bild 9.8.23, S. 2.

Klimamodell von William D. Nordhaus (1992): Zusammenhang von Temperaturvorgaben und Klimawandel. Mathematisches Gleichungssystem, das abbilden kann, wie sich ein Anstieg der Treibhausgasemissionen auf die ökonomische Aktivität auswirkt und welche Kosten Maßnahmen zur Vermeidung von Emissionen verursachen. Im Kern geht es Nordhaus weniger um einen maximalen Klimaschutz als um eine Steigerung des Wohlstands. Nordhaus spricht sich in der Umweltpolitik für eine Steuer auf Kohlendioxid aus (CO2-Steuer). Nordhaus erhält dafür 2018 den Wirtschaftsnobelpreis. Er entwickelte die integrierten Bewertungsmodelle DICE und RICE. Diese bestehen aus drei Modulen: 1. Kohlenstoffkreislaufmodul. 2. Klimamodul: 3. Wirtschaftswachstumsmodul.  Vgl. Nordhaus, William D.: The Spirit of Green: The Economics of Collissions and Contagions in a Crowded World, Princeton (University Press) 2021.

Klimazerrüttung: Seit Beginn der Diskussion über Klimawandel  gibt es Gegenbewegungen, die den Klimawandel leugnen. Dazu gehören Konzerne, in deren Strategien und Geschäftspolitik der Klimawandel nicht passt. Aber auch Politik und Medien machen mit. Das beste Beispiel ist der abrupte Wandel in der Klimapolitik der USA unter Trump. Es geht dabei um folgende Fragen: Ist die globale Erwärmung vom Menschen verursacht? Hat der Erwärmungsprozess aufgehört? Sind die fehlerhaften Computermodelle schuld? Hat CO2 eine Klimawirkung? Sind die Klimaforscher nur wegen des Geldes dabei?

Klimawandel wird weitergehen: Durch die starke Reduktion des deutschen und europäischen CO2-Ausstoßes wird der Klimawandel eingedämmt oder die schlimmsten Folgen können verhindert werden. Das ist eine Illusion, denn die bisherigen Klimaabkommen von Kyoto und Paris können einen starken Anstieg der CO2-Emissionen nicht verhindern. Dies gilt umso mehr, wenn wichtige Länder wie die USA sich nicht beteiligen. Also muss sich Deutschland auf diese unbequeme Wahrheit in seinen Planungen einstellen. Vgl. Neubäumer, Renate: Der Klimawandel wird weitergehen - eine unbequeme Wahrheit, in: Wirtschaftsdienst 2019/11, S. 798ff.

Fossiles Zeitalter: Das fossile Zeitalter der Menschheit beginnt ca. 1820 n. Chr., also vor etwa 200 Jahren. Ab dieser Zeit setzen die Menschen fossile Energieträger in der Industrie ein. Die Verbrennung dieser Stoffe führt zu einem drastisch erhöhten Ausstoß von CO2, was das Klima auf der Welt verändert. Seit Beginn der Industrialisierung ist die globale Durchschnittstemperatur um 0,8 Grad angestiegen. Die aktuellen Auswirkungen zeigen sich seit rund 20 Jahren. Pro Kopf müsste der Stromverbrauch erheblich gesenkt werden, von jetzt 6000 Kilowatt auf 2000 (die Schweiz scheint am weitesten zu sein). Das fossil-nukleare Betriebssystem dürfte aber keine Zukunft mehr haben. "Grüne" Investitionen würden das Wachstum und den Wohlstandszuwachs nur leicht verzögern. Die Industriegesellschaft stößt aber auch an ihre Grenzen, denn Wachstum braucht Energie. Die Gewinnung der Energie zerstört den Planeten. Allein bis 2035 dürfte der weltweite Energieverbrauch um 50% ansteigen (US-Energieministerium). Das Potsdam Climate Institut hat folgende Hochrechnung 2014 gemacht: Der CO2-Ausstoß nach Verbrauch aller fossilen Brennstoffreserven beträgt weltweit 2795 Gigatonnen (Gas 363; Öl 615; Kohle 1817). Damit beträgt die CO2-Ausstoßgrenze beim 2-Grad-Klimaziel 886 Gigatonnen. Es darf noch weltweit 565 Gigatonnen verbraucht werden. Bereits genutzt sind 321 (also darf die Welt bis 2050 886 Gigatonnen CO2  emittieren). Der Weltklimarat empfiehlt 2014 einen Verzicht auf fossile Energie, um die weitere Klimaerwärmung  zu verhindern. Der deutsche "Umweltpapst" Friedrich Schmidt-Bleek kritisiert in seinem Buch von 2014 (Grüne lügen, München) folgendes:  Umweltschutz wird häufig auf Verringerung der CO2-Emissionen reduziert. Grundlage müsse der Verbrauch natürlicher Ressourcen sein, die nicht beliebig erneuerbar sind (Gas, Öl, Kalk, Kupfer, Eisen). Rückenwind erhält die Abkehr von fossiler Energie durch die Finanzwelt: Versicherungen und Stiftungen beginnen damit, ihre Investitionen aus fossilen Energieunternehmen abzuziehen.  "Große Teile der USA glauben aus religiösen Gründen einfach nicht an Wissenschaft. Die Leute benutzen Autos, Telefone und Krankenhäuser, aber sie glauben nicht ans Sonnensystem, an den Klimawandel, an Evolution oder an Genetik", Thomas Südhof, deutscher Nobelpreisträger 2013, der in den USA lebt. Die Konzentration des klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) hat 2014 in der Atmosphäre der nördlichen Erdhalbkugel einen neuen Höchststand erreicht. Zum ersten Mal wurde durchgehend der Wert 400 ppm überschritten (Quelle: WMO, Weltorganisation für Meteorologie). Vor der Industrialisierung lag der Wert bei 278 ppm. Die WMO warnt vor dem weiteren Verfeuern fossiler Brennstoffe. Durch das Verbrennen aller bekannten Erdöl-, Kohle und Gasvorkommen ergibt sich eine CO2-Emission von 2795 Mrd. Tonnen. Bis 20150 bleibt dann maximal ein CO2-Budget von 565 Mrd. Tonnen, um das 2-Grad Klimaziel einzuhalten. 2015 führt bei den CO2-Emissionen weltweit China (9900 Mio. t) vor den USA (5200 Mio. t). Bei den pro Kopf CO2-Emissionen liegen die USA (16,4 t) vor Saudi-Arabien (16,2 t), Kanada (16,0 t) und Süd-Korea (13,0 t).  Die höchsten Zuwächse bei CO2 haben seit 1990 China (+293%), Indonesien (+213%) und Indien (+198%). 2014 wurden erstmals 41% des Stromes mit Hilfe von kohle gemacht.

Industrialisierung und Erderwärmung (Welten zwischen dem Zustand vorher und heute): Seit der Industrialisierung vor 150 Jahren stieg der CO2-Anteil in der Atmosphäre um 44 Prozent. Gleichzeitig wurde es immer wärmer. Seit Beginn der Klimaaufzeichnungen im Jahre 1881 stieg die globale Temperatur um 1,1 Grad Celsius (in Deutschland im gleichen Zeitraum um 1,5 Grad C). Zuletzt beschleunigte sich der Prozess. Die 20 wärmsten Jahre wurden in den letzten 22 Jahren gemessen. Studien legen nahe, dass ab einer Erwärmung um 2 Grad Celsius ein so genannter "Kipppunkt" erreicht ist, bei der es zu einer Kettenreaktion kommt, die nicht mehr aufzuhalten ist. Vgl. Welt der Wunder 8/19, S. 21. Das Klima kann schon gekippt sein, lange bevor die Folgen massiv zutage treten. Wir gewöhnen uns an kleine Veränderungen. Und irgendwann sind warme Winter und braune Wälder vielleicht normal. Ein Beispiel ist Methan: Der Wert im Jahresmittel 2019 lag bei 1866 ppb. Das ist rund das 2,5-Fache des Vorindustriellen Zeitalters. Vgl. Gruber Christian: Der schleichende Tod, in: Rheinpfalz 8. 11.2020, S. 23.

Klimaeinflüsse: Das Klima ist Ergebnis einer Energiebilanz. Die von der Erde ins All abgestrahlte Wärmestrahlung muss die absorbierte Sonnenstrahlung im Mittel ausgleichen. Wenn dies nicht der Fall ist, ändert sich das Klima. Um Klimaänderungen zu vermeiden, gibt es drei grundsätzliche Möglichkeiten: 1. Die ankommende Sonneneinstrahlung kann sich durch Änderung der Umlaufbahn um die Sonne oder in der Sonne variieren. 2. Der ins All zurück gespiegelte Anteil kann sich ändern. Diese Albedo beträgt bei heutigem Klima 30%. 3. Die abgehende Wärmestrahlung wird durch das Gehalt der Atmosphäre an absorbierenden Gasen (Treibhausgase) und Aerosolen beeinflusst.

Resilienz: Der Begriff kommt aus der Psychologie. Er bezeichnet die Belastbarkeit und dei Anpassungsfähigkeit in Krisenzeiten.

Klimawandel und Tote: Zwischen 1995 und 2015 sind etwa 600.000 Menschen unmittelbar aufgrund von klimabedingten Wetterextremen gestorben. Bis 2030 können nach einer Schätzung der Vereinten Nationen jährlich 250.000 Menschen am Klimawandel sterben. Die Wahrscheinlichkeit, an den folgen der Erderwärmung zu staerben, steigt in den nächsten 30 Jahren um 257%. Vgl. Welt der Wunder 8/19, S. 21.

Zusammenhang CO2 und globale Erwärmung: Die grundlegende Theorie stammt von dem deutschen Physiker Klaus Hasselmann. Er hat dafür ein komplexes Klima-Modell entwickelt (Nachweis, dass die globale Erwärmung Menschen gemacht ist). Er bekommt 2021 den Nobelpreis für Physik. Am Scripps-Institute für Ozeanografie in Kalifornien begegnete er dem führenfen Klimaforscher Charles Keeling (siehe nächsten Abschnitt). Er war der erste, der die CO2-Konzentration in der Luft maß. Schüler von Hasselmann sind Mojib Latif und Hartmut Graßl.

Keeling-Kurve: Benannt nach dem Klimaforscher Charles David Keeling (1928-2005). Er macht Messungen auf dem Mauna Loa auf Hawai. Der Kohlenstoffkreislauf treibt das gesamte Klimasystem an. Die eine Hälfte unseres Kohlenstoffdioxidausstoßes wird von Ozean und Land - Biosphäre absorbiert, die andere Hälfte erwärmt unseren Planeten, wobei der Ozean 90% der Menschen gemachten Wärme aufnimmt. Es gibt Schwellenwerte und Kipppunkte im Klimasystem, wenn sich fundamentale Rahmenbedingungen wie die Temperatur ändern.

Svante Arrhenius: Schwedischer Chemiker (1859-1927). Er war einer der ersten Nobelpreisträger. 1861 entdeckte er das Gesetz der Erderwärmung: Jeder Anstieg der CO2-Konzentration erzeugt zwangsläufig höhere Temperaturen in der Erdatmosphäre.

Globale Erwärmung (global warming): Sie ist größtenteils auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen. Treibhausgase (Methan, CO2, Halone, Lachgas, Russ) führen dazu und damit zum Anstieg des Meeresspiegels (seit der Jahrhundert-Wende jährlich um rund vier Millimeter).  Zwischen 2000 und 21000 wird mit einer Steigerung der Temperaturen von 1,1 bis 6,4° gerechnet. Seit den Messungen 1978 schrumpft das Meer-Eis in der Arktis um etwa 11% im Jahr. 2011 wird eine beispiellose Schmelze registriert (größter Eisverlust seit 1500 Jahren). Kohlendioxid entsteht zu 80% durch Verbrennung fossiler Brennstoffe und zu  20% durch Entwaldung. Zusätzlich ist in den oberen Luftschichten in den letzten 45 Jahren die Konzentration des Wasserdampfs um 75% angestiegen, was den Temperaturanstieg etwa um die Hälfte beeinflusst. Ohne den Treibhauseffekt wäre die durchschnittliche Temperatur weltweit ca. -18  statt +15 Grad C. Den größten CO2-Emissionen-Ausstoß pro Kopf haben die USA (19,61 t), Australien (18,41 t) und Russland (10,79 t). Eine große Hoffnung setzen viele in das Elektroauto. Dabei ist die Weiterentwicklung der Lithium-Ionen-Batterietechnik entscheidend. 19 der 20 wärmsten Jahre weltweit seit Beginn der Wetteraufzeichnungen liegen in den vergangenen zwei Jahrzehnten. 2015 war das Jahr, in dem es erstmals ein Grad Celsius wärmer war als im Schnitt in der vorindustriellen Zeit. 2016 ist die Meereseisfläche in der Arktis stark geschrumpft (zweitstärkste Schmelze seit dem Rekordjahr 2012). Die Reduzierung der FKW-Gase (Beschluss von 200 Staaten, Unep, Kigali) ist ein Meilenstein gegen die Erderwärmung.. 2015 ist ein Rekordjahr, was den Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) angeht (Quelle: Weltorganisation für Meteorologie/ WMO). Die vergangenen fünf Jahre (von 2011 bis 2015) waren laut UN-Experten die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Daten gehen auf die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) zurück. In einigen Ländern gibt es schon Schutzräume gegen Hitzestress (("Cooling-Center", z. B. in Chicago). Von 2015 auf 2016 gab es den größten CO2-Anstieg auf der Erde seit es Aufzeichnungen gibt (Quelle: Weltorganisation für Meteorologie). Seit der Zeit vor der industriellen Revolution bis heute betrug der Anstieg 40%. Das könnte auch mit der Erwärmung der Meere zusammenhängen, die nicht mehr ausgleichen können. Mittlerweile gehen Experten davon aus, dass der Klimawandel die Menschheit bedrohen könnte.   Laut einem WWF-Report 2009 erwärmt sich die Arktis immer schneller. Dies führt wahrscheinlich zu Überschwemmungen und Wetteränderung. Die Konzentration des klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) hat 2014 in der Atmosphäre der nördlichen Erdhalbkugel einen neuen Höchststand erreicht. Zum ersten Mal wurde durchgehend der Wert 400 ppm überschritten (Quelle: WMO, Weltorganisation für Meteorologie). Vor der Industrialisierung lag der Wert bei 278 ppm. Die WMO warnt vor dem weiteren Verfeuern fossiler Brennstoffe. Seit der vorindustriellen Zeit (1750) hat sich die globale Durchschnittstemperatur bereits um 1 Grad erhöht. Also bleiben nur noch 0,5 bis 1 Grad übrig. Die Jahre 2015 bis 2018 waren die vier wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen. 2018 und 2019 waren auch in Deutschland Dürrejahre.  Im April 2020 regnet es extrem wenig. Das bringt Verlust für die Landwirtschaft und Waldbrände für den Wald. Der Nationale Wetterservice der USA meldet 2020 einen neuen Hitzrekord im Death Valley mit 54,4 Grad. "Wenn das so weitergeht, haben wir in spätestens 40 Jahren keinen Winter mehr", Mojib Latif, Klimaforscher am Leibnitz-Institut der Uni Kiel. Der November 2020 war der heißeste November seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Quelle: Copernicus, EU-Erdbeobachtungsprogramm. Die Welt steuert Ende 2020 auf eine Erdwärmung von 3° Celsius bis Ende des Jahrhunderts zu. Das Pariser Abkommen von 2015 sah vor, die Erwärmung auf deutlich unter 2 ° zu senken. 2023 ist ein El-Nino-Jahr. El Nino verstärkt die Auswirkungen des Klimawandels. Deshalb wird Anfang Juli 2023 (04.07.23) auch der wärmste Tag der Erdgeschichte weltweit gemessen. Die Erderwärmung und die Hitzewellen verbunden mit Wetterextremen  nehmen dramatisch zu. Das Jahr 2023 ist das wärmste Jahr, das je in der Erdgeschichte gemessen wurde. In Deutschland war es im Saarland am wärmsten. Das Jahr brachte eine Kombination von Hitze und Regen. Das hat selbst Klimaforscher überrascht. Die Erde erhitzt sich stärker (durchgängig um mehr als 1,5 Grad Celsius). Die Wirkung von El Nino ist noch nicht klar einrechenbar. 2024 dürfte es erst mal heiß weitergehen. Im März 2024 schlagen die UN-Experten der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) Alarm: Global gesehen sei das letzte Jahrzehnt das heißeste seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. Die Erwärmung der Ozeane, der Rückgang der Gletscher und das Schmelzen der Polarkappen seien zutiefst beunruhigend. Quelle: Jahresbericht der WMO 2024.

Sommer 2018, 2019, 2020, 2021, 2022, 2023 und Klimawandel: Deutschland ist im meteorologischen Ausnahmezustand. Man bekommt eine Ahnung davon, wie der Klimawandel in Zukunft wirken könnte. Die Zahl der Dürremonate ist seit 1971 gestiegen. Es gibt längere Trockenperioden, besonders im Mittelmeerraum, aber auch in Skandinavien. Im Juli 2018 liegen global gesehen Mittel- und Nordeuropa unter einer Wärmeglocke. Auch in Sibirien ist es außergewöhnlich warm. Im nördlichen Kanada ist es kühler. In Deutschland beträgt der Temperaturanstieg seit 1881 bis 2011 im Durchschnitt +1,22 ° C. Im Sommer fällt leicht weniger Niederschlag, im Winter erheblich mehr (+26%). Hitzewellen machen auch depressiver und erhöhen die Selbstmordrate (Studie der Uni Stanfords 2018). Der Juni 2019 war der heißeste Juni weltweit in der Geschichte. Quelle: Copernicus, Erdbeobachtungssystem der EU. Deutschland hat immer längere Hitzeperioden. Seit 2000 gibt es eine ganze Reihe heißer Sommer. Die globalen Windsysteme verändern sich rapide. Quelle: Extremwetterkonferenz am 23.9.20 in Hamburg.  Die Grüne fordern im August 2018einen milliardenschweren Fonds zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Der Bund führt alle 6 Jahre eine Risikoanalyse durch (Umweltministerium, Umweltbundesamt). Im Juni 2021 kommt wieder ein Bericht: Bei 31 von 100 untersuchten Wirkungen ist dringender Handlungsbedarf in Deutschland. Wassermangel und tödliche Hitzebelastungen (besonders in den Städten) drohen. Extremwetterereignisse können schwerwiegende Folgen für die Wirtschaft haben. Das Klima im Westen und Süden Deutschlands könnte sich am stärksten verändern. 2022 gibt es zahlreiche schwere Waldbrände in Deutschland und Südeuropa. In -Deutschland werden im Juli 2022 über 40 Grad erreicht.

Hitzeschutzplan der Bundesregierung: Das Gesundheitsministerium macht einen Plan. Er wird 2023 erarbeitet. Ärztevertreter und Patientenschützer bringen sich ein. Man fordert einen dauerhaften Schutz. Die Hitzewellen sind oft auch mit schlechter Luftqualität verbunden.

Heißzeit: 2018 gibt es Warnungen vor einer Heißzeit (Potsdam Institut für Klimaforschung; Schellhuber). Es bestehe ein Risiko, dass das Klima durch verschiedene Rückkopplungsprozesse in Zustand kippe (Kippeffekt), der als Treibhaus-Erde bezeichnet werden kann. Das wäre mit einem Meeresspiegel-Anstieg um zehn bis 60 Meter gekennzeichnet. Tuvalu in der Südsee droht bald zu versinken. Fünf Millimeter pro Jahr hebt sich in der Gegend der Meeresspiegel, und das seit 1993. Die meisten Menschen leben von Tourismus, Fischfang und Export von Kokosnüssen. In Frankreich gibt es 2022 einen Dürre-Notstand. Anhaltende Hitze und Trockenheit macht besonders schwer den französischen Landwirten zu schaffen. Mehr und mehr Kommunen geht das Trinkwasser aus. Vor allem im Südwesten richten Waldbrände verheerende Schäden an.

Exkurs. Hitzerekord: Jacobabad in Pakistan gilt als der heißeste Ort der Welt, an dem Menschen leben. Im Sommer werden spielend 50 Grad Celsius erreicht. Eigentlich müssten die Menschen gehen. Knap dahinter liegen folgende Orte: Tak Agro/ Thailand 45,4 Grad; Akjoujt/ Mauretanien 45,3 Grad; Prayagraj/ Indien 42,2 Grad. Vgl. Die Zeit 19/ 4.5.23, S. 38.

Verschiebung der Jahreszeiten: Der Klimawandel verschiebt die Jahreszeiten. Dadurch können über Jahrtausende eingespielte Beziehungen zwischen Tieren und Pflanzen empfindlich gestört werden. Ganze Arten können regional verschwinden. Besonders gravierend wirkt der Übergang von frühen/ kalten Wintern (bis etwa 2004) zu späten/ warmen Wintern.  Hiervon sind z. B. die Heringe stark betroffen. Quelle: Thünen - Institut 2022.

Erderwärmung und Folgen für die Menschen:  Wenn der Ausstoß der Treibhausgase nicht gemildert wird, könnten in 50 Jahren (ab 2020) 3,5 Mrd. Menschen unter großer Hitze leiden. Sie würden in Gebieten leben, in der die jährliche Durchschnittstemperatur mehr als 29 Grad Celsius beträgt. Die Studie wurde von der Wageningen University in den Niederlanden durchgeführt unter dem Dach der US-amerikanischen Akademie der Wissenschaften. Gebiete mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von mehr als 29 Grad Celsius drohen sich von jetzt 0,8% der weltweiten Landfläche (vor allem Sahara) bis 2070 auf 19 % auszudehnen.

Erde hat ein Thermostat: Wasserdampf in der Atmosphäre verbindet sich mit Kohlendioxid (CO2). Es entsteht kohlensäurehaltiges Regenwasser, das mit Silikongestein chemisch reagiert. Dieser Prozess holt CO2 aus der Luft. Das verwitterte Gestein wird über Flüsse in die Ozeane transportiert und bildet dort Kalkgestein. Je massiver die Verwitterung ist, desto mehr CO2 zieht sie aus der Luft und kühlt damit das Erdklima wieder ab.

Einfluss der globalen Erwärmung auf die Umwälzströmung: Noch nie in mehr als 1000 Jahren war die Atlantische Meridionale Umwälzströmung (AMOC), auch als Golfstrom-System bekannt, so schwach wie in den vergangenen Jahrzehnten. Quelle: Studie 2021 am PIK. Europa drohen Winterstürme und Hitzewellen.

Folgen des Klimawandels: 1. Gletscherschwund. 2. Rückgang des polaren Meereises. 3. Tauen des Permafrostes. 4. Die Eisschilde in Grönland und der Antarktis. 5. Der Anstieg des Meeresspiegels. 6. Änderung der Meeresströmungen. 7. Wetterextreme. 8.Landwirtschaft und Ernährungssicherheit. 9. Ausbreitung von Krankheiten. Vgl. S. Rahmsdorf/ H.J. Schellnhuber: Der Klimawandel, München 2018 (8. Auflage), S. 53ff.

Hochwasser: Infolge der Erderwärmung verdunstet mehr Wasser und gelangt in die Atmosphäre. So nehmen in Deutschland Hochwasserphänomene zu. 2024 sind besonders Niedersachsen, Bremen, Sachsen-Anhalt betroffen.

Gefährdung globaler Lieferketten durch den Klimawandel: Überflutungen, Dürren und Wirbelstürme, also die zunehmenden Wetterextreme, können die globalen Lieferketten empfindlich treffen. Sie können wie Schockwellen wirken, die sich zu Flutwellen auftürmen könnnen. 

Klimafolgenökonomie: Der Klimawandel führt zur Erderwärmung (von 2013 15 Jahre zurück steigen die Temperaturen allerdings nicht mehr an). Die Dauerfrostböden in der Arktis, in Sibirien und im Hochgebirge sind große Kohlenstoffspeicher. Tauen Sie auf, wird durch diesen Prozess die Erwärmung beschleunigt. Weitere Temperaturtreiber sind Kühe, der Kahlschlag von Wäldern (Urwald), und Kohleverbrennung. Die Menschen stoßen immer mehr an die Grenzen ihrer Anpassungsfähigkeit. Neue Technologien und neue Verhaltensweisen sind erforderlich. Die betriebswirtschaftlichen, gesamtwirtschaftlichen und globalen Folgen müssen geschlossen ökonomisch analysiert werden. Dies sollte eine Klimafolgenökonomie leisten. Die weltweit wichtigsten Akteure müssen strategisch zusammenspielen. Am wichtigsten ist eine Anpassungsstrategie. Eine der schwersten Folgen ist der Anstieg des Meeresspiegels. Bis 2100 könnte dieser um 75 bis 190 Zentimeter höher liegen als 2010. Wenn der Meeresspiegel steigt, gehen erst mal viele Immobilien an vielen Küsten verloren (Yorkshire, GB; Malibu, USA; Gold Coast, Australien, Nantucket, USA; in Bangladesch Küstenregionen wegen Zyklonen nicht mehr bewohnbar). Wichtige Eiswelten und Gletscher schmelzen. Dies ist z. B. so im Tianshan-Gebirge in Zentralasien. Länder wie Bangladesch werden seit langem immer wieder von Überschwemmungen heimgesucht. Durch künstlich erzeugte Wolken oder durch Schwefelimpfungen in der Atmosphäre wollen Forscher die Erderwärmung stoppen. Die Frage ist, wer für die Folgen des Geo-Engineering haftet. Ursprung ist die Silberjodid-Dusche gegen Hagel vor über Hundert Jahren. Diese wird auch heute noch in Russland, China und Deutschland eingesetzt (bei uns im Weinbau). In Deutschland wächst die Ernte in der Landwirtschaft durch den Klimawandel. Es gibt aber auch Probleme (Trockenheit im Frühling, viel Regen im Sommer, mehr Nässe im Herbst). Besonders drastisch wirkt der Klimawandel auf das Great Barriere Reef vor Australien. Der größte Teil ist schon geschädigt. Natürlich wird auch die Luft immer schmutziger. An dem Smog sterben laut Weltgesundheitsorganisation jährlich 1,3 Mio. Menschen. Vor allem in Ostchina, Indien und dem Nahen Osten wächst die Belastung. Wegen seiner Lage ist Santiago de Chile besonders betroffen. Eine wichtige Folge ist die Nahrungsmittelknappheit (hält nicht mit der Bevölkerungsentwicklung mit). Eine Studie der Weltbank 2013 ("Turn down the Heat") beschreibt einen Mangel bei Grundnahrungsmitteln in der Zukunft (Reis, Mais, Weizen, Soja). Eine Studie des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung kommt 2013 zu folgendem Ergebnis: Verzögerungen beim internationalen Klimaschutz führen dazu, dass das Wirtschaftswachstum beim späteren Umsteuern deutlich stärker sinkt als bei früherem Handeln (konkret: 2030 -7%; 2015 -2%). Der Bericht des Weltklimarates im September 2013 sieht eine brutale Hitze im Jahre 2100 auf 85% der Landfläche. Die Hitzewellen könnten sich schon bis 2040 vervierfachen. Die Wetterextreme verstärken den Treibhauseffekt. In asiatischen Ländern wie China und Indien ist die Ozonbelastung inzwischen so hoch, dass die landwirtschaftlichen Erträge gefährdet sind. Vor allem beim Reisertag gibt es Einbußen. Mittlerweile gibt es auch Studien über die Folgen des Klimawandels auf das BIP: Kurzfristi wird die Beschäftigung angekurbelt, Langfristig könnte sich das BIP um bis zu 0,6% schlechter entwickeln (Quelle: Nieters/ Drosdowski/ Lehr Do extreme weather events damage the German economy, Gws Discussion Paper 2015/2). Das Journal of Glaciology veröffentlicht im August 2015 eine Studie: Die Gletscher sind weltweit stark aus dem Gleichgewicht geraten. Die Eisdichte nimmt jährlich zwischen einem halben Meter und einem Meter ab. Auch in den Alpen ist dies deutlich spürbar. "Nothing in life is to be feared, it is only to be understood", Marie Curie (1867-1934), French-Polish scientist, winner of Nobel Prize for Physics. Die USA sind total gespalten. New York investiert Milliarden, um sich gegen die Monsterstürme und den steigenden Meeresspiegel zu wappnen. North Carolina schreibt per Gesetz vor, den Klimawandel zu ignorieren. Im Südwesten der USA verschwindet das Grundwasser. 65 Milliarden Kubikmeter Wasser sind z. B. aus dem Colorado-River-Becken binnen neun Jahren verschwunden. 920 Millionen Liter füllt Nestle in der Mojawe-Wüste jährlich in Flaschen ab, die unter dem Namen Arrowhead verkauft werden (umgeht Notstandsregeln, weil das Gebiet in einem Indianerreservat liegt). Der Klimawandel hat auch die Weinberge Frankreichs erreicht. Eine zweitausend Jahre alte Kultur gerät unter Druck. Hitzewellen und Trockenperioden folgen immer öfter Hagel und Starkregen. Betroffen sind alle Gebiete: Loire, Rhone, Burgund, Champagne, Bordelais. Besonders spürbar ist der Klimawandel auch in den Alpen. Dem Skitourismus stehen starke Änderungen bevor. Die Schneefallgrenze dürfte in Österreich bis zum Jahre 2030 um etwa 150 Meter ansteigen. Das dürfte zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung führen. Die Schneestürme an der Ostküste der USA häufen sich: Steigende Lufttemperaturen führen zu steigenden Meerestemperaturen. Je wärmer das Meer ist, desto mehr Potential hat ein Sturmtief (Verwirbeln von Luftmassen). An der Westküste der USA in Kalifornien wird das Wasser in Folge des Klimawandels knapp. In den Bergen fehlt der Schnee, der früher das Grundwasser speiste. Der Wasserverbrauch muss limitiert werden. Hauptverbraucher ist allerdings die Landwirtschaft mit ca. 80 Prozent (Obst, Gemüse; noch keine Einschränkungen). Es gibt auch immer mehr Waldbrände in Kalifornien (auch 2015 wieder). Es gibt auch Zonen auf der Welt, die anscheinend vom Klimawandel profitieren: Dazu gehört die Sahel-Zone. Dort gab es in den letzten zwanzig Jahren wieder mehr Regen. Der Columbia - River im US-Bundesstaat Oregon wird immer wärmer. Dadurch könnten bis zu 80% der Lachse umkommen (250.000). Der Klimawandel vernichtet Korallenriffe weltweit. Besonders betroffen ist das Great Barrier Reef vor Australien. Es hat in den letzten 30 Jahren fast die Hälfte der Korallen verloren. Besonders bedrohlich ist die australische Kohlewirtschaft. 2015 wird das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Auch die Temperatur der Meeresoberflächen sind am höchsten. Spanische Forscher warnen Ende 2015, dass Mallorcas Strände bald im Meer versinken könnten. Sie weisen ebenfalls darauf hin, dass das bedeutendste Obst - und Gemüseanbaugebiet der EU in der Region Andalusien bedroht ist. Ski-Gebiete unter 2000 Metern haben langfristig kaum Bestandschancen. Es gibt also weniger Ski-Gebiete. Bei vier Grad mehr Erderwärmung ist in Deutschland Schluss. Sogar der Ausbruch des Syrienkrieges wird mittlerweile mit dem Klimawandel in Berührung gebracht. Eine schlimme Dürre trieb viele Menschen vom Land in die Städte und dort erhöhten sie das revolutionäre Potential. Auch die Erfolge von Boko Haram im Norden Nigerias werden mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht. Das Grantham Research Institute der LSE errechnet 2016, dass ein Temperaturanstieg von 2,5 Grad ein Vermögen von 2500 Milliarden Dollar auf der Erde vernichten würde.

Treiber der regionalen Entwicklung in Deutschland: 1. Technologischer Wandel. 2. Globalisierung. 3. Klimawandel. Die Effekte des Klimawandels sind regional sehr unterschiedlich. Die Erwärmung wird Baden-Württemberg am stärksten treffen. 4. Präferenzverschiebung. 5. Nationale Wirtschaftspolitik. Vgl. Pflüger, Michael: Regionale Disparitäten und Regionalpolitik, in: Wirtschaftsdienst 2019/ Sonderheft, S. 10ff.

Bedrohungen für die Erde (Meere und Eis) durch den Klimawandel: 1,18 Mio. Quadratkilometer kleiner war die Eisfläche im Nordpolarmehr im Februar 2017 verglichen mit dem Durchschnittswert der Jahre 1981 bis 2010. 625 Mio. Menschen lebten 2006 in gefährdeten Küstenregionen - Prognosen zufolge werden es 2030 rund 900 Mio. sein. Vgl. Der Spiegel Wissen: Paradies Erde, 2/2017, S. 12,13. Um 26% hat der Säuregrad des Meeres seit 1850 durch die Aufnahme von CO2 zugenommen. Die Oberflächentemperatur der Meere steigt durch den Klimawandel pro Jahrzehnt um etwa 0,12 Grad an. Die Wassererwärmung kann  zu Sauerstoffmangel, Algenblüten und Korallenbleiche führen. Vgl. auch Mojib Latif: Die Meere, der Mensch und das Leben, Freiburg u. a. 2017. Insgesamt gerät der Wasserkreislauf durch den Klimawandel außer Kontrolle. Die Ozeanerwärmung geht schneller als bisher angenommen: in den vergangenen 25 Jahres (ab 2018 rückwärts) wurde etwa 60% mehr Wärme aufgenommen. Expertenstudie 2018. Ende September 2019 legt der IPCC seinen Sonderbericht zu den weltweiten Schnee- und Eisvorkommen und zu den Meeren vor: Er hat 900 Seiten und 7000 Studien ausgewertet. Schon jetzt tauen vielerorts die Gletscher. Der antarktische Eisschild verlor im Zeitraum 2007 bis 2016 dreimal so schnell an Masse wie von 1997 bis 2006. Als Folge dieser Entwicklung müsse mittel- bis langfristig mit regelmäßig überschwemmten Küstenmetropolen und versinkenden Inselstaaten gerechnet werden. so genannte Jahrhundertüberschwemmungen drohen ab 2050 in bestimmten Regionen und Städten. Nur durch eine deutliche Reduktion der Treibhausgase könnte diese Entwicklung abgemildert werden. Der Meeresspiegel steigt seit Beginn des 21. Jh. zweimal so schnell wie im 20. Jh. Die Gletscherschmelze in den Rocky Mountains wird die Wassersorgung von Millionen Menschen gefährden. Es ist schwierig das Problem in den USA anzusprechen, weil es erst in Jahrzehnten spürbar wird.

Exkurs "Umweltkatastrophe im Marmarameer": 2021 überzieht eine Schleimschicht das Marmarameer. Es verschandelt die Strände, verstopft die Häfen und erstickt das Leben. Der "Seerotz", von dem man auch spricht, ist Folge der Wasserverschmutzung und könnte die Region unbewohnbar machen. Das Meer leidet vor allem durch Abwässer von Haushalten und der Industrie. Es ist auch schon 2,5 Grad wärmer als normal.

Kosten des Klimawandels: Immer öfter wird die Frage gestellt, wer die Kosten tragen sollte. Die Hälfte der 20 schlimmsten Waldbrände entzündeten sich seit 2015. Ein Stromkonzern in Kalifornien geht insolvent. Die Hälfte der Stromleitungen in Kalifornien gehörten dem Unternehmen PG&E.

Klimawandel und Produktivität: Der Anteil der jährlichen produktiven Arbeitsstunden die im Jahr 2015 wegen Hitze ausfallen: In Westeuropa unter 0,1%, Nordamerika 0,1%, Zentralamerika 1,0%, Nordafrika/Mittlerer Osten 1,1%, China 1,1%, Ostafrika 2,2%, Südostasien 2,3%, Indien 4,9%, Westafrika 5,0%. Insgesamt sind auch immer mehr Menschen betroffen. Quelle: Kjelstron et. al.

Anstieg des Meeresspiegels: Der Meeresspiegel steigt unaufhaltsam an. In den vergangenen 100 Jahren hatten wir einen Anstieg von 20 Zentimetern. Die bekommen wir in den nächsten 20, 30 Jahren noch einmal. Schon wenige Zentimeter Anstieg des globalen Meeresspiegels vergrößern das Risiko von Extremwetterlagen, Sturmfluten und Hurrikane. Wichtig ist die Westantarktis, wo Schilde abbrechen. Das Golfstromsystem verlangsamt sich. Der Permafrostboden in Sibirien baut sich ab. Als erstes betroffen werden folgende Inseln sein: South Tarawa (Kiribati, 2 m ü. d. M.), Subhdia (Bangladesch, 6 m ü d. M.). Als erstes werden auch betroffen sein Osaka in Japan, Venedig in Italien (1 m ü. d. M.), Texel und Den Haag (Niederlande, 1 - 2 m ü. d. M.). Vgl. Nass, in: Der Spiegel Nr. 49/1. 12. 2018, S. 13ff.

Ozean als Klimaanlage: Der Ozean ist in Aufruhr. Die Wassertemperatur an der Ozeanoberfläche steigt an. Dramatischste Folge ist El Nino. Das hat dramatische Folgen an Land: Wirbel-Stürme, Hurrikans. Vgl. Erdmann, E./ Probst, M./ Schmitt, S.: Aus der Balance, in: Die Zeit 40/ 21.9.23, S. 29.

Rückkopplungen: Unkontrollierte Rückkopplungen spielen eine wichtige Rolle für den Klimawandel. Die Arktische Schmelze, das Auftauen des Permafrostes, das Methan vom Meeresboden und der gefährdete Regenwald haben gravierende Auswirkungen. die Entwicklungen verstärken sich gegenseitig.

Klimawandel und Migration: Der Zusammenhang ist komplex. Aber der Klimawandel kann Ursache für Flüchtlingsbewegungen sein (der Flüchtlingsbegriff ist eigentlich auf politische Verfolgung beschränkt; die Ursache ist schwer nachweisbar). Solche Wanderungen sind bekannt für Kolumbien, Mexiko, Nigeria, Pakistan, Indonesien, Bangladesh. Infolge des Klimawandels wird sich die Bevölkerung umverteilen. Sie wird Abwandern oder Bleiben als Risikobewältigungsstrategie zur Sicherung von Nahrungsmitteln und Lebensgrundlagen. Folgende Muster sind erkennbar: In Asien gibt es veränderte Niederschlagsmuster und Gletscherschmelze. In Mittelamerika häufen sich Extremereignisse und reduzierte Abflüsse. In Afrika gibt es steigende Dürretendenzen. "Verlust von Heimat" wird auf jeden Fall zunehmen. Vgl. Koko Warner: Verlorene Heimat. Klimawandel und Migration, in: Marotzke, J./ Stratmann, M.: Die Zukunft des Klimas, München 2015, S. 35ff.

Klimawandel und Ungleichheit (Wohlstand): Der Klimawandel verschärft die weltweite Ungleichheit. In armen Ländern fehlen die Mittel, um Klima-Schocks abzufedern. Die Menschen dort können sich nicht ausreichend versichern. So entsteht ein "Insurance Gap".

Demographie-Falle beim Klimawandel: Immer mehr Menschen leben auf der Welt. Fürs Klima ist das fatal. Die Emissionen wachsten aber stärker als die Bevölkerung. Strom und Wärme verursachen die meisten Emissionen. Alternde Gesellschaften können großen Einfluss auf CO2-Werte haben. Vgl. Franke, Martin: Die Demokratie-Falle beim Klimawandel, in: FAZ Nr. 224, 27.9.21, S. 26.

Investitionen gegen Klimawandel: 1. Physikalisch in Systeme, die langfristige regelmäßige und schwere Wetterereignisse vorhersagen. 2. Technologisch in Energiespeicherung, elektrisch betriebene Fahrzeuge bzw. Energieeffizienz. 3. Regulatorisch in Emissionsbegrenzung und Standards zur Energieeffizienz, veränderte Förderprogramme und Steuermodelle. 4. Sozial in verändertes Konsumverhalten und Druck von Gruppierungen, die den Ausstieg aus Investments in fossile Brennstoffe fordern. Siehe Philipp Hildebrand: Dem Klimawandel Rechnung tragen, in: Handelsblatt 24.10.16, S. 56.

Ozonloch: Ozonmoleküle wirken in der Atmosphäre wie ein Schutzschild vor übermäßiger UV-Bestrahlung. 1990 sah man im Ozonloch noch die größte Gefahr für die Menschheit. Nur zwei Jahre nach seiner Entdeckung verständigten sich 46 Staaten auf Verzicht von FCKW und anderen ozonschädigenden Gasen. Im wesentlichen wurde alles im Montreal-Protokoll festgehalten. Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) rechnet 2014 damit, dass 2050 das Problem ganz gelöst ist. 2016 findet eine Konferenz in Kigali/ Ruanda statt. Man einigt sich auf Folgeabkommen zum Verbot von FKW. Schrittweise sollen von bei den Industrieländern 2019 bis 2035 85% des FKW-Ausstoßes verringert werden. Bei den Entwicklungs- und Schwellenländern ist eine Reduktion um 80 bzw. 85% von 2014 bis 2047 vorgesehen. Die Treibhausgase beschädigen die Ozon-Schicht. FKW ist Ersatzstoff für FCKW. Die Industriestaaten reduzierten seit Inkrafttreten des Montrealer Protokolls 1989 den Ausstoß von Ozonschicht schädigendem FCKW um 90%. Seit 2014 verkleinert sich das Ozonloch wieder (Quellen: UBA, Unep). Die Werte in Europa und Nordamerika sind rückläufig. In Ostasien sind die Werte gestiegen (Quelle: Forschungszentrum Jülich in Kooperation mit Unis Leicester und Edinburgh). Experten tippen auf eine illegale Produktion in Ostasien (13.000t FCKW pro Jahr). 2020 war das Ozonloch über der Antarktis so groß wie nie: ca. 18 Mio. Quadratkilometer. 1987 wurde ein Montrealer Protokoll gemacht über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen.

Luftgrenzwerte: Sie wurden von Gremien wie der WHO, der EU oder den nationalen Regierungen festgelegt. Zugrunde liegen Forschungsergebnisse (epidemiologisch). Diese werden etwa vom Forum der Internationalen Lungengesellschaften (FIRS) bewertet.  Die Schädigungen liegen aber nicht nur in der Lunge. Die Auswirkungen auf die Menschen, insbesondere auf die Atemsysteme, sind umstritten. Letztlich sind es deshalb immer politisch gesetzte Grenz- und Richtwerte, die in Gesetze eingeflossen sind. Außerdem geht es um den Schutz der Schwächsten (Kinder, alte Menschen, Asthmatiker, Kranke). 2019 gibt es einen harten Streit um die Grenzwerte. Unionspolitiker wollen die Werte europaweit auf den Prüfstand bringen. Es geht auch um die Messverfahren bei den Werten (wo sollen die Messstellen platziert werden). Die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof legt Ende Februar 2019 ihre Empfehlung für einen belgischen Fall vor: Sie spricht sich für strenge Vorgaben aus. Vor sollten einzelne Messstellen deb Ausschlag geben können. Sie spricht sich damit gegen ein häufig verwendetes Verfahren aus, viele Messstellen einzusetzen und  dann das statistische mittel zu bilden..

Luftschadstoffe: Staub und Feinstaub, Schwefeldioxid, Stickoxide, Ozon, Kohlenmonoxid, flüchtige organische Verbindungen, persistente organische Schadstoffe, Schwermetalle, Benzol. Eine Auswertung 2020 der Bundesländer und des Umweltbundesamtes zeigt, dass die Luft in Deutschland besser geworden ist (schadstoffarme Busse, Tempolimits). Luftverschmutzung verringert die Lebenserwartung der Menschen mehr als Rauchen (Forscher der Uni Mainz, 2020).  Am höchsten dürfte die Schadstoffbelastung in der Luft auf der Welt in Delhi/ Indien sein: Beim Atmen dürfte eine Belastung sein wie beim Rauchen von 44 Zigaretten am Tag. Fahrbeschränkungen, Atemmasken und Stilllegungen in der Produktion lösen das Problem kaum. Mehr als 400.000 Menschen in der EU sterben jährlich vorzeitig an Folgen der Luftverschmutzung. Quelle: EEA, Europäische Umweltagentur, 2020. Im Jahre 2020 starben 240.000 Menschen in der EU durch die Belastung der Luft mit Feinstaub (gleiche Quelle).

Treibhausgase (CO2 in der Welt): Nach den Vereinten Nationen (UN) 2018 zufolge befinden sich so viele Treibhausgase wie noch nie zu Lebzeiten des Menschen  in der Atmosphäre. Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) hat ihren jährlichen Treibhausgasbericht im November 2018 (Daten von 2017) vorgelegt. Die Konzentration von Kohlendioxid ist stark angestiegen. Das beruht hauptsächlich auf der Verbrennung von Kohle, Gas und Erdöl. Die Forscher befürchten einen Anstieg der Welt-Durchschnittstemperatur. Die Konzentration der Treibhausgase ist laut Weltwetter-Organisation (WMO) 2018 noch stärker gestiegen als im Schnitt der Vorjahre und erreicht einen neuen Rekordwert. Insgesamt müssten 38 Giga - Tonnen eingespart werden. Deutschland kommt auf maximal 2, die EU auf maximal 8. Also müsste der Rest der Welt noch 30 einsparen. Keiner weiß bisher, wie das gehen soll. Durch Corona - die geringere Wirtschaftstätigkeit - hat es kaum weniger Treibhausgase gegeben.

Kohlendioxid (CO2): Emissionen in Deutschland 2014 nach Verursachern in Mio. Tonnen CO2. Energiewirtschaft 358, Industrie 181, Verkehr 160, Gebäude 119, Landwirtschaft 72, Sonstige 12 (Quelle: BMUB). 2018 will die EU erstmals Co2-Auflagen für LKWs vorschlagen. Dei Emissionen von LKWs sollen zwischen 2019 und 2025 um 15 Prozent zurückgehen. Die Laster sind für ein Viertel aller Emissionen im Straßenverkehr verantwortlich. Allerdings ist das Potential bei PKW höher, z. B. mit Hybridtechnik. Etwa 30% des Kohlendioxids, das in diei Umwelt gelangt, wird von Pflanzen und Boden gespeichert. Tropische Torfsumpfwälder nehmen dabei besonders viel Kohlendioxid auf. Deshalb ist es problematisch, dass sie zunehmend gerodet werden (Palmöl, Akazien). Die Natur braucht etwa 170 Jahre um die Giftstoffe abzubauen. Die Industrie bringt immer wieder den Vorschlag, eine unterirdische Speicherung von Kohlendioxid einzurichten. Die energieintensive Industrie erreicht ihre Grenzen. Die Bundesländer wollen davon nichts wissen. 2019 gehen die CO2-Emissionen um -6,3% zurück (nicht bei Gebäude und Verkehr). Die weitweiten CO2-Emissionen steigen von Jahr zu Jahr: 2005 29,2 Mrd. Tonnen; 2017 41 Mrd. Tonnen. Betrachtet man die CO2-Emissionen pro Kopf im Jahre 2016 ergibt sich folgendes Bild: 1, Saudi-Arabien 20 Tonnen; 2. USA 17; Kanada 16; Südkorea 12; Russland 11; Deutschland 9,8; Japan 9,5. VW hat bis 2019 ca. 100 Mio. Autos produziert, die noch weltweit fahren. Sie verursachen 1% des weltweiten CO2. Ab 2030 gelten in der EU für Neuwagen scharfe CO2-Grenzwerte. 2019 ist der CO2-Ausstoß in Deutschland gegenüber 1990 überraschend um 35% zurückgegangen. Quelle: Agora Energiewende. Gegenüber 2018 gibt es 6,3% weniger Ausstoß. Besonders stark hat der Energiesektor zur Minderung beigetragen. Für 2020 waren 40% Reduktion gegenüber 1990 geplant. Wegen der Corona-Krise könnte das klappen. 2030 soll der CO2-Ausstoß dann um 55% gegenüber 1990 sinken. Die Corona-Krise 2020 sorgt sogar für eine Übererfüllung des Klimaziels: 42,3% unter dem Wert von 1990. Quelle: Agora 2021. Der Verkauf von Emissionsrechten für das Treibhausgas Kohlendioxid hat dem Staat 2021 Einnahmen in Höhe von 12,5 Mrd. Euro beschert.

CO2-Ausstoß im Ländervergleich: Die statistisch korrektere Form sind die jährlichen CO2-Emissionen pro Kopf der Bevölkerung in Tonnen. Im Jahre 2016 lagen die USA weltweit an der Spitze mit 15,0. Es folgen Kanada (14,9), Russland (10,0), Japan (9,0), Deutschland (8,9), China (6,6), Großbritannien (5,7), Italien (5,4), Frankreich (4,4), Brasilien (2,0), Indien 1,0. Quelle: Die Zeit, Nr. 36, 29.08.2019, S. 19. Bezieht man sich nur auf den absoluten Ausstoß ohne Bevölkerung, gibt es drei entscheidende Staaten: sie sind verantwortlich für die Hälfte der Emissionen (Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß 2015): China 30%. USA 13,7%. Indien 6,6%. Dann folgen Russland 4,7%. Japan 3,6%. Deutschland 2,15%. Nach Unternehmen ergibt sich folgendes Bild: Top 10 der Unternehmen, die den höchsten CO2-Ausstoß haben (1988, 35% aller CO2-Emissionen): 1. China (Coal). 2. Saudi Arabian Oil Company (Aramco). 3. Gazprom. 4. National Iranian Oil Co. 5. ExxonMobil Corp. 6. Coal India. 7. Petroleos Mexicanos (Pemex). 8. Russia (Coal). 9. Royal Dutch Shell. 10. China National Petroleum Corp. 100 Unternehmen weltweit sind für 71% aller CO2-Emissionen verantwortlich. Quelle: Vgl. Welt der Wunder 8/19, S. 23. Nimmt man alle Staaten der Welt liegen beim Pro-Kopf-Ausstoß drei Länder an der Spitze: Katar (38 Tonnen je Einwohner), Saudi-Arabien (19), Australien (17). Quelle: Der Spiegel Nr. 49, 3011.2019, S. 60. Im Jahre 2020 sieht die Reihenfolge beim CO2-Ausstoß weltweit wie folgt aus: China 30,7%; USA 13,6%; Indien 7,0%; Russland 4,5%; Japan 3,0%; Iran 2,1%; Deutschland 1,9%.   Die Weltwetterorganisation (WMO) misst für 2020 trotz der Corona-Krise die höchste Konzentration von Treibhausgasen wie Kohlendioxid um den Erdball. Einen besonders großen Anteil daran haben Brasilien, Russland, China, Australien.

Historisches CO2: Was haben einzelne Länder seit der industriellen Revolution beigetragen. An der Spitze liegen die USA mit 25%. Deutschland kommt auf einen Wert zwischen 5 und 6%. Seit 1990 ist der CO2-Ausstoß um 60% angestiegen. Corona hat nur zu einer Delle geführt. CO2 ist extrem langlebig. Mittlerweile  liegt China schon am zweiten platz vor Russland und Brasilien.

Ungleichheit und CO2-Emissionen: Der ärmste Anteil von 50% an der Weltbevölkerung hat 7% der CO2-Emissionen. Der Reichste Anteil von 1% hat 15% der CO2-Emissionen. Siehe Die Zeit 39/ 14.9.23, S. 42.

Profite der Fossilkonzerne und Aufwendungen für Opfer der Klimakrise: Im Jahre 2022 hatten die Fossilkonzerne (Gas, Öl, Kohle) einen Gewinn von 4000 Mrd. US-Dollar. Die reichen Länder stellten 100 Mrd. US-Dollar für Klimaschutz un d-anpassung den armen Ländern zur Verfügung. Siehe Die Zeit 39/ 14.9.23, S. 42.

CO2-Speicherung im Boden (Big Carbon): Der Vorschlag kommt auch in Deutschland immer wieder. Zuletzt macht ihn Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Die Umweltverbände dagegen warnen: Das sei gefährlich, teuer und unerprobt. Norwegen will im großen Stil Kohlendioxid unter dem Meeresboden speichern - auch aus Deutschland. Das Land baut eine CO2-Pipeline. Der Transport ist eine Herausforderung. Die Ampelkoalition will die Technologie auch in Deutschland erproben. Andere Länder wittern ein Geschäftsmodell. Der Markt für CO2 ist potentiell größer als der Markt für Erdöl heute. Im September 2023 warnt das UBA davor, dass Potential der CO2-Speicherung zu überschätzen.

Carbon-Farming: In einer innovativen Anbaumethode können Bauern Kohlenstoff in ihren Böden speichern und nehmen somit CO2 aus der Atmosphäre. Dadurch entsteht ein neuer Markt für die Kompensation von Treibhausgasen. Experten warnen aber vor Greenwashing. Einige Start-ups wollen die regenerative Landwirtschaft optimieren. Allerdings sind die Einnahmen aus den Zertifikaten noch gering und ihr Handel umstritten. Vgl. HB Nr. 94/ 16.5.22, S. 26f.

Feinstaub: Feinstaub sind Teilchen in fester und flüssiger Form, die sich in der Luft befinden (Ruß mit Kohlenwasserstoffen, Schwermetalle). Sie schädigen die Lungenbläschen und zum Teil den Blutkreislauf. Jährlich sterben 3,3 Millionen Menschen vorzeitig durch Feinstaub (Max-Planck-Institut für Chemie). Die meisten Opfer gibt es mit 1,4 Mio. Menschen in Asien. Hauptquellen für den tödlichen Feinstaub sind die Industrie, der Straßenverkehr (vor allem Zweitakter und Dieselfahrzeuge), Holz- und Kohlefeuer (Feuerungsanlagen der Privathaushalte) sowie Elektrizitäts- und Heizkraftwerke. In europäischen Großstädten spielt NO2 (Stickoxid) allerdings eine größere Rolle. Er ist aus den Dieselmotoren der Autos. Die Bundesregierung vernachlässigt dieses Problem, wahrscheinlich auf Druck der Auto-Lobby. In Deutschland besonders betroffen ist Stuttgart durch seine Lage (mehrmals Feinstaubalarm). Der grüne Oberbürgermeister Kuhn setzt erstmal auf freiwillige Lösungen.  In Düsseldorf vor dem Verwaltungsgericht setzt sich die Deutsche Umwelthilfe mit einer Klage durch. Das könnte zu Fahrverboten von Dieselautos in Innenstädten führen. Nahezu ein Drittel der europäischen Großstädter sind 2013 übermäßigen Feinstaubkonzentrationen ausgesetzt gewesen. Im Mai 2018 legt die WHO in Genf neue globale Untersuchungsergebnisse vor (4300 Städte in 108 Ländern): Mehr als 90 Prozent der Menschen weltweit sind verschmutzter Luft ausgesetzt. Diese entsteht nicht nur beim Straßenverkehr sondern auch daheim beim Kochen. Weltweit haben 40 Prozent der Menschen keinen Zugang zu einer abgasarmen Kochgelegenheit. Insbesondere große Städte in Afrika und Asien sind betroffen. Feinstaub ist der gefährlichste Giftstoff. Die EU-Grenzwerte liegen zweieinhalb mal so hoch wie von der WHO empfohlen. Feinstaub führt zu Bindehautentzündung, Kopfschmerz, chronischer Bronchitis, Asthmasymtomen, Herz-Kreislauferkrankungen. Mit anderen Worten: Er schädigt Lunge, Herz und Gefäße, Gehirn und den Fötus bei Schwangerschaft. Die größten Luftverpester in Deutschland sind: Industrie (80,8 Kilo - Tonnen, 2016), Landwirtschaft (30,8), Straßenverkehr (29,1), Heizung in Privathaushalten (20,9) und Energieerzeugung (10,0).  In RLP ist Mainz am stärksten belastet vor Ludwigshafen. Die Grenzwerte werden überschritten. Verantwortlich sind vor allem alte Diesel-PKW. Die Anzahl der Todesfälle durch Feinstaubbelastung ist in China besonders hoch. 217 werden 272 Städte analysiert. Betroffen waren vor allem weniger gebildete Menschen über 75 Jahre in warmen Landstrichen. Im Oktober 2018 wird eine Studie der WHO veröffentlicht: Smog stellt die größte Gesundheitsgefahr dar. Weltweit werden durch Luftverschmutzung sieben Millionen Menschen im Jahr getötet. Für das Jahr 2015 kommen die Forscher auf 442.000 Todesfälle im Zusammenhang mit Luftverschmutzung in den 28 EU-Mitgliedsstaaten. Die höchste Konzentration an Feinstaub haben folgende Städte: Zabol/ Iran 217 mg/Kubikmeter , Gwalior/ Indien 176, Allahabad/ Indien 170, Riad/ Saudi-Arabien 156. Die niedrigste Belastung mit Feinstaub haben Uppsala/ Schweden und Honolulu/USA. Die Wissenschaftsakademie Leopoldina in Halle (eine der ältesten wissenschaftlichen Einrichtungen, über 1500 Forscher) stellt im April 2019 in einem Gutachten für die Bundesregierung fest:  Stickoxide sind gesundheitsgefährdend. Begrenzte Dieselfahrverbote bringen nur wenig. Empfohlen wird eine umfassende Strategie mit dem Feinstaub (auch aus Benzinmotoren, Reifenabtrieb, Heizungsanlagen) im Mittelpunkt. Grenzwerte seien immer eine Entscheidung der Politik.

Feinstaub und Gletscher: Auch die Gletscher haben ein Feinstaubproblem. Der Schmutz sorgt dafür, dass sie weniger Sonnenlicht zurückstrahlen können. Und das lässt sie schneller schmelzen. Das Phänomen wurde zuerst in Grönland beobachtet. Mittlerweile wird es auch in den Alpen erforscht.

Feinstaub und Flugzeugtriebwerke: Neben Heizungen, Industrie und Straßenverkehr sind Flugzeugtriebwerke eine Quelle von Feinstaub. Erst in jüngster Zeit wird untersucht, wie sich die Feinpartikel auf Zellkulturen auswirken. Wie stark die Schäden sind, hängt vom Betrieb der Turbinen, der Zusammensetzung des Treibstoffs  und den Partikeln ab.

Kerosinablass: Flugzeuge lassen manchmal Kerosin ab. Das ist der Fall, wenn ein Triebwerksschaden vorliegt oder bei der Landung der Tank zu voll ist. Besonders betroffen davon ist der Pfälzer Wald (Flughafen Frankfurt).

Stickstoffbelastung (Stickstoffoxide, NO2): Gasförmige Verbindungen mit den Atomen Stickstoff und Sauerstoff. Es werden starke Emissionen reaktiver Stickstoffverbindungen in Wasser, Luft und Boden für Deutschland festgestellt (Quelle: Bundesumweltministerium). Es kommt zu Schädigungen von Menschen und Natur. Hauptursachen sind die übermäßige Nutzung von Mineraldünger in der Landwirtschaft, die Kohleverstromung und der hohe Anteil von Dieselfahrzeugen. Die Bronchien verengen sich. Stickstoffoxide entstehen bei Verbrennungsprozessen. In Ballungsräumen ist der Straßenverkehr die bedeutendste Quelle. Seit Jahren läuft in der EU ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland, weil wiederholt Grenzwerte bei Stickoxiden (Innenstädte) überschritten wurden. Jetzt, 2017, will die EU klagen. Am 25. Januar 2018 fällt darüber die Entscheidung in Brüssel. Das amtliche Messnetz in Deutschland hat 2018 247 Orte im Straßenverkehr, an denen gemessen wird. In stark befahrenen Straßen kleiner Städte und Dörfer wird in der Regel nicht gemessen. Auch hier dürfte der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stichoxid pro Kubikmeter im Jahresmittel überschritten werden. Am 22. Februar 2018 verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über klagen von DUH über die Zulässigkeit von Diesel-Verboten. Bis 31.01.18 verlängert die EU die Frist für Deutschland. Danach will sie Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wegen der Stickoxidbelastung einreichen. eine letzte Friste geht bis Karneval 2018. Das Bundesumweltministerium sieht die Grenzeinhaltung in 20 Städten bis 2020 gefährdet. Der Grenzwert für NO2 ist in der EU noch viel zu niedrig. Die WHO ist wesentlich vorsichtiger. Die Stickoxid-Belastung in den deutschen Städten sinkt zu langsam. Es drohen mehr Fahrverbote. Es gibt immer wieder Auseinandersetzungen um die Gesundheitsgefährdung durch NO2. So auch bei den deutschen Lungenfachärzten. Sie bezweifeln die Grenzwerte in ihrem Nutzen. Die Luftgrenzwerte sollen generell überprüft werden: Dies bei der Bundesregierung, in der EU und der WHO. Die EU-Kommission gibt im Februar 2019 bekannt, dass sie nichts gegen eine Höhersetzung von Grenzwerten hat, um Fahrverbote zu vermeiden. Anfang Juni 2021 verurteilt der Europäische Gerichtshof dei Bundesrepublik, weil dei Grenzwerte für NO2-Emissionen nicht eingehalten wurden. Spitzenwerte haben 2018 Stuttgart, München, Kiel und Köln. In 130 Staaten der Welt leiden die Bürger unter Stickoxiden. 2019 überschreiten 35 Stäste in Deutschland die Grenzwerte.

Schwefeldioxide: 93% weniger Schwefeldioxide als 1990 belasten 2017 die Luft über Deutschland. Auch Kohlenmonoxid, Benzol und Blei liegen unterhalb der europäischen Grenzwerte.

Phosphorbelastung: Phosphor wird häufig in landwirtschaftlichen Düngern verwendet. Nur ein kleiner teil wird von den Pflanzen aufgenommen. Der Rest fließt in Flüsse, Seen und Meere, wo sie die Entstehung der Algenblüte fördert.

Methan: Das Treibhausgas wurde lange unterschätzt.  Aber Methan hitzt 81 mal stärker als Kohlendioxid in einem Zeitraum von 20 Jahren die Erde auf. Die USA und die EU wollen den Kampf dagegen in Glasgow 21 vorantreiben. China und Russland bremsen die Bemühungen. China ist der größte Methan-Produzent der Welt, Russland liegt auf Platz zwei (dann folgen USA, Indien, EU). Lecks in Gasleitungen und auftauen von Permafrost sind in Russland die Ursachen. Methan entsteht auch bei der Förderung von Öl und Gas. Lecks wären leicht mit Überwachungstechniken zu beheben. Wesentlich schwieriger ist es im Landwirtschaftsbereich. Drittgrößte Quelle sind die Mülldeponien. Vgl. HB Nr. 212, 2.11.21, S. 11. Mehr als 100 Staaten schließen sich in Glasgow 21 zu einer Initiative zusammen. Russland und China sind nicht dabei. Die Gasbranche gerät immer mehr in die Methan-Falle. Schäden durch Methanlecks in der Gasinfrastruktur haben einen immer höheren Anteil. Da sSpitzt sich im September 2022 zu: Man entdeckt 4 Lecks in Nordstream 1 und 2. Große Mengen Methan strömen aus.

Emissionen nach Sektoren in Deutschland/ 2016: An der Spitze liegt die Energiewirtschaft mit 36,7%. Dann kommt der Verkehr (18,9%). Es folgen übrige Feuerungsanlagen (15,0%), verarbeitendes Gewerbe (13,9%), Landwirtschaft (7,2%), Industrieprozesse (6,8%) und Sonstige (2,1%).  Weltweit wird entscheidend sein, wie China, Indien und die USA erneuerbare Energiequellen erschließen.

Gesundheit der Menschen und Klimawandel sowie Stadtluft: Der Diesel schadet mit Stickoxiden und Feinstaub. Der Benziner mit Benzol. Besonders problematisch sind Zweitakter. In Innenräumen schadet vor allem das Rauchen. Kinder sind vom Klimawandel besonders betroffen. Allergien und Infektionen könnten stark zunehmen. Es leiden aber auch zunehmend Ältere, chronisch Kranke und Menschen mit schwerer körperlicher Arbeit im Freien. Ärzte fordern 2019 einen Hitzeschutzplan. Quelle: Klimaforschungsprojekt "The Lancet Countdown".

Todesfälle als Folge von Umweltverschmutzung: Umweltverschmutzung ist für jeden sechsten vorzeitigen Todesfall verantwortlich. 2015 sind neun Millionen Menschen gestorben an Folgen von Umweltverschmutzung. Besonders schädlich wirken sich Abgase aus. Quelle: Studien von 40 Wissenschaftlern im Medizin-Fachblatt Lancet, London.

Hitze - Tote: Der Klimawandel wird die Anzahl der Hitze - Tote erhöhen. Eine Studie mit Modellrechnungen sagt dies auch für Deutschland voraus. Gründe sind Erwärmung (Zunahme der Zahl der Hitzetage; 2021 über 20 Tage höher als 30°; der Trend geht weiter nach oben) und der steigende Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre. Am meisten Hitze - Tote haben die beiden bevölkerungsreichsten Länder China und Indien. In der Schweiz gibt es schon eine Bewegung gegen den Hitzetod. Die Klimaseniorinnen haben ihr Land vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Die Behörden ignorieren die Katastrophe. Fachleute rechnen mit bis 8500 Hitze - Toten pro Jahr in Deutschland.

40 Grad-Schallgrenze: 40 Grad gilt als kritische Temperaturschwelle. Ab da wird es für Mensch, Tier und Natur gefährlich. Die Pflanzen gehen kaputt. Die Erträge brechen zusammen. Bei Tieren gibt es keinen Fleischzuwachs. Bei Menschen spielen Alter und Fitness eine Rolle. Bei hoher Luftfeuchtigkeit beginnt der Hitzestress früher. Bis Ende des Jahrhunderts könnten 45 bis 70% der globalen Landfläche betroffen sein. Der Sommer 2022 zählt nach Berechnungen des Deutschen Wetterdienstes zu den 4 wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen (1881).

Trockenheit: Mittlerweile sind in Europa besonders Norditalien und Frankreich von Trockenheit im Winter betroffen. 2005 war das heißeste Jahr der Nullerjahre. 2026 das heißeste Jahr seit Beginn der Messungen.  Das Wetterphänomen El Nino könnte zu weiteren Verschärfungen führen.

Großstädte und Smog: Peking gilt als kaum noch bewohnbar zu bestimmten Jahreszeiten (November bis Februar). Industrie, Autoverkehr und Kohleheizungen in den Wohnungen erhöhen drastisch die Feinstaubbelastung. Fahrverbote helfen wenig (gerade, ungerade Nummern im Wechsel). Paris verhängt 2014 wieder Fahrverbote. London will die Anforderungen an den Schadstoffausstoß von Fahrzeugen weiter verschärfen. Zehntausende Menschen erkranken an Atemwegserkrankungen oder/und sterben. Vor allem in den schnell wachsenden Metropolen der Schwellenländer nimmt die Feinstaubbelastung rasant zu. Sogar in deutschen Großstädten überschreitet die Feinstaubbelastung oft die Grenzwerte. Lungenkrebs und Herzinfarkt können zwei der vielen Gesundheitsschäden sein. 2014 werden die zulässigen Obergrenzen vielerorts überschritten. Die EU-Grenzwerte liegen bei 50 Mikrogramm Feinstaub an 35 Tagen. In Stuttgart war der Wert schon Mitte März 2014 erreicht. Berlin, Frankfurt/ Oder, Halle und Leipzig folgen. Das Umweltbundesamt gibt in Deutschland die Belastung bekannt. Es kommt zu einer Diskussion über den Nutzen der Umweltzonen. In Europa und den europäischen Städten verschmutzt auch die Landwirtschaft sehr stark die Luft: Aus der Tierhaltung und über Düngemittel werden Vorläuferstoffe frei, die Feinstaub begünstigen.  In der Londoner Oxford Street herrscht die weltweit höchste Konzentration an Stickoxiden. Der Jahresdurchschnitt liegt bei 135 Mikrogramm (mehr als das Dreifache des EU-Limits von 40 Mikrogramm). In China ist die Luft am schlechtesten. Es gibt 1,5 Millionen Smog-Tote im Jahr Danach kommen Indien mit 735.000, Pakistan mit 130.000 Toten. Es folgen Nigeria und Bangladesch. Die kleinen Smog-Partikel gelangen in die Lunge und den Blutkreislauf und verursachen Schäden wie das Rauchen. Besondere Gefahren gehen auch vom Stickoxid aus. Dieses wird besonders von Dieselfahrzeugen ausgestoßen. In Deutschland ist aufgrund seiner Lage in einem Talkessel immer wieder Stuttgart betroffen. Bis Februar 2016 wird zum zweiten Mal innerhalb des Jahres Feinstaubalarm gegeben.

Lärmbelästigung: 28% der Deutschen fühlen sich in ihrem Wohnumfeld durch Verkehrs- oder Nachbarschaftslärm belästigt. Damit lag der Wert um " Prozentpunkte höher als 2017. Quelle: Statistisches Bundesamt 2019. Lärm kann das Gehirn verändern. Quelle: Leibnitz-Institut für Neurobiologie.

Betroffenheit von Unternehmen und Kommunen durch den Klimawandel: Man unterscheidet natürlich-physikalische Betroffenheit, regulatorische Betroffenheit und marktliche Betroffenheit. Die strategischen Reaktionen sind Anpassung und Klimaschutz. Vgl. Chrischilles, E./ Mahammadzadeh, M.:  Betroffenheit von Unternehmen und Kommunen durch den Klimawandel und Handlungsoptionen, in: Wirtschaftsdienst 2011/ 4, S. 258ff. Im November 2016 verklagt ein Bauer aus den Anden/ Peru (Huaraz) RWE in Deutschland in Essen wegen der Folgen des globalen Klimawandels. Der Konzern, einer der größten CO2-Emitttenten, weist die Anklage strikt zurück, weil es viele Verursacher gebe.

Klimaschutz: Der Mensch ist Verursacher des Klimawandels. Die erhöhten Temperaturen sind vor allem für bestimmte Regionen kritisch (besonders die armen Länder (Sahel-Zone) leiden, die an der Landwirtschaft hängen; die Malediven z. B. drohen unterzugehen, 2009 findet aus Protest eine Kabinettsitzung unter Wasser statt). Der Kohlendioxid - Ausstoß muss drastisch gesenkt werden. Als Weg dazu haben sich Emissionsrechte durchgesetzt. Insgesamt sind die Kosten der Reduzierung sehr hoch. Die EU gilt als Antreiber, China und USA sind "Wackelkandidaten". Japan will umschwenken zu den Antreibern. Die multinationalen Konzerne wollen längerfristige Investitionssicherheit und vergleichbare Chancen. Die Bundesregierung hat noch keinen Klimabeauftragten.  "Immer mehr Güter zu produzieren und konsumieren, das ist auf Dauer nicht möglich auf einem begrenzten Planeten", Hans J. Schellnhuber, Klimaforscher. Das Land Rheinland-Pfalz will 2015 die Bürgerbeteiligung beim Klimaschutz erhöhen. Ein interaktives Internetportal wird eröffnet: www.klimaschutzkonzept-rlp.de .

Klimaschutzgesetz: Noch 2019 soll ein solches Gesetz in Deutschland beschlossen werden.

Klimawandel (Klima kommt aus dem Griechischen und heißt so viel wie Wandlung, also ein weißer Schimmel) : Ursache für den Klimawandel ist eindeutig der Mensch (es gibt kaum Studien für das Gegenteil). Folgen sind Überschwemmungen, Wüstenbildung mit Dürren, extreme Wetterlagen, Wirbelstürme, Umkehr der Meeresströmungen im Pazifik (ozeanische Zirkulation), Erdbeben, Erdrutsche und Schmelzen der arktischen Polkappe (seit 1979 4,1 Quadratkilometer weniger Eisbedeckung) und des Permafrostbodens, Abnahme der Ozonschicht über der Arktis. Der Klimawandel führt vor allem zu einer Veränderung der Häufigkeit, Intensität, Ausdehnung, Dauer und Zeitpunkt des Auftretens extremen Wetters (Hitzewellen, Überschwemmungen, Dürre, Sturm). Von den Menschen sind in erster Linie die in Entwicklungsländern betroffen. Zum Beispiel ist als größtes Land Indien besonders betroffen, das auf eine Wasserkatastrophe zusteuert, bei der sich Dürre und schwere Überschwemmungen ablösen (Ernteausfälle). Auch die Prognosen für Ägypten sind düster, befürchtet wird eine Überschwemmung und Versalzung des Nildeltas durch das Mittelmeer. Rund 90% der Todesopfer bei Naturkatastrophen stammen aus armen Ländern. Über 66 Prozent (2/3) Treibhausgasausstoß, der Hauptverursacher, geht auf die Länder China, USA, EU-25, Russland, Indien und Japan zurück. 2010 wurde soviel Klimagas ausgestoßen wie noch nie. Auch der Anstieg war sehr hoch (564 Mio. t CO2 mehr als 2009, +6%). 2012 wird der Ausstoß klimaschädlicher Gase in die Luft noch gesteigert (Weltorganisation für Meteorologie, WMO). Besondere Probleme bereitet der Flugverkehr (CO2-Ausstoß pro Kilometer sinkt; Anzahl der Flüge steigt). Die reicheren Länder haben ihren Wohlstand auf Kosten des Klimas ausgebaut, jetzt sollten sie den ärmeren Ländern bei der Anpassung helfen. Als einer der ersten Volkswirte hat sich der Amerikaner William Nordhaus mit dem Klimawandel beschäftigt. 1965 warnten Forscher in den USA erstmals Präsident Johnson vor den Folgen der Erderwärmung. Der Klimawandel zwingt uns, global zu denken. Dies ist positiv. Ziel muss sein, die gesamte Produktion klimaneutral zu gestalten und dafür eine neue Kultur aufzubauen. Über die Einschätzung des Klimawandels findet auch ein weltweiter Meinungskrieg statt. Die Industrie bezahlt PR-Manager, die organisiert die Erderwärmung leugnen (kaufen auch Wissenschaftler). Es gibt drei untrügliche Indikatoren für Klimawandel: 1. Die Abweichung der Jahrestemperatur vom Durchschnitt der Jahre 1951 bis 1980 (0,6 nach oben; Quelle: Nasa). 2. Der Anstieg des globalen Meeresspiegels seit 1960 (über 80 mm; Quelle: Nature). 3. CO2-konzentration in der Atmosphäre im Monatsmittel (auf 400 parts per million; Quelle: Scripps Institution of Oceonography).  Insgesamt 200 Mio. Menschen werden bis 2050 wegen des Klimawandels umziehen müssen. 325 Mio. Menschen sind jährlich betroffen. Die wirtschaftlichen Folgekosten werden auf 90 Mrd. € geschätzt. In Rheinland-Pfalz viel der klimagedingte Temperaturanstieg nach dem Saarland am stärksten aus (nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes in den vergangenen 130 Jahren um 1,33 Grad). Dies geschah hauptsächlich durch eine Veränderung der Hauptwindsysteme (von der Westwindzone nordwärts). Durch den Hurrikan "Sandy" wird der Klimawandel in den USA Wahlkampfthema im Herbst 2012. Im November 2012 veröffentlicht die Weltbank einen Klimabericht: bis 2060 soll sich die globale Durchschnittstemperatur um 4 Grad erhöhen (maximal 2 Grad wären erträglich). Im September 2013 veröffentlich die UN die Ergebnisse des Weltklimarates über die Erderwärmung und den Klimawandel. Dieser soll schneller voranschreiten als erwartet, so dass schon 2100 viele Inseln und tief gelegene Landstriche im Meer verschwinden können, wenn nicht schleunigst gegengesteuert wird. "In gewisser Weise kann der Klimawandel jetzt als eine weitere Massenvernichtungswaffe betrachtet werden, vielleicht sogar als die fürchterlichste Waffe der Welt", John Kerry, US-Außenminister 2014. Ein weiterer Teilbericht des IPCC wird Ende März 2014 in Yokohama veröffentlicht: Hunderte Millionen Küstenbewohner werden ihre Heimat verlieren., weil Überflutungen durch den starken Anstieg von CO2 zunehmen (Meeresspiegel ist von 1901 bis 2010 um 19 Zentimeter gestiegen). 500 Experten schreiben an dem Entwurf. Weizen-, Reis und Maiserträge nehmen ab, wodurch Hungersnöte entstehen. Die Oberflächentemperatur ist von 1880 auf 2012 um 0,85 Grad Celsius gestiegen. Verantwortlich dafür ist vor allem die Nutzung der fossilen Brennstoffe. Deutschland wird sein Kioto-Ziel (Senkung des CO2-Ausstoßes bis 2020 um 40%) verfehlen (wahrscheinlich noch nicht mal Senkung um ein Drittel; Grund ist das sehr positive Wirtschaftswachstum; Umweltministerium auf eine Anfrage der Grünen im Sommer 2014). Nach einer Studie der Weltbank 2014 ist ein Anstieg der Erderwärmung bis 2050 um 1,5 bis 2 Grad Celsius nicht mehr aufzuhalten. Nie war der CO2-Ausstoß so hoch wie heute. Die Atmosphäre wird als Mülldeponie missbraucht, wobei vor allem Arme und künftige Generationen betroffen sind.

Während in der Vergangenheit eher die Vermeidung des Klimawandels im Vordergrund stand rückt in jüngster Zeit die Anpassung an die Folgen verstärkt in den Mittelpunkt. Bestimmte Klimafolgen gelten als unvermeidlich und wirken sich auf Regionen und Wirtschaftszweige aus. Das wissen über Klimaänderung hat zugenommen, so dass Modelle für die Kostenschätzung der Anpassungsmaßnahmen entwickelt werden können. Vgl. Schulze, Sven: Anpassung an den Klimawandel von zunehmender Bedeutung, in: Wirtschaftsdienst, 2/2010, S. 125-131. In Deutschland zeigen sich 2013 die folgen des längeren Winters. Komplette Branchen werden lahm gelegt. Erkältungskrankheiten steigen auch dramatisch an.  Der Earth Song von Michael Jackson von 1995 ist einer der berühmtesten Umweltballaden. In dem Film "That´s it" von 2009 ist der Song in ein interessantes Video eingebunden.

Lösung des Klimaproblems: Vermeiden, Anpassen oder Ignorieren. Klimaschaden=Klimaanfälligkeit x Klimaänderung. Vgl. S. Rahmsdorf/ H. J. Schellnhuber: Der Klimawandel, München 2018, S. 88ff. 

Klimaanpassung: Je weniger kurz- und mittelfristig die globalen Abkommen zur Treibhausgasreduktion auszuhandeln sind, desto wichtiger ist die Anpassung. Es müssen Ziele definiert werden; es muss entschieden werden, ob es autonom oder staatlich erfolgt; die ökonomische Fundierung muss geleistet werden. Vgl. Gawel, Erik/ Heuson, Clemens: Ökonomische Grundfragen der Klimaanpassung, in: Wirtschaftsdienst 2012/ 7, S. 480ff. Einige Experten sprechen auch vom "vom Mythos vom Gleichgewicht der Natur". sie beziehen sich auf die ganze Erdgeschichte, die zeige, dass es schon immer chaotisch war. Alle heutigen Pflanzen und Tiere hätten schließlich den Wechsel von Warmzeiten und Eiszeiten überstanden. die Veränderung sei Antrieb der Evolution. Wenn der Kohlendioxidausstoß zum Problem wird, gibt es auch Regionen, die profitieren (Nordeuropa, Sibirien). Vgl. Gert Ganteför: Der Mythos vom Gleichgewicht der Natur, in: Rheinpfalz am Sonntag, 15. 02. 2015, S. 17.

Klimaanpassungsgesetz: Am 1. Juli 2024 tritt es in Deutschland in Kraft. Die Finanzierung ist noch ungeklärt. Das sorgt für Ärger. Die Länder müssen dafür sorgen, dass lokale Klimaanpassungskonzepte auf der Grundlage von Risikoanalysen aufgestellt werden. Kommunen müssen Konzepte gegen Klimakrise vorlegen.

Climate Engineering (Gezielte Eingriffe; Geoengineering): Hier ist die Diskussion erst am Anfang. Es gibt klimawissenschaftliche, völkerrechtliche, ethisch-moralische, ökonomische, technische und politische Fragen. Bezüglich der CDR-Maßnahmen sind in naturwissenschaftlicher Hinsicht vor allem das Potential und die Nebenwirkungen strittig. Bezüglich der Ozeandüngung gibt es bereits Feldexperimente. Vgl. Gezielte Eingriffe, in: Marotzke, J./ Stratmann, M.: Die Zukunft des Klimas, München 2015, S. 183ff. Immer mehr interessiert sich China für das Thema. So gibt es auch immer mehr Forscher aus China in Grönland. Es geht um Möglichkeiten, die Welt abzukühlen.

Geoingeneering: Gegen die Erderwärmung gibt es eine riskante Methode: die Sonne künstlich verdunkeln. Lange war das ein Tabu. Jetzt, 2024,  wächst der Druck, sich darauf vorzubereiten. Es gibt fünf Methoden: 1. Stratosphärische Aerosol-Injektion (SAI). 2.Reflektieende Oberflächen. 3. Marine Cloud (MCB). 4. Cirrus Cloud Thinning (CCT). 5. Installationen im Weltall (Spiegel und Sonnensegel).  Vgl. Anderl, Sibylle: Muss man es tun? in: Die Zeit 28/ 27.6.24, S. 31.

Klimakriege: Der Klimawandel führt zu Konflikten, vor allem in den ärmeren Gegenden der Welt. Vieles spricht dafür, das die Kämpfe des 21. Jahrhunderts um Raum, Wasser und Nahrung geführt werden. Seit dem Hurrikan "Katrina" in den USA beschäftigt man sich auch mit den Klimaflüchtlingen. Die Wanderungsbewegungen werden zunehmen. Wenn es um die menschliche Existenz geht, kann es zu radikalen Lösungen kommen. Die Entwicklungsländer werden zunehmend von den Industrieländern unterstützt werden müssen. Vgl. Welzer, Harald: Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird, Frankfurt (Fischer) 2008. "Die Früchte der Erde gehören allen, die Erde selbst niemanden", Jean-Jacques Rousseau (1712-1778), Discours sur l´inegalite.

Klimawandel und US-Navy: Die US-Marine bereitet sich wie kaum eine andere Organisation auf den Klimawandel vor. Sie investiert Milliarden, um Lieferketten und Stützpunkte gegen den Anstieg des Meeresspiegels zu schützen. Sie wird sicher auch häufiger zu militärischen und humanitären Einsätzen entsandt. Die Armee arbeitet mit einer Kombination aus sicheren und strategischen Wetten. Diese werden mit Minderung an Investitionen und Anpassung an Investitionen kombiniert. So entsteht eine Matrix mit vier Feldern (Win-Win; Profitable Absicherung; Kostspieliger Altruismus; Strategische Investition) Vgl. F. L. Reinhardt/ M. W. Toffel: Vor der Flut, in: Harvard Business Manager, November 2017, s. 69ff. Man versucht mögliche Auswirkungen auf bauliche und natürliche Infrastruktur und Beschaffungs- und Versorgungsketten zu analysieren.

Klimakrise: Die Konsumentensouveränität kann die Nachhaltigkeit des Wirtschaftswachstums nicht gewährleisten (hier ist die klassische Theorie Fiktion). Der Strukturwandel muss durch gezielte Investitionen beeinflusst bzw. gelenkt werden. In Deutschland ist er beschäftigungsintensiv erfolgt (mehr neue Arbeitsplätze in Umweltbranchen als Arbeitsplatzverlust durch Umweltschutzinvestitionen). Vgl. Flassbeck, H.: Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts, Frankfurt 2010, S. 89ff. "Every day is Earth Day, if it`s cold or wet or hot. Pitch in (einspringen, sich engagieren, sich beteiligen) to save the planet - it`s the only one we`ve got", A Poem for our Earth (Langenscheidt Englisch-Kalender 2011).

Instrumente der Klimapolitik: 1. Regulatorische Instrumente (Mindestenergieanforderungen, Verpflichtende Anlagen, Sanierungspflichten). 2. Planerische Instrumente. 3. Information und Beratung. 4. Investitionsförderung (Fördermittel, Steuernachlässe). 5. Capacity Buildung und Vernetzung. 6. Forschung & Entwicklung bzw. Beschaffung. Quelle: U. Schneidewind: Die große Transformation, Frankfurt a. m. 2018.

Grüne Paradoxon: Unerwünschter Effekt von Klimaabkommen. Wenn die Nutzung fossiler Brennstoffe (Öl, Gas) beschränkt wird, beginnt ein Ansturm auf diese. Wenn die Industrieländer weniger Rohstoffe verbrauchen, drückt das den Preis. Dadurch können  die rohstoffhungrigen Schwellen- und Entwicklungsländer mehr Rohstoffe verbrauchen. Weltweites Wohlstandsgefälle vermindert so den Klimaschutz, aber globale Armut kann bekämpft werden. Vgl. H. W. Sinn: Das grüne Paradoxon, Berlin 2008, S. 405ff.. Die grüne Politik der Kyoto-Länder soll dazu führen, dass die Kohlenstoffmengen, die von den Kyoto-Ländern nicht verbraucht werden, nach den USA, China u. a. wandern. Das Paradoxon setzt allerdings den Status-Quo von Kyoto voraus, was mit Obama nicht sicher ist. Er zeigt auch die Paradoxien, die blinden Flecken, die Kosten und die Grenzen der Umweltpolitik auf.

Rush to burn": Es steigt das Angebot an Öl und Gas. Die Preise verfallen. Das wäre ein Antizipationseffekt. Für Gas könnte das Nutzungskonzept "türkis" kommen. Man zerlegt Methan in Wasserstoff und Kohlenstoff ohne Freisetzung von CO2. Bei Erdöl ist das schwieriger: aus einem Bruchteil werden Kunstfasern, Dämmstoffe und Plastikprodukte. Vgl. Konrad, Kai: Die andere Energiewende, in: FAZ Nr. 158/ n11.7.22, S. 6.

Europäische Klimapolitik und Gerichte: Es gibt einige Klagen gegen die Klimapolitik der Europäischen Union vor dem EuGH. Die Kläger sind in der Regel in ihrer persönlichen Existenz betroffen (Gastwirte auf Nordseeinseln). Die Klagen wurden bisher immer abgewiesen. Begründung: Der Klimawandel werde jeden treffen. Die Kläger könnten nicht nachweisen, dass ihre individuellen Grundrechte auf besondere Weise beschnitten würden.

Klimapolitik, aktuelle: Mit Präsident Obama ändert sich die Politik der USA:  im Konjunkturpaket sind ca. 60 Mrd. $ klimarelevante Maßnahmen enthalten (neue Technologien, erneuerbare Energien, Energieeffizienzsteigerungen). Weil die LDJ die Wahlen in Japan gewonnen hat, werden die Umweltziele dort auch höher gesteckt.  Seit 2004 gibt es eine Renaissance der Kohle, vor allem in China, Indien und den USA. Damit ist die Wachstumsrate für den Kohlendioxid-Ausstoß  seit den letzten fünf Jahren so hoch wie seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr. Eine "gute" Klimapolitik müsste die Opportunitätskosten herausarbeiten. Als beste Instrumente gelten handelbare CO2-Emissionsrecht oder eine CO2-Steuer. Insgesamt sind rund 15% der weltweiten Konjunkturpakete 2009 gegen die Wirtschaftskrise ökologische Ausgaben. Denkbar wäre es, die ungewöhnlich hohe Schuldenanhäufung durch zusätzliche ökologische Steuern und Einnahmen aus CO2-Zertifikaten abzutragen. In Deutschland spielt der Klimawandel seit 1987 in der Öffentlichkeit eine Rolle (in diesem Jahr erscheint die Denkschrift "Warnung vor weltweiten Klima- Veränderungen durch den Menschen", danach wurde der Beirat für Umweltfragen eingerichtet). Von 2020 an will die EU jährlich bis zu 15 Mrd. € für den Klimaschutz in armen Ländern geben (3 Mrd. aus Deutschland). Der Geo-Ingenieur David Keith will das Weltklima aktiv verändern. Es soll eine Art Sonnenfolter im Himmel die globale Erderwärmung bremsen. Diese Technik birgt aber viele Gefahren. 2013 richtet die EU ihre Klimapolitik neu aus. Es erfolgt eine Konzentration auf CO2-Abbau. Über den Energiemix soll es keine Vorschriften mehr geben. Im Juli 2014 schafft Australien seine 2012 eingeführte CO2-Steuer wieder ab. Das verwundert bei der Betroffenheit Australiens von Naturkatastrophen und dem Klimawandel.  "Das Wasser nimmt nicht mehr Platz in einer Schale ein, als es bedarf. So gleicht es der Mäßigung", Konfuzius. Ab 2016 will Deutschland ärmeren Ländern beim Kampf gegen Erderwärmung helfen. Dies soll vor allem mit Klima-Infos geschehen.

Evaluation des Pariser Klimaabkommens: Kann das Abkommen seine Ziele erfüllen? Die 10 größten CO2-Emittenten auf der Welt sind China, Indien, Iran, Indonesien, Saudi-Arabien, Russland, USA, EU27, UK, Japan, Südkorea. Es wird kurz- bis mittelfristig nicht ohne die Schwellen- und Entwicklungsländer gehen. Die Industrieländer "müssen sich zum einen von der Illusion lösen, dass sie alleine durch Minderung ihrer eigenen CO2-Emissionen die weitere Erderwärmung begrenzen können. Stattdessen müssen sie auf die Kooperation mit Schwellen- und Entwicklungsländern setzen und sie mit konkreten Maßnahmen zur Senkung des CO2-Ausstoßes unterstützen. In diesen Ländern sind die CO2-Vermeidungskosten in der Regel deutlich niedriger als in den Industrieländern, vor allem weil sie oft eine hohe Energieintensität haben, Kohle zum Teil ihre vorherrschende Energiequelle ist und sie über nur wenige erneuerbare Energien verfügen". siehe Renate Neubäumer, Ist das Pariser Abkommen der Durchbrauch zu einem weltweiten Klimaabkommen? in: Wirtschaftsdienst 2021, Heft 10, S. 781-788.

Klima- und energiepolitische Maßnahmen in Deutschland: 1. Erneuerbare Energien: Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (2009), Gesetz zur Einführung einer Biokraftstoffquote (2007), Gasnetzzugangsverordnung (2005), Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (2000). 2. Energieeffizienz: Gesetz über die umweltgerechte Gestaltung energie-verbrauchsrelevanter Produkte (2011), Reform der Kraftfahrzeugsteuer (2009), Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (2004), Energiesparverordnung (2002), Gesetz über die Kraft-Wärme-Kopplung (2002), Ökologische Steuerreform (1999). 2012 ist der CO2-Ausstoß in Deutschland seit langem mal wieder gestiegen. Gründe sind der kalte Winter in Kombination mit Mehrverbrauch an Kohle/Holz und der steigende Kohleeinsatz, auch in Kraftwerken. Nationale Alleingänge Deutschlands bringen nicht viel für das Klima. Neue CO2-Ziele können insgesamt viel Geld kosten. Mehr Investitionen in Forschung wären sinnvoller. Vgl. Weimann, Joachim: Rationale Klimapolitik geht anders, in: FAZ 27.06.16, S. 18.   "Klimapolitik ist Vorwand für globale Gesellschaftspolitik. Es geht um die weltweite Herrschaft über den Menschen und nicht über das Wetter", Wolfgang Thüne, Diplom Meteorologe.

Klimastiftung für Bürger: Stiftung in Sinsheim von Dietmar Hopp (SAP-Gründer) gegründet und finanziell ausgestattet. Es geht vor allem um Klima-Bildung. Es werden Bildungsprojekte für die Kleinen gefördert (auch weiterführende Schulen). Es geht auch um "Greening jobs" (Berufsorientierung im Unternehmen). Gefördert wird auch die Interdisziplinarität der Lehrerausbildung. Vgl. www.klima-energie-stiftung.de .

Klimapolitik der deutschen Industrie (BDI-Papier 2018): Es geht um die Klimapolitik bis 2050. Es sind Handlungsempfehlungen. Grundlage sind Studien von der Boston CG und Prognos. Man fokusiert sich auf 80% Treibhausgas - Emissionen mit 1,5 Billionen  €.

Grüne Klimafonds: Er wurde auf der Klimakonferenz in Cancun 2010 eingerichtet. 2011 findet der Verhandlungsprozess in den Vereinten Nationen statt. Es sollen sich Staaten beteiligen (eventuell unter einer neutralen Institution), die in den Fonds einzahlen, aus dem zukünftige Investitionen bezahlt werden sollen.

Technologien gegen den Klimawandel weltweit: 1. Solaroad: Straßen und Gehwege aus Solarpanelen. 2. Cleanenergy: Wechselbatterie für E-Fahrzeuge. 3. Climeworks: CO2-Staubsauger. 4. City Tree: Moosblock zum Filtern der Atemluft. 5. Memphis Meats: Fleisch-Produktion ohne Tiere. 6. Fluidsolids: Recycling-Werkstoff, der Plastik ersetzt. 7. Ecosia: Internet-Suchmaschine, die Bäume sponsert. Vgl. Focus 42/2018, S. 28.

Naturkatastrophen: Naturkatastrophen sind Überschwemmungen, Stürme, extreme Temperaturen, Dürren, Erdrutsche und Waldbrände. Alle diese Phänomene haben infolge des Klimawandels extrem weltweit zugenommen. Als Folge des Klimawandels und der knapper werdenden Energie-Ressourcen häufen sich diese. Innerhalb von 25 Jahren hat sich die Zahl der katastrophalen Wettereignisse mehr als verdreifacht (1990 bis 2015). Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko, die Waldbrände in Russland, die Überschwemmung in Pakistan und Australien sind die aktuellsten. Der Schadensersatz für den Golf könnte BP das Genick brechen. Helfen soll ein Zusammengehen mit Rosneft aus Russland. Die Katastrophe macht das Öl noch knapper und könnte auch zu einer neuen Krise führen. Die Versicherungsbranche entwickelt sich zur treibenden Kraft der Vorsorge. Sie versorgen erneuerbare Energien mit Geld und Policen. Am stärksten von Naturkatastrophen, insbesondere Wetterkatastrophen, betroffen sind 2010 Pakistan und China vor Mexiko. 2011 erschüttert eine Flutkatastrophe Australien (Queensland). Diese wird den Weizen- und den Kohlepreis nach oben treiben. In der Nähe von Rio in Brasilien gibt es riesige Erdrutsche mit über 1000 Toten. Dann folgt ein Erdbeben mit Tsunami in Japan (Atomkraftwerke geraten außer Kontrolle). Es ist die teuerste Naturkatastrophe aller Zeiten. Im Herbst 2012 wütet Hurrikan "Sandy" an der Ostküste der USA (New York, New Jersey) mit hohen Flutwellen (über 100 Tote, über 200.000 Wohnhäuser beschädigt). Viele Menschen sind lange ohne Strom, Heizöl und Benzin. Eine Kältewelle droht. Im Herbst 2013 treffen zwei Wirbelstürme Mexiko. Es wird in die Zange genommen. Es ist die schwerste Naturkatastrophe seiner Geschichte. 150 Menschen sterben, schwere Verwüstungen machen Zehntausende obdachlos. Im November 2013 trifft der stärkste Taifun aller Zeiten auf die Philippinen. Der Taifun "Haiyan" sorgt für schwere Verwüstungen (über 4.000 Menschen sterben, am schlimmsten betroffen ist die Stadt Tacloban; 2,5 Mio. Menschen brauchen Hilfe). Ende 2014 kommt der Taifun "Hagupit" (Peitsche) auf die Philippinen zu. Viele Ballungszentren der Erde befinden sich auf Erdbebengebiet: Istanbul, Lissabon, San Franzisko, Mexiko City, Neapel, Genf, Jakarta. Wirbelstürme, Überflutungen und andere Naturkatastrophen haben auch 2013 Milliardenschäden angerichtet (880 Katastrophen; 90 Mrd. €; mehr als 20.000 Tote). Ein besonderes Problem stellt die Absenkung der Mündungsdeltas von Flüssen dar. Überschwemmungen an den Küsten häufen sich. Hiefür sind der Anstieg der Meeresspiegels und der Entzug des Grundwassers verantwortlich. die Deltas sind aber häufig überlebensnotwendig, weil die fruchtbaren Böden wertvolle Nahrungsmittel liefern. Nach Prognosen der Versicherer werden die Extremwetter häufiger werden. Es werden daher in Zukunft noch mehr Schäden durch Naturkatastrophen entstehen, auch in Europa (starke Winde, Rekordhitzewellen, Waldbrände, Sturzfluten, Überschwemmung, Blitzeinschläge). Mitte März 2015 wird der Inselstaat Vanuatu (83 Inseln) im Pazifik vom Zyklon "Pam" getroffen. Es muss der Notstand ausgerufen werden. Viele Menschen werden getötet oder ihr Schicksal ist ungewiss. Ende April 2015 trifft ein Erdbeben Nepal, Indien, China und Bangladesch. Das Epizentrum liegt in der Nähe von Kathmandu. Über 5000 Menschen sterben. Erdbeben sind keine Folge des Klimawandels. Extrem gefährdet sind die Gebirgszüge im Himalaja, in Japan, in Nord-, Mittel- und Südamerika. Bereits 50 Millionen Menschen sind im Süden und Osten Afrikas von einer schweren Dürre betroffen. Sie brauchen Nahrungsmittelhilfe. Bei Waldbränden in Kanada wird im Mai 2016 eine ganze Stadt in der Provinz Alberto zerstört (Fort McMurray; milder Wintern früher Frühling, trockene Luft, Wind). Der kleine Inselstaat Vanuatu im Südpazifik ist nahezu permanent von Naturkatastrophen bedroht. Dennoch gehören die Bewohner zu den glücklichsten der Welt. Immer mehr Provinzen in Indien leiden unter Dürre. 2016 ist es ganz schlimm. Es entwickelt sich eine "Durst-Wirtschaft". Ein Viertel der Bevölkerung sind betroffen (330 Mio.). Das könnte ein Vorbote neuer Krisen vieler Schwellenländer sein. Im November trifft ein schweres Erdbeben mit Tsunami Neuseeland. Besonders betroffen ist Christchurch. Im Sommer 2017 wütet ein schwerer Waldbrand in Portugal. Klimawandel, Einsparungen bei der Brandvorsorge und eine verfehlte Forstpolitik (Eukalyptusbäume, die schnell brennen) sind die Ursache. Texas, insbesondere die Millionenstadt Houston,  sind im August 2017 von Überschwemmungen infolge von Dauerregenfällen nach dem Wirbelsturm Harvey betroffen (Erhitzung des Wassers im Golf von Mexiko durch Klimawandel, Verdunstung, Bildung von Wirbelstürmen, Wolken müssen sich in Küstennähe abregnen, Wasser kann wegen Bodenversiegelung nicht versickern). Harvey ist der stärkste Hurrikan seit 2005 (30.000 Menschen obdachlos, Katastrophenfall in Texas und Louisiana). Die Rating - Agentur S&P schätzt die Kosten für die Rückverscherung bei sechs Mrd. €. Danach kommt mit Irma" direkt der nächste. Er verwüstet die Karibik. 95% der Insel Saint Martin sind betroffen. Ebenso werden die Inseln Barbuda, Sint Maarten und Anguilla getroffen, später dann Kuba und Florida (Keys, Miami, Orlando, Tampa; Flutwellen und Sturm). Der Ostküste der USA drohen in Zukunft häufiger Überschwemmungen als Regel. Sie stellen eine immer größere Gefahr dar, weil die Küstengebiete jedes Jahr um 3 Millimeter absinken in Folge menschlicher Eingriffe in die Umwelt. In Mexiko (an der Pazifikküste im Süden) hat ein verheerendes Erdbeben über 60 Todesopfer gefordert. Hurrikan "Maria" folgt sofort (Stärke 5) und richtet weitere große Schäden auf den Karibikinseln an (insbesondere auf Puerto Rico; ein Staudamm droht zu brechen). Mexiko Stadt wird im September 2017 zweimal schwer getroffen von einem Erdbeben (07.09. und 19.09.). Beim zweiten schweren Beben (7,1) stürzen über 50 Gebäude ein, Hunderte sind unbewohnbar. Es gibt mehr als 300 Tote. Ein drittes Beben folgt. Anfang März 2018 richtet ein schwerer Wintersturm große Schäden an der Ostküste der USA an (Küstenzone unter Wasser, fünf Menschenleben). 2017 waren 93% der relevanten Schadensereignisse wetterbedingt. An erster Stelle stehen mit 47% hydrologische Ereignisse wie Überschwemmungen, Sturzfluten und Erdrutsche. Die höchsten Schäden entstanden 2017 durch drei aufeinander folgende Hurrikane (Harvey, Maria, Irma).  Zyklon "Idai" verwüstet im März 2019 das Land Mosambik, über 1000 Tote. Er richtet auch großen Schaden in den Nachbarländern Malawi und Simbabwe an. Tausende kämpfen ums überleben. Hilfe ist schwierig, da die Infrastruktur zerstört ist. Hunderttausende sind auf humanitäre Unterstützung angewiesen. Ende August 2019 rast der Hurrikan "Dorian" auf die Küste von Florida zu. Deshalb sagt Trump seine Polen-Reise ab. Am härtesten werden die Bahamas getroffen (ca. 50 Tote; der Sturm ist so groß wie Deutschland; ). Mitte Oktober 2019 trifft der Wirbelsturm Hagibis auf Japan (Regenfälle, Erdrutsche, Überflutungen). Tokio wird lahm gelegt. Am 13.04 wird der Süden der USA von schweren Stürmen getroffen, die großen Schaden anrichten. Im August 2020 ist die Insel Mauritius von einer Ölpest bedroht. Ein japanisches Frachtschiff mit Öl war gestrandet. Bis August 2020 gibt es 20 bereits 7099 Einzelbrände in Kalifornien. Die Luftqualität ist bei den Bränden meist die schlechteste der Welt. Mittlerweile ist Mitte September die ganze Westküste betroffen, also auch Washington und Oregon. Es sind die größten Waldbrände der Geschichte in dieser Region. Viele Häuser sind verloren, es gibt viele Tote. Die größten Regenfälle und Überschwemmungen seit 100 Jahren treiben 2020 den Nil (da, wo blauer und weißer Nil zusammenfließen) im Sudan über die Ufer. Am 30.10.20 erschüttert ein Erdbeben die östliche Ägäis. Besonders betroffen sind Izmir/ Türkei und die griechische Insel Samos (Tsunami). Es gibt viele Verletzte und Todesopfer (90 Tote). Am gleichen Tag trifft ein schwerer Hurrikan auf die Südostküste der USA. Seit dem Jahre 2000 sind bis 2020 bei Extremwettern (heftige Stürme, Fluten, Hitzewellen) 500.000 Menschen ums Leben gekommen. Die wirtschaftlichen Schäden lagen bei 2,1 Billionen €. Deutschland befindet sich unter den 10 am stärksten betroffenen Ländern. Quelle: Studie von German Watch 2021. Anfang Oktober 2021 gibt es eine Naturkatastrophe an der Südküste Kaliforniens. Ölteppiche verseuchen den Strand und töten viele Tiere. Ursache ist ein Leck in einer Pipeline. Die genauesten Daten über Schäden durch Naturkatastrophen haben die Rückversicherungen. Daten von Swiss Re beinhalten, dass 2021 das viertteuerste Jahr seit 1970 war. Teuerstes Ereignis war der Hurrikan "Ida". Im April 2022 gibt es verheerende Überschwemmungen an der südafrikanischen Küste. Man rechnet mit über 400 Toten. Es handelt sich um ein Extremwetter. Die Strom- und Trinkwasserversorgung ist unterbrochen. Schwerpunkte ist Kuwa Zulin Nadah; der Hafen von Durban muss geschlossen werden. Im ersten Halbjahr 2022 häufen sich auffällige Wetterextreme: Es gibt 64 Mrd. € Schäden durch Naturkatastrophen. 2024 kommt es zu großen Überschwemmungen im Zusammenhang mit dem Phänomen El Nino (Afrika: Kenia, Tansania, Burundi; Brasilien, Südchina.). Überflutungs-Alarm gibt es auch im Süden Deutschlands 2024 (B.- W., Bayern). Der Hurrican "Beryl" richtet im Juli 2024 in der Karibik große Verwüstungen an. Es gibt mindestens 8 Tote. Im August 2024 gibt es starke Waldbrände in Griechenland. Sie bedrohen Athen und fordern Todesopfer. Anfang September gibt es einen großen Waldbrand am Broken im Harz. Der Brand kann nach Tagen gelöscht werden. Ursache war wohl Brandstiftung. Mitte September 2024 kommt es infolge von Starkregen und Schneeschmelze zu großen Überschwemmungen in Osteuropa. Anfang November 2024 trifft ein schweres Unwetter (Starkregen, Überschwemmungen, Erdrutsche) die Region Valencia in Spanien. Über 200 Menschen kommen ums Leben, viele sind noch vermisst. Die Behörden sind stark in der Kritik. Parallel trifft ein schwerer Taifun Taiwan und die Philippinen.    "Wenn die Preise uns vorgaukeln, die Natur sei unendlich, rennen der technische Fortschritt und die Zivilisation in den Abgrund", Ernst Ulrich von Weizsäcker, Umweltforscher. Mittlerweile gibt es die UN World Conference on Disaster Risk Reduction: Es geht um ein neues Rahmenwerk zur Reduzierung von Naturkatastrophen mit einer Laufzeit von 15 Jahren. Die dritte Konferenz findet in Sendai/ Japan statt. vgl. www.wcdrr.org . In den vergangenen 20 Jahren sind durch Wetterkatastrophen mehr als 600.000 Menschen ums Leben gekommen (Klimabericht der UN 2015; 4 Mrd. Menschen wurden seit 1995 verletzt). Allein 2015 gab es 1060 Naturkatastrophen in der Welt. Man unterscheidet zwischen geophysikalischen, meteorologischen, hydrologischen und klimatologischen Ereignissen. 2016 wird Mittelitalien immer wieder von Erdbeben getroffen. Rund 28.000 Menschen werden obdachlos. Große Auswirkungen hatte 1755 das schwere Erdbeben bei Lissabon in Portugal. Es erschütterte massiv den Glauben an die Güte Gottes und die reine Vernunft bekommt Auftrieb (Voltaire, Schopenhauer). Nach Angaben des Versicherers Munich Re sind 2016 die Schäden durch Naturkatastrophen im Jahresvergleich um gut zwei Drittel gestiegen. Bis 2100 könnten die Schäden durch Sturm um 70 Prozent ansteigen (Quelle: Weltklimarat). Allein die Münchener Rück beziffert die Schäden für 2017 bei Naturkatastrophen mit 112 Milliarden € für sie (135 Mrd. $). Insgesamt betrugen die Schäden 330 Mrd. Dollar (nur versicherte Schäden). Die teuerste Katastrophe war der Sturm "Harvey". Am 18.01.2018 bringt der Orkan "Friedericke"  viele Verwüstungen in Deutschland mit sich. Die Bahn wird lahm gelegt. Im November 2018 werden durch Feuer über 6000 Häuser in Kalifornien zerstört. Tausende Menschen verbrennen. Kalifornien hatte die ersten und hat heute die schärfsten Umweltgesetze der USA (besonders Region Los Angeles). Das zeigt, dass Klimawandel nur global zu bekämpfen ist. Munich Re beziffert die Schäden durch Waldbrände2018 mit 21 Mrd. €. Auch dies ist ein Indiz für Klimawandel. Waldbrände richten auch in Deutschland großen Schaden an. Der erste große Waldbrand 2019 ist auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz in Mecklenburg-Vorpommern. In Kalifornien und Nevada richten Waldbrände 2020 und 2021 großen Schaden an. Es werden um die 50 Grad gemessen. Auch in Britisch Columbia werden hohe Temperaturen und Waldbrände registriert. Dauerregen in RLP und NRW verwandelt Flüsse und Bäche in reißende Fluten. Dutzende Menschen kommen bei den heftigen Unwettern ums Leben. Der Hurrican "Ida" richtet im August 2021 große Schäden in Louisiana an. Die Stromversorgung wird lahm gelegt. Der Katastrophenzustand wird ausgerufen. Im Dezember21 treffen verheerende Tornados den mittleren Westen der USA, vor allem Kentucky/ Mayfield (und fünf weitere Bundesstaaten). Sie schlagen eine Schneise der Verwüstung (320 km). Es gibt Dutzende von Toten. Ende Februar 2022 trifft eine Hochwasserkatastrophe Australien. Im Osten des Kontinents sind über 500.000 Menschen betroffen. Auslöser war tagelanger Regen. Ende September 2022 fegt ein Hurrikan über Kuba und Florida. Er richtet große Schäden an (Hochwasser). Im Februar 2023 erschüttern zwei schwere Erdbeben die Türkei und Syrien. Sie sind in der Grenzregion zwischen beiden Ländern. Es starben über 50.000 Menschen, viele sind unter den Trümmern noch verschüttet, über 60.000 verletzt. Aus der ganzen Welt trafen Hilfsangebote ein (76.000 Helfer). 26 Mio. Menschen in der Türkei und Syrien brauchen Hilfe (WHO). Die Erdbeben sind nicht Folge des Klimawandels, sondern durch das Aneinanderstoßen von Erdplatten bedingt, Die furchtbaren Auswirkungen werden durch schlechte Bauweise begünstigt. Bausünder werden durch Amnestien immer wieder verschont ("Baufrieden"). Außerdem versäumte Erdogan, sofort die Armee für Such- und Rettungsmaßnahmen zu schicken. So hätten viele Menschenleben gerettet werden können. Helfer von NGOs, die über eigene Gelder verfügten, wurden diskriminiert und diffamiert. Erdogan spricht von Schicksal und verschweigt, dass sein Staat völlig versagt hat. Im Mai 2023 wird die Region Emilia-Romagna in Italien überschwemmt. Vorher gab es eine lange Trockenheitsphase. In der ersten Jahreshälfte 2023 werden in Kanada mehr Flächen durch Brände vernichtet als im ganzen Jahr 2022. Im Sommer 2023 gibt es riesige Waldbrände in Griechenland. Betroffen ist die Region um Athen und die Insel Rhodos. Weitere Regionen in Griechenland folgen: Korfu, Euböa. Die Brände betreffen auch viele andere Länder im Mittelmehrraum (z. B. Algerien, Sizilien, Korsika, Portugal). Ende Juli 2023 trifft ein Taifun einige asiatische Länder. Zunächst werden die Philippinen getroffen, dann andere Länder. Weite Teile Pekings stehen unter Wasser, auch aufgrund der stärksten Regenfälle, seit den Wetteraufzeichnungen. In Österreich und Slowenien treten im Sommer 2023, vor allem im August, die Flüsse über die Ufer. Die starken Regenfälle sind mit Erdrutschen verbunden. Im August 2023 kommen Unwetter in Dänemark, Schweden, Norwegen. Es gibt Überschwemmungen und Erdrutsche. Im August 2023 gibt es riesige Waldbrände in Portugal. Im August 2023 kommt es zu einem Großbrand auf Hawaii (Insel Maui). Der Hauptort Lahaina wird zu  805 zerstört. Der Brand wird durch den Taifun Lan beschleunigt. Über 80 Menschen kommen ums Leben. Im August 2023 brennt es im Westen Kanadas. Vor allem British Columbia ist betroffen. Die Waldbrandsituation spitzt sich immer mehr zu. Ebenfalls im August 2023 führen heftige Regenfälle in Chile zu Überschwemmungen. Weite Teile des Landes sind überflutet. Am 30. August 23 trifft Hurrikane Idalia auf Florida. Er richtet große Zerstörung an. 250.000 HH sind ohne Strom. Die Bundesregierung in Washington hat Unterstützung zugesagt. Im September kommen große Überschwemmungen in Osteuropa (Bulgarien), Westtürkei und Griechenland (Larisa, Volos). Nun soll das Militär helfen. Am 8.9.23 sucht ein schweres Erdbeben Marokko heim in der Region um Marrakesch (Aneinanderstoßen der Afrikanischen und Eurasischen Platte). Über 2000 Menschen sterben. Hunderte Menschen werden noch vermisst. 300.000 Menschen sind betroffen. Im September 2023 führt der Sturm "Danial" zu einer Katastrophe in Libyien. Unwetter und Überschwemmungen fordern über 2000 Menschenleben. Später wird mit über 20.000 toten gerechnet.  Über 10.000 Menschen gelten als vermisst. Zwei Dämme sind gebrochen. Besonders betroffen ist die Hafenstadt Darna, die zum Einflussgebiet der Rebellen gehört. Im Oktober 2024 trifft der Sturm "Helene" auf die USA im Südosten. 137 Menschen kommen ums Leben.  Auch im Oktober 24 trifft Hurrikan "Milton" auf Florida. Mindestens 3 Menschen kommen ums Leben. 3 Mio. Haushalte sind ohne Strom. Die Folgen sind jedoch nicht so dramatisch wie vorhergesagt.

Relativierung der Naturkatastrophen: Auch ohne Klimawandel hat es schon immer große Naturkatastrophen gegeben. Als das größte Katastrophenjahr der Geschichte gilt das Jahr 536 n. Chr. Eine dichte Wolkendecke hüllte die halbe Welt in Dunkelheit. Ernten blieben aus, Hungersnöte folgten. Es war der Beginn einer schlimmen Zeit. Auslöser war womöglich ein Vulkanausbruch auf Island. Später, im Jahr 1347, kam die Pest in Europa, die 25 Millionen Todesopfer brachte.

Naturkatastrophen 2021: Die Schäden betrugen insgesamt 260 Mrd. US-$. Davon waren 120 Mrd. versichert. Das ist bisheriger Rekord. So bekommt der Klimawandel ein Preisschild. Auch in den Industrieländern ist die Versicherungslücke hoch. 2021 kamen durch die Schäden 9200 Menschen ums Leben. Die größten Naturkatastrophen waren: Erdbeben in Haiti, Taifun Rai auf den Philippinen/ Vietnam, Hochwasser in China, Zyklon Seroja (Australien, Indonesien, Timor - Leste, Kältewelle USA/ Mexiko, Hochwasser in Deutschland/ Niederland/ Belgien.

Problemzonen: Am Po, dem längsten Strom Italiens, verändert sich das Leben radikal. Hüttenwirte, Bauern und Fischer sind verzweifelt. Lassen sich Dürren und Flutkatastrophen noch verhindern? Vgl. Collini, F./ Hornig, F. Tropenklima am Alpenrand, in: Der Spiegel 32/ 5.8.23, S. 80ff.

Extreme Wetterlagen: Zerstörerische Fluten und Hitzeperioden mit Dürre wird es zukünftig häufiger geben. Es gibt zunehmend Luftdruckgefälle zwischen Temperaturbereichen. Die Polargebiete erwärmen sich stärker als die Tropen. Der Jetstream schwächelt. Er kann nicht mehr so schnell Hochs und Tiefs schnell fortbewegen. Es kommt zu stationären Wetterlagen. Extremwetterereignisse verursachen nie da gewesene Überschwemmungen an kleineren Flüssen (Ahr, Prüm, Erft, Kyll, Rur). Die Katastrophe führt zu hohen Todesopferzahlen (über 130) und Extremschäden an Infrastruktur und Häusern. Bund und Länder (NRW, RLP) geben Soforthilfe in Höhe von 400 Mio. €. Die Vorsorge muss verbessert werden.

Weltrisikobericht: Er wird vom Bündnis "Entwicklung hilft" und vom Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht der Uni Bochum erstellt. Die gefährdesten Regionen sind Ozeanien, Südostasien, Mittelamerika und West- sowie Zentralafrika. Das größte Risiko haben Vanuatu, Tonga, Philippinen. Deutschland liegt auf dem Gesamtindex auf Rang 155 von 172.

Heuschrecken: Ein rascher Wechsel von Dürre zu heftigen Regenfällen führt in einigen Gebieten, vor allem am Horn von Afrika, zu achten biblischen Plage von Heuschrecken. Ende 2019 ist vor allem Somalia betroffen. Ganze Plantagen werden kahl gefressen. Die Sicherheitslage verhindert eine Bekämpfung.

Unternehmen als Umweltaktivisten: Banken, Versicherer und Fonds werden zu Umweltaktivisten. Sie erhöhen den Druck auf börsennotierte Unternehmen, ihre Klimarisiken offen zulegen. 32 Billionen Dollar  Kapital sind von 310 Großinvestoren in der Initiative "Climate Action 100".

Erdbeben und Erdbebensichere Häuser: Es gibt viele Experimente in Erdbebengebieten. Bereits in den 1970er Jahren entwickelte der Deutsche Georg Minke Leinsamensackhäuser. Später gründete der Iraner Architekt Nader Khalili die Organisation Cal-Earth, die das Selbstbauen fördert. Die Earthbag -Häuser sind am stabilsten, wenn sie rund sind. Die Hilfsorganisation Good Earth Nepal experimentiert auch mit Selbstbauhäusern. In Pakistan arbeitet Nargis Latif mit Müllhäusern. Die Organisation heißt Gul Bahao. Die Häuser werden aus Plastiksäcken gebaut, die aus Müll gefertigt wurden. In Kalifornien kommt es im Sommer 2019 zu zwei Erdbeben (die stärksten seit 20 Jahren). .

Anstieg des Meeresspiegels: Allein Nord- und Ostsee sind in 100 Jahren um 10 bis 20 Zentimeter gestiegen (1870 bis 2000). Die Küstenländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein erhöhen schon ihre Deiche. Für die Welt gibt es unterschiedliche Berechnungen. Grönland und die Antarktis schmelzen ab. In diesem Jahrhundert  soll es bis zu zwei Meter höhere Meere geben. Nach jüngsten Expertenuntersuchungen (Helmholtz-Zentrum, 2018) steigt der Meeresspiegel bis Ende dieses Jahrhunderts um 65 cm an. Gründe sind die Erwärmung der Meere (größere Ausdehnung) und die Gletscherschmelze. Dann würde viele Inseln verschwinden und viele Küsten überschwemmt werden.  Im Südwesten Frankreichs sind küstennahe Bauten bedroht. Meeresströmungen und Klimawandel sind dafür verantwortlich. Jedes Jahr schiebt sich der Atlantik 1,70 bis 2,50 Meter weiter landeinwärts.

Arktis (Arctic Science Ministerial): Dies ist eine Konferenz von 26 Nationen und 10 internationalen Organisationen. Hinzu kommen 6 Vertretungen indigener Völker. Die zweite Konferenz findet vom 25. bis 26. Oktober 2018 in Berlin statt. Im Zentrum steht die Erforschung der Arktis. Das erste Treffen fand 2016 in Washington statt. Ergebnisse sind: Um den Nordpol wird es wärmer. Das Polarmeer taut auf. Das weckt nationale Begehrlichkeiten. Es eröffnen sich neue Routen im globalen Handel. Die Nordwestpassage ist viel kürzer als der Panamakanal. Die Nordostpassage ist viel kürzer als der Weg über den Suezkanal. Bodenschätze werden leichter zugänglich. Es gibt weniger Eis, was Flora und Fauna verändert. Die Klimaerwärmung wird verstärkt. Seegrenzen verschieben sich. Es gibt Gebietsansprüche. Die meisten Militärstationen baut Russland. Es will den Seeweg kontrollieren. China versucht mit allen mitteln sich Zugänge zu verschaffen. eine Bedrohung für die Arktis sind eingeschleppte Regenwürmer. Sie breiten sich aus und bringen das Ökosystem durcheinander. Im Boden lagern große Mengen kohlenstoff, die bei den Wühlarbeiten freigesetzt werden. Vgl. Der Spiegel 36/ 2.9.23, s. 96ff.

Arktisrat (Kopperation von Staaten): Eigeninteressen der Staaten geraten immer mehr in den Vordergrund. Die USA unter Trump äußern den aggressiv vorgebrachten Plan, Grönland von Dänemark zu kaufen. Auf Grönland werden Rohstoffe wie Tantal und Seltene Erden entdeckt. Die USA haben auf Grönland eine Militärbasis. China will seine Investitionen auf Grönland ausbauen.

Antarktis als Klimapumpe: In der Antarktis erwärmt sich die Tiefsee. Große Strömungen verlagern sich in Richtung Pole. Dadurch dehnen sich die Tropen aus. Das Wetter wird immer extremer. Weltmeere haben den Planeten weit mehr im Griff als bisher angenommen. Die UN haben deshalb ein Jahrzehnt der Ozeanforschung ausgerufen. Bis 2030 soll neues Wissen über diesen Lebensraum gesammelt werden.

Antarktis, Naturschutzgebiet: Ende Oktober 2016 einigt  man sich nach jahrelangen Verhandlungen (24 Staaten + EU) auf ein Naturschutzgebiet in der Antarktis (Rossmeer). Hier darf nicht gefischt oder gejagt werden. Das Gebiet ist viermal so groß wie Deutschland. Die Regelung gilt 35 Jahre und tritt ab Dezember 2017 in Kraft. Sie wird im australischen Hobart beschlossen. In der Antarktis gibt es eine Unterwasserwelt von märchenhafter Schönheit. 90% eines Eisberges liegen unterhalb des Meeresspiegels. Die Naturschönheit ist bedroht, weil die Polränder rasant abschmelzen. Im September 2017 beträgt die Größe des Eises noch 4,7 Millionen Quadratkilometer (Alfred-Wegner Institut; Fläche deutlich kleiner als 1979 und 2006). Klimaforscher der UN geben im März 2017 Alarm für die Arktis. Zu Beginn von 2017 habe es mehrere Hitzewellen gegeben. Noch nie seit 1978 war das Eis im Februar so dünn wie 2018 (Quelle: Alfred-Wegner-Institut, Helmholtz-Zentrum). Etwa 36% des heute in Gletschern gespeicherten Eises wird langfristig auch ohne weiteren Ausstoß von Treibhausgasen schmelzen. 2022 herrschen dort noch nie da gewesene Extremtemperaturen

Alaska: Alaska heizt sich fast dreimal so schnell auf wie der Rest der Welt. Nirgendwo sind die Auswirkungen des Klimawandels gefährlicher als in der Region am Polarkreis. Dennoch unterstützen die Menschen dort neue Ölprojekte. Das größte Projekt ist das Ölprojekt "Willow". Es ist eingebettet in NPRA (Projekts im National Petroleum Reserve in Alaska). Eine Pipeline führt quer durch Alaska (von Deadhorse Prudhoe Bay nach Valdez). Die Haushalte der Bezirke in Alaska hängen fast ganz an den Förderzinsen der Ölfirmen. Vgl. Kullmann, Kerstin: Fluch der Wildnis, in: Der Spiegel 32/ 5.8.23, S. 92ff.

Sturzfluten als Folge des Klimawandels: Starkregen und Sturzfluten sind keine vorübergehenden Erscheinungen mehr. Künftig könnten insbesondere dicht bebaute Gebiete betroffen sein (Städte). Ursache ist der Klimawandel: Das Gefälle zwischen heißem Äquator und eisiger Arktis wird flacher. Die atmosphärische Zirkulation ändert sich. Der Ostküste der USA drohen in Zukunft häufiger Überschwemmungen als Regel. Sie stellen eine immer größere Gefahr dar, weil die Küstengebiete jedes Jahr um 3 Millimeter absinken in Folge menschlicher Eingriffe in die Umwelt. Im August 2017 ist Texas in den USA betroffen. In Houston wird ein kleiner Fluss zur Sturzflut nach Dauerregenfällen. Im September 2017 ist Kuba und Florida betroffen. 2021 trifft es die Ahr in RLP.

Schwammstadt: Das ist ein Hochwasserschutzkonzept. Mit unterirdischen Kavernen und der Ausweitung unversiegelter Flächen wappnet man sich gegen Starkregen. In Deutschland arbeitet Berlin mit diesem Konzept.

Flächenversiegelung (Flächenfraß, Flächenverbrauch): Immer weniger Menschen in Deutschland brauchen immer mehr Raum. 2011 bewohnt jeder Deutsche durchschnittlich 43 Quadratmeter. In den Metropolen in Deutschland herrscht Wohnungsmangel. Auf dem Lande werden mehr Häuser und Wohnungen gebaut als benötigt werden (Quelle: Baubedarfsanalyse 2017 des IW, Köln) . In Bayern ist eine Fläche versiegelt, die achtmal so groß ist wie der Bodensee. Pro Jahr wächst die versiegelte Fläche in Größe des Chiemsees. Folgen sind schlechtere Luft und mehr Überschwemmungen. außerdem geht Lebensraum verloren. Der Ursprungszustand kann kaum wiederhergestellt werden.  Der tägliche Flächenverbrauch, der zwar zurückgeht, ist aber immer noch mit 61 ha pro Tag viel zu hoch ist. Die Hälfte davon wird dann noch versiegelt. Ziel war bis 2020 auf 30 ha zu kommen. Das Ziel wird weit verfehlt. Der Bund setzt auch falsche Anreize, wie etwa das Baukindergeld. Die Kommunen müssten Obergrenzen festlegen. Von 1992 bis 2016 stieg die Siedlungs- und Verkehrsfläche von 40.305 auf 49.254 Quadratkilometer (+22,2%). Quelle: Umweltbundesamt 2018.

Flüchtlingsströme als Folge des Klimawandels: Die Umweltkatastrophen häufen sich (Stürme, Überschwemmungen, Wald- und Buschbrände, Vulkanausbrüche, Erdbeben. Menschen fliehen davor (7,9 Mio. in Südasien, 8,4 Mio. in Ostasien, 1,5 Mio. in Lateinamerika, 1,1 Mio. im Sahara-Afrika). Hinzu kommen die Kriegsflüchtlinge. Quelle: International Displacement Monitoring Centre 2016. Laut einer Studie der Columbia University 2019 im Auftrag der Vereinten Nationen werden 200 Mio. Menschen  bis zum Jahre 2050 zu Klimaflüchtlingen werden. Das wäre verglichen mit den aktuellen Zahlen (21 Mio. Klimaflüchtlinge) eine Verzehnfachung.

Artenvielfalt in den tropischen Naturschutzgebieten: Obwohl der Klimawandel sich bevorzugt auf der nördlichen Halbkugel bemerkbar macht, hat er einen sehr großen Einfluss auf die Lebenswelt in den Tropen. Der Fieberstress führt zu Stoffwechsel - Veränderungen vor allem bei Tieren, die temperaturabhängig sind. Ein erhöhter Stoffwechsel braucht mehr Nahrung und Sauerstoff. Dabei bleibt weniger Zeit für die Fortpflanzung.  sie sterben unter umständen aus (insbesondere Reptilien). Zu einem Artensterben, vor allem bei Vögeln, kommt es auch auf unseren Feldern. Es trifft über 40 Arten, die vom Aussterben bedroht sind. Schuld ist unter anderem der Anbau von Energiepflanzen (Raps, Mais). Im März 2014 stoppt der Internationale Gerichtshof in Den Haag den Walfang Japans in der Antarktis. Trotz Verbots  erlegen Walfänger insgesamt mehr als 1600 Tiere 2013 (Internationale Walfangkommission, IWC), darunter Japan 417. In einigen Gegenden der Welt werden Vögel gejagt. So wird in Oberitalien das Importverbot für gejagte Singvögel und das Jagdgesetz von 1992 umgangen. 2016 schließen Umweltverbände, indianische Völker und Forstwirtschaft ein Abkommen zum Schutz der Region an der kanadischen Pazifikküste. Dadurch soll auch die Bären geschützt werden (Great Bear Rainforest). Tauchen ausgestorben geglaubte Tierarten wieder auf, spricht man vom Lazarus-Effekt. Doch nur wenige Bestände erholen sich dann dauerhaft. Die Anzahl der Adeliepinpinguine wird bis 2016 um ein Drittel und bis zu 2100 um 60 Prozent zurückgehen (Folgen des Klimawandels in der Antarktis). Auch viele bekannte Tierarten stehen auf der Liste der bedrohten Arten: Giraffe, Tiger, Elefant, Nashorn, Uran Utan. In Deutschland hat die Zahl der Schmetterlinge rapide abgenommen (natürlicher Lebensraum, Gifte in der Landwirtschaft). Die Artenvielfalt schrumpft besonders stark auf Plantagen im Regenwald (Ölpalmen, Kautschuk). Die größte Verantwortung für den Verlust der Artenvielfalt hat die weltweite Landwirtschaft. Sie ist für 70% des zu erwartenden Verlustes terrestrischer Artenvielfalt verantwortlich (Global Biodiversity Outlook 4). 2017 sind 25.000 Arten bedroht. Das sind ein Viertel aller Arten (Quelle: WWF). Es gibt einen Weltbiodiversitätsrat. Ihm gehören 150 Forscher weltweit an. Präsident ist Robert Watson. Bis 2019 soll der Zustand weltweit neu definiert werden. Im April 2019 findet eine Konferenz des Weltbiodiversitätsrats in Paris statt. Es wird auch ein Bericht vorgelegt: Mindestens 500.000 Tierarten und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Besonders gefährdet sind Insekten. Ihre Anzahl hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten bereits um 80% verringert. 2019 legt der WWF eine Studie vor: Sie untersucht die Situation der tropischen Regenwälder und nördlichen Wälder. Sie kommt zu einem alarmierenden Ergebnis: Seit 1970 haben die Bestände an Wirbeltieren, Vögeln und Reptilien im Schnitt um die Hälfte abgenommen. Im August 2019 findet zweiwöchig eine Artenschutzkonferenz der UN in Genf statt. Der Handel mit gefährdeten Arten wird verboten. Dei Tiere müssten auch vor Ort mehr geschützt werden. Vgl. Akanksha Khatri u. a.: New Nature Economy Report (Abteilung Natur und Biodiversität des World Economic Forum). Andere Studien neben dem Weltdiversitätsrat kommen zu weitaus pessimistischeren Prognosen: Weltweit seien 2023 zwei Millionen Arten gefährdet. Die Zahl ist doppelt so hoch wie die vom Weltdiversitätsrat. Quelle: "Plos one", Uni Trier und Nationalmuseum für Naturgeschichte, Luxemburg.   "Untätigkeit verursacht viel höhere Kosten als entschiedenes Handeln", Dieselbe 2022 (Quelle: Der Spiegel 50/ 10.12.22, S. 118).

Artensterben (Rote Liste): Hierfür gibt es eine Reihe von Ursachen: Übernutzung (Waldrodung, Jagd, Fischerei), Landwirtschaft (immer größere Flächen), Urbanisierung, invasive Arten, Ausbeutung (Exzessive Jagd, Überfischung) Umweltverschmutzung (Mikroplastik, Pestizide), Klimawandel Gemäß der Roten liste, die übergreifend für Tiere, Pflanzen und Pilze gilt, sieht das Bild 2015 wie folgt aus: 30% gefährdet, 6% ausgestorben oder verschollen, 37% ungefährdet. Quelle: Artenschutz-Report 2015, Bundesamt für Naturschutz. Im Mai 2019 legt der Weltbiodiversitätsrat (145 Autoren aus 50 Ländern; Hauptsitz Bonn) seinen aktuellen Bericht vor in Paris: Es gibt noch geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten auf der Welt. Bis zu einer Million Arten seien vom Aussterben bedroht. Die Rote Liste 2021 zeigt folgendes Bild: Anteil bedrohter Arten (Amphibien 41%; Säugetiere 26%; Nadelhölzer 34%; Vögel 13%; Haie und Rochen 37%; Riffkorallen 33%; Reptilien 21%). Vgl. Focus 51/ 2021, S. 18f.

Insektensterben: Erschreckend ist der starke Rückgang von Insekten, auch in Deutschland (76% in den vergangenen 28 Jahren ab 2017) . Sie sind auch wichtig für die Blütenbestäubung und Nahrungsgrundlage für Vögel. Es ist eine Umweltkatastrophe. Das Bundesamt für Naturschutz bestätigt 2018 den Trend: Bei 44% der Arten sei es zu einem Rückgang gekommen.

Bienen: Zwischen 1989 und 2015 ist die Zahl der Bienen in Deutschland um 75% zurückgegangen. Es soll für ein besseres Natur- und Nahrungsangebot für Bienen gesorgt werden. Vor allem die Landwirte sollen helfen. Die Intensivierung der Landwirtschaft mit wenigen Kulturpflanzen und der vermehrte Einsatz von Insektiziden schadet den Bienen.  Wildbienen brauchen vor allem die Feldränder, die immer weniger werden. Das hängt auch mit der Konzentration in der Landwirtschaft zusammen.

Tierwanderungen nach Katastrophen: Nach dem Tsunami 2011 in Japan (Fukushima) wurden Hunderte Arten von Tieren von der japanischen an die US-Küste geschwemmt. Meeresschnecken, Würmer, Muscheln,  Krusten- und Moostiere sowie andere Tierarten gelangten mit Bootsteilen und Plastikmüll-Teilen über die Ozeane ("surfen"). Auch Hurrikane und Taifune werden in Anbetracht des Klimawandels häufiger. Wahrscheinlich werden diese Wanderungen deshalb auch zunehmen. 

Havarien von großen Frachtern: Immer wieder kommt es dadurch zu Katastrophen. Im Juli 2023 treibt ein brennender Frachter, der Fremantle Highway heißt,  in der Nordsee vor Ameland/ NL im Wattenmeer. Wahrscheinlich ist eine Batterie von den transportierten E-Autos explodiert (3800 E-Autos). Man löscht. Ein Sinken soll vermieden werden. Vielleicht lässt man den Frachter komplett ausbrennen. Er wird dann noch im Juli zu einer anderen Insel geschleppt (Schiermonnikoog).

Ureinwohner: In vielen Ländern kämpfen die Ureinwohner um ihre Kultur, Tradition und ihren angestammten Lebensbereich. Das gilt z. B. für Brasilien und Ecuador. Ölbohrungen oder Rodungen von Urwald für Ackerland bedrohen den Lebensraum.

Fisch, Überfischung: Viele Arten sind wegen Überfischung der Meere und Flüsse bedroht. Greenpeace rät 2016 sogar zum Verzicht und stellt eine Liste der bedrohten Arten auf. Es werden 115 Arten bewertet. Zur Überfischung trägt zum Teil die Ausweitung der Fischzucht (Aquakultur) bei. Futter besteht zum großen Teil aus Fischmehl. Die weltweit geächtete Schleppnetzfischerei gefährdet empfindliche Ökosysteme am Meeresboden und an Korallenriffen. Der Beifang beträgt im Mittel 25%. (Quelle: Fischer Weltalmanach 2018, S. 707). 2018 steigen die Ausgaben für Fisch in Deutschland rapide an. Der Pro-Kopf-Verbrauch sinkt.

Tintenfisch, Kalmare: Kalmare sind wichtig für das Ökosystem. Sie könnten immer wichtiger werden. Sie profitieren wohl von der Überfischung der Meere. Sie fressen vieles und wachsen schnell. Tintenfischfriedhöfe versorgen die Tiefsee mit Kohlenstoff. Es gibt über 250 Arten. Insgesamt können sie 10 Meter lang werden.

Landwirtschaft und Ernteinbußen: Durch die Erderwärmung drohen in der US-Landwirtschaft Ernteeinbußen: Weizen -20%, Soja -40%, Mais -50% (Computersimulation 2017 des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung). Am schlimmsten wirkt der Wassermangel (außerdem Düngung, Temperaturen, Bewässerung, Kohlendioxidgehalt in der Luft).

Neophyten: Pflanzliche Zuwanderer. Sie werden vom Klimawandel begünstigt. Sie bedrohen zum Teil einheimische Arten und können Krankheiten auslösen. Einmal etabliert, sind sie kaum aus dem Ökosystem zu verdrängen.

Korallenbleiche:  Die Riffe sind weltweit im Klimastress. Hitzestress bewirkt korallenbleiche. Hauptursache sind der Anstieg der Meerestemperaturen. Hierin und hiervon leben ein Viertel aller marinen Lebewesen. Weiterhin führt die steigende Konzentration von Kohlendioxid zu einer Versauerung, die Skelettbildung verhindert. Vgl. www.coralreef,noaa.gov . 2016 werden die schlimmsten Befürchtungen übertroffen: Stellenweise sind zwei Drittel der Stöcke abgestorben (wenn das Wasser zu warm wird, stoßen die Korallen Algen ab und sterben; zurück bleibt der weiße Kalkmantel). Manche Korallen lieben Plastikmüll. Sie fressen gerne Mikroplastik. Korallen werden auch krank, weil ihnen schädliche Bakterien zusetzen, die sich durch die menschliche Überdüngung der Meere stark vermehren können. eingeschwemmte Stickstoffe und Phosphate führen zu einer Algenblüte. Am Great Barrier Reef nimmt 2018 ein U-Boot ("Killerroboter"), von einem Tablet gesteuert, den Kampf gegen gefräßige Seesterne auf.  Die International Coral Reef Society entwickelt ein Strategiepapier zur Rettung: Sie schlägt drei Maßnahmen zur Rettung der Riffe vor. 1. Die Bekämpfung des Klimawandels. 2. Die Verbesserung der lokalen Bedingungen. 3. Die aktive Wiederaufforstung.

Todeszonen in den Weltmeeren: Todeszonen sind Gebiete, in denen kein dauerhaftes Überleben möglich ist. In den Weltmeeren ist das Problem der sinkende Sauerstoffgehalt. +4,5 Millionen Quadratkilometer seit Mitte des letzten Jahrhunderts. Das entspricht der Größe der EU. Quelle: Futur zwei, Nr. 5/2018, S. 13.

Geoengineering: Ingenieure wollen den Klimawandel mit technischen Eingriffen in die Gestalt der Erde bekämpfen. Einige Ideen und Konzepte: Weiße Häuserdächer und weiße Straßen reflektieren des Sonnenlicht und halten die Städte kühl. Künstliche Bäume holen das Kohlendioxid aus der Luft. Eisen wird in Meere gekippt. Dadurch wachsen vermehrt Algen, die CO2 aufnehmen. Vgl. EuTRACE-Bericht des Potsdamer IASS (auf Englisch kostenlos im Internet). Weitere Quelle:  Oliver Morton, The Planet Remade. Konkrete Ansätze sind auch die Folgenden: Schattenspender im All, Ozeandüngung, Einlagerung über Biomasse, massive Aufforstung. Vgl. z.B. David Keith (US-Klimaforscher und Physiker) und Paul Crutzen, niederländischer Meteorologe (1995 chemeinobelpreis).

Magnetfeldlinien um die Erde herum: Das Magnetfeld ist nicht stabil. Es ändert seine Stärke und Lage. Im Laufe der Erdgeschichte wurde mehrmals umgepolt (Nord- und Südpol vertauscht). Der Schirm lenkt Sonnenwinde und energiereiche Partikel aus dem All entlang der Magnetfeldlinien. Der Kern dieser Linien liegt 3000 km unter uns im Erdkern.

Messung des Klimawandels: Als Leuchtturm gilt die US-Organisation NOAA in Silver Springs/ Maryland. Es ist die National and Atmospheric Administration, ein U.S.- Department. Sie ist unabhängig und kooperiert mit etwa 65 Ländern und deren Wissenschaftlern. Sie wurde 1970 unter Richard Nixon gegründet. Sie legt jedes Jahr einen Bericht vor. Bericht 2018: 2017 war das drittwärmste Jahr, seit es Wetteraufzeichnungen gibt. CO2 hat einen neuen Höchststand erreicht. Der durchschnittliche Meeresspiegel ist auf einem Höchststand. Zehn der niedrigsten Eiswerte der Arktis sind in den vergangenen 11 Jahren gemessen worden.

Grönland als Herzkammer des Klimawandels: Grönland ist im Landesinneren mit Eis bedeckt, das immer schneller abschmilzt. Allein 2019 hatte Grönland einen Gesamtmassenverlust von 532 Milliarden Tonnen Eis. Die Eiskappe schmilzt heute (2021)  sechsmal so schnell wie vor 40 Jahren.

Das Pantanal als globaler Indikator: Das Biotop ist halb so groß wie Deutschland. Es liegt im Westen Brasiliens an der Grenze zu Bolivien und Paraguay. Bei den Bränden 2020 starben mehr als 17 Mio. Tiere. Auch viele Kaimane verbrannten. Das dritte Jahr in Folge blieb der Regen aus. Brände wüteten, Seen versanden, Tiere verenden. Der Region droht die Verwüstung. Vgl. Focus 51/2021, S. 78ff.

Belastungsgrenzen der Erde: Sie liegen in folgenden Segmenten: Biodiversität, Klimakrise, chemische Belastung, Ozonloch, Aerosolbelastung der Atmosphäre, Versauerung der Ozeane, biochemische Kreisläufe, Süßwasserverbrauch, Landnutzungsänderungen. Wenn in einem Bereich die Belastungsgrenze überschritten wird, kann das Erdsystem aus dem stabilen Zustand kippen. Am höchsten ist das Risiko bei chemischer Belastung, biochemische Kreisläufe, Biodiversität. Vgl. Habekuss, Fritz: Jenseits der Giftgrenze, in: Die Zeit Nr. 5/ 27.1.22, S. 29.

Belebung von Wüsten: Die meisten Projekte gibt es für die Sahara. so soll in Mauretanien ein grüner Gürtel entstehen. Er soll Bäume und Ölpflanzen umfassen. Mit modernster Bewässerungstechnik und Meerwasserentsalzung soll eine blühende Landschaft entstehen. sie soll auch CO" aus der Atmosphäre binden und so zum Klimaschutz beitragen.

 

Ressourcen I (Rohstoffe, Bodenschätze, Energiequellen)

"Während die Menschheit lange sehr viel Planet für wenig Mensch gegenüberstand, gibt es heute für immer mehr Menschen immer weniger Planet. Will  die Menschheit nicht ihren eigenen Zusammenbruch herbeiführen, muss sie lernen, in einer vollen Welt zu wirtschaften, auf einem einzigen Planeten, mit begrenzten Ressourcen. Das ist eine neue Realität", Maja Göpel, in: Dieselbe, Unsere Welt neu denken, Berlin 2020, S. 36.

Ressourcen: Grund und Boden bzw. Land und alle anderen natürlichen Ressourcen wie Wasser, Luft, Wind, Sonne, Bodenschätze und Rohstoffe. Die Ressourcen sind knapp, d. h. sie sind relativ zur Nachfrage unzureichend oder deutlich endlich. Güter, die eine konkurrierende Nutzung aufweisen, aber nicht ausschliessbar sind, heißen Gesellschaftliche Ressourcen. 20% der Weltbevölkerung verbrauchen 80% der globalen Ressourcen und verursachen zwei Drittel der Umweltverschmutzung. Das ist das Kernproblem der Erde. Von ihm hängen viele Probleme ab, letztlich auch das Flüchtlingsproblem. Wir sind die erste Generation, die unseren Planeten an den Rand des Abgrundes führt.

Ressourcenknappheit: Es ist der Ausgangspunkt der Ökonomie, mit knappen Ressourcen zu wirtschaften. Die Ressourcen können nicht unbegrenzt genutzt werden. Wir verlagern die Ausbeutung vom Raum in die Zeit zu Lasten nachfolgender Generationen. Der Wachstumsbegriff, der in der Politik und Wissenschaft als unangreifbar gilt, muss in Frage gestellt und diskutiert werden. Anzustreben ist eine strenge Trennung von Wachstum und Ressourcenverbrauch. Der Einsatz von grünen Produkten rechnet sich auch wirtschaftlich. Die Umwelttechnologie ist die Leitindustrie des 21. Jahrhunderts. Rapide steigende Rohstoffpreise infolge der Knappheit zwingen die Industrie zum wirtschaftlichsten Einsatz von Ressourcen (Effizienz). Die Rohstoffproduktivität ist im Vergleich zur Arbeitsproduktivität aber kaum gestiegen. Da Material den Löwenanteil der Produktionskosten ausmacht, ist hier anzusetzen. Hundert Jahre gab 1972 der Club of Rome der Weltwirtschaft - dann seien die wichtigsten Ressourcen erschöpft. Sicher finden schon lange Stellvertreterkriege um Ressourcen statt, vor allem in Afrika. Immer wichtiger wird die Arktis als zukünftiger Rohstoffstandort. Es gibt einen arktischen Rat (Anrainerstaaten, unter anderem Norwegen, Kanada, USA). Andere Staaten wie China und Indien sind Beobachter (EU wegen Robbenstreit in Kiruna ausgeschlossen). Ende 2014 erhebt Dänemark Gebietsansprüche auf die Arktis (mit Grönland; durch Rückgang des Meer-Eises Rohstoffe). El Mirador, die Wiege der Maya-Zivilisation in Guatemala, bestand aus trocken gelegten Sümpfen, gefälltem Wald und riesigen Terrassenfeldern. Irgendwann zerstörten sie durch immer aufwendigere Bauten ihre eigene Lebensgrundlage. konsequenz waren Hungersnöte und Kriege, bis sie die Stadt aufgeben mussten. Sie gilt als einer der frühesten Beispiele der Auswirkungen von Ressourcenknappheit.

Hotelling-Regel (Harold Hotelling, 1895-1973): Grundregel der Umweltökonomik, nach der der Pareto - optimale Abbaupfad einer natürlichen Ressource so aussieht, dass der Nettogrenznutzen im Zeitablauf mit einer Rate wächst, die der sozialen Diskontrate entspricht  (Nettogrenznutzen=Nutzungsgrenzkosten). Es handelt sich um eine Optimalitätsbedingung bei nicht-erneuerbaren Ressourcen. Berühmt ist sein Artikel von 1931: The Economics of Exhaustible Resources, in: Journal of Political Economy 39/2, S. 137-175 (einer der wichtigsten Aufsätze überhaupt). Die Knappheitsrente steigt im Zeitablauf mit dem Zinssatz. Wird die Bedingung verletzt, führt eine intertemporale Reallokation zu einer Nutzensteigerung. Weil jede abgebaute Einheit einer Resssource wie eine Abschreibung auf das Vermögen wirkt, müssen die Anbieter zusätzliches Geld verlangen. Dies ist der Schattenpreis bzw. die Hotelling-Rente. Die Kosten setzen sich aus zwei Teilen zusammen: die Förder- bzw. Abbaukosen und die Opportunitätskosten. Je weniger Rohstoffe übrig sind, desto höher sind die Opportunitätskosten. In dem Buch "Wie muss die Wirtschaft umgebaut werden?" von Bernd Meyer (Frankfurt 2008: Fischer) geht es um Perspektiven für eine nachhaltigere Entwicklung in der Welt. Es geht um den internationalen Wettbewerb um immer knapper werdende Ressourcen und den Klimawandel.

Rohstoffe: Knappe Rohstoffe drohen immer mehr zum Sicherheitsrisiko zu werden.  Wenigen Entwicklungsländern ist es gelungen, mit Rohstoffen Wirtschaftswachstum zu erreichen (75% der armen Bevölkerung leben in rohstoffarmen Ländern). Internationale Zusammenarbeit muss Regelungen finden (Konflikte entschärfen, Lage der armen Förderländer verbessern). Ein gutes Beispiel ist Nigeria, das das meiste Öl in Afrika hat. Die Rohstoffförderung beträgt 2,0 Mio. Barrel/Tag. Davon werden 1,7 Mio. Barrel/Tag exportiert. Trotzdem ist das Land arm, und das Nigerdelta (95% des Erdöls) ist verseucht. Ähnlich ist die Situation im Sudan. Sie wird verschärft durch die Abspaltung des Südens; im Grenzgebiet liegt die Ölregion Abyei und eine Pipeline führt durch den Norden. Nicht reich geworden durch Öl und Gas sind auch Algerien und Tunesien, genauso wie der Kongo als eines der rohstoffreichsten Länder der Erde. 2013 rückt Mosambik in den Mittelpunkt. Hier wurden riesige Vorräte an Grafit, Kohle, Edelsteinen, Gold und Titan entdeckt. 45% der weltweiten Kalireserven liegen im kanadischen Sasketchewan (werden hauptsächlich von Unternehmen Potash genutzt).  Deutschland muss seine Recycling-Quote erhöhen, die Forschung in Ersatzstoffe verstärken und eine zentrale Institution für Rohstoffe (Deutsche Rohstoff AG wie früher die Metallgesellschaft oder Preussag) schaffen. Zunehmend versuchen auch Minenbetreiber, wertvolle Metalle und seltene Erden mit Bakterien aus dem Gestein zu lösen (Biomining). Damit kehrt der Bergbau nach Deutschland zurück. Die größten Zinnvorkommen der Welt werden in Sachsen entdeckt, allerdings in erheblicher Tiefe. Ohne Rohstoffe bzw. Bodenschätze gibt es kein Wachstum, ohne Wachstum gibt es in vielen Staaten soziale Unruhen (z. B. in China). Also werden die Staaten im Interesse des eigenen Überlebens notfalls auch Kriege um Rohstoffe und Rohstoffrouten führen. Insofern hängen Rohstoffe eng mit der internationalen Militärpolitik zusammen. Die Staaten werden auch darauf drängen, effizienter mit Rohstoffen umzugehen. Ein Weg dazu wäre eine Rohstoffsteuer. 2010 ist der HWWI-Rohstoffpreisindex um 41,3% gestiegen. Mit dazu bei trägt die Tatsache, dass seit 2005 Zug um Zug fachfremde Anleger, Spekulanten und Banken den Handel mit Rohstoffen übernommen haben. Auch der CRB-Rohstoffindex ist von Mitte 2010 bis Mai 2011 um 40 Prozent gestiegen. Mittlerweile gibt es eine sehr hohe Volatilität. Im Herbst 2011 fallen die Preise (Gold, Kupfer, Kaffee) sehr stark. Eine stringente Begründung gibt es nicht (nur Spekulation). Einen großen Einfluss haben die Schwellenländer mit ihrer Nachfrage (China, Indien, vor allem bei Kupfer), neue Technologien (Bedarf für "Seltene Erden") und ein knappes Angebot (Bergbau- und Transportkapazitäten, z.B. Naturkatastrophe in Australien bei Kohle). Einfluss hat auch die Weltkonjunktur bzw. die Erwartungen dazu. So brechen aus diesem Grunde die Rohstoffpreise im Februar 2013 ein (Kupfer, Öl -7%, Aluminium -8%, Silber -10%). Die deutsche Regierung und die Industrie planen eine Rohstoffallianz noch 2011 (gültig ab 2012). Daran wollen sich ca. 10 Unternehmen beteiligen. Das Gemeinschaftsunternehmen soll weltweit nach Bodenschätzen suchen. Diese Rohstoff-Gruppe wird zur Rohstoff AG. In naher Zukunft will man sich auf Öl und Wolfram konzentrieren. Die nationale Rohstoffstrategie in Deutschland führt zu effizienten Funden in Europa (z. B. in Bulgarien). Ende 2015 löst sich die Rohstoffallianz auf (Zerfall der Rohstoffpreise, es wird zu kurzfristig gedacht). Die Schweiz hat sich zu einem Handelszentrum für globale Rohstofffirmen entwickelt. Hier sitzen Vitol (50% des Zuckerhandels), Glencore (35% Getreide- und Ölsaaten, 50% Kaffee ) und Trafigura (35% am Erdölhandel). Die reichsten Gold- und Nickelvorkommen Europas sind in Nord-Finnland. Hier wird der Abbau nicht zimperlich betrieben, so dass die Vergiftung von Flüssen, Seen und Mooren an der Tagesordnung ist. Ab 2015 müssen EU-Unternehmen Ausgaben für Schürfrechte deklarieren (dann unterliegen weltweit 90% aller Unternehmen dieser Regelung). Chinesische und westliche Rohstoffkonzerne beuten in Peru Rohstoffe aus. Die Berge werden durch den Gold- und Kupferabbau langsam ausgesaugt. Sogar Sand ist mittlerweile als Rohstoff knapp. Vor allem Investoren in Katar, Indien und China brauchen ihn für ihre gigantischen Bauprojekte. 2015 steigt die Volatilität der Rohstoffpreise deutlich an (Öl, Silber, Gold, Zucker, Kupfer, Weizen). Der Brexit ist ein weiterer Unsicherheitsfaktor für die Rohstoffmärkte. Im März 2017 schließen Deutschland und Australien ein Rohstoffabkommen. Die größte Müllkippe der Welt ist Jardim Gramacho in Brasilien. 1500 Catadores sortieren Recyclingstoffe und verkaufen sie weiter. Der kanadische Düngemittelriese Potash will den kleineren deutschen Konkurrenten K + S, Kassel, übernehmen (erstmals seit zehn Jahren steht ein DAX-Unternehmen vor der Übernahme). Mitte 2015 bewegen sich viele Rohstoffpreise wieder abwärts. Der Super-Zyklus hat seinen Höhepunkt überschritten (insbesondere Nachfrage aus China und Indien geht zurück). Russland, Dänemark (Grönland) und Kanada streiten sich um die Nutzungsrechte im Nordpolarmeer. Dort werden reiche Öl- und Gasvorkommen vermutet. Aufgrund des Klimawandels wird der Raum immer offener. Im Jahre 2016 werden die Rohstoffe wieder teurer. Der jahrelange Preisverfall hat sein Ende gefunden (besonders darunter gelitten haben Entwicklungsländer). Im Jahre 2017 fallen die Preise für industrielle und Agrar-Rohstoffe wieder und entlasten Wirtschaft und Verbraucher (u. a. Fracking in den USA, weltweite Nachfrage). Bei Stahl und Aluminium müssen weltweit Überkapazitäten abgebaut werden. 2018 könnten Preissteigerungen für Öl, Aluminium und Kupfer kommen.

Digitalisierung und Rohstoffe bzw. Protektionismus: Seltene Erden: Sind weiche, silbergraue Metalle, deren Schmelzpunkt je nach Element zwischen 900 und 1600 Grad C liegt. Je umweltfreundlicher und innovativer ein Produkt ist, umso größer ist die Abhängigkeit bei Seltenen Erden. Sie werden in Hochtechnologiebereichen und Energiespartechnologien eingesetzt. Konkrete Anwendungsbereiche sind Leuchtstoffe und Elektronik, Metallurgie, Katalysatoren, Keramik, Permanentmagnete, Batterien. China hat eine Quasi-Monopolstellung. Das Land arbeitet mit Exportquoten, um Produktionsstätten ins Land zu holen.  Die Quoten werden 2012 erhöht. Auf Druck der WTO werden diese ab 2015 aufgehoben.  Weitere Vorkommen sind in den GUS-Staaten, Indien, Brasilien und Nordamerika. Der Klimawandel macht auch die Arktis wirtschaftlich interessant. So gibt es seltene Erden in der ostkanadischen Provinz Quebec. Eine Kooperation mit Kanada wird angestrebt (Merkel im August 2012). Deutschland schließt im Herbst 2011 ein Abkommen mit der Mongolei: Lieferung Seltener Erden, Investitionen in Bildung und Technologie in der Mongolei. Im Februar 2012 folgt ein Rohstoffabkommen mit Kasachstan. Eine Partnerschaft mit Kanada wird angestrebt. Seltene Erden gibt es auch in den USA, Australien und Russland. In der Regel haben diese Länder ihre Lagerstätten noch gar nicht angerührt. In den Industrieländern wird das Recyceln intensiviert. 2012 gibt es einen Preissturz bei Seltenen Erden. Offensichtlich ist die Nachfrage stark gesunken (Konjunkturflaute in Teilen der Welt). China will ein Fünftel der Produktionskapazitäten schließen, um den Preisverfall zu stoppen. Mittlerweile findet man Seltene Erden auch im Rhein. Langfristig bis 2030 werden folgende Länder besonders wichtig sein: Russland für Palladium. Brasilien für Tantal, Kanada für Indium, China für Neodym und Gallium, Australien für Kobalt, Mexiko für Silber. Immer wichtiger wird das Recycling, um die Abhängigkeit zu senken. In Deutschland peilt man 20% recycelte Seltene Erden an. 2013 gibt es große Funde von seltenen Erden in Grönland. Die Förderung wäre wichtig für die EU (Teilautonomie, gehört zu Dänemark). Radioaktive Substanzen sind in der Nähe, weshalb das ökologische Risiko hoch ist. Lithium, das leichteste Metall der Welt, kommt am meisten in Bolivien vor (Salzsee Salar de Uyuni). Der Bedarf an Seltenen Erden geht weltweit zurück. Es können alternative Rohstoffe hergestellt werden. Zur Gewinnung Seltener Erden ist giftige Säure erforderlich, die jede Menge giftigen Müll erzeugt. 2019 setzt China Seltene Erden im Handelsstreit mit den USA ein: Etwa 70% der Seltenen Erden, die 2019 in der Produktion eingesetzt werden, kommen aus China. Das Land erwägt einen Exportstopp bzw. eine Reduktion. 80% der exportierten Mengen gehen in die USA.

Die vier Säulen der modernen Zivilisation: Der Energieexperte Smil sieht die folgenden. 1. Amoniak: das Gas, dass dei Welt ernährt. 2. Kunststoffe: divers, nützlich, problematisch. 3. Stahl: allgegenwärtig und wiederverwertbar. 4. Beton: eine aus Zement erschaffene Welt. Vgl. Vaclav Smil: Wie die Welt wirklich funktioniert. Die fossilen Grundlagen unserer Zivilisation und die Zukunft der Menschheit, München (C. H. Beck) 2023. Original in den USA unter dem Titel "How the World Really Works", 2022. Seiten 107ff.

Rohstoffe und Finanzmärkte: Rohstoffe sind eine heterogene Angelegenheit: So gibt es einmal Agrarrohstoffe. Einige davon können als Sprit verarbeitet und verwendet werden. Dazu kommen Industrierohstoffe und Energieträger. Drittens gibt es die Edelmetalle. Fast alle Rohstoffe sind mittlerweile mit Investments verbunden. Es gibt Optionen und Optionsscheine auf Rohstoffe. Ebenso gibt es Discount-, Index- und Basketzertifikate auf Rohstoffe. Hinzu kommen Exchange Traded Commodities (ETC). Die Verknüpfung mit den Finanzmärkten (Anlage von Geld) hat einen sehr starken Einfluss auf den Preis unabhängig von Angebot und Nachfrage. Sogar Wasserinvestments werden angeboten (Privatisierungswelle). Sauberes Wasser scheint heute ein marktfähiges Produkt zu sein (Wasseraufbereitung teuer). Man kann sogar von einem Megatrend sprechen (Wasserfonds, Basketzertifikate auf Wasser, Wasseraktien). Nach dem Aktiencrash haben Chinas Anleger den Rohstoffmarkt entdeckt. Es entsteht eine Spekulationslust (Baumwolle).

Wettkampf um Rohstoffe: In ihrem  Handelsstreit 2019 verschärfen die USA und China auch den Wettkampf um Rohstoffe. Die USA verschärfen das Ölembargo gegen den Iran. China sichert sich immer mehr Ressourcen für Zukunftstechnologien. 2000 war der durchschnittliche Anteil an der Weiterverarbeitung wichtiger Zukunftsrohstoffe bei Deutschland noch bei 7%, 2017 bei nur noch 4% (Aluminium, Blei, Kupfer, Nickel, Stahl, Zink, Zinn). die Zahlen für die USA lauten 19% 2000, 85 2017. Für China:  2000 13%, 2017 48%. Quelle: Deutsche Rohstoffagentur DERA.

Rohstoffhändler:  Die weltgrößten Händler verdienen extrem an der Knappheit der Rohstoffe und am Anstieg der Rohstoffpreise. Nach dem Umsatz ergibt sich folgende Rangfolge der fünf größten Rohstoffhändler: 1. Trafigura/ Niederlande. 2. Glencore/ Schweiz. 3. Vitol/ Schweiz. 4. Mercuria/ Schweiz. 5. Gunvor/ Schweiz. Die Börsen sind überwiegend in London. So etwa die Metallbörse ((LME). Es gibt mittlerweile auch Online-Plattformen. Dazu gehört das Düsseldorfer Unternehmen Metallhub.

Deutsche Rohstoffversorgung: Deutschland fehlt der Zugang zu den Rohstoffen für Zukunftstechnologien. Besonders wichtig sind Kupfer und Kobalt. Fast alle Rohstoffe muss Deutschland importieren. Die Importe betrugen 2016 137 Mrd. € (46,3% Metalle; 51,5% Energierohstoffe; 2,2% Nicht-Metalle) In Höhe von 12 Mrd. € gibt es eine heimische Rohstoffproduktion; im Werte von 10 Mrd. € wird recycelt. Quelle: Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Im August 2018 reist Bundeskanzlerin Merkel auch nach Aserbaidschan. Das Land wird von einem Familienclan beherrscht, ist aber sehr rohstoffreich.

Abhängigkeit von Rohstoffimporten: Die deutsche Industrie ist stark von Rohstoffimporten abhängig. Bereits in der Corona-Krise sind Lieferketten gerissen. Der Krieg in der Ukraine verschärft die Lage erheblich. Jahrelang profitierte Deutschland vom freien Zugang zu billigen Vorprodukten und Rohstoffen. Die deutschen Schlüsselindustrien sind betroffen: 1. Automobilindustrie. Bei Leichtmetallen wie Aluminium und Magnesium haben China und Russland hohe Weltmarktanteile. Spezielle Stähle wie Titanium und Nickel kommen häufig aus Russland. Kobalt, Mangan und Kupfer braucht man für Batterien (China, Chile, Australien). 2. Maschinenbau. Ein wichtiger Rohstoff ist Stahl. Auf dem Stahlmarkt kommt es zu Engpässen. Es fehlen auch Chips und andere Steuerungselemente (kommen aus China und Taiwan). 3. Chemie/ Pharmazie. Man braucht riesige Mengen Öl und Gas. 4. Elektroindustrie.  Vorprodukte aus Russland, Belarus und Ukraine.

Deutsche Rohstoffagentur (DERA), Berlin: Bundeseinrichtung in Berlin seit 2021. Chef 2021 ist Peter Buchholz. Deutschland ist in einer großen Abhängigkeit. Es kann schnell zu Lieferengpässen kommen, die deutliche Preissteigerungen zur Folge haben. Man will strategische Reserven anlegen, um gefährliche Knappheiten zu verhindern. Gehört zur Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Man will strategische Reserven anlegen, um gefährliche Knappheiten zu verhindern.

Raw Materials Alliance, Berlin (europaweit ca. 500 Mitglieder, Einrichtung der EU, auch GmbH-Tochter, gegründet 2020; Unternehmen, Hochschulen, Organisationen; Förderung in Europa oder Recycling).

Rohstoffe, Importland Deutschland: Deutschland importiert Braunkohle, Steinkohle, Erdöl und Erdgas, weil es selbst nicht genug eigene Vorkommen hat (relevant nur bei Kohle). Bei Uran muss zu 100% importiert werden. Bei Öl und Gas ist Deutschland insbesondere von Russland und Norwegen abhängig. Deutsche Konzerne (Wintershall, RWE, Eon, Bayerngas, Suncor Energy Germany, VNG) fördern im Ausland.

Rohstoffe im Weltraum: Es gibt viel Gold, Kobalt und Platin. Sie lagern im Asteroidengürtel. Jeder Asteroid hat ein Vielfaches der Stoffe. Vielleicht wird es einmal Raumstationen voller Bergarbeiter geben. Noch sind die Kosten viel zu hoch.

Rohstoffe aus der Tiefsee: 200 Meilen vor dem Festland beginnt die internationale Tiefssee. Da sind 60 Prozent der Weltmeere, die keinem gehören. Verwaltet wird das Gebiet seit 1994 von der Internationalen Meeresbodenbehörde ISA, die auch Lizenzen zur Tiefsee-Erkundung vergibt. Sie entscheidet auch über den Abbau von Rohstoffen. Deutschland hat über die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe zwei Lizenzen: im Pazifik sucht man Manganknollen, im Indischen Ozean Sulfid-Erze. Man schätzt, dass 20 Mio. Tonnen Rohstoffe unter dem Meer liegen. 75 Prozent des Nickels stammen aus tropischen Böden, auf denen Regenwald wächst. Es geht also immer um eine Abwägung. Deutschland hat Forschungsschiffe laufen, die Rohstoffe aus der Tiefsee erforschen. Umweltschützer warnen vor einem Artensterben.

Rohstoffpartnerschaften der EU: Die Umstellung der europäischen Industrie auf klimaneutrale Technologien schafft eine Vielzahl neuer Ressourcenbedürfnisse. Die Versorgungswege sind störanfällig und von zunehmender Verknappung bedroht. Mit dem Instrument der Strategischen Ressourcenpartnerschaft will die EU durch die Zusammenarbeit mit ausgewählten Drittländern alternative Lieferketten aufbauen, die dem europäischen Bedarf an größerer Versorgungssicherheit und höheren Umweltstandards entsprechen. Um dem Risiko einer langfristigen Instabilität der Partnerschaften entgegenzuwirken, muss die EU nachhaltige Wachstumsperspektiven bieten, insbesondere für Partnerländer mit niedrigem Einkommen. Vgl. Wolf, Andre: Ressourcenpartnerschaften für mehr Rohstoffsicherheit, in: Wirtschaftsdienst 4/ 2023, S. 264-268.

Rohstoffkartell OMEC (strategische Rohstoffe): Das gibt es noch nicht, wäre aber in naher Zukunft möglich, vielleicht auch wahrscheinlich. Es gibt Länder in der Welt, die weitgehend bestimmte Rohstoffe beherrschen. Hier eine Auswahl Produktionsanteile in Prozent): Australien Lithium 53; Kongo Kobald 63; Türkei Bor 48; Brasilien Niob 92; China Gallium 94, Magnesium 91, Siliziummetall 77; Iran Strontium 38; Peru Arsen 40; Katar Helium 30; Indonesien Nickel 26. Vgl. Wiwo 49/ 2023, S. 38f.

Dodd-Frank Act: Das US-Gesetz verpflichtet seit 2014 alle Unternehmen, deren Aktien an US-Börsen gehandelt werden, den Nachweis zu führen, dass die von ihnen verwendeten Rohstoffe (Zinn, Tantal, Gold, Wolfram) nicht aus umkämpften Minen stammen. Eindeutig "konfliktfrei" sollen die Materialien sein. Die EU verpflichtet die Importeure von Konfliktmaterialien erst ab 2012 zu Transparenz und Sorgfaltsprüfungen. Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten müssen ihre Beschaffungspraxis offen legen.

Seltene Erden: Sind weiche, silbergraue Metalle, deren Schmelzpunkt je nach Element zwischen 900 und 1600 Grad C liegt. Je umweltfreundlicher und innovativer ein Produkt ist, umso größer ist die Abhängigkeit bei Seltenen Erden. Sie werden in Hochtechnologiebereichen und Energiespartechnologien eingesetzt. Konkrete Anwendungsbereiche sind Leuchtstoffe und Elektronik, Metallurgie, Katalysatoren, Keramik, Permanentmagnete, Batterien. China hat eine Quasi-Monopolstellung. Das Land arbeitet mit Exportquoten, um Produktionsstätten ins Land zu holen.  Die Quoten werden 2012 erhöht. Auf Druck der WTO werden diese ab 2015 aufgehoben.  Weitere Vorkommen sind in den GUS-Staaten, Indien, Brasilien und Nordamerika. Der Klimawandel macht auch die Arktis wirtschaftlich interessant. So gibt es seltene Erden in der ostkanadischen Provinz Quebec. Eine Kooperation mit Kanada wird angestrebt (Merkel im August 2012). Deutschland schließt im Herbst 2011 ein Abkommen mit der Mongolei: Lieferung Seltener Erden, Investitionen in Bildung und Technologie in der Mongolei. Im Februar 2012 folgt ein Rohstoffabkommen mit Kasachstan. Eine Partnerschaft mit Kanada wird angestrebt. Seltene Erden gibt es auch in den USA, Australien und Russland. In der Regel haben diese Länder ihre Lagerstätten noch gar nicht angerührt. In den Industrieländern wird das Recyceln intensiviert. 2012 gibt es einen Preissturz bei Seltenen Erden. Offensichtlich ist die Nachfrage stark gesunken (Konjunkturflaute in Teilen der Welt). China will ein Fünftel der Produktionskapazitäten schließen, um den Preisverfall zu stoppen. Mittlerweile findet man Seltene Erden auch im Rhein. Langfristig bis 2030 werden folgende Länder besonders wichtig sein: Russland für Palladium. Brasilien für Tantal, Kanada für Indium, China für Neodym und Gallium, Australien für Kobalt, Mexiko für Silber. Immer wichtiger wird das Recycling, um die Abhängigkeit zu senken. In Deutschland peilt man 20% recycelte Seltene Erden an. 2013 gibt es große Funde von seltenen Erden in Grönland. Die Förderung wäre wichtig für die EU (Teilautonomie, gehört zu Dänemark). Radioaktive Substanzen sind in der Nähe, weshalb das ökologische Risiko hoch ist. Lithium, das leichteste Metall der Welt, kommt am meisten in Bolivien vor (Salzsee Salar de Uyuni). Der Bedarf an Seltenen Erden geht weltweit zurück. Es können alternative Rohstoffe hergestellt werden. Zur Gewinnung Seltener Erden ist giftige Säure erforderlich, die jede Menge giftigen Müll erzeugt. 2019 setzt China Seltene Erden im Handelsstreit mit den USA ein: Etwa 70% der Seltenen Erden, die 2019 in der Produktion eingesetzt werden, kommen aus China. Das Land erwägt einen Exportstopp bzw. eine Reduktion. 80% der exportierten Mengen gehen in die USA. Außerdem beherrschen mittlerweile chinesische Firmen den Abbau im Kongo (Kobalt). Sie sind auch am Abbau in Australien beteiligt. Die große Hoffnung Europas ist Grönland. Westliche Investoren suchen hier nach Seltenen Erden, um das chinesische Monopol zu brechen. die Vorkommen in Grönland sind bedeutend höher. Europa ist bei Seltenen Erden für Magnete 2020 von China abhängig. Ein Handelskonflikt mit dem Land wäre fatal. Quelle: Think Tank EIT Raw Materials 2020. 2021 verteuern sich Seltene Erden als Rohstoffe für Erneuerbare Energien. somit dürfte die Klimawende teurer werden (Nachfrage 2021 +7%). Im Jahre 2023 entdeckt man einen reichen Fund Seltener Erde in Schweden. Es ist in der Nähe vo der Eisenerzgrube von Kiruna. Das würde die EU unabhängiger von China machen. Allerdings dauern die Genehmigungsverfahren wahrscheinlich 10 Jahre. Über eine Förderung entscheidet auch der Weltmarktpreis.

Bedeutung Seltener Erden: Sie sind Bestandteile wichtiger Elemente der Energiewende. Man braucht sie für leistungsstarke Windradturbinen. Ebenso für Elektromotoren und Energiesparlampen. Sie sind auch in Festplatten, Flachbild-Bildschirmen, Lasern und Glasfaserkabeln. Sie sind Bestandteile der Röntgentechnik und der Kernspintomographie.  Besonders wichtig sind sie für den Batterien - Bau und die Rüstungsindustrie. Die Gewinnung birgt große Risiken. Es gibt große Umweltschäden.

Verteilung der Seltenen Erden: 2018 lag China weltweit bei der Produktion Seltener Erden an der Spitze (120.000 Tonnen; 70,6%-Anteil am Weltmarkt). Dieser Weltmarktanteil steigt 2019 schon auf 87%. Dann folgt Australien (20.000 Tonnen). An dritter Stelle liegen wieder die USA (15.000 Tonnen). 2020 erhöht sich der Anteil Chinas auf 89%. Minen gibt es auch in Russland, Thailand, Myanmar, Indien, Vietnam, Madagaskar, Brasilien, Kanada, Grönland. Im Juni 2024 ordnet die Regierung in China den ganzen Bereich der Seltenen erden dem Staat zu. Er soll über Förderung, Weiterverarbeitung und Verteilung (Export) entscheiden.

Rohstoffallianz: 2023 bilden die G7 und zusätzlich Südkorea, Australien und Chile schließen sich zu einem Club zusammen. Indien und afrikanische Statten sollen eingeladen werden. Man spricht von einem Verbund der "konzentrischen Kreise". Um die Mitgliedschaft attraktiv zu machen, sollen auch Rohstoffe vor Ort verarbeitet werden. Es gibt noch Streit übe rdie Beschränkung von Exporten in Drittstaaten. Das Signal ging von den USA aus und ist gegen China gerichtet. Vgl. Sauga, M.: Ein club gegen China, in: Der Spiegel 18/ 29.4.23, S. 61.

Recycling seltener Erden: "Zukunftstechnologien, wie Elektromotoren und Windkraft-Turbinen, enthalten wertvolle seltene Metalle, deren Recycling einen wichtigen Schritt zu einer grünen Kreislaufwirtschaft darstellen würde. Doch ein Aufbau von Lieferketten für recycelte Metalle ist mit Schwierigkeiten, wie mangelnder technischer Standardisierung, geringer Sammelquoten von Altprodukten und niedriger Effizienz von Recycling-Technologien konfrontiert. ". Siehe Wolf, Andre: Recycling seltener Erden: ein Weg zu resilienten grünen Lieferketten, in: Wirtschaftsdienst 12/ 2023, S. 832-836.

Yttrium, Dysprosium, Terbium: Besonders wichtige seltene Erden. Sie spielen im gesamten Bereich der Magnet- und Batterieherstellung bis zu den Laptops eine wichtige Rolle. 80% der weltweiten Förderung lag 2016 in China.

Abhängigkeit von China: Nach Beginn des Ukraine-Krieges gerät diese Abhängigkeit in die Diskussion. Man versucht, weltweit zu diversifizieren. China dominiert bei seltenen Erden. Alternativen sind Australien, Russland, Südafrika, Kongo, Brasilien, Chile, USA, Kanada. Vgl. Book, Simon u. a.: Wenn andere eine Grube graben, in: Der Spiegel 22/ 27.5.23, S. 62ff. Im Juni 2024 ordnet die Regierung in China den ganzen Bereich der Seltenen erden dem Staat zu. Er soll über Förderung, Weiterverarbeitung und Verteilung (Export) entscheiden. "Der Nahe Osten hat sein Öl, China hat seltene Erden", Deng Xiaoping 1992, Parteiführer.

Tiefseebergbau: Internationale Meeresgrundbehörde, Kingston/ Jamaika (International Seabed Authority/ ISA; seit 1994, gegründet durch Seerechtsabkommen der UN, vergibt Förderlizenzen, Sehr begehrt sind Mangan-Knollen. Große Konzerne und Regierungen stecken hinter den Plänen. Auf den Meeren werden oft einfach Fakten geschaffen. Tiefseebergbau wird durch Seltene Erden in der Zukunft eine große Bedeutung haben).

Hochleistungsmagnete: China produziert über 95% aller Hochleistungsmagnete. Bayan Obo in der Inneren Mongolei ist die größte Seltenen Erden-Mine der Welt. Der Hochleistungsindustrie in den führenden Industriestaaten fehlen die notwenigen Rohstoffe. Man braucht diese Magnete für Elektroautos und Windkraftanlagen. Platz zwei und drei haben die USA und Australien. Man hofft in Europa auf Recycling.

Stahl: Durch das Dammbruchunglück in einer brasilianischen Eisenerzmine des Vale-Konzerns 2018 geraten Lieferketten in die Diskussion. Die Bundesregierung appelliert an eine freiwillige Kontrolle von Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, insbesondere Automobilproduzenten. Falls Freiwilligkeit nicht zum Ziel führt, will man das gesetzlich regeln. Im Februar 2021 wird Stahl plötzlich knapp. Die Stahlproduktion kommt der Nachfrage nicht nach. Kunden klagen über Lieferengpässe und hohe Preise. Im Mai 2021 kostete eine Tonne 500 $, im Oktober 2020 waren es noch 270 $. Im Mai 2021 steigt der Stahlpreis um 33% gegenüber dem Mai 2020. Es herrscht ein großer Stahlmangel. 2022 steigt der Preis extrem wegen der Energieverteuerung (Ukraine-Krieg). Stahl wird immer knapper. Russland und die Ukraine sind für 10% des Stahlhandels verantwortlich. 2023 ist der Stahl der Knackpunkt in Handelsverhandlungen zwischen der EU und den USA: Es geht um grünen Stahl.

Eisenerz: Eisenerz war das wichtigste Material in der Eisenzeit. Die Epoche kam nach der Bronzezeit. Die Kelten waren die Meister in der Verarbeitung, vor allem zu Waffen. 1224 n. Chr. entstand so die Stadt Siegen. Der Preis steigt im ersten Halbjahr 2021 um +30%. Viele geben den Preis in Yuan, der chinesischen Währung, an. Bei Eisenerz und Konzentrat beträgt der russische Anteil an den Importen 23%. Der größte Eisenproduzent in Europa ist Schweden. Das Zentrum ist bei Kiruna. Die wichtigste Rolle spielt der Staatskonzern LKAB aus Lulea.

Direktreduziertes Eisen: Der Anteil Russlands an den deutschen Importen liegt bei 35%.

Kunststoff: 25% landen beim Bau (Folien, Kanalrohre, Kabelisolierungen. Nach der Pandemie 2021 sind die Preise doppelt so hoch wie vorher. Bei Kunststoffen herrscht 2021 noch ein großer Mangel.

Phosphor (Phosphat): Gilt als besonders begehrter Rohstoff weltweit. In Zukunft soll er vermehrt aus Klärschlamm und Abwässern der Städte zurück gewonnen werden. Der Höhepunkt des Phosphorabbaus dürfte spätestens 2040 erreicht sein. Es wird dann auch immer teurer Phosphor abzubauen (Marokko, West-Sahara). Damit könnte zum Teil auch die Überdüngung bekämpft werden. Phosphor wurde durch Kometen auf die Erde gebracht. sie haben so das Leben mit erschaffen. Die Menschheit verschwendet diesen unersetzlichen Rohstoff. Besonders viel wird in der Fischzucht eingesetzt (direkt oder über Wasserpflanzen, die damit gedüngt werden). Dieser Phosphor ist verloren. Immer wieder geraten auch Firmen in die Kritik wegen des Phosphat - Abbaus. So etwa Bayer im Südosten des US-Staates Idaho. Es drohen Klagen der Umweltbehörde EPA oder des indigenen Schoschonen - Stammes "Bannock". Der Abbau setzt Stoffe wie Arsen und Uran frei. Außerdem gibt es einen hohen CO2-Ausstoß in der Vorprodukte - Fabrik. Die EU importiert 65% dieses Rohstoffs aus Kasachstan, 23% aus Vietnam und 10% aus China.

Magnesium: Magnesium ist sehr reaktiv. Es ist auch extrem leicht, ein Drittel von Aluminium. Es wird in der Luftfahrt, der Raumfahrt und in der Autoindustrie gebraucht. Große Vorkommen sind in Russland, China, Nordkorea, Türkei, Australien und Nord- sowie Südamerika. Der Weltmarkt ist in chinesischer Hand (85%). China bestimmt auch den Preis. Das wirkt sich sehr stark 2021 aus: Aus Energiemangel muss China die Magnesiumproduktion runterfahren. Die Versorgung der Bevölkerung geht vor.

Chrom: Die größten Chromreserven lagern in Südafrika. Dann kommen Gabun und Ghana. Man braucht da Metall vor allem in der Rüstungs- und Elektrotechnik.

Aluminium: 2021 kommt es zu einem Mangel, weil Magnesium fehlt. China muss die Produktion aus Energiemangel drosseln. Der Preisanstieg 2021 beträgt bis Oktober schon +60%. Deutschland importiert auch aus Russland: 17%.

Nickel: Es ist ein silbrig-weißes Schwermetall. Man benötigt es für die Herstellung verschiedener Batterietypen. Wird heute vor allem in Akkus verwendet. Sein Einsatz kann die Speicherkapazität min den Zellen erhöhen. Viel Nickel gewinnt man wieder durch Recyceln. Die Nachfrage nach Nickel wird in den nächsten Jahren stark ansteigen (2023 495.000 Tonnen; 2028 928.000 Tonnen; Quelle: Statista). 2021 steigt die Nachfrage allein um 19% durch die Energiewende. Hauptproduktionsvolumen haben folgende Staaten: Philippinen, Russland, China, Indonesien, Japan. Nickel könnte zu einem Engpass für Wasserstoff-Herstellung werden. Russland hat bei der Förderung einen Anteil von 11% am Weltmarkt, China einen Anteil von 35% bei der Veredlung. Durch den Ukrainekrieg schießt der Preis von Nickel Mitte März 22 um 250% nach oben. Diese Preisexplosion brachte dem chinesischen Tycoon Xiang Guangda. genannt The Big Shot, einen Milliardenverlust. Er soll 100.000 Tonnen des Industriemetalls über Termingeschäfte gegen fallende Preise abgesichert haben. Es drohen bei dem Rohstoff Engpässe. Dadurch gerät der E-Auto-Boom in Gefahr. 40% der Nickelimporte bezieht Deutschland aus Russland. Weltweit führen bei der Förderung sind Indonesien und die Philippinen. 2024 gehen die Nickelpreise weiter runter. Grund ist Indonesien, das ausländische Konkurrenten aus dem Markt drängt. Australische Nickelminen müssen schon schließen. Vgl. HB 13.2.24, S. 16. Russland ist auch ein großer Nickellieferant, 38% für die EU. In der EU hat Norwegen das meiste Nickel.

Zink: Wird gebraucht in der Stahlindustrie, in der Automobilindustrie, beim Bau von Windkraftanlagen. Hauptabbauländer sind China, Peru und Australien. Die größten Zink-Reserven haben Australien, China, Russland, Mexiko. Eines der größten Rohstoffunternehmen in diesem Bereich ist Trafigura/ Amsterdam.

Mangan: Mangan ist in nicht vielen Ländern. Russland muss 100% Mangan importieren. Wird vor allem für Batterien von Kleingeräten benötigt. In Autobatterien dient es heute dazu, den Anteil des problematischen Kobalts zu reduzieren.  Mangan wird häufig aus der Tiefsee geholt. Man spricht von Manganknollen. Einige Konzerne haben sich auf den Abbau spezialisiert. So der kanadische Konzern TMC. Der Tiefseebergbau ist sehr umstritten. Man sucht nach Regeln für den Abbau. In Kingston/ Jamaika findet im Juli 2023 ein internationale Konferenz statt. Man baut mit Erntemaschinen ab. Die machen alles kaputt und Jahrzehnte ist der Boden tot. Es gibt eine Clarion - Klipperton - Zone, wo viele Staaten - auch Deutschland -  Rechte gekauft haben. Man will einen internationalen Stopp, bis es mehr Untersuchungen über die Folgen gibt. Das soll für Internationales Gewässer gelten. Die Mangan-Knollen enthalten auch andere Metalle: Kobalt, Nickel, Kupfer. Im August 2024 ist eine entscheidende Generalversammlung der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA). Sie tagt in Kingston auf Jamaika. 27 Staaten fordern ein Verbot oder ein Moratorium für Tiefseebergbau. Ein Regelwerk soll erarbeitet werden.

Bauxit: Ist der Grundstoff zur Herstellung von Aluminium. Zuerst fand man den Rohstoff in den USA, die dadurch eine Zeitlang ein Monopol hatten.

Kobalt: Stahlgraues, zähes Schwermetall. Der Rohstoff wird bis 2050 knapp. Der Stoff ist vergleichsweise selten auf der Erde. Man braucht ihn für Lithium-Ionen-Batterien (E-Autos, Smartphones), deren Produktion stark steigt. Man muss nach alternativen Batteriekonzepten forschen. Kobalt kommt in Deutschland im Erzgebirge vor. Eines der Hauptfördergebiete ist der Kongo (64% des weltweit geförderten Kobalts 2018, Hälfte der Reserven). Die weltgrößten Vorkommen liegen bei Mutoshi im Süden. VW allein braucht die gesamte Produktion aus dem Kongo (123.000t pro Jahr). Die BASF und BMW wollen ab 2019 zusammen mit Samsung aus Süd-Korea den Kobaltabbau im Kongo unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen testen (heute sind die Bedingungen menschenunwürdig, vor allem was Sicherheit angeht; 200.000 illegal). Es geht um den Kleinstbergbau (auch GIZ dabei). Südkorea ist der größte Abnehmer. Der Staat verdient an den Schürflizenzen. Nach dem Kongo die größten Abbauländer sind Russland, Australien, Philippinen und Kuba. Bei Kobalt lohnt sich vor allem das Recycling aus Alt-Akkus. Kobalt kann aber auch nach und nach durch andere Rohstoffe ersetzt werden. Groß sind die Kobaltvorkommen in der Tiefsee. Für die Hochsee ist die Internationale Meeresbodenbehörde in Kingston auf Jamaika  zuständig. Sie vergibt Explorationslizenzen, unter anderem an die EU, China, Japan, Russland. Eines der größten Abbauzonen ist die Clarion - Clipperton - Zone im Pazifischen Ozean. Die Kobaltnachfrage steigt in den letzten Jahren rasant an und wird noch weiter ansteigen. 2021 steigt die Nachfrage allein um 21% durch die Energiewende. 64% des Kobalts (fast zwei Drittel der Weltproduktion) stammen aus dem Kongo, gewonnen aus industrieller Förderung und Kleinbergbau. Quelle: DERA. Danach folgen China, Russland, Australien, Finnland, Belgien. 2021 steht die Autoindustrie vor einer Kobalt-Knappheit. Nach dem Chipmangel droht die Kobaltkrise. Die Transformation zur Elektromobilität birgt neue Risiken. Der Kleinbergbau soll insgesamt salonfähig gemacht werden. Ende 2021 stellt das IW in einer Studie fest, dass die Kobaltreserven beim heute absehbaren Bedarf noch ca. 11 Jahre reichen. Der Preis verteuert sich weiter massiv 2022. Das bedroht die Batterieherstellung für E-Autos. Im Kongo planen Autokonzerne eine Batteriefabrik. Kongo ist der weltweit größte Produzent des Akkumetalls  (74%, vor Russland und Australien). Zum Teil kann Kobalt durch Nickel ersetzt werden. Im Kongo graben rund 200.000 freiberufliche Bergleute auf eigene Faust nach dem Schwermetall. Das ist hart, lebensgefährlich und von Ausbeutung geprägt (Korrupte Mittelsmänner). Auch Kinder sind in den Gruben.

Wolfram: Produktionsanteil von China 2020 81%.

Titan:  Hauptlieferant für Deutschland ist Russland (41%). Das sind Stangen und Profile. Hinzu kommen Bleche und Folien (Russland-Anteil 33%). Nach dem Angriff auf die Ukraine steigt der Preis stark.

Lithium: Wird für Batterien benötigt. Auch für die in E-Autos. Lithium kommt in Deutschland im Erzgebirge vor (Zinnwald). Lithium gilt auch als das Aspirin der Psychiatrie. Es wird bei Patienten gegen Stimmungsschwankungen eingesetzt. Es kommt aber auf die richtige Dosierung, sonst werden die Nieren geschädigt oder es kommt zu Demenz. Der Lithium-Abbau ist aufwendig und schädigt die Umwelt. Vor allem werden enorme Mengen von Wasser verbraucht. Der Grundwasserspiegel sinkt (zeigt sich in Südamerika). In den Salzseen Boliviens lagern riesige Mengen. Es gibt weitere  hohe Vorkommen in Chile und Argentinien. Weitere Minen gibt es in Australien. Chinesische Batterie- und Autohersteller sichern sich langfristige Lieferverträge und Joint Ventures mit den Minen. Für das deutsche Erzgebirge gibt es Förderpläne. 2050 sollten 50 Prozent des Lithiums in Deutschland aus Altakkus kommen. Die weltweite Nachfrage nach Lithium wird in den nächsten Jahren dramatisch ansteigen. (2023 961.000 Tonnen, 2028 1.570.000). Die Bundesregierung hatte ein Abbauabkommen für Lithium mit der bolivianischen Regierung geschlossen (noch Morales). Durch die Neuwahlen ist das erstmal auf Eis gelegt. Es soll noch einmal in Bolivien überprüft werden. Die Bundesrepublik sollte im Gegenzug ein Batteriewerk in der Nähe des Sees aufbauen. Die neue Regierung hat die Gespräche wieder aufgenommen. ACISA (ACI-Systems Alemania) am Salar de Uyuni kann vielleicht weitermachen. Das größte geschlossene Lithium-Vorkommen der Welt ist das Salar de Uyuni in Bolivien. Es soll 2021 eine Strategie bis 2025 zum Abbau geben. Weitere hohe Lithium-Vorkommen sind in Chile und Argentinien. Vor allem BMW aus Deutschland kauft dort ein. Argentinien ist allerdings schwierig für Direktinvestitionen (Inflation, Devisenkontrolle). Chile liegt 2021 bei der Produktion auf Platz eins vor Australien und China. Die geologischen Bedingungen und Förderkosten sind optimal (Atacami-Wüste). Im Salar de Atacama, am Fuße der Anden, schlummern unzählige Tonnen Lithium. Ein Chinesisches Konsortium investiert in Autofagusta (China macht sein eigenes Spiel). Die Regierung in Chile will die Kontrolle beim Abbau nicht mehr privaten Firmen überlassen. 2021 wächst die Nachfrage nach Lithium um 42% durch die Energiewende. Bei Lithium gibt es auch einen Index. Der steigt von Januar bis Ende Mai 21 um 46%. Mitte 2022 kostet die Tonne 71.000$ (2020 8200 $). 74% gehen in Akkus. 14% in die Herstellung von Glas/ Keramik. sonstige Verwendungen sind Schmierstoff, Polymere, Metallpulver. Der Bedarf wird bis 2030 extrem ansteigen. Die EU will Lithium streng reglementieren (Kategorie A der Chemikalienverordnung, riskanter Stoff). Das bringt hohe Aufwendungen für Unternehmen mit sich. Lithium-Raffinerien dürften außerhalb der EU angesiedelt werden. Damit ist der Markt kaputt. 70% der Veredelung findet 2022 in China statt. Auf dem Markt sind auch einige Glücksritter unterwegs. 2024 schließt Serbien einen Pakt mit der EU. Gemeinsam will man die hohen Lithium - Vorkommen abbauen. Gerade bei Lithium will Europa unabhängig werden. Doch viele Projekte stocken. Es kommt sogar der Verdacht auf, dass China die Branche sabotiert. Eine wichtige Raffinerie ist in Bitterfeld Geplant sind welche in Guben, Kokkala/ Finnland. Deutschland importiert sein Lithium bisher ausschließlich aus China (49%). 45% kommen aus Europa. Größere Vorkommen als China haben Australien und Chile.  Der Kölner Chemiekonzern Lanxess will bis Mitte 2020 über den Einstieg ins Lithium-Geschäft entscheiden. Im US-Bundesstaat Arkansas, am Standort El Dorado, betreibt Lanxess ein Mine. Sie gehört zum US-Unternehmen Chemtura, das Lanxess 2017 übernommen hat. Tschechien treibt 2020 und 2021 mithilfe eines Staatskonzerns das größte Lithium-Bergbauvorhaben in Europa voran. Der Erzkörper liegt unter Zinnwald und Cinovec. Die Rufe nach einer Fusion mit einem deutschen Parallelprojekt werden lauter. Es gibt 2021 ein Tauziehen um europäische Lithiumvorräte. Minenkonzerne in Spanien ziehen gegen die Politik vor Gericht. In Cornwall herrscht bei zwei Start-ups Goldgräberstimmung. Serbien und Tschechien hoffen auf deutsche Autobauer. Die meisten Vorräte hat Deutschland vor Tschechien, Serbien, Spanien und Portugal. In der Geothermie in der Nähe von Landau will ein Start-up den Rohstoff aus dem Tiefenwasser herausfiltern. Im Oberrheingraben will man den Rohstoff durch Geothermiebohrung gewinnen. 75% (drei Viertel!) aller Produktionskapazitäten für Lithium-Ionen-Batterien kontrolliert China. Wichtige Länder sind außerdem: Australien, Chile, Argentinien. Bei dem Rohstoff hat Russland einen Weltmarktanteil von 13% bei der Förderung, China einen Anteil von 58% bei der Veredlung. In Nevada wollen ab 2022 die USA Lithium in großem Stil abbauen. Es sind Gebiete von Indigenen, die auch protestieren. Die Zukunft von Europas größter Mine in Serbien ist 2022 ungewiss. China hat bereits ein Auge darauf geworfen. Bisher wird Lithium in der EU nur in Portugal abgebaut. Hohe Lithium-Vorkommen gibt es in Serbien in einem Tal. Umweltproteste bedrohen die geplante Förderung. Europa bangt. In Deutschland will Vulcan Lithium in Insheim in der Pfalz abbauen (Erdwärmebohrungen). Es gibt bereits eine kleine Pilotanlage. Das Genehmigungsverfahren dürfte lange dauern. Lithium kann man in Deutschland auch im Zinnwald bei Dresden abbauen. 2023 reist Bundeskanzler Scholz nach Argentinien und Chile. Beide Länder will er für eine Rohstoff-Partnerschaft gewinnen. Bis 20230 könnte Argentinien zum drittgrößten Lithiumförderer der Welt werden. In den Bergen von Nevada/ USA soll in wenigen Jahren die größte Lithium-Mine der USA entstehen. Auch Kanada will seine Förderung erhöhen: Im Moment in Ontario. In der Nähe von Bad Dürkheim in der Pfalz kann auch Lithium gewonnen werden. Die Firma Vulcan will eine Lithiumgewinnungsanlage bauen. Gleichzeitig soll ein Geothermieheizkraftwerk entstehen. Die erste Hürde beim Bauausschuss wird genommen. Der Oberrheingraben in Deutschland hat Lithium für Jahrzehnte. Die Karlsruher Firma Vulcan Energy hat die Produktion von Lithiumhydroxid in der Zentralen Lithiumelektrolyse-Optimierungsanlage im Industriepark Höchst in Frankfurt 2024 eröffnet. In der Pfalz will Vulcan die Lithium-Förderung mit Erdwärme für die BASF und die Städte Ludwigshafen, Frankenthal verbinden.  "In naher Zukunft wird Lithium wichtiger als Öl und Gas", Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin 2023.

Silizium: Besonders wichtig für die Akku-Industrie, Heilsbringer für Handys und E-Autos. Das nötige Material steckt auch in Reishülsen. Bisher wird das Material vor allem aus Quarzsand gewonnen. In Deutschland entsteht immer mehr Silizium aus Recycling. Fraunhofer-Institute sind führend bei den Verfahren. Der Wirkungsgrad der Recycling-Zellen liegt mit 19,7% fast so hoch wie bei Premium-Modulen (22,2%). Silizium könnte Elektroautos endgültig zum Durchbruch verhelfen. Denn dank des Rohstoffs sollten Batteriezellen der Zukunft schneller laden und mehr Energie speichern. Silizium ist schwierig zu verarbeiten. Zahlreiche Start-ups haben sich darauf spezialisiert. Start-ups sind Northvolt, SES, QuantumScape, Sila und FREYR. Die Batteriekosten könnten so deutlich fallen.

Polysilizium: Rohstoff für die Solarindustrie, wichtigster Rohstoff für Solarzellen. Anteil Chinas 79%. Bei Fotovoltaik-Kraftwerken ist die EU von China abhängig.

Galliumnitrid: Leistungsstärker als Silizium. Der neue Hoffnungsträger der Chipbranche. Notebooks und Smartphones werden deutlich schneller. Allerdings ist der Stoff auch dreimal so teuer wie Silizium. Aixtron hat die Anlagen entwickelt. Ca. 61% der Importe kommen aus China.

Vanadium: Braucht man als Härtemittel für Stahl, zum Beispiel für Bohrer oder Schraubenschlüssel. Heute auch wichtig für Energiespeicher. Etwa für Redox-Flow-Batterien (z.B. in Windkraftanlagen). Vanadiumerz wird in China, Russland und Südafrika gefördert. Es wird in die EU auch Vanadium aus Südkorea und Südafrika eingeführt. Innerhalb des Jahres 2018 hat sich der Preis von rund 40 auf 100 Dollar pro Kilo mehr als verdoppelt

Palladium: Edelmetall/ Weißmetall. 2018 kletterte der Wert um 15%, viel stärker als bei Gold. Katalysator-Bestandteil in der Auto-Industrie. Substitutionseffekte mit Platin. Banden klauen inzwischen Katalysatoren. . Der russische Anteil an den Importen beträgt 18%.

Rhodium: Der Preis ist 2020 auf Rekordniveau. Hauptförderländer sind Südafrika und Russland. Rhodium heißt auch eine Denkfabrik in den USA (New York, Washington) .Ssie ist spezialisiert auf China.

Germanium: Braucht man für Glasfaserkabel und in der Optik (Infrarot). 2020 hat China einen Marktanteil von 72%. Quelle: Deutsche Rohstoffagentur.

Gallium: Wird für Dünnschicht - Voltaik gebraucht, auch für Halbleiter und Leuchtdioden. Der Marktanteil von China liegt bei 82% bis 90.  Weitere Lieferländer der EU sind die USA und GB.

Exkurs. Exportbeschränkungen von Rohstoffen 2023: Das eigentliche Ziel sind die USA. Doch auch Europa wird getroffen. Das Handelsministerium in Peking kündigt ab August 2023 die Ausfuhr von Gallium- und Germanium-Produkten zu beschränken. Zukünftig müssen Unternehmen entsprechende Lizenzen beantragen. Es scheint eine Gegenreaktion auf den Ausschluss bei komplexen Computerchips bei den USA, Taiwan und Süd-Korea zu sein. Bei Gallium beträgt der chinesische Anteil am Weltmarkt 90%, bei Germanium 80%.

Iridium: Der Rohstoff wird für Batterien (E-Autos) und für die Wasserstoff-Herstellung gebraucht.

Indium: Halbleiterindustrie, LCDs, Plasmabildschirme, Touchscreens.

Yttrium: Für Brennstoffzellen, Robotik, E-Mobilität, Windenergie. 92% der Importe sind aus China.

Neodym: Extrem hohe Zuwachsraten des Bedarfs 2023. Hauptlieferländer: China (33%), Russland, Australien. Man braucht den Rohstoff für Magnete. Der Anteil Chinas für die EU liegt bei 80%. Kleine Anteile haben die USA und GB.

Ruthenium: 94% der Reserven in Südafrika. Ruhenium ist ein Platinmetall (PGM). Für Datenspeicher, Smartphones.

Niob: 92% der Reserven in Brasilien. Für Windturbinen, Satelliten, Drohnen.

Erbium: Vorkommen in Russland, China, Australien, USA, Brasilien.

Wismut (auch Bismut): Chemische Industrie, Nano - Materialien. 87,1% der deutschen Importe kommen aus China. Eingesetzt in Katalysatoren und in der Medizin.

Antimon: Flammschutz, Batterien, DVD, Blue.Ray-Disks. 87% der Importe kommen 2022 aus China.

Osmium: Kristallin. Seltenes Edelmetall. Es ist am rarsten in der Welt. Die Jahresproduktion liegt bei einer Tonne pro Jahr. 

Humboldtin: Extrem selten. Es wurde einst nach dem Naturforscher Alexander von Humboldt benannt. In Deutschland bei Hof entdeckt. Weil es so selten ist, gibt es keine Industrie dafür. Es ist kein Mineral, kein Edelstein, kein goldähnliches Produkt. Es kann nicht klassifiziert werden.

Glimmer (Mika): Es ist ein Mineral, dass Autos zum Glänzen bringt. Es wird vor allem in Indien gewonnen. Dort werden Minen oft illegal und ohne Sicherheitsvorkehrungen betrieben. Auch Kinderarbeit ist die Regel. Glimmer stammt also aus dubiosen Quellen. Glimmerlack am Auto sorgt für einen Perlglanzeffekt. Große Lackhersteller wie Axalta und PPG (USA) arbeiten mit entsprechenden Lacken. VW, BMW und GM sind betroffen. Indien liefert 30% seines Abbaus in die EU. Weitere Abbauländer sind die USA, Brasilien, Südkorea und China. Mika ist auch in Kosmetika, vor allem Puder.

Quecksilber: Die Klimaschmelze des Grönland-Eises setzt gewaltige Mengen Quecksilber frei. Es stammt vom Boden des Eisschildes.

Potassium/ Kalium: Kommt in der EU vor allem aus Weißrussland (Belarus). Eine Umschichtung wird erwogen als Sanktion gegen Belarus wegen der Umleitung der Ryan-Air-Maschine.

Grafit: Man benötigt Grafit für Batterien. Marktanteil von China 70%. Die Nachfrage wächst 2021 um 25% durch die Energiewende. Man braucht Grafit auch für die Herstellung von Wasserstoff. Neben China beliefern auch Brasilien und Mosambik die EU.

Brom: Brom ist ein Chemiegrundstoff. Der Süden des Toten Meeres in Israel ist einer der Hauptlieferanten. die größte Firma ist Dead Sea Works Brom, Tochter des staatlichen Chemiekonzerns ICL. Auf jordanischer Seite gewinnt die Arab Potash Company neben Brom auch Kaliumsalze. Die Eskalation im Nahen Osten kann den Rohstoff knapp werden lassen.

Scandium: Gebraucht für Brennstoffzellen, Robotik, E-Mobilität und Windenergie. 92% aller Importe kommen 2022 aus China.

Coltan: Coltan ist ein wichtiger Rohstoff zum Bau von Handys. Im Osten Kongos kämpfen Milizen um die Vorherrschaft in den Coltan - Minen. Die Milizionäre überfallen Dörfer, vergewaltigen Frauen. Ihre Kämpfe finanzieren sie sie aus dem Coltan - Verkauf.

Cäsium (137): Radioaktives Weichmetall. Es reichert sich in Waldpilzen an. Noch immer (2019) sind Wildscheine mit über 600 Becquerel belastet. Der Jäger bekommt nach dem Atomgesetz eine Entschädigung. Die Belastung stammt aus dem Nuklearunfall in der Ukraine 1986.

Uran: 438 Atomreaktoren sind 2022 weltweit in Betrieb. Sie brauchen pro Jahr 62.000 Tonnen des Brennstoffs. Die Minenproduktion deckt nur 75% ab. Der Rest kommt aus strategischen Lagerbeständen. Es besteht ein Angebotsdefizit. Kasachstan hält 41% der weltweiten Uranproduktion. Dann folgen Australien (13%), Namibia (11%), Kanada (8%), Usbekistan (7%), Niger (6%), Russland (6%), China (4%). Der TOP-Produzent ist Kazatomprom aus Kasachstan. Vgl. WiWo kompakt Nr. 3/ 14.1.22, S. 8. Beim angereicherten Uran dominieren vier Firmen den Weltmarkt: Nowouralsk/ Swerdlowsk (Urananreicherungsanlage, sie gehört Putin); Atomenergoprom (staatlich), TVEL, Angarsk, Sewersk. Vgl. Stölzel, Thomas: Putins Machtfabrik, in: Wiwo 207 13.5.22, S. 62. Der Niger beliefert vor allem Frankreich. Deshalb ist der Militär-Putsch im Niger im Juli 23 sehr wichtig. Es geht um die Zukunft der Atomreaktoren in Frankreich.

Ton: Material, das aus feinkörnigen Mineralien besteht. Er ist plastisch verformbar. Er dient als Rohstoff für Töpferwaren und Keramik. Schon 24.000 Jahre v. Chr. wurde mit Ton gearbeitet. In RLP ist das Kannebäckerländchen oberhalb von Koblenz das Zentrum der Tonverarbeitung. Es ist sogar in das Kulturerbe der Unesco aufgenommen worden.

Porzellan und Glas: Porzellan wurde in China erfunden. Erst Ehrenfried Walther von Tschirnhaus und Johann Friedrich Böttger entschlüsselten Anfang des 18. Jh. die fernöstliche Rezeptur in Sachsen. so entstand dei Porzellanmanufaktur in Meissen. Vorher hatte man Porzellan aus China über die Seidenstraße eingeführt. Zur Glasherstellung fehlte in China das Eisen. Deshalb importierte das Land Glas über die Seidenstraße. 2021 steigt der Bedarf an Glas. Es gibt einen Verbrauchertrend weg vom Plastik hin zum Glas.

Neue Baustoffe: Beton ist klimaschädlich. Holz wird immer knapper. Man entwickelt neue Baustoffe aus Hanf, Wurzelgeflecht und Popcorn.

Gold: Gold ist seit Jahrtausenden das oder eines der wertvollsten Rohstoffe der Erde. Es ist nicht bloß eine Wertanlage, eine Währungsreserve, ein Grundmaterial in der Technik bzw. ein Grundstoff für Schmuck, sondern auch ein Heilmittel. In Form von Nanopartikeln beigemischt, kann es Hautkrankheiten bekämpfen oder es wird noch immer in der Zahnmedizin eingesetzt. Auch in der Migränebekämpfung findet Gold Verwendung. Die Gewinnung von Gold kann die Natur schädigen. Offensichtlich ist dies vor allem in Peru und Brasilien. Die Flüsse aus den Anden bringen Goldstaub mit sich. Um zu den Flüssen zu gelangen und Infrastruktur aufzubauen, wird Regenwald gerodet. Der Goldstaub wird mit Quecksilber ausgewaschen ,was die Flüsse verunreinigt. In Peru sind viele Menschen der indogenen Bevölkerung krank, weil sie von Fischen aus den Flüssen leben, die mit Quecksilber belastet sind. Deshalb gibt es mittlerweile auch Gegenbewegungen: Einmal recyceltes Gold, das nicht mehr geschürft werden muss. Zum anderen Fair Trade - Gold, das zertifiziert ist (ohne Kinderarbeit, ohne Naturzerstörung, ohne Gesundheitsgefährdung).2019 gehen den großen Goldförderern die Reserven aus. Es kommen Fusionen und Übernahmen. Neue Funde sind selten. 2020 in der Corona-Krise und danach wird Gold wieder zur "Währung der Angst". Die Welt ist in einem Goldrausch, auch weil Geld immer mehr seine Rolle ändert (digital, virtuell). Die privaten Haushalte in Deutschland haben 2021 9089 Tonnen gehortet, mehr als die Hälfte als Barren und Münzen. Die hohe Inflation stärkt vorerst den Goldpreis. Der internationale Goldhandel begünstigt nach wie vor Menschenrechtsverletzungen, Umweltsünden und organisiertes Verbrechen. Vgl. Fischermann, T.: Das Geheimnis der Schätzchen, in: Die Zeit 10/ 2023, S. 25. 2022 fällt die Förderung von Gold weltweit auf 3628 Tonnen (2018 3656 Tonnen). Der Preis steigt. 2022 und 23 sind die Zentralbankkäufe hoch. 2023 lebt die Goldsuche in den USA wieder auf. Das gilt besonders für Kalifornien. Naturkatastrophen haben Gold wieder freigegeben.  Im Dezember 2023 erreicht der Goldpreis ein Rekordhoch: 2111 Dollar (Spekulanten setzen auf sinkende Zinsen).  Im Januar 2019 kommen mindestens 30 Menschen beim Einsturz einer illegalen Goldmine in Afghanistan ums Leben (Faizabad). Illegaler Abbau ist im Nordosten Afghanistan weit verbreitet, weil sich internationale Firmen wegen des Konflikts zwischen Taliban und Regierung nicht trauen. Die größte Goldmünze der Welt ("Big Maple Leaf") wurde aus dem Berliner Bode-Museum gestohlen 2017. Die Täter stehen 2019 vor Gericht. Die Münze wurde wahrscheinlich eingeschmolzen.  Im Januar 2021 kommt es zu einem schweren Unfall in einer Goldmine im Osten Chinas (Provinz Shandong): Die meisten Bergleute können nach zwei Wochen aus einer Tiefe von 600 m gerettet werden. Die Goldminen Chinas gehören zu den gefährlichsten der Welt (schlechte Sicherheitsvorkehrungen, mangelnde Aufsicht, Vetternwirtschaft). 2021 rückt die Goldsuche in Brasilien i den Mittelpunkt. Goldsucher haben das indigene Volk der Yanomani angegriffen. Rund 25.000 illegale Goldgräber sind bereits in da Reservat eingedrungen. Die Regierung Bolsonaro schaut untätig zu. Die Entwicklung scheint ihr in den Kram zu passen. Es soll auch eine mächtige Mafia-Organisation mitmischen. 2021 sollen Investoren und Anleger aus dem gesamten Bundesgebiet um Millionen Euro betrogen worden sein. Es fehlen drei Tonnen Gold, die nicht aufzufinden sind. Minengold ist immer schwerer zu beurteilen. Deshalb setzen Experten immer mehr auf recyceltes Altgold.

Silber: Früher gab es in Europa, auch in Deutschland, große Silbervorräte. Deshalb gab es Versuche, Silber als teuerstes Material zu definieren. Das verhinderte GB, das in seinen Kolonien große Goldvorkommen hatte (Bullionisten). Mamche Regionen in Deutschland verdanken ihren aufstieg dem Silber. So etwa das Siegerland. Wilhelm der Schweiger ließ es abbauen (auch Blei, Zink).  2019 dürfte der Silberpreis ansteigen. Enge Kapazitäten in den Minen, eine anziehende Nachfrage und auch JP Morgan tragen dazu bei. Im Altertum war China das Land des Silbers. Das Metall stand für den wirtschaftlichen Reichtum des Landes. Das Wort Silber ist das gleiche wie Geld. Silberbarren steht für Bank.  China beherrschte perfekt die hohe Kunst der Silberschmiede. Hätte Großbritannien nicht im 18. und 19. Jahrhundert als Weltmacht dominiert wäre sicher Silber das wertvollste Metall geworden. Auch Europa hatte reiche Silbervorkommen, England aber in seinen Kolonien. In den USA wurde im 19. Jahrhundert wertvolle Schmiedekunst aus Silber entdeckt (Teekannen, Töpfe u. a.). Man dachte zuerst, dass die aus England stammte. Forbes wies in einem berühmten Buch nach, dass es sich um Exportkunst aus China handelte (zum Teil auch in der Kolonialzeit geraubt). Heute ist China der größte Silberimporteur der Welt. Silber kommt in fast allen elektronischen Produkten vor, die größtenteils in China hergestellt werden ("Werkbank der Welt"; 27% aller materiellen Güter werden in China produziert). Silber verwendet man auch in Solar-Panelen. Hier zeigt sich noch das große Know how der Chinesen bei Silber (nicht alles wurde geklaut!). Die größten Solar-Parks der Welt gibt es in der Wüste Gobi (sehr sehenswert, aber beschwerlich hinzukommen, Busse ohne Toilette, die nur selten anhalten!). Januar bis Mai 2021 steigt der Silberpreis um +59,4%.

Kupfer: Von Januar bis Mai 2021 steigt der Kupferpreis um +68%. Das ist die höchste Preissteigerung von allen Metallen. Kupfer ist 2021 extrem knapp geworden. 2% der weltweiten Kupferproduktion kommt aus der Mine Los Pelambres in Chile. 67 Tonnen Kupfer steckt in einer Windkraftanlage auf See (dafür müssen 50.000 Tonnen Erde und Gestein von Bergleuten bewegt werden). Quelle: Der Spiegel Nr. 44, 30.10.21, S.10. Hauptproduzenten sind Chile, Peru, China, Japan. Rio Tinto, australisch-britischer Rohstoffkonzern,  einigt sich nach 12 Jahren mit der Mongolei bei den Förderrechten. Der Kupferpreis steigt 2022 massiv an. Chile hat die höchste Gesamtproduktion von Kupfer (30%) vor Peru und China. Bei Kupfer schöpft der Staat in Chile die Gewinne ab. Der Anteil Russlands an den deutschen Importen beträgt 19%.  China hat die Hälfte des Weltbedarfs. Es ist der größte Produzent von raffiniertem Kupfer (30%). Kongo steigt immer mehr auf, dank Investitionen aus China.  2023 sinkt der Kupferpreis durch die Flaute in China. In der antiken Welt war Zypern der größte Kupferlieferant. In der EU haben Deutschland und Polen das meiste Kupfer. 2024 verstärken Kupferdiebe die Baukrise. Diebstähle auf Baustellen wirken immer öfter existenzbedrohend. Vgl. HB 20.8.24, S. 1.

Diamanten: Durch die Corona Krise gerät auch die Diamantenindustrie weltweit in die Krise.  Juweliere müssen geschlossen bleiben. Die Minenbesitzer drosseln die Produktion. Die Preise sinken auf das niedrigste Niveau seit 15 Jahren. 2011 war das Allzeithoch: 12040 $ Durchschnittspreis für 1-Karat-Diamanten bestimmter Qualitätsstufe. Im Mai 2020 liegt der Preis bei 5720 $. Der Durchschnittspreis seit 2005 beträgt 7890 $. Wichtigste Abbauländer sind Russland, Botswana, Kanada, Kongo, Australien. Indien hat einen Anteil von 90% an den weltweiten Importen von Rohdiamanten zum Schleifen (dann folgt China mit 5%).

Kohlenstoff: Einerseits ist Kohlenstoff für die Erderwärmung verantwortlich. Immer mehr Unternehmen entdecken das Gas jetzt als Rohstoff. Man kann damit Plastik, Kerosin und sogar Palmöl ersetzen. Es könnten neue Verwertungsketten entstehen. 1332 Tonnen Kohlendioxid pustet die ganze Menschheit jede Sekunde in die Atmosphäre. Vgl. Menn, Andreas: Matratzen schützen jetzt das klima, in: WiWo 3, 15.01.21, S. 64ff. 

Carbon: Für Batterien, Drohnen, Robotik, Digitale Technologien. 73% der Importe sind 2022 aus China.

Carbon2Chem: Rohstoffe aus CO2. 20 Mio. Tonnen CO2-Ausstoß der deutschen Stahlindustrie sollen sinnvoll genutzt werden. Hüttengase werden gereinigt, aufgespalten und in Grundstoffe für die chemische Industrie umgewandelt. Neben ThyssenKrupp sind die Fraunhofer-Gesellschaft un die Max-Planck-Gesellschaft beteiligt.

Ammoniak: Der Stoff wird bisher vor allem zur Produktion von Dünger verwendet. Das könnte sich bald ändern. Man will das Gas als grünen Treibstoff für Schiffe und Kraftwerke verwenden. Erstmals soll auch ein globaler Handel mit Ökoenergie möglich sein. Flüssig ist der Stoff leichter zu transportieren. Es gibt schon weltweit dei nötige Infrastruktur um Ammoniak zu speichern, zu transportieren und zu verarbeiten.

Harnstoff: Der Preis steigt 2021 extrem an auf 959,00 US-$. Man braucht den Stoff für die Produktion von Düngemitteln.

Kali: Es handelt sich um Kaliumchlorid (KCI). Die wichtigsten Produktionsländer von Kali sind (2021): Russland und Belarus (38%), Kanada (32%), China (10%). Die größten Exporteure sind Russland (19%) und Belarus (21%). Zusammen exportieren sie 40%. Die Exporte sind im Ukraine-Krieg gestoppt worden. Deutschland bezieht 30% seines Düngemittelbedarfs aus Russland. Die höchsten Reserven hat Kanada. Dort ist auch die größte Firma der Welt: Canpotex.

Borate: Salze und Ester der Borsäuren. Eigenständige Mineralklasse. Natürliches Vorkommen in: Boracit, Borax, Sassolin, Kermit, Ulexil. Notwendig für Holzschutzmittel, Puffersubstanz.

Asbest: 1993 wurde der "Wunderbaustoff" in Deutschland verboten. Es ist eine stark krebserregende Mineralfaser. In Millionen von Gebäuden ist immer noch Asbest enthalten.

Wasserstoff: Der Stoff ist auch in großen Mengen in Schmutzwasser, Plastikmüll und Gülle. Im Hausmüll ist also ein großer Energie-Schatz vorhanden. Energiekonzerne wollen ihn heben. Es entstehen auch mittlerweile Start-ups.

Synthetische Eiweißstoffe (Proteine): Das könnte der Werkstoff der Zukunft sein. Führend ist das Institut für Proteindesign in Seattle. Die Lebensbausteine werden mit Hilfe der Computer und IT geschaffen. So kann man maßgeschneiderte Proteine herstellen. 

Grüne Paradoxon: Unerwünschter Effekt von Klimaabkommen. Wenn die Nutzung fossiler Brennstoffe (Öl, Gas) beschränkt wird, beginnt ein Ansturm auf diese. Wenn die Industrieländer weniger Rohstoffe verbrauchen, drückt das den Preis. Dadurch können  die rohstoffhungrigen Schwellen- und Entwicklungsländer mehr Rohstoffe verbrauchen. Weltweites Wohlstandsgefälle vermindert so den Klimaschutz, aber globale Armut kann bekämpft werden. Vgl. H. W. Sinn: Das grüne Paradoxon, Berlin 2008, S. 405ff.. Die grüne Politik der Kyoto-Länder soll dazu führen, dass die Kohlenstoffmengen, die von den Kyoto-Ländern nicht verbraucht werden, nach den USA, China u. a. wandern. Das Paradoxon setzt allerdings den Status-Quo von Kyoto voraus, was mit Obama nicht sicher ist. Er zeigt auch die Paradoxien, die blinden Flecken, die Kosten und die Grenzen der Umweltpolitik auf.

Rush to burn": Es steigt das Angebot an Öl und Gas. Die Preise verfallen. Das wäre ein Antizipationseffekt. Für Gas könnte das Nutzungskonzept "türkis" kommen. Man zerlegt Methan in Wasserstoff und Kohlenstoff ohne Freisetzung von CO2. Bei Erdöl ist das schwieriger: aus einem Bruchteil werden Kunstfasern, Dämmstoffe und Plastikprodukte. Vgl. Konrad, Kai: Die andere Energiewende, in: FAZ Nr. 158/ n11.7.22, S. 6.

Cradle to Cradle (C2C) (gleichnamiges Buch 2002): Ökoindustrielle Neuordnung der Welt. Produkte ohne irgendwelche Schadstoff, die entweder biologisch als Kompost oder als sortenreiner Rohstoff in den technischen Kreislauf zurückfinden. Erfunden wurde das Konzept 1991 in einem New Yorker Wolkenkratzer  von Michael Braungart (Chemieprofessor) und William McDonough (Architekt, Designer). Damit die Rohstoffe auch wirklich in den Kreislauf zurückgeführt werden, sollen Waren geleast statt gekauft werden. Weltweit haben Firmen etwa 2000 Produkte bei Braungarts Hamburger Forschungsfirma Epea.

Nordafrika: Vor der Haustür Europas lagern umfangreiche Rohstoff- und Energievorkommen.  Algerien und der Sudan (auch Südsudan) haben eine große Öl- und Gasförderung. Der Niger und Mali besitzen Uran-Vorkommen. Mauretanien und Tunesien fördern Eisenerz.  Burkina Faso, Mali und Algerien besitzen Goldlager.

Arktis: Im arktischen Meerboden (Nordpol) werden riesige Mengen von Öl- und Gasvorkommen vermutet. Der Klimawandel lässt das Eis schmelzen. Das macht auch Schifffahrtsrouten frei. Russland erhebt immer mehr Ansprüche und baut seine militärischen Anlagen aus. Weitere Ansprüche erheben Grönland (Dänemark), Norwegen, Kanada und die USA. Ende 2017 kommt es zu einer Anklage gegen Norwegen wegen Ölförderung in der Arktis (vergeben von Lizenzen; Greenpeace und Natur og undum haben verklagt). Ende September 2015 stoppt Shell die Alaska-Ölbohrungen, weil die Kosten zu hoch sind. Das kann auch Einfluss auf Arktis-Bohrungen haben. Die niedrigen Ölkrise könnten vorläufig die Arktis vor dem Zugriff der Konzerne retten.

Offensive der EU zur Sicherung zukunftsträchtiger Mineralien 2010: Folgende Mineralien stuft die EU als strategisch wichtig ein: Antimon, Germanium, Gallium, Indium, Kobalt, Platin, Tantal, Wolfram, Niobium, Beryllium, Magnesium, Fluorit, Graphite. Hautfundorte sind China, Indien, Russland, Afrika (Kongo, Ruanda Süd-Afrika), Brasilien Mexiko, USA, Kanada. Die EU will vor allem mit der Afrikanischen Union und der WTO gegen Chinas Rohstoffkartell zusammenarbeiten. Die Initiative ist dringend notwendig. China und Indien kaufen die Märkte leer und sichern sich zunehmend langfristige Bezugsquellen. Deutschland richtet eine Rohstoffpartnerschaft mit Kasachstan ein. 2013 wird ein Rohstoffabkommen mit Chile abgeschlossen. Es geht vor allem um Kupfer (Chile hat 36% aller Kupferreserven), aber auch generell um Zusammenarbeit im Bergbau und die Nutzung mineralischer Rohstoffe. Deutschland hat auch ein Abkommen mit der Mongolei, die über viele seltene Erden verfügt. 2011 ist der Höhepunkt für deutsche Direktinvestitionen in der Mongolei. Der Verfall der Rohstoffpreise führt zu einer Investitionsflaute in der Mongolei. die Armut wächst.

Konflikt zwischen Rohstoffabbau und Natur: In vielen Ländern wird der Rohstoffabbau auf Kosten der Natur betrieben. Besonders krass zeigt sich dieses Problem in Afrika (z. B. Nigeria). Aber auch in großflächigen Ländern wie Russland, USA, Kanada und China nimmt man es oft mit der Pflege der Natur nicht so genau. In Deutschland ist z. B. die Eifel betroffen. Bergbauunternehmen wollen die einmaligen Vulkane zum Abbau von Basalt und Lava massiv nutzen. Bergbautechnisch wäre dies äußerst rentabel, aber viel zu schade.

Erdöl: Die größten Ölverbraucher sind 2010 die USA (850 Mio. Tonnen), China (429), Japan (429) und Indien (156). Die größten Ölreserven liegen in Mrd. Tonnen 2010 in Saudi-Arabien (36,3), Venezuela (30,4), Iran (18,9) und Irak (15,0). Diese Statistik ist nicht unbestritten. Einige sehen die größten Reserven in Venezuela. Die größten Ölförderländer sind 2010 in Mio. Tonnen Russland (505), Saudi-Arabien (468) und USA (339). Iran steht 2012 für ca. ein Fünftel der Erdölproduktion. 1,6% des deutschen Ölverbrauchs werden vom Iran gedeckt. 17 Mio. Barrel Rohöl passieren jeden Tag die Straße von Hormus. Die Ölvorräte in der Welt sind schwer einzuschätzen, weil immer neu Öl entdeckt wird. Brasilien entdeckt 2012 neues Öl. Venezuela entdeckt neue Reserven. Die linke Staatsführung ruiniert allerdings den wichtigsten Ölkonzern. Gerade der hohe Ölpreis lohnt das Fördern aus dem Meer oder aus unzugänglichem Gestein. Durch neue Förder-Techniken könnten die USA wieder zur führenden Energienation aufsteigen. Dazu gehören das Fördern von Schiefer-Öl und das Gas-to-Liquid-Verfahren bei Gas. Prognosen über die Erdölvorräte weichen stark voneinander ab: Die Internationale Energieagentur (IEA) ist eher optimistisch. Die Energy Watch Group (EWG) ist pessimistisch. Sie sieht das Fördermaximum für fossile Energieträger vor 2020 erreicht. Sie rechnet bis dahin mit einem Benzinpreis von 2,00 €. Im Jahre 2013 steigt China zum weltgrößten Ölimporteur auf. Täglich muss das Land 6,3 Mio. Fass (je 159 l) importieren. Das liegt auch darin, dass durch Fracking die USA zum größten Produzenten aufgestiegen sind. Beim Pro-Kopf-Verbrauch liegen die USA vorn, China ist der weltgrößte Konsument. 2013 beginnen Erkundungsbohrungen vor den Kanarischen Inseln. 2014 ist eine Zäsur bei Öl. Ab 2015 könnte sich das Wachstum der Ölnachfrage erstmals dauerhaft abschwächen (Prognose der Internationalen Energieagentur). Die Industrienationen verbrauchen immer weniger Öl (Anstieg der Energieeffizienz). In den Schwellenländern steigt die Nachfrage nicht mehr so schnell (die Metropolen explodieren und die Menschen fahren weniger; Öl zu finden und zu fördern wird immer aufwendiger). Das rapide Sinken des Ölpreises Ende 2014 und Anfang 2015 sendet völlig falsche Signale in der Energiewende und könnte fatale Verhaltens - Änderungen bewirken. Es kommt auch zu Marktbewegungen. Der Preisverfall trifft besonders Russland, Venezuela, Nigeria und Angola (sie verlieren auch langfristig Marktanteile). Die arabischen Länder mit ihren "üppigen Bargeldreserven" können die Krise aussitzen. In Europa ist Aberdeen das Zentrum von Europas Erdölindustrie. Der gesunkene Preis hat schon ganz Schottland in die Krise gestürzt. Betroffen ist auch Norwegen mit Stavanger (Statoil). Auch 2015 setzt die OPEC weiter darauf, die US-Schieferindustrie aus dem Markt zu drängen. Meist erhöht Saudi-Arabien die Fördermenge. Aber den Investoren wird immer mehr bewusst, dass fossile Energieträger riskant sind. Ende 2016 hat Obama noch Teile der Arktis und bestimmte Gebiete im Atlantik für künftige Öl- und Gasbohrungen gesperrt (Schutz der Ureinwohner). Trump versucht dies rückgängig zu machen. 2017 gibt es einen neue Ölschwemme, weil bei Erholung des Preises die Produzenten von Schieferöl zurückkommen. Die steigende US-Produktion drückt wieder den Öl-Preis. Frankreich stoppt 2017 die Förderung fossiler Energieträger (mehr symbolisch, nur 1% werden in Frankreich selbst gefördert). Die Energieagentur sieht Ende 2017 noch kein Ende vom Öl-Zeitalter. Sie prognostiziert, dass der Verbrauch noch jahrelang steigen wird. Ende 2018 sind die USA der größte Erdölproduzent der Welt (Fässer pro Tag, Anzahl der Ölbohrtürme). Danach folgen Russland, Saudi-Arabien, Irak, Kanada, Iran, China, Kuwait, Brasilien. Das Erdöl in Deutschland kommt 2020 hauptsächlich aus Russland, Großbritannien, Norwegen, OPEC-Kartell, USA. 2021 hält Hightech Einzug. Der Kostendruck ist hoch. Man arbeitet mit Amazon, Microsoft und anderen IT - Firmen zusammen. US-Präsident Biden genehmigt 2023 Ölförderungen in Alaska, obwohl er den Ausstieg aus der fossilen Energie versprach. Das Öl aus Russland, das weg bricht, muss  irgendwie aufgefangen werden. Doch dann im September 23 untersagt er teilweise wieder Bohrungen in Alaska. Er widerruft Lizenzen für Gas- und Ölbohrungen. Allein 2023 investieren die Öl- und Gaskonzerne 500 Mrd. $ in fossile Projekte. Die Welt wird wohl das Öl noch lange brauchen. Die Ölmultis verdienen auch am Klimaschutz mit.      "Der Rohölmarkt bewegt sich zwischen diesen beiden Extremen: der Weltrezession auf der einen Seite und der möglichen Ölknappheit auf der anderen Seite", Analysten von Goldman Sachs (nach Handelsblatt 6./7. 1. 2012, S. 9). Für 59 Tage reichen die Erdölvorräte, die Deutschland in unterirdischen Speichern lagert. Der neuseeländische Bergbauingenieur Frank Holmes entdeckte in den 1920er Jahren in der Wüste Arabiens Öl. Es gelingt ihm, die Scheichs zu überzeugen, dass sie auf einem Meer von Öl sitzen. 1938 fließt der wertvolle Rohstoff überall. Holmes wird Abu Naft genannt (Vater des Öls). Ende 2014 scheitert eine Umwelt-Kooperation zwischen Ecuador und Deutschland. Im Naturschutzpark "Yasuni" soll doch Erdöl gefördert werden. Zu Beginn 2015 verhindert die US-Regierung, dass in Alaska ungehindert Öl gefördert werden kann. Ein großer Tel von Alaska soll für die Erdölwirtschaft tabu sein (der Gouverneur ist dagegen). Allerdings gibt die Zentralregierung der USA im Mai 2015 Shell die Erlaubnis, vor Alaska nach Öl und Gas zu bohren (Arktis, unter Auflagen). Die BASF-Tochter Wintershall fördert seit 60 Jahren Öl bei Landau. 65 Pferdekopfpumpen von ursprünglich 200 sind noch in Betrieb. Ab 2015 sollen in den nächsten fünf Jahren noch 50 Mio. € in die Infrastruktur investiert werden. Im November 2015 lehnt Obama den Bau der Ölpipeline Keystone XL wegen Klimaschutzbedenken ab (von Alberta in Kanada nach Texas). Russland stoppt den Bau einer Öl-Pipeline durch die Türkei nach einem Flugzeugabschuss der Türken. Der Öl-Handel des "Islamischen Staates" rückt in den Mittelpunkt. Russland und die Türkei beschuldigen sich gegenseitig, in den Schmuggel verwickelt zu sein. 2016 gibt es eine Pleitewelle in der US-Ölindustrie. Günstige Kreditkonditionen und der hohe Ölpreis haben in den Boomjahren viele Firmen dazu verleitet, sich zu verschulden. Das rächt sich nun in Zeiten niedrigen Ölpreises. Die Ukraine versucht mit allen politischen Mittel den Bau der Nordtream2 (Ölpipeline von Russland über die Ostsee nach Deutschland) zu verhindern. Frankreich ist wohl auch dagegen. Die EU-Kommission soll eine Handhabe gegen das Projekt bekommen. Schließlich einigt man sich im Februar 2019 auf einen Kompromiss: Bau ist möglich mit strikten Kontrollen. Mit Genehmigung von Dänemark wird die letzte Hürde genommen. 2018 steigt Aldi-Süd in den Tankstellenmarkt ein.

Ölvorräte: 2018 sind die Ölvorräte, d. h. die weltweiten Reserven, größer als je zuvor. Prognosen von vor 50 Jahren, dass das Öl zur Jahrtausendwende ausgehen würde, waren falsch. Gründe dafür sind technologische Fortschritte: 1. Die konventionelle Bohrtechnik hat sich verfeinert. 2. Die Schieferöl-Revolution (Fracking) hatte neue Vorräte erschlossen. 3. Nachschub aus der Tiefe: Das Tiefsee-Vorkommen ist größer als gedacht (z. B. Libra-Feld vor der Küste Brasiliens). In Texas in den USA findet im März die alljährliche Ceraweek statt. Es ist das Spitzentreffen der Ölindustrie. Venezuelas Ölindustrie steht 2023 vor dem Kollaps. Man braucht Hilfe aus dem Ausland. Venezuela hat mit die größten Öl- und Gasreserven weltweit. Man schätzt, dass dei Reserven mit 303 Mrd. Barrel größer sind als in Saudi-Arabien (267), Iran (209), Irak (145), VAE (111). .

Erdölimporte: Die EU hat die höchsten Erdölimporte im Vergleich zu den anderen Blöcken USA und China (2017). Das liegt sowohl am Bedarf als auch an den mangelnden eigenen Vorkommen. An zweiter Stelle liegen die USA, dann kommt China. In der EU ist Russland der mit Abstand wichtigste Lieferant, gefolgt von Norwegen. Wichtigste Exportländer für die USA sind Kanada, Venezuela, Saudi-Arabien und Mexiko. China importiert das meiste Öl aus Saudi-Arabien, gefolgt von Angola, Iran und Russland. Die USA sind durch die Schieferölproduktion zum weltgrößten Öl-Produzenten aufgestiegen noch vor Saudi-Arabien (können drei Viertel rechnerisch selbst decken). China kann nur 28% seines Bedarfs selbst decken. Quellen: UN Comtrade, UN Comtrade Database, 2019 und BP Staistical Review of World Energy, 2019. 2020 rückt für Deutschland die USA auf Platz drei bei den Importen.(+76%). An erster Stelle steht Russland vor Großbritannien. Norwegen steht auf Platz vier (Quelle: Bafa).  Nach dem Ukraine-Angriff der Russen versucht man auf andere Länder umzusteigen (Saudi-Arabien, Venezuela). Der Iran fällt noch aus aufgrund der Sanktionen. Innerhalb kurzer Zeit kann die Deutschland die Abhängigkeit von 35% von russischem Öl auf 12% herunterfahren (ein Drittel Seeweg, zwei Drittel Pipeline "Druschba"). Ende des Jahres 2022 soll ein Importstopp greifen können. Nicht nur die EU, sondern auch andere Länder fahren ihre Ölimporte aus Russland zurück: China -11%, Türkei -38%. Andere Länder haben die Situation ausgenutzt und ihre Importe stark hochgefahren: Südkorea +55%, Indien +340%. Die G7 nehmen im September 2022 das Russen-Öl ins Visier. Sie wollen eine Preisobergrenze bei russischem Öl einführen. Man will dadurch die Möglichkeiten der Kriegsführung beschränken. Die EU plant den Ölpreisdeckel. Putin droht mit einem Lieferstopp. An der Ölpipeline Druschba, die durch Polen geht, wird ein Leck entdeckt.

Erdölexporte Russlands: Der Ukrainekrieg führt dazu, dass Russlands Erdölexporte fast gänzlich umgeleitet werden. Die Ausfuhren gehen jetzt vor allem nach China und Indien. 45 bis 50% der Erdölausfuhren werden nach China geliefert, 40% nach Indien. Im Januar 2024 exportiert Russland genau soviel Öl wie im Januar 2022 (8 Mio. Barrel pro Tag). Die Verteilung hat sich geändert: EU 0,4 Mio. Barrel pro Tag; China 3,2; Indien 1,5; Türkei 0,8; Sonstige 2,8. Mit den 200 Mrd. Dollar finanziert Russland seinen Krieg gegen die Ukraine. Der Westen nimmt seine Sanktionen nicht ernst genug. Vgl. Widmann, Marc: Erst das Tanken, dann die Moral, in: Die Zeit 10/ 29.2.24, S. 21.

Ölpreis-Schock und Ölfördermenge: 1973, 1979 und 1990 kam es zu Ölkrisen, weil der hohe Ölpreis die Weltwirtschaft nach unten zog. 2007und 2008 erreicht der Ölpreis ein Rekordniveau nach dem anderen, ohne dass die Weltwirtschaft bisher merklich darunter leiden muss. Dies wird heute mit einer anderen gesamtwirtschaftlichen Lage, mit anpassungsfähigeren Volkswirtschaften, der größeren Unabhängigkeit vom Öl und der höheren Energieeffizienz infolge des technischen Fortschritts erklärt. Die Frage ist, ob es nicht doch eine Schmerzgrenze gibt und wo diese liegt. Betrachtet man die Ölausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sind wir fast auf dem Niveau der früheren Ölkrisen. Dies dürfte auch 2008 zu einer längeren Phase niedrigerer Wachstumschancen führen. Die Ursachen des hohen Ölpreises sind die Knappheit des endlichen Rohstoffs, die Angebotsverknappung durch die OPEC, Spekulation, Krisen (Golfregion, Nigeria), steigende Nachfrage aus Asien und USA, mangelnde Raffineriekapazitäten (auch durch Schäden infolge des Klimawandels). Erdöl ist auf dem Weg zu einem Luxusgut. Wahrscheinlich steigt der Preis (gemessen bei den beiden führenden Sorten Brent und WTI) mittelfristig so hoch, dass andere Energieformen wirtschaftlicher werden (langfristig werden 250 $ pro Barrel gesehen, DIW). Saudi-Arabien, das Land mit der höchsten Produktion und den größten Reserven, versucht immer wieder, durch eine Erhöhung der Fördermenge den Trend nach oben zu brechen. Diese Strategie wird vom Ölkrisengipfel in Dschidda unterstützt (Juni 2008, 36 Staaten und 22 Ölkonzerne). Die zweit- und drittgrößten Ölvorräte haben Venezuela und Kanada. Neue Fördertechniken könnten allerdings dazu führen, dass die USA wieder größter Förderer wird (so die IEA im "World Energy Outlook" 2012). Dies würde eine Gezeitenwende bedeuten. Der weltweite Bedarf soll 2035 auf 99,7 Mio. Barrel pro Tag ansteigen (drastischer Anstieg in China und Indien). Die G8 wollen Ölproduktion und Lagerkapazitäten erhöhen und mehr alternative Energien. Die Weltwirtschaftskrise 2009 wird die Preisexplosion bei Erdöl und Erdgas nur verschieben. Schon Ende 2010 geht der Preis wieder über 90 $, die Bundesregierung führt den Öko-Sprit ein (Super E10). 2006 war das Jahr, in dem das meiste Öl gefördert wurde (Produktionsmaximum?). Vgl. dazu: James D. Hamilton (Prof. of Economics in San Diego, Ölmarkt-Experte). In den USA ist die Energieintensität relativ hoch (deutlich höher als in Europa). Deshalb schlagen dort Ölpreise stärker auf die Konjunktur durch. Weil die USA immer noch eine Lokomotive sein können, ist indirekt auch immer die EU betroffen. Auf dem G8-Gipfel im Mai 2012 wird eine Freigabe der strategischen Ölreserven zur Preisstabilität abgelehnt. Der erste Ölpreisschock war vor 40 Jahren (von 2013 aus). Heute verlaufen Wachstum und Energieverbrauch nicht mehr parallel. Ende 2014 wirkt der kräftig fallende Erdölpreis sogar wie ein Konjunkturprogramm für die deutsche Wirtschaft (man spricht von einer Entlastung von 35 Mrd. Euro). Der Preis ist auf dem niedrigsten Stand seit 4 Jahren (73 $). Die Opec lässt die Fördermenge unverändert. Viele Förderländer haben in ihren Staatshaushalten mit Ölmindestpreisen kalkuliert (Iran 140 $, Venezuela 121$, Nigeria 119$, Russland 100$). Viele kommen daher mittlerweile ins straucheln. Ca. 150 Milliarden Dollar an Investitionen im Energiesektor stehen wegen des gefallenen Ölpreises auf der Kippe. Für Unternehmen spielt Rohöl nicht mehr die gleiche große Rolle wie früher (effizienter, regenerative Energien).  "Der Benzinpreis ist der Brotpreis der Nation", Axel Graf Bülow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Freier Tankstellen. Zunehmend kommt Kritik daran auf, dass das Öl in Dollar gehandelt wird. Russland, der zweitgrößte Exporteur, möchte in Rubel handeln und seine eigene Währung als Zahlungsmittel fördern. Auch die Rohöl-Benchmarks (WTI-West Texas Intermediate, Brent) werden in Frage gestellt. 2011 stellt das Kartellamt ein Oligopol bei den Tankstellenketten fest (fünf große Konzerne diktieren die Spritpreise über dem Marktpreis). Grundsätzlich setzt sich der Benzinpreis aus dem Produkteinstandspreis (internationale Ölmärkte), den Deckungskosten (Transport, Lagerhaltung, Verwaltung), und den Steuern (Energiesteuer, Mehrwertsteuer) zusammen. 2012 will die Bundesregierung einen Markttransparenzstelle für den Ölpreis einrichten. Diese kommt 2014 und bewährt sich auch. Gegenüber Sommer 2014 hat sich der Ölpreis im Sommer 2016 halbiert. Auf dem G20-Gipfel in Hangzhou/ China vereinbaren Russland und Saudi-Arabien, den Ölmarkt zu stabilisieren. Nach Einschätzung der IEA wird die Ölschwemme dazu führen, dass der Preis bis Mitte 2017 niedrig bleibt. Ende September 2016 einigen sich die Mitgliedsstaaten der OPEC auf eine Senkung der Ölfördermenge. Der Ölpreis steigt daraufhin deutlich an. Mitte Oktober 2016 wird eine Jahreshöchststand des Preises erreicht (Aussagen Russlands). Experten rechnen ab Mitte 2017 mit starken Anstiegen. So kommt es aber nicht: Spekulation und anhaltende Ölschwemme führen zu einem Sieben-Monats-Tief. Der Ölpreis wird immer weniger von der Opec bestimmt. Die Ölindustrie der USA ist extrem flexibel. Ende 2017 und 2018 steigt der Preis wieder (auf fast 70 Dollar; Opec, Weltkonjunktur). Das ist der höchste Stand seit drei Jahren. Dadurch steigt auch wieder die Fördermenge an. Die US-Sanktionen gegen den Iran dürften wenig Auswirkungen auf den Preis haben. Hauptabnehmer sind die Türkei, China und Indien, die bei den Sanktionen nicht mitmachen. Dies garantiert ein Überleben der iranischen Ölindustrie. Im November 2018 fällt der Ölpreis erstmals seit Monaten wieder unter 70 Dollar pro Barrel. In der Folge zeigt sich der Ölmarkt sehr nervös. Der Preis geht auf und ab. Dann geht er nur noch nach oben. Die Opec erhöht die Fördermenge. Experten sehen das Ende des Ölzeitalters am Horizont. 2022 könnte sich der Preis wieder normalisieren (60-70 $). Der Ukraine-Krieg scheint für eine längere Knappheit zu sorgen. Im April 2023 senkt die OPEC die Fördermenge. Sofort kommt es zu einem deutlichen Anstieg des Ölpreises. Tanken dürfte teurer werden. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 könnte ein neuer Ölpreisschock drohen. Die Preise steigen. Die Entwicklung hängt von zwei Faktoren ab: 1. Iran. 2. Förderkürzungen. Dann greift der Iran Israel an im April 24: Der Spritpreis erreicht ein Rekordhoch (fast 1,90€, gestiegener Rohölpreis, schwacher Euro). Danach fällt der Preis wieder kontinuierlich. Erst im juni 24 geht er wieder nach oben.  "Öl muss teurer werden, damit wir Öl sparen und andere Energieträger attraktiver werden", Thomas Straubhaar, HWWI. Vgl. zu den Quellen: IEA, EIA, BGR, Worldbank. Der niedrige Ölpreis 2015 und 2016 führt dazu, dass weltweit die Lager gefüllt werden (Überversorgung). Alle bunkern Öl. Deutschland könnte 90 Tage ohne Ölimporte auskommen. Weltweit dürften 3,0 Milliarden Barrel gelagert sein.

Krisen und Öl sowie Preis: Theoretisch bestimmen zwei Modelle die Diskussion um die Preisentwicklung langfristig: Erstens das Modell von Hotelling (1931; vgl. zum Modell weiter oben bei Theorie). Kernelemente sind heute auch die Rolle der "Back-Stop-Technik" (beschleunigt Abbau) und der Hartwich-Konsumpfad (1977, vollständige Substitution der Ressourcenanlagen durch reproduzierbares Kapital). Insgesamt ist der Ansatz eher positiv optimistisch. Zweitens die Hypothese von Hubbert (1903-1989). Diese ist eher pessimistisch (seine Vorhersage: 1995 Ölfördermaximum, "peak oil"). Praktisch dominieren kurz- und mittelfristig krisenhafte Entwicklungen in der Welt: Krisen in einzelnen Regionen in der Welt beeinflussen immer wieder den Erdölpreis. Die Unruhen in Libyen 2011 sind ein Beispiel. Mehr als 85% der libyschen Ölexporte gehen nach Europa, das meiste nach Italien. In Libyen ist auch die BASF-Tochter Wintershall tätig. Algerien, Nachbarstaat von Libyen, gilt auch nicht als besonders stabil. Viele Staaten mit den höchsten Erdölvorkommen sind nicht besonders stabil (Venezuela, Russland, Mexiko, Kasachstan, Iran, Irak). Die arabische Revolution treibt den Ölpreis gegen 120$ und weiter gegen den Höchstpreis von 2008. Die Weltbank geht davon aus, dass dies besonders die Ölimportierenden Industrieländer trifft (Wachstumsverlust von 0,2 - 0,4 Prozentpunkte). Saudi-Arabien sorgt immer wieder für eine Stabilisierung. Der Ölpreis hat mittlerweile einen großen Einfluss auf den privaten Verbrauch in den Industrieländern. Er kann wie ein "Konsumkiller" wirken. Ökonomisch hat der Ölpreis einige interessante Aspekte: Warum hat der Rohölpreis einen immer geringeren Einfluss? Welche Rolle kann Biosprit spielen? Was ist mit dem Preis, wenn in den meisten Förderländern Demokratie herrscht? Beim Öl spielt auch der Handel eine große Rolle. Die größten unabhängigen Ölhändler der Welt sind Vitol, Glencore, Trafiga, Gunvor und Mercuria. Sie haben ihren Sitz alle in der Schweiz, bevorzugt in Zug. Umstritten ist die Umweltschädlichkeit der Ölgewinnung. Zunehmend muss Öl aus Sand gewaschen werden. Besonders problematisch ist diese Methode in Kanada. Die EU will dies in einer Kraftstoffrichtlinie berücksichtigen, Kanada will bei der WTO klagen. Im Herbst 2014 geht der Ölpreis in den Keller. Viele vermuten ein Komplott von USA und Saudi-Arabien gegen Russland. Oder es handelt sich um einen Angriff gegen Fracking (ab 75$ unrentabel). Einige Förderländer leiden jetzt unter den niedrigen Preisen, besonders Venezuela, Iran und Russland. Russland und Venezuela geraten immer mehr unter Druck. Profitieren können Saudi-Arabien und die USA. Im Dezember 2014 sinkt der Preis unter 70 Dollar und damit auf ein Fünfjahrestief (zu Beginn 2015 sogar unter 50 $). Der IWF schätzt, dass der Einbruch des Ölpreises um 30% zu einem Wirtschaftswachstum in den Industrieländern von 0,8% führt. (über Verbraucher und sinkende Kosten für die Produktion) Mittelfristig wird der Ölpreis nicht weiter sinken. Die Angebotsseite muss wegen der Kosten reagieren und die Fördermenge senken. Der niedrige Ölpreis könnte aber eine Gefahr für das Weltklima und die Stabilität der Finanzmärkte darstellen. Außerdem könnte mittel- und langfristig ein Schweinezyklus drohen. Sinkende Preise sorgen für zurückgehende Investitionen, die zu geringerer Produktion führen. Zu Beginn 2015 bewegt sich der Preis fast bis auf 50 Dollar pro Fass (Brent) und geht sogar unter die 50-Dollar-Marke. Dann steigt die Unruhe am Rohölmarkt wieder - ebenso wie das Überangebot. Die Opec kann sich nicht zur Produktionskürzung einigen (Saudi-Arabien dominiert) und die Nachfrage steigt nicht stark (Weltkonjunktur). In der Folge steigt der Preis kontinuierlich bevor er Anfang Juli wieder fällt (Überangebot, auch durch Opec). Anfang August 2015 fällt der Preis sogar wieder unter 50 $. Die Weltbank rechnet mit einem weiteren Sinken des Ölpreises (Überangebot nach Atomabkommen mit Iran). Negative Folgen des niedrigen Ölpreises ist eine größere Abhängigkeit vom Nahen Osten, der besonders billig fördern kann. Die Opec ändert Ende 2015 nicht ihre Förderpolitik. Der Ölpreis schwächelt weiter. Ende 2015 kostet ein Barrel Rohöl (37,09 Dollar) nur noch ein Drittel vom Preis im Frühjahr 2014. Die großen Leidtragenden sind die Ölförderländer (Russland, Nigeria, Venezuela, Saudi-Arabien). Profiteure sind die Staaten mit hohen Ölimporten (China, Indien, Japan). Goldman Sachs erwartet für 2016 sogar noch 20 Dollar pro Barrel. Andere Experten rechnen wieder mit einem Anstieg. 2016 rutsch der Preis unter 30$ pro Barrel (Aufhebung der Iran-Sanktionen). Er fällt sogar unter 28$ (Elfjahrestief). Der Verfall der Öl- und Gaspreise ist normalerweise ein Segen für Unternehmen und Verbraucher (Konjunkturprogramm). 2016 schlägt die Stimmung aber um: Ölförderer und Börsen sehen die Nachteile (viele Länder stehen am Abgrund). Die OPEC scheitert im April 2016 mit einer Reduzierung der Fördermenge, um den Preis anzuheben (Iran will nicht). Danach bricht der Ölpreis ein. Spekulationen über ein Ende der Überproduktion lassen den Preis ab Ende April 2016 ansteigen. Ende Mai 2016 geht er wieder über 50 $ (knappere Angebot in den USA, Schieferölproduzenten drosseln). Anfang 2017 erreicht der Ölpreis den höchsten Wert seit eineinhalb Jahren (58, 37$ je Barrel; OPEC-Fördermengenreduzierung). Mitte 2017 sinkt er erheblich, sogar vor der Urlaubszeit. Die Fracking - Methoden der USA sind dafür verantwortlich. Im April 2018 steigt der Preis stark an (über 70 Dollar). Grund sind die internationalen Spannungen. Er steigt sogar auf den höchsten Stand seit 2014 (ca. 75 $). Auch der Beninpreis. Der Preis geht im Mai weiter nach oben (Angebotsengpass, Iran). Der Brent-Ölpreis steigt über 80 Dollar pro Fass. Mitte 2018 schlagen die Risiken am Ölmarkt auf die Preise durch (Iran-Sanktionen, Chaos in Venezuela). Saudi-Arabien erklärt offiziell im September 2018, den Ölpreis stabil halten zu wollen (70-80 Dollar, bis US-Kongresswahlen). Die Benzinpreise steigen trotzdem in Deutschland stark an. Das hängt mit dem Wasserstand des Rheins zusammen. Durch die Trockenheit hat sich der Transport stark verteuert. Die Bundesregierung gibt den Zugriff auf die Erdöl-Reserven erstmals frei. Der Ölpreis sinkt Ende 2018 weiter  (61 Dollar), der Spritpreis bleibt wegen der Transportprobleme hoch. Der Jahresdurchschnittspreis 2018 lag bei 70 $. Im März 2019 geht der Preis wieder nach oben (67,14 1. März 2019). Im April 2019 geht der Preis weiter stark nach oben: die USA verschärfen die Sanktionen gegen den Iran (Ausweitung auf alle Öl-Käuferländer wie China, Indien, Japan, Italien; über 80$ pro Barrel). Der Erdölpreis war immer starken Schwankungen unterworfen. Schon zu Beginn der Statistik 1861 lag der Preis bei 120$ pro Barrel wie zuletzt wieder 2017. Als im Juni 2019 zwei Tanker im Golf von Oman in Brand geschossen werden, steigt der Ölpreis sofort an. Das gleiche nach dem Drohnen-Anschlag auf saudi-arabische Raffinerien im September 2019. Das könnte sich zu einem Ölpreis-Schock auswachsen. Der Ölpreis geht im Januar 2020 wieder stark nach oben (Nahost-Krise, Tötung von General Soleimani). Anfang bis Mitte März kommt es zu einem Ölpreis-Einbruch. Es geht los mit der Corona-Krise und Produktionsrückgängen. Hinzu kommt ein Preiskampf zwischen Saudi-Arabien und Russland. Am 16.3. tiefster Stand seit vier Jahren. Man munkelt auch, dass Putin die US - Fracking - Industrie treffen will (Revanche für Nord-Stream 2). Am 06.04.20 erreicht der Ölpreis (Barrel, Sorte WTI) einen neuen Tiefststand: 26,4 US-Dollar (Corona-Krise; Russland gegen OPEC, die sich auf eine Reduzierung der Menge einigt, -10%, Mexiko Sonder-Regel). Doch der Ölpreis fällt weiter. Er wird am 21.04. sogar negativ (Lagerungskosten, Termingeschäfte). Auch der Heizölpreis stellt einen Negativrekord auf. Der Ölpreis wird wahrscheinlich auch niedrig bleiben (Nachfrage ist eingebrochen wegen Corona, starke Produktionssenkung). Es gibt aber auch Händler, die in Future -Verträgen auf höhere Preis setzen (30 bis 400 $ Ende des Jahres). Ein leichter Anstieg der Preise kommt auch (Lagerbestände gesunken, Sprungfedereffekt, Förderkürzungen der Opec).  Die Interessen Russlands und Saudi-Arabiens stehen sich oft gegenüber. In der Corona-Pandemie 2020 geht die Ölnachfrage stark zurück. Experten gehen davon aus, dass die Nachfrage nicht mehr deutlich anzieht, mittelfristig sogar zurück geht. 2022 wird die Nachfrage nach Öl auf 47,0 Mio. Barrel pro Tag geschätzt (2019: 47,9 Mio. Barrel pro Tag). Die Schätzung für 2025 lautet: 46,8 Mio. Barrel pro Tag. Dann dürften auch die Preise weiter fallen. Die positive Stimmung an den Börsen Ende 2020 lässt die Preise wieder leicht ansteigen. Der Preisanstieg setzt sich Anfang 2021 fort: Saudi-Arabien und die USA senken die Fördermenge. In Deutschland kommt die CO2-Abgabe dazu. Die Nachfrage steigt wieder. Es gibt den höchsten Anstieg der Benzinpreise seit 27 Jahren. Benzin verteuert sich 2021 um fast ein Viertel: Corona-Krise, Ölscheichs und der deutsche Staat. Mitte Juni liegt der Preis je Barrel Brentöl bei 72,69 US-$. Ende Oktober 21 klettert der Preis weiter auf rund 86 $. Gründe: 1. Schrumpfen der Lagerbestände. 2. Substitutionseffekt, weil Gas so teuer geworden ist. 3. Probleme bei der Infrastruktur (marode Förderanlagen). China schafft durch eine Auflösung seiner Vorräte eine kurze Entlastung (das Auffüllen der Lager dürfte den Preis wieder nach oben treiben). Die OPEC will die Fördermenge erhöhen (allerdings in zu geringem Ausmaß). In einer koordinierten Aktion zapfen die USA, China, Indien und weitere Länder im November 21 ihre Reserven an. Sofort fallen die Preise. EZB-Präsidentin vermutet, dass das Fallen des Ölpreise 2020 die Inflation drücken kann. Anfang Dezember 21 erhöht die Opec die Produktion, obwohl die Preise fallen. Am 18. Januar steigt der Ölpreis auf den höchsten Stand seit sieben Jahren: 88 $ je Barrel Brent. Bei der Kriegsangst um die Ukraine liegt der Preis sogar über 90 US-$ (95$). Beim Einmarsch der russischen Armee steigt der Preis sogar über 100 $. Er sinkt dann wieder darunter, bleibt aber hoch. Der Benzinpreis kennt nur noch den Weg hoch. Am 7.3.22 überspringt er die 2 - € - Marke. Er löst sich vom Rohölpreis. Preiserwartungen dominieren. Im Juli 2022 geht der Ölpreis wieder abwärts. Hauptgrund sind weltweite Rezessionsängste. Ab August 2022 leitet Russland kein Öl mehr durch die Ukraine (südlicher Strang der Druschba-Pipeline, von den Lieferausfällen sind Ungarn, die Slowakei und Tschechien betroffen).  Ende November 22 fällt der Ölpreis. Der Preis für Rohöl errecht den tiefsten Stand seit Januar (73$, WTI). Die EU deckelt den Preis für russisches Öl Ende November 22 auf 60 Dollar. Mitgetragen wird der Preisdeckel auch von den USA, Kanada, GB, Japan und Australien. Die Opec erhöht nicht ihre Fördermenge. Die Märkte reagieren nervös. Dei Ölpreise werden angeschoben und steigen. Das EU-Embargo gegen russische Raffinerieprodukte sorgt für neue Unruhe am Rohstoffmarkt. Darum könnte der Ölpreis bald wieder die 100-Dollar-Marke knacken. Im Februar 2023 drosselt Russland seine Ölproduktion (Preisdeckel der EU). Schon die Ankündigung sorgt für einen Anstieg des Rohölpreises auf dem Weltmarkt. Im Dezember 23 steigt der Preis, weil die Huthis aus dem Jemen Attacken gegen die Schifffahrt im Roten Meer ausüben. 2024 attackiert die Ukraine die russische Ölindustrie aus der Ferne. Es gibt immer mehr Drohnenangriffe. Das passt sogar Biden nicht. ein Anstieg des Ölpreises kann er im Wahljahr nicht brauchen.  "Der Bedarf an Energie wird weltweit kräftig steigen. Das schließt auch die Tiefseeförderung ein - und die künftige Förderung in der Arktis", Bob Dudley, BP-Chef. Im weltweit einzigartigen Yasuni-Nationalpark in Ecuador wollen Konzerne nach Öl bohren. Der Rettungsplan der UN ist umstritten. Die Staaten der Golfregion leben fast alle vom Öl. Seit der Ölpreis drastisch gefallen ist, bröckeln die Einnahmen. Die Staaten müssen ihr Geschäftsmodell ändern. Politisch ist der Nahe Osten ein Pulverfass. Zwei Golfstaaten streiten im Moment um die Vorherrschaft: Iran und Saudi-Arabien (das ist auch ein Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten). Ein Staat des Ausgleichs ist Oman. Der drastische Rückgang der Ölpreise 2016 bedroht eine BASF-Milliarden-Investition in den USA (Freeport, Texas). Die Verwertung von durch Fracking gewonnenes Schiefergas ist gegenüber Öl nicht mehr rentabel. Die Tankstellen in Deutschland heben ihre Preise im Schnitt viermal in 24 Stunden an. Es gibt 2018 Schwankungen von mehr als 30 Cent pro Liter am gleichen Tag in der gleichen Stadt. Nach Ende des Tankrabatts kommt ein kräftiger Anstieg der Preise an den Zapfsäulen.

OPEC: Organisation Erdöl exportierender Länder. Es handelt sich um ein Kartell von zwölf Mitgliedsländern. 10 weitere Staaten kooperieren. Die Opec wurde 1960 in Bagdad von Saudi-Arabien, Iran, Irak, Kuwait und Venezuela gegründet. Sitz ist seit 1965 Wien. Ziel ist es, durch staatliche Kontrolle der Ölquellen und durch Förderabsprachen Gewinne zu sichern. 2014 fördert die Opec noch ein Drittel des weltweiten Erdöls und besitzt drei Viertel der Reserven. Ende 2014 scheitert eine Reduzierung der Fördermenge an Saudi-Arabien. 2018 wird dei Fördermenge wieder erhöht, um den Ölpreis zu senken. Ab Juli 2018 soll die Fördermenge um eine Million Barrel (1% der Nachfrage) erhöht werden (Treffen in Wien). Im Juli 2019 wird das Förderlimit um 9 Monate verlängert. Die Opec wird von Saudi-Arabien und Russland dominiert. Ab 2020 dürfte die Ölnachfrage zurückgehen: 1. Maue Konjunktur durch Corona. 2. Deglobalisierung und erneuerbare Energien. 3. Ölnachfrage weniger preissensibel. Ende 2020 sollen die Fördermengen für das Jahr 2021 festgelegt werden. Die Fliehkräfte werden immer größer. Die Opec könnte auseinander brechen. die Wahl von Biden könnte auch den Iran zurückkehren lassen. Dann droht ein neuer Preiskrieg. Eine Einigung Anfang Dezember 20 lässt allerdings erst mal den Ölpreis wieder steigen. Durch den Ukraine-Krieg 2022 explodieren dei Ölpreise. Die Opec schweigt. Die Fördermenge wird kaum erhöht. Das liegt nicht nur an Russland (aber auch), sondern an maroden Anlagen, Fracking - Problemen in den USA und dem Geldhunger der Produzenten. Vgl. Losse, Bert: Das Schweigen der Opec, in: WiWo Nr. 12/ 18.3.22, S. 40f. Im September 2022 drosselt die Opec die Ölförderung. Sie reagiert auf getrübte Konjunkturaussichten. Im Oktober stellt sich Saudi-Arabien gegen die USA und nähert sich Russland an. Das hält den Ölpreis hoch. 2023 stabilisiert sich die Opec. Bleibt eine Rezession in den USA und Europa aus, könnten sie in der zweiten Jahreshälfte den Preis nach oben treiben. Die US - Fracking -Industrie schwächelt. Vgl. WiWo 23/ 2.5.23, S. 26f. Im September 2023 verringert dei OPEC die Fördermenge. sofort geht der Preis hoch. 2025 könnte die Unruhe an den Rohstoffmärkten zunehmen. Das Kartell Opec bangt um Marktanteile und will mehr Öl fördern. Vgl. WiWo 41/ 4.10.24, S. 39.  Ende 2014 ist der Ölpreis im Keller (Überangebot von 30%). Eigentlich müsste die Fördermenge reduziert werden. Saudi-Arabien stößt mit deiner Preispolitik die ärmeren Mitgliedsländer vor den Kopf. Das Ölkartell steht 2015 vor der Zerreißprobe. Dies setzt sich 2016 fort. Ende 2018 verlässt Katar die Opec. Im Juli 2021 kann sich die Opec nicht auf eine neue Strategie einigen. Am 18.7.21 einigt man sich dann doch auf eine höhere Ölproduktion. Die Erholung der Weltkonjunktur macht dies möglich.

Nicht - Opec - Ölförderländer: Russland, Mexiko, Kasachstan, Oman, Aserbaidschan, Malaysia, Südsudan, Brunei, Sudan, Bahrain.

Erdölunternehmen: Die vier größten Erdölunternehmen der Welt von der Produktion her sind staatliche Unternehmen: Saudi Aramco (Saudi.Arabien), Nioc (Iran), Petroleas Mexicanos (Mexiko) und INOC (Irak). Dann folgen Exxon und BP. Dann kommen wieder staatliche Unternehmen: Petrochina (VRChina), ADNOC (Abu Dhabi), KPC (Kuwait) und PdVSA (Venezuela). 2020 gibt es eine neue Reihenfolge: Es führen jetzt die beiden chinesischen Unternehmen: Sinopec, PetroChina. Dann kommen Royal Dutch Shell/ GB und Saudi-Aramco( Saudi-Arabien. Dann folgen: BP/ GB, Exxon/ USA, Total/ Frankreich, Chevron/ USA,  Gazprom/ Russland, Petrobas/ Brasilien. Im ersten Quartal 2022 explodieren die Gewinne der Öl-Konzerne wegen des Ukraine-Kriegs. Auch die Investitionen steigen sprunghaft an (Shell vor Exxon). 2022 verdienen die Unternehmen durch den hohen Ölpreis. Die gewinne sind sehr hoch.

Statoil: Auf der Suche nach Öl und Gas will der norwegische Energiekonzern ganze Förderanlagen auf dem arktischen Meeresgrund verankern. Die Fabrik aus dem Meeresgrund besteht aus Bohrlöchern, einem Separator (Trennung von Öl und Gas), einem Kompressor, einem Wartungsroboter (Crawler) und einem Versorgungskabel (Umbilical). Technisch ist die Konzeption faszinierend. Sind die ökologischen Risiken zu kontrollieren?

Havarie von Öltankern: Öltanker stellen schon seit langem eine Bedrohung dar. Sie fahren oft als Rostlaube noch. 2023 droht ein Öltanker im Roten Meer zu explodieren. Die Folgen könnten wieder eine Umweltkatastrophe auslösen. Dann wird damit begonnen die vor der Jemens Küste liegende "SFO Saver" leer zupumpen. Die Risiken sind groß.

Biodiesel: Nach Beginn des Ukrainekrieges sind die Importe an Biodiesel nach Deutschland stark angestiegen. Hauptlieferant ist China. 2023 klagen Deutsche Behörden. Die Chinesen sollen Biodiesel mit verbotenem Palmöl gepanscht haben. Das Zertifizierungssystem müsste verbessert werden.

Natürliche Gasvorkommen in der Welt (Reserven): Es führt Russland (47,8 Billionen Kubikmeter), vor iran (33,7), Katar (24,1), USA 15,5), Saudi-Arabien (9,2), Turkmenistan (7,5), VAE (6,1). Quellen: Wiwo 6/ 4.2.22, S. 50; US Energy Information Administration.

Erdgas: Die EU bezieht ihre Erdgaslieferungen aus Norwegen und vor allem aus Russland. Auch die Niederlande liefern. In Groningen ist das größte Gasfeld in Europa. Gas holt man auch aus der Nordsee. Die russische Pipeline führt durch die Ukraine, was immer wieder zu Problemen führt. Mittlerweile ist die Nord Stream über die Ostsee fertig. Mehr Unabhängigkeit für Europa soll die Nabucco-Pipeline bringen, die 520 km von Aserbaidschan über Griechenland und Albanien nach Süditalien führen soll Tanap; TAP). Eine Southstream ist durch das Schwarze Meer bis Wien geplant. Bisher wird in Deutschland Erdgas (konventionelles) vor allem in Niedersachsen gefördert. Riesige Vorkommen an unkonventionellem Erdgas ( Blasen, Kohleflözen, Schiefer) werden in NRW vermutet. Weltweit wird immer mehr unkonventionell gebohrt. Dies bringt auch große Risiken mit sich. Die weltweit höchsten Erdgasreserven liegen in Nordafrika/ Naher Osten (am größten in Iran und Katar). Die Vorräte insgesamt sollen ab 2011 nach Schätzungen noch 63 Jahre reichen. Unkonventionell (Förderung auch in Tonstein, Sandstein und Kohleflözen) sind die Vorräte 1720 Billionen (Bio.) Kubikmeter (K.); konventionell 250 Bio. K.. Die größten Vorkommen liegen in Asien/Australien. Dann folgen Nordamerika und die GUS-Staaten vor Lateinamerika. Relativ hohe Vorkommen gibt es auch im Hoheitsgebiet von Zypern im Mittelmeer. In den USA wird zunehmend Gas aus so genannten "unkonventionellen Lagerstätten" (Schiefer und Kohleflöze) gefördert (Fracking). Gegenwärtig fördern sie Erdgas im Überfluss (die Exporte steigen stark an; Russland und die arabischen Länder befürchten einen Preisverfall). Dies führt zu einem Preissturz bei Erdgas. Auch in Deutschland gibt es riesige Vorkommen in Schieferschichten. Teile werden schon mit Fracking gefördert (hauptsächlich in Niedersachsen). Die Bundesländer sind allerdings in ihrer Mehrheit gegen diese Technik. Die Bundesregierung will Fracking in Schutzgebieten verbieten (sonst Umweltverträglichkeitsprüfung, Einsatz der Chemikalien umstritten). Die EU will Fracking grundsätzlich ermöglichen (Beschluss des EU-Parlaments). In Indien wird die Guar-Bohne gezüchtet, die bei der Gasgewinnung mit dem Fracking-Verfahren hilft. Es gibt insgesamt verschiedene Quellen für Erdgas: Konventionelles Gas aus Feldern oberhalb von Ölquellen, Schiefergas (USA vor Argentinien und Mexiko), Flüssigerdgas (auf minus 161 Grad gekühlt). Im östliche Mittelmeer vermuten Experten viel mehr Erdgas als man bislang dachte. Südlich von Zypern liegen zwei große unerschlossene Gasfelder (Aphrodite, Leviathan). Vor dem Libanon liegt ein umstrittenes Gebiet.  Besonders wichtig ist, dass mit Erdgas am meisten für den Klimaschutz getan werden kann. Dadurch können die CO2-Emissionen wirkungsvoller gesenkt werden als mittelfristig mit alternativen Energien (die CO2-Emissionen in den USA sind aus diesem Grunde 2012 auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren gesunken). Speziell in Deutschland steigen allerdings die Gaspreise weiter (trotz der weltweiten Gasschwemme durch Fracking und schlechterer Konjunktur). Der kurzfristige Handel an Börsen scheint mittlerweile die Langfristbindung an das Öl zu überdecken. Der Europäische Gas-Mix in der EU 2012 sieht wie folgt aus: Eigenproduktion 33%, Russland 23%, Norwegen 22%, Algerien 9%, Katar 6%, Rest der Welt 7%. Gas wird im Gegensatz zu Öl nicht für Krisenfälle gebunkert. Es gibt in Deutschland relativ wenige Gasspeicher (die größten sind mit Rehden und Etzel in Niedersachsen). Nach der Krim-Krise wollen sich die 28 EU-Staaten unabhängig von Russland machen (Plan im Juni 2014). 2014 hat Gazprom Wingas zu 100% übernommen (vorher gemeinsam mit BASF). An Gazprom ist Ruhrgas beteiligt. Seit 2006 sind Eon und Wintershall an den Erdgasfeldern von Juschno Russkoje in Sibirien beteiligt. 2014 verteilt sich die Erdgasversorgung in Deutschland wie folgt: Russland 35,4%; Norwegen 26,9%; Niederlands 23,9%; Deutschland 8,5%; Sonstige 5,3%. Ende September 2014 droht Russland der EU mit Lieferunterbrechung, wenn der Westen russisches Gas an die Ukraine verkauft. Norwegen stellt höhere Gasexporte in Aussicht. Das Transitland Ukraine ist für die Versorgung Südeuropas von großer Bedeutung. Über Griechenland will Russland eine neue Pipeline bauen (Vertrag 2015). Der australische Finanzinvestor Macquarie hilft der Stadt Leipzig, den größten ostdeutschen Konzern zu kaufen (VNG). Im östlichen Mittelmeer gibt es mittlerweile große Erdgasfelder, die von Israel ausgebeutet werden. Eine geplante Pipeline soll das Gas über Zypern und Griechenland nach Europa bringen. Preisbildung beim Gas: Früher entwickelte sich der Gaspreis parallel zum Ölpreis. Heute ist die Wechselwirkung komplizierter. Die Handelsströme sind stabil. Der Transport erfolgt über Pipelines oder Flüssiggas. Leitungen sind sehr teuer. So ist Flüssiggas in Japan doppelt so teuer wie in Europa. Seit 2005 werden immer größere Anteile auf Spot-Märkten angeboten (z. B. belgische Zeebrügge). Allerdings gibt es viele alte Lieferverträge in Europa, die einen gewissen Schutz bieten. Gerade die russische Erdgasindustrie muss liefern, weil Zukunftsprojekte mit China und Japan schwer finanzierbar sind. Die Stadtwerke geben in Deutschland meist Preissenkungen nicht weiter. Die Sanktionen 2017 der USA gegen Russland betreffen auch Erdgaslieferungen. Europäische Unternehmen, die Erdgas beziehen oder fördern in Russland, werden bestraft. Das könnte zu einem Handelskrieg führen. Besonders betroffen ist die BASF. Ende 2018 steigt der Gaspreis weiter an. Grund sind höhere Beschaffungskosten. Die USA sprechen 2019 bei Flüssiggas, das durch Fracking gewonnen wird, von "Freedom Gas" (Freiheitsgas). So bemäntelt die Trump - Regierung durch Begriffsveränderungen zunehmend ihre eigentlichen Interessen. Deutschland betreibt riesige Speicher. 615 sind in Kavernenspeichern, 39% in Porenspeicher (23,8 Mrd. Kubikmeter 2021). 95% des Gases werden importiert. Der Gaspreis ist 2021 stark angestiegen. Er steigt weiter an. 50 Gasversorger erhöhen die Preise, zuletzt um 11,5%. Hauptgrund ist das durch die Pandemie niedrige Niveau von 2020. Zweiter Grund ist der neue CO2-Preis. Besonders hoch ist der Anstieg in GB. Auch der geringe Füllstand der Läger spielt eine Rolle, genauso wie die Strategie von Gazprom. Gazprom scheint die Knappheit in den Speichern der EU nutzen zu wollen. Die Staatschefs der EU wollen die steigenden Preise auf einem Gipfel beraten. Frankreich will die Preise deckeln. Putin dreht im November 2021 den Gashahn auf. Gazprom soll die Lieferungen deutlich hochfahren. Katar und die USA arbeiten an einem Notfallplan für Europa, falls das russische Gas nach einem Ukraine Krieg ausbleibt. Der größte Gaslieferant, Uniper, spricht davon, dass Russland seine Verträge erfüllt. Die Bundesregierung will mehr Kontrolle  über deutsche Gasvorräte. Ende Januar 22 fallen die Gasvorräte unter die kritische Grenze (40% Grenze, Stand 37%). Die EU fürchtet Ende März ein Ende der Gaslieferungen aus Russland, weil sie nicht - wie gefordert - in Rubel zahlen will. Putin sichert Scholz zu, dass erst Experten beraten müssen. Deutschland kann über die Gazprom - Bank in Euro zahlen. Wirtschaftsminister Habeck ruft die Frühwarnstufe des Alarmsystems bei Gas aus. Damit wird ein Krisenstab eingesetzt, der den Gasmarkt beobachtet. Bei der nächsten Stufe 2 würden Versorgungseinsparungen bekannt gegeben. Gazprom reduziert im Juni 2022 die Gaslieferungen nach Deutschland um 40% 8technische Probleme, Turbine von Siemens), später um 60%. Das wird als Warnung gesehen. Frankreich erhält gar kein russisches Gas mehr, die Lieferungen nach Italien werden gedrosselt. Die Bundesregierung dürfte bald die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausrufen (evtl. ab Juli 22 keine Lieferungen aus Russland mehr). so kommt es: Der Bundeswirtschaftsminister aktiviert die zweite von drei Stufen des Notfallplans. Die Gas-Kosten könnten sich verdreifachen (Preisexplosion an den Energiemärkten). Bundesregierung und EU-Kommission halten Wirtschaft und Privathaushalte zum Energiesparen an. Sinkende Großhandelspreise bei Gas sind mit langen Abnahmeverpflichtungen verbunden. Hinzu kommen hohe Investitionskosten bei der Redgasverflüssigung. Der klare Gewinner des Gaskonflikts ist dann die USA. Ihr Export an LNG in die EU könnte auf 40% der Gasimporte der EU anwachsen. Russland wäre der klare Verlierer. Asien kann einen kompletten Ausfall der Liefermengen in die EU nicht ausgleichen. Im nächsten Winter 2023/24 könnte das Gas in der EU aber knapp werden.  Es könnten 30 Mrd. Kubikmeter Gas fehlen. Quelle: IEA 2022. Die Türkei warnt Zypern Ende 2022 vor Erdgasförderung. Die Türkei spricht der EU das Recht auf Ausbeutung aus. Nach etwa 60 Jahren stoppen die Niederlande im Juni 2023 die Förderung von Gas in Groningen. Im Januar 2024 fällt der Gaspreis an der Börse in Amsterdam auf den tiefsten Stand seit August 23. Im August 2024 bekommt man vom Bergbauamt die Erlaubnis, vor Borkum nach Gas zu bohren. Die Bohrungen will eine niederländische Firma machen. Die Bundesregierung muss noch zustimmen. Die Insel Borkum will dagegen klagen.  Mit den Gasreserven, die in unterirdischen Speichern lagern, käme Deutschland 75 bis 80 Tage aus. 2914 stellen mehrere Forscherteams fest (Quelle: Nature), dass Erdgas den Klimawandel nicht aufhalten kann. CO2-ärmere alternative Energiequellen werden behindert und es wird das globale Wachstum beschleunigt, was wiederum mehr Energiehunger verursacht. Außerdem verursacht Erdgas mehr Methan, das dem Klima mehr schadet als CO2. Europas größtes Gasfeld in der Umgebung von Groningen in den Niederlanden ist bedroht, weil es Erdstöße auslöst. Ende 2016 sinkt der Gaspreis auf ein Zehnjahrestief. Das Rekordhoch lag im Dezember 2008 mit 1619 Euro. 2018 blockieren Türkische Kriegsschiffe ein Gasbohrschiff vor Zypern. Die Türkei erkennt die Hoheitsgewässer nicht an. Im Streit um das Projekt North Stream 2 zeichnet sich eine Einigung ab: Der russische Präsident Putin ist damit einverstanden, dass die Ukraine auch künftig Transitland für Gas-Transporte bleibt und will diese auch weiter beliefern.  Trump bekämpft das Nord Stream 2-Projekt massiv. Auch Polen ist dagegen. Polen und Dänemark wollen eine eigene Erdgas-Pipeline bauen, die 2022 fertig sein soll. Die EU gibt einen Finanzhilfe. Im gleichen Jahr läuft der Vertrag von Polen mit der Gazprom aus. Im Februar 2019 einigen sich die EU-Staaten auf eine neue Gas-Richtlinie mit strikten Kontrollen und Nord Stream 2  ist möglich. Am Schluss kommen noch mal Sanktionen der USA gegen Firmen, die am Bau beteiligt sind (Uniper, Wintershall). Europa spricht von einem "feindlichen Akt der USA". Die Schweizer Firma Allseas springt ab. Nun muss eine Firma mit ähnlichen Spezialschiffen gesucht werden. Man rechnet aber mit einer Fertigstellung bis Ende 2020. Putin nennt 2021. Eine weitere Super-Pipeline soll durch das Mittelmeer entstehen (Israel, Zypern, Griechenland). Die Türkei will die Pläne durchkreuzen. Sie fühlt sich ausgegrenzt. Sie tut sich mit Russland zusammen (Turk-Stream, Grund des Schwarzen Meeres) und macht Probebohrungen vor Zypern. Auch beim Libyen-Konflikt geht es im Kern um den Zugang zu Erdgas und Erdöl. Die Türkei macht Erdgas-Erkundungen im östlichen Mittelmeer. Es kommt dabei zu Territorialstreitigkeiten mit Griechenland und Zypern. Zahlreiche Kriegsschiffe der Türkei und Griechenlands sind unterwegs. Die EU will Sanktionen gegen die Türkei durchführen. Auf einem EU-Gipfel im Oktober 2021 wird auch über Maßnahmen gegen die hohen Gaspreise beraten (Frankreich deckelt). Das riesige Feld "Leviathan" liegt vor der Küste Israels (130 km). Die EU will die Erschließung fördern. Es soll 535 Milliarden Kubikmeter Erdgas umfassen. Es gibt Sorgen, was die Bohrungen mit der Natur anrichten. Im August 2024 gibt es Streit um Erdgasbohrungen am Ammersee. Die Regierung mit Aiwanger will, Umweltschützer und Anwohner sind dagegen. Im weiten Quartal 2024 liefert Russland erstmals mehr Erdgas an die EU als die USA. Größter Lieferant bleibt Norwegen. Deutschland bezieht kein Erdgas aus Russland. Die Zielländer des russischen Gases werden nicht veröffentlicht. Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2024.

Schiefer-Gas: Die größten Schiefer-Gas-Vorkommen hat China (31,6 Billionen Kubikmeter). Dann folgen Argentinien (22,7), USA (17,6), Russland (8), Polen (4,1), Frankreich (3,9). Deutschland hat 0,8. Die meisten Vorräte hat Niedersachsen, vor Baden - Württemberg und NRW. Fracking ist heute wesentlich sicherer als vor 10 Jahren. Beim Schieferfracking bohrt man durch mehrere Schichten (Grundwasser, Barriereschicht, Sandstein bis ins schieferhaltige Schiefergestein. Die Frackingflüssigkeit wird unter Hochdruck ins Bohrloch gepumpt und erzeugt Risse im Gestein. Sand und Keramikkörner halten die Risse offen. Die Flüssigkeit wird abgepumpt, das Gas strömt zum Bohrloch. Vgl. Melcher, A./ Stölzel, T.: Hebt den Schatz, in: WiWo 5/ 27.1.23, S. 14ff.

Fracking: Fördertechnik für Erdgas. Zuerst erfolgt eine horizontale Bohrung. Dann wird ein Steigrohr perforiert. Unter hohem Druck wird ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand und Chemikalien in das umliegende Gestein gepresst. Durch den hydraulischen Druck entstehen Risse im Gestein. Das eingepresste Gemisch wird zurückgesaugt, bis auf Quarzsand und Chemikalien. Der Quarzsand hält die Risse offen, durch die gefördert werden kann. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) sieht im Mai 2013 noch zu viele offene Fragen. Energiepolitisch sei Fracking in Deutschland nicht notwendig. Der Fracking-Boom in den USA kann negative Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft haben. Die Energiepreise sinken weltweit, wodurch die Emissionsrechte in der EU teurer werden. So entsteht eine Schere zwischen den Energiepreisen in der EU und denen im Ausland. Die Gaspreise in den USA betragen im August 2013 nur ein Viertel der deutschen Preise. Auf das ganze Jahr 2013 gerechnet war das Erdgas in den USA 2013 um zwei Drittel günstiger (deshalb will die BASF eine Großanlage zur Herstellung von Propylen an der Golfküste der USA bauen). So besteht bei energieintensiver Produktion die Gefahr der Verlagerung. Durch Fracking haben die USA 2013 Saudi-Arabien und Russland als die größten Erdöl- und Erdgasproduzenten überholt. Experten der OPEC erwarten ein Ende des Booms ab 2018. Aber erstmal werden viele Länder dem Fracking-Boom folgen. Mitte 2014 legt das Umweltbundesamt ein Gutachten über Fracking vor: Wegen der hohen Risiken für Wasser und Boden (Risikotechnologie)  könne Fracking nicht als Brückentechnologie während der Energiewende dienen. Die Schutzstandards sollten so hoch angesetzt werden, dass sich der Einsatz der Technologie nicht mehr lohnt. Offen ist, wie sich die Risse in der Tiefe verhalten und welche Reaktionen im Bohrloch ablaufen. In den USA tritt Ozonsmog im Winter bei bestimmten Wettbedingungen auf, der zum Gesundheitsproblem wird. Der Fracking-Boom in den USA lässt aber den Ölpreis purzeln und begünstigt die Reindustrialisierung der USA (auch steigende Direktinvestitionen in den USA). Die Strategie der Bundesregierung, abzuwarten, erweist sich immer mehr als richtig. Beim jetzigen niedrigen Weltmarktpreis ist es besser, die Vorräte zu erhalten. Es ist auch besser, die Technik erst zu nutzen, wenn die Folgen für Mensch und Umwelt besser bekannt sind (jetzt noch zu teuer und aufwendig). Im Juni 2016 beschließt der Bundestag ein Fracking - Gesetz: Die Bundesländer können bei Probebohrungen zu wissenschaftlichen Zwecken entscheiden. Die kommerzielle Förderung von Schiefergas soll aber verboten werden. Später erarbeitet eine Expertenkommission einen Erfahrungsbericht über die Probebohrungen. Der Bundestag entscheidet dann nochmals, ob es beim generellen Verbot bleibt. Midland in den USA gilt 2018 als inoffizielle Fracking - Hauptstadt. Es liegt im Südosten der USA. Weitere wichtige Städte dort sind Austin und Corpus Christi. Die Opec hat auf den Schiefergaspreis keinen Einfluss. Ende 2019 setzt Großbritannien das Fracking aus ökologischen Gründen aus. Biden verbietet nach seinem Amtsantritt den Bau der Pipeline Keystone XL von Alberto in Kanada nach Texis. Das ist eine Entscheidung für die indigenen Völker. Öl aus den Teersänden gilt als besonders schmutzig. Alberta will Sanktionen gegen die USA  (Biden und Trudeau sind befreundet). Kalifornien verbietet 2021 Fracking ab 2024. In Deutschland entsteht 2022 eine Diskussion, ob Fracking in Deutschland erlaubt werden soll (wegen der Reduzierung der russischen Gaslieferungen). Es gibt 4 Potentialgebiete für Schiefergas: Im Norden von Meck.-Pom. auf Usedom, Region um Hannover, Region unterhalb von Essen/ Dortmund, Region westlich von Stuttgart. GB hebt das Fracking -Verbot wegen der Energiekrise auf. Trump macht einen Fracking-Unternehmer zum Energieminister. Das ist Programm. Positiv daran könnte sein, dass er über sinkende Preise der fossilen Energien Putin in die Knie zwingen will.     Fracking belastet in jedem Falle das Trinkwasser. Das belegen Untersuchungen aus den USA, wo Fracking seit Jahren boomt. Die Belastungen entstehen durch Methan, Ethan und Propan. Entweder sind die Bohrlöcher undicht (Texas) oder es sind Risse in Gesteinsschichten (Schiefer). 700 Unternehmen aus Wasserwirtschaft und Getränkeindustrie haben sich im November 2013 deshalb gegen Fracking zusammengeschlossen. Die Umweltminister aus Bund und Ländern sprechen sich 2014 einstimmig gegen Fracking aus. Nur Bohrungen in sehr tiefen Schichten bleiben erlaubt. Amtlichen Berechnungen zufolge schlummern im deutschen Untergrund 13 Billionen Kubikmeter Schiefergas - vor allem im Norddeutschen Becken und im Oberrheingraben. Seit den 1950er Jahren wurde in Deutschland 300-mal gefrackt. Bislang zeigen sich davon keine Probleme. Ende 2014 räumt die Regierungskoalition das Verbot von Fracking ab. Eine Wissenschaftlerkommission soll die Gasfördermethode erlauben dürfen. Dies gilt für Ausnahmefälle (Genehmigung durch Bergbehörden und zuständige Wasserbehörde). Ein Erdbeben in Ohio zu Beginn 2015 wurde eindeutig durch Fracking ausgelöst. Der stark sinkende Öl- und Gaspreis 2014/ 2015 treibt die Branche in die Pleite (z. B. ist Continental Resources in den USA sehr stark betroffen; 1967 gegründet). In den USA und Kanada wird die umstrittene Keystone-Ölpipeline XL gebaut (zwischen Alberta und Texas; Teersandvorkommen; Präsident Obama legt Veto ein). Das Land RLP schafft mit einem neuen Landeswassergesetz hohe Hürden für Fracking. Im Jahre 2016 legt die BASF ihre Milliarden-Investition in Freeport in Texas zur Herstellung von Propylen auf Eis, weil das Schiefergas im Preis gestiegen ist (Rohstoffschwankungen). Die Schieferölproduktion in den USA erreicht 2019 8,4 Millionen Barrel pro Tag, ein neuer Rekord (70% der Rohölproduktion der USA). Der sinkende Ölpreis bedroht 2020 die Fracking - Industrie in den USA. Das trifft ganz hart Carlsbad in New Mexico in den USA. Zigtausende Jobs werden abgebaut. Die Umwelt ist zerstört. Die Wut der Bürger wächst. Die Bundesregierung will ab 2020  viel Geld investieren, um US-Gas zu importieren. Sie macht dies trotz Kritik von Umweltschützern. Sie fährt eine Doppelstrategie: Russisches Gas und US-Gas. Dei beiden Länder sind auch weltweit die größten Anbieter 2020 (USA Förderung von 951 Milliarden Kubikmeter 2019; Russland 740; Iran 240; Kanada 183; China 175). Das Gas muss mit Schiffen antransportiert werden. 1043 LNG-Tanker haben 2021 die USA verlassen - ein Drittel davon Richtung Europa (sie brauchen zwei Wochen).

Fracking in Deutschland: In Deutschland ist Fracking nicht erlaubt (wegen Trinkwasser und Naturschonung). Es gibt allerdings hohe Vorkommen, vor allem in Niedersachsen (99%). Es sind 22,5 Mrd. Kubikmeter (Deutsche Rohstoffagentur). Das drohende Gas-Embargo Russlands im Ukraine-Krieg führt zu  einer Diskussion über die Förderung. Wintershall Dea und Exxon mobil könnten innerhalb weniger Wochen alte Bohrlöcher reaktivieren. Wirtschaftsminister Habeck ist dagegen: Wasserrecht, negative Umweltauswirkungen, lange Genehmigungsverfahren. Für den Winter 22/23 wäre die Sache auch zu kurzfristig.

Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG): Deutschland will zukünftig sehr viel mehr Flüssiggas importieren. Das soll vor allem aus den USA kommen mit Tankschiffen. Es soll die USA im Handelsstreit besänftigen. Die Maßnahme ist umstritten, weil LNG überwiegend mit Fracking gewonnen wird. Es sollen LNG-Terminals und Tankstellen mit staatlichen Mitteln gefördert werden. Mit 167 Mio. € Fördergeldern stecken Griechenland und die EU in ein zweites LNG-Terminal in Alexandroupolis. Katar soll als zweiter Lieferant dazukommen. Auch in Deutschland sollen LNG-Terminals gebaut werden. 2022 wird LNG knapp. 2021 legt der Handel um 6% zu. Bis 2025 wird eine Lücke zwischen Angebot und Nachfrage bestehen. Russische Gaslieferungen müssen ersetzt werden. Nach dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine muss LNG dringend gekauft werden. Es sollen zwei Terminals in Norddeutschland entstehen (Wilhelmshaven, Fulsbüttel). Auch Spanien will Terminals bauen, die EU soll zahlen. Nach Spanien laufen auch Erdgas-Pipelines von Algerien und Marokko. Sie sollen auch Nordeuropa helfen. Bundeswirtschaftsminister Habeck kann am 20.3.22 eine langfristigen Liefervertrag mit Katar abschließen (Energiepartnerschaft). Es wird auch ein Abkommen mit den VAE über Wasserstoff geschlossen. Es soll ab 2022 einen gemeinsamen Einkauf der EU geben, um die Gasspeicher zu füllen. Man will sich von Gasimporten aus Russland unabhängiger machen (auch Australien soll liefern). Das Terminal in Wilhelmshaven könnte schon Ende 2022 fertig werden. Auch in Stade und Brunsbüttel gehen die Dinge voran. Dow Chemical steigt in Stade mit ein. Das ist ein wichtiger Schritt. Zusätzlich sollen schwimmende Flüssiggasterminals eingerichtet werden. Das Finanzministerium hatte die Mittel bereits freigegeben (3 Mrd. € in 10 Jahren), ohne den Haushaltsausschuss hinzuzuziehen. Teilweise sollen die Schiffe bereits im Winter 2022/23 einsatzbereit sein. Einige Pachtverträge für schwimmende Terminals werden im Mai 2022 unterzeichnet. Bei Umweltschutzverbänden stoßen die Terminals auf erhebliche Kritik. Die Deutsche Umwelthilfe will eventuell klagen. Europa rüstet sich aber massiv für LNG-Importe: Schwimmendes Terminal Wilhelmshaven 2022, drei schwimmende Terminals 2023, Stade 2026, Giola Tauro/ Italien 2026, Constanta/ Rumänien 2027, Zeebrügge/ Belgien 2024, Skulte/ Lettland 2024, Polish Baltic/ Polen 2025.  Wegen eines schweren Unfalls in den USA/ Texas können 2022 die zugesicherten LNG-Mengen nicht geliefert werden. Auch der Deal mit Katar ist ins Stocken geraten. Bei einer Reise von Scholz und Habeck im August 2022 nach Kanada, schließt man eine Kopperation bei LNG und grünem Wasserstoff. Im September 2022 besucht Bundeskanzler Scholz die arabischen Länder. RWE kann mit Abu Dhabi die Lieferung von LPG vereinbaren. Auch Diesel soll es geben. Im Oktober 2022 schließt die Bundesregierung einen Vertrag für ein fünftes LNG - Terminal in Wilhelmshaven. ende Oktober 2022 schließen Israel und der Libanon in Abkommen über die Seegrenze im Mittelmeer. In beiden Teilen ruhen riesige Gasfelder, die in Zukunft die Situation in Europa entspannen helfen. Am 15.11.22 wird der erste deutsche Anleger für Flüssiggas in Wilhemshaven eröffnet. Ende November kommt ein Liefervertrag mit Katar (Qatar Energy, staatlich) zustande. Er beginnt 2026 und läuft 15 Jahre (3% des deutschen Bedarfs). 2022 sind die Terminals Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Lubmin fertig. 2023 folgen Stade, Hamburg.  2025 Wilhelmshaven größer. 2026 Vergrößerung von Brunsbüttel, Stade. Auch die anderen europäischen Staaten investieren massiv in die LNG - Infrastruktur. Marktbeobachter sprechen schon von Überkapazitäten. Vor Rügen gehen die LNG-Terminals in Mukran ans Netz. Der Standort Sellin entfällt. 2021 importiert Deutschland Flüssiggas aus folgenden Ländern: Katar 27,4%; USA 22,7%; Russland 17,3%; Nigeria 12,5; Sonstige 19,8%. Die Bundesregierung chartert 2022 vier schwimmende Terminals für den Import von verflüssigtem Erdgas. Sie kommen vom griechischen Reeder Prokopiou. Er gilt als einer der innovativsten griechischen Reeder. Weltweit gibt es nur 48 Schiffe dafür. Sie kosten pro Stück rund 300 Mio. Dollar. Der Reeder hat vier Töchter, die seine Nachfolge übernehmen sollen. Griechische Reeder transportieren mit ihren Tankern 2022 massenhaft russisches Gas und Erdöl auf verschlungenen Wegen. Die Anti-Putin-Regeln der EU sind sehr lückenhaft. 2022 sind die USA der wichtigste Lieferant für Flüssiggas. Erstmals trifft ein LNG-Tanker aus den USA in Wilhelmshaven am 02.01.23 ein (Gas aus Louisiana). Wichtigster Gaslieferant 2023 ist Norwegen. Vor der Insel Rügen ist ein weiteres Terminal in Planung. Lange wusste das kaum jemand. Die Empörung ist groß.  Das Gas soll von Mukran nach Lubmin geleitet werden.  Nach dem Boykott russischen Gases wird Katar zum größten LNG - Anbieter zusammen mit den USA.

Funktionsweise eines LNG-Terminal: 1. Tanker liefert flüssiges, auf minus 162  Grad Celsius gekühltes Gas (LNG). 2. LNG wird auf FSRU gepumpt. 3. Auf dem FSRU wird das Flüssiggas in einem Verdampfer wieder gasförmig. 4. Über Gasladearme strömt das Gas ins Land. 5. Gasmessanlage. 6. Einspeisung ins Gasnetz. Vgl. HB Nr. 94, 16.5.22, S. 22f

Biogas: Energiegewinnung aus landwirtschaftlichen Abfällen. Am erfolgreichsten ist hierbei Brasilien. 40% des gesamten brasilianischen Strombedarfs sollen eines Tages durch Biogas abgedeckt werden. Es gibt keine Staatshilfen. Als Vorbild gilt auch Dänemark. 25% beträgt der Biogasanteil im Erdgasnetz 2021. In Deutschland macht die Politik Fehler und setzte zu stark auf Erdgas aus Russland. Das soll sich nach dem Ukraine-Krieg ändern. Biogas in Deutschland wird aus einer Mischung hergestellt: Biomüll von Haushalten, Gülle und Mist aus landwirtschaftlichen Betrieben, Energiepflanzen, hauptsächlich Mais. Man kann Biogas zum Heizen, aber auch in Fahrzeugen nutzen. Die großen Vorteile dieser Energiequelle sind die dezentrale Verfügung und das Vorhandensein der Quellen im eigenen Land (Müll, Stroh). Der Nachteil ist, dass auf den flächen Nahrungsmittel angebaut werden könnten.    In Pirmasens startet eine Bioraffinerie. In einer Agri-Fotovoltaik-Anlage soll im großen Stil Wasserstoff (Biomethan) produziert werden.

Biomasse: Zur Gärung neigende Grundstoff, der aus organischen Abfällen gewonnen wird. Diese entstehen auf Bauernhöfen, Sägewerken oder bei der Müllverwertung. 46% der von der EU importierten Biomasse stammte vor Beginn des Ukraine-Krieges aus Russland und Belarus. Heute werden Pellets aus den USA oder Kanada importiert.

Gas-Pipelines, die die EU beliefern bzw. beliefern sollen: Nord Stream 2 (aus Russland über die Ostsee, fertig 2021). Turkstream aus Russland (über das Schwarze Meer in die Türkei und von dort nach Südeuropa). Trans Adriatic vom Kaspischen Meer (aus Aserbaidschan über Griechenland, Albanien und die Adria nach Süditalien). Baltic aus Norwegen (für Dänemark, Polen). Poseidon aus Russland (Planung, fertig 2022/2023). Eastmed aus Israel (Planung, fertig 2024/2025; Gas von Feldern vor Zypern und Israel, über griechische Inseln nach Griechenland und Italien). Die USA sind der größte Erdgasproduzent vor Russland. Die USA fürchten die Pipelines und wollen sie verhindern. Die USA verhängen 2020 Sanktionen gegen die Firmen, die am Bau von Nordstream 2 beteiligt sind. Einzelne Senatoren aus den USA bedrohen zusätzlich den Ostseehafen Sassnitz auf Rügen. Das Auswärtige Amt weist die Drohungen und Sanktionen zurück. Ab 5. Dezember 2020 wird an Nord Stream 2 weitergebaut. Die Arbeiten beginnen im deutschen Teil der Ostssee. Weitere Abschnitte, die noch fehlen, befinden sich in dänischen Gewässern. Die russischen Spezialschaffe bekommen aber wegen der US-Sanktionen keine Zertifizierung. Die norwegische Firma DNV-GL muss abspringen. Die beiden Schweizer Verlegeschiffe sind abgezogen worden.  "Akademik Tscherski" aus Russland muss retten. Die USA verschärfen im Dezember 2020 wieder den Streit mit Russland. Deutschland unterstützt weiter den Bau und will ihn ab Dezember 2020 zu Ende bringen. Kurz vor Ende droht die Fertigstellung noch zu scheitern. Mecklenburg-Vorpommern gründet eine landeseigene Stiftung, um die Sanktionen zu umgehen. Die Proteste in Russland un dihre Niederschlagung führt zur Forderung nach dem Ende der Pipeline (USA, Frankreich). Die Bundesregierung hält an dem Projekt fest. Die USA suchen dann einen Deal (Gesprächsbereitschaft, die Bundesregierung hatte aber schon Zugeständnisse gemacht: Ukraine, LNG-Terminals). Wahrscheinlich kommt eine Abschalteinrichtung am Ende, für den Fall, dass Russland die Ukraine sanktioniert (die Kontrahenten gehen immer weiter aufeinander zu) . Im Februar 2021 wird bekannt, dass Finanzminister Scholz schon 2020 einen Deal angeboten hatte, auf den die USA nicht eingingen. 2021 ist der Stopp der Pipeline weder politisch noch ökonomisch sinnvoll. Russland ist zu mächtig für Sanktionen (einen Politikwechsel bringt das auch nicht). Die Klagen der Umwelthilfe und des Naturschutzbundes werden im Mai 21 abgewiesen. Die Pipeline darf weitergebaut werden (derzeit in dänischen Gewässern). 2021 wollen die USA ihre Sanktionen gegen die Betreiber aussetzen. Bis Ende 2021 soll die Pipeline jetzt fertig werden (russische Regierung). Merkel will im Juli oder August nach Washington reisen, um sich mit den USA zu einigen (Hilfen für die Ukraine?). Wahrscheinlich wird die Pipeline schon im August 21 fertig. Den Gegnern läuft die Zeit davon. Die Pipeline soll auch für Wasserstoff genutzt werden. Am 21.7.21 verkünden die USA und Deutschland eine Einigung im Pipeline-Streit. Nord-Stream 2 wird zu Ende gebaut. Die Ukraine erhält Garantien (Gas-Transit). Anfang September 21 wird das letzte Rohr verlegt. Die Betreiber wollen non in diesem Jahr Gas durch die Pipeline leiten. Anfang Oktober 2021 schleißt Gazprom den Gastransit durch Ungarn, wie geplant. Ungarn wird durch eine neue Gaspipeline durch das Schwarze Meer beliefert. Die Transitgelder für die Ukraine fallen weg. Die Gaspipeline Nordstream 2 gerät Ende 2021 unter Zeitdruck. Die Bundesnetzagentur (verantwortlich Barbie Haller) setzt das Verfahren für Zertifizierung aus. Durch den Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine wächst der Druck aus den USA und aus der EU, die Pipeline zu stoppen. Die Alternative wäre teures Fracking - Gas aus den USA. Die Pipeline endet in Lubmin/ Greiswald. Im Januar 2022 wird schon mal ein notwendiges Tochterunternehmen in Schwerin gegründet. Gleichzeitig sucht man nach alternativen Gasquellen in Europa bei einem Einmarsch Russlands in der Ukraine. Der US-Kongress einigt sich auf ein überparteiliches Gesetzesvorhaben gegen Russland. Bei Angriff Russlands auf die Ukraine, Schließung der Pipeline durch die Ostsee.  Nord Stream 2 ist sicher eine strategische Leitung. Sie soll den Zusatzbedarf Deutschlands und Europas abdecken (Gas aus Europa wird weniger: Niederlande, Dänemark, GB). Die Leitungen durch die Ukraine sind marode und sanierungsbedürftig. Russland und China bauen eine neue Leitung von Russland nach China. die Bauphase wird lange dauern. Der Vorstand der umstrittenen Stiftung Klima- und Umweltschutz in Meck-Pom tritt im Mai 22 zurück. Die afrikanischen Staaten Algerien, Niger und Nigeria wollen eine Pipeline bauen, an die auch Europa angebunden werden soll. Italien und Frankreich setzen große Hoffnungen darauf. Algerien ist von den Vorräten her an 15. Stelle in der Welt. Am 30.8.22 muss die Pipeline Nord Stream 1 wieder gewartet werden und wird abgestellt. Danach fließt vorerst kein Gas mehr. Am 27.9.22 werden drei Lecks in Nord Stream 1 und 2 vor der dänischen Insel Bornholm entdeckt (teils auch in schwedischen Gewässer, späte rnoch ein viertes loch). Wahrscheinlich handelt es sich um Sabotage eines Staates (Russland, USA oder die Ukraine?). Für die USA ist der Nutzen am größten. Die EU droht den Urhebern mit Folgen. Im September 2022 wird die Großleitung Baltic Pipe eröffnet. Sie liefert Gas von Norwegen an Polen. Deutschland hat bei den Pipelines in Nord- und Ostsee eine Quai-Wehrlosigkeit. Die Nato soll den Schutz sicherstellen (Plan von Deutschland und Norwegen). Russland will mit der Power of Siniria 2 eine neue Gaspipeline nach China bauen (von Sibirien über Irkutsk). Doch Peking zögert noch, obwohl die Konditionen sehr günstig sind. Im Oktober 2023 wird die Finnland-Pipeline (Balticonnector) beschädigt. Man ermittelt. Deutschland bietet Finnland und Estland Hilfe an. Österreich bezieht 2023 noch 60% seiner Importe mit Russland-Gas. Dei Pipeline führt durch ukrainisches Kriegsgebiet.   50,7 % von Deutschlands importiertem Erdgas kamen 2019 aus Russland. Nord Stream 1 (seit 2011) und 2 haben zusammen eine Kapazität von 55 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Es ist noch 2022 offen, was mit Nord Stream 2 passiert. Bisher ist es eine der teuersten Industrieruinen der Wirtschaftsgeschichte.

Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern: Gegründet mit einer Gazprom - Tochter. 20 Mio. aus Russland. Stiftungschef ist der ehemalige Ministerpräsident Sellering. Ursprünglich sollten Pipeline und Infrastruktur unterstützt werden. Der Ukraine-Krieg führt zu einem Umdenken: jetzt humanitäre Ziele. Sellering widersetzt sich der Auflösung. Seine Amtszeit geht bis 2025.

Deutschlands (und Europas) Gaskrise 2021 und 2022: In Deutschland hat Erdgas 2020 einen Anteil am Primärenergieverbrauch von 26,6% (Mineralöl 33,7%). Wichtigste Erdgaslieferanten sind Russland, Norwegen, Niederlande. Von 2019 bis Herbst 2021 hat sich der Gaspreis verzehnfacht. Die Speicher in Deutschland sind nicht voll. Russland spricht von einer Schuld der Europäer. Erdgas sollte die Energiewende in Deutschland absichern. Der Gaspreis wird massiv weiter steigen. Man kann von einer Gaskrise sprechen. Vgl. Buchter, H. u. a.: Väterchen Frost, in: Die Zeit Nr. 40, 30.9.2021, S. 28f. Der größte deutsche Gasspeicher ist in Rehden. Er ist Anfang 2022 nur zu 7% gefüllt. Der Gaspreis ist extrem hoch (87,2 Euro je Megawattstunde am 10.1.22). Aluminiumhütten müssen schon die Produktion drosseln. Dei Niederlande wollen kein zusätzliches Gas liefern. Vgl. Stratmann, Klaus: Gaskrise spitzt sich zu, in: HB Nr. 7/ 11.1.22, S. 1 und 4f. Die Gaskrise verschärft sich erheblich durch den Ukraine-Krieg. Sie spitzt sich zu, als Putin die Bezahlung in Rubel fordert. Andere sprechen sich für ein Gas-Embargo als Druckmittel aus. Die Ukraine reduziert im Mai 2022 kriegsbedingt die Gasdurchfuhr im Gebiet von Luhansk. Polen und Litauen verzichten ab Mai 2022 auf russisches Gas. Die Industrie braucht Gas als Produktionsmittel und Wärmelieferant (Prozesswärme). Bundeswirtschaftsminister Habeck aktiviert ab Juli 22 die zweite von drei Stufen des Notfallplans. Deutschland versucht, einen Schutzschirm für Gas aufzubauen. Wenn Nord Stream 1 ganzjährig bei 40% bleibt, könnten 20% durch weniger Verbrauch und 20% durch LNG geliefert werden. Wenn Ende Juli 2022 nach der Wartung kein Gas mehr kommt, könnte Deutschland einen großen Teil ausgleichen , indem deutlich weniger Gas an die Nachbarländer geliefert wird. Vgl. Olk/ Stratmann: Schutzschirm Energie, in: HB Nr. 127/ 5.7.22, S. 4f. Kanada gibt am 10.7.22 die russische Gasturbine frei. sie wird für Nordstream 1 benötigt. Am 11.7.22 beginnen dort zehntätige Wartungsarbeiten. Die Frage ist, ob der Gashahn ganz zubleibt oder dann wieder frei geschaltet wird. Es sind 4 Szenarien denkbar: 1. Es kommt kein Gas mehr über Nord Stream 1.  Szenario 2.: Stopp führt zu regionalen Notlagen. Szenario 3: Es kommen erneut nur 40% Gas. Szenario 4: Es kommen wieder 100 Prozent Gas. Vgl. Olk, Julian: Was kommt nach der Wartung? in: HB Nr. 137/ 19. Juli 2022, S. 6f. Im Iran kündigt Putin eine Wieder-Öffnung der Gasleitung Nord Stream 1 an, eventuell mit reduzierter Menge. so kommt es auch. Es wird wieder Gas durchgeleitet, wahrscheinlich um die 30% (mit westlichen Sanktionen und technischen Problemen begründet, später 40%). Brüssel will Gas-Einsparungen notfalls erzwingen. Die Mitgliedsländer der EU sollen ihren Gasverbrauch bis März 23 um 15% senken. Im Falle eines Gasnotstands sollen die EU-Staaten zum Gassparen gezwungen werden können. Das sieht ein Notfallplan der EU-Kommission vor.  Habeck legt auch einen Gas-Sparplan vor (Verpflichtende Checks von Heizung und Wasserversorgung, Heizverbot für Pools, Gasspeicher-Füllstände). Man will sich nicht in Sicherheit wiegen. Die EU beschließt am 26.7.22 auch einen Gassparplan (Notfallplan): Ab August 2022  bis März 2023  15% Einsparungen in jedem Land (erst freiwillig, kann auch verpflichtend sein). Beschluss mit qualifizierter Mehrheit (einige Länder dagegen: z. B. Polen). Man reagiert auf die Reduktion der Gaslieferungen von Putin auf 20%. Man will die Folgen eines möglichen Lieferstopps von russischem Gas abfedern. Es gibt zahlreiche Ausnahmen (etwa für die Inseln Zypern, Malta, Irland). In Deutschland rückt die Gasumlage näher. Gaskunden sollen bis zu 5 Cent mehr je Kilowattsunde zahlen. Grundlage ist das Energiesicherungsgesetz (Paragraph 26). Die Gasimporteure melden die Differenz zwischen den mit Russland vereinbarten Preisen und ihren ab Anfang Oktober. Das wird an die Plattform Trading Hub Europe gemeldet, die den Gasmarkt in Deutschland organisiert. Kein deutscher Gasversorger soll wegen der extrem gestiegenen Einkaufspreise in die Knie gehen. Die deutschen Speicher füllen sich langsam im Sommer 2022. Am 1. September sollen sie zu 75% gefüllt sein. Sorgenkinder sind die Handvoll Speicher, die sich in russischer Hand befinden. Russland gibt als Grund für die Reduzierung der Gasmenge eine Turbine von Siemens Energy an. Sie lagert in Mülheim an der Ruhr und wartet auf eine Importgenehmigung. Scholz und Habeck sprechen von einem Vorwand. Bundeskanzler Scholz ist in Mülheim, um zu zeigen, dass alles von Russland abhängt. Anfang September stoppt Russland die Gaslieferung nach Deutschland. Es kommt zu einem weiteren Preissprung. Gashändler und Stadtwerke geraten in Not. Sie brauchen staatliche Hilfe. Die Gasumlage wird fallengelassen. Dafür kommt eine Gaspreisobergrenze. Am 15.11.22 sind Deutschlands Gasspeicher zu mehr als 100% gefüllt. Das gab die Bundesnetzagentur bekannt.

Gaspreis: Der europäische Erdgaspreis (niederländische Börse TTF)  kennt seit dem Ukraine-Krieg nur eine Richtung: 23. Februar 2022 +280%; 26. August 2022 +280%. Ab 20. September 2022 kommt die Wende -51%. In der EU sind die Füllstände bei 86.0%. Die Industrie konnte den Gasverbrauch stark zurückfahren. Vgl. WiWo 39/ 23.9.22, S. 10. Die Gasumlage, die den Preis wieder erhöht hätte, kommt nicht. Der Gaspreis soll gedeckelt werden. Doch über die Finanzierung entbrennt ein Streit. Der Bundesfinanzminister will die Schuldenbremse einhalten (bei Haushaltsfinanzierung). Seit Juni 2022 gibt es eine Preisobergrenze bei Gas in Spanien. In Spanien ist dadurch der Gasverbrauch gestiegen. 2023 soll der Gaspreis noch hoch bleiben (Wirtschaftsminister). Vgl. Ockenfels, Axel/ Wambach, Achim: Was tun, wenn der (Gas-) Markt kollabiert? in: Wirtschaftsdienst 1/ 2023. Im Mai 2023 fällt der Gaspreis auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Im Dezember 2023 steigt er wieder, weil die Huthis aus dem Jemen Attacken gegen die Schifffahrt im Roten Meer machen. Im Februar 2024 fällt der Gaspreis an der Börse in Amsterdam auf den tiefsten Stand seit Juli 23. Vorerst ist keine Verteuerung in Sicht.

Gas-Embargo von Deutschland bzw. Russland für russisches Gas und die Folgen: Eine Projektgruppe in den USA geht davon aus, dass ein solches Embargo einen Verlust von Wirtschaftswachstum von 3 - 5% (je nach Szenario) in Deutschland mit sich brächte und mit einer gegen wirkenden Wirtschaftspolitik über Schulden zu schultern wäre. Vgl. Rüdiger Bachmann u. a.: "What if" (auch Bachmann-Paper genannt, Uni Notre Dame Indiana; auch Pittel vom Ifo Institut München dabei).  Gearbeitet wird mit einem makroökonomischen Modell. Meiner Ansicht nach hat dieses Modell mit der Prognose gravierende mikroökonomische Fehler, weil es physikalische und verkehrstechnische Aspekte nicht berücksichtigt (LPG ohne Leitungen, keine LKW und Schiffe). Es schätzt auch Gas als Grundstoff nicht richtig ein. Vom Gas und Öl zum Endprodukt gibt es einen langen Weg: Die chemische Industrie arbeitet mit Wertschöpfungsketten, die später zu Endprodukten führen. 1. Methanol: Düngemittel, Harze, Leime, Polymere, Sprengstoffe. Baustoffe, Kunststoffe, Landwirtschaft. 2. Ethylen: Polymere, Polyole, Copolymere. Baustoffe, Beschichtungen, Kunststoffe, Textilien, Verpackungen.  3. Propylen/ Propan: Fasern, Polymere, Schäume, Superabsorber. Automobilindustrie, Baustoffe, Beschichtungen, Kunststoffe, Textilien. 4. Butan: BDO, NMP, Gummi. Dichtungen, Hochleistungskunststoffe, Reifen, Textilien. 5. Benzol: Fasern, Garne, Harze, Polymere. Baustoffe, Kunststoffe, Teppiche, Textilien. 6. p-Xylol: PET, PBT.  Kunststoffe (z. B. Mineralwasserflaschen und Zahnbürsten). Quelle: VCI; Freytag, Bernd: Ohne Gas nichts los, in: FAZ Nr. 75, 30.3.22, S. 21. Allein die BASF verbraucht ca. 4% des Gases aus Russland. Auf die Industrie insgesamt fallen ca. 15% (Heizung und Rohstoff). Habeck hat schon in einem Monat die Gaslieferungen aus Russland von 55 auf 40% heruntergefahren. Bis 2025 will man ganz ohne auskommen. Bei Gasmangel drohte eine Rezession mit noch höherer Inflation (Stagflation). Das sieht auch der SRW so. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen wären dramatisch. Die Währung der Zahlung spielt eine Randbedeutung. Mit Rubel würden die Zahlungen direkt an die Notenbank und damit den Staat gehen. Bei Devisen (Euro) zweigen die Oligarchen einen großen Teil ab. Das Problem ist also komplexer als oft dargelegt und kann technisch relativ leicht gelöst werden (spezielle Konten der Gazprom-Bank in Luxemburg, die nicht von den Sanktionen belegt ist, und Dollar sowie Euro in Rubel tauschen kann). Der BASF-Chef Brudermüller warnt vor schwerer Krise und einem möglichen "Dominoeffekt".  Unter deutschen Ökonomen tobt ein Streit über die Folgen eines Energieembargos. Es gibt wohl zwei Fronten: einmal Hüther und Grimm ("Wir müssen sagen, was wir alles nicht wissen"). Zum anderen die Bachmann-Gruppe (siehe oben). Vgl. Böcking, David: "Ich bin erschüttert", in: Der Spiegel Nr. 14/ 2.4.22, S. 68f. Im Juli 2022 könnte Russland den Gashahn komplett zudrehen (nach einer einwöchigen Wartung, die turnusgemäß stattfindet). Die EU bereitet sich auf einen vollständigen Stopp der Gaslieferungen vor. Im April 2022 betrug der Anteil von russischem Gas an allen Gaslieferungen noch 35%. Bis zum Jahresende soll er auf 30% sinken. Im Juni 2022 sind die Gasspeicher in Deutschland zu 58,4% gefüllt. Sie sind in Uelsen, Rehden, Bad Lauchstädt, Bierwang und Breitbrunn. Am meisten Erdgas braucht die Industrie vor den Haushalten. eine Drosselung von Gas, würde zu Produktionsausfällen führen, was eine Rezession hervorrufen könnte. Vgl. Focus 26/ 2022, S. 18f. Gazprom liefert nach einer Wartung am 3. September 2022 noch kein Gas. Grund sei ein Ölaustritt in der Kompressionsstation Portowaja. Die EU spricht von Vorwänden.

Gasbedarf und Angebot: Deutschland hat 40 Gasspeicher. Der größte ist in Reden. Gas liefert Prozessenergie für die Industrie, Stromerzeugung und Heizungsenergie bzw. Wärme. Es ist nicht zu 100% durch andere Energie zu ersetzen. Der Gasbedarf kann bei einem Engpass durch Sparen und vorheriges Speichern beeinflusst werden. Die europäische Solidarität ist gefordert (Niederlande, Norwegen). Das Europaparlament stuft die Energie als "grün" ein im Juli 2022. Italien verschenkt Gas. Im Süden des Landes erhalten es Haushalte zum Nulltarif.  Es gibt einen einzigen Untertagespeicher für Rheinland-Pfalz und das Saarland in Frankenthal. Er ist im September 2022 gut gefüllt. Der Betreiber ist Enovos Storage GmbH. Am 15.11.22 sind Deutschlands Gasspeicher zu mehr als 100% gefüllt. Das gab die Bundesnetzagentur bekannt.

Notfallplan Gas: Er besteht aus drei Stufen: 1. Frühwarnstufe. Die Bundesnetzagentur, aber auch Unternehmen müssen Pläne entwerfen, wie in einer Notlage das knappe Gut Gas verteilt werden soll. Eine feste Abschaltreihenfolge gibt es nicht, aber Kriterien wie Vorlaufzeiten für das Herunterfahren und erwartete volks- und betriebswirtschaftliche Schäden, nach denen sich die Bundesnetzagentur richtet. 2. Alarmstufe. Es liegt eine Störung der Gasversorgung vor, die zu "einer  erheblichen Verschlechterung der Gasversorgung führt". Auch eine außergewöhnlich hohe Nachfrage kann ein Grund sein. Vorgesehen ist Sparen und ein Preisanpassungsmechanismus. 3. Notfallstufe. Die Gasversorgungslage verschlechtert sich dramatisch. Der Markt kann nicht mehr regeln. Der Staat muss eingreifen, um die Gasversorgung zu steuern. Für geschützte Kunden wird die Versorgung garantiert: Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Feuerwehr, Polizei, Bundeswehr. Industriekunden sollen stark drosseln. Vgl. HB Nr. 120/ 24./25./ 26. 6.22, S. 6ff. In der Industrie ist die Angst vor Abschaltungen groß. Vgl. HB Nr. 167, 30.8.22, S. 6f.

Prämien für gesenkten Verbrauch von Gas: Nach Ansicht vieler Ökonomen sind sie die beste Vorbeugung gegen einen russischen Lieferstopp. Das wären gezielte Anreize. Das könnte man durch einen Vergleich des Gasverbrauchs ermitteln. Vgl. Grimm/ Kenning: In der Gaskrise die richtigen anreize setzen, in: HB Nr. 120/ 24.-26-6.22, S. 72. Auch A. Wambach: Vgl. Losse, Bert, Geldbonus für sparsame private Haushalte, in: WiWo 29/ 24.6.22, S. 38.

Sparvorgaben der Regierung für Gas (Energiesparverordnungen): Öffentliche Gebäude 19°, Büros 20°, Einzelhändler Türen geschlossen, Leuchtreklame bis 22 Uhr, Denkmäler nicht anstrahlen.

Gasumlage/ Mehrwertsteuer bei der Gasumlage: Ab Oktober 2022 soll eine Gasumlage für Gasverbraucher erhoben werden. Mit ihr soll der Zusammenbruch von Importeuren infolge stark gedrosselter russsicher Gaslieferungen verhindert werden. Die genaue Höhe der Umlage soll bis zum 15. August 22 ermittelt werden. Bisherige Berechnungen gehen von einer Spanne zwischen 1,5 und 5 Cent pro Kilowattstunde aus. Es werden dann 2,4 Cent pro Kilowattstunde. Die Bundesgerierung will eine Besteuerung mit der Mehrwertsteuer verhindern. Dem stehen aber rechtliche Hürden entgegen. Die EU verbietet eine Nichtberücksichtigung der Mehrwertsteuer (Ablehnung von Antrag auf Ausnahme). Die Bundesregierung bereitet Entlastungen vor. Jetzt soll die Mehrwertsteuer auf Gas gesenkt werden. Umstritten bei der Gasumlage ist, welche Unternehmen Hilfe bekommen. Darunter sind auch Unternehmen aus Österreich und der Schweiz, die hohe Profite haben. Das müsste aus Sicht der Kritiker verhindert werden. Die Regierung prüft im August 2022 Korrekturen. Man hält aber an der Gasumlage fest. Durch die zügige Speicherfüllung hofft man auf sinkende Preise. Wichtige Konstruktionsmängel der Umlage werden bekannt: Zusatzgewinne, weil Mengen billig gekauft wurden. Lücken im Gesetz.  Vgl. HB Nr. 167, 30.8.22, S.4f. Die Gasumlage sollen nur Unternehmen bekommen, die in Existenznot sind (auch Bindung an Boni - Verzicht). Das Prinzip der Gasumlage ist wie folgt: Die Gasanbieter verkaufen Ersatz für russisches Gas zu hohen Preisen. Gasimporteure (z. B. Uniper) müssen teures Gas zu vertraglich vereinbarten Preisen verkaufen, Mehrkosten bleiben. Sie bekommen einen Ausgleich für hohe Preise. Verantwortlich dafür ist die Trading Hub Europa. Sie errechnet für den deutschen Gasmarkt die Gasumlage und erhebt sie von Lieferanten (z. B. Stadtwerke). Die verkaufen Gas zu vertraglich vereinbarten Preisen. Die Endkunden zahlen an die Gaslieferanten die Gasumlage. Vgl. Der Spiegel Nr. 36/ 3.9.22, S. 25. Vgl. auch: Bardt, Hubertus: Gaspreisumlage: zu viele Ziele, in: Wirtschaftsdienst 9/2022, S. 661. Im September 2022 ist noch unklar, ob die Gasumlage kommt. Wenn Uniper verstaatlicht werden sollte, wird sie wohl in dieser Form nicht nicht einführbar sein. Sie wird ganz fallengelassen.

Gaspreisbremse: Die Gasumlage wird gekippt. Große Gasimporteure werden unter staatliche Treuhand gestellt oder verstaatlicht, um die Energieversorgungssicherheit zu gewährleisten. Die genaue Funktionsweise der Gaspreisbremse ist noch unklar (Expertenkommission, Kommission "Gas und Wärme", Veronika Grimm, Empfehlungen 10.10.22). Bis Mitte Oktober soll ein Gesetz fertig sein. Die Bremse wird über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds finanziert (200 Mrd. €, ursprünglich Schutzschild gegen Corona; "Doppel-Wumms" genannt). Das Geld soll auch für eine Strompreisbremse verwendet werden. Da ein Schattenhaushalt bereit steht, soll die Schuldenbremse eingehalten werden. Hinzu kommt eine Mehrwertsteuersenkung auf Gas (vom 1.10.22 bis 31.3.24  7%). Für 2022 kommt im Dezember eine Abschlagszahlung als Hilfe staatliche Einmalzahlung). Ab März 2023 bis Ende April 2024 werden 80% des Gasverbrauchs (bei firmen ab Januar 2022 70%)  staatlich gestützt, so dass bis zu dieser Obergrenze subventioniert wird (Kosten 90 bis 95 Mrd. €). Die restlichen 20% werden nach dem aktuellen Marktpreis bewertet. Kritiker befürchten Fehlanreize und eine Anheizung der Inflation. Vgl. Sinn, H.-W.: Die ökonomischen Kollateralschäden der Gaspreisbremse, in: WiWo 41/ 7.10.22, S. 41. Über die Umsetzung der Kommissionsvorschläge muss die Bundesregierung entscheiden. Dazu gehört auch eine europarechtliche Prüfung. Die Bundesländer fordern, dass die Maßnahmen schon im Januar 2023 wirken sollen (insbesondere für die Unternehmen). Der Bundeskanzler lässt das prüfen. Wahrscheinlich wird die Entlastung von den Strompreisen ab Januar 23 kommen, von den Gaspreisen erst ab März 23.Der Bundestag beschließt am 21.10.22 grundsätzlich das Paket in seiner Finanzierung (konkrete Aspekte bleiben offen, vor allem Verteilung zwischen Bund und Ländern). Scholz will eine frühere Gaspreisbremse prüfen lassen. Am 27.10.22 bringt die Regierung die Soforthilfe auf den Weg (Übernahme der Abschlagszahlung für Dezember 22 für private und gewerbliche Kunden). Ende Oktober legt die Kommission "Gas und Wärme" ein weiteres Gutachten vor. Ein Härtefallfonds wird empfohlen. Die Unternehmens-Unterstützung soll an Bedingungen geknüpft werden (Standorterhaltung, Arbeitsplatzsicherung). Sie wird nicht ab Januar empfohlen (ab Februar 22 wird geprüft, sie kommt dann ab Januar 23, wird später rückwirkend ausgezahlt). Weil Schnelligkeit vor Gründlichkeit gibt, sind Mitnahmeeffekte eingerechnet. Die Animation zum Energiesparen hält sich in Grenzen (80% des Gasverbrauchs werden gedeckelt, bei Unternehmen 70%). Die Unterstützungsmaßnahmen werden im Dezember 2022 auch auf Öl und Pelets/ Holz ausgeweitet. noch vor Weihnachten 22 soll ein Gesetz kommen. Auf einem Gipfel versucht auch die EU, eine europäische Lösung zu finden  (20./21. 10.22). Der deutsche Alleingang stößt auf Kritik. Deutschland verweist darauf, dass andere EU-Länder das gleiche machen (Frankreich, Italien, Spanien). Einem europaweiten Höchstpreis stimmt Deutschland nicht zu (dann könnte das Gas woanders hin gehen). Deutschland will eine Art Notfallplan oder einen Höchstpreis für einen Teil des Gases. Der Höchstpreis soll geprüft werden. Ein gemeinsamer Gaseinkauf wird beschlossen (insbesondere Unternehmen können sich zusammentun, Änderung des Wettbewerbsrechts). Im Dezember 2022 soll ein europaweiter Gaspreisdeckel beschlossen werden: "atmend" mit Bezug zum Weltmarktpreis. am 19.12.22 wird er beschlossen. Er soll bei 180 € liegen und je nach Bedingungen flexibel sein.

Stadtwerke in Not: Die steigenden Strom- und Gaspreise bereiten nun den ersten Versorgern Probleme. Die Unternehmen rufen die Politik um Hilfe. Es sind in der Regel Kommunalversorger. Als erste Stadt gibt Leipzig eine Finanzspritze von 150 Mio. €. Die Stadtwerke haben besondere Probleme mit dem Gaspreis, weil sie in der Regel nicht an der Börse kaufen.

2017 bohrt China erfolgreich nach Methanhydraten im Südchinesischen Meer. Dieses spezielle Erdgas könnte den Energiebedarf für Jahrtausende decken. Das tief im Meeresboden sitzende Gas ist schwer abzubauen. Entweicht Methangas in die Atmosphäre, ist es noch viel klimaschädlicher als CO2.

Gas-Sparen: Die Wirtschaft, aber auch die Haushalte, müssen Gas sparen. Sechs Faktoren spielen dabei eine große Rolle: 1. Lastenmanagement (Lastenprofil, Sparpotentiale). 2. Messkonzept (digital). 3. Beleuchtung. 4. Effiziente Elektromotoren. 5. Druckluft (95% gehen als Abwärme verloren). 6. Wärmeerzeugung. Vgl. WiWo 24/ 10.6.22, S. 22.

Bioethanol: Kraftstoff aus Pflanzen. In Skandinavien verwendet man dafür vor allem Abfall-Holz. In Brasilien und Europa wird Raps eingesetzt. In Argentinien verwendet man hauptsächlich Soja. In Deutschland ist Cropenergy der größte Produzent, eine Tochter von Südzucker. Die Firma ist auch eine der größten in Europa. Sie plant Stilllegungen wegen der hohen Gaspreise.  Sie arbeiten auch mit Zuckerrüben. Die Rentabilität der Produktion hängt von öffentlichen Subventionen ab (Staat, EU). Das Hinzufügen von Ethanol zu Diesel oder Benzin (Biokraftstoffe) sollte die Reduzierung der Treibhausgase beschleunigen.

Methanol: 2024 geht das erste Containerschiff bei Maers auf Fahrt, das mit Methanol angetrieben ist. Es sollen weitere folgen. Das könnte in Antriebsstoff der Zukunft sein.

Wasserstoff: Wasserstoff entsteht aus Wasser durch die Aufspaltung in Sauerstoff und Wasserstoff mithilfe von Strom. Der globale Wasserstoffrat tritt bei der G20-Tagung der Energieminister im Juni 2019 in Osaka auf. Dem Rat, der 2017 gegründet wurde, gehören 60 Konzerne an. Japan investiert zur Zeit am meisten in die Technologie. In Deutschland soll spezielle Zonen gefördert werden. Die Rhein-Neckar-Region gehört dazu. In den Niederlanden wächst 2020 die erste Wasserstoffökonomie der Welt. In Eemshaven sollen alte und neue Energienwelt mittels Wasserstoff verbunden werden. 2020 gibt es eine Vielzahl neuer, großer Projekte. Man spricht auch vom "neuen Öl". Folgende Wasserstoffprojekte sind angekündigt mit den Elektrolyseleistungen in Gigawatt: Australien (29,9); Europa (27,1; Deutschland darunter 1,6); Asien (5,5); Mittlerer Osten (4,4); Nord-/Südamerika 0,9; Afrika (0,1). Die größten Grünstrom-Wasserstoff-Projekte weltweit sind: North H2 Nordsee bei Groningen Niederlande 2027-2040); Asian Renewable Energy Hub, Pilbara Region Australien (2027); Jingneng Innere Mongolei China (2022); Neom Neom City Saudi-Arabien (2025); HyEx Antofagasta Chile (2024-30). In Europa hat Deutschland das umfangreichste Wasserstoffprogramm: 9,0 Mrd. €, vor Spanien (8,9), Frankreich (7,2), Italien (4,0). Vgl. WiWo 47, 13.11.20, S. 8. Deutschland will mit der Russischen Föderation beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft kooperieren. Wasserstoff ist als Energie nicht sehr effizient. Es gibt hohe Energieverluste. Wasserstoff hat ein Potential von 22% (direktes Stromladen 73%, Power to Treibstoff 13%). Es wird daher nur in einigen Bereichen eingesetzt werden (LKW?, Quelle: AEE 2020). Der Bund will die Wasserstofftechnologie 2021 mit 16 Projekten fördern. 2023 ist Europa im Geschäft mit Anlagen zur Wasserstofferzeugung Weltspitze. Doch China und die USA holen rasant auf. In der EU scheint die Bürokratie zu bremsen. Vgl. Der Spiegel 5/2023, S. 68. In der Erdkruste könnte jede Menge nutzbaren Wasserstoffs lagern. Vgl. FAZ 15.3.23, S. N1. Im Oktober 2023 sind die Pläne für ein gut 11.000 km langes Wasserstoff-Kernnetz fertig. Doch Wirtschaftsministerium und Betreiber von Gasfernleitungen streiten über die Finanzierung. 2024 kommt die Produktion nicht in Fahrt. Große Abnehmer zaudern.  Viele Projekte stehen auf der Kippe. Es gibt ein Kostenproblem in der Produktion. Vgl. Der Spiegel 25/ 15.6.24, S. 50ff.  Porsche und Siemens bauen im windreichen Süden Chiles ab 2020 die weltweit erste Fabrik für synthetische Kraftstoffe. Ab 2022 sollen 130.000 Liter davon produziert werden. Eine Pilotanlage existiert bei der Mineralölraffinierie Oberrhein GmbH & Co. KG in Karlsruhe. Mit Katar wird 2022 eine Energiepartnerschaft geschlossen (zuerst Flüssiggas, dann Wasserstoff). Auch mit den VAE schließt man 2022 ein Abkommen über Wasserstoff. Vgl. Grimm, Veronika: Wasserstoff - Handlungsbedarf und Chancen im Zuge der Energiekrise, in: Wirtschaftsdienst 3/ 2023, S. 174-178. China produziert und konsumiert als Weltmarktführer 30% des weltweiten Wasserstoffs, rund 33 Mio. Tonnen. Doch nur 3% werden aus erneuerbaren Energien gewonnen. Das soll sich ab 2023 ändern. Dei Anlagen für Grünen Wasserstoff entstehen in der Inneren Mongolei (es werden die beiden größten der Welt sein). 2060 will China klimaneutral sein. Vgl. Sieren, Frank: China to go, München 2023, S. 223ff.

Wasserstoff-Partnerschaften: Für die Klimaneutralität ist dieser Energiestoff unverzichtbar. Deutschland kann den Bedarf nicht alleine decken. Insofern muss Deutschland Partnerschaften eingehen. Dafür kommen folgende Länder in Frage: Ukraine, Australien, Chile, Island, Saudi-Arabien, Russland, Marokko. Deutschland unterstützt Chile in der Atacama - Wüste. Mit Australien hat man auch eine Kooperation. Die Niederlande kooperieren mit Island, um Wasserstoff nach Rotterdam zu bekommen. Marokko verfügt über große Windkraft- und Voltaik - Kapazitäten. 2022 schließt man Partnerschaften mit Katar und den VAE. Es folgt eine Partnerschaft mit Kanada. Wasserstoff soll grün sein (mit Strom aus alternativen Energien). 2022 startet ein Projekt mit Namibia. Wasserstoff soll aus der Wüste kommen. Dazu sollen Geistersiedlungen ehemaliger Diamantenbarone genutzt werden. Anfang Dezember 2022 reist Vizekanzler Habeck nach Namibia, um ein Abkommen zu schließen. Deutsche Firmen wollen in dem Land investieren (Eon, Hylron). Man meisten setzt man auf Wasserstoff aus Norwegen. Der Energiekonzern Equinor und die deutsche RWE sagen den Bau von Infrastruktur zu. Pläne für CO2-Speicherung sind umstritten.

Wasserstoff-Arten: Es gibt insgesamt 5 Wasserstoffarten (grau, blau, türkis, orange, grün, pink, weiß). Sie unterscheiden sich durch die Technik der Gewinnung (Ursprung). Man spricht auch von einem Wasserstoff-Regenbogen. Nur der Grüne Wasserstoff ist klimafreundlich, aber energieintensiv. Er wird mittels Strom aus Wind-, Wasser- oder Solarkraft aus Wasser gewonnen, das in einem Elektrolyseur in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Auch der Lila Wasserstoff ist klimafreundlich. Nachteile sind die Atomkraft und die Energieintensität. Mittels Atomstrom wird Wasser in einem Elektrolyseur in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Vgl. Fischer, Konrad u. a.: Grün ist die Hoffnung, in: WiWo 20/ 14.5.21, S. 14ff. Zwischen Deutschland und Frankreich gibt es im Februar 2023 einen Streit über nuklear gewonnenen Wasserstoff. Frankreich will ihn m EU-Gesetz als "grün" bezeichnen. Deutschland lehnt das ab. Frankreich droht mit einer Blockade der Wasserstoffpipeline aus Spanien (H2Med).

Blauer Wasserstoff: Wasserstoff aus Erdgas. Er kann nicht umweltfreundlich hergestellt werden.

Grüner Wasserstoff: Grüner Wasserstoff wird mit Ökostrom erzeugt und verursacht kaum CO2-Emissionen. Für seine Herstellung braucht man große Mengen Strom aus Wind, Sonne und Wasserkraft. Mit dem grünen Strom wird dann in einem Elektrolyseur Wasser aufgespalten: in reinen Wasserstoff, der aufgefangen wird, und in reinen Sauerstoff, der in die Atmosphäre entlassen wird. Der so gewonnene Wasserstoff kann gespeichert und in Tanks oder Pipelines transportiert werden. Er muss bis zu minus 250 Grad gekühlt und auf bis zu 700 Bar zusammengepresst werden. Mit grünem Wasserstoff kann man Brennstoffzellen betreiben. die ihn wieder in Strom umwandeln für Lastwagen und Flugzeuge. Man kann ihn auch in Fabriken einsetzen (Stahl). In grünem Wasserstoff steckt viel Potential. Die Top 10 (natürliche Ressourcen zur Herstellung von Wasserstoff) sind Norwegen, Großbritannien, Spanien, USA, Naher Osten, Nordafrika, Südafrika, Australien, China, Chile. Die Bundesregierung setzt auf Kooperation mit dem Milliardär Andrew Forster aus Australien. Vgl. HB Nr. 223, 17.11.21, S. 6f. Grüner Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Er soll auch massenhaft im arabischen Raum hergestellt werden. Das Problem ist der Transport nach Europa. 33% seiner Energie geht unter dem Strich verloren, wird grüner Wasserstoff  für den Transport in einem Überseeschiff verflüssigt. Vgl. Stölzel, T.: Das Problem, das aus der Kälte kam, in: WiWo 24/ 10.6.22, S. 70. Die Wirtschaft will 2022 grünen Wasserstoff umgehend im Raffineriesektor einsetzen. Umweltministerin Steffi Lemke sperrt sich. 2022 geht Deutschland ein Wasserstoff-Bündnis mit Kanada ein. Man will bei der Produktion von Wasserstoff zusammenarbeiten. Deutschland braucht neue Energielieferanten. Als beste Region wird Neufundland ausgemacht. Von dort ist der Transport nach Europa am einfachsten. Die EU will 2022 der Industrie vorschreiben, wann Wasserstoff als grün gelten darf. Damit könnte der Bereich tot reguliert werden. Vgl. Hülsen, Isabell u. a.: Von Brüssel totreguliert, in: Der Spiegel 36/ 3.9.22, S. 70f. Man muss noch viel in Terminals, Speicher, Pipelines investieren. Wasserstoff benötigen Raffinerien, die Chemie, Stahlindustrie. Es müssen zahlreiche Kavernenspeicher gebaut werden. Bei Wasserstoffleitungen kann man auf bestehende Leitungen zurückgreifen. Das erste Netz soll 2027 fertig sein. Vgl. Menn, Andreas: Zukunft sucht Leerrohr, in: WiWo 3/ 13.1.23, S. 64ff. Ab 2023 entsteht in Mauretanien (Nordwestafrika) die weltweit größte Produktionsanlage für grünen Wasserstoff. Ihre Kapazität soll der Leistung von 10 Atomreaktoren entsprechen. Mauretanien ist sehr sonnig (Solarenergie); zuerst soll nur exportiert werden. Deutsche Unternehmen sind beim Bau der Anlagen in Nordafrika (auch Marokko, Namibia) führend: Siemens, Thyssen Krupp, Linde, MAN. Die Bundesregierung subventioniert massiv den grünen Wasserstoff, auch beim Aufbau eines Verteilnetzes. Bis 2030 soll die Produktion verdoppelt werden. Aber zwei Drittel werden immer importiert werden müssen. 2024 wackeln die Wasserstoffpläne von ThyssenKrupp. Der grünen Transformation der Industrie droht der Infarkt. Jetzt suchen alle den Plan B. Vgl. WiWo 43/ 18.10.24, S. 14ff.

Herstellung von grünem Wasserstoff: Windräder und Solarmodule liefern günstigen Ökostrom. Damit wird Wasser in einem Elektrolyseur aufgespalten. Der dabei entstehende Wasserstoff wird aufgefangen. Um ihn transportieren zu können, erfolgt eine chemische Reaktion mit Stickstoff. Nun ist grünes Ammoniak entstanden. Es lässt sich gut in Tankern verschiffen. Vgl. Die Zeit Nr. 5/ 26.1.23, S. 19.

Investitionen in grünen Wasserstoff: 2022 240 Mrd. $ weltweit. 2023 320 Mrd. $. Die EU plant bei sich das größte Produktionsvolumen (vor Nordamerika und Lateinamerika). Vgl. WiWo 22/ 26.5.23, S. 8.

Neue Wasserstofftechnologien: Man kann theoretisch Wasserstoff herstellen - allein mithilfe von Luft und Sonnenlicht. Ein Schweizer Forschungsteam ist dieser Zukunftstechnologie einen Schritt näher gekommen. Bis zur kommerziellen Nutzung dürfte es noch dauern. Fotosynthese heißt das Prinzip. Man forscht darüber an der Uni Lausanne.

Wasserstoff - Elektrolyseur ohne Platin und Iridium: Hier setzt man auf die Rohstoffe Ruthenium, Silizium und Wolfram, die günstiger sind.

Wasserstoff-Straßen: Ende 2023 legt der Bundeswirtschaftsminister einen Plan vor. Es sollen zuerst Wasserstoff-Autobahnen kommen. Dann soll ein vollständiges Netz aufgebaut werden.

Energie-Partnerschaften: Zwischen Norwegen und Deutschland. Die Trasse heißt NordLine und ist eine der längsten Leitungen der Welt unter dem Meer. Sie dient dem Austausch überschüssiger Energie: Deutschland aus Offshore - Windkraft. Norwegen liefert Energie aus Wasserkraft, beides grün.  Eine weitere Partnerschaft besteht ab 2022 mit Kanada.

Kohle als Rohstoff: Seit dem Pariser Abkommen ist die weltweite Kohlekraftwerkskapazität stark gestiegen. 2021 stammen 30% der globalen CO2-Emissionen aus Braun- und Steinkohle. 49% aller Kohleunternehmen bauen ihr Geschäft aus. Die größten Produktionsländer sind China, Indonesien, Indien, Australien, USA. Die größten Verbraucherländer sind China, Indien, USA; Japan; Südafrika; Russland; Indonesien; Südkorea: Vgl. Woher kommt die Kohle? in: Die Zeit Nr. 8/ 17.2.22, S. 50. Kohle ist der einzige Rohstoff, den Deutschland im Überfluss hat. 7 Tonnen Quecksilber blasen alle deutschen Kohlekraftwerke pro Jahr in die Atmosphäre.

Kohle: Bei der Verbrennung von Kohle wird Wärme freigesetzt. Heute sind hier gravierende Effizienzsteigerungen möglich. Allerdings wird immer noch mehr klimaschädliches CO2 ausgestoßen. Es ist die weltweit verbreitetste Technik zur Erzeugung elektrischer Energie. Umstritten ist das Abfangen des CO2, um es in der Erde zu lagern. Durch den Mehreinsatz an Kohle in Deutschland infolge der Energiewende steigt 2012 in Deutschland erstmals seit langem der CO2-Ausstoß. Der Braunkohleabbau in Sachsen verschmutzt zunehmend die Spree. Eisensulfid färbt den Fluss braun. Der Spreewald ist in seiner Existenz gefährdet. Der Streit um Braunkohle verschärft sich. In Schweden wächst die Kritik am staatseigenen Vattenfall-Konzern wegen seiner ostdeutschen  Braunkohlekraftwerke (die Firma will sich von der deutschen Kohlesparte trennen). Am drastischsten zeigen sich die Folgen der Kohlenutzung in China. Wenn im Herbst die Hausheizungen dazu kommen (neben Kohlekraftwerken, mehr als die Hälfte des Kohleverbrauchs weltweit), steigt der Smog gefährlich an. Die Feinstaubbelastung legt Städte wie Peking und Harbin lahm. Überwachungskameras können nicht mehr genutzt werden, die Krankheitszahlen steigen, ebenso die Unfruchtbarkeit. Bis 2018 wird die einheimische Förderung der Steinkohle eingestellt, weil sie nicht mehr konkurrenzfähig ist. Anderswo kann Steinkohle im Tagebau gefördert werden (z. B. in Australien). 30 Firmen sind weltweit für die Kohleförderung verantwortlich. Die größten sitzen in China, Indien und den USA. 1600 Kohlekraftwerke werden 2017 neu gebaut oder erweitert. Das größte Kohleunternehmen in Europa ist RWE (allein 91 Mio. Tonnen Braunkohle pro Jahr, 2017). Deutschland fördert bald keine Steinkohle mehr. Der Hauptlieferant ist schon heute (2017) Russland. Neue EU-Grenzwerte für Schadstoffe könnten für ein früheres Abschalten von Braunkohlemeilern sorgen. Mit dem Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop schließt im Oktober 2018 die letzte deutsche Steinkohlezeche.  Der Hambacher Forst wird zu einem Symbol für den Kampf von Umweltschützern gegen die Kohleverstromung. RWE hat Abholzungspläne. Im September wird ein Tunnelsystem entdeckt. Die Baumhäuser werden im September 2018 geräumt von der Polizei. Das Oberverwaltungsgericht NRW in Münster entscheidet, dass der Energiekonzern RWE das Waldgebiet am Niederrhein vorläufig nicht abholzen darf (seltene Fledermausarten, Nachweis des Energiebedarfs). Ende des Jahres 2018 wird die letzte deutsche Zeche für Steinkohle geschlossen (Bottrop, Prosper-Haniel). Beim Braunkohle-Ausstieg können die betroffenen Bundesländer mit mehr Geld rechnen. Lützerath in NRW wird zum Symbol. Hier soll wegen der Energieknappheit durch den Ukraine-Krieg noch Braunkohle abgebaut werden. Umwelt-Initiativen versuchen, das zu verhindern. Mitte Januar 2023 wird die Räumung durchgeführt.  Den Chemienobelpreis 2021 bekommt der deutsche Chemiker Benjamin List. Er arbeitet am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim. Er bekommt den Nobelpreis für Methoden zur Beschleunigung chemischer Reaktionen (Katalysator mit Kohle).

Kohlekommission: Die große Koalition einigt sich im April 2018 in Meseberg auf die Einführung einer Kohle-Kommission. Die Geschäftsstelle wird im Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt. Vier Ministerien sind daran beteiligt (Wirtschaft, Umwelt, Arbeit, Innen). Im Gremium fehlen Vertreter der Opposition, was kritisiert wird. Die Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" soll neben der Ausstiegsplanung also auch den Strukturwandel der Kohleregionen behandeln. Die Kommission hat vier Vorsitzende. Außerdem gehören ihr 24 weitere Mitglieder an. Das Bundesumweltministerium lässt 2018 prüfen, ob eine vorzeitige Abschaltung von Kohlekraftwerken verfassungsrechtlich zulässig ist. Es soll ein Kohleausstiegsgesetz kommen. Die Kommission kündigt im Oktober 2018 ein Paket (Soforthilfeprogramm) für die Kohlereviere an (1,5 Mrd. €). Die Industrie verlangt für den Kohleausstieg mindestens zwei Milliarden Euro pro Jahr (Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, Januar 2019): Ausgleichszahlungen für die zu erwartenden Strompreissteigerungen. Der Entwurf für den Abschlussbericht liegt am 23.11.19 vor: Entlastung bei den Netzentgelten (Strompreis geht nach oben), offenes Ausstiegsdatum (2023 - 2030), Entlastung für die Kohleindustrie, Abfederung des Strukturwandels in den Kohlerevieren, was sehr teuer wird. Während der Sitzungen der Kohlekommission kommt es zu Demonstrationen von Schülern in Berlin.  Die Kommission legt am 26.01.19 eine detaillierte Konzeption für den Ausstieg vor: Bis 2038 soll Schluss sein. Der Strompreisanstieg soll für Haushalte und Unternehmen abgefedert werden. Die Kohleländer bekommen Fördergelder für den Strukturwandel (1,3 Mrd. € pro Jahr für 20 Jahre). Die Kohlebeschäftigten, die älter als 58 Jahre sind, bekommen Anpassungshilfen. Energieintensive Unternehmen (Chemie, Glas, Metalle, Papier) werden von den Kosten entlastet (CO2-Verschmutzungsrechte). Stilllegungen sollen entschädigt werden. Die entscheidende Frage dürfte sein, wie stark der Strompreis steigen darf. Das könnte die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland gefährden. Ganz wichtig ist auch, ob die 40 Mrd. € den Strukturwandel wirklich auslösen und umsetzen können. Im Sondierungspapier vom Oktober 2021 vereinbaren SPD, Grüne und FDP, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen. Der Ukrainekrieg und die Energieknappheit und Energiepreisexplosion als Folgen könnten wieder zu einer Verlängerung der Laufzeiten führen. die Grünen wollen 2023 den Braunkohleausstieg von 2038 auf 2030 festschreiben. SPD, FDP und die Ostländer sind dagegen.

Kohleausstieg: Die Bundesregierung und die betroffenen Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und NRW einigen sich im April 2019 auf ein Sofortprogramm für den Strukturwandel. Im ersten Schritt werden 100 Projekte in einem Umfang von 260 Mio. Euro gefördert. Im Mai 2019 gibt das Bundeskabinett die Hilfen für die betroffenen Regionen frei. Die CSU fordert einen Kohleausstieg bis 2030, um die Klimaziele zu erreichen. Die anderen (außer Bayern) Länder lehnen das ab. Das Gesetz zum geplanten Ausstieg aus der Kohle könnte bis Ende des Jahres 2019 beschlossen werden. Die vier Kohleländer (Saarland, NRW, Sachsen, Brandenburg) einigen sich auf den Kohleausstieg (Zeitplan, Entschädigungen; 2038 vorverlegen). Sowohl die Kraftwerksbetreiber als auch betroffene Regionen in den vier Bundesländern erhalten finanzielle Hilfen. Die EU gibt 877 Mio. € für den Ausstieg (Deutschland und Polen bekommen den Löwenanteil). Die Klimaschützer aus der Kohlekommission sprechen von Verrat. Sie meinen damit vor allem den Zeitplan.  In Deutschland werden noch im Juni 2020 die letzten Hürden für einen Kohleausstieg bis 2038 aus dem Weg geräumt. Milliarden Euro werden für die Umrüstung bereit gestellt. Es gibt auch hohe Entschädigungen für die Betreiber. Auch die EU prüft 2021 Entschädigungen beim Kohleausstieg. "Der russische Angriff auf die Ukraine und die Abhängigkeit der deutschen Energiewirtschaft von russischem Gas führen aktuell zu einer sehr angespannten Versorgungssituation, die sich im kommenden Winter noch verschärfen könnte. Auch mittelfristig dürfte der Importpreis für Erdgas deutlich oberhalb der historischen Werte liegen, wenn Europa sich von Russland unabhängig aufstellt. Diese Entwicklungen erfordern eine Neubewertung der deutschen Energiepolitik, unter anderem für die Energiewende im Stromsektor." Siehe Egerer, Jonas u. a.: Kohleausstieg 2030 unter neuen Vorzeichen, in: Wirtschaftsdienst 8/2022, S. 600-608. Ende April 2024 einigen sich dei G7 auf den Kohleausstieg bis 2035 (Ausnahme Deutschland bis 2038).  Polen bereitet 2020 auch den Ausstieg aus der Kohle vor. Bisher hatte die Regierung eine Restrukturierung verhindert aus Rücksicht auf die Arbeitsplätze der Bergleute. Dabei machen die Gruben seit Jahren Miese. Griechenland plant den früheren Kohleausstieg. Man setzt verstärkt auf klimaneutrale Wasserstoff-Produktion. NRW ist auch bereit zum früheren Ausstieg aus der Kohle (schon im Jahr 2030, neuer Ministerpräsident Hendrik Wüst). Die Ampelkoalition stellt in ihrem Vertrag auch einen Ausstieg schon 2030 in Aussicht. Tatsächlich endet der Kohleabbau (Steinkohle) 2030. 2020 war Deutschland noch das zweitgrößte Förderland  an Braunkohle hinter China und vor Russland. Bei den Reserven liegen Russland und Australien weit vor uns. Bei Braunkohle wollen die Grünen auch auf 2030 gehen. 2024 wachsen die Zweifel am Kohleausstieg 2030. Vgl. Der Spiegel 38/ 14.9.24, S. 57.

Pflanzenkohle: Pflanzenkohle wird aus Pflanzenresten wie Holzabfällen, Grünschnitt, Stroh, Weihnachtsbäumen oder Überbleibseln der Lebensmittelproduktion gemacht. Pflanzenkohle lässt sich vielseitig nutzen. Auf Ackerböden kann sie Kunstdünger einsparen. In der Bauindustrie kann  sie andere Stoffe ersetzen. Vgl. Der Spiegel 4/ 20.01.24, S. 93.

CO2 als Rohstoff: Neue Technologien versuchen, daraus Rohstoffe für Alltagsprodukte zu machen. Es gibt auch Versuche, daraus in Verbindung mit Wasserstoff Benzin und Diesel zu entwickeln. Daraus könnten auch Speicher für Grünstrom angelegt werden. Es könnte als Futter für Mikroben verwendet werden. Weiterhin kann es Treibstoff für Gewächshäuser und künstliche Blätter sein.

Grüner Kohlenstoff: Gewinnung von CO2 aus der Luft. Den Grundstein dafür legte 1777 der Apotheker Wilhelm Scheele. Er experimentierte mit Biene und Kalkwasser. Die Technik ist immer noch sehr teuer. Es geht um den Grundstoff für synthetischen Sprit. Damit könnten Emissionen vermieden werden. Vorreiter ist Climeworks in Hinwill bei Zürich in der Schweiz (auch die Firma Carbon Engineering). Carbon Dioxide Air Capture-Technology.

Müll als Recycelmasse: Immer noch gelangt ein Großteil des Elektromülls nach Afrika. In Nigeria oder Ghana gibt es riesige Müllhalden mit Computern, Handys und Waschmaschinen. Die Umwelt dort und die in der Nähe lebenden Menschen werden schwer belastet und geschädigt. Noch 2012 wurden 155.000 t Elektroschrott aus Deutschland ins Ausland gebracht. Die Basler Konvention sieht eigentlich vor, dass dieser Schrott im Heimatland recycelt werden muss. Weltweit fallen ca. 20 bis 50 Millionen Tonnen Elektroschrott an. Die größte Elektroschrotthalde der Welt  liegt in Ghana. Es ist Agbogbloshie. Die Einheimischen sehen es als Entwicklungshilfe. Aber der Schrott macht krank. Er ist verbotswidrig gegen die Baseler Konventionen von 1992 exportiert worden.  Ein besonderes Problem stellt der Plastikmüll dar, vor allem der schwimmende Plastikmüll in unseren Meeren. Forscher errechneten eine Gesamtmenge von 269.000 t Plastik im Meer 2014. Die Bundesregierung will 2015 dafür sorgen, dass der Handel Elektroschrott zurücknehmen muss. Das wäre eine wichtige Quelle für Rohstoffe. 3,5 Mio. Tonnen Müll produziert die Weltbevölkerung jeden Tag. 2025 werden es voraussichtlich 6 Mio. t sein. Bis 2100 würde sich der Müllberg verdreifachen. In Carbage City wird der Abfall Kairos gesammelt und recycelt von koptischen Christen. Das betrifft 80% des Mülls, der Rest wird verkauft.

Nano - Materialien: Nano bedeutet sehr klein. Die vielen Verfahren zur Herstellung von Nano - Materialien werden unter dem Stichwort Nanotechnologie zusammengefasst. Sie werden in Dingen des täglichen Lebens eingesetzt. Wo landen sie aber? Wie gefährlich sind sie? Wir wissen darüber noch so gut wie nichts.

Sonne: Man entwickelt Versuchsreaktoren, die nach dem Vorbild der Sonne arbeiten sollen. In Südfrankreich entsteht der Versuchsreaktor Iter. Die Kernfusion soll eine Stromquelle werden, die nie versiegt. Sie braucht nur geringe Mengen atomaren Abfalls.Die sonn eist der größte Energielieferant. Um die Strahelnenergie der Sonne direkt zu gewinnen, gibt es zwei Möglichkeiten: Photovoltaikanlagen und solarthermische Kraftwerke.

Flächenverbrauch: Zwischen 2009 und 2012 wurde in Deutschland jeden Tag im Schnitt eine Fläche von 74 Hektar verbraucht, insbesondere für Gebäude und Verkehrsprojekte. Auch 2013 wird der Flächenverbrauch noch 45 Hektar pro Tag betragen (weit über der geplanten Grenze von 30). Dadurch geht wertvoller Boden für die Agrarproduktion verloren (Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung, BBSR, 2014). Lange Zeit war es in Mode, ein Häuschen im Grünen am Stadtrand zu besitzen. Heute droht manchen Vierteln die Vergreisung. Sehr umstritten ist der Flächenverbrauch in Naturschutzgebieten, die touristisch genutzt werden können. In den Alpenregionen von Deutschland, die in Bayern liegen, kommt es immer wieder bei Skiliften, Bescheiungsanlagen zu Konflikten mit geschützten Berggebieten (z. B. Balderschwang, Obermaiselstein).

Vom Gas und Öl zum Endprodukt: Die chemische Industrie arbeitet mit Wertschöpfungsketten, die später zu Endprodukten führen. 1. Methanol: Düngemittel, Harze, Leime, Polymere, Sprengstoffe. Baustoffe, Kunststoffe, Landwirtschaft. 2. Ethylen: Polymere, Polyole, Copolymere. Baustoffe, Beschichtungen, Kunststoffe, Textilien, Verpackungen.  3. Propylen/ Propan: Fasern, Polymere, Schäume, Superabsorber. Automobilindustrie, Baustoffe, Beschichtungen, Kunststoffe, Textilien. 4. Butan: BDO, NMP, Gummi. Dichtungen, Hochleistungskunststoffe, Reifen, Textilien. 5. Benzol: Fasern, Garne, Harze, Polymere. Baustoffe, Kunststoffe, Teppiche, Textilien. 6. p-Xylol: PET, PBT.  Kunststoffe (z. B. Mineralwasserflaschen und Zahnbürsten). Quelle: VCI; Freytag, Bernd: Ohne Gas nichts los, in: FAZ Nr. 75, 30.3.22, S. 21.

 

Ressourcen II (Nahrung, Lebensmittel, Wasser, Integrated Water Resources, Wald, Bäume, Landwirtschaft, Nutztiere, Tiere insgesamt, Ernährung)

"In unserem Verhältnis zur Natur zeigt sich die ganze Anmaßung menschlichen Wirtschaftens. Indem der Mensch die natürlichen Systeme seinem Bedarf unterwirft, reduziert er ihre Vielfalt, macht sie verletzlicher und braucht einen immer größeren Aufwand, um sie zu stabilisieren. Menschliche Systeme sind nicht nachhaltig und müssen notgedrungen zusammenbrechen, wenn wir nicht lernen, sie umzubauen", Maja Göpel, in: Dieselbe: Unsere Welt neu denken, Berlin 2020, S. 53f.

Brot: Brot ist ein Symbol der Kultur. In der christlichen und jüdischen Kultur ist es ein Symbol für Geburt, Wiedergeburt und Transformation. So war es auch schon im alten Ägypten vor Christi Geburt. Deshalb wird es auch beim Abendmahl gereicht. Es ist allgemein in unserer Kultur ein Grundnahrungsmittel. Es steht auch für das Sesshaftwerden der Menschen. Mit der Sesshaftigkeit in Mesopotamien kam der Getreideanbau und dann die Transformation zum Brot. Nicht genug Brot zu haben bedeutete Armut. So gründete F. W. Raiffeisen den Brotverein, um Bauern bei Missernten zu helfen. In Ulm steht das deutsche Brotmuseum, das diese Geschichte auch aufzeigt.

Gewürze: An diesem Beispiel kann man sehr schön sehen, wie sich die Beutung von Rohstoffen in der Geschichte wandelt. In der Antike waren Gewürze teilweise so wertvoll wie Gold (Pfeffer, Nelken, Zimt, Muskat). Im Römischen Reich kamen viele Gewürze auf der Gewürzstraße aus dem Fernen Osten nach Europa. Venedig wurde durch den Gewürzhandel groß. Mit der Entdeckung Amerikas kamen neue wertvolle Gewürze (Vanille, Paprika, Chili). Weltweit steigt die Nachfrage nach dem Edelgewürz Vanille. 80 Prozent der weltweit geernteten Vanille kommt aus Madagaskar (deutsches Unternehmen Symrise). Im 13. Jahrhundert kam die Gewürzpflanze Safran über Spanien in die Pfalz. Safran galt schon immer als Kostbarkeit. In den griechischen Bergen plündern illegale Pflücker die dort wachsenden Gewürz- und Arzneikräuter. Es ist ein Salbei-Schmuggel entstanden. 2021 boomt der Gewürzmarkt wieder. eingeführt nach Deutschland werden vor allem Pfeffer, Ingwer und Paprika. Corona hat dem heimischen Kochen weiteren Schub gegeben. Es bilden sich auch viele Start-ups, die auf junge Käufer zielen. Im Herbst 2021 kann die Gewürzindustrie die Nachfrage in Deutschland kaum bedienen. Es gibt Lieferengpässe, gestiegene Transportkosten und schwierige Witterungsbedingungen in den Produktionsländern.

Zimt: Das Gewürz stammt aus Indien. Man benutzte es dort ursprünglich als antiseptisches Heilmittel. Damit wurde auch Vasco da Gama geheilt, als er nach der Entdeckung Ceylons (Indien) mit Fieber im Bett lag, Damit wurde die legendäre, medizinische  Heilwirkung auch den Europäern bekannt. So entstand eine große Nachfrage nach dem Gewürz auf den europäischen Kontinent. Es wird zum Symbol für Wagnis und Wandel. Das ist noch heute in den Zimtsternen enthalten, dei zuerst in Schwaben gebacken wurden.

Senf: Der Senfpreis steigt 2022 um 14%. Hauptlieferanten von Senf-Körnern sind Kanada und Russland. Russland ist mit einem Handelsembargo belegt. Besonders in Frankreich kommt es zu einem Senf-Notstand.

Salz: Salz hat viele Verwendungszwecke: Wasserenthärtung, Nahrungsmittel, Futtermittel, Industrie (Farben, Waschmittel). Die größten Salzproduzenten sind China, USA, Indien. Methoden der Salzgewinnung in europa sind: Verdunstung von Meerwasser, durch Bergbau, durch Eindampfen von Sole. 2021 gibt es einen Streit darüber, ob Salz aus Bergwerken das Bio-Siegel bekommen darf. Vgl. Rohwetter, Marcus: Lobbyschlacht ums Salz, in: Die Zeit Nr. 1, 30. Dezember 2021, S. 30.

Safran: Es ist das teuerste Gewürz der Welt. 2019 kostet ein Kilo 30.000 €. Es wird aus den Blüten des Safran-Krokus gewonnen. Für ein Kilo braucht man 150.000 bis 200.000 Blüten. Die Pflanze ist steril und kann nicht gezüchtet werden. Man muss mit Tochterknollen arbeiten. Seit 3500 Jahren wird die Pflanze kultiviert (ursprünglich aus Griechenland).

Anis: Eine Gewürz- und Heilpflanze, die ursprünglich aus Nordasien kommt. Sie wurde nachher in Kroatien und Albanien angepflanzt. Sie wird heute überwiegend zur Getränkeherstellung (Pastis, Ouso, Raki) oder in Brot- und Backwaren verwendet. 

Weißer Trüffel: Er ist sehr wertvoll, weil knapp. Er wächst vor allem im Piemont in Italien. Infolge des Klimawandels leidet der Piemont aber unter Trockenheit. Deshalb wächst der weiße Trüffel immer schlechter. Die Preise  steigen, die Konkurrenz unter den Sammlern nimmt zu. Vgl. Der Spiegel 8/ 18.2.23, S. 76f.

Wein: Die weltgrößte Anbaufläche hat Spanien. Auf dem zweiten Platz folgt schon China vor Frankreich. In China gibt es überwiegend Weinfabriken, die dazu hauptsächlich in Gebieten produzieren, wo Öl-Raffinerien sind. In Deutschland hat RLP die größte Anbaufläche (ca. 70% des deutschen Weinanbaus). In RLP ist Rheinhessen flächenmäßig die größte Weinbauzone. Weingüter und Weinberge werden zunehmend als Investition von Reichen gesehen. Zur Zeit ist Südafrika angesagt. Aber auch Güter in Frankreich sind begehrt. Die Chinesen trinken mehr deutschen Wein (2017 4 Millionen Liter, ein Viertel mehr als 2016). Hinzu kommt noch Hongkong, wo es auch einen deutlichen Anstieg gab. Deutschland ist das Land mit dem größten Wein-Import in der Welt. Die Menge beträgt 15,2 Mio. Hektoliter. 2020 soll in Deutschland ein neues Weingesetz kommen. Es soll Herkunftsprofile schärfen. Es kommt eine stärkere Herkunftsprofilierung.

Wirkungen Alkoholkonsum: Medizinisch ist völliger Alkoholverzicht wohl am gesündesten. Sozial kann Trinken ein effizienter Signalmechanismus sein. Es kann als vertrauensbildende Maßnahme interpretiert werden (Haucap/ Herr, Düsseldorf). Je erfolgreicher Menschen sind, desto trinkfreudiger sind sie. Das gilt besonders für Frauen.

Bier: 2017 wurde in Deutschland so wenig Gerstensaft abgesetzt wie noch nie zuvor. Die Brauereien reagieren darauf mit immer neuen Produkten. Der Export konnte den sinkenden Bierdurst nicht ausgleichen. Einer der Gründe ist die demographische Entwicklung. 2020 gibt es einen Boom bei alkoholfreien Bieren. Die Produktion in Deutschland hat sich binnen zehn Jahren verdoppelt (75 Unternehmen, 4,2 Mio. Hektoliter). Zuerst wird Bier im Gilgamesch - Epos bei den Sumerern erwähnt. Also gibt es schon Bier im 18. Jahrhundert vor Christus in Mesopotamien. Im Epos kommt Bier in Verbindung mit Sex und Brot vor. Später beschreibt Xenophon in seiner Anabasis das Bier. Alltagsgetränk ist das Bier auch bei den alten Ägyptern. Im frühen Mittelalter verbreiten irisch-schottische Mönche die Kunst des Brauens. Die Klosterregel des Heiligen Columban erwähnt um 600 den Konsum von Bier in Klostergemeinschaften. Klöster zahlen meist keine Akzisen und sind den Steuereintreibern ein Dorn im Auge. Mit der Säkularisierung vieler Klöster entstanden weltliche Unternehmen: z. B. die Münchener Paulanerbrauerei (vom 17999 aufgehobenen Paulaner - Kloster). Die meisten Brauereien in den USA waren deutschstämmig: Busch, Annheuser, Stroh, Papst. Durch die Prohibition entstehen hier die alkoholarmen Biere (near beer, Craft-Biere). Vgl. Krauser, Daniel: Das gottgewollte, kühle Helle, in: Rheinpfalz am Sonntag, 13.2.22, S. 19. Bier ist ein energieintensives Produkt. Ist Craft - Bier bald ein Luxusgut? Der Bierkonsum geht seit der Corona-Pandemie zurück.

Whiskey: Die Exporte der USA in die EU brechen 2019 ein. Das ist eine Folge der US-Handelspolitik mit Strafzöllen und Retorsionszöllen. Die Importe aus Schottland könnten bei einem harten Brexit auch stark betroffen sein. Nach dem Handelsabkommen zwischen Japan und der EU hoffen die japanischen Whiskey-Produzenten auf Aufwind. Positive Folgen zeigen sich schon bei Sake (Reiswein).

Kakao: Der Samen des Kakaobaums wird genutzt.  Die Pflanze kommt aus Südamerika. Als Columbus Amerika entdeckte, waren die Kakaobohnen dort auch Zahlungsmittel. In der Sprache der Ureinwohner hieß der Stoff Xocoatl, woraus unser Begriff Schokolade entstand. Schokolade schmeckte erst mal nicht, bis man später Honig und Zucker dazu gab. Leider werden in der Kakao-Wirtschaft Millionen Kinder eingesetzt (Ghana, Elfenbeinküste). Die großen "Nachhaltigkeitssiegel" messen das nicht. Kakao wurden schon von den Olmeken in Mexiko genutzt, die flüssige Schokolade schlürften. Das war um mehr als 1000 Jahre vor Christus. Die Azteken und Maya tranken Kakao mit Chili, Wasser und geröstetem Mais. Das Gemisch hatte eine zeremonielle Bedeutung. Papst Gregor XIII. bestimmte im 16. Jahrhundert, dass Kakao in der Fastenzeit erlaubt sei, da es flüssig war. Heute gibt es auch in Expeditionen viel Schoko, wegen der Kalorien. Man versucht auch immer mehr noch gesündere Schokolade zu entwickeln (Algenschokolade, Proteinpralinen). Schokolade bleibt aber ein Genussmittel. Die besten Bohnen kommen heute aus Süd- und Mittelamerika sowie der Karibik. Insofern ist eine "Siegelfixierung" gegen Schokolade aus Westafrika gar nicht notwendig. Ein Virus bedroht 2018 viele Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste. In der Kakao -Ernte und -Produktion werden häufig Kinder eingesetzt. So auch in Ghana. Zusammen mit der Elfenbeinküste werden 60% des weltweiten Kakaos produziert. Andere Anbauländer sind Ecuador, Brasilien, Nigeria, Kamerun, Indonesien, Papua-Neuginea. Ein höherer Kakao-Preis könnte die Kinderarbeit verhindern (gesetzlich verboten, aber nicht durchsetzbar). 2021 ist der Rohstoffpreis relativ niedrig. Er reicht nicht für die Existenzsicherung. 2023 geht der Preis steil nach oben. Grund ist ein zunehmender Verbrauch bei gleichzeitig gedämpften Ernteaussichten in wichtigen Anbauregionen. Die Schokolade ist aber kein Grundnahrungsmittel, sondern orientiert sich am Preis. Vgl. auch WiWo 32/ 4.8.23, S. 8.  2024 ist der Kakaopreis auf astronomischem Niveau (7300 € pro Tonne). Schlechte Ernten (Dürren, Starkregen) treiben den Preis. Doch auch langfristig werden die Kakaoprodukte wohl teurer werden. Vgl. FAZ 13.3.24, S. 23. Der Kakao für Deutschland kommt weitgehend aus Westafrika: Cote d`Ivoire, Ghana, Nigeria. Deutschland ist weltweit der größte Produzent von Kakaoprodukten. Vgl. WiWo 14/ 28.3.24, S. 10. Weltweit der der Vertrieb von Kakaobohnen und -butter über drei Firmen: Callebaut/ Schweiz, Cargill/ USA, Olam/ Singapur.

Kaffee: Die größten Kaffeeunternehmen der Welt sind Nestle/ Schweiz, Starbucks/ USA und JAB/ Reimann/ GB, Deutschland. Der Welt-Kaffee-Markt wird von einem Oligopol beherrscht. 2017 steigen die Kaffeepreise deutlich an. Schuld sind Wettextreme, die Ernten mindern. In Zukunft wird bei zu viel oder zu wenig Regen durch den Klimawandel die Qualität des Kaffees leiden. Im September 2019 sinkt der Preis für Rohkaffee auf 96,07 US-Cent (niedrigster Preis seit 2005). Es gibt weltweit ein Überangebot an Bohnen. Die Kaffee-Bauern sind in Existenzangst. Es gibt keine Extravergütung mehr für Bioware. Im Februar 2023 senken die großen Handelsketten die Preise. Die größten Anbauländer sind Brasilien, Vietnam, Kolumbien, Indonesien, Äthiopien, Uganda, Indien, Honduras, Peru, Mexiko (Rangfolge nach Erntemenge). 2023 werden die meisten Lebensmittel immer teurer (das hält sogar die Inflationsrate hoch). Die Kaffeepreise dagegen sinken deutlich. Was steckt dahinter? 2022 ist Brasilien mit Abstand das wichtigste Herkunftsland mit 422. 000 Tonnen. Es folgen Vietnam, Italien, Peru, Äthiopien, Uganda, Kolumbien, Indien, Indonesien. 2024 kommt Kuba neu auf den Weltmarkt. Lavazza aus Italien will neue Bioplantagen erschließen. Auch 2024 steigt der Absatz, genauso sein Preis. Vor allem in China und Japan wird Kaffee immer beliebter. Dort trinkt man fast genauso viel wie in Europa.    Statistisch trinkt jeder Deutsche 3,4 Tassen täglich. Weltweit werden täglich 1,4 Mrd. Tassen Kaffee ausgeschenkt. Als Land stehen die USA an der Spitze. Die zwei dominierenden Sorten sind Coffea arabica und Coffea Robusta. Der Kaffee leidet sehr unter dem Klimawandel. Bedroht sind besonders die Schwerpunktländer Madagaskar und Tansania. Die größten Kaffee-Exporteure sind Brasilien und Vietnam. Beim Kaffeekonsum ist Finnland Spitzenreiter (12,1 Kilogramm pro Kopf und Jahr). In Triest/ Italien gibt es eine Kaffee-Universität der Firma Illy. Es geht um guten Espresso und den richtigen Milchschaum. Durch die Corona-Krise steigt der Kaffeepreis stark an. Deutschland ist Weltmeister im Kaffeerösten. Die deutsche Kaffeeindustrie leidet 2021 unter den Folgen der Havarie am Suezkanal. Bei Melitta kommt noch hinzu, dass Filterkaffee-Maschinen in Shenzhen gefertigt werden und Container fehlen. Die medizinische Wirkung von Kaffee ist umstritten. Positive Wirkung: Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankung, Typ-2-Diabetes und Leberkrebs. Negative Wirkung: Koffein fördert die Ausscheidung von Kalzium (schlecht für die Knochendichte). 2022 ist in Deutschland soviel Kaffee getrunken worden, wie nie zuvor. Er ist das beliebteste Getränk vor Mineralwasser und Bier. Feinschmecker preisen die Kaffeesorte "Kopi Luwak" als exotische Delikatesse. Doch hinter dem teuren Kaffee verbirgt sich Tierquälerei. Denn die Kaffeebohnen müssen von einer Katzenart vorverdaut werden (Schleichkatze, Musang). Stiftung Warentest kritisiert im Oktober 24 die mangelnde Transparenz bei Herkunft von Filterkaffee. Das Aroma sei weitgehend gut.

Tee: Der Teeverbrauch erreicht 2016 einen neuen Rekord (19.220 Tonnen; 28 Liter pro Kopf). In Deutschland führen die Ostfriesen, in Europa die Briten. Deutschland ist eine wichtige Handelsdrehscheibe. Der meiste Tee wird aus China und Indien importiert. Global ist Tee das beliebteste Getränk der Welt. China ist 2017 wieder das größte Teeanbauland der Welt vor Indien. Dort in Assam ist das größte zusammenhängende Teeanbaugebiet der Welt. Dort wächst Tee auch natürlich, wie sonst nur in Yunnan und Sichuan (China). Die zweite berühmte Teeregion in Indien ist Darjeeling. 2017 wurden weltweit 5,7 Mio. Tonnen Tee produziert. Größter Produzent war China mit 2,5 Mio. Tonnen. Nach Deutschland wurde 2017 Tee aus 63 Ländern importiert. Der meiste kam aus Indien, vor China und Sri Lanka. Der weltweit größte Exporteur ist Kenia. In der Türkei ist Tee Nationalgetränk. Rize ist das Hauptanbaugebiet.

Grobgetreide: Hierzu gehören Gerste, Hirse und Hafer. Sie sind die Nummer eins auf den Feldern der Welt (1329 Mio. Tonnen 2016). Danach kommen Weizen (745 Mio. t) und Reis (484 Mio. t). 2021 steigen die Getreidepreis ein einsame Höhen. Es gibt historische Preisausschläge. Die Preise dürften auf die Verbraucherpreise durchschlagen.

Einjährige Sorten und ausdauernde Arten: Die Pflanzenzucht hat sich über Jahrtausende auf einjährige Sorten konzentriert. In der Natur sind aber ausdauernde Arten viel häufiger. sie könnten die Landwirtschaft nachhaltiger machen. Dann müsste man aber gegen die Routinen der Agrarindustrie handeln. Mehrjährige Getreidepflanzen haben mehrere Jahre Zeit, um ihr Wurzelwerk auszubilden. Diese Geflechte können Erosionen aufhalten, Symbiosen eingehen und Nährstoffe effizient nutzen.

Weizen: Zum zweiten Mal in diesem Jahrzehnt wird die weltweite Getreideernte nicht reichen, um den weltweiten Bedarf zu decken. Das erwarten sowohl die UN-Welternährungsorganisation FAO als auch der Internationale Getreiderat IGC in London. Im Agrarjahr 2018/19 werden demnach 30 Millionen Tonnen mehr verbraucht als geerntet werden. Ursache ist die letzt - jährige Dürre in weiten Teilen Europas, die einen Rückgang der Getreideernte in der EU und Russland zur Folge hatte. Das letzte globale Getreide-Defizit gab es im Agrarjahr 2012/13 als die US-Farmer unter den Folgen einer mehrjährigen Dürre litten. 2019 war die EU der größte Exporteur von Weizen (33,5 Mio. Tonnen, 18% weltweit). Dann folgt Russland, mit etwa dem gleichen Anteil. Die Nachfrage war auf Rekordniveau. In der EU profitiert Frankreich am meisten. 2021 wird Hartweizen stark teurer. Es droht ein Nudelnotstand. Die Ukraine ist so was wie die Kornkammer der Welt. Nach dem Angriffskrieg der Russen droht ein Notstand. Deutschland kauft ca.50% seines Weizens aus Tschechien. Der Rest kommt aus Deutschland (wir exportieren auch noch). Die Ukraine exportiert 24,5 Mio. Tonnen Weizen jährlich. Noch höher ist der Export von Russland: 33,5 Mio. Tonnen. Die wichtigsten Abnehmerländer sind Ägypten, die Türkei, Bangladesch und Nigeria sowie Jemen. Im März 2022 explodiert der Preis aufgrund des Ukrainekriegs. Bei der Produktion von Weizen führt weltweit China vor Indien und Russland sowie den USA. Einen hohen Anteil am Weizenimport aus der Ukraine haben: Eritrea 47%, Somalia 48%, Madagaskar 24%, Äthiopien 26%. Ägypten importiert 80% seines Weizens aus der Ukraine und Russland. Die EU will den Weizenanbau auf ihrem Gebiet erhöhen. In Deutschland gehen noch 9% des Getreides in die Energieerzeugung oder Treibstoffbeimischung und rund 60% werden an Tiere verfüttert. Die EU will Stilllegungsflächen umwidmen. Im Mai 2022 erlässt Indien einen Exportstopp für Weizen. Als Begründung nennt man die aktuelle Hitzewelle. Das verschärft die Situation auf dem Weltmarkt. Am 16.5.22 erreicht der Preis die Rekordmarke von 455 Euro pro Tonne (vor einem Jahr 200). 20 Mio. Tonnen lagern in der Ukraine, die wegen des Krieges nicht exportiert werden können. Der Seeweg ist von Minen oder der russischen Armee blockiert. Man versucht, Landwege aufzubauen (Bahn, Lastwagen). Die Türkei versucht, Transporte von Odessa aus zu ermöglichen. Die Missernten 2022 in Frankreich, Italien und Spanien aufgrund der Trockenheit durch den Klimawandel verschärfen die Knappheit. Am 22.7.22 können Russland und die Ukraine ein Abkommen über Weizenexporte aus der Ukraine abschließen. 2023/24 dürfte der Weizenertrag in der Ukraine um -21% sinken. Das ist eine Folge des Krieges. Dei Ukraine ist Europas Kornkammer.  Durch die Corona-Krise steigt der Weizenpreis stark an.

Hafer: Hafer enthält den Ballaststoff Beta-Glucan, der den Blutzucker und den Cholesterinspiegel senkt und Entzündungen hemmt. Der Verzehr des Korns beugt Diabetes und anderen Zivilisationskrankheiten vor. Im Hafer stecken auch viele Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Es ist vielleicht das gesündeste Getreide überhaupt. Vgl. NZZ 8.5.24, S. 23.

Hopfen: 2024 überholt Deutschland die USA als Anbauland. Damit hat Deutschland den Spitzenplatz in der Welt. Das größte Anbaugebiet in Deutschland ist die Hallertau in Bayern. Der größte Händler weltweit ist Barth Hass aus Nürnberg.

Hirse: Hirse ist ein Grasgewächs, ursprünglich aus Afrika. Da es glutenfrei und gesund (viele nützliche Bestandteile) ist, erlebt es eine Renaissance und wird sogar von Spitzenköchen wieder entdeckt. Es gibt Hirse-Pfannkuchen, Hirse-Pizza und Hirse-Salat. Das kann eine Chance für die afrikanische Landwirtschaft sein. Die Perlhirse kann im Gegensatz zu Weizen, Mais und Reis auch bei Temperaturen von bis zu 42 Grad und bei größter Trockenheit gute Erträge liefern. Wie sie das macht, ist unklar. Man will das Erbgut erforschen. Hirse ist leicht anzubauen, hat eine kurze Wachstumsperiode und ist dürreresistent. Rispenhirse (Panicum miliaceum) hat einen unschätzbaren Wert für die Welternährung.   Im Süden Ägyptens entdeckten Archäologen neben den Überbleibseln einer 8000 Jahre alten Siedlung auch Hirsekörner. Hirse war auch in der Bronzezeit sehr verbreitet (vor 3500 Jahren, schon globalisierte Welt). Man versucht immer mehr, hitzebeständige Hirse zu züchten. Das hat große Bedeutung für den Abbau der Hungersnot in der Welt. 

Seegras: Seegras speichert große Mengen Kohlendioxid. Forscher aus Spanien beziffern den ökonomischen Wert dieser Leistung auf zehn Milliarden Euro pro Jahr. Die Pflanzen leiden darunter, dass die Meere sich erwärmen. 2060 könnte deshalb des Gras aus dem Mittelmeer verschwunden sein. In Nord- und Ostsee erholen sich die Bestände wieder langsam. Überall auf der Welt versucht man, Seegraswiesen anzupflanzen.

Soja: Soja rechnet zur Ölsaat (wie Raps, Sonnenblume). Soja ist heute als Grundstoff in vielen Nahrungsmittelprodukten. So in Schokolade und anderen Milch- und Eierprodukten. Die Sojabohne ist auch für die Massentierhaltung unerlässlich.  Andererseits werden durch ihren expansiven Anbau die Regenwälder gefährdet. Im 19. Jahrhundert gelangte die Sojabohne erstmals von Ostasien nach den USA. Soja verbessert die Fruchtfolgen des Bodens und lässt die Erntmengen explodieren. Heute führen bei dem Anbau der Pflanze Brasilien und die USA. China, die Wiege der Pflanze, ist heute der größte Importeur. 2017 lehnt die EU die Einfuhr von Gen verändertem Soja ab. Die Bundesanstalt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit findet 2018 heraus, dass Soja-Produkte kaum mit Schimmelpilzen belastet sind, aber häufiger mit Schwermetallen. 2019 suchen die USA dringend Abnehmer, seit China Soja-Importe mit 25% Importzöllen belegt. Im 1. Quartal 2019 brechen die Soja-Exporte der USA um 80% ein. Die Soja-Bauern gehörten zu den Wählern von Trump. Die EU könnte den Biokraftstoffmarkt öffnen und Soja als nachhaltig anerkennen. Im September 2019 entscheidet der europäische Gerichtshof, dass ein Verbot von Gen-Sojabohnen aus den USA (resistent gegen Insekten und Unkrautvernichtungsmittel) für die EU nicht möglich ist. In vielen Ländern werden Wälder gerodet, um Soja anzubauen. so in Brasilien, Kolumbien, Peru (Amazonasregenwald). Besonders schädlich ist Soja aus Brasilien. Der Regenwald wird gerodet und er Transport setzt Treibhausgase frei. Vor allem die EU importiert von dort.  In den letzten 15 Jahren (ab 2020 rückwärts) hat die weltweite Anbaufläche um ein Drittel zugenommen. Seit 2016 hat sich die Fläche in Deutschland verdoppelt. Eine der Hauptursache ist die Zunahme des Fleischkonsums (Tierfütterung). In einigen Ländern wird daraus auch Bioethanol gemacht (Brasilien). Von Januar 2020 bis Mai 2021 steigt der Preis für Sojabohnen um +64,1%. Die EU will illegal angebautes Soja (Zerstörung von Wäldern!) künftig verbieten. Der Import soll überwacht werden. Soja wird in starkem Maße auch zu Öl verarbeitet. Aber noch nicht mal Deutschland allein schafft Gegenmaßnahmen. Seit Jahren wollen Supermarktketten auf Soja verzichten aber kaum etwas ändert  sich. Hühner und Schweine in Deutschland fressen Soja, für das im brasilianischen Amazonas-Gebiet Wald gerodet wird.

Erbsen: Sie spielen beim Züchtungspionier Gregor Mendel eine große Rolle. Er stellte seine Thesen 1865 vor dem Natur forschenden Verein zu Brünn auf. Zunächst hielt man sie für belanglos. ("Meine Zeit wird schon noch kommen", Mendel). Pünktlich zum 200.Geburtstag 2022 erlebt die Hülsenfrucht ihr großes Comeback als Basis für nachhaltige Ernährung. Vgl. Grefe, Christiane: Erbsen zählen, in: Die Zeit Nr. 29/ 14. Juli 2022, S. 33.

Spargel: In Deutschland wird immer weniger Spargel angebaut. Die Landwirte klagen über steigende Lohnkosten und Konkurrenz durch Billigspargel aus dem Ausland. 2018 wurden noch 133.000 Tonnen angebaut. 2022 gab es noch 110.300 Tonnen. 1465 Betriebe sind 2022 noch übrig geblieben. Spargel führt aber immer noch bei der Anbaufläche von Gemüse (21.300 Hektar 2022) vor Zwiebeln, Möhren, Weißkohl und Kürbissen. Vgl. WiWo 20/ 12.5.23, S. 8. Saisonal und regional: Weißer Spargel könnte besonders nachhaltig sein. doch je nachdem, wie man ihn anbaut, kauft und zubereitet, kann sich das ändern. Vgl. Die Zeit 19/ 2.5.24, S. 31. Weltweit am höchsten ist dei Spargelproduktion in China (7300000 Tonnen). Dann folgen Peru und Mexiko. Deutschland ist an vierter Stelle. 2023 gibt es in Deutschland noch 1440 Betriebe. Vgl. WiWo 20/10.5.2024, S. 10.

Jackfrucht: Größte Baumfrucht der Welt, wächst in den Tropen. Für Vegetarier eine Alternative zu Tofu und anderen Sojavarianten. Sie ermöglicht eine Vielzahl herzhafter Gerichte. Sie ist kalorienarm und ballaststoffreich. Für die Kleinbauern in Asien bietet der ökologische Anbau eine neue Einnahmequelle.

Reisanbau, hier geernteter Reis, im Mai Chau-Tal in Nord-Vietnam in den Bergen. Man sieht ein Stelzenhaus, das einige Minderheiten benutzen. Hauptreisanbaugebiet ist allerdings das Mekong-Delta, wo man viermal im Jahr ernten kann. Vietnam ist der fünftgrößte Reisproduzent der Erde und der drittgrößte Exporteur. In Vietnam werden allein 1600 Sorten angebaut. Die traditionelle Anbautechnik besteht aus halbhohen Dämmen, wobei das Feld mittels Wasserbüffeln gepflügt wird. Die Reiskörner werden in großflächigen Saatbeeten vorgezogen und nach etwa drei Wochen per Hand vereinzelt. Nach etwa einem Monat werden die jungen Reispflanzen wiederum per Hand in die kniehoch gefluteten Felder umgesetzt. Nach drei bis vier Monaten lässt man das Wasser wieder ablaufen, Nach ein paar Tagen Trocknung werden die Ähren büschelweise abgeschnitten.. Die Wasserkanäle sind öffentliches Eigentum und müssen in Form von Steuern bezahlt werden. Privateigentum gibt es in Vietnam eigentlich nicht, sondern ein Nutzungsrecht (vergleichbar der Erbpacht, wie in China).  Mit dieser Institution 1987 begann der Aufstieg. Bei Privatparzellen sind die Menschen hoch motiviert. In den nächsten Jahren rechnen Experten mit einer Verminderung der Reisernte: Durch die Erderwärmung (steigende Temperaturen, Wasserknappheit, Kohlendioxidgehalte) könnte die Ernte um 15 bis 40% einbrechen. Der Reis nimmt auch immer mehr giftiges Arsen auf (kommt in Asien im Grundwasser vor, Reis nimmt mehr auf, verminderte Erträge). Aber auch China baut eine Reihe von Staudämmen und Umleitungen in Tibet im Quellgebiet, so dass weniger Wasser in Vietnam ankommt. Das kann dramatische Folgen für Vietnam haben, vor allem für das Mekong-Delta (es ist das fruchtbarste Gebiet in Vietnam; Reiskammer mit vier Ernten pro Jahr).

 

 

Reis: Grundnahrungsmittel in Asien. Dort ist Reis auch ein wichtiger Bestandteil von internationalen Handelsabkommen. Der Anbau im eigenen Land soll geschützt werden (z. B. in Japan). Die Qualität von Reis ändert sich dramatisch im Klimawandel. Die gesunden Inhaltsstoffe nehmen z. B. durch den CO2-Ausstoß ab.  Schon 4000 vor Christus begannen die ersten Bauern in Südchina, Nutzpflanzen wie z. B. Reis zu kultivieren . Der Mensch griff damit schon massiv in die Natur ein (Quelle: Studie des Zentrums für Marine Umweltwissenschaften der Uni Bremen 2018). Reis spielt auch eine immer größere Rolle bei Milchalternativen: Der Milchersatz schneidet beim Wasserverbrauch aber deutlich schlechter ab. 2023 steigt der Reispreis. Indien hat ein Exportverbot für bestimmte Reissorten erlassen (Basma- und Basmati-Reis). Im August 23 kommt ein Exportstopp für alle Sorten.  2018 gibt es weltweit eine verbreitete Initiative zum Schutz gegen den Klimawandel bei Reis. Millionen von Menschen gehen auf die Straße in Thailand, Kolumbien und anderen Ländern. Bangladesch ist kurz davor, als erstes Land der Welt den kommerziellen Anbau von "goldenem Reis" zu erlauben. Es ist eine gentechnisch veränderte Sorte mit besonders viel Provitamin A.

Mais: Die Heimat der Pflanze ist Mexiko. Ursprünglich entwickelte er sich aus dem Wildgras Teosinte. Als Kolumbus 1492 Kuba und Haiti entdeckte, fiel ihm die Maispflanze auf. Mais ist vielseitig wie kein anderes Getreide. Für viele Menschen auf der Welt ist er ein wichtiges Grundnahrungsmittel (Öl, Stärke, Cornflakes, Grieß, Popcorn, Zusatzstoffe). Sogar zur Herstellung von Papier und Kleidung kann man ihn verwenden. 2022 droht eine Krise: Der Produzent Ukraine könnte ausfallen. Bei der weltweiten Produktion von Mais führen die USA vor China, Brasilien und Argentinien. Danach kommt erst die Ukraine Mais wird häufig auch als Energiepflanze verwendet. So stellt man daraus Bioethanol her oder benutzt es in Biogasanlagen. 2023/24 sinkt die Ernte der Ukraine um -19% (Krieg). Das nahrhafte Getreide war das Grundnahrungsmittel der Mayas. Sie nannten es die Gnade der Götter. El Mirador war die Zentrale des Reiches. Aber es ist nie ein Großreich entstanden, immer nur einzelne Zentren. El Mirador geht wohl im 2. Jahrhundert unter, weil mit einer wachsenden Bevölkerung Böden und Wälder der Umgebung überstrapaziert wurden. Andere Großreiche, wie die Inkas und Azteken, entstehen. Sie ereilt die gleiche Katastrophe: die Ankunft der Europäer. Der Maispreis korreliert mit dem Benzin-Preis. Sinkt der Preis für Benzin, dann sinkt auch der Maispreis (aus Mais wird oft Bio-Ethanol hergestellt. Das gleiche gilt für Zucker. Hier sind die Zuckerrohrbauern in Indien und Brasilien betroffen. Im ersten Halbjahr 2021 steigt der Mais-Preis um +40%.

Raps: 2019 geht der Rapsanbau in Deutschland stark zurück. Raps wird hauptsächlich als nachwachsender Rohstoff angebaut. In Deutschland wurde daraus auch  Bioethanol gewonnen. Die andere Verwendung ist Speiseöl. Führend bei der Verarbeitung von Raps zu Biokraftstoff und Speiseöl  ist in der Welt Brasilien. 2021 ist der Preis stark gestiegen (660,5 € je Tonne im November 21)., Weil Düngemittel teurer werden, Energie auch und Materialengpässe 2021 bestehen, dürfte 2022 der Preis weiter ansteigen. So kommt es auch. Der Preis für Rapsöl steigt auf fast 200 $ pro Tonne 2022.

Quinoa: Wird auch "Inka-Korn" genannt. Sie wurde ursprünglich vor allem im Hochland von Bolivien angebaut (von Hand gesät und geerntet; Challapata Zentrum). 2017 zerfällt der Preis rapide. Die weltweite Nachfrage war drastisch gestiegen (Gesundheit, hoher Nährwert), so dass das Getreide auch von Peru, Indien, China und den USA angebaut wird.

Patente bei Getreide (Saatgut): Die EU lässt das zum Glück nicht zu im Gegensatz von den Patentämtern anderer Länder (USA). Durch eine Hintertür versuchen Konzerne wie Monsanto (Bayer), solche Patente zu erlangen. Als Vorbild gilt Braugerste, die für Calsberg und Heiniken patentiert wurde. 2016 wurden bei der EPA 110 Patente auf Pflanzen beantragt. Vor allem ein Biopatentverbot wäre notwendig. Norwegen besitzt die weltgrößte Saatgut-Samenbank. Es ist die Svalbard Global Seed Vault. Sie hat vier Millionen Samenproben.

 Zucker galt mal als krisenfestes Produkt. Doch immer mehr Menschen reduzieren den Verbrauch. Das hat Folgen für Hersteller, Händler und Bauern. Zuckerersatzstoffe sind womöglich schädlich. Im Sommer 2022 steigt auch der Zuckerpreis deutlich. Die Kosten für Zuckerrübenanbau und auch für Zuckerrohr sind gestiegen.

Zuckerrohr: Ursprünglich aus Südostasien (vor allem Indien). Heute auch verbreitet auf Kuba und in Brasilien. Christopher Kolumbus bracht Setzlinge dorthin, weil das Klima in Europa zu rau war.  Aus dem Grundstoff wird Zucker hergestellt, auch Rum (aus dem Abfallprodukt Melasse). Die erste große Krise erlebte die Zuckerrohrproduktion Ende des achtzehnten Jahrhunderts durch die Abschaffung der Sklaverei und später durch die Kontinentalsperre von Napoleon I. Im zwanzigsten Jahrhundert litt die Produktion durch Subventionen von Zuckerrüben in Europa (wurden auf Druck der WTO abgeschafft). Sinkt der Preis für Benzin, dann sinkt auch der Maispreis (aus Mais wird oft Bio-Ethanol hergestellt. Das gleiche gilt für Zucker. Hier sind die Zuckerrohrbauern in Indien und Brasilien betroffen.

Zuckerrüben: Sie werden in der Regel in den Raffinerien der Zuckerfirmen (z. B. Südzucker) verarbeitet. In der Regel haben die Zuckerfirmen Töchter (z. B. Crop Energy), die auch Bioethanol herstellen, der dem Benzin beigemischt wird. Die Probleme im Zuckerrüben-Anbau der Pfalz werden immer größer. Klimawandel, Wassermangel und eine Zunahme von Schädlingen bedrohen die Bauern. Man will, dass verbotene Bekämpfungsmittel vorübergehend zugelassen werden. Man braucht die Mittel gegen das Vergilbungsvirus, das die grüne Pfirsichblattlaus überträgt. Es kann 50% der Rübenernte vernichten. Deutschland hat 6 große Anbaugebiete. 57.000 Beschäftigte hat die deutsche Süßwarenindustrie. Es ist 2021 unklar, ob es zum Fall der Zuckerrübe kommt.  2019 fällt die Ernte in Deutschland relativ gering aus.

Bananen: In Deutschland ist sie das zweit beliebteste Obst nach dem Apfel. Die Tropenfrucht reift in der Regel erst nach dem Transport in Deutschland. Dafür gibt es eigens Reifereien (wie z. B. Borna). Die EU hat eine Bananenverordnung. Danach sind ehemalige Kolonien von Mitgliedsländern der EU (Frankreich, GB) bevorzugt. In einem der Hauptexportländer nach Deutschland und Europa, in Kolumbien, breitet sich der Schädlingspilz TR4 aus. Er richtet große Schäden an. Die Sorten müssten vielfältiger werden (nicht nur Cavendish).  Größtes Exportland von Bananen in die EU ist Ecuador. Hinter Kolumbien kommt Costa Rica. Die EU produziert auch selbst Bananen: in Spanien, Portugal und Franreich (Übersee). Indien (liegt mit 30,8 Mio. t beim Anbau vorne), China  (11,2 Mio. t) und Angola sind auch große Anbauländer. Sie produzieren aber ganz überwiegend für den eigenen Markt. Die Banane ist krumm, weil sie der Sonne entgegen wächst. Sie wächst in neuen Monaten heran. Die Bananen werden gespritzt (gegen Pilze; es gibt Nebenwirkungen: verseuchtes Grundwasser, Fischsterben in Flüssen). Nach dem Schälen sollte man sich die Hände waschen. Drei Künstler beschäftigten sich mit der Banane: Josephine Baker, Andy Warhol und Maurizio Cattelan (Art Basel). Der Klimawandel bedroht viele Länder des Südens. Damit könnte die Banane bald zu einem Luxusgut werden.

Avocado: Der weltgrößte Produzent ist Mexiko. Im Februar 2022 erlassen die USA, der größte Importeur, einen Lieferstopp. Grund ist eine Gewaltwelle. Die Kartelle und Banden bedrohen US-Importeure von Avocados. Weitere wichtige Exporteuere sind Kolumbien, Dominikanische Republik, Peru, Indonesien. Für den Anbau braucht man große Mengen Wasser. Dei Anbaufläche hat sich innerhalb von zehn Jahren verdoppelt. Es gibt weltweit 400 Sorten. Vgl. Die Zeit Nr. 25/ 15. Juni 2022, S. 48.

Äpfel: Äpfel haben eine große Tradition in Deutschland. Es gibt zahllose Sorten (Braeburn, Boskop u. a.). Pink Lady ist die erste Sorte, die weltweit zu einem Markenprodukt gemacht wurde. Wer sie anbaut, unterwirft sich totaler Kontrolle. Der nationale Obstbauernverband Apple und Pear Australia Ltd. haben die Rechte. Standards müssen eingehalten werden. Werden sie nicht eingehalten, kann man bis zu 90% weniger Geld verdienen.

Zitrone: Vor 100 Jahren stammten fast alle weltweit konsumierten Zitronen aus Italien. später entdeckten Spanien und die Türkei den Markt. Heute, 2022, muss das Land ein Viertel seines Bedarfs mit Importware decken. 40% der Anbaufläche verschwanden. 7 Sorten tragen das IGP - Siegel.  Von allen Zitronen-Sorten gilt die Amalfi - Zitrone als die aromatischste. die älteste Sorte ist die "Femminella" aus Gargano. Die Nachbehandlung von Zitronen mit Wachs und anderen Stoffen ist umstritten (beim IGP-Siegel verboten).

Erdbeeren: Bei Erdbeergärten werden die Anforderungen an Wasser immer größer. Es drohen Wasserkriege. Dramatisch ist die Lage im Süden Spaniens. Die Bewässerung der Plantagen bedroht mittlerweile den weltberühmten Nationalpark Donana. Das Wasser wird entzogen. Der Anbau von Erdbeeren ist sehr wasserintensiv. Man rechnet mit zwei Wannen Wasser pro Kilogramm Erdbeeren. 110.00 Tonnen wurden 2023 nach Deutschland importiert. Dei meisten kamen aus Spanien. Außer Wasserverbrauch belasten auch lange Transportwege und aufwendige Verpackung die Umwelt stark. Dei frühen Erdbeeren sind auch nicht so gesund. Ab Mai gibt es heimische Ware.

Cashew: Ist eine Nuss. Der Cashew-Baum ist eine immergrüne Baumart. Er gehört zu den genügsamsten Baumarten überhaupt. Er wächst in Brasilien, Afrika und Indien. Aus den Schalen der Nuss werden in der Industrie verschiedene Produkte gemacht. Die Frucht enthält Magnesium, Kalium und Phosphor sowie Folsäure und Eisen. Cashew ist eine große Hoffnung Afrikas. 55 Prozent der weltweiten Produktion liegt hier (2% in Ghana). Der Anbau wird von ComCashew gefördert (GIZ, Bill und Melinda Gates Stiftung, SAP).

Haselnüsse: Der größte Exporteur ist die Türkei. Auf den Plantagen werden Tagelöhner eingesetzt. Der Lohn sinkt real durch die hohe Inflation der Türkei.

Erdnüsse: Im Rahmen des Klimawandels laufen auch Projekte in Deutschland. Die Landesanstalt für Landwirtschaft in Bayern/ Ruhstorf macht mit. Auch im Landkreis Passau experimentiert man mit Erdnüssen.

Orangen: Im Sommer 2022 zettelt die EU einen Orangenkrieg an. Die EU-Kommission verschärft die Importbestimmungen (Motten-Problem). In Südafrikas Zitrus - Farmen droht die Vernichtung von Orangen im Wert von 40 Mio.€. Es ist ein Konflikt zwischen Südafrika und der EU. Zitrusfarmer in Italien und Spanien haben steigende Produktionskosten (Mangel an Arbeitskräften).

Vanille: Echte Vanille, die so genannte Bourbon - Vanille, kommt aus den Gebieten Madagaskar, La Reunion oder den Komoren. Schlechter ist die Tahiti-Vanille aus Papua-Neuginea. Ihr Aroma ist nicht so gut. In der Lebensmittelindustrie werden überwiegend künstliche Vanillearomen eingesetzt. Im Sommer 2018 gibt es einen Engpass bei Vanille. Bei der Lieferung aus Madagaskar gibt es Engpässe. Das Angebot ist knapp. Der Weltmarktpreis für die Königin der Gewürze steigt. Das lockt auch Diebe an. 2020 gibt es Entspannung an der Preisfront. In Madagaskar gibt es sinkende Preise. Reunion gehört noch zu Frankreich, so dass auch die EU die Pflanze hat. Jede Blüte der Vanille-Orchidee muss individuell bestäubt werden.

Palmöl: Die Ölpalme ist die effizienteste Ölpflanze der Welt - und damit extrem billig. Auch die Konsistenz ist gefragt. Malaysia und Indonesien sind mit mehr als 85% der Weltproduktion die wichtigsten Anbauländer. Gerade auf Sumatra sieht man die Auswüchse des Booms am deutlichsten. Das Produkt steckt heute in fast jedem zweiten Supermarktprodukt. Das EU-Parlament hat Anfang 2018 entschieden, ab 2021 kein Palmöl mehr für europäischen Bio-Diesel zuzulassen. Die asiatischen Exportstaaten protestieren und drohen mit Importverboten. Bisher werden 51% der Weltproduktion in Kraftstoff verarbeitet. Zwei Drittel gehen in Nahrungsmittel, auch Futter. Die EU will künftig illegal gewonnenes Palmöl beim Import verbieten. Die größten Palmölproduzenten der Welt sind in der Rangfolge: Indonesien (42,5 Mio. Tonnen), Malaysia (19,0), Thailand, Kolumbien, Nigeria, Guatemala, Honduras, Papua-Neugenea. 2020 kostete die Tonne 621 $, 2022 1813 $. Die Zustände auf den Plantagen in Indonesien werden immer wieder kritisiert. Die Löhne sind gering, Pestizide werden ohne Schutzkleidung eingesetzt. Unser Konsum hat über Jahrzehnte das Artensterben und den Klimawandel mit verursacht, jedenfalls bei Palmöl. Kosmetik, Tiefkühlkost, Fertigprodukte, Backwaren, Schokolade enthalten Palmöl.

Olivenbaum: Er ist einer der ältesten Nutz- und Kulturpflanzen. Spanische Wissenschaftler konnten 2016 das Erbgut entschlüsseln. Vielleicht kann man so raus finden, was den Baum so langlebig macht (mache Exemplare werden Tausende Jahre alt). In vielen Regionen ist der Olivenbaum durch das Bakterium Xylella fastidiosa bedroht. Es verursacht Baumsterben. Die Krankheit bedroht insbesondere Bäume in Italien und Griechenland. Die Ernte 2018/19 in Italien beträgt nur noch 7,7%-Anteil der EU (1990 25,5%). In Griechenland beträgt das Verhältnis (8,2% 2018/19) gegenüber 17,4%  1990. In die Lücke in der EU konnte Spanien springen (Erhöhung des Anteils von 54% 1990 auf 79% 2018/19). Der Olivenbaum spendet Früchte und Öl. Der Ölzweig gilt als Friedenszeichen und Siegerpreis. Mit sieben bis acht Jahren beginnt der Baum zu blühen. Den Griechen war der Olivenbaum heilig. Die Salbung eines  Gastes war früher den Mittelmeervölkern eine Geste der Zuneigung und Liebe. Mit seinem Öl wird die Gastfreundschaft in die Welt getragen. Das größte Olivenanbaugebiet der Welt ist die Provinz Jaen in Spanien. Dort fällt 2023 immer weniger Regen. Die vertrockneten Plantagen lassen die Preise für Olivenöl stark steigen. 2023 steigen die Preise für Olivenöl überall an, weil es knapp ist. Die Preise steigen in Italien, Griechenland und Spanien.

Sonnenblumenkerne und Sonneblumenöl: Hauptproduzent in der Welt ist die Ukraine. Deshalb steigt im Ukraine-Krieg der Preis stark an.  Es wird auch stark gehortet. Vor der Ukrainekrieg lag der Preis pro Tonne zwischen 300 und 450 Euro. Im Krieg steigt der Preis auf 900 €. Aus den Kernen wird hauptsächlich Öl hergestellt. Deutschland hat einen eigenen Anbau, insbesondere in Brandenburg. 2023 gibt es auch einen Sonnenblumen-Boom in der Pfalz. Die Anbau-Fläche wurde seit dem Ukraine-Krieg verdoppelt. Die Preise sind weiterhin hoch.

Tulpe: Zierpflanze. Schnittblume. Sie kommt ursprünglich aus Zentralasien (9. Jahrhundert). Im Osmanischen Reich unter Süleyman I. (1495-1566) galt die Tulpe als sehr edle Pflanze. Die Tulpenzwiebel wurde zum Statussymbol. Zum Symbol wurde die Tulpe in den Niederlanden, vor allem Leiden. In vielen Jahren wurden die Tulpenzwiebeln dort kultiviert und Hunderte von Sorten gezüchtet. Es entstand ein Tulpenboom. Die Tulpe wurde zum Spekulationsobjekt. Es entstanden Kontrakte und Termingeschäfte. Massenhafte Termingeschäfte führten in 17. Jahrhundert zur ersten Spekulationsblase der Finanzgeschichte ("Tulpenfieber").

Rauschgift als Medizin (Cannabis, Marihuana, Haschisch): Lange wurde in den USA Heroin als Medizin verschrieben. Erst das Verbot machte daraus für die Mafia ein großes Geschäft. Die Cannabis-Freigabe in den USA und in Deutschland 2017 macht aus Hanf unter bestimmten Umständen wieder Medizin (Betäubungsmittelgesetz). Erwiesen ist die positive Wirkung von Cannabis auf das Gedächtnis. Das könnte bei der Behandlung von Demenz helfen. Europas Cannabis stammt zum großen Teil aus Albanien und Griechenland. 2018 legalisiert Kanada Cannabis. In Italien ist die Rechtslage unklar, so dass der offene Handel gefördert wird. Libanon diskutiert 2019 die Legalisierung von Cannabis-Anbau für medizinische Zwecke. Der Gewinn soll Bauern und der Staatskasse zugute kommen.  Seit Cannabis in den USA in immer mehr Bundesstaaten legal ist, hat sich ein florierender Markt entwickelt. So stieg die Zahl der Jobs in der Cannabis-Brache 2018 um 44% an, auf über 211.000. Damit ist sie die derzeit schnellstwachsende Brache in den USA. Im Jahre 2018 legte der legale Marihuana-Umsatz um 34% auf 10,8 Mrd. $ zu. Quelle: Special Report: Cannabis Jobs Count, Leafly, März 2019. Auch in Deutschland bringt Cannabis dem Staat schon Millionen ein (13,3 Mio. € Umsatzsteuer 2018). 60% aller Verstöße gegen das deutsche Betäubungsmittelgesetz betreffen Cannabis. Man müsste dringend andere Wege gehen in der deutschen Drogenpolitik. Seit Kanada 2018 den Cannabiskonsum legalisierte, ist das Angebot weltweit zu hoch. Die kanadischen Hersteller produzieren auf Halde. 2020 gibt es eine Diskussion über die Sicherheit von Hanfprodukten. Sie werden immer mehr in Nahrungsergänzungsmitteln angeboten (Tropfen, Kaugummi, Tee). Der THC-Gehalt ist oft zu hoch. Es entsteht ein richtiger "grüner Goldrausch": Marihuana-Biere, Gesichtscremes, Tees usw. Bis 2025 soll der legale Cannabis-Markt 166 Milliarden Dollar wert sein. Mexiko will Cannabis 2021 legalisieren. Man hofft auf einen grünen Boom und ein Abschwächen der Rauschgiftkriminalität. Der ökologische Fußabdruck von Cannabis ist katastrophal: hoher Strom- und Erdgasverbrauch ("Klimakiller"). Gesundheitsminister Spahn ist im Oktober 2021 gegen die Legalisierung von Cannabis (Beimischung von Heroin). Lauterbach ist dafür (kontrollierte Abgabe als Medizin). Der Staat könnte erheblich profitieren: Milliardeneinsparungen für die Justiz, Entkriminalisierung von Cannabis-Konsumenten, hohe Einnahmen für den Staat. Die Ampel-Koalition soll sich im November 21 auf eine Legalisierung zu Genusszwecken geeinigt haben. Bei den Konsequenzen sind sich die Ärzte nicht einig. Viele empfehlen den Portugiesischen Weg als Vorbild. Die Legalisierung soll 2022 noch dauern. Die Priorität liegt beim Kampf gegen die Pandemie. Vgl. auch: Haukamp, Justus/ Knoke, Leon: Warum und wie die Liberalisierung des Cannabismarktes in Deutschland erfolgen sollte, in: Wirtschaftsdienst Heft 1/ 2022, S. 32-39. Die Autoren bringen Argumente für eine Legalisierung.. Ebenso Vorschläge für einen Regulierungsrahmen. Priorität sehen sie für den Jugend- und Gesundheitsschutz. Die Legalisierung würde in Deutschland einen neuen Wirtschaftszweig entstehen lassen. Allein für den Fiskus könnte das 4,7 Mrd. € bringen. Es müsste eine staatliche Begleitung vom Anbau bis zum Handel geben. 2022 laufen die Vorbereitungen für eine kontrollierte Freigabe von Cannabis. Es erfolgen Expertenanhörungen und Einbeziehung des Drogenbeauftragen. Lauterbach legt Anfang Oktober 22 die Eckpunkte zur geplanten Legalisierung vor. Erwachsene sollen künftig Cannabis kaufen, besitzen und konsumieren dürfen (20 bis 30 Gramm bei Erwachsenen). Im März 2023 sind die Gutachter uneinig über die Legalisierung (Machbarkeit). Die Legalisierung soll erst in Modellregionen kommen. Damit fallen die Cannabis - Pläne kleiner aus. Um EU-Recht zu wahren, dürfen nur spezielle Vereine das Rauschmittel an Mitglieder abgeben. Trotzdem gibt es massive Kritik an der Freigabe (Ärzte, Apotheker, Polizeigewerkschaft). Die Justiz spart bei der Cannabis-Freigabe mehr als eine Milliarde Euro ein. 2023 kommt ein Entwurf für ein Cannabisgesetz (CanG). Es hat 161 Seiten. Es gibt viel Kritik. Z. B. Deutscher Richterbund: extrem kleinteilig, mehr Kontrollaufwand, neue Streitfragen, zusätzliche Verfahren bei den Gerichten. Die Zusammenfassung lautet "Kiffen nach Vorschrift". Vgl. Diehl, Jörg u. a.:  Die Tütenwende, in: Der Spiegel 33/ 12.8.23, S. 10ff. Im September 2023 gibt es Zoff: Lauterbach meint die Zustimmung der Länder nicht zu brauchen. Die sehen das anders und wollen inhaltliche Änderungen. Am 27.11.23 einigt sich die Koalition auf die Cannabis-Legalisierung. Doch dann steht sie wieder auf der Kippe: In der SPD gibt es Warnungen vor einem "unkontrollierten Privatmarkt". Schließlich findet die Ampel am 2.2.24 doch einen Kompromiss.  Am 23.2.24 beschließt der Bundestag die kontrollierte Freigabe ab April 24. Viele setzen jetzt auf Cannabis als Medizinprodukt, denn einen Freizeitmarkt wird es vorerst nicht geben. Der UN-Drogenkontrollrat kritisiert die Cannabis-Freigabe. Im März 2024 billigt der Bundesrat die teilweise Legalisierung. Cannabis-Konsum ist ab April legal. Der Cannabis-Konsum hat in Deutschland in den vergangenen 30 Jahren stetig zugenommen (2021 4,5 Mio. 8,8%). Quelle: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen. Im Juni 2024 wird ein THC-Grenzwert im Straßenverkehr festgelegt. Ab Mitte des Jahres 2024 können Cannabis-Anbauvereine starten.  Beim Pro-Kopf-Konsum führt in Europa Dänemark vor Italien. In Italien kippt 2022 das Verfassungsgericht ein Referendum über privaten Cannabis-Anbau. Die Befürworter argumentierten auch mit Schwächung der Mafia.

Drogen/ Rauschgift: 2017 kommt es zu einer Kokain-Schwemme. Allein im Hamburger Hafen werden 3,8 t gefunden (Marktwert 800 Mio. €). In Süd-Amerika wird mehr Koka angebaut, vor allem in Kolumbien. Die Verarbeitungstechniken haben sich verbessert. Man hofft darauf, dass das Angebot sich eine Nachfrage schafft (Say´sche Theorem). In Südamerika, aber auch einzelnen Ländern anderer Kontinente, wird Rauschgift als Alternative zu Monokulturen angebaut (Kaffee, z.B. wenn der Weltmarktpreis unten ist). Weltweit werden 2018 1723 Tonnen Kokain (100% Reinheitsgrad) produziert. Das ist gegenüber 2014 eine Steigerung von +98% (869 Tonnen 2014). Die wichtigsten Anbauländer sind Kolumbien, Peru und Bolivien. Quelle: World Drug Report Juni 2020. 2021 nimmt der Drogenhandel im Internet stark zu. Durch Schließung von Clubs und Diskotheken in der Corona-Pandemie brach der Absatzmarkt teilweise weg. 2024 kommt es zu einem Rekordfund an Kokain. Es sind 3,5 Tonnen mit einem Straßenverkaufswert von 2,6 Mrd. €. Das meiste wird im Hamburger Hafen gefunden.

Ökonomische Beurteilung zu Cannabis: " Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Legalisierung des „kontrollierten Umgangs mit Cannabis“ vorgelegt. Das Gesetz regelt die Zulassung des privaten Konsums mit privatem Eigenanbau und in Form von Anbauvereinigungen. Ein weiterer Gesetzentwurf soll bis Jahresende folgen und einen Rahmen für die staatlich kontrollierte Produktion, den Vertrieb und die Abgabe von Marihuana in Fachgeschäften setzen. Mit welchen Wirkungen hinsichtlich des Cannabiskonsums ist zu rechnen? Welche empirischen Belege gibt es, die dafür herangezogen werden können? Wovon wird es abhängig sein, ob die mit dem Gesetz angestrebten Ziele erreicht werden können?" Siehe Beck, Hanno/ Prinz, Aloys: Die Legalisierung von Cannabis in Deutschland, in: Wirtschaftsdienst 2/ 2024, s. 128-135. 2024 ist der Drogenkrieg da. Die Ampel hört enicht auf Warnungen. Jetzt kämpft die Mafia brutal um den Cannabismarkt. Vgl. FAZ 10.1024, S. 1.

Fentanyl: Synthetisches Opiat. Es hat in den USA eine verheerende Drogenepidemie ausgelöst. Dei Vorprodukte stammen oft aus China. Xi und Biden vereinbaren bei ihrem Treffen in San Francisco 2023, härter dagegen vorzugehen. Die Opiumproduktion bricht 2023 in Afghanistan um 80% gegenüber dem Vorjahr ein. Dei Absatzkanäle sind weg gebrochen. In den USA und Europa springt Fentanyl in die Bresche. Das ist ein hochpotentes Opiat, das im Labor hergestellt wird. Es ist 50mal wirksamer als Heroin. 

Zigaretten: Sie haben sich zu einem weltweiten Umweltproblem entwickelt. Wegen des Tabaks werden ganze Wälder abgeholzt. Es werden auch Unmengen Spritzmittel eingesetzt. Ca. 750.000 Tonnen Filter landen irgendwo in der Natur - ein kaum verrottbarer Plastikberg.

Tabak: Die Pfalz setzt seit dem Wegfall der Subventionen auf Bio-Tabak. Dafür können höhere Preise erzielt werden. Große Abnehmer sind Ägypten und Jordanien für Tabak in Wasserpfeifen. Rund 70% gehen in diese Schiene. Die Shishas haben das Tabakgeschäft in Deutschland belebt. 2018 landen schon 96% des deutschen Tabaks in diesen Pfeifen. Deutschland hat 2000 Hektar und produziert im Schnitt 5000 Tonnen Tabak. Früher gab es 6000 Tabakbauern in Deutschland, heute ist die Zahl stark geschrumpft. In der Tabakernte müssen viele Ernthelfer eingesetzt werden.  2019 gehen die Steuereinnahmen bei Tabak in Deutschland zurück.

Baumwolle: Die Baumwolle wird meistens in großen Plantagen angebaut. In den USA ist der Anbau eng verbunden mit der Geschichte der Sklaverei. In jüngster Zeit gibt es immer mehr Bewegungen für ökologischen Baumwollanbau. Das "Baumwollimperium" spielte eine Schlüsselrolle bei der Sklavenbausbeutung. Die Briten und Kontinentaleuropa konnten zwischen 1750 und 1860 die Kontrolle über die weltweite Textilproduktion übernehmen. Die Hälfte der afrikanischen Sklaven, die zwischen 1492 und 1888 über den Atlantik verschleppt wurden, erteilte dieses Schicksal in der Zeit von 1780 bis 1860. Bis zu den 1780er und 1790er Jahren waren die Antillen und Saint-Domingue die Hauptproduzenten von Baumwolle. Nach dem Zusammenbruch der Plantagenwirtschaft auf Saint-Domingue im Gefolge des Sklavenaufstands von 1791 wurden sie von die Südstaaten der USA abgelöst. Dort war die natürliche Fortpflanzung der Sklaven die sehr viel schnellere und effizientere Lösung als der Sklavenhandel. Erst 1810 wurde der Sklavenhandel offiziell abgeschafft. 75% der in europäischen Textilfabriken verarbeitenden Baumwolle stammt vor dem Bürgerkrieg in den USA aus dem Süden der Vereinigten Staaten. Gegen Indien wurde protektionistische Maßnahmen ergriffen. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden Produkte des Verarbeitenden Gewerbes hauptsächlich aus Indien und China importiert und größtenteils durch Goldimporte aus Europa und Amerika (auch Japan) finanziert. Namentlich bedruckte Stoffe und baue Kattune kamen aus Indien. Die europäische kaufleute heizten die Stimmung gegen indische Textilimporte an und sorgten für hohe Zölle. Dadurch sank der Anteil Indiens und Chinas dramatisch.   Vgl. Piketty, Thomas: Eine kurze Geschichte der Gleichheit, München 2022, S. 68ff.

Anbau von Nutzpflanzen im Ozean: Ackerflächen an Land werden immer teurer und rarer. Insofern ist es logisch, dass Forscher und Privatunternehmer im Ozean testen. 70% des weltweit genutzten Süßwassers fließen in landwirtschaftliche Produktion.  Im Meer entfällt eine Bewässerung.  Es gibt auch das Konzept der schwimmenden Farm. Auch mit kombinierter Landwirtschaft wird experimentiert (Tomaten und Fische). Auch Algenarten wären als Nahrungsmittel nutzbar.

Gemüseanbau in intelligenten Boxen: Plantcubes werden die Boxen genannt (intelligente Gewächskühlschränke). Sie können in der Wohnung aufgestellt werden. LED-Lampen bestrahlen die Gewächse. Aus einem Wassertank werden die Wurzeln mit Wasser versorgt. Die Firma Agrilution in München baut z. B. solche Boxen. Ein Konkurrent ist die Firma Neofarms in Hannover.

Pilze: Unternehmen entdecken Pilze immer mehr als Rohstoffe. Sie machen daraus Möbel, Leder und Verpackungen. Pilze brauchen kaum Energie, wachsen im dunkeln und bilden organische Abfälle. Sie werden auch immer mehr als Plastikersatz verwertet. Hinzu kommt die Verwendung als Nahrungsmittel.

Milch: Die Milcherzeugung in Deutschland und der EU wird stark von der Politik gesteuert. 2017 führt Milchknappheit zu einem höheren Butterpreis. Die EU fördert geringere Milcherzeugung. Das Produktivitätswunder der Milcherzeugung ist unglaublich: 2020 8210 Liter pro Kuh; 1950 2410 Liter in Deutschland pro Kuh. 2020 gibt es noch 57.000 Betriebe in Deutschland (Weltmarktanteil 6%). Größte Molkerei in Deutschland ist Deutsches Milchkontor (DMK) vor Müller und Hochland.  2022 steigen seit Monaten die Preise ("weiße Inflation"). Bei kaum einem Produkt zeigt sich der Domino-Effekt mehr: Sprit, Energie, Verpackung, Ukraine. Es werden wohl die heftigsten Preissteigerungen seit 10 Jahren.

Insekten: In Asien kommen sie schon lange auf den Teller. Delikatessen sind Heuschrecken, Kakerlaken und Würmer. sie enthalten viel Eiweiß. Mehlwürmer werden sogar gezüchtet.

Wald/ Wälder: Die Zerstörung und Abholzung der Wälder ist für 20% der jährlichen CO2-Emissionen verantwortlich. 54% aller Rodungen dienen zur Gewinnung neuen Ackerlands (Rest für Palmölplantagen und Viehweiden). Eine Ursache ist auch die Gewinnung von Holzkohle in Entwicklungsländern, die zum Kochen gebraucht wird. Die größten Rodungsflächen haben Brasilien (Amazonas-Regenwald, jährlich -10.000 Quadratkilometer), Indonesien und der Sudan. 2011 plant Brasilien eine Änderung des Waldgesetzes. Dies dürfte gravierende Änderungen auf den Regenwald haben (landwirtschaftliche Nutzung ausgeweitet, vor allem Mato-Grosso-Gebiet). Besonders wichtig für Ostafrika ist der Mau-Wald, der durch Rodungen bedroht ist. Die Rolle der Wälder bei der CO2-Bildung wird in der Keeling - Kurve abgebildet. Allein die Bäume des Amazonas speichern 90 bis 140 Mrd. Tonnen CO2 (WWF). Über die Bedrohung des Waldes und die entsprechende Umweltpolitik habe ich eine Kinder-Uni-Veranstaltung entwickelt. Die Waldvegetation hat großen Einfluss auf das Klima, was in gängigen Modellen kaum berücksichtigt wird: Wälder absorbieren Sonnenstrahlen wesentlich besser, weshalb Gebiete mit großen Waldflächen wärmer sind. Wälder und Bäume sind auch wichtige Rohstofflieferanten. Im Altertum spielte die Weihrauchwirtschaft eine große Rolle. Weihrauchharz war einer der wertvollsten Rohstoffe ("Duft des Himmels"). Später kamen Kautschuk, Baumwolle, Zimt, Oliven,  u. a. hinzu. Eine besondere Rolle bei der heutigen globalen Entwaldung spielt China. Illegales Holz wird in riesigen Mengen für die Holzindustrie (Möbel, holzverarbeitende Industrie) importiert. Zum Teil handelt es sich um kriminelle Kartelle. Das Holz kommt aus Burma, Laos, Russland und Mocambique. In Deutschland wird das Holz knapp, weil es eine immer größere Rolle als Brennstoff oder Baumaterial spielt. Man versucht "Turbobäume" (Pappeln) anzubauen oder "Biokohle" zu schaffen. Als wirkungsvollstes Mittel für den Kampf gegen weltweite Rodung von Urwäldern haben sich Landrechte für Kommunen erwiesen. Besondere Erfolge zeigen sich in Mexiko und Guatemala.  allerdings wollen Lobbyisten der Ölkonzerne und der Rohstoffunternehmen (vor allem Gold) die Gesetze ändern. Nicht immer werden die gerodeten Landflächen für Ackerbau oder Bauland genutzt. Zunehmend werden wieder Bäume angepflanzt, die einen direkten Nutzwert haben (vor allem Ölpalmen; Beispiel Sumatra). Philippinische Fischer kämpfen gegen die Folgen des Klimawandels, indem sie Mangrovenwälder anpflanzen. In den Wäldern der USA nimmt die Anzahl der toten Bäume stark zu. Dies ist eine Folge des Klimawandels. Ein australischer Agrarexperte erzielt große Erfolge mit der Aufforstung Afrikas. Er hatte als erster entdeckt, das Afrikas Wälder nur in den Untergrund gegangen waren. Finnland lebt vom Wald wie kaum ein anderes EU-Land. Der bisherige Raubbau wird immer mehr in Frage gestellt. Denn in Finnland kommt allmählich der Winter abhanden. Die Finnen wollen nun Klimaschutz-Vorreiter werden. 2019 ist der deutsche Wald in einem dramatischen Zustand. Im August 2019 findet in Berlin ein Treffen von Waldbesitzern, Vertretern der Forstwirtschaft und Behörden sowie Naturschützern statt. Das Thema ist "Wald im Klimawandel". Es wird ein Wiederaufforstungsprogramm und einen Waldumbau in Aussicht gestellt. Am 25.0919 findet eine nationale Waldkonferenz in Berlin statt (mit Landwirtschaftsministerin Klöckner). Der Forst leidet unter dem Klimawandel. Bund und Länder stocken die Hilfe auf: in den kommenden vier Jahren sollen 800 Mio. Euro bereitgestellt werden. Der Waldzustandsbericht 2019 fällt katastrophal aus: Hitze und Dürre setzen dem Wald zu. Gefordert wird eine nachhaltige Forstwirtschaft. Aus dem Konjunkturpaket 2020 der Bundesregierung erhalten die Waldbesitzer Hunderte Millionen Euro. In Deutschland sind 46% des Waldes in Privatbesitz. 29% gehören den Bundesländern. 19% sind im Eigentum von Körperschaften oder Kommunen. 4% gehören dem Bund. Rumänien hat einige der ältesten Wälder Europas. - noch. Denn der Kahlschlag macht selbst vor geschützten Forsten nicht halt. Vgl. Kuchlmayr, F. u. a.: Der große Holzraub, in: Der Spiegel 10/ 4.3.23, S. 66ff.  "The way to get started is to quit talking and begin doing", Walt Disney (1901 - 1966). Deutschland will einen Teil seiner Forsten verwildern lassen. Dies wäre ein Segen für die Artenvielfalt. Die Forstbetriebe sträuben sich dagegen. Am dichtesten bewaldet sind in Deutschland Hessen und Rheinland-Pfalz. Deutschlands Holzwirtschaft beschäftigt 2014 1,1 Mio. Menschen, mehr als die Autoindustrie. Es läuft ein Waldumbau in Deutschland zugunsten der Eiche (2014 10%, bis 2060 soll Anteil verdoppelt werden). Die Waldindustrie wehrt sich aber gegen die Eiche, weil sie in der Verarbeitung teurer ist als Nadelhölzer. Hitze und Trockenheit setzen dem Wald in Deutschland immer mehr zu. Die Dürreschäden im Sommer 2018 belaufen sich auf 758 Mio. €. 2018 haben in deutschen Wäldern deutlich die Waldbrände zugenommen. Es hat mehr als 1700 Mal gebrannt (mehr als viermal so viel wie ein Jahr davor). Waldschäden durch Brände, Dürre, Stürme, Schädlinge fordert ein großes Programm zur Wiederaufforstung in Deutschland heraus. Agrarministerin Klöckner  will ein "Mehrere-Millionen-Bäume-Programm" auflegen, aus dem Klimafonds der Bundesregierung finanziert werden könnte. 2020 sehen Experten dramatische Waldschäden in Deutschland. Die Kombination von Stürmen, Massenvermehrung von laub- und nadelfressenden Insekten sowie die trockenen Jahre 2018 bis 2020  sei  bisher nie da gewesen. 2021 legt die EU-Kommission im Kampf gegen den Klimawandel eine neue Waldstrategie vor: Bis 2030 sollen drei Milliarden zusätzliche Bäume gepflanzt werden. "Der richtige Baum am richtigen Ort und für den richtigen Zweck". Auf der Weltklimakonferenz 2021 in Glasgow bildet sich eine Initiative von 100 Staaten, die den Verlust der Waldfläche bis 2030 stoppen wollen. Die beteiligten Länder besitzen 85 Prozent der weltweiten Waldfläche. Auch Brasilien ist dabei.

Wald in Deutschland: 32% der Landfläche Deutschlands sind bewaldet. Die Waldfläche beträgt 10,7 Mio. Hektar. Davon sind 48% in Privateigentum (1,8 Mio. Besitzer). 29% sind Eigentum der Bundesländer. 19% sind Körperschaftswald. 4% besitzt der Bund. Quelle: BMEL, dritte Bundeswaldinventur. In Deutschland dominiert der Nadelwald (Fichte 26%, Kiefer 23%). Die Laubbäume sind in der Minderheit (Buche 16%, Eiche 10%, Sonstige 25%). RLP und Hessen haben die meisten Bäume (42,3%). Der deutsche Wald entlastet die Atmosphäre jährlich um 45,3 Mio. Tonnen CO2. Stürme, Trockenheit, Borkenkäfer und Waldbrände setzen dem Wald zu. Zunehmend sind große Flächen betroffen. Da ist seit 200 Jahren einmalig. Zwischen 2017 und 2019 ist die Menge des Schadholzes um das Sechsfache gewachsen (Quelle: StBA 2020). 2020 soll ein neues Jagdgesetz kommen. Es ermöglicht unter anderem den vermehrten Abschuss von Rehen. Das Gesetz ist umstritten. 79% der Bäume in Deutschland haben Kronenschäden. Der Holzeinschlag geht steil nach oben (Heizen, Schäden). Im März 2023 kommt der Waldzustandsbericht für 2022: Der deutsche Wald leidet stark unter den Folgen des Klimawandels. Ein Drittel der Bäume haben einen starken Kronenschaden. 44% zeigen sich mit schwächerem Kronenschaden.  2020 sehen Experten dramatische Waldschäden in Deutschland. Die Kombination von Stürmen, Massenvermehrung von laub- und nadelfressenden Insekten sowie die trockenen Jahre 2018 bis 2020  sei  bisher nie da gewesen. Es ist nicht absehbar, wann die Trockenperiode endet. Es stellt sich die Frage, wie wir die Existenz unserer Wälder retten können. Im Februar 2021 stellt die Agrarministerin Klöckner den neuen Waldschadensbericht 2020 vor: Die Situation hat sich weiter verschlechtert: Die Verlichtung der Baumkronen nimmt weiter zu. 89% der Buchen, 80% der Eichen und Kiefern sowie 79% der Fichten sind betroffen. Vor allem über 60 Jahre alte Bäume trifft es. Die Sterberate der Bäume ist noch mal deutlich gestiegen. Das Klima verändert sich schneller, als sich die Bäume anpassen können. Man will jetzt vermehrt Zedern aus der Türkei und Douglasien aus Nordamerika anpflanzen. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) sieht 2021 vier Fünftel des Waldes betroffen durch den Klimawandel. Rund 2,5% der 11,4 Mio. Hektar Waldes seien bereits abgestorben. Dem Wald fehle hauptsächlich Wasser. Quelle: Jahresbilanz des DBU 2021. Obwohl es 2023/ 2024 viel geregnet hat, bleibt der Wald Dauerpatient. Die meisten Bäume in deutschen Wäldern sind krank. 2024 wird eine Waldinventur gemacht. Dei Ergebnisse werden von Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir im Oktober 24 vorgestellt:  Trockenheit, Stürme und Käferbefall haben dem Wald zugesetzt. Er fällt als Klimaschützer aus. Er leistet keinen ausreichenden Beitrag zur Speicherung des Treibhausgases CO2.

Wald der Zukunft in Eberswalde: Im brandenburgischen Eberswalde (einst Jagdgebiet der Prominenz in der DDR) entsteht auf rund 140 Hektar ein "Wald der Zukunft". Er dient der Klimafolgenforschung und dem damit verbundenen Waldumbau. Man will von Monokulturen weg kommen. Besonders der Wert der Echten Maulbeere zeigt sich.

Reform des Bundeswaldgesetzes 2024: Dei Ampel plant 2024 eine Reform. Die Waldbesitzer laufen Sturm gegen die Reform. Sie befürchten mehr Gängelung und Bürokratie.  Die Bundesregierung muss einen Ausgleich finden zwischen den vielfältigen Ansprüchen von Ausflüglern und den wirtschaftlichen Interessen der Waldbesitzer.

Waldsterben und neues Leben: Stirbt Holz, wird es zur Basis neuen Lebens. Unzählige Tiere und Organismen beteiligen sich an stetem Ab- und Wiederaufbau. Todholz  wird von Tieren, Pflanzen und Pilzen bearbeitet. Hirschkäfer, Blaumeise, Pilze, Nashornkäfer fühlen sich wohl. Schwarzspecht, Raufußkauz, Sperlingskauz leben gerne dort. Flechten, Farne und Moose bilden sich. Am Boden leben zahlreiche Insekten (Tausendfüßler, Milben, Springschwänze). Vgl. Berndorfer, Lea u. a.: Von wegen tot, in: Die Zeit Nr. 48, 19.11.20, S. 42.

Teufelskreis Regenwald: Regenwälder werden abgeholzt, um Land zu gewinnen und Tropenholz zu verwenden. Auf den Flächen wird Viehzucht betrieben, Soja  oder Agrartreibstoffe angebaut. Die Rodung ist national extrem wirtschaftlich, international hat sie gravierende Folgen für den Wasserkreislauf, das Klima,  die Ernährung und die Medizin (Regenwaldapotheke). Besonders wichtig sind Brasilien und Indonesien. Bei Indonesien ist auch das Korallendreieck sehr wichtig. Es ist die artenreichste Meeresregion der Erde (es umfasst außerdem die Länder Philippinen, Malaysia, Papua Neu Guinea und Solomon). Es ist zusätzlich ein Wirtschaftsfaktor (Fische, Schutz vor Wellen, Tourismus). 2016 schließen Umweltverbände, indianische Völker und Forstwirtschaft ein Abkommen zum Schutz der Region an der kanadischen Pazifikküste. Dadurch soll auch die Bären geschützt werden (Great Bear Rainforest).

Amazonas-Regenwald: Mit einer Fläche von 6,7 Mio. Quadratkilometer der größte und artenreichste tropische Regenwald (etwa die Fläche Westeuropas). Hier leben 10% aller Tier- und Pflanzenarten. Im Frühjahr 2012 setzt sich im brasilianischen Parlament die Agrarlobby durch: Amnestie für illegale Rodungen. Das kontinuierliche Schrumpfen könnte gravierende Folgen für den Wasserkreislauf haben. Katastrophal könnte sich die Wahl 2018 auswirken: Der gewählte Premier gilt als Lobbyist der Großindustrie, die weiter den Regenwald roden will. Tatsächlich bläst der neue Präsident Jair Bolsonaro 2019 zum Großangriff auf den Amazonas-Regenwald.  Was wird aus der grünen Lunge des Planeten? Unter Brasiliens neuer Regierung wird der Amazonaswald schneller abgeholzt als zuvor (drei Fußballfelder pro Minute). Dabei scheinen die Landwirte diese Extraflächen gar nicht zu brauchen. 2019 stoppt die Bundesregierung den Geldfluss nach Brasilien (Förderung von Projekten zum Schutz von Wäldern und Artenvielfalt). Die Regierung in Brasilien stoppe nicht die Rodung des Regenwaldes. Dieser wird für Soja-Anbau und andere Agrarprodukte gerodet. Auch Norwegen stoppt 2019 aus gleichem Grund die Zahlungen. Jair Messias Bolsonaro gehört zu den Klima-Skeptikern, die den Menschen verursachten  Klimawandel leugnen. Seit seinem Amtsantritt ist das Ausmaß der Brandrodungen des Amazons - Regenwaldes wieder massiv angestiegen. Die Zerstörung des Dschungels in Brasilien ist eine Katastrophe für die Menschheit. Auf den gerodeten Flächen wird in der Regel Soja angebaut. Das wird überwiegend an Masttiere aus Europa verfüttert. Bolsonaro macht Umweltschützer für die Brände verantwortlich. Der internationale Druck wächst. Bolsonaro macht ein Dekret, das es erlaubt, Soldaten zum Löschen und zum Verhindern von Brandrodung in die Region zu schicken. Mittlerweile brennen auch Teile des Urwaldes in Bolivien. 2019 beträgt der Regenwaldverlust durch Brände 2100 Quadratkilometer (Rekord),  2015-2018 ca. 4000 Quadratkilometer, 2010-2014 1500 Quadratkilometer (Quelle: Der Spiegel 36/ 31.8.2019). 2020 nutzen Holzfäller und Rinderzüchter in Brasilien Corona für illegale Rodungen. In den ersten drei Monaten 2020 wurden 796 Quadratkilometer Regenwald zerstört (Fläche New Yorks). Die EU will Wirtschaftssanktionen verhängen. Illegale Holzfäller und Goldgräber nutzen die Corona-Krise 2020 aus. Sie werden immer dreister. Der Widerstand der indigenen Völker droht zu brechen. 2020 gibt es so die größte Abholzung seit 2008. Der Präsident gerät immer stärker unter Druck. Trotzdem wird im Mai 2021 ein neuer Abholzungsrekord erreicht (1180 Quadratkilometer). Das brasilianische Pantanal ist das größte tropische Überschwemmungsgebiet der Erde. Seit Monaten wartet man im Somme r2021 auf Regen. Die Flussläufe trocknen aus und der Wald wird braun. Kaimanen und Caybara fehlt der Lebensraum. Das Pantanal ist sehr artenreich. Unter Bolsonaro ist die Zerstörung des Regenwaldes stark fortgeschritten. Unter Lula da Silva auf man auf eine Rettung des einmaligen Lebensraums. Lula ruft eine Null-Abholzungs-Strategie aus. Die jährliche Entwaldung geht drastisch zurück. Holzfäller und Agrarkonzerne weichen vorerst auf andere Landesteile aus. Im Juli 23 wird deutlich weniger Regenwald abgeholzt. Ein Südamerika-Gipfel berät über weitere Schritte. 2023 herrscht große Trockenheit im Amazonasgebiet. So was hat es noch nie gegeben. Das hat große Wirkung auf das Weltklima und diei lokale Wirtschaft. In einem See sterben Hunderte Flussdelfine. Forscher untersuchen, ob der "Tipping Point" errecht ist, an dem der Regenwald nicht mehr zu retten ist. Das hätte dramatische Folgen für das Weltklima. 2024 geht die Selbstzerstörung weiter. Brandstifter legen im Amazons und weiteren Großwäldern so gigantische Feuer wie noch nie - mit dramatischen Folgen für den ganzen Kontinent. Aktuelle Brandherde gibt es in Brasilien, Peru, Ecuador, Venezuela und Argentinien. Vgl. Die Zeit 42/ 2.10.24, S. 23. 2024 leidet der Regenwald unter einer der schwersten Dürren seit Menschengedenken. einst mächtige Ströme führen kaum noch Wasser, zahlreiche Ortschaften sind von der Außenwelt abgeschnitten. Das Ökosystem Amazonas könnte schon vor dem Kollaps stehen.  "Umweltschutz ist was für Veganer", Jair Bolsonaro, Präsident Brasiliens 2019. Der deutschstämmige Brasilianer Eike Batista verlor in seinem Bestreben, der reichste Mann Brasiliens zu werden, 30 Milliarden Dollar 2013. Heute 2019 plant er wieder ein Comeback. Am 13.09.19 findet ein Amazonas Gipfel im Dreiländereck zwischen Kolumbien, Brasilien und Peru statt. Peru hat 13%, Kolumbien 10%, Brasilien 58% des Regenwaldes. Brasiliens Bolsonaro meldet sich krank. 7 Länder einigen sich auf einen Schutzpakt, eine Strategie zum Umweltschutz und auf eine nachhaltige Entwicklung zum Amazonas-Regenwald: Brasilien, Bolivien, Peru, Kolumbien, Equador, Suriname, Guayama. Schon vor 10.000 Jahren gab es Ackerbau am Amazonas(8000 Jahre früher als bisher angenommen). In der Moxos - Ebene in Bolivien schufen die Menschen Waldinseln, um Maniok und Kürbis anzubauen. Quelle: Uni Bern 2020. Schon der große preußische Entdecker Alexander von Humboldt beschrieb im Jahre 1808 Waldbrände in Südamerika und ihre Zerstörung der Natur.

Wälder in Sibirien: Sie haben wie der Amazonas-Regenwald eine große Bedeutung für das Weltklima. Sie leiden besonders unter dem Auftauen des Perma-Frostes. So kommt es auch immer wieder zu größeren Waldbränden, die große Flächen vernichten. Eine ungewöhnliche Hitzewelle sorgt im Sommer 2020 für einen Temperaturrekord. In der Stadt Werchojansk/ Jakutsien, die als eine der kältesten bewohnten Orte der Welt gilt, wurden 28. Juni 2020 38 Grad Celsius gemessen. Das wird auf den Klimawandel zurückgeführt.

Entwaldung: Der Waldbestand auf der Erde wird drastisch vermindert. Bis Anfang des 20 Jahrhunderts fand die  stärkste Abholzung in den Mischwäldern Asiens, Europas und Nordamerikas statt. Mitte des 20 Jahrhunderts veränderte sich dieses Muster. Während die Abholzung in den gemäßigten Breiten fast zum Stillstand kam, nahm sie in den Tropen zu. Die Abholzung von Tropenwäldern verharrt in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas auf hohem Niveau. Vgl. Tony Juniper: Unsere Erde unter Druck, München 2017, S. 150f. 1200 Mio. Hektar sind theoretisch weltweit aufforstbare Fläche. Bei Bonn Challenge, einem weltweiten Aufforstungsprogramm, machen 52 Länder mit (171 Mio. Hektar). Der Waldzustandsbericht der UNO 2020 meldet eine Abnahme der Waldfläche weltweit um -10 Mio. ha. Die Fläche wird hauptsächlich für die Lebensmittelproduktion eingesetzt.  Im Sommer 2022 einigt sich die EU auf einen Waldschutz: Vermeidung der Entwaldung beim Anbau bestimmter Produkte wie Palmöl, Holz, Kaffee, Kakao, Soja.  Europas größter Urwald ist der Bialowieza-Urwald, der sich beidseits der Grenze zwischen Polen und Weißrussland erstreckt. Der größte Teil liegt in Weißrussland und ist unter Naturschutz. Polen nutzt einen Teil des Naturschutzparks (UNESCO-Naturerbe) als Wirtschaftswald. Die EU-Kommission verklagt Polen 2018 wegen Verstößen gegen das EU-Naturschutzrecht. Russlands Waldflächen in Sibirien wachsen trotz Abholzung (Landwirtschaft stirbt schneller als der Wald). Aber sie drohen das Ökosystem zu degenerieren. Sie werden als reine Rohstoffreserve (Nutzholz-Lagerstätte) betrachtet. Gerodet wird von russischen Firmen, das meiste Holz (25%) geht nach China. Skandinavien gilt in der Waldwirtschaft als Vorbild. Dort wird Forstwirtschaft nur auf schon erschlossenen Gebieten betrieben. In Deutschland stirbt ein großer Teil des Waldes nach der großen Trockenheit 2018. Große Teile fallen dem Borkenkäfer zum Opfer. Man muss die Waldwirtschaft auch umstellen von Fichten zu Baumarten, die tiefere Wurzeln haben.

Entwaldungsgesetz der EU: Man wollte damit den Amazonas retten. Es gilt für alle Importeure der EU. Es zeigt sich jetzt, dass es heimische Unternehmen gefährdet. Vgl. HB 15./16./17.11,24, S. 12.

Waldzerstörung: 2021 legt der WWF eine weltweite Studien vor. Auf der Weltrangliste der Waldzerstörer liegt die EU auf Platz zwei mit 16% der globalen Tropenabholzung im Zusammenhang mit internationalem Handel. Platz eins belegt China mit 24%%  der weltweiten Tropenwaldzerstörung. Indien ist mit 9% auf Platz 3 vor den USA mit 7%. In der EU führt Deutschland: Im Zeitraum zwischen 2005 und 2017 kam es deshalb zu Brandrodung im Zusammenhang mit Soja, Palmöl, Rindfleisch, gefolgt von Holzprodukten, Kakao und Kaffee. Um die Abholzung der Wälder zu stoppen, erhöht die EU-Kommission 2021 den Druck auf die Wirtschaft. Es soll klare Regeln geben. Für Rindfleisch (10%), Palmöl (24%) und Soja (31%) werden die Wälder gerodet. Bei den Lieferketten und Importen dieser Produkte soll es Regeln geben.

Kongo und Wald: 2023 stellt er die Industrieländer vor die Wahl: Entweder ihr bezahlt für den Klimaschutz - oder wir bohren im Regenwald nach Öl. Es geht um die Region Mbadaka, auch mit der Stadt Mpeka. Westliche Staaten finanzieren schon seit 2025 Naturschutzprojekte. Deutschland hat bisher 151 Mio. € gegeben. Es geht also um die zentrale Frage Naturschutz oder Öl. Die Menschen selbst sind zu arm, um sich allein für Naturschutz zu entscheiden. Vgl. Raupp, Judith: Was sind euch die Bäume wert, in: Die Zeit 10/ 2023, S. 23.

Globale, kriminelle Waldwirtschaft: Es gibt Brennpunkte. Einer ist Myanmar. Myanmar ist Hauptexporteur von hochwertigem Teak. Es wird aus Mangroven-Holz gewonnen. Es wird vor allem auf Yachten verbaut. Kriminelle Banden beherrschen den Markt. Die EU schließt nur Handel mit der staatlichen Gesellschaft aus. Ein weiterer Brennpunkt ist Rumänien. Das Land verfügt über die ältesten Wälder Europas. Die Betreiber der illegalen Holzwirtschaft sind staatlich, korrupt und wollen verdienen. Polizei und Staatsanwaltschaft sind auf diese Kriminalität nicht eingestellt. Dei Umweltschäden sind jedoch immens.

Waldbrände: Im Zeitraum von 2006 bis 2021 gab es 21 Brände  bis jeweils Ende Juni mit einer Zerstörung von 1090 ha. Im laufenden Jahr wurden bis Ende Juni 3131 ha Waldfläche in 18 Bränden vernichtet. Vgl. Der Spiegel Nr. 27/ 2.7.22 und EFFIS. Im Sommer 2022 gibt es zahlreiche große Waldbrände in Südeuropa (Spanien, Portugal, Frankreich). In Deutschland geraten die Waldbrände in Brandenburg und Sachsen außer Kontrolle. In RLP ist der größte Waldbrand in Neustadt/ Weinstraße in Hambach in der Nähe des Schlosses. Bis Ende Juli 2022 wurden schon 650.000 Hektar in Europa verbrannt. In Deutschland waren es 4300 Hektar. Durch Waldbrände wird Wohlstand verbrannt. 2023 sind viele Zentren betroffen: Jüterborg in Brandenburg, New York City, Kalifornien un dviele andere. Vgl. Hier geht viel mehr in Flammen auf, in: Die Zeit Nr. 26/ 15.6.23, S. 19.

Alpen: Sie sind heute ein bedrohtes Paradies. Es kommen jährlich 150 Mio. Übernachtungsgäste (ohne Tagesausflügler). 39% der europäischen Pflanzenarten wachsen in den Alpen. 13.00 verschiedene Arten. In den Bergen leben auch 30.000 Tierarten (Hirschkäfer, Braunbär). Die Alpen sind Weltkulturerbe. 1300 Kilometer zieht der Alpenbogen von West nach Ost. 8 Länder liegen ganz oder teilweise in den Alpen.

Nationalpark Bayerischer Wald: Seit fünfzig Jahren erprobt der Park, wie Natur sich selbst erneuern kann. Die Opfer von Stürmen und Borkenkäferbefall bleiben stehen und liegen. Nadeln, Holz und Rinde verrotten nach und nach und liefern Nährstoffe. 11.000 Arten (Tiere, Pflanzen, Pilze) leben mindestens in Deutschlands ältestem Nationalpark. doch Nationalparke alleine können die Biodiversität nicht retten.

Wälder und Pandemien: In den Urwäldern der Erde gibt es zahlreiche Erreger, die für Tiere harmlos sind. Beim Menschen können sie tödliche Krankheiten hervorrufen. Solange die Wälder in Ruhe gelassen werden bleiben die gefährlichen Erreger bei ihren Wirtstieren. Werden diese Ökosysteme zerstört, entsteht Unruhe. Tiere verlieren ihre Lebensräume und müssen sich neue suchen. Viren und Bakterien können schnell mutieren und untereinander Gene austauschen. Wildtiere, Haustiere und Menschen treffen jetzt aufeinander und es können neue Krankheiten entstehen.

Nutzen von Wald: Wir brauchen den Wald für eine Reihe von Funktionen: Brennstoffe, C-Speicherung, Wassersorgung, Papier, Bodenschutz, Flutvermeidung, Nahrung, Artenvielfalt, Filtern, Baumaterial, Luft, Erholung, Entspannung. Es gibt Vorschläge von Experten, dafür eine CO2-Steuer zu erheben (bei Abholzung, sonst umgekehrt). Holz wird zunehmend als besonders nachhaltiges Material im Bauen eingesetzt (C13 Berlin, Uni Witten-Herdecke, Österreich, Schweiz, Norwegen, Schweden). Die Hoffnung, mit Hilfe von Bäumen den Klimaschutz voranzubringen, bekommt Dämpfer. Bäume wachsen langsam, weil Wasser und Nährstoffe fehlen. Die letzte Fassung des Bundeswaldgesetzes von 1975 soll reformiert werden. Motto ist, dass der Wald als Wald erhalten bleiben soll. Das könnte Holzproduzenten, Wanderer und Mountainbiker hart treffen. Es könnten nur "geeignete Wege" festgelegt werden.

Ausgleichsflächen: Wer in Deutschland gewerblich baut, muss woanders Natur ersetzen. So gibt es Ausgleichsflächen, oft Aufforstungen, die den Bauboom kompensieren sollen. Dieser Mechanismus kann auch Nebeneffekte haben: steigende Bodenpreise, Verzögerung von Bauprojekten. So kann auch Ackerland verloren gehen.

Boden: Der Untergrund ist ein gewaltiges Öko-System. Das ist sowohl an Land als auch im Meer. Die Mikroorganismen im Erdreich binden viel Kohlendioxid und kühlen so den Planeten ab. Je wärmer es wird, dest aktiver sind die Bakterien. Umso mehr Treibhausgase setzen sie frei. Artenvielfalt am Grunde des Ozeans ist wichtig für die Durchlüftung. sonst leiden die Nährstoffkreisläufe. Vgl.  O. V: Der Boden, das unbekannte Wesen, in: die Rheinpfalz, 8.9.2019, S. 23.

Böden: Weltweit vollzieht sich ein Desaster. Böden werden weggespült, vergiftet, ausgelaugt, überdüngt oder versalzen. Die Anzahl der Lebewesen pro Quadratmeter hat drastisch abgenommen. Vgl. O.A. Die dritte Krise, in: Der Spiegel Nr. 22/ 28.5.22, S. 104ff.

Grüngürtel-Bewegung (Green-Belt): Als eine der Begründerinnen gilt die Kenianerin Wangari Maathai. 1989 macht sie Front gegen ein Bauprojekt im Uhuru Park. Sie war die erste Afrikanerin, die den Friedensnobelpreis bekam. Sie setzte sich für die Aufforstung Kenias ein. Mittlerweile gibt es die Bewegung in vielen anderen Ländern. 2018 erhält der Australier Tony Rinaudo den Alternativen Nobelpreis. Mit seiner Hilfe sind allein im nordafrikanischen Niger Flächen aufgeforstet worden, die so groß wie Irland sind (Right Livelihood Award Foundation).

Wald und Lebensraum: Die Ureinwohner des Dschungels in Zentralafrika, die Pygmäen vom Volk der BaAka sind vom Wald abhängig. Da er weg ist, vegetieren sie vor sich hin. Survival macht Mitte 2017 den WWF für die Situation verantwortlich und geht vor ein Schiedsgericht der OECD. Ursache seien mehrere Nationalparks im zentralafrikanischen Dreiländerdreieck.

Eiche: Der Baum kann am besten den Umwelteinflüssen widerstehen. Diese Laubbäume wären ideal für den Klimawandel. Die Industrie blockiert aber den Umstieg. Nur 44% der ökologisch sinnvollen Rodung werden tatsächlich getätigt. Die Verarbeitung ist zu teuer. Es gibt Forschungsergebnisse, dass die Eiche sogar ihre Blätter dem Klimawandel anpassen kann (TU Dresden).

Fichten: Das Holz steigt 2021 stark im Preis. Ursache ist eine Beschränkung des Fichtenholz - Fällens und eine starke Nachfrage im Bau (im In- und Ausland: Belgien, Österreich, China).

Mammutbaum: Es gibt in Deutschland Bestände der Mammutbäume, die in den USA zuhause sind. So findet man den Baum in der Nordpfalz. Er ist erstaunlich gut durch die trockenen Sommer gekommen. Könnte der Baum die Rettung unseres Waldes sein?

Mandelbaum: Er war ursprünglich in Asien beheimatet. Er gelangte durch Alexander den Großen (356 v. Chr. - 323 v. Chr.) ins südliche Europa. Durch die Invasion der Römer kam er nach Germanien. Man trifft ihn in Deutschland in Weingegenden an, weil er früher ideal zur Weinkultur passte.

Zirbe: Möbel aus der Zirbe sollen das Herz entlasten und den Schlaf fördern. Die Wirkung ist bisher eher Glaube, soll aber erforscht werden. Zirben trotze dem Klima und werden bis zu 1000 Jahre alt. Die Bäume überleben auf 2000 Meter Höhe. In Österreich wurde schon 1690 Zirbenholz zu schalen und Tellern verarbeitet. Zirbenholz ist sehr teuer. Das Festmeter kostet 2022 über 500 Euro.

Zeder: Es gibt vier Zederarten auf der Welt. Sie kommen in den Regionen Oregon/ USA, Atlas-Gebirge, Japan, Himalaja vor. Die japanische Zeder ist als Bonsai-Baum sehr bekannt und verbreitet. Die Zedern werden sehr alt. Das Holz ist sehr hart.

Holz: 2021 wird Holz in Deutschland als Baumaterial knapp. Es wird überlegt, für die EU ein Exportverbot zu erlassen. Im Mai 2021 steigt der Preis auf 1670 $ (Board Feet, 2,36 Qubikmeter, +563% gegenüber Mai 2020). 42% mehr Nadelschnittholz importierte allein die USA 2020 aus Deutschland. Es wird sogar Holz nach China exportiert. Stürme, Hitze (Klimawandel) und der Borkenkäfer setzen besonders den deutschen Fichten zu. Das Material wird gegen Schädlinge begast (toxische Chemikalien im Wald?). Im Sommer 2022 wird Holz billiger, aber erstmal nur in den USA.

Papier: Papier wird 2022 knapp. Die Preise steigen drastisch. Im Februar 2022 +19% gegenüber dem Vorjahresmonat. Papier braucht man für Verpackungen, grafische Papiere, Toiletten- und Hygienepapier, Spezialpapiere. Vgl. Focus 17/2022, S. 16f.

Kork: Mehr als die Hälfte der Weltproduktion stammt aus Portugal. Kork wird aus Korkeichen gewonnen. Alle neun Jahre können in der Regel die Rinden der Korkeichen geerntet werden. Damit sie gut nachwachsen, darf die unterste Schicht nicht beschädigt werden.

Bambus: Sehr schnell wachsendes Holz. Wird in Asien fast für Alles genutzt. In vielen Bereichen kann Bambus Plastik ersetzen. Das Holz ist sehr biegsam. Es wird auch Supergras genannt, weil keine Pflanze schneller wächst und keine mehr kann. Früher nutzte man Fasern in Glühlampen, für Folter und vor allem für Schmuggel (Drogen, auch die ersten Seidenraupen aus China raus). Man braucht Bambus heute für Baugerüste, Parkett, Möbel, Textilien, Musikinstrumente, Spielzeug, Schmuck oder Holzkohle. Es ist Futterpflanze für Pandas.

Naturkautschuk: Braucht man zur Reifenherstellung. Weltgrößter Lieferant ist Thailand. Die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen sind katastrophal. In Kambodscha finden Brandrodungen statt, um immer mehr Gummi-Plantagen anzulegen. Kautschuk steigt 2021 stark im Preis (Mitte 2021 57% über dem Vorjahr). Reifen dürften teurer werden. 2024 reklamieren Forscher die Entdeckung des modernen Gummis für indigene Völker. Erst später kam die Vulkanisation mit Schwefel.

Weihrauch: Weihrauch ist ein Gummiharz, das seit Jahrhunderten aus Bäumen in Ostafrika gewonnen wird. Es besteht eine große Nachfrage (Kirchen, ätherische Öle, Aromatherapie). Es gibt deshalb ein verheerendes Überzapfen. Außerdem lassen sich nomadische Völker plötzlich nieder. Der größte Weihrauch-Produzent ist Äthiopien. Die Sammler verdienen am wenigsten. Man müsste eine nachhaltige Förderung einrichten.

Baumwolle: Rohstoff für Jeans, Shirts oder Unterwäsche. Es wird so viel Chemie verspritzt wie sonst selten (mehr Pestizide als bei jeder anderen Pflanze). Der Anteil an Pestiziden liegt weltweit bei 16%, obwohl die Faser nur auf 2,4% der Agrarfläche kommt. Schädlinge können die gesamte Baumwollernte vernichten. Die Baumwollernte stagniert weltweit. In Afrika will man radikal umdenken.

Wolle: Aus gewebten Tierhaaren. Es ist ein Naturstoff vom Schaf, von Ziegen, Kaninchen oder Kamelen. Besondere Wolle kommt von Alpakas, Moschusochsen oder Vikunjas. Reine Schurwolle ist ein Hinweis darauf, dass die Wolle vom lebenden Schaf kommt. Farbe spielt eine wichtige Rolle bei der Beurteilung. Biowolle aus Europa ist gelebter Tierschutz. Sie sollte also öko, fair und nachhaltig sein.

Balsam: Gehört wie Weihrauch und Myrrhe zu den Bibelpflanzen. Bei Weihrauch und Myrrhe lässt man das Harz einfach trocknen. Balsam ist schwer zu konservieren. Die kostbaren Gewächse sind heute sehr rar. König Herodes soll mit Balsampflanzen den Bau seiner Paläste finanziert haben. Im Heiligen Land hieß die Pflanze Afarsemon. Es galt als Allheilmittel gegen Bluthochdruck, Entzündungen, Kopfschmerz und epileptische Anfälle. Heute noch wird Balsam in der Nähe von Jericho angebaut in der Nähe vom Toten Meer). .

Moore: Weltweit werden Moore zerstört, um Torf zu gewinnen. Dabei sind sie wichtige Kohlenstoffspeicher., die das Weltklima kühlen. Man schätzt, dass 57 Prozent des Kohlendioxids in der Landwirtschaft aus dem Torfverbrauch stammen. Moore machen aber nur 6 Prozent der Nutzfläche aus.  Es gibt zwei Arten von Mooren: Hochmoore, die sauer und nährstoffarm sind. Der Kohlenstoffgehalt im Torf ist hoch. Niedermoore sind sehr nährstoffreich. Schottlands Whisky-Industrie benutzt schon Alternativen. Dies müsste auch der Gemüse- und Gartenbau machen. Moorlandschaften kommen mit dem Klimawandel deutlich besser zurecht als andere Lebensgemeinschaften. Moore bedecken nur 3% der Erdoberfläche, bunkern aber weltweit über 500 Mrd. Tonnen Kohlenstoff (16%). Kohlenstoff kühlt die Erdatmosphäre herunter. In Deutschland gibt es noch eine Reihe von Moorlandschaften: Teufelsmoor bei Bremen, Moor bei Rheinsberg, Moor nördlich von Berlin, Moor bei Murnau/ Bayern. Es ist eine deutsche Kulturlandschaft. Problematisch ist es, wenn man Moore landwirtschaftlich nutzt. Sieben Przent der deutschen klimagase kommen nicht aus Auspuffen, sondern aus Mooren, die landwirtschaftlich genutzt werden. Der Torfboden trocknet aus. Der darin enthaltene Kohlenstoff wird oxidiert und entweicht als klimaschädliches Kohlendioxid in die Atmosphäre. Vgl. Kollenbroich, Philipp: Treibhausgras, in: Der Spiegel Nr. 2/ 8.1.22, S. 124ff. Renaturierte Moore speichern CO2 gründlicher als der Regenwald. Sie wirken dem Klimawandel entgegen. Vgl. Furtak, Swantje: Es werde nass! in: Die Zeit Nr. 11/ 10.3.22, S. 31. Die Bundesregierung will ab 2022 dieses natürliche Ökosystem stärken und für den Klimaschutz nutzen (bis 2026 renaturieren). Moore könnten die wichtigsten Klimaretter in der Landwirtschaft werden. Doch es müssen auch die Bauern mitspielen. Sie fürchten Enteignung - und fordern Milliarden. Vgl. Grefe, C./ Asendorf, D.: Bitte versumpfen, in: Die Zeit Nr. 5/ 26.1.23, S. 29f. Ohne intakte Moore können die Klimaziele nicht erreicht werden. Das Umweltministerium legt 2023 ein neues Förderprogramm auf. Vgl. Der Spiegel 16/ 15.4.23, S. 88. Moorschutz ist Klimaschutz. Torfabbau ist zwar klimaschädlich, aber unverzichtbar. Der Rohstoff ist nicht leicht zu ersetzen. Das wissen auch Naturschützer. Den deutschen Umweltpreis 2024 von der DBU erhält die deutsche Moorforscherin Tanneberger aus Greiswald. Der bekannteste deutsche Moorforscher ist der Biologe Michael Succow. Seit mehr als 50 Jahren kämpft er gegen die Zerstörung von Natur, erst in der DDR, dann weltweit. Vgl. Der Spiegel 42/ 12.10.24, S. 114ff.

Renaturierungsgesetz: Es wird im Juni 2024 von den Umweltministern der EU beschlossen. Es soll für mehr natürliche Moore und Flüsse sorgen. 20% der Landsfläche sollen die Mitgliedsstaaten in den ursprünglichen Zustand versetzen. Der Beschluss war nur möglich, weil Österreichs Umweltministerin das Votum der ÖVP nicht beachtete.

Agrarfläche und Lebensmittelkrise: In den letzten 10 Jahren sind die landwirtschaftlichen Nutzflächen nur in Vietnam, Indonesien und China (Düngemittel, Technologie, Ankauf von Flächen im Ausland, vgl. Lester Brown: Who will feed China) erheblich ausgebaut worden. Ansonsten sind sie geschrumpft. Da auch immer mehr Pflanzen für Energie verwendet werden und die Bevölkerung wächst, sind die Nahrungsmittelpreise explodiert (inzwischen auch spekulativer Anteil, s. u.): Milchprodukte, Öle und Fette, Getreide, Zucker und Fleisch. Der Kakaopreis erreicht 2011 den höchsten Stand seit 33 Jahren. Auch Weizen, Reis und Soja sind extrem teuer geworden. Die FAO erstellt einen Nahrungsmittelpreisindex. Dieser erreicht 2011 einen Höhepunkt (230,7). Die größte Exporteure von Agrarprodukten sind die USA, Frankreich und die Niederlande. Die größte Importeure sind die USA, Deutschland und Japan. Im Juni 2008 findet ein UN-Nahrungsmittel-Gipfel in Rom statt. Der nächste Gipfel findet im November 2009 in Rom statt. Eine ausreichende Versorgung aller Menschen würde bis zu 20 Mrd. $ jährlich mehr kosten (wer trägt die Finanzierung?). 2008 hungern weltweit ca. 963 Mio. Menschen. Die G8 beraten auf ihrem Treffen 2008 in Toyako/Japan über internationale Getreidereserven als ein Gegenmittel. Die FAO (Food and Agricultur Organisation of the United Nations) ist die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. Sie soll Hunger und Unterernährung bekämpfen. Ihr gehören 191 Staaten an, ihr Sitz ist Rom. Im Jahre 2030 erwarten Fachleute eine doppelt so hohe Nachfrage nach Nahrungsmitteln wie heute. Grund ist der Bevölkerungsanstieg. 2009 sinken die Preise wieder, was dazu führen kann, dass den Produzenten der Anbau nicht mehr lohnend erscheint (die niedrigen Preise täuschen darüber hinweg, dass weltweit die Nachfrage schneller wächst als der landwirtschaftliche Ertrag). Zudem vergrößert die Klimaerwärmung das Risiko von Missernten aufgrund von Dürre und Überschwemmungen. Außerdem steigen die Erträge der Landwirtschaft in kühleren und feuchteren Weltgegenden im Gegensatz zu wärmeren Regionen. Der Klimawandel hemmt auch das Wachstum. Es findet 2009 ein UN Gipfel in Madrid statt. Der Teepreis steigt trotz Wirtschaftskrise (2009 um 15%). Grund sind die Dürren in den Anbauregionen Kenias, Indiens und Sri Lankas. Der Kaffeepreis ist stabiler, weil auch die Anbaufläche wächst (Vietnam). 2009 leiden 1 Milliarde Menschen Hunger (Welthunger-Index, bei 6,8 Mrd. Menschen). 70% davon sind Frauen. Am stärksten sind die Länder Kongo, Burundi und Eritrea betroffen. Weltweit hungern schon 2009 über eine Milliarde Menschen. Ihre Zahl steigt und 80% davon sind ausgerechnet Bauern. Bei den Lebensmittelpreisen kommt es auch immer wieder zu Spekulationswellen, vor allem im Zusammenhang mit Agrarrohstoffen (z. B. bei Zucker). Als Beispiele gilt der Preis für Kaffee und Kakao. Die Deutsche Bank kehrt 2013 in das umstrittene Geschäft mit Nahrungsmitteln zurück. Viele andere Finanzinstitute sind vorsichtig. 1,5 Mrd. Hektar sind 2010 als Ackerfläche der Erde nutzbar. 200.000 Menschen kommen jeden Tag zu den 6,8 Mrd. Menschen hinzu. Dies ist viel Raum für die große Spekulation. Vor allem Flächen in Afrika werden von ausländischen Investoren übernommen. 2013 kauft China riesige Agrarflächen in der Ukraine (Größe Brandenburgs). Am stärksten ist 2010 der Preis für Weizen gestiegen (+98%). Spekulationen um Reis, Kakao, Mais, Soja oder andere Nahrungsmittel müssten verboten werden. Empfehlenswert ist der Report "The Future of Food and Farming", der von 400 Experten 2011 erstellt wurde. Noch nicht entgültig entschieden ist in der Wissenschaft, welchen Anteil politische Fehlentscheidungen und Termingeschäfte haben. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) unterstützt 2011 100 Mio. Hungernde in 73 Staaten. Hohe Agrarpreise heizen weltweit Unruhen an (auch in Ägypten). Der Wettbewerb um agrarische Rohstoffe wird auf jeden Fall härter werden. Die Dürren in den USA und Indien 2012 führen zu enormen Erntausfällen (Mais, Weizen, Raps u. a.). Deshalb wird erwogen, den Biosprit E10 zu stoppen. 2013 gerät der Gesetzentwurf der EU für die Registrierung von Pflanzensorten in die Kritik. Man fürchtet um die Artenvielfalt. Kleinere Produzenten sind schon ausgenommen. Eine Studie der Weltbank 2013 ("Turn down the Heat") weist darauf hin, dass die Nahrungsmittelproduktion zu langsam gegenüber der Bevölkerungsentwicklung  ansteigt (Knappheit bei Grundnahrungsmitteln wie Reis, Mais, Weizen, Soja). Hauptursache sei der Klimawandel (Dürren, Überschwemmungen, sinkende Fischbestände). 2013 wird ein Bericht der UN veröffentlicht, dass fast ein Drittel der weltweit produzierten Nahrungsmittel auf dem Müll landet. Damit sind auch enorm negative Folgen für die Umwelt verbunden (Treibhausgase, Wasserverbrauch u. a.). Auf dem Weltklimagipfel in Warschau 2013 wird noch einmal deutlich gemacht, wie dramatisch der Rückgang an fruchtbarem Boden ist (Welt-Boden-Informationszentrum). Land ist begehrt wie nie. China, die Golfstaaten, internationale Firmen und reiche Privatanleger investieren massiv in Grund und Boden. Es geht um Nahrungsmittelproduktion , aber auch um Spekulation. In Brasilien wird auf Grassteppen mit unzähligen Landmaschinen Soja für China angebaut. Saudi-Arabien geht in der Wüste für die Kühe das Wasser aus und pachtet überall Land (das Projekt Matrix Global Observatory verfolgt das Ganze mit einem Open Data Konzept; www.landmatrix.org ). Ausländische Agrarkonzerne nehmen jedes Jahr Tausenden Bauern ihre Felder weg. Die meisten Käufer kommen aus Malaysia, den USA, Großbritannien und Saudi-Arabien. Ackerland wird immer mehr zu einem beliebten Investitionsobjekt.  "Längerfristig müssen wir schon auch unsere Ernährungsgewohnheiten ändern", Jeffrey Sachs, Earth - Institut, N. Y. Die EU will eine Agrarreform durchführen, bei der neue Umweltauflagen und weniger Geld für große Höfe vorgesehen sind (2014 bis 2020). In mehreren Berichten 2012 (WWF, Club of Rom) wird die Ausweitung der Agrarflächen für Soja und Raps durch Waldrodung angeprangert. Jeden Tag gehen mehr als 2000 Hektar Ackerland durch Versalzung verloren (in trockenen und heißen Gebieten verdunstet das Wasser zu schnell, bevor ed zu den Pflanzen gelangt). Eine Studie der Weltbank Ende 2014 warnt vor Hunger infolge des Klimawandels (Erderwärmung, Anstieg des Meeresspiegels und Naturkatastrophen schränken die Nahrungsmittelproduktion ein). Weil die Preise für Koks und Erz 2014 im Keller sind, nutzen viele Bergwerkskonzerne ihre großen Landflächen für die Rinderzucht und Milchproduktion. Kein anderer Kontinent ist für seinen Konsum stärker auf fremdes Land angewiesen als Europa (Quelle: Bodenatlas von BUND). Der Land-Fußabdruck der EU betrage 640 Mio. Hektar (eineinhalbmal so viel wie die Fläche aller 28 Mitgliedsstaaten).

Erderwärmung als Gefahr für die Welternährung (Gutachten des IPCC 2019): Der Bericht des IPCC 2019 ist 1200 Seiten stark. Tausende Wissenschaftler haben den jeweiligen Stand der Forschung zusammengestellt. Die Staaten der Welt werden darin zur schnellen Kehrtwende bei der Landnutzung aufgefordert. Die Agrarwirtschaft verursache zu viele Treibhausgase; zu viele Wälder würden für Weideland abgeholzt. Etwa ein Viertel aller von Menschen verursachten Treibhausgase hänge mit der Bestellung des Bodens zusammen. Die Aufforstung solle vorangetrieben werden. Wälder und Moore sollten besser geschützt werden. Die ärmsten Länder in Afrika, Asien, Lateinamerika und in der Karibik haben das größte Risiko. Immer mehr Böden trocken auch aus und es kommt daher zu Missernten.

Ernährung in der Welt: 1. Fehlernährung: ist ein  globales Gesundheitsproblem. Es kostet jährlich Millionen von Menschen das Leben. 2. Hunger: Ca. 820 Mio. Menschen auf der Welt sind unterernährt oder hungern (Welthungerhilfe). 3. Klimawandel: Klimatische Extremereignisse. 4. Übergewicht und Fettleibigkeit: 2,2 Mrd. Übergewichtige. Am höchsten in Ozeanien, Kuwait, USA.

Agrarpreise:  Mittlerweile diktiert der Weltmarkt die Agrarpreise. Der Weltmarkt wächst auch. Insofern sinken die Einflussmöglichkeiten der einzelnen Landwirte. Aktuelle, kurzfristige Schwankungen der Preise häufen sich. Es muss vorsichtiger kalkuliert werden. Folgende Einflussfaktoren sind wichtiger geworden: gute oder schlechte Ernten in mehreren Erzeugerländer (Angebot), Tendenzen der globalen Konjunktur und Nahrungsmittelnachfrage, Krisenentwicklungen (Horten) und Nachfrage, Einzelhandelsstruktur und Preiskämpfe (Handelsketten, Supermärkte). Durch den Klimawandel können importierte Nahrungsmittel teuerer und qualitativ schlechter werden. Häufiges Extremwetter bedroht die Ernten von Kaffe, Orangen und Bananen.  Zum 31. März 2015  läuft in der EU die Milchquote aus. Milcherzeuger dürfen nach 30 Jahren wieder so viel Milch produzieren, wie sie wollen. Es bleibt abzuwarten, wie sich das auf den Markt und die Preise auswirkt. 

Agrarexporte: Bei den Weltagrarexporten liegen die USA vor den Niederlanden und Deutschland. Die Einnahmen von Deutschland betrugen 2015 75 Mrd. $ (Quelle: WTO). 2016 entfielen 3,28 Mrd. € auf Obst und Gemüse (Quelle: Destatis, Deutscher Bauernverband).

Auswirkungen der Spekulation: Spekulationen können Nahrungs- und Rohstoffpreise beeinflussen. Ökonometrisch lässt sich allerdings weder ein Einfluss auf die Preise noch das Gegenteil feststellen. Die Future-Preise wirken sich allerdings auf die Kassapreise aus, wenn die Übernachfrage auf dem Future-Markt über einen längeren Zeitraum hoch ist. Vgl. Conrad, C. A.: Die Auswirkungen der Spekulation mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen, in: Wirtschaftsdienst 2015/6, S. 429ff. 2007/2008 stiegen die Maispreise in Äthiopien um 100 Prozent. Die Weizenpreise in Somalia um 300 Prozent. Mitte 2015 wetten Spekulanten auf steigende Preise bei Kakao. Kakao ist knapp und teuer. Händler und Lebensmittelkonzerne wehren sich. Kakao ist Spielball der Finanzmärkte. 2016 ist der Weltmarktpreis für Vanille in schwindelnde Höhen geschossen. Schuld haben die Geldwäscher auf Madagaskar (zusätzlich gibt es wegen des Preises Heerscharen von Dieben). Von der Insel kommen über 50% der Vanille (seit über 100 Jahren; wegen des feuchtwarmen Klimas). Damit hat die Insel eine Art Monopol (Rest aus Indien, Indonesien und Mexiko).

Umweltschäden durch Landwirtschaft in Deutschland: Durch Nutztierhaltung wird Ammoniak freigesetzt, was dem Menschen in der Atemluft schadet. Der Stoff Nitrat gelangt durch Gülle in das Grundwasser. Die Landwirtschaft muss besser werden: Insektensterben, ausgelaugte Böden, verschmutzte Meere. Wir brauchen eine sinnvollere Landwirtschaft. Die stärkste Kraft dürften dabei die Verbraucher sein. Bei der Nitrat-Belastung wächst der Druck aus Brüssel auf Deutschland. Man droht Deutschland mit einer weiteren Klage. Die Bauern protestieren gegen schärfere Regelungen.

Genfood: Weltweit boomen die Gentech-Pflanzen (160 Mio. Hektar). Bei Baumwolle und Sojabohnen ist der Anteil mittlerweile höher als der konventionelle Anbau. Bei Mais und Raps ist der Anteil relativ hoch. Am stärksten wird mit Gen-Pflanzen in den Schwellenländern Brasilien, Argentinien und Indien gearbeitet. bei den Industrieländern liegen die USA und Kanada an der Spitze (Monsanto). Hauptsächlich werden Gene eingeschmuggelt, um Pflanzen gegen bestimmte Unkrautvernichtungsmittel immun zu machen. Die EU-Kommission will 2012 die Vorschriften für gentechnisch veränderte Lebensmittel ändern. Deutschland ist dagegen. Bisher gibt es Labels, die für ohne Gentechnik stehen (Bio. ohne Gentechnik). Ohne Kennzeichnung sind gentechnisch veränderte Mikroben einsetzbar. trotz Siegel können gentechnisch veränderte Futtermittel verwendet werden. Kennzeichnungspflichtig ist die Verwendung von Zwischenstoffen aus gentechnisch veränderten Pflanzen. 2013 gibt Monsanto den Einsatz von Genpflanzen in Europa auf. Vorher hatten sich schon Bayer und BASF so entschieden. Die EU lässt den Gen-Mais 1507 zu. Es ist fraglich, ob er in Deutschland noch gestoppt werden kann. 2014 lässt der Fast-Food-Konzern McDonald`s den Einsatz von gentechnisch veränderten Futtermitteln in der Hähnchenmast zu, weil es keine ausreichende Menge an Gentechnik-freien Futtermitteln zu wirtschaftlich vertretbaren Konditionen mehr gebe. Die deutsche Geflügelindustrie verfüttert ab 2014 auch wieder genverändertes Soja. Die Handelsketten befürchten Umsatzeinbußen. In den USA sind schon 69,0 Mio. Hektar mit gentechnisch veränderten Pflanzen bebaut (Mais, Soja, Baumwolle, Raps, Zuckerüben, Deutschland 35,5 Mio. Hektar Landesfläche). Dann folgen in der Reihenfolge der Anbaufläche Brasilien, Argentinien und Indien. Ab 2015 ermöglicht die EU nationale Verbote von Gen-Pflanzen (auch wichtig für die Freihandelsabkommen). In den USA wächst 2014 und 2015 die Gentechnik-Skepsis: Nur noch 37% der Konsumenten in den USA halten Genfood für sicher. General Mill, einer der größten Lebensmittelhersteller, hat Genpflanzen aus ersten Produkten verbannt. Die weltgrößte Biosupermarktkette Whole Foods will ab 2018 alle Produkte mit Genfood kenntlich machen. 2024 berät das EU-Parlament über weniger strenge Regeln für die Gentechnik.  Produkte sollen schneller auf den Markt kommen. Bei Einsatz Neuer Genomischer Verfahren (NGT) soll nur das Saatgut noch gekennzeichnet werden. Ein Gesetz dürfte nicht mehr vor der Europawahl 24 verabschiedet werden.   "Die grüne Gentechnik hat sich als Holzweg erwiesen", Barbara Hendricks, Bundesumweltministerin 2015. Argentinien ist mittlerweile das größte Anbaugebiet von Soja, genmanipuliert und unter Einsatz großer Mengen von Pestiziden und Herbiziden (Monsanto). Soja ist zum Exportgut Nr. 1 geworden. Die Monokultur verbraucht Wasser in großen Mengen, laugt die Böden aus und führt zu Missbildungen bei Menschen. 2015 genehmigt die EU die Einfuhr genveränderter Pflanzen für Hersteller aus den USA und Deutschland. Es wird aber nicht der Anbau in Deutschland erlaubt. Die Produzenten sind BASF, Bayer, Monsanto und Du Pont. Pflanzen werden nicht nur aktiv durch Gentechnologie verändert, sondern auch durch Züchtung. Zum Beispiel werden moderne Tomaten eher auf Farbe gezüchtet. Dabei wird oft ein Gen abgeschaltet, das für die Aromen sorgt. Die EU-Staaten wollen es ab 2017 der EU-Kommission überlassen, welche Neuzulassungen und Verlängerungen von Genmaissorten es geben soll. Es geht um die Sorten MON180 (Monsanto, USA), das Produkt 1507 (Dupont, USA) und Bt11 (Syngenta, Schweiz).

Genetik und Lebensmittel: Start-ups und Techkonzerne züchten in Zellfabriken tierlose Steaks und Bakterien. DNA wird als Megafestplatte genutzt. Im 21. Jahrhundert könnte dies die Lebensmittelindustrie revolutionieren. In Zukunft könnte man vielleicht Leben programmieren. Führend auf dem Gebiet ist Israel.

Lebensmittel: Die Macht der großen Lebensmittelkonzerne wächst. Dazu gehören Nestle, Mondelez, Unilever, Danone, Mars und Oetker-Gruppe. Der Lebensmittel-Markt ist immer globaler. Die USA und Brasilien dominieren den Weltmarkt für Hühnerfleisch. Mexiko ist stark bei Blumenkohl und Brokkoli. Brasilien exportiert den meisten Zucker. China exportiert Dosenpilze und Knoblauch. Die Ukraine ist der größte Exporteur von Sonnenblumenöl. Quelle: Der Spiegel, 31/2013, S. 36. Die höchste Palmölproduktion haben Indonesien und Malaysia. Die Produktion wird vom multinationalen Unternehmen Wilmar beherrscht, das die Lebensmittelkonzerne Unilever und Nestle beliefert. Das Öl wird mit brutalen Methoden gegen Menschen gewonnen. Es gibt aber auch Lichtblicke. So züchtet der japanische Forscher Hiroyuki Watanabe Biogemüse in Fabriken mit LED-Licht (Rotes Licht - süßerer Geschmack; Blaues Licht- mehr Vitamine; Violettes Licht - Dunklere Blätter und mehr Nährstoffe). Auch in Berlin werden mittlerweile in großen Fabrikhallen und Kellerräumen Gärten betrieben (Indoor-Farm). Im deutschen Export in Nicht-EU-Länder liegt Asien vorn: Hauptabnehmer ist China 2018 (776 Mio. €) vor den Philippinen (104 Mio. €).  Zuckerrohr war einst das weiße Gold. Wahrscheinlich wurde die Verarbeitung zu Zucker im 4. Jahrhundert in Indien entwickelt. Die Römmer importierten Zuckerrohr für die Medizin. Die Araber sorgten für die Verbreitung im Mittelmeerraum. Vom Luxusprodukt zur Massenware wurde Zucker durch die Entdeckung Amerikas und die Sklavenarbeit. Haiti, Jamaika und Cuba wurden zu Zentren der Zuckerproduktion. 1742 entdeckte der deutsche Chemiker Andreas Marggraf den hohen Zuckergehalt der Runkelrübe (durch die Wirtschaftsblockade Napoleons gegen England kam die Expansion). Die Südzucker AG mit Sitz in Mannheim ist der größte europäische Zuckerhersteller. Das dritte Jahr in Folge sind 2014 die weltweiten Lebensmittelpreise gesunken. Dies betrifft einen Preisindex aus fünf Gruppen von Grundnahrungsmitteln (Quelle: FAO). In China selbst will die Regierung den Chinesen die Kartoffeln ("Erdbohnen", tudou) schmackhaft machen. Schon heute ist China der weltgrößte Kartoffelproduzent (jede vierte Kartoffel). Die Kartoffel ist ideal für arme Kleinbauern, weil sie weniger Wasser benötigt als Reis oder Weizen. Durch Kochserien und andere Maßnahmen soll den Chinesen der Verzehr näher gebracht werden. Manchmal gibt es auch tragische Veränderungen in der Globalisierung: Teff ist Grundnahrungsmittel in Äthiopien. Das Getreide ist glutenfrei. So entdeckt es auch der Westen und das Land exportiert immer mehr. Die eigenen Menschen hungern. 2015 droht Nestle in Indien ein großer Imageschaden: In Maggi-Nudeln wird Blei gefunden. In Reis und Reisprodukten wird immer mehr Arsen gefunden (Reispflanzen nehmen Arsen aus dem Boden auf; Arsen begünstigt Krebs). Der WWF gehen in Deutschland pro Jahr von der Ernte bis zum Verbraucher rund 18 Mio. Tonnen Lebensmittel verloren (Schätzung für 2012). 2015 gerät das Palmöl in die Diskussion. das italienische Produkt "Nutella" (Ferrero) wird non der französischen Regierung angegriffen. Darin sei Palmöl, für das Regenwälder in Indonesien und Malaysia gerodet würden. Bei einer Razzia von Europol und Interpol werden weltweit 9800 Tonnen Lebensmittel im Wert von 230 Mio. Euro beschlagnahmt. Für 2022 wird Ende 2021 mit einer Verteuerung von Lebensmitteln gerechnet: Hohe Energiekosten, knappe Düngemittel, teure Rohstoffe werden die Preise für Nahrungsmittel steigen lassen. Es kommt dann noch schlimmer durch den Ukraine-Krieg: Russland und die Ukraine sind wichtige Lieferanten (Getreide, Sonnenblumenkerne). Ab April 2022 gibt es eine Preisexplosion (über +20%).

Lebensmittel als Abfall (auch Ressourcenverbrauch): 55 Kilo Lebensmittel pro Kopf landen in Deutschland jedes Jahr im Abfall. Diskutiert wird über die Hauptschuld: private Haushalte oder Handelsketten. 1000 Tafeln in Deutschland holen gespendete Waren bei Supermärkten ab. 2,4% der aussortierten Waren landen bei den Tafeln. Wichtig für diese Prozentzahl ist die Fehlertoleranz. 820 Liter Wasser kostet die Produktion von einem Kilo Äpfel.

Betrug mit Lebensmitteln: Beispiele: Gammelfleisch in Gelatine, gepanschtes Olivenöl, Pestizid-Erdbeeren. Das ist ein Milliardengeschäft, auch für die Mafia. In Europa gründeten zehn Länder die Europol-Operation Opson. 2019 nehmen schon 78 Staaten teil. 2018 wurden 672 Personen bei den Opson - Einsätzen von Europol und Interpol festgenommen. 186 Lebensmittelrückrufe gab es 2018 in Deutschland. Das Risiko, ertappt zu werden, ist gering. Es feheln auch gerichtsfeste Vorgaben zur Qualitätssicherung. Vgl. Book, Simon/ Hielscher, Henryk: Fake Food, in: WiWo 2019/ 28, 5.7.2019, S. 16ff.

Fertigprodukte: Ab Ende 2019 will die Lebensmittelwirtschaft in Deutschland mehr für gesunde Ernährung tun. Es wird eine Grundsatzvereinbarung mit der Bundesregierung getroffen: Fertigprodukte sollen weniger Zucker, Salz und Fett enthalten. Besonders geschützt werden sollen Produkte für Kinder (Tee, andere Getränke), damit sich Kinder nicht an Zucker gewöhnen.

Hochverarbeitete Lebensmittel: Sie schneiden in Studien sehr schlecht ab. Sie sind tendenziell ungesund. Es geht nicht nur um Zucker oder gesättigte Fettsäuren. Sie richten im Darm Schaden an.

Novel Food: Fleisch und Fisch aus dem Bioreaktor. Käseprotein aus dem Fermenter. Ei aus Erbsen. Essen aus dem Labor. Das könnte viele Umweltprobleme lösen und den Klimawandel verlangsamen. In den ersten neun monaten wurden 3,4 Mrd. Dollar in den Bereich investiert. Vgl. Book, Simon u. a.: Nachbau der Natur, in: Der Spiegel Nr. 2/ 8.1.22, S. 78f.

Fleisch: Die Deutschen essen immer weniger Fleisch. 2018 betrug der Pro-Kopf-Konsum in Deutschland noch 61,1 kg. 2021 lag er bei 55,0 kg. Die Industrieländer haben den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch (85,6 kg. Die Entwicklungsländer liegen bei nur 32,7 kg (Welt insgesamt 42,4 kg). Die beliebtesten Fleischsorten in Deutschland sind: Schwein , Geflügel, Rind/ Kalb, Schaf/ Ziege. Vgl. WiWo 24/ 10.6.22, S. 8. 2022 geht der Fleischkonsum weiter zurück. Dazu tragen die hohen Preise bei.

Fleisch aus dem Labor: Eine der wirkungsvollsten Waffen gegen die Klimakrise. Fleisch wird aus Stammzellen erschaffen (und kommt teilweise aus 3-D-Druckern). Man entwickelt auch Bioreaktoren zur Produktion von Fleisch (Merck, TU Darmstadt). Microsoft-Gründer Bill Gates empfiehlt, dass die reichsten Länder zu 100% auf synthetisches Fleisch umsteigen sollten.

Fleischbegriffe für vegetarische oder vegane Ersatzprodukte: Als erstes EU-Land verbietet Frankreich bestimmte Fleischbegriffe für vegetarische oder vegane Ersatzprodukte. Das bedeutet z. B. das Aus für "Soja-Steaks", "vegane Würstchen" oder "vegetarischen Schinken". Tatsächlich sind in Frankreich Fleischersatzprodukte weniger verbreitet als in Deutschland.

Landwirtschaft: Der Mangel an Nahrungsmitteln und Hungersnot ist paradoxerweise zumeist in jenen Ländern am akutesten, die sich auf die Produktion von Nahrungsmitteln spezialisiert haben. In den letzten 50 Jahren hat die Landwirtschaft einen höheren Produktivitätszuwachs erfahren als die meisten Industrien. Trotz der enormen Produktivitätssteigerung ist die Anzahl der Armen und Hungernden in der Welt nicht gesunken. Vgl. Erik S. Reinert: Warum manche Länder reich und andere arm sind, Stuttgart 2014, S. 96ff. Besonders wichtig ist die "Evergreen Revolution" in der Landwirtschaft. Sie ging von Norman E. Borlaug in den USA/ Iowa aus. Es geht im Kern um die Anpassung der zentralen Getreidesorten wie Weizen, Mais und Reis an den Klimawandel ohne Einsatz der Gentechnik. Vor allem durch die Bekämpfung von Schädlingen, die Vermeidung von Erntekatastrophen  konnte die Produktion der Landwirtschaft erheblich gesteigert werden. Die globale landwirtschaftliche Nutzfläche pro Person ist zurückgegangen und wird weiter zurückgehen: von 2420 qm 2008 auf 1810 qm 2050. Gleichzeitig werden immer mehr Tiere gehalten: 2005 259 Mio. Tonnen Fleischproduktion, 2050 455 Mio. t (Quelle: FAO). Die Zahl der unterernährten Menschen lag 2014 bei 805 Mio. (gleiche Quelle). In der deutschen bzw. europäischen Landwirtschaft könnten Subventionen genutzt werden, um die Globalisierung der Landwirtschaft zu stoppen. Ein Klimagutachten fordert 2016 höhere Steuern auf Fleisch und Milch. Es solle der reguläre Mehrwertsteuersatz von 19% gelten. Dies können den Ausstoß von Treibhausgase3n verringern. Die Landwirtschaft steht weltweit vor dem größten Umbruch. Ökologie, Technik (Roboter), Konsumenten und Politik machen Druck für Veränderungen. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland hat sich stark verringert (von 588.000 1995 auf 268.000 2017; Quelle: Destatis). 2019 hat die Landwirtschaft einen Anteil von 7% am CO2-Austoß in Deutschland. 2014 gerät die Torfwirtschaft in Deutschland unter Druck.  Das Trockenlegen von Mooren und der Einsatz von Torf gilt als "Klimakiller". Die grüne Landwirtschaft will deshalb des Aus für Torf. Besonders in Niedersachsen hat die Torfwirtschaft eine gewisse Bedeutung. Zu Beginn von 2015 schlagen die "sieben Umweltweisen" der Bundesregierung Alarm: Sie fordern eine deutliche Stickstoffreduzierung in Wasser, Boden und Luft. Versucher ist hauptsächlich der Dünger in der Landwirtschaft. Mitte 2015 verfallen die Milchpreise in der EU. Gründe sind die schwächere Nachfrage aus China und russische Importverbote. Die Bauern in Deutschland, Frankreich und Belgien fordern Unterstützung vom Staat. 2018 erwartet die Agrarbranche in Deutschland einen neuen Umsatzrekord. Verbraucherschützer kritisieren den Stillstand in der Lebensmittelpolitik. Die extreme Trockenheit 2018 führt zu Milliardenschäden. Es drohen Erntausfälle und steigende Futterkosten. Der Präsident des Bauernverbandes fordert Subventionen vom Bund. Das Landwirtschaftsministerium lehnt eine Dürre-Soforthilfe ab. Eventuell soll es Unterstützung für die Viehzucht geben (Futtermangel). Die Probleme sind regional. Grundsätzlich geht es um die Frage, ob Dürre zum unternehmerischen Risiko gehört. Aber auch darum, inwieweit die Landwirtschaft selbst durch ihre Produktionsweise zum Klimawandel beiträgt. Das Landwirtschaftsministerium erlässt im August 2018 eine Verordnung, wonach Landwirte auf so genannte Zwischenfrüchte zum Füttern zurückgreifen können. Für weitere Hilfen sollen die Ernteberichte abgewartet werden. Es gibt dann 340 Mio. Euro für dürregeschädigte Landwirte (Bund 150 bis 170 Mio. €; Länder bis 170 Mio. €). Davon werden bis Mitte 2019 170 Mio. € abgerufen (6311 Anträge; die Hälfte der Mittel). Im Dezember 2019 findet ein Agrargipfel statt: Regierung mit Bauern. Die Regierung will mit dem Lebensmittelhandel über Dumping-Preise sprechen (außerdem: Umweltvorgaben, Düngeregeln).

Zukunftskommission Landwirtschaft der Bundesregierung (ZKL): Festlegung der Agrarstrukturen bis 2027. 40 Mrd. € EU-Gelder werden weiter verteilt. Das bestehende System wird eher zementiert, für Klima und Umwelt wird nicht so viel getan. Die staatliche Förderung müsste eigentlich reformierte werden. Nur so könnten neue Ideen umgesetzt werden: Bauern sollen heute bezahlbar, nachhaltig und "tierwohlorientiert" arbeiten. Der Abschlussbericht wird am 6.7.21 vorgelegt. Die Experten haben zehn Monate daran gearbeitet. Es waren 31 Kommissionsmitglieder aus Agrarbranche, Wissenschaft und Umwelt- und Verbraucherverbänden.

Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (GAR): 2023 sollen die Mittel dafür im Bundeshaushalt gekürzt werden (von 1,1 Mrd. € auf 840 Mio.).  Die Agrarminister von Bund und Ländern sind dagegen. Sie sind für eine starke Förderung des ländlichen Raumes und der Landwirtschaft.

Kontrolle landwirtschaftlicher Betriebe mit Tierhaltung: Ein Betrieb muss in Deutschland alle 17 Jahre mit einer Überprüfung von Amts wegen rechnen. Tierschützer fordern häufigere Stichproben und mehr Personal für die Behörden. Die Kontrollen sind Sache der Länder, die sie an die Landkreise delegieren. Auch das Bundeslandwirtschaftsministerium sieht Handlungsbedarf.

Landwirtschaft und Ausbeutung: In vielen europäischen Ländern findet eine Ausbeutung in der Landwirtschaft statt. Dabei werden auch Flüchtlinge eingesetzt. So in Südspanien, damit in deutschen Läden das ganze Jahr Erdbeeren und Tomaten angeboten werden können. Ebenso werden Flüchtlinge in der Landwirtschaft in Griechenland und Süditalien sowie in Portugal eingesetzt.

Nitratbelastung des Grundwassers: Der EuGH stellt 2018 fest, dass in Deutschland durch die Landwirtschaft zu viel Nitrat ins Grundwasser und den Boden gelangt (Überdüngung mit Gülle). Das Gericht gibt damit einer Klage der EU-Kommission gegen Deutschland statt. Diese hatte Versäumnisse vor 2014 moniert. Die Bundesregierung hat 2017 die Düngeregeln für Bauern schon verschärft. Laut Umweltbundesamt weisen 18 % aller Kontrollstationen zu hohe Werte auf. Die Deutsche Umwelthilfe will gegen die hohe Nitratbelastung klagen. Im Juni 2019 verständigt man sich auf einen gemeinsamen Kurs von Landwirtschaftsministerium, Umweltministerium und der EU. Im Oktober 2019 lässt der EuGH Klagen von Umweltverbänden und Privatpersonen gegen Behörden zu. Es droht eine Klagewelle. Am 21.020.20 einigen sich die EU und der Bund auf Düngeregeln: Damit sind Strafzahlungen und eine Klagewelle erst mal abgewendet. Am 27.3.20 stimmt der Bundesrat der Düngemittelverordnung zu. Die Vorschriften werden schärfer, vor allem in Gebieten mit hoher Grundwasserbelastung.

Düngemittel: Bis Mitte 2022 steigen die Preise von Dünger seit Jahresanfang um +111%. Grund sind dei Vorleistungs- und Produktionsausfälle in der Ukraine und Russland im Zuge des Krieges.

Schadstoffe und Gifte: Täglich nimmt unser Körper Schadstoffe auf. Dies geschieht über die Wege einatmen (Klebstoffe, Zigarettenrauch, rußende Kerzen, Möbel und Teppiche), Berührung (Kosmetika, Textilien; Formaldehyd, Aufheller, Galaxolid, Styrol) und essen (Pflanzenschutzmittel, Verpackungen; Botulintoxide, Dioxin, Rizin, Tetrotoxin, Bausäure).

Agrarkonzerne in der Welt: Nach Umsatz und Ergebnis führt das US-Unternehmen Monsanto 2016. Dann folgt Syngenta aus der Schweiz. An dritter Stelle liegt DuPont (Frankreich). Dann folgt Bayer aus Deutschland. Der Konzern kann 2016 Monsanto übernehmen. Dahinter liegt die BASF. Nach den vielen Zusammenschlüssen ergibt sich 2018 folgende Reihenfolge: 1. Bayer und Monsanto. 2. Chemchina und Syngenta. 3. Dupont und Dow. 4. BASF. 5. FMC und Dupont Pflanzenschutz. 6. Nestle. Diese Agrochemieunternehmen beherrschen die Ernährung der Menschheit (tragen eine große Verantwortung für das Essen der Welt). Der Kunde ist ausgeliefert. Im Juni 2019 wird Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner wegen zu großer Nähe zu Nestle kritisiert (YouTube -Video). Im Zuckerstreit werben auch andere Firmen mit der Reduktion von Zucker (Danone, Iglo, Einzelhandel). Der Ablauf erinnert an die Automobilindustrie und das Verkehrsministerium.

Agrarpolitik der EU (EU-Agrarreform): Seit 1962 kooperieren die Mitgliedsstaaten. Hauptziel sind die Ernährungssicherheit und das Einkommen der Bauern. hinzu kommen Nachhaltigkeit, Klimaschutz, ländliche Räume und Arbeitsplätze. Fast 60 Mrd. €, das sind etwa ein Fünftel des EU-Haushalts fließen jährlich in die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP). De größte Teil wird als Direktzahlung pro Hektar geleistet. Nur ein Drittel der Mittel fließt in Umweltschutz oder Tierschutz. 2019 kommt eine Reform durch die europäische Kommission. Es geht um eine anspruchsvolle, zielgerichtete sowie effiziente Agrarumwelt- und Klimaschutzpolitik: Eco-Schemes, Förderung ländlicher Räume, landwirtschaftliche Tierhaltung (hoher Fleischkonsum umweltschädlich), leicht verständliches staatliches Tierwohllabel (zur Steuerung des Verbraucherverhaltens, Tierwohl und Klimaschutz beim Lebensmittelkonsum). Das könnte Einkommens- und Wohlfahrtsverluste für Erzeuger und Volkswirtschaft mit sich bringen. Vgl. Birkenstock, Maren u. a.: Eine moderne, umweltfreundliche und ethische Agrarpolitik - Ziele und Instrumente, in: Wirtschaftsdienst 10/2019, S. 675ff. Im Oktober 2020 konzipiert man die EU-Agrarpolitik für die nächsten 7 Jahre: Der Umfang des Etats bleibt gleich. 20% sollen in Umweltprojekte (EU-Staaten müssen die Mittelreservieren; Landschaftsschutz, Artenvielfalt, Tierschutz)  fließen. Die einzelnen Länder sollen mehr Mittel in Eigenregie vergeben können. Für die Zukunft stehen noch folgende Probleme an: Kleine Bauern, Bauern als Naturschützer, gemeinsame Öko-Systempolitik. 2021 ist die Situation noch so, dass 80% des Geldes an 20% der Betriebe gehen. Damit verschlingt die gemeinsame Agrarpolitik so viel Geld wie kein anderer EU-Posten. Man muss nun darüber entscheiden, wer in den nächsten sieben Jahren davon profitiert. Ende Juni 21 einigen sich die Staaten der EU auf eine Agrarreform: 387 Mrd. € von 2021 bis 2027 für die Landwirtschaft. Mehr Geld soll in Umwelt- und Klimaschutz investiert werden. Am 23.11.21 stimmt das EU-Parlament der Agrarreform zu. Von 2023 bis 2027 verfügt die EU-Agrarpolitik über ein Budget von 270 Mrd. €. 75% geht weiter in die Fläche. Die EU-Kommission kritisiert im Mai 2022 den deutschen Agrarplan (Cem Özdemir). 2024 macht die EU Zugeständnisse an Landwirte. Dei Umweltauflage für europäische Bauern wird rückwirkend zum 1. Januar gelockert. Eigentlich sollen 4% des Ackerlands brachliegen oder unproduktiv genutzt werden. Dei EU will Ausnahmen zulassen, wenn im Gegenzug auf vier Prozent Stickstoff bindende Pflanzen bzw. Zwischenfrüchte angepflanzt werden. Die Bundesumweltministerin will das in Deutschland nicht umsetzen. Das Europaparlament billigt im April 24 die Entlastungen. Die Gemeinsame Agrarpolitik gehört zu den Kernbereichen der EU. Es geht um viel Geld und auch um erhebliche Umweltprobleme. Hauptprobleme sind: Überproduktion durch hohe Preise unbezahlbar, Intensivlandwirtschaft verursacht Umweltprobleme, Rückschlag durch den Krieg in der Ukraine.   In der EU protestieren immer wieder Bauern gegen Umwelt-Auflagen und die EU-Agrarpolitik. So auch 2024. Bauern in Deutschland, in Frankreich und Polen blockieren Autobahnen, Straßen und Grenzübergänge.

Agrarsubventionen: Sie werden auf zwei Wegen vergeben: Ein Großteil wird direkt pro Hektar Nutzfläche ausgezahlt (erste Säule). Ein deutlich kleinerer Anteil finanziert Programme zum nachhaltigen Wirtschaften und zur ländlichen Entwicklung (weite Säule). Sie stehen regelmäßig in der Kritik. Die anhaltende Dürre der letzten Jahre hat zu weiteren Hilfen geführt, aber die Extreme betreffen viele. Überschwemmungen und Dürre werden zunehmen. Die Frage der Entscheidung zwischen Gemeinwohlleistung und Markt wird aktuell bleiben.  Eigentlich sollte Geld gezielt für die Entlohnung von Leistungen der Landwirtschaft im Umwelt- und Klimaschutz sowie für die Erhöhung des Tierwohls verwendet werden. Bei der letzten Reform 2014 wurde "Greening" eingeführt (grüne Mindestanforderungen). Es betrifft einen Teil der Direktzahlungen. Für die kommende Förderperiode ab 2021 kommt "Eco-Schemes": Mitgliedsstaaten können selbst ökologische Anforderungen festlegen. Man einigt sich innerhalb der Bundesregierung, dass der größere Teil der EU-Mittel künftig an Umweltauflagen gekoppelt künftig an Umweltauflagen gekoppelt wird. Es gibt noch viele andere Vergünstigungen für Bauern: Die Steuerfreiheit bei Agrardiesel und die Befreiung bei der KfZ-Steuer. Im Zuge  der Haushaltskrise 23/ 24 sollen die Privilegien fallen, was aber teilweise wieder zurückgenommen wird. Landwirte bekommen 2022 von der Bundesregierung 7 Mrd. € und von der EU 2,4 Mrd. €. Im Schnitt erhalten Betrieb im Haupterwerb 47.000 € Direkt-Subventionen. Kleinere Betriebe sind stärker abhängig. Vgl. HB 6/ 9.1.24, S. 4f.

Agrarexporte: An der Höhe der deutschen Agrarexporte taucht immer wieder Kritik auf. "Es ist keine tragfähige Strategie, jeden chinesischen Kühlschrank mit Schweinefleisch aus Deutschland zu versorgen", Umweltministerin Barbara Hendricks auf der Grünen Woche 2018 in Berlin. Gefordert wird eine flächengebundene Tierhaltung, bei der nur so viele Schweine, Rinder und Hühner gehalten werden, wie Boden zum ausbringen von Gülle und Mist vorhanden ist. Das liefe auf eine Eindämmung von Riesenställen hinaus. Die Agrarexporte aus Deutschland haben 2017 einen Höchststand erreicht (78,3 Mrd. €, Quelle: Gefa). Die USA stören sich erheblich an der Abschottung des EU-Agrarmarktes. Trump will das Argument der Biotechnologie (Gen) nicht akzeptieren. Auf der anderen Seite werden die US-Farmer hoch subventioniert (siehe oben).

Agrarpflanzen und ihre Verwendung: Die Daten gelten weltweit. 46% werden für Tierfutter gebraucht. 37% stehen für die Nahrung zur Verfügung. Es folgen andere (11%) und Biokraftstoff (6%). Quelle: FAO.

Globale Produktion von Ackerpflanzen: In Millionen Tonnen. Mais (1074), Weizen (755), Reis (510), Sojabohnen (356), andere 506. Quelle: siehe oben.

Internationale Produktstandards (Zertifikate): Wichtig für den globalen Handel mit landwirtschaftlichen Produkten. Dei Standards knüpfen bei den Erwartungen der Verbraucher an. Eine Organisation, die diese festlegt ist GLOBALG.A.P. in Köln ("Gute Agrarpraxis").

Nationale Zertifikate, Label, Gütesiegel, Logos: Es gibt viele solcher Gütesiegel. Einige sind auch umstritten. So wie das vom Bundeslandwirtschaftsministerium geplante Tierwohlsiegel. Es gilt nur für Schweine, ist freiwillig und nach der Ansicht der Kritiker zu lasch. Es soll ab 2020 kommen. Es soll für artgerechte Tierhaltung stehen. Es soll in drei Stufen kommen: 1.Mindestens 20% mehr Platz. 2. Andere Tiere wie Geflügel sollen folgen. 3. Später verpflichtend. Der Handel führt schon 2019 ein Tierlabel ein. Es sagt allerdings nichts über die Haltung der Tiere und den Transport aus. Ab Oktober 2019, spätestens ab Januar 2020, kommt in Deutschland der "Nutri-Score". Das neue Logo soll eine Ergänzung für die EU-weit verpflichtende Nährwerttabelle sein. In einer fünfstufigen Skala (A-E) werden Lebensmittel eingeordnet (positive und negative Stoffe). Der Bürgerrat schlägt 2024 ein Tierwohl-Label vor, für das die Konsumenten mehr Geld für die Produkte zahlen sollen.

Schutz von regionalen EU-Erzeugnissen: Das Europaparlament beschließt im Februar 2024 eine besseren Schutz für regionale Produkte (geographische Angaben wesentlich). Ahle Wurst, Spreewälder Gurken, Pfälzer Weinbrand, Thüringer Rostbratwurst, Nürnberger Lebkuchen sind zukünftig geschützt. 

Ökolandbau (Bioprodukte): Die Nachfrage nach Bioprodukten steigt ständig (seit 2000 Anstieg des Umsatzes um 262%). Die hohe Biogasförderung (Energiepflanzen besetzen ein Fünftel des Ackerlandes in Deutschland), Billigimporte (aus China?) und explodierende Landpreise setzen die Branche unter Druck. Weltweit ist China 2015 schon der viertgrößte Markt für Bioprodukte. Die Lebensmittelindustrie steckt dort in einer Vertrauenskrise. Gebildete Städter kaufen bewusster ein. Es gibt auch eine Gegenbewegung zur Businesskarriere mit einem neuen Leben auf dem Land. Naturkostläden haben 2015 mehr in Deutschland umgesetzt. Das Erzeugerangebot in Deutschland reicht nicht aus (Nachfrage wächst stärker als die Produktion). Immer mehr muss importiert werden (was agrar- und umweltpolitisch unsinnig ist). Die Bioökonomie nimmt auch Einfluss auf die Entwicklungspolitik. Bis 2050 müssen wahrscheinlich über 9 Mrd. Menschen auf der Erde ernährt werden. In Deutschland ist der Anteil der Bio-Landwirtschaft aber gering: 4% des Ackerlandes, 5% des Viehbestandes werden nach ökologischen Grundsätzen bewirtschaftet. Im Koalitionspapier der GroKo im Februar 2018 soll bis Ende 2019 ein mehrstufiges staatliches Tierwohl-Label geschaffen werden. Ab 2020 sollen 20 Prozent der Landwirtschaft ökologisch sein. 2017 ist die Bio-Anbaufläche in Deutschland um rund 10% gestiegen. Auch die Nachfrage nach ökologisch erzeugter Nahrung steigt. ein grundsätzlicher Nachteil von Bio-Landwirtschaft ist, dass sie zu viel Fläche verbraucht. Also brauch man immer eine Kombination von Bio- und konventioneller Landwirtschaft (Uni Göttingen). Der Bioanbau kann also insoweit dem Klima schaden, weil er geringer Erträge abwirft, die mit konventioneller Landwirtschaft aufgefangen werden müssen. Aufs Ganze gesehen, hilft nur regional und Fleischverzicht. Die Agrarminister in Deutschland einigen sich im März 21 auf eine grünere Landwirtschaft. Die EU-Subventionen sollen stärker auf ökologische Regelungen ausgerichtet werden. Die Nürnberger Biofach ist die weltgrößte Fachmesse. Die Bundesregierung hat 2009 den Bioökonomierat einberufen. 2018 anlässlich der Grünen Woche in Berlin demonstrieren Öko-Bauern für eine bessere Förderung des Ökoland-Baus und gegen die "industrialisierte Landwirtschaft" ("Wir haben es satt"). 2018 soll eine neue EU-Öko-Verordnung für die Landwirtschaft kommen. Sie setzt neue Öko-Standards. In Deutschland gibt es 2019 immer mehr Bio-Lebensmittel. Der Importbedarf nimmt ab, weil die Anbaufläche in Deutschland stark wächst. Der Anteil des Ökolandbaus an der gesamten deutschen Agrarfläche stieg 2019 auf 9,7%. Aber es gibt immer weniger Bauerbhöfe insgesamt. 2021 gibt es 35.716 Bio-Höfe in Deutschland, so viel wie nie (2011: 22.506). Sie hatten eine Fläche von 1784 Tausend ha. die Preise gehen nach oben, weil die heimische Produktion nicht mit der steigenden Nachfrage Schritt hält. Der Markt für Bioprodukte soll weiter wachsen. Der Agrarminister will sowohl Angebot wie Nachfrage steigern.

Ökolandbau in der EU ("Green Deal"): 2020 beträgt der Anteil von Ökolandbau in der EU 7,5 Prozent. Dieser Anteil soll in den nächsten Jahren auf 25 Prozent ausgeweitet werden (bis 2030). Sie hat dazu eine "Farm to Fork - Strategie" entwickelt. Man spricht auch von Green Deal. Die Landnutzung soll eingeschränkt werden, auch der Einsatz von Düngemitteln, Antibiotika und Pflanzenschutzmitteln. Es könnte auch schädliche Nebenwirkungen geben: rückläufige Produktionsmengen, sinkende Einnahmen, höhere Preise. Aber auch Auslagerung der Produktion und Emissionen ins Ausland. Quellen: JRC, Agrarheute, WWF.

Bio-Anbau in Brasilien: Brasiliens Landlose sind zur größten sozialen Bewegung Lateinamerikas geworden. Sie machen ca. 5 Mio. Kleinbauern aus. Die Landlosen - Bewegung gibt es seit 1984. Auf ihren Parzellen bauen Kleinbauern Gemüse und Obst an. Meist in Bio-Qualität. Sie verkaufen ihre Produkte an die einheimische Bevölkerung. Das geschieht oft über Gemeinschaftshäuser. Es gibt Widerstand - von rechts. Manche behaupten, die Bauern planten wegen ihres Klassenkampfes einen kommunistischen Putsch. Sie wollen soziale Gerechtigkeit schaffen. Nirgendwo auf der Welt  ist der fruchtbare Ackerboden so ungerecht verteilt wie in Brasilien. Das ist ein Erbe der portugiesischen Kolonialzeit, die den Boden unter sich aufgeteilt hatten. Rund 10% der Agrarwirte gehören Zweidrittel von Brasiliens Agrarfläche. Die restlichen 90% der Bauern wirtschaften auf 10% der Fläche. Vgl. Rheinpfalz am Sonntag, 30.9.23, S. 3.

Bio-Lebensmittelläden: Sie bekommen immer mehr Konkurrenz von Supermärkten und Discountern (Rewe, Lidl, Aldi). Der Wettbewerb geht hauptsächlich über den Preis. Die Bio-Konsumenten splitten zunehmend ihre Einkaufsgewohnheiten (hybrid). Beim Discounter ist in der Regel das einfachste Bio-Siegel (EU-Siegel). Die Grenze zwischen Naturkost und Discounter-Bioware verschwimmt.  In Ludwigshafen gibt es als alt eingesessenes Bio-Geschäft die Kichererbse. Der Umsatz von Biolebensmitteln steig in Deutschland von 3,2%  2007 (5,3 Mrd. €) auf 5,3% 2018 (10,9 Mrd. €). 2023 steigt der Umsatz mit ökologisch erzeugten Lebensmitteln um 5%. Die Bio-Branche kommt aus dem Tal. 2023  legen die Bio-Umsätze im Lebensmitteleinzelhandel um 7,2% zu.

Lebensmittelpreise: Die Lebensmittelpreise sind massiv gestiegen. Der anstieg lag in den letzten Jahren (21, 22, 23) über der Inflationsrate. Wer am meisten davon profitiert, ist zwischen Erzeugern, Verarbeitern und Handel strittig. Dei Ernährungsindustrie jedenfalls beklagt Stagnation und verschlechterte Bedingungen am Standort Deutschland. Dei hiesige Ernährungsindustrie verarbeitet nach eigenen Angaben rund 80% der von Landwirten erzeugten Rohprodukte. Im Einzelnen verteuerten sich die Produkte 2023 wie folgt (Statistisches Bundesamt): Brot und Getreide 16,4%; Molkereiprodukte, Eier, Honig 15,7%;  Fisch, Fischwaren, Meeresfrüchte 14,7%; Gemüse 13,3%.

Butter: die Butterpreise sind 2024 auf einem Rekordhoch. Sie können noch weiter steigen. Dei Deutschen essen immer weniger Butter. Der größte Anbieter in Deutschland ist DMK (Deutsches Milchkontor). Vgl. WiWo 42/ 11.10.24, S. 10.

Nahrungsmittelkonzerne (Multis): Fertigessen - Produkte (vor allem industriell hergestellt). Dazu gehören Nestle, Coca-Cola, PepsiCo, Unilever, Danone, Mondelez International, Kraft Heinz. Sie beherrschen als Oligopolisten den Weltmarkt. diese Konzerne haben großen Einfluss auf die Ernährungsgewohnheiten, das Übergewicht und die Gesundheit in der Welt.

Ernährungsbericht der Bundesregierung: Er wird jährlich vorgelegt vom Landwirtschaftsministerium. Der Bericht 2020 zeigt einige interessante Tendenzen; Regionales wird beliebter. Man isst weniger Fleisch ("Flexitarier"). Es wird wieder mehr gekocht (Corona). Es wird mehr auf die Herkunft geachtet. 2024 spielt eine bewusste Ernährung eine immer größere Rolle. Bio-Siegel, regionale Produkte und Tierwohlkennzeichen sind beim Einkaufen entscheidend. Im September 24 stellt Landwirtschaftsminister Özdemir (Grüne) den Bericht 24 vor.

Förderung von gesünderem Essen: Die Regierung will gesünderes Essen fördern. Eine Ernährungsstrategie soll Auswahl in Kantinen (Schulen, Betriebe) verbessern. Der Zeithorizont geht bis 2050. Industrieverbände sprechen von Bevormundung.

Landwirtschaft 4.0: Der Ökonom T. R. Malthus meint noch, dass es das Schicksal der Menschheit sei, dass die Bevölkerung stets stärker wachse als die Landwirtschaft. Heute weiß man dass das die Produktivitätsfortschritte enorm sein können. Es gibt zwei Grenzen dafür: Anbaufläche und Wasser. Am besten könnte eine Veränderung des Konsumverhaltens helfen (weniger Fleisch essen). Die technischen Möglichkeiten in der Landwirtschaft stehen ökonomische entgegen: Die Nahrungsmittel in Schwellenländern und Entwicklungsländern werden in kleinbäuerlichen Strukturen bereitgestellt. Technologische Fortschritte (Drohnen, Gentechnologie) würden zu Fusionen führen und eine große Arbeitslosigkeit verursachen.

Smart Farming: 1. Autonome Traktoren. 2. Ernteroboter. 3. Drohnen. 4. Melkroboter. 5. Precision Farming. 6. Erntedaten live abrufen( automatische Dokumentation für mehr Transparenz). Jeder zweite Landwirt in Deutschland arbeitet mit digitalen Lösungen 2018. 8% der Landwirte setzen Roboter ein, 4% Drohnen. Die Landwirtschaft gehört zu den führenden Wirtschaftsbereichen im Hinblick auf Automatisierung und Digitalisierung. Der Landwirt wird zum Hofmanager mit Smartphone. Schon jeder zehnte Bauer in Deutschland setzt 2018 Drohnen ein.

Essbare Stadt nach dem Gießkannenprinzip (Urban Farming): Obst, Gemüse, Salat und Kräuter werden zunehmend in Städten angebaut. Himmelsfarmen gibt es in vielen Metropolen. Bundesweit haben 2018 über 100 Rathäuser beschlossen, selber ihr Gemüse anzubauen. Für Kommunen ist diese Bepflanzung oft günstiger als eine Saisonbepflanzung mit Hecken oder Geranien, die erneuert werden müssen. Als Vorbilder gelten die Gewächshäuser in Singapur mit künstlichem Licht. Auch in Brüssel gibt es schon Hochhausdächer mit Nutzpflanzen, wie auch in Tokio. Auch in Deutschland ist Urban Farming stark auf dem Vormarsch: Man hat gesunde Produkte ohne lange Transportwege. So werden auch Fischfarmen in deutschen Großstädten betrieben (München, Berlin; vgl. auch Aquakultur).

Vertical Farming: Ackerbau im Hochbetrieb. Eine wichtige Rolle spielt die Lichtindustrie. Mit moderner LED-Technik lassen sich Geschmack, Frische und Größe präzise steuern. In diesem Bereich gibt es auch immer mehr Gründungen. Bekannt ist etwa "Herbert". Das sind zwei Wiener Gründer, die einen vertikalen Gemüse- und Kräuterladen betreiben. Dubai produziert in Unternehmen Gemüse in geschlossenen Systemen - ohne Sonnenlicht, ohne Regen, ohne Erde. Das sind hocheffiziente Farmen. Im Grunde genommen sind es Pflanzenfabriken. Es gibt auch spezielle Aufzuchtstationen. 2026 schätzt man des Potential für Vertical Farming auf 18,8 Mrd. €. Vgl. Hecking, Claus: Salatanbau auf Dope, in: Der Spiegel Nr. 3/ 2023, 14.1. S. 66f. 2022 umfasste der Markt für Vertical Farming 2022 4,2 Mrd. $. Für 2029 werden 20,9 Mrs. $ geschätzt (Prognose). Das hängt auch damit zusammen, dass immer mehr Menschen in urbanen Regionen leben (2050, 69% von 9,7 Mrd. Menschen). Die Produktion gilt als nachhaltig (eventuell 95% Wasser und 75% Dünger weniger). Vgl. Wiwo 14/ 31.3.23, S. 8..

Foodruption: Höher, schneller, weiter in der Beschaffung von Lebensmitteln. Anpassung an den digitalen Wandel. Als Konzepte gibt es etwa Crocerant, Blockchain oder Aquaponic. Den Markt teilen sich folgende Kategorien von Hauptakteuren: DIY-Dinner, Pocket Food, Direktverkäufer und digitale Restaurants.

Landgrabbing (Landkäufe ausländischer Investoren): Fehlende Ernährungssicherheit hat einige Staaten und Investoren dazu bewogen, in anderen Ländern Anbauflächen zu erwerben. Über 50% der Ländereien, die ausländischen Investoren gehören, liegen in Subsahara-Afrika. Am aktivsten ist dabei China. Es hat viel Agrarfläche gekauft in folgenden Ländern: Demokratische Republik Kongo, Sambia, Mosambik, Tansania. Deutschland besitzt Land in Äthiopien. Sehr aktiv sind auch Saudi-Arabien und Katar. Die größten Käuferstaaten waren seit 2000 China (186.000 Quadratkilometer), USA (142.000)., Großbritannien (120.000), Kanada (106.000), Schweiz (87.000), Russland (84.000), Malaysia (59.000), Japan (58.000), Spanien (47.000), Südkorea (46.000). Quelle: landmatrix.com. Große Landverkäufer sind Liberia, Äthiopien, Mosambik, Madagaskar, DR Kongo, Sudan. Käufer sind außer china auch USA, Saudi-Arabien, Portugal, GB, Kanada, Ver. Arab. Emirate.

Landbanking: Landwirte gehören nicht subventioniert. sondern als Hüter unseres Grund-Kapitals marktwirtschaftlich honoriert. Das wäre eine Systemwende. Vgl. Stuchtey, Martin: Die Bauern befreien! in: WiWo 11/ 8.3.24, S. 44 f. Er hat in münchen das Strárt-up Nature-FinTech "Landbanking Group" gegründet.

Biologische Pflanzenschutzmittel: Schädlinge können ganze Ernten vernichten. Um sie zu bekämpfen, setzte man auf die von Agrarkonzernen und Chemiefirmen entwickelten chemischen Spritzmitteln. Da diese große Nebenwirkungen haben, werden immer mehr biologische Mittel eingesetzt. Dazu gehören Schlupfwespen, Marienkäfer und Hummeln. Der Agrarforscher Hans Rudolf Herren aus der Schweiz erhielt für seine Forschungsergebnisse 2013 den alternativen Nobelpreis. Ohne biologische Mittel wird die Welt nicht satt werden. Es gibt auch Zweifelsfälle: Bei der Schädlingsbekämpfung setzt der Bioanbau auf Kupfer. Das Schwermetall reichert sich im Boden an. Über die Auswirkungen weiß man noch wenig. 2016 gerät das nicht-biologische Unkrautvernichtungsmittel Glyphosan wieder in die Schlagzeilen. Es geht um die Verlängerung der Zulassung in der EU. Hersteller des Mittels ist Monsanto.

Aquakultur: Weltweit nimmt diese Form der kontrollierten Aufzucht von Fischen und Muscheln stark zu. In Deutschland kamen 2011  39.000 t Fisch von Aquakultur-Betrieben (4800 Betriebe). An der Spitze liegen die Regenbogenforellen vor Karpfen und Lachsforellen. In der Aquakultur gibt es auch eine  weltweite Arbeitsteilung. Schottische Firmen importieren etwa Laich aus Norwegen. Der Lachs wächst in Schottland auf. Geräuchert wird in Polen. In China wird er dann weiter verarbeitet und kommt vielleicht in Deutschland auf den Tisch. 2018 kommt fast so viel Fisch aus Aquakultur wie aus dem Fischfang.  In der Region gibt es eine Meeresfischfarm in Völklingen. Die Anlage wird auch als Prototyp für weitere urbane Fischfarmen gesehen. Finanziell ist das Projekt ein Desaster für die Stadtwerke.

Lebensraumverlust: Die menschliche Besiedlung hat sich im Laufe der Jahrtausende ausgebreitet. Vor allem die Industrialisierung im 19. Jahrhundert hat die wilden Lebensräume drastisch eingeschränkt. Die Agroindustrie ist einer der größten Treiber für den Verlust und die Fragmentierung von Lebensräumen.

EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur: Am 27.2.24 vom EU-Parlament beschlossen. Das Gesetz legt Ziele für die Wiederherstellung geschädigter Ökosyteme vor. Bis 2023 müssen die EU-Länder mindestens 30% geschädigter Lebensräume im Wasser und an Land wiederherstellen. Bis 20240 sind es 60%, bis 2050 dann 90%. Das Gesetz ist umstritten. Die Mitgliedsstaaten müssen der Vereinbarung noch zustimmen.

Selbstversorgungsgrad (Nahrungsmittelversorgung, in Prozent nach Produktgruppe): Kartoffen 145, Zucker 141, Fleisch 118, Milch 112, Getreide 101, Eier 72, Gemüse 36, Obst 20. Vgl. WiWo 13/ 26.3.22, S. 8.

Erhöhung der Nachhaltigkeit bei der Lebensmittelproduktion: Die EU will ab 2023 die Verschwendung von Lebensmitteln in Europa reduzieren. Vor allem der Vorernte-Verlust soll gesenkt werden. Dadurch müssen Normen der Produktion und im Handel geändert werden. Berühmtestes Beispiel ist die Krümmung der Gemüsegurken.

Fisch, Überfischung: Viele Arten sind wegen Überfischung der Meere und Flüsse bedroht. Greenpeace rät 2016 sogar zum Verzicht und stellt eine Liste der bedrohten Arten auf. Es werden 115 Arten bewertet. Zur Überfischung trägt zum Teil die Ausweitung der Fischzucht (Aquakultur) bei. Futter besteht zum großen Teil aus Fischmehl. Die weltweit geächtete Schleppnetzfischerei gefährdet empfindliche Ökosysteme am Meeresboden und an Korallenriffen. Der Beifang beträgt im Mittel 25%. (Quelle: Fischer Weltalmanach 2018, S. 707). Bei Seefischen fischt China am meisten (2017): 12,9 Mio, Tonnen vor Peru und Indonesien. Dann kommt die EU. Der meiste Fisch wird im Pazifik gefangen. Ein Drittel der Bestände ist überfischt. Folgende Fischarten sind schon gefährdet: Aal, Wolfsbarsch, Scholle, Rotbarsch, Heilbutt, Granatbarsch, Schellfisch, Schwertfisch, Atlantischer Lachs. Heimische Süßwasserfische sind genauso gesund und sollten bevorzugt werden. Sie können vor Ort ökologisch gezüchtet werden.  Die deutschen Fischer haben 2018 zwei Krisen zur gleichen Zeit: Der Klimawandel vertreibt den Kabeljau und andere Fischarten. Mit dem Brexit drohen die bedeutendsten Fanggründe verloren zu gehen.

Fischerei in der EU: Der Brexit verlangt eine Aufteilung in der EU. Dem höchsten Anteil an der Bruttowertschöpfung hat die Fischerei in Dänemark (0,11%), Niederland (0,05%), Großbritannien (0,04%), Frankreich (0,04%). Die Europäer müssen Zugeständnisse an GB machen, weil sie in britischen Gewässern fischen.

Flussfischerei: Sie findet auf den Binnenflüssen statt, deren Fischbestände sich insgesamt erholt haben. Es gibt immer wieder Fischsterben durch Verunreinigung. So im Sommer 2022 in der Oder. In Polen haben wohl Chemieabfälle (Quecksilber, Salz) den Fluss verseucht, was zu einem großen Fischsterben führt. Es kommen wohl mehrere Faktoren zusammen (Wasserstand, Sommer, Verunreinigung, giftige Algen). Die Kooperation zwischen Polen und Deutschland hat nicht funktioniert. Die Ursache bleibt lange unklar. Die EU bietet Hilfe an. Schließlich scheint die Ursache gefunden: Es gab Salzeinleitungen in die Oder auf polnischer Seite. Dadurch bildeten sich Goldalgen, die nur in Salzwasser wachsen. Diese haben das Fischsterben hauptsächlich ausgelöst unter den Niedrigwasserbedingungen.

Stör/ Kaviar: Das Nahrungsmittel steht für Luxus. Die besten der Welt kommen aus Russland und China. Auf dem Qiandao-See befindet sich eine Zuchtanlage.

Krabben: 2018 lassen volle Lager und sinkenden Preisen und ein Abnahmestopp die Einkommen der Fischer an der Nordssee weg brechen. Im August 2019 verdienen die Fischer wieder mehr Geld. Quelle: Erzeugergemeinschaft der Deutschen Krabbenfischer, Cuxhaven. 2023 sehen die Krabben-Fischer an der Nordsee ihre Existenz gefährdet. Die EU will Grundschleppnetze verbieten. Sie können im Moment noch mit Rädern verwendet werden. Doch die EU-Kommission will den Meeresboden besser schützen. Daher sollen Grundschleppnetze verboten werden. Es droht das Ende einer jahrhundertealten Tradition des Krabbenfischens. Die Nerven der Fischer an der Nordseeküste werden auf eine harte Probe gestellt.

Austern: Fast alle Austern stammen mittlerweile aus Zuchtbetrieben. Nur im dänischen Limfjord wird die europäische Auster noch wild gefischt. Im Wattenmeer hat die pazifische Auster nur einen Feind: den Mensch mit seinem Appetit. Austern wechseln je nach Wassertemperatur ihr Geschlecht: Über 18 Grad werden sie weiblich. In Frankreich werden die Austern vor allem in der Normandie gefischt und gezüchtet. Die Zucht erfolgt insbesondere mit Tischkultivierung.

Muscheln und Jakobsmuscheln: Schwerpunkt ist auch hier die Normandie. Mittelpunkt ist der Ort Port-en-Bessin-Huppain. Als beste Fanggebiete gelten neben Frankreich auch Irland und Schottland.

Hummer: 2021 verschärft sich der Handelskrieg mit China (Australien verbannte Huawei, China führte Zölle ein). Australien hat sich bei der WTO beschwert. Es geht um die zentrale Frage, wie erpressbar Länder sind, die stark am Handel mit China hängen. 40% aller australischen Exporte gehen nach China. Symbolisch zeigt sich das am besten am Beispiel Hummer: China kauft keine mehr. Der Hummerpreis brach um drei Viertel ein. Anderen Ländern könnte es ähnlich ergehen. Eine größere Bedeutung hat der Hummerexport auch für Kuba.

Oktopuss, Krake: Es gibt Forderungen diese in Aqua - Kulturen zu züchten, weil die weltweite Nachfrage wächst. Ist dies aber ethisch vertretbar. Kraken sind sehr intelligente Tiere. Sie sind die intelligentesten wirbellosen Tiere auf dem Planeten. Außerdem können sie das übliche Fischfutter nur schwer verdauen. Die Oktoboden gehören zu den Tintenfischen. Ihr Gehirn besteht aus 500 Mio., Nervenzellen. Das Verhalten der Weichtiere ist hoch komplex. Sie erkennen Gesichter, planen ihren Ausbruch, schätzen ab, ob sich ein Beutezug lohnt. Sie sind uns ähnlich. sie sind Einzelgänger, könnten sich aber zu sozialen Wesen entwickeln.

Tintenfische: Sie sind gefragt in den Küchen dieser Welt. Die Fangquoten steigen. Die Regeln zum Fang greifen nicht überall. Mit Lichtern in der Nacht werden die Tiere angelockt. Vor den Küsten Spaniens geht der fang zurück. Der Nachwuchs fehlt. Vgl. FAZ 31.5.23, S. 3.

Hering: Durch den Klimawandel gibt es schwindende Heringsschwärme. Insbesondere die Bestände des Ostseeherings sind bedroht (Klimawandel, Überfischung). Viele Ostseefischer geben auf. In Deutschland werden viele Produkte vom Hering verkauft: Bismarck - Hering, Matjesfilet, Rollmops.

Lachs und Lachsersatz: Der meiste Lachs, der bei uns konsumiert wird, kommt von Lachs-Farmen in Norwegen oder Schottland. Wild-Lachs aus Alaska ist knapp und teuer. Die TU Wien kann mittlerweile Lachs aus Erbenprotein herstellen. Es ist eine vegane Fischalternative aus dem Drucker. In den Schweizer Bergen hinter dem San Bernardino steht Europas erste Lachsfarm, die in einem geschlossenen Kreislauf produziert. Die Firma Lostallo benötigt keine Antibiotika. Man muss aber einen vergleichsweise hohen Preis zahlen.

Wale: Seit 1986 gilt ein weltweites Walfangverbot. Drei Länder haben sich diesem Verbot nicht angeschlossen: Japan, Island, Norwegen. Wirtschaftlich lohnt sich der Fang nicht mehr. Es ist lukrativer, Touristen zur Besichtigung von Walen zu fahren. Kulturelle bzw. traditionelle Gründe geben wohl den Ausschlag. Wissenschaftliche Gründe werden vorgeschoben.

Haie: Haie sind gesetzlich stärker geschützt als früher. Dennoch töten Fischer in jeder Stunde mehr als 11.000 dieser Tiere auf den Weltmeeren. Haiflossen sind sehr begehrt. In Hongkong zahlen Händler bis zu 800 Euro pro Kilogramm. Aus den knorpeln der Haie entstehen Nahrungsergänzungsmittel. Dei meisten Haie werden von kleinen Fischern in Indonesien, Malaysia oder dem Sudan gefangen. Man müsste Schutzgebiete einführen. Vgl. Die Zeit 25.01.24, S. 19.

Krokodile: Es gibt viele verschiedene Arten. In Indie stirbt 2022 ein Krokodil, das sich nur vegetarisch ernährte. Es wurde als heilig verehrt.

Sardellen: Vor der Pazifikküste Südamerikas vor Peru ist der größte Fischgrund der Welt (Humboldtstrom). Peru hat 10% der jährlichen Fänge geliefert. Dort schwimmen immer kleinere Fische. Ursache ist der Klimawandel. Das hat fatale Folgen für die Wirtschaft. In Südamerika sind 100.000 Arbeitsplätze bedroht.

Blaualgen: Man kann aus lebenden Cyanobakterien Strom erzeugen. Das geschieht, indem die Bakterien bei Licht Kohlenstoff und Wasser in Zucker und Sauerstoff umwandeln und bei Dunkelheit diesen Zucker unter Verbrauch von Sauerstoff wieder zerlegen.

Hochgiftige Algenteppiche: Sie können für Menschen und Meerestiere tödlich sein. Wie entstehen sie - und wie lassen sie sich verhindern? Durch den Klimawandel verändert sich der Lebensraum des Phytoplanktons. In der Arktis schrumpft an vielen Stellen die Eismasse. Es gibt durch dei Schmelze einen höheren Anteil von Süßwasser. Das fördert das Algenwachstum. Noch ungeklärt ist, warum die Algen die Giftstoffe herstellen.

Bienen: Tödliche Seuchen, Verlust von Lebensraum, Nervengifte in Ackerpflanzen bedrohen die Honigbiene weltweit. Das könnte für die Landwirtschaft und die Menschheit eine Bedrohung werden. Ökonomen sehen die Bienen als drittwichtigstes Nutztier (Bestäubung, Honig, Landwirtschaft, Vielfalt). Bauern und Imker wollen mehr kooperieren. Eine andere Spritztechnik in Rapsfeldern soll die Insekten schützen. Ende Februar 2018 bestätigt ein Bericht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa), dass so genannte Neonicotinoide ein Risiko für Bienen darstellen. Das sind drei für Bienen giftige Insektizide: Clothinidin, Imidacloprid, Thiamethoxan. Die Verwendung in der Landwirtschaft, die strengen Auflagen unterliegt, soll weiter verschärft werden. Bayer, ein Hersteller, bezweifelt den Bericht. 2019 zeigen Freilandversuche, dass Bienenvölker Insektizide ganz gut wegstecken, Hummeln aber nicht. Manche Bienenexperten betrachten die moderne Imkerei als "Versklavung einer Schlüsselspezies". Sie esetzen auf artgerechte Haltung.  Im Jahre 2017 haben sich die Importe von Honig nach Deutschland um 4,7% erhöht gegenüber dem Vorjahr. 2018 entsteht eine Plattform im Internet, die Bienen von Imkern an Bauern vermietet. Eine Studie der Uni Texas in Austin beweist im September 2018, dass Glyphosat Bienen gefährdet. Im Februar 2019 gibt es ein bayerisches Volksbegehren zur Rettung der Bienen. Es zwingt den Freistaat zu mehr Naturschutz. Es soll einen runden Tisch und eine Parlamentsvorlage geben. Die bayerische Regierung setzt noch 2019 das Volksbegehren in ein Gesetz um. Es folgt ein Doppelgesetz: ein Gesetz zum Arten- und Naturschutz. Am 27.Mai 2019 startet die EU eine Petition im Internet zur Rettung der Bienen. Das Frühjahr 2019 war sehr schlecht für die Bienen in Deutschland, es gab viel weniger Honig. Der Biologe Lars Chittka ist davon überzeugt, dass seine Versuchstiere ein Bewusstsein und Gefühle haben. Sie können zählen, erkennen menschliche Gesichter und nutzen Werkzeuge. Vgl. Der Herr der Bienen, in: Der Spiegel Nr. 9/ 25.2.23, S. 94ff. Unter Beteiligung von zwei ausgewanderten Pfälzern hat das US-Unternehmen Dalan Animal Health einen Impfstoff für Bienen entwickelt ("Faulbrut").

Honig: 2023 wird Honig billig importiert, gepanscht und gestreckt. Viele Imker in Deutschland kämpfen daher um ihre Existenz. Der Honigpreis je Kilo liegt bei 10,12 €. Er ist damit höher als in jedem anderen Land der Welt (Mexiko 3,67; China 1,58). Beim Vermarkten stehen die Imker noch am Anfang. Der größte Vermarkter in Deutschland ist Langnese. Man importiert aus 22 Ländern. In Deutschland gibt es noch 149.000 Imker. Allerdings machen das nur 80 hauptberuflich. Vgl. Marquart, Maria: In der Honigfalle, in: Der Spiegel 30/ 22.7.23, S. 73.

Beesharing: Start-up, 2014 als Verein in Hamburg gegründet, ab 2016 Firma. Kunden sind mehr als 150 Landwirte und 1000 Imker. Die Finanzierung erfolgte über Wagniskapital, Privatinvestments, Kredite und Fördermittel. 2019 gibt es 19 Mitarbeiter. mittlerweile arbeiten 30.000 Bienen- und Hummelvölker.

Hornissen: In Deutschland breitet sich die asiatische Hornisse aus. Sie ist eine Bedrohung für die Bienen, die auf ihrem Speiseplan stehen. Im jahre 2023 wurden 550 Nester in Deutschland gefunden. In einem Nest leben bis zu 2000 Hornissen. Sie fressen etwa 110.000 Honigbienen im Jahr. Das verursacht einen großen wirtschaftlichen Schaden. Dei Bekämpfung ist sehr schwierig (Nester mit CO2 bekämpfen, einfrieren oder verbrennen). Vgl. Der Spiegel 16/ 13.4.24, S. 21.

Ameisen: Können sich innerhalb kürzester Zeit Klima - Veränderungen anpassen. Um auf andauernde Hitze oder Trockenheit zu reagieren, brauchen sie drei Wochen. Sie verändern die Wachsschicht auf ihrer Körperoberfläche. Ameisen haben eine ausgezeichnete Arbeitsteilung. Eine afrikanische Ameisenart bringt ihre Verletzten vom Schlachtfeld ins Nest und behandelt sie dort. Kein Oberhaupt gibt ihnen Anweisungen und doch funktionieren sie in Gemeinschaft besser als alleine. Ameisen haben auch eine wichtige ökologische Funktion: Sie bereiten den Erdboden auf.

Insekten: Einerseits erzeugen die Larven von Insekten viel Methan. Weil sich die Erde infolge des Klimawandels aufheizt, vermehren sich die Insekten rasant in Tümpeln (z. B. Schmelzgewässer der Tundra) und Seen. Weltweit könnten die Insekten verantwortlich sein für 1 bis 200 Megatonnen Treibhausgase. Andererseits setzen Ernährungsforscher große Hoffnungen auf diese Insekten. Sie könnten zukünftig eine große Rolle bei der Ernährung der wachsenden Erdbevölkerung spielen (z. B. Eiweißlieferanten; "gelbe Hoffnung"). Von 1989 bis 2016 ist die Zahl der Insekten um 79% zurückgegangen. Es gibt 2018 noch 33.000 Insektenarten. Die Bundesregierung stellt ab 2018  5 Mio. € pro bereit für den Insektenschutz. Es handelt sich um ein Aktionsprogramm. 41% der deutschen Insektenarten leiden 2018 unter starkem Populationsrückgang. Am stärksten betroffen sind Schmetterlinge, Käfer und Heuschrecken. Hauptursachen sind die Intensivlandwirtschaft, der Pestizideinsatz, die ökologische Anfälligkeit der Tiere und die Verstädterung. Also der Mensch und die moderne Zivilisation sind die Ursachen. Das Sterben von Schmetterlingen, Käfern und Bienen begann schon kurz nach dem 2. Weltkrieg. Über die Situation der Tropen ist besonders wenig bekannt. Vgl. Baier, Tina: Der Mensch als Ursache, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 9, 13.01.2021, S. 13. Mittlerweile gibt es einen Boom bei der Insektenzucht für die Produktion von Futtermitteln. Die modernste Insektenfarm Europas steht 2019 in den Niederlanden.

Libellen: Sie sind auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Ihre Lebensräume schwinden. Sie werden auch "fliegende Edelsteine und wahre Flugkünstler" genannt. Die Lenesräume schwinden auf der ganzen Welt: Süd- und Südostasien, Zentral- und Südamerika. auch die in Deutschland lebende Helm-Azurjungfer ist bedroht.

Grillen: Hausgrillen (Heimchen genannt) werden 2023 in der EU als Lebensmittel zugelassen. Dafür tritt ein Gesetz in Kraft. Sie können gefroren, getrocknet oder als Pulver verwendet werden.

Getreideschimmelkäfer, Wanderheuschrecke, Larven des Mehlkäfers:  Diese Insekten sind als Lebensmittel in der EU zugelassen. Sie sind reich an Eiweißen und zählen in vielen Ländern zur gewöhnlichen Küche.

Fledermäuse: Sie leben meist versteckt und heimlich. Sie haben unterschiedliche Jagdweisen. Sie sind nächtliche Jäger und Sammler. Alle in Deutschland heimischen Fledermausarten stehen auf der Roten Liste, und einige sind vom aussterben bedroht. Als Hauptursache gilt der Rückgang der Beutetiere (Pestizide). nicht positiv sind auch die Überdüngung und die Verarmung der Landschaft. Es fehlen auch geeignete Quartiere. Typische arten sind die braunen Langohren und das große Mausohr.

Heuschrecken: Wüstenheuschrecken bedrohen die Nahrungssicherheit in Afrika. Sie vermehren sich rasend, wenn Regen in der Wüste fällt. Sie treten besonders in Ostafrika auf. Bleiben sie länger am Boden, können sie mit Chemie bekämpft werden. Das ist nur bei Regen der Fall. Als Länder besonders betroffen sind Kenia, Sudan, Äthiopien, Jemen, Somalia. Man arbeitet überwiegen dmit gift, aber auf kosten anderer Insekten. Chinesische Forscher experimentieren mit einem Lockstoff. Wenn die Insekten in die politisch und sozial höchst instabile Sahelzone vordringen, käme es zur Katastrophe.

Meerschweinchen: Sie sind in Südamerika keine Kuscheltiere, sondern werden gegessen. Diese wertvolle Nahrungsquelle soll auch für Afrika erschlossen werden. Hühner brauchen Körner, Meerschweinchen nur Küchenabfälle. Das Jagen in der Wildnis dünnt die Arten in Afrika aus, und rohes Affenhirn verbreitet den Ebola-Virus.

Ratten: Ratten werden in einigen Regionen der Welt gegessen. In Südchina nur, wenn andere Fleischpreise zu hoch sind. Sie sind gefürchtet, weil sie Seuchen verbreiten (Pest). Stadtratten gerieten in der Corona-Krise unter Stress. Ihnen fehlte der Müll und der Tourismus. in Indien in der Kleinstadt Deshnoke gibt es einen Tempel mit Tausenden von Ratten. Paris will sich mit den Ratten arrangieren. Es gab Rattenkriege. Ratten sind dem Menschen sehr ähnlich. Sie sind sehr schlau. Deshalb werden Krankheiten an Ratten erforscht. Ratten und Menschen sind für einander gefährlich. Sie passen nicht gut zusammen. Ratten sehehn nicht gut, riechen aber extrem gut. Sie können sich mit ihren stahlharten Zähnen und ihrer Beißkraft durch Metall, Beton, Asphalt, Holz beißen. Als Hauptstadt der Ratten gilt New York in den USA. So schlimm wie 2023 war die Rattenplage noch nie. Vgl. Pitzke, Marc: Hauptstadt der Ratten, in: Der Spiegel 30/ 22.7.23, S. 86ff. 2023 gibt es im nordaustralischen Queensland Horden von Ratten, die etliche Fischer-Orte verwüsten.  Die einheimischen Langhaarratten sind nach einer Rekordregenzeit im Landesinnern Richtung Küste gewandert.

Igel: Autos, Mähroboter und Parasiten setzen ihm zu. Immer mehr fehlt ihm auch der Lebensraum und das Nahrungsangebot, vor allem Wasser. Igel sind beliebt, auch weil sie viele Insekten vertilgen. Für den Winterschlaf benötigen die Igel ein Mindestgewicht. Er benötigt immer mehr die Hilfe des Menschen. Der Igel wird Tier des Jahres 2024.

Hasen: Die Feldhasen sind Profiteure des Klimawandels. Sie vermehren sich prächtig.

Pelze: Pelz ist ein heikles Produkt. Für die einen sind Pelze ein Symbol für Luxus und Status, für andere ein blutbeflecktes Zeichen für Tierquälerei. Millionen Nerze, Füchse werden wegen ihres Felles gezüchtet. Norwegen will 2018 alle Farmen schließen lassen. Tierschützer hoffen, dass ein Pelzfarm-Verbot in Europa die Preise so in die Höhe treibt, dass sich die meisten keinen Pelz mehr leisten können. Modehäuser wie Gucci und Armani lassen schon lieber die Finger von Pelzen. Weltweit wurden 2016 75 Mio. Nerzpelze im Wert von 1,97 Mrd. € produziert.

Wölfe: Die Ausbreitung soll ab 2018 stärker kontrolliert werden. Nutztiere sollen besser vor Angriffen geschützt werden. 2018 beträgt die Anzahl etwa 500. Vgl. www.woelfeindeutschland.de . In Deutschland leben Wolfsrudel im Schwarzwald, in der Lüneburger Heide, in Brandenburg und im Alpenraum. 2019 soll ein Gesetz kommen, dass Wölfe leichter getötet werden können (wird beschlossen). Es häufen sich die Konflikte mit Weidetierhaltern. Agrarministerin Klöckner reicht das nicht aus. 2019 liegt die Anzahl der wild lebenden Wölfe in Deutschland zwischen 275 und 300. 2018 wurden 1667 Nutztiere angegriffen, 35% mehr als im Vorjahr. Ab 2020 sollen Wölfe in Deutschland leichter getötet werden können. ein Abschuss ist auch dann möglich, wenn unklar ist, welcher Wolf gerissen hat. In Schweden soll ab 2023 jeder zweite Wolf sterben (es gibt weniger als in Deutschland). In Deutschland werden zunehmend irreale Wolfdebatten geführt. Zumindest einigt man sich auf den Abschuss von "Problemwölfen". Die EU prüft 2023 Lockerungen beim Schutz des Wolfes. In Deutschland stehen sich Bauernverband und Naturschützer gegenüber. Die Umweltminister von Bund und Ländern einigen sich im November 23 auf neue Regeln. In Deutschland sind 2023 mehr als 1300 Wölfe nachgewiesen. Im September 24 plant die EU, den Abschuss von Wölfen zu erleichtern (Abschwächung des Schutzes). Umweltschützer reagieren empört. .

Elche: Sie gelten als König der Wälder. In Europa leben sie vor allem in Skandinavien. In neuerer zeit wandern si auch nach Deutschland ein, zuerst in den Osten. Konflikte scheinen programmiert. Wegen ihrer langen Beine und ihres Gewichts sind Elche besonders gefährliche Unfallgegner. Die friedliebenden Tiere lassen sich beim Äsen allenfalls durch Wölfe aus der Ruhe bringen.

Stier: 2024 gibt es in Spanien kein Steuergeld mehr für den Stierkampf. Es wird auch der spanische Nationalpreis für die Stierkampfkunst abgeschafft. Stierkampf hat in spanien eine lange Tradition, aber das Publikumsinteresse ist stark gesunken.

Schafe: Sie haben auch eine wichtige ökologische Funktion. Mit ihren Tieren schützen Schäfer die Nordseeküste vor Erosion. Hitze, Wölfe und eine falsche Subventionspolitik hindern sie dabei. In Großbritannien leben zehnmal mehr Schafe als in Deutschland.

Schweine: 2019 steigen die Schweinepreise weltweit stark an. Grund ist die afrikanische Schweinepest, die in China wütet und dort schon den Schweinepreis um 50% in die Höhe getrieben hat. Weil in China die Mengen fehlen, wird Schweinefleisch aus Europa, insbesondere aus Deutschland, importiert. So dürfte auch dort der Preis stark ansteigen. Quelle: Interessengemeinschaft der Schweinehalter in Deutschland. (ISN). 55 Mio. Schweine und 3,5 Mio. Rinder schlachten die deutsche Fleischindustrie 2019. Hinzu kommen 1,2 Mio. Schafe, Ziegen, Pferde. In den Schlachtbetrieben bricht 2020 Corona aus. Osteuropäische Arbeitskräfte arbeiten und wohnen unter schlechten Bedingungen. Im Juli 2020 beschließt der Bundesrat neue Regeln für die Schweinehaltung: die umstrittene Fixierung von Sauen in engen "Kastenständen" wird eingeschränkt. Für die Abschaffung ist eine Übergangsfrist von bis zu 15 Jahren vorgesehen. Seuchen bei Schweinen, wie die Afrikanische Schweinepest, treffen nicht nur Bauern, Wurstfabriken und Schlachthöfe. Betroffen sind viele Branchen (Haushalt, Medizin, Industrie). Bei einem Wildschwein in Brandenburg wird die Schweinepest im Herbst 2020 festgestellt. Sofort erlässt China eine Importsperre. Der Schweinepreis sinkt ins Bodenlose. Die Züchter können ihre Produktionskosten nicht mehr decken. 2022 geben viele Schweinehalter in Deutschland auf (seit 2020 12,5%). 2022 soll es 22,3 Mio. Schweine in Deutschland geben. Es werden nur die Betriebe überleben, die sich anpassen können (Tierwohl, Emissionsschutz, Haftungsbedingungen). Die Afrikanische Schweinpest erreicht das Zentrum der deutsche Tierindustrie in Niedersachsen. Die Folgen: Aufgeschobene Schlachtungen, leidende Schweine, verzweifelte Bauern. Dem System droht der Zusammenbruch. Es häufen sich auch Berichte über das schlimme Leid der Schweinemast. Vgl. Bargel, V. I: Bilder aus dem Horrorkabinett, in: Der Spiegel Nr. 38/ 17.9.22, S. 40ff. 2023 bremst die Förderung Bio-Schweine aus. Vgl. Der Spiegel 20/ 13.5.23, S. 59.  2023 sind die Preise für Schweinefleisch stark gestiegen: Der Schweinekonsum sinkt. Der Asienexport fehlt. Weniger Schweine durch weniger Höfe. Teure Stallbauten für mehr Tierwohl.  2019 hatte Deutschland einen Pro-Kopf-Verbrauch an Schweinefleisch von 34,1 kg. China lag bei 29,3 kg. China hat auch den höchsten Schweinebestand. Deutschland liegt bei den Exporten auf Platz drei (hinter Spanien und USA).

Fleischpreise/ Billigfleisch: In der Corona-Krise sind Fleischfabriken besonders betroffen. Sie haben große Corona-Ausbrüche. Am stärksten ist der größte deutsche Fleischbetrieb betroffen, die im Landkreis Gütersloh (Rheda-Wiedenbrück) liegt: Tönnies. Es gibt viele Ursachen für diese Ausbrüche. Die Firmen beschäftigen hauptsächlich billige Arbeitskräfte aus Osteuropa. Dei könnten das Virus bei Heimatbesuchen mitgebracht haben. Die Arbeiter wohnen auf engstem Raum in Sammelunterkünften. Sie essen auf engstem Raum in Kantinen. Forschungsprojekte sollen die schnelle Verbreitung noch klären. Nun wächst der Druck auf die Branche, den massiven Preiskampf zu unterbinden. Fleisch soll weder Luxusprodukt, noch Alltagsware werden. Werkverträge in der Branche sollen verboten werden. Die Praxis, komplette Ausführung von Schlachtarbeiten von Subunternehmern machen zu lassen, soll verboten werden. Die deutsche Fleischindustrie ist in der EU führend und auch weltweit mit an der 'Sitze. Sie produziert jährlich 8,6 Mio. Tonnen Fleisch. 4,1 Mio. Tonnen davon gehen in den Export. Es sollen schärfere Gesetze kommen. Eine Tierwohlabgabe soll das Fleisch teurer machen. Politiker fordern kleinere Betriebe und mehr regionale Schlachtereien. Im Sommer 2021 geben die großen Handelsketten in Deutschland bekannt, dass sie Abschied nehmen vom Billigfleisch. Die Haltungsbedingungen der Schlachttiere sind zum großen Thema geworden.

Fleischkonsum: Im Jahre 2020 fällt der Konsum auf 57,3 kg pro Bundesbürger in einem Jahr. Damit ist der Schnitt auf den niedrigsten Stand seit 1989 gefallen. Nach Meinung des WWF sollte aus ökologischen und gesundheitlichen Grünen noch mal mindestens halbiert werden. Zwischen 21 und 37% der gesamten globalen Treibhausgasemissionen seien auf dei Ernährung zurück zuführen. Jedem Erdbewohner stünden ca. 2000 qm an Ackerfläche zur Verfügung. 2050 werden es nur noch 1700 qm sein. Fruchtbare Ackerböden werden knapp.

Kunstfleisch (Proteine aus Braukessel, Fleisch aus der Zellfabrik): Forschungsstarke Anbieter sind mittlerweile in den Supermärkten. Skandale in Schlachthöfen in Corona-Zeiten haben das beschleunigt. Die Fleischindustrie könnte vor einem Kodak-Moment stehen. Impossible Foods aus Oakland/ Kalifornien kann in 15 Jahren (2035) jegliches Fleisch komplett durch alternative Proteine ersetzen. Burger King und Starbucks verkaufen die Burger bereits. Bei der Firma Solar Foods in Finnland entstehen Proteine aus Bakterien, Sonnenenergie und Wasserstoff. Redefine Meat, ein Start-up aus Israel ist auch schon sehr weit.

Küken: Im Juni 2019 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Deutschland über das Kükentöten (männliche Küken, weil sie für die Fleischproduktion ungeeignet sind). Vorerst darf das Töten weitergehen, weil Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei vor der Praxiseinführung stehen.

Maulwurf: Der Europäische Maulwurf (talpa europaea) ist das Tier des Jahres 2020 (von der Deutschen Wildtierstiftung). Sie sind Gartenhelfer, Erdwerfer. Sie sind gesetzlich geschützt. In den 20er und 30er Jahren war das Fell sehr begehrt, weil in Mode. Maulwurfshügel sind ökologisch wertvoll.

Rotmilane, Schreiadler, Schwarzstörche: Die Tiere und ihre Horste sind streng geschützt. Gerade deshalb werden ihre Horste in großer Zahl immer wieder zerstört. Wahrscheinlich wollen die Täter den Bau von Windrädern beschleunigen. In der Regel stehen Windkraftprojekte an, wenn die Horste zerstört werden oder entsprechende Bäume gefällt werden. Rotmilane werden besonders häufig Opfer von Windrädern. Hier steht der Naturschutz gegen die Umwelt. Greifvögel - Aufzuchtstationen können ein Lied davon singen.

Störche: Störche überwintern zunehmend in Europa. Viele leben dann auf Deponien. Störche sind sozial, lernfähig und flexibel.

Raben: 2024 erregen Kohlraben Aufsehen. Sie fallen in Brandenburg über Gänse und Kälber her. Sie sind intelligent wie Menschenaffen, können Geräusche nachahmen. Vgl. Der Spiegel 16/ 13.4.24, S. 45.

Ochsenfrosch: Er ist aus Nordamerika nach Deutschland eingewandert. Er bedroht die einheimischen Lauf- und Springfrosch, aber auch Küken, jüngere Wasservögel, Singvögel und kleinere Säugetiere. Er wird daher bekämpft.

Saatkrähen: Immer öfter taucht die Frage auf, ob der Kot und das Gekrächze von Saatkrähen, die auf Bäumen in Wohngebieten nisten, ein Übel ist, das beseitigt werden muss. Der Streit erreicht die Politik. 2024 kommt der Druck auch von den Bauern. Es gibt große Schäden in der Landwirtschaft. Der Abschuss soll einfacher genehmigt werden.

Schwalben: Der Bestand an Mehl- und Rauchschwalben in Deutschland geht zurück. Es gibt immer weniger Insekten und weniger Nistplätze.

Elfenbein von Elefanten und Hörner von Rhinozerossen: Einige Staaten im südlichen Afrika sind der Ansicht dass eine Freigabe des Handels (bisher Handelsverbot aus Tierschutzgründen) mit diesen Produkten das Überleben von Elefanten und Nashörnern sichern könne. Sie vertreten diese Position auf der Artenschutzkonferenz (Cites) im August 2019 in Genf. Dahinter dürften Eigeninteressen stecken (Armeen von Rangern sind teuer, Naturschutzbehörden sitzen auf Tonnen von Elfenbein, von den Einkünften profitieren reiche Reservatbesitzer und korrupte staatliche Behörden). Der Handel mit Elfenbein bleibt weiter verboten, so der Beschluss der Weltartenschutzkonferenz in Genf im August 2019.Der Handel mit gefährdeten Arten wird verboten. 2020 gibt es im südafrikanischen Staat Botswana, dem größten Rüsseltier-Refugium der Welt, zu einem Massensterben von Elefanten. Man sucht nach der Ursache. Unter Verdacht steht sogar das Corona-Virus. Auf der anderen Seite sind afrikanische Waldelefanten, die kleine rund gedrungener als die Verwandten der Savanne sind, sehr begehrt bei Wilderern. Sie wollen das Elfenbein, das in der Welt leider immer noch sehr begehrt ist. Aber auch der Klimawandel bedroht die Elefanten. 2022 verschärft die EU das Verbot des Elfenbein-Handels. Importe, Exporte und EU-interner Handel sind sehr stark eingeschränkt. Schätzungsweise 20.000 bis 30.000 Afrikanische Elefanten würden jedes Jahr laut EU für Elfenbein illegal getötet.

Tiger: Es gibt nicht mehr viele Regionen, in denen Tiger wild leben. Eine ist der äußerste Osten Russlands. Dort lebt der Amur-Tiger, die größte Wildkatze der Welt. Wegen des hohen Schnees im Dezember 2021 können die Tiger keine Nahrung finden. Nepal: In kaum einem anderen Land gibt es noch so viele wild lebende Tiger. Ende 2021 sollen sie gezählt werden. Die Zählung solle drei Monate dauern. Begonnen wurde im Chitwan - Nationalpark im südlichen Tiefland des Himalaya - Staates. Das Ergebnis soll zum Welt-Tiger-Tag am 29. Juli 2022 präsentiert werden. Man schätzt, dass noch ca. 235 Königstiger (Bengal-Tiger) hier leben. Die Wilderei wird stärker bekämpft, man arbeitet dabei mit den Dorfgemeinschaften zusammen.

Gepard: Auf der Erde gibt es noch zwischen 7000 und 10.000 Geparden. Die meisten leben in Namibia. Das Land war einst eine deutsche Kolonie. Rindefarmer in Namibia schießen auf Geparden, weil die Raubkatzen ihre Kälber reißen.

Kamel: Sie sind und waren auf der arabischen Halbinsel, Asien  und in Afrika wichtige Last- und Reisetiere. Heute ist die größte wild lebende Population in Australien zuhause. Sie wurden in Zeiten der Kolonialisierung ab 1840 aus Indien, Afghanistan und von der arabischen Halbinsel eingeführt.

Bär: Mittlerweile haben sich wieder Braunbären in Europa angesiedelt. Die Waschbären sind zu einem Problem geworden und zählen zu den invasiven Arten. Bärengalle wird in der traditionellen chinesischen Medizin eingesetzt. Um die begehrte Flüssigkeit zu gewinnen, müssen Tausende Bären unvorstellbare Qualen durchmachen. Es gibt in Asien Bärengallefarmen. Zu vielen Konflikten zwischen Bären und Menschen kommt es in den Karpaten/ Rumänien. Durch illegales Abholzen der Wälder müssen die Bären den Menschen immer näher kommen. In Bayern wird evtl. eine Bären-Polizei gegründet. Die bewaffnete Sondereinheit soll sich um Notfälle kümmern. auch in Österreich und Italien wird diskutiert.

Panda: Sie gelten als die Nationalbären Chinas. Sie sind für viele knuffig. China setzt sie zu diplomatischen Zwecken ein. Sie werden an Zoos in alle Welt vergeben. 2024 soll Qingbao aus Südchina helfen, den Großmachtkonflikt mit den USA zu entschärfen. Vgl, Coen, A./ Mühling, J.: Meister der Entspannung, in: Die Zeit 41/ 26.9.24, S. 3.

Wisent: Riesige Herden durchstreifen mittlerweile die Wälder NRWs. Sie zerstören Bäume und bringen Waldbauern gegen sich auf. Die Frage ist, ob die Tiere noch Platz haben in der Menschen gemachten Landschaft.

Orang-Utans (malaiisch für Waldmensch): Ihr Lebensraum sind heute die Regenwälder in Borneo oder Sumatra. Die Nachfrage nach Palmöl, Tropenholz und Kohle führt zu Rodungen in großem Umfang. Durch ihre zutrauliche Art sind sie leichte Beute für Wilderer.

Affen: Berühmt ist die Affenforscherin Jane Goodall, die auch Umweltaktivistin ist. Sie begann mit der Beobachtung von Schimpansen in Afrika. Sie suchte nach Gemeinsamkeiten zwischen Menschen und Affen. Sie verschrieb sich der Rettung der Affen in Afrika, Kanada, Japan. Vgl. Interview in: Die Zeit 31/ 20.7.23, S. 20.

Kaiserpinguine: In der Antarktis drohen durch das Schmelzen des Meereises Tausende Küken umzukommen. 2023 gibt es den größten bekannten Ausfall während einer Brutsaison.

Invasive Arten: Sie kommen in der Regel mit menschlichen Aktivitäten. Eine Minderheit kann massive Störungen verursachen. Besonders bekannte Beispiel sind der Ochsenfrosch aus Nordamerika und die Hornisse aus Asien. 37.000 gebietsfremde Arten gibt es weltweit. Etwa 3500 richten Schäden an. Quelle: Erster großer Bericht von Experten aus 49 Ländern 2023.

Biomasse Energiepflanzen): 4 Prozent aller Kraftstoffe werden 2010 aus Pflanzen gewonnen. Bei einer Ackerfläche von 1,5 Mrd. Hektar auf der Welt sollen zukünftig 10% für Bioenergie genutzt werden. Dies geschieht, obwohl ca. 15% aller Menschen unterernährt sind (1,02 Mrd.). Die Höhe des Biospritanteils wird bis 2020 am höchsten in Brasilien liegen (58%) vor China mit 15%. Die EU wird dann ca. bei 10% sein. Allerdings werden dadurch die Lebensmittelpreise in die Höhe getrieben. In den USA gehen bereits 30% der Maisernte in die Produktion von Bioethanol ein. Für die Bauern ist es ein Extrabonus, weil es Fördermittel gibt. Deutschland bringt 2011 E 10 (10% Bio-Ethanol), der aber nicht akzeptiert wird, weil zuverlässige Informationen fehlen. Es beginnt ein  Schwarze-Peter-Spiel. Als Mittel des Klimaschutzes ist E 10 weniger geeignet, weil er zu teuer und ineffizient ist. Deshalb wird mit der geringeren Abhängigkeit von diktatorischen Regimen geworben. Andere Mittel dürften wirkungsvoller sein, wie z. B. den Verkehrssektor in den Emissionshandel einzubeziehen. 2/3 der Biomasse sind noch ungenutzt. Dazu gehören auch Stroh und Reisig. Ebenso Krabbenschalen und Löwenzahnkautschuk. Abfälle von Stroh werden z. B. mit Enzymen aus Pilzen oder Termiten in Sprit verwandelt. Versuchsanlagen gibt es in Dänemark, Spanien, China , USA. Rheinland-Pfalz experimentiert mit Wärme aus Traubentrester (Tresterpellets). Große Hoffnungen werden auch in Algen gesetzt. Die EU plant im September 2012, den Abbau von Subventionen für Biokraftstoffe. Künftig wird die schlechte Umweltbilanz der Kraftstoffe aus Weizen und Mais berücksichtigt. 2012 sinkt der Bau von Biogas-Anlagen in Deutschland auf 300 (2009 bis 2011 jährlich 1000). Gründe sind auch die Rohstoffpreise und Akzeptanz. Ein deutsch-australisches Forscherteam weist 2014 nach, dass der Anbau von Energiepflanzen nicht gut fürs Klima ist. Der Anbau setzt Methan und Lachgas frei, weil zu viel Stickstoffdünger eingesetzt wird. Davon zu unterscheiden ist die Produktion bzw. der Ersatz von Rohstoffen aus Pflanzen: Continental entwickelt 20155 Reifen mit Kautschuk aus Löwenzahn. Ein großflächiger Anbau wird vorbereitet. Aus Lupinen kann Eiweiß gewonnen werden, so dass auf Soja verzichtet werden kann. Die ostdeutsche Prolupin kann so verschiedene Lebensmittel herstellen, was sonst auf Soja-Basis geschieht. "Ich habe fast jedes Windrad persönlich gestreichelt und jede Biogasanlage beschnuppert", Bundesumweltminister Peter Altmeier. 

Kurzumtriebsplantage: Hier werden schnell wachsende Hölzer wie Pappel oder Weide für die energetische Nutzung angebaut. Diese können nach drei bis acht Jahren maschinell geerntet werden.

Wasserkrise: Wasser ist der Urstoff des Lebens, ohne das nichts entstehen, wachsen und gedeihen kann. Bis 2050 werden nach Angaben des 2006 von der UNESCO vorgelegten 2.UN-Weltwasserberichts im günstigsten Falle 2 Mrd. Menschen in 48 Ländern und schlimmstenfalls 7 Mrd. Menschen in 60 Ländern an Wasserknappheit leiden (vor allem in Afrika, Südasien und Südamerika). Mehr als 70% der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt, allerdings ist nur ein Bruchteil davon als Trinkwasser oder zur Bewässerung von Feldern zu gebrauchen. Das Wasserproblem ist größer als das Ölproblem. Wasser ist der Rohstoff der Zukunft. Besonders betroffen ist auch China, vor allem im Weizengürtel. 243 Seen sind ausgetrocknet. In Tibet, wo fast alle großen asiatischen Flüsse entspringen, bat China Staudämme, um Wasser ins eigene Land zu lenken. Im Norden Chinas gibt es nur 20% der Wasserreserven, im Süden 80%. Auch Indien hatte erhebliche Probleme mit seinen Wasserreserven (ab 2025 Wasserstress; in Tibet schmelzen die Gletscher; Nepal hat große Binnenwasserressourcen, die Indien und China nutzen möchten; auch in den Flüssen Brahmaputra und Ganges ist immer mehr Schmutz und weniger Wasser). Es wird immer wärmer (Klimawandel) und das Wasser wird zur Bewässerung eingesetzt. Indien baut einen riesigen Zaun zu Bangladesch, um Klimaflüchtlinge abzuwehren. Der 3. Bericht von 2009 sieht eine Verschärfung, weil 90% des Bevölkerungswachstum in Entwicklungsländern stattfindet mit zunehmender Bewässerungslandwirtschaft. In Saudi-Arabien liegt der Wasserverbrauch siebenmal höher als in Deutschland. Lima, die Hauptstadt von Peru, könnte mit 8 Mio. Einwohnern in eine Katastrophe geraten. Die weltgrößte Entsalzungsanlage befindet sich in El Paso, Texas (pro Tag 104 Mio. l Süßwasser, Umkehrosmose). Wahrscheinlich werden in Zukunft Wassertanker eingesetzt, um das wertvollste Gut der Zukunft zu liefern. In Deutschland sorgt der Klimawandel für steigende Regenfälle, was den Grundwasserspiegel steigen lässt (u. a. wird Bauen teurer und der Stromverbrauch steigt). Rheinland-Pfalz will 2012 einen Wasser-Cent auf die Entnahme von Grundwasser einführen. Für die Kühlwassernutzung (BASF) soll es eine geringere Abgabe geben. Dieser Wasser-Cent kommt ab 2013. Die Landwirtschaft bleibt ausgenommen. Im März 2012 tagen 30.000 Wasser-Fachleute in Marseille (Weltwasserforum des Weltwasserrates). Ursprünglich wurde der Rat von der privaten Wasserwirtschaft als Interessensgruppe gegründet. Mittlerweile sind auch das chinesische Wasserministerium und andere öffentliche Institutionen Mitglieder. Es geht um den Umgang mit der knappen Ressource. Größter Wasserverbraucher ist mit 70% die Landwirtschaft. Der Wasserbrauch wird durch die Schwellenländer, Stromerzeugung u. a. bis 2050 drastisch steigen. Die EU gibt 2013 ihren Plan auf, die öffentlichen Wasserwerke zu privatisieren (Wasser bleibt bei der Konzessionsrichtlinie draußen; vgl. den Bürgerausschuss "right2water."). In Deutschland ist der Wasserverbrauch pro Kopf von 1990 in Höhe von 147 l auf 122 l im Jahre 2010 gesunken (-17%). Deshalb steigt in vielen Regionen der Grundwasserspiegel. Tadschikistan will im Pamirgebirge einen riesigen Staudamm bauen. Nachbar Usbekistan ist alarmiert. Im Westjordanland gibt es immer wieder Streit um die Wasserversorgung. Es gibt Vorwürfe, das Israel den Palästinensern weniger Wasser zur Verfügung stellt. Die Frage ist komplex, weil verschiedene Statistiken zur Verfügung stehen (Rede von Martin Schulz im israelischen Parlament: aus palästinensischen Wasserhähnen tatsächlich weniger Wasser; Oslo-Abkommen).  "We forgett, that the water cycle and the life cycle are one", Jacques-Ives Cousteau, (1910-1097, French marine explorer, filmmaker. Ring-Problem: Oft müssen knappe Ressourcen so aufgeteilt werden, dass sie von unterschiedlichen Akteuren nacheinander genutzt werden, beispielsweise beim Wasserverbrauch an einem Fluss. Hier muss eine sequenzielle Verteilungsregel entwickelt werden. Zur Verfügung stehen: Talmud-Regel, Constrained Equal Awards, Constrained Equal Losses, Proportionalitätsregel. In Deutschland bedroht die Massentierhaltung das Grundwasser: 160 Millionen Kubikmeter Gülle im Jahr fallen an. Die Deutschen fragen zu viel billiges Fleisch nach. 2015 untersucht die University of California die 37 größten Grundwasser Reservoire. Ein Drittel sind bereits übernutzt. In den USA gibt es 2016 einen Kampf ums Trinkwasser aus kommunalen Quellen. Konzerne wie Nestle, Coca-Cola und Pepsi wollen die Wasserabfüllung übernehmen. Die Bürger wehren sich meistens erfolgreich. Nach dem Fortschrittsbericht der UN 2019 haben weltweit mehr als 2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser (2,2 Mrd., mehr 29% aller Menschen).  "Ohne Wasser ist kein Heil", Johann Wolfgang von Goethe. Mittlerweile werden auch Wasserfußabdrucke ermittelt. www.waterfootprint.org . Besondere Wasserprobleme gibt es schon und dürfte es in Zukunft noch stärker geben in Mesopotamien. Die Türkei baute und baut weiter  Staudämme an Euphrat und Tigris auf ihrem Gebiet. Dadurch wird die Wasserversorgung und Landwirtschaft in Syrien und dem Irak gefährdet. Dabei nutzt die Türkei die Krisen dieser Länder geschickt aus. Gleichzeitig verschwinden viele uralte Kulturstätten im Wasser. Erhebliche Eingriffe in den Wasserhaushalt gibt es auch in Brasilien. So hat die Regierung Milliarden in umstrittene Megaprojekte wie die Umleitung des Rio Sao Franzisco gesteckt. Der Strom trocknet aus. Bevölkerungswachstum, Klimawandel und Verschwendung von Trinkwasser machen Wasser in vielen Regionen der Welt zu einem knappen Gut. Damit werden die Wasseraufbereitung und das Handeln mit Wasserrechten zu einem Milliardengeschäft. Die USA sind der Pionier für das Handeln mit Wasserrechten. China richtet 2014 ein Pilotprojekt ein (nationale Börse für Wasserrechte). In Chile sind Wasserrechte seit 1981 privatisiert. Auch in Australien hat sich eine Börse etabliert. Die Familie Heinz aus Herxheim am Berg in der Pfalz war durch den Verkauf von Wasser aus ihrem Brunnen reich geworden (alle anderen Brunnen waren in einer Trockenheit außer Betrieb). Sie konnte sich wegen ihrer Monopolstellung und damit verbundenen Unbeliebtheit nicht mehr in der Pfalz halten und musste auswandern. Daraus entstand in den USA die Tomaten-Ketchup-Firma gleichen Namens 1876, die heute ein Weltkonzern ist. China baut massiv Kanäle, Tunnel und Aquädukte, um den regennassen Süden mit Peking zu verbinden. Es gibt drei große Routen (West-Route, Zentral-Route, Ostroute). Der Eingriff in die Ökosysteme ist enorm, so dass Langzeitschäden drohen. Zwischen der Türkei und Zypern ist seit 1999 ein 80 km lange Unterwasser-Pipeline gebaut worden, die 2015 fertig wird. Die Leitung ist technisch eine Meisterleistung. Das Wasser kann nicht genutzt werden, weil umstritten ist, wer die Leitung betreiben soll. Jordanien plant, Wasser vom Roten Meer ins tiefer gelegene Tote Meer zu leiten. In der ersten Baustufe soll Trinkwasser gewonnen werden. Ein Gutachten erweckt 2016 den Eindruck, dass der Rohstoffkonzern K + S in Deutschland seit Jahrzehnten wissentlich Grundwasser verunreinigt hat. Zum Weltwassertag am 22.03.2017 legt die Unicef einen Weltwasserbericht vor. Es wird eine Weltwasserkrise prognostiziert. Bis 2040 werden fast 600 Mio. Kinder in Regionen mit begrenzten Wasserressourcen leben. Abwasser sollte als Ressource genutzt werden. 2018 muss am Kap in Südafrika Wasser rationiert werden (verheerende Dürrejahre). Es werden Grenzwerte für den Wasserverbrauch eingeführt. Der Stadt könnte bald als erster großer Stadt der Welt das Wasser ganz ausgehen. 2022 macht Berlin einen "Masterplan Wasser". Dieser sieht auch eine Rationierung vor. 2022 steigt der Wasserverbrauch stark an durch die Trockenheit (Gartenbewässerung, Schwimmbäder, Rasensprenger).

Wasserkriege: Schon lange gibt es Prognosen, dass irgendwann ein Krieg um Wasserrechte und -nutzung entstehen wird. In Asien, vor allem in Tibet mit fast allen wichtigen Quellen, verhindert dies nur die Macht Chinas. Anders sieht es in Afrika aus. Äthiopien will noch 2018 ein großes Dammprojekt am Oberlauf des Nils fertig stellen. Zwölf Staaten liegen im Einzugsbereich des längsten Flusses Afrikas. Sechs Prozent der Weltbevölkerung leben darin. Das bevölkerungsreichste Land Afrikas Ägypten (100 Mio. Einwohner) besteht zum größten Teil aus Wüste und fühlt sich daher existenziell  bedroht. Hoffentlich können Diplomaten und Wassertechnokraten das Problem lösen. 2010 hat die Generalversammlung der UN in Resolution 64/292 Wasser als Menschenrecht anerkannt: "Die Generalversammlung erkennt das Recht auf einwandfreies und sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung als Menschenrecht an". Im Juli 2021 prangert die UN den globalen Wassernotstand an. Bis zum Jahre 2030 werden Milliarden Menschen keinen Zugang zu Wasser haben. I am always in you, sometimes on you, and when I am all around you, I can kill you. Water.

Wasser als knappes Gut: Wegen des Klimawandels und er damit verbundenen Dürre ist Wasser mittlerweile auch in Mitteleuropa und Deutschland ein knappes Gut (heiße und trockene Bedingungen). Das Umweltbundesamt warnt im Juli 2019 vor einem Verteilungsstreit in Deutschland: "Häufigere trockene Sommer bedeuten auch, dass sich voraussichtlich mehr nutzer um die Ressource Wasser streiten werden". Als neuer Nutzer von Wasservorräten wird die Landwirtschaft dazu kommen. Die Beregnungsbedürftigkeit wird bundesweit zunehmen. Die kommunalen Wasserversorger warnen bereits vor einer Konkurrenz zwischen Landwirtschaft und Industrie. Die Trinkwasserversorgung dürfte Vorrang haben. Das Augsburger Wassermanagement-System ist Weltkulturerbe. Das Wasserwerk ist auch architektonisch eine Besonderheit. Durch die globale Bevölkerungsentwicklung steigt der Frischwasserverbrauch drastisch an: 2019 wurden 4300 Milliarden km³ Wasser weltweit verbraucht. Im Jahre 1900 waren es noch 580 Milliarden km³ (+640%). Die Weltbevölkerung ist in dieser Zeitspanne nur um +374% gewachsen. Am meisten Wasser wird verbraucht in der Landwirtschaft. Hier führt Indien. Dann folgt die Industrie, wo auch Indien führt. Auch bei den Haushalten liegt Indien an der Spitze. Die wichtigsten Flüsse in Indien entspringen in Tibet im Himalaja, was heute zur VR China gehört. Da zeichnet sich ein Konfliktherd der Zukunft ab.  Wasserkriege: Schon lange gibt es Prognosen, dass irgendwann ein Krieg um Wasserrechte und -nutzung entstehen wird. In Asien, vor allem in Tibet mit fast allen wichtigen Quellen, verhindert dies nur die Macht Chinas. Anders sieht es in Afrika aus. Äthiopien will noch 2018 ein großes Dammprojekt am Oberlauf des Nils fertig stellen. Zwölf Staaten liegen im Einzugsbereich des längsten Flusses Afrikas. Sechs Prozent der Weltbevölkerung leben darin. Das bevölkerungsreichste Land Afrikas Ägypten (100 Mio. Einwohner) besteht zum größten Teil aus Wüste und fühlt sich daher existenziell  bedroht. Hoffentlich können Diplomaten und Wassertechnokraten das Problem lösen. 2010 hat die Generalversammlung der UN in Resolution 64/292 Wasser als Menschenrecht anerkannt: "Die Generalversammlung erkennt das Recht auf einwandfreies und sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung als Menschenrecht an". Im Juli 2021 prangert die UN den globalen Wassernotstand an. Bis zum Jahre 2030 werden Milliarden Menschen keinen Zugang zu Wasser haben. 2024 droht auf der iberischen Halbinsel "Krieg ums Wasser". Bauern sehen ihre Existenz gefährdet - Touristen würden bevorzugt. Die Bauernproteste schwappen nach Portugal uns Spanien über. Im März 2023 beschließt das Bundeskabinett eine Nationale Wasserstrategie. Die Trinkwasserversorgung und das Grundwasser sollen geschützt werden. Jeder Bürger soll in Zukunft bezahlbares Wasser bekommen. Das Aktionspaket beinhaltet 80 Maßnahmen zum Wassermanagement.

Trinkwasserbrunnen: 2022 will dei Bundesregierung ein Gesetz machen, das Städte und Gemeinden dazu verpflichtet, Trinkwasserbrunnen an öffentlichen Orten aufzustellen (Parks und Fußgängerzonen). Es gibt deutschlandweit schon 1300 solcher Stellen. 1000 zusätzliche sollen in einem ersten Schritt gebaut werden. Es ist eine Reaktion auf die massiven Hitzewellen.

Weltwasserforum: Besteht seit 1997. Es soll für die Probleme der Wasserversorgung sensibilisieren. Es tagt regelmäßig. 2018 trifft man sich in Brasilia. Immer mehr Menschen in der Welt leben in großen Städten, deren Wasserversorgung oft privatisiert und zu teuer ist. Vgl. Weltwasserforum .

Wasserkreislauf: Wasser wird von der Sonne erwärmt und verdunstet zu Wasserdampf. Pflanzen und Bäume nehmen mit ihren Wurzeln Wasser auf. aufsteigender Wasserdampf kühlt sich ab und kondensiert zu Wassertröpfchen. Wolken entstehen, je nach Lufttemperatur, als Wassertropfen oder Eiskristalle. In den Wolken stoßen Wassertropfen zusammen, verschmelzen und fallen als Regen, Graupel, Schnee oder Hagel. Wasser versickert durch Infiltration im Boden. Ein Teil des Wassers, das im Boden versickert, wird unter dem Gestein als Grundwasser gespeichert (mehr als 30% des Süßwassers). Das Grundwasser fließt unterirdisch zu den Flüssen hin und mündet mit ihnen schließlich in das Meer. Siehe Tony Juniper: Unsere Erde unter Druck, München 2017, S. 80f.

Meere: 22 Billionen Euro ist der Wert der Leistungen, den die Weltmeere pro Jahr für die Menschheit erbringen: Fischerei, Tourismus, Schifffahrt (Quelle: WWF). Das Exzellenzcluster "Ozean der Zukunft" stellt 2017 in einem Bericht fest, dass "im Meer mal mehr Leben war". Der Meeresspiegel steigt. Die Fischbestände schrumpfen. Es ist immer mehr Plastik im Meer. Die Ozeane versauern. Die Todeszonen wachsen. Zu den gleichen Ergebnissen kommt Mojib Latif in seinem Buch "Die Meere, der Mensch und das Leben, Freiburg u. a. 2017. Er zeigt eindrucksvoll auf, wie wichtig Ozeane als Nahrungsquelle sind, was die Folgen der Versauerung sind, was der Anstieg des Meeresspiegels bedeutet, wie wichtig die Meere für das Erdklima sind.  Das Tote Meer droht auszutrocknen. Jedes Jahr sinkt der Meeresspiegel um einen Meter. In 50 Jahren (ab 2017) könnte Schluss sein. Der Jordan wird so intensiv genutzt, dass im Toten Meer nur noch ein Rinnsal ankommt. Die Ozeane verlieren auch Sauerstoff. Die Weltmeere haben in den vergangenen 50 Jahren 2 Prozent Sauerstoff verloren (Quelle: Geomar Hemholtz-Zentrum für Ozeanforschung, 2018). Ursachen dafür sind der Klimawandel und die Überdüngung der Meere. Den Ozeanen geht buchstäblich die Luft aus. Die Todeszonen werden immer größer. Unter Wasser regeneriert das Ökosystem besonders langsam. "In der Dunkelheit dachte ich an Regen, der ins Meer fällt. Still und leise, ohne dass jemand davon weiß. Lautlos trifft es auf die Wasseroberfläche, und nicht einmal die Fisch merken es. Bis jemand kam und mir sanft die Hand auf den Rücken legte, dachte ich an das Meer", Haruki Murakami, Südlich der Grenze, westlich der Sonne, Köln 1992 (DuMont).

Meeresversauerung: Etwa die Hälfte des durch Menschen verursachten Aktivitäten freigesetzten Kohlendioxids wird von den Ozeanen aufgenommen. Dies hat zu einer schleichenden Versauerung des Meerwassers geführt.

Entsalzung von Meerwasser: Die Technologie zur Entsalzung von Meerwasser hat Großstädte entstehen lassen. Nun soll sie auch beid er Produktion von grünem Wasserstoff großflächig eingesetzt werden. Doch wohin mit dem Salz, das dabei anfällt. Die Technologie ist erprobt: 1. Meerwasser wird angesaugt. 2. Salzfilter. 3. Sandfilter. 4. Kieselalgenfilter. 5. Hochleistungspumpe. 6. Umkehrosmosefilter. 7. Frischwassertank. 8. Entsorgungsleitung. Vgl. Stölzel, Wolfgang: Die salzige Seite der Energiewende, in: WiWo 14/ 1.4.22, S. 66ff.

Bedrohung der Ozeane: 1. Meeresverschmutzung (Gifte, Schwermetalle, Nährstoffe). 2. Steigende Nachfrage nach Ressourcen (Ergas und Erdöl, Sand, Kies, Steine; Aquakultur; Medikamente). 3. Überfischung. 4. Zerstörung von Lebensräumen. 5. Bioinvasion. 6. Klimawandel. Vgl. Lesch/ Kamphausen: Die Menschheit schafft sich ab, München 2018, S. 294ff.

Todeszonen: Hohe Schadstoffgehalte im Meer haben verheerende Auswirkungen. Stickstoff und Phosphor als Bestandteil von Düngemitteln lösen im Wasser Eutrophierung (Überdüngung) aus, zehren den Sauerstoff auf und schaffen Todeszonen. Vgl. Tony Juniper: Unsere Erde unter Druck, München 2017, S. 162.

Seen: Maßlose Fischerei und Einleitung von Abwässern bedroht viele Seen in der Welt. Am bekanntesten ist das Beispiel "Viktoriasee", der größte See Afrikas. Bedroht ist auch das Tote Meer. Der Salzsee braucht dringend Wasser. Das Naturwunder, das seit Jahrtausenden wegen seiner Heilkraft berühmt ist, soll durch einen Kanal gerettet werden. Unter Druck steht auch der der Tanganjika-See. Er ist der zweitgrößte Afrikas und er sechstgrößte der Welt. Kongo, Tansania, Sambia und Burundi sind Anlieger. Kriege, Kobalt-Abbau und Überfischung bedrohen den See (Überfischung, weil immer weniger Säugetiere als Nahrung zur Verfügung stehen). Abwärts geht es mit dem Okavango - Delta im Norden Botswanas. Man zweigt zu viel Wasser für die Landwirtschaft ab.  Die Ostsee, eigentlich ein Meer, war in den vergangenen 50 Jahren eher gestresst durch Luftnot, Überdüngung, Versauerung, Baustellenlärm, Müll, Artenschwund. Trotzdem geht es aufwärts, weil die Anrainerstaaten an einem Strang ziehen. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz ermittelt in einer Studie 2018, dass 92% der Gewässer in Deutschland in einem beklagenswerten Zustand sind. Dafür verantwortlich seien vor allem Dünger und Pestizide in der Landwirtschaft, die Schadstoffbelastungen durch den Bergbau und die Begradigung und Vertiefung  der Flüsse.

Flüsse: Viele Flüsse in der Welt sind durch Umweltverschmutzung und Gifte verdreckt. Sogar der heilige Fluss Ganges in Indien wird immer schmutziger. Der Gelbe Fluss in China ist zumindest an der Farbe nicht identifizierbar. Brasilien erlebt eine der größten Umweltkatastrophen 2015 am Rio Doce. Der Dammbruch eines Auffangbeckens einer Eisenerzmine im Südosten Brasiliens verschmutzt den Fluss.  Belebungsbecken von Kläranlagen fungieren wie ein Brutfaktor für multiresistente Keime (MRSA). Diese Superbakterien sind unempfindlich gegen mehrere Antibiotika. Robuste Arten schaffen es in die Flüsse und verbreiten die Wirkstoff-Unempfindlichkeit. Das Öko-System von Flüssen wird auch durch Aquakulturen verunreinigt (Kot, Futterreste, Antibiotika). In Deutschland sind etwa 15% (Bayern) bis 30% (RLP) der Flüsse 2017 in einem guten bis sehr guten ökologischen Zustand. Milliarden Euro müssten in die Sanierung gesteckt werden. Von Deutschlands Flüssen ist die Donau mit ihren Zuflüssen am saubersten (2016). Immer wieder kommt es  auch zu gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Vertiefung der Flüsse (Ausbaggern). Zuletzt bei der Elbvertiefung, damit große Schiffe fahren können.  Ein Gericht entscheidet Anfang 2017, dass Hamburg nachbessern muss. Unseren Bächen und Flüssen geht es insgesamt schlecht. 2015: 19,9% sind schlecht, 34,4 % unbefriedigend, 36,2% mäßig (Quelle: Bundesanstalt für Gewässerkunde). Der wasserreichste Fluss der Erde ist der Amazonas. Er entwickelte sich vor 9 Mio. Jahren zum Strom. Die Flüsse in den USA werden immer salziger (Dünger, Streusalz, Abwasser; Quelle: Uni Maryland). Der Bund für Umwelt- und Naturschutz ermittelt in einer Studie 2018, dass 92% der Gewässer in Deutschland in einem beklagenswerten Zustand sind. Dafür verantwortlich seien vor allem Dünger und Pestizide in der Landwirtschaft, die Schadstoffbelastungen durch den Bergbau und die Begradigung und Vertiefung  der Flüsse.

Renaturierung von Flüssen: An vielen Flüssen der Welt versucht man, natürliche Lebensräume wieder herzustellen. Gewässerprofil und Ufer werden verändert. Deutschlands Hauptflüsse sind Rhein, Elbe, Oder, Donau, Ems, Mosel und Weser. In Südamerika gibt es die Riesensysteme von Amazonas, Parana und Orinoko. In den USA ist das Einzugsgebiet des Mississippi am größten. Als Musterbeispiel für Renaturierung in Deutschland gilt die Emscher im  Ruhrgebiet. Über 170 Jahre wurde sie als Abwasserfluss missbraucht. 30 Jahre und 5,5 Mrd. Euro waren notwendig, um sie zu renaturieren. Seit 2022 werden überhaupt keine Abwässer mehr eingeleitet. Die einst zur Wasserstraße ausgebaute Untere Havel mitten in Deutschland wird renaturiert. Deiche werden geöffnet, Altarme angeschlossen, Uferbefestigungen weggebaggert. 90 Kilometer werden renaturiert (9000 Hektar Sümpfe, Moore oder Wiesen).

Grundwasser (unter anderem Nitratbelastung): Durch die Überdüngung in Deutschland, auch mit Gülle und Mist (Massenviehhaltung), ist das Grundwasser stark mit Nitrat belastet.  Die EU-Kommission will deshalb Deutschland vor dem EU-Gerichtshof verklagen. Nitrate schaden insbesondere Schwangeren und Kleinkindern, weil sie den Sauerstofftransport im Blut blockieren. Außerdem können sich Krebs erzeugende Nitrosamine bilden. Nitrat ist ein natürlicher Stoff. Pflanzen brauchen ihn für ihr Wachstum, weil sie daraus Eiweiße formen. Zu viel Nitrat in Flüssen und Meeren führt zu einem zu schnellen Algenwachstum, woraufhin diese absterben. Andere Organismen, auch Fische, kommen um. In der Landwirtschaft ist auch der Verbrauch an nicht erneuerbarem Grundwasser zwischen 2000 und 2010 gestiegen (22%, internationale Studie). 11% fließen in die Bewässerung von Feldfrüchten. Konventionelle Berieselungssysteme in trockenen Gebieten verbrauchen 20- bis 50-mal mehr Grundwasser. Die EU-Kommission fordert im März 2019 schärfere Regeln für den Nährstoffeintrag. Eine Gefahr für das Trinkwasser besteht laut Umweltbundesamt noch nicht.  Im April beklagt die EU-Kommission die zu hohe Nitratbelastung im Grundwasser in Deutschland (es müsste ein Fünftel weniger sein). In landwirtschaftlichen Regionen in Deutschland wird zu viel gedüngt (auch mit Gülle). Die Landwirtschaftsminister der Länder stellen sich auf der Sitzung in Landau im April 2019 geschlossen gegen eine 20% Reduzierung. Besonders Nitrat belastete Gebiete wir die Vorderpfalz (Gemüseanbau) oder Niedersachsen (Intensiv-Tierhaltung) sollen flexibel reagieren. In das Grundwasser gelangen auch 2019 noch immer gefährlichere Stoffe: Arzneimittel, Gülle, Kosmetika. Irgendwann wird man entscheiden müssen: die Wasserpreise steigen deutlich oder es drohen Einschnitte in die Wirtschaft (Kostenverteilung).

Trinkwasser: 22% weniger Wasser brauchten die Wasserversorger 2013 in Deutschland im Vergleich zu 1991 weniger, um den Trinkwasserbedarf zu decken (Quellen: UBA, BMWi). Das Umweltbundesamt schlägt 2017 Alarm: Der Wasserpreis könnte kräftig steigen, weil es eine hohe Nitratbelastung gibt. 900 Mio. Menschen in der Welt haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser (Quelle: UN). 2025 schon könnte das Trinkwasser nur für die Hälfte der Menschen reichen. Die Gletscher des Himalaja haben Milliarden von Menschen mit Trinkwasser versorgt. Die Schmelze aufgrund des Klimawandels ist bedrohlich. Im Februar 2018 schlägt die EU neue Qualitätsstandards und zusätzliche Kontrollen vor. Es soll mehr Wasser aus dem Hahn getrunken werden und weniger aus Plastikflaschen. Alle Restaurants sollen grundsätzlich kostenlos Leitungswasser anbieten. Dazu soll die Trinkwasserrichtlinie in der EU überarbeitet werden. Der Mensch muss immer Abwasser trinken, das in Klärwerken gereinigt wird. Durch den Klimawandel und die Beregnung der Felder landen imme rmehr Schadstoffe im Untergrund. Internationale Studien nennen schon eine Abwasserquote in Flüssen von mehr 5 %. Ein besonderes Problem hat die französische Gemeinde Vittel. Sie soll und muss Wasser sparen. Aber der Konzern Nestle darf weiterhin seine Flaschen mit dem bekannten Wasser füllen.

Infrastruktur von Wasser (Investitionen): Wassermangel ist nicht nur in Entwicklungsländern ein großes Problem. In Industrieländern ist die Infrastruktur teilweise stark veraltet. Investitionen in den Wassersektor versprechen nachhaltige Renditen. Vgl. Global Investor, 3/Januar bis März 2017, S. 11ff. Global gesehen hat sich in den vergangenen Hundert Jahren der direkte Pro-Kopf-Verbrauch an Wasser verdoppelt. Die Erdbevölkerung wächst bis 2030 um bis zu drei Milliarden Menschen. Das erhöht dramatisch den Wasserbedarf. Es wird auch die reichsten Volkswirtschaften der Welt treffen. Der so genannte virtuelle Wasserabdruck Deutschlands ist einer der höchsten der Welt (aufgrund der Konsumstärke). So gesehen könnten Anlagen in Wasserfonds sehr rentabel sein (z. B. Swisscanto Equity Fund Global Water Invest AT, Tareno Waterfund)  Das beste Bewässerungssystem scheint aufgrund ihrer Effizienz die Tröpfchenbewässerung zu sein.

Mineralwasser: In Deutschland gibt es große Mineralbrunnenvorkommen. Standorte sind: Refresco-Gruppe Mönchengladbach, Hassia-Gruppe, Bad Vilbel, MEG-Gruppe, Weißenfels, Altmühlthaler und Urstromquelle, Treuchtlingen. Gerolsteiner Brunnen, Gerolstein. 34,9 Mio. liter Grundwasser wurden 2019 für die Produktion von Mineralwasser genutzt. Konzerne wie aldi und Edeka sichern sich aus Angst vor dem Klimawandel kostbare Grundwasserquellen. Vgl. Gnirke, K. u. a.: quellen der Zwietracht, in: Der Spiegel 32/ 5.8.23, S. 42f.

Wasserstoff: Wasserstoff könnte irgendwann Erdöl ersetzen und damit auch den Klimawandel bremsen. Vor allem wenn er mit Ökostrom produziert wird. Wasserstoff kann als Treibstoff in Autos verwendet werden (erster Produzent Toyota), Er kann  Erdöl, Erdgas und Kohle bei der Elektrizitätserzeugung ersetzen und kann in der Industrie als Basischemikalie  verwendet werden. wird Wasserstoff mit alternativen Energien/ Strom erzeugt, spricht man von grünem Wasserstoff. Wasserstoff entsteht durch die Trennung des Wassers in Sauerstoff und Wasserstoff mithilfe von Strom.

Wüstenbildung (Desertifikation): Verschiedene menschliche Eingriffe wie Abholzung/ Kahlschlag, Beweidung/ Überweidung, Ackerbau/ künstliche Bewässerung/ Exportfrüchte können die Wüstenbildung mit all ihren Folgeproblemen verursachen. Unter den Folgen leiden die schwächsten Länder. Die Auswirkungen des Klimawandels verschärfen die Situation. Desertifikation führt in der Natur zu Bodenschäden, trockenen Flüssen und extremem Wetter. Die Auswirkungen auf den Menschen betreffen Getreide und Vieh, Landflucht, Unruhen und Tod. Vgl. Tony Uniper: Unsere Erde unter Druck, München 2017, S. 152f. Beispiele sind der Tschadsee in Afrika und die Wüste Gobi in China.

Biologie als Technologieplattform (Biotech): Ist wahrscheinlich die wichtigste Entwicklung in den nächsten Jahren. Amy Webb, eine der bekanntesten Zukunftsforscher, ist dieser Ansicht. Dazu könnten gehören smarte Nähte, also Fäden mit Nanosensoren; sie können mit dem Smartphone oder mit anderen medizinischen Geräten verbunden werden und entsprechende Daten an Patienten, Ärzte oder medizinisches Personal senden. Es könnte auch Nanohardware zum Herunterschlucken dazugehören. So entsteht ein gigantisches menschliches Netzwerk, verbunden über Daten.

 

Energie (einschließlich Energiepolitik; Energiewende; fossile Energieträger; alternative, erneuerbare Energien, vernetzte Energieeffiziente Systeme). Energie und Energiepolitik in China, Indien  und Japan bei Asien und China.

Begriff: Der Begriff geht ins Griechische zurück, vielleicht auf Aristoteles. Er ging von "en" (in) und "ergon" (Arbeit) aus. Er stellte die These auf, jedes Objekt werden von "energeia" zusammengehalten. Er sprach damit allen Objekten die latente Fähigkeit zu Betätigung, Bewegung und Veränderung zu.

Grundlage: Vaclav Smil: Wie die Welt wirklich funktioniert. Die fossilen Grundlagen unserer Zivilisation und die Zukunft der Menschheit, München (C. H. Beck) 2023.Original in den USA unter dem Titel "How the World Really Works", 2022. "Immer mehr Menschen haben zudem nur noch oberflächliche Vorstellungen davon, wie wir die Nahrungsmittel, Rohstoffe und Güter herstellen, auf denen unsere Gesellschaft materiell beruht. Dies führt zu Fehleinschätzungen, etwa der, wir könnten unsere Zivilisation in kurzer Zeit von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien umstellen. Denn es geht nicht nur um eine nachhaltige Stromproduktion, sondern etwa auch um alternative Verfahren der Herstellung von Zement, Stahl, Plastik und Dünger. Technische Innovationen allein reichen nicht, sie müssen auch kommerziell weltweit implementiert werden - in hunderttausend Fabriken und Produktionsstätten." aus dem Umschlagtext, ebenda. Smil ist Professor Emeritus für Umweltwissenschaften an der University of Manitoba. Der tschechisch-kanadische Wissenschaftler ist einer der führenden Energieexperten.

Atomenergie: Existenzielle Fragen der Atomkraft können nicht beantwortet werden: Ist die Atomkraft sicher? Kann Terror ausgeschlossen werden? Was geschieht mit dem Atommüll? (noch kein Endlagergesetz, in Gorleben ab 2012 Erkundungsstopp; der Atommüll ist eine weitaus größere Menge als ursprünglich eingeplant, viele Fässer sind beschädigt oder rosten; man braucht zwei Endlager). Ist der Brennstoff Uran unendlich? Wie ist der Einfluss auf den Klimaschutz? Vgl. Rosenkranz, Gerd: Mythen der Atomkraft, München 2010. Die Atomenergie wird als "Brückentechnologie" bezeichnet. Die Frage ist nur, wie lang die Brücke stehen soll. In Deutschland gibt es 17 Atomkraftwerke. Für diese Atomkraftwerke werden in der Regel folgende Argumente ausgeführt: Gut für Klimaschutz, hohe Versorgungssicherheit, Energiemix, günstige Energiequelle (hängt von den Bewertungskriterien ab!), niedriger Strompreis, Staat verdient. Dagegen sprechen folgende Gründe: Müllproblem, Alters- und Havarierisiko. Atomkraft verstopft die Netze, Deutschland hat kein Uran, militärischer Missbrauch. Beim Endlager findet man keine Lösung (Asse ungeeignet, Gorleben umstritten, Gesetzentwurf für Atom-Endlager). Die meisten Atomkraftwerke haben die USA (104) vor Frankreich (58) und Japan (54). Die Türkei und Österreich haben kein Atomkraftwerk. Einen Stopp gibt es nach der Katastrophe in Japan in China (13, 50 geplant) und einigen anderen Ländern (z. B. Venezuela). Relativ viele Atomkraftwerke haben Russland (32), Südkorea (21), Indien (20), Großbritannien (19) und Kanada (18), auch die Schweiz hat 5. Die USA planen mittlerweile den Bau von Mini-Atommeilern (keine großen Anlagen mehr wegen Preisverfall bei Erdgas). 2013 soll nach EU-Vorgaben das Atomgesetz in Deutschland geändert werden, so dass die Endlagerung von hochaktivem Müll im Ausland möglich ist (der Atommüll soll aber in Deutschland bleiben?!). 2013 einigen sich Bund und Länder auf ein Endlagergesetz (Kommission, die Kriterien entwickeln soll; geologische Fragen). Das Endlager soll bis 2031 eingerichtet sein und mindestens 1 Mio. Jahre bestehen. Es gibt eine ergebnisoffene Suche. Castor-Transporte nach Gorleben wird es nicht mehr geben. Wegen Zeitknappheit nehmen die Umweltverbände nicht zu dem Gesetz Stellung. Ein Endlager soll eine Million Jahre halten (wahrscheinlich länger als es Menschen gibt). Allein der Rückbau deutscher Atomkraftwerke wird mindestens bis zum Jahre 2080 dauern. Was ist aber, wenn zwischenzeitlich die Energiekonzerne pleite gehen?. RWE fordert 2014 aufgrund eines hohen Minus schon staatliche Unterstützung an. 2014 gibt es neue Empfehlungen im Falle eines Reaktorunglücks. Der Radius wird vergrößert und die Zeiten geändert. Deutschland will den Anteil der Erneuerbaren Energien bis 2022 auf 40 bis 45 Prozent erhöhen. Dann muss der Anteil von Atomstrom von heute (2014) 20% komplett ersetzt werden. Die EU baut zusammen mit den USA, Russland, China und Japan einen Versuchsreaktor in Südfrankreich. der soll 2020 in Betrieb gehen. Auch der US-Konzern Lockheed Martin will die Atomkraft beherrschbar gemacht haben: umweltfreundlich, effizient und vor allem ungefährlich. Ein Testreaktor soll in 10 Jahren einsatzbereit sein. Staat mit Kernspaltung arbeitet man mit Atomfusion (Wasserstoffarten Deuterium und Tritium). Die EU-Kommission entwickelt im Mai 2016 ein Papier zur Stärkung der Atomenergie. Es soll wohl den Zusammenbruch der Nuklearbranche verhindern. Es geht auch um kleine und flexible Mini-Atomkraftwerke. 2021 verstärkt sich die Diskussion um die Atomkraft. Es stehen sich zwei Positionen gegenüber: Die eine sagt nein: Atomkraftwerke rechnen sich nicht und behindern den Ausbau grüner Energie-Erzeugung. Die andere sagt ja: Deutschland sollte zum Klimaschutz so viele Atomkraftwerke wie möglich am Netz lassen und in neue investieren. Vgl. Atomkraft? in: Die Zeit Nr. 45, 4.11.21, S. 27. Besonders einflussreich in der EU ist die Gruppe der Nukleokraten: Sie wollen durchsetzen, dass Atomkraft zukünftig als nachhaltig gilt. Es sind vor allem gut vernetzte Ingenieure in Frankreichs Staatsapparat. Ein großer Teil der französischen Atomkraftwerke ist technisch veraltert und fällt immer wieder aus. Dann muss Strom importiert werden, aus Spanien oder Deutschland. Die Schweiz will ein Atommüll-Endlager an die deutsche Grenze bauen bei der Ortschaft Hohentengen in Baden-Württemberg.  Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) gibt die Gründe dafür bekannt. Paris und Budapest schließen einen Atompakt. Sie rücken näher zusammen im Hinblick auf Atomkraftwerke. Frankreich plant den weiteren Ausbau der Kernenergie (schon jetzt zwei Drittel). Ministerpräsident Söder aus Bayern will sich im Falle eines Wahlsieges von CDU/ CSU für den Neubau von Atomkraftwerken einsetzen.  "Man masters nature not by force but by understanding". "Die Atomkraft ist keine Brückentechnologie, sondern nach Fukushima nur noch eine Abwicklungsindustrie", Mycle Schneider, Energieberater.

Atomkraftwerke: In Deutschland ist die Laufzeit der 17 Atomkraftwerke umstritten (AKW Emsland, Biblis A und B, Neckarwestheim 1 und 2, Brunsbüttel, Isar 1 und 2, Unterweser, Philippsburg 1 und 2, Grafenrheinfeld, Krümmel, Grundremmingen A,B,C, Grohnde, Brokdorf). 2003 wurde Stade als erstes stillgelegt (Rückbau erst 2015 abgeschlossen!). Vorher wurden die DDR-Atommeiler abgeschaltet (z. B. Lubmin). Anfang September 2010 einigte sich die Regierung auf einen Kompromiss: Sieben ältere Atomkraftwerke sollen 8 Jahre zusätzliche Laufzeit erhalten. Zehn Reaktoren, die nach 1980 ans Netz gingen, sollen 14 Jahre länger laufen. Die Betreiber sollen im Gegenzug sechs Jahre lang von 2011 bis 2016 jährlich 2,3 Milliarden Euro Brennelementesteuer zahlen (brutto). Zusätzlich sollen ein Teil der Gewinne an einen Fonds zum Ausbau erneuerbarer Energie gehen. Nicht alle Teile der Vereinbarung mit der Atomwirtschaft sollen veröffentlicht werden. Die Atomwirtschaft muss offenbar nicht für die Sanierungskosten für das marode Atommülllager Asse zahlen (zehnmal mehr mittelradioaktiver Müll). Für die Endlager soll offenbar der Steuerzahler aufkommen. Auch Fragen der Sicherheit sind nicht transparent. Die Rückstellungen - Regelung ist zum Vorteil der Betreiber und schwammig. Die Bindung künftiger Regierungen und etwaige Klagen belasten ebenfalls die Vereinbarung. Viele sehen eine Zementierung der Marktmacht des Oligopols der vier großen Konzerne. Immer wieder kritisiert wird auch der Einfluss der großen Energiekonzerne auf die Bundesregierung (Lobby, auch indirekt über große Kanzleien, die für beide arbeiten). Das größte Atomprogramm der Welt leistet sich China. Die europäischen Kraftwerksbauer verdienen kräftig mit (Areva, Siemens). SPD, Grüne, einige Bundesländer und Greenpeace klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Verlängerung der Laufzeiten. Das schwere Erdbeben in Japan 2011 mit der massiven Schädigung zweier Atomkraftwerke löst eine neue Diskussion über die Sicherheit aus. Die japanischen Atommeiler sind außer Kontrolle geraten. Die Natur wird stark verstrahlt. In Deutschland gibt es ein Moratorium von drei Monaten für die Laufzeitverlängerung, was zu einer vorläufigen Abschaltung von sieben alten Reaktoren führt. Die Reaktorsicherheitskommission überprüft. Ergebnis sind Sicherheitsmängel, insbesondere gegen Flugzeugabstürze (damit stehen die älteren Meiler vor dem aus). Die Energiekonzerne stoppen ihre Zahlungen in den Öko-Fonds. Die Bundesregierung beruft weiterhin eine Kommission zu ethischen Fragen der Atomkraft (Tendenz ist, Atomkraft noch 10 Jahre bis 2021, Gaskraftwerke sollen die Lücke schließen). So lautet auch die Empfehlung, in 10 Jahren den Ausstieg zu schaffen (bis 2022). Dieser Empfehlung folgt die Bundesregierung. In der EU werden alle Atomkraftwerke einem einheitlichen Sicherheits-Check unterzogen (freiwillig?). Es gibt Versuche, die Kriterien zu entschärfen. Der Stresstest ergibt, dass Europas Kernkraftwerke sicherer werden müssen. Sie sind nicht gegen Naturkatastrophen, Terroranschläge und Flugzeugabstürze abgesichert. Betroffen sind in Deutschland vor allem die norddeutschen Kernkraftwerke. Es muss ein Aktionsplan vorgelegt werden. Elf größere Kernkraftwerke in Deutschland befinden sich 2012 in Rückbau. Bei den Kraftwerken in der ehemaligen DDR trägt der Bund die Kosten. In Großbritannien entsteht mit Hilfe von Staatsgarantien das erste neue Atomkraftwerk in Europa nach der Katastrophe von Fukushima. Mit in dem Konsortium sind Firmen aus China. 2014 vollzieht Japan eine Kehrtwende. Drei Jahre nach der Havarie in Fukushima kündigt die Regierung den Bau mehrerer Atomreaktoren an. Außerdem sollen stillgelegte AKWs wieder hochgefahren werden. Die Regierung verabschiedet im April 2014 sogar einen Plan, der Atomstrom als wichtigste Quelle für die Grundversorgung vorsieht. Vor der geplanten Wiederinbetriebnahme zweier Atomreaktoren im Süden Japans (Sendai I und II) hat die Regierung an die Bevölkerung Anti-Strahlenmedikamente verteilt (Jodtabletten). 2015 im April stoppt ein Gericht die Wiederinbetriebnahme zweier Atomreaktoren in Takahama (Sicherheit bei Erdbeben nicht gewährleistet). Ebenfalls im April 2015 beginnt die Türkei den ersten Bau eines Atomkraftwerks. Österreich klagt beim EU-Gerichtshof gegen Subventionen (Strompreisgarantie) für das britische Atomkraftwerk Hinkley Point C (ab 2023  aktiv). Im Iran werden zwei neue Atomkraftwerke mit Hilfe Russlands gebaut.  In Deutschland gibt es Sorgen wegen der Wiederinbetriebnahme zweier Atomkraftwerke in Belgien (Tihange, Doel). In Fragen der Sicherheit wollen Deutschland und Belgien enger zusammenarbeiten. Auch 30 Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zahlt Deutschland zusammen mit anderen Ländern (19 Mio. € allein für die letzte Schutzhülle). Beim Kernkraftwerk Philippsburg waren Kontrollen manipuliert. Im Internet kann man sich ab 2016 über Radioaktivitätswerte von Kernkraftwerken informieren. Das ist vor allem im grenznahen Bereich zu Frankreich und Belgien wichtig. Der Block 2 des Atomkraftwerks Fessenheim an der deutsch - französischen Grenze bleibt ab Juni 2016 auf unbestimmte Zeit vom Netz. Großbritannien genehmigt im September 2016 den ersten Neubau eines Atomkraftwerks nach Fukushima. Chinesen und Franzosen dürfen Hinkley Point C bauen (es bestehen Zweifel an der Finanzierung). Die Kernbrennstoffsteuer für die Atomwirtschaft läuft Ende 2016 aus (die SPD will sie wieder einführen). Die Schweiz will 2017 das älteste Atomkraftwerk der Welt abschalten: AKW Beznau an der Grenze zu B-W. Die Schweizer Bevölkerung entscheidet sich aber generell gegen einen früheren Ausstieg aus der Atomenergie bis 2029. Das Aromkraftwerk Hinkley Point wird 1,7 Mrd. € teurer als geplant. Im Mai 2018 wird das weltweit erste schwimmende Atomkraftwerk in Murmansk/ Russland eingeweiht (Energie für Ölbohrinseln). Auf dem EU-Gipfel im Dezember 2019 wollen einige Länder (Frankreich, Tschechien) Förderungen der Atomkraftwerke. In den USA werden 2019 Kernreaktoren der Zukunft: Sie sollen an moderne Stromnetze angepasst sein, kleiner und sicherer. 2021 gibt es Überlegungen in der EU-Kommission, Finanzinvestitionen in Atomkraft als nachhaltig einzustufen. Die Bundesumweltministerin ist dagegen. Ab 2023 setzt Polen auf Kernenergie. Die Regierung will weg von der Kohle. Mehrere deutsche Bundesländer sind alarmiert. In Frankreich sind noch 6 Atomkraftwerke geplant. Anfang 2024 wird beschlossen, dass noch 8 weitere gebaut werden sollen. Weiterhin setzt Tschechien auf Atomkraftwerke. Kritiker warnen zwar vor hohen Kosten und negativen ökologischen Folgen. Doch in Prag finden sie kein Gehör. Im September 2024 nimmt Frankreich den leistungsstärksten Atommeiler in Flamanville in Betrieb. Der Bau hat 17 Jahre gedauert. Die Gesamtkosten betragen 13,2 Mrd. € (4x so viel wie ursprünglich geplant). Es ist weltweit 2024 der vierte Reaktor nach dem EPR-Prinzip: noch einer in Finnland, zwei in China.   Eon, RWE, EnBw und Vattenfall können Zusatzgewinne von ca. 12,3 Mrd. € erwarten (Nettogewinn: Bruttogewinn 25,5 - Brennelementsteuer und freiwillige Abgaben). Quelle: Der Spiegel, Nr.37, 13.9.10, S. 77. Aus Milliardengräbern werden nun Geldquellen. So auch Krümmel für E.On und Vattenfall. "35 japanische Kernkraftwerke funktionieren ja noch", Jürgen Großmann, RWE-Chef, nach der Katastrophe in Japan. Auch auf Cuba gibt es ein Kernkraftwerk, das nie in Betrieb ging. So wollte es Fidel Castro. Es liegt 240 km von Havanna entfernt. Es heißt Juragua und ist heute eine Ruine. Es liegt bei einer Stadt "Ciudad Nuclear", eine sozialistische Planstadt. Heute leben nur noch wenige Menschen dort. Mit dem Ende der Sowjetunion wurde 1992 das Geld gekappt. Noch heute ist die Region militärisches Sperrgebiet. 2014 schloss GB ein Abkommen mit China zum Bau eines Atomkraftwerkes. Doch fertig ist Hinkley Point C 2024 immer noch nicht. Der französische Betreiber EDF räumt ein, das statt 24 Mrd. Pfund, nicht 32 Mrd. Pfund, oder 46 Mrd. Pfund, sondern 2024 54 Mrd. Pfund veranschlagt sind. Spannungen zwischen der britischen Regierung und dem chinesischen Staatskonzern CGN verzögerten das Projekt wohl bis 2031, wenn es je fertig wird. Der britische Staat springt nicht ein, sondern kritisiert China wegen Hongkong und der Ukraine.

Atomunfälle: Der erste Unfall findet 1957 im britischen Windscale statt (Brand, radioaktive Wolke). 1973 folgt eine Explosion in der Wiederaufarbeitungsanlage Windscale. 1977 wird das Atomkraftwerk Grundremmingen in Bayern verseucht (Kurzschlüsse in Hochspannungsleitungen). 1979 kommt es zu einer Kernschmelze in Harrisburg/ USA. 1986 findet die bisher größten Katastrophe in Tschernobyl statt. Der neue Sarkophag ab 2011 kostet 550 Mio. € und wird von der ganzen Welt finanziert. 1999 folgt eine Kettenreaktion im Brennelementewerk Tokaimura in Japan. 2011 sind vier Reaktoren des Kernkraftwerks Fukushimi Daiichi betroffen. Es wurde 1971 in Betrieb genommen. Explosionen und Feuer nach einem Erdbeben und Tsunami setzen radioaktives Cäsium, Strontium, Plutonium und Jod frei (Störfall 7). In Japan handelt es sich um Siedewasserreaktoren. Durch die Kernspaltung erzeugen Brennelemente Wärme, die das umgebende Wasser erhitzt. Der entstehende Wasserdampf wird auf Turbinen geleitet, die Strom erzeugen (Stromgenerator). Der heiße, radioaktive Dampf wird im Kondensator abgekühlt und in den Reaktor zurückgeleitet. Die Kühlwasserpumpen werden elektrisch betrieben, im Notfall von Dieselaggregaten. Das Kühlwasser wird einem Fluss oder dem Meer entnommen. Die Steuerstäbe zur Schnellabschaltung im Notfall entfalten neutronenabsorbierendes Material. Bei einer Kernschmelze tritt eine atomare Kettenreaktion ein, die hochradioaktives Material in die Umwelt freigibt. Brennelemente, die aus Bündeln von Brennstäben bestehen, fangen bei über 1000 Grad Celsius an zu schmelzen und troffen auf den Boden. Noch im November 2011 treten Xenon und Xenon 133 aus, was auf neue atomare Reaktionen hindeutet. 2012 ist die Gammastrahlung extrem hoch (kann nicht abgeblockt werden). Bei der Information über die Sicherheit der Atomkraftwerke und bei dem nicht geschlossenen Entsorgungskreislauf hat es immer wieder eine Menge Lügen gegeben, so dass auch Unfälle im Prinzip intransparent sind. Technik und Personal sind veraltert. Belastungs- und Grenzwerte für Lebensmittel werden in Bequerel (Bq) angegeben. In Deutschland gilt für Lebensmittel ein Grenzwert von 600 Bq. Die biologische Wirkung der Strahlung für den Körper wird in Sievert (Sv) ausgedrückt. Grenzwerte sind hier unterschiedlich gesetzt (in Japan ständig hochgeschraubt, weshalb der Atomberater der Regierung zurücktritt). Die Ruinen der sechs Atommeiler bergen große Risiken. Gekühlt wird weiterhin mit Wasser, aber es gibt jede Menge Lecks. Jederzeit könnte ein neues Erdbeben in der Nähe ausbrechen. Die Atomaufsicht in Japan soll unabhängig werden. Im September 2013 beschließt die Regierung einen Notfallplan. 360 Mio. € sollen in die Sicherung des havarierten Kraftwerks fließen (kann bis zu 40 Jahren andauern). Trotzdem tritt immer wieder radioaktives Wasser aus (auch verstrahltes Regenwasser aus Auffangbecken). 1533 Brennstäbe sollen aus der Atomruine gehoben werden und zur Entsorgung zwischengelagert werden. 30 bis 40 Jahre dürfte die Stilllegung dauern. 7000 Menschen arbeiten noch täglich in Fukushima. Den Atomausstieg nimmt die Regierung 2014 zurück. Naturkatastrophen stellen aber ein hohes Risiko dar (vor allem Vulkane und Erdbeben). In Deutschland wird 2011 ein "Stresstest" (Risikoanalyse) der Atomkraftwerke durchgeführt. 100 Wissenschaftler sollen in 6 Wochen die größtmöglichen Katastrophen durchspielen. Ein großes Risiko für die Umwelt stellen die russischen Atom-U-Boote dar, die in der russischen Arktis (Kara-See, ca. 19 Schiffe) entsorgt wurden. Es sind tickende Zeitbomben mit hoch angereichertem Uran. In Tschernobyl in der Ukraine fehlt das Geld für eine Schutzhülle. Es droht ein Desaster. Eine Geberkonferenz der G7 kann 530 Mio. Euro einsammeln. Gebraucht werden 615 Mio. Euro für eine neue Hülle (wahrscheinlich zahlt Russland den Rest). Im Herbst 2014 kreisen Drohnen über französischen Atomkraftwerken. Niemand weiß, wer die Fäden zieht. Das französische Verfassungsgericht stoppt vorerst ein Endlager für Atommüll in Lothringen (Bure). Die Pläne bleiben aber aktuell. Im November 2016 wird die Atomruine in Tschernobyl komplett von Stahl umhüllt. Das Land betreibt außerdem noch vier Atomkraftwerke. Im Februar 2017 kommt es zu einer Explosion im nordfranzösischen Atomkraftwerk Flamanville. Ein Strahlungsrisiko soll nicht bestehen. Im Februar 2017 muss auch das Schweizer Kernkraftwerk Leibstadt an der Grenze zu BW wegen technischer Fehlfunktion abgeschaltet werden. Das stark beschädigte belgische Atomkraftwerk Tihange 2 (starke Zweifel an der Sicherheit) nahe der deutschen Grenze bekommt Brennelemente aus Deutschland. Im April 2017 kommt es zu einem Unfall im Atomkraftwerk Fessenheim (Grenze Elsass zu BW). Frankreichs Atomaufsicht schlägt im Oktober 2017 Alarm. Es gibt erhebliche Rostschäden in Kernkraftwerken. Bei Erdbeben könnte sich ähnliche Folgen wie in Fukushima ergeben.  Belgien meldet nur jede zehnte Panne in Atomkraftwerken. Für Unruhe sorgt immer wieder das Pannen-Atomkraftwerk Tihange nahe der deutschen Grenze. Die Aufsicht ließ mehrere Kontaminationen nicht untersuchen. Auf dem Raketentestgelände des russischen Militärs soll im August 2019 ein mysteriöser Unfall passiert sein. Die Anwohner (Archangelsk, Sewerodwinsk) decken sich mit Jod ein. Der Kreml hält Infos zurück. Ein ganzes Dorf wird wegen erhöhter Strahlung geräumt. Das könnte ernsthafte Konsequenzen für Machthaber Putin haben. Im April 2020 brennen die Wälder um das stillgelegte Unglücks-Kraftwerk Tschernobyl in der Sperrzone. Man misst erhöhte Cäsium-Werte. Wie gefährlich die Rauchschwaden sind, weiß niemand sicher. 2020 setzt der Forschungsreaktor Garching bei München über den Kamin Radioaktivität frei. Im Juni 2021 wird das einzige Atomkraftwerk des Iran "Buschehr" vorübergehend abgeschaltet. Es gab technische Probleme. Das Atomkraftwerk liegt im Süden des Iran am Persischen Golf in einem Erdbebengebiet. Im Sommer 22 haben Experten große Sorgen um das Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine. Es ist unbeständig und fragil. Die Russen haben es erobert und nutzen es als Militärbasis. Die internationale Atomenergiebehörde warnt. Die Lage wird immer heikler. Die Ukraine erhebt den Vorwurf, dass Russland das Kraftwerk annektieren wolle, um damit die Krim zu versorgen. Das AKW wird im August 2022 vom ukrainischen Stromnetz getrennt. Im September 2022 dürfen internationale Atomexperten nach Saporischschja. Es ist ein Team der IAEA. Das Team kann bleiben. Die ganze Anlage soll überprüft und die Schäden begutachtet werden. Alle Reaktoren werden im September 2022 heruntergefahren. Die UN-Atomenergiebehörde hält die Situation in Saporischschja für "unhaltbar". Im September wird auch das zweitgrößte AKW in Piwdennoukrainsk beschossen. "Atomkraftwerke sind der intelligente Versuch, Kriege durch Massenselbstmorde zu ersetzen", Werner Schneyder. Am 09.04.2014 muss Reaktorblock 1 des Atomkraftwerks Fessenheim im Elsass in einer Notaktion heruntergefahren werden. Man war ganz nahe am Supergau. Der größte Atomunfall der Geschichte passierte in Tschernobyl am 25 April 1986. Der Ort liegt 30 Kilometer nördlich von Kiew/ Ukraine. Grobe Fehler und Konstruktionsmängel führten zur Katastrophe. 55.000 Menschen starben an der Katastrophe. 150.000 wurden dauerhaft krank. 655.000 wurden medizinisch beobachtet. 2019 entdeckt man, dass ein Betonbunker der USA mit nuklearem Abfall den Pazifik zu verseuchen droht. Es handelt sich um Runit-Island, eine von 40 Inseln des Enewetak-Atolls, die zu den Marshallinseln gehören. Das ist ein Überbleibsel der US-amerikanischen Atombombentestes nach den Zweiten Weltkrieg. Die Region ist sowieso verseucht (lebt von US-Exporten, regionale Produkte sind vergiftet). Durch den Klimawandel steigt der Meeresspiegel an und tief gelegne Inseln drohen überschwemmt zu werden.

Atomausstieg (einschließlich Verlängerung der Laufzeiten).: in Deutschland bis 2022. 2015, 2017 und 2019 sowie 2021 und 2022. Ursprünglich mit "Stand-by-Lösung" für den Notfall (wurde nach Veto der Bundesländer fallen gelassen). Offen bleibt, wie der Strompreis steigt und wo endgelagert wird. Es findet in Deutschland eine Endlagersuche statt. Salzstöcke, Granit- und Tonschichten sind möglich. Experten sehen Salzstöcke als am besten geeignet an, weil sie am schnellsten umschließen. Ende Juni 2013 kommt ein Endlagersuchgesetz zustande. Bis 2031 soll der neue Standort feststehen. Es wird ein neues Bundesamt für kerntechnische Entsorgung eingerichtet.  Die Kriterien für die bundesweite Suche werden festgelegt. Die Abhängigkeit, insbesondere von Gas, könnte steigen. Es wird auch schwieriger, die Klimaziele zu erreichen. Offen ist die Verteilung der Ausstiegskosten. Am 30.06.11 beschließt der Deutsche Bundestag den Atomausstieg. Die AKW-Betreiber wollen 2012 Schadensersatz von der Bundesregierung. Die USA ändern ihre Energiepolitik nicht nach dem Fukushima-Atomunglück. Zwei neue AKW werden 2012 genehmigt. Großbritannien, Frankreich, Tschechien und Polen wollen sogar Subventionen für Atomkraftwerke. Evtl. soll dies über garantierte Abnahmepreise erfolgen (in der EU eigentlich nur für alternative Energie vorgesehen). 2014 wollen die vier großen Energiekonzerne in Deutschland die Stilllegung der Atomkraftwerke in eine öffentlich-rechtliche Tochterfirma bzw. Stiftung analog "Badbank" ausgliedern, um die Kosten auf den Staat zu verlagern. Große Teile von Gorleben werden geschlossen, so dass der Standort auf ein Minimum reduziert wird. Die Bundesländer beharren im Oktober 2014 auf Atomrücklagen der Atomkonzerne. Die Rückstellungen in Höhe von 35,8 Mrd. € sollen so gesichert werden, dass sie bei Insolvenz eines AKW-Betreibers zur Verfügung stehen. Außerdem sollen die Kosten des Atomausstiegs ständig überprüft werden. Die Rückstellungen sind zu wenig, wenn man bedenkt, dass die Energiekonzerne über 60 Jahre hinweg bis 2010 mehr als 140 Mrd. € an Subventionen bekommen haben. Insofern wird die Steuerzahler die Energiewende noch mal teuer zu stehen kommen. Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs 2014 müssen die Atomkraftwerke die Kernbrennstoffsteuer weiterhin zahlen (sie war Anfang 2011 befristet bis Ende 2016 eingeführt worden). Die Bundesregierung hat ein Konzept entwickelt für die Rückholung hoch radioaktiven Atommülls: Abfälle sollen in Philippsburg, Brokdorf, Biblis und Isar zwischengelagert werden. Die Bundesregierung befürchtet, dass die Atomkraftwerks-Betreiber nicht genug Geld für den Abriss zurücklegen. Nun gibt es ein erstes Ultimatum (dann will sie Wirtschaftsprüfer einsetzen). Monatelang haben Wirtschaftsprüfer die Bücher der vier Atomkonzerne durchleuchtet. Das Ergebnis aus Sicht der Regierung lautet: Eon, RWE, EnBW und Vattenfall können den Atomausstieg bezahlen. Ein Papier der EU-Kommission im Februar 2016 offenbart allerdings, dass in Deutschland und den Ländern der EU Milliarden für die Atom-Entsorgung fehlen. Eine Expertenkommission schlägt einen "Atom-Entsorgungs-Finanzpakt" vor. Eine Insolvenz der AKW-Betreiber soll vermieden werden. Wahrscheinlich kommt es zu hohen Folgekosten für den deutschen Steuerzahler (so auch IPPNW). Im März 2016 verhandelt das Bundesverfassungsgericht über den Kostenstreit zum deutschen Atomausstieg. Die Energiekonzerne wollen Entschädigung. Deutschland und Luxemburg haben Angst vor dem altersschwachen Atomkraftwerk Cattenom in Frankreich. Luxemburg bietet Zahlungen bei Abschaltung und Rückbau an. Die erneute Suche nach einem Atom-Müll-Endlager wird schwierig. Bayern und Sachsen sträuben sich. Vattenfall verklagt die deutsche Bundesregierung in den USA wegen des Atomausstiegs (internationales Schiedsgericht, ICSID; noch kurz vorher investiert). Im Oktober 2016 beschließt das Bundeskabinett, dass die Kraftwerksbetreiber 23,6 Mrd. € zahlen für die Entsorgung atomarer Altlasten. Sämtliche zusätzlich Kosten für Zwischen- und Endlagerung will der Bund übernehmen (Steuerzahler). Die Verfassungsklage wegen des schnellen Atomausstiegs 2011 nach Fukushima hat Erfolg. Der Staat muss die Stromkonzerne entschädigen. Im Januar 2017 stimmt der französische Stromkonzern EDF der Schließung von Fessenheim im Elsass gegen eine Entschädigung von 490 Mio. € vom Staat zu. Die französische Umweltministerin setzt im April 2017 eine Frist für Fessenheim. Spätestens , wenn Flamanville 3 in Betrieb genommen wird 2020, muss Fessenheim abgeschaltet werden. Der Bundestag stimmt im März 2017 für ein Gesetz, das überall in Deutschland nach einem Endlager gesucht werden kann. Es wird darin ein Verfahren für das unterirdische Einlagern von hoch radioaktivem Atommüll geregelt. Im Mai 2017 entscheiden die Schweizer in einer Volksabstimmung für den Atomausstieg. Wie lange die fünf aktuellen Atomkraftwerke am Netz bleiben, entscheidet die Sicherheitsaufsicht. Am 03. Juli 2017 müssen Deutschland und die Atomkonzerne zusammen 24 Milliarden Euro einzahlen in einen Entsorgungsfonds für die Zwischen- und Endlagerung. Die AKW-Betreiber Vattenfall und RWE bekommen rund eine Milliarde Euro als Entschädigung für den Ausstieg (Kabinettsbeschluss im Mai 18).  Bis 2025 will Frankreich 17 Reaktoren abschalten (Senkung des Atomanteils auf 50%; insgesamt noch 58 Atommeiler). Am 05.0618 beginnt der Abriss des Kühlturms des Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich und damit der Rückbau des Kraftwerks. Beim französischen AKW Fessenheim nahe an der deutschen Grenze wird die Stilllegung Ende Oktober 2018 gestoppt. Es werden zu starke Arbeitsplatzverluste bis 2022 befürchtet. Das Kraftwerk soll jetzt 2020 vom Netz gehen. Der Bund in Deutschland will ab 2019 seine Anteile und Beteiligungen an ausländischen Energiekonzernen abstoßen (spanisches Unternehmen Iberdrola, italienisches Unternehmen Enel, französisches Unternehmen Engie). Der EuGH entscheidet im Juli 2019, dass Belgien mit der Verlängerung von Laufzeiten für zwei umstrittene Atomreaktoren gegen EU-Recht verstoßen hat. Im August 2019 fällt der letzte Turm vom Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich, dem einzigen Atomkraftwerk in RLP. Frankreich stoppt 2019 die Forschung am schnellen Brüter. Ende 2029 wird das Kernkraftwerk Phillipsburg abgeschaltet. Im Februar und Juni 2020 werden die beiden Reaktoren des elsässischen Atomkraftwerk Fessenheim abgeschaltet (30. Juni 20). Es beginnt ein Rückbau. Am 14.05.20 werden die beiden Kühltürme des Atomkraftwerks Philippsburg gesprengt. Doch problematisch ist das, was nicht sichtbar war. Belgien plant ein Atom-Endlager an der Grenze zu Deutschland. Radioaktive Abfälle des Kraftwerkes Tihange müssen entsorgt werden. Radioaktive Abfälle aus GB müssen zurückgenommen werden. Mit einem Schiff werden die Castor-Behälter nach Nordenham gebracht. Mit dem Zug geht es weiter nach Biblis in Hessen. Das Bundesverfassungsgericht verlangt im November 2020, die  Entschädigung für den Atomausstieg neu zu regeln. Anfang März 2021 verkündet das Umweltministerium die Regelung: Die Betreiber bekommen insgesamt 2,428 Mrd. €. Im März 2021 legt das Bundesumweltministerium auch einen Plan für die Vollendung des Atomausstiegs vor. Er hat 12 Punkte. Im August 2021 schließt der französische Atomkonzern Orano mit den großen deutschen Energieunternehmen einen Vertrag: Rücknahme des Atommülls aus La Hague. Im September 2021 beginnt man mit dem Zuschütten des Stollens in Gorleben. Ende 2021 werden Brokdorf, Grohnde und Grundremmingen vom Netz genommen. 2022 folgen die Meiler Isar 2, Emsland und Neckarwestheim. Eine Verlängerung wird geprüft (wegen Energieknappheit in Folge des Ukraine-Krieges). Belgien verlängert die Laufzeit um zehn Jahre. In Deutschland ist eine Verlängerung schwierig, weil die Revisionen und Prüfungen zur Sicherheit ausgeblieben sind. Außerdem fehlt Uran, das vielleicht auch von Russland importiert werden müsste. Die französischen Atomkraftwerke sind oft nur pro forma am Netz. Sie sind größtenteils funktionsunfähig. Deutschland exportiert bedeutend mehr Strom nach Frankreich als umgekehrt. Die Betreiber der Kraftwerke sind gegen eine Verlängerung der Laufzeit, weil Brennelemente und Genehmigungen (Prüfungen) fehlen. Auch das AKW-Personal ist knapp. Die drei noch laufenden Atomkraftwerke (Isar2, Emsland, Neckarwestheim) liefern etwa 5 bis 6% des deutschen Stromes. Sie sind rein für die Stromerzeugung und für die Grundlast zuständig. Die Regierung rückt Ende Juli 2022 von ihrem strikten Nein zur befristeten Verlängerung ab. Es gibt einen Geheimplan für längere Laufzeiten. Zwei Atomkraftwerke bleiben für Notfälle, sie stehen über das Jahresende hinaus als Reserve zur Verfügung (Isar2, Neckarwestheim). Es gibt Streit um den Reserveplan. Viele Experten befürworten eher einen Streckbetrieb. Der Atomreaktor Isar 2 muss repariert werden. Auch im Kraftwerk Neckarwestheim 2 sind Risse. Schließlich kündigt der Bundeswirtschaftsminister einen Streckbetrieb beider Kraftwerke bis mindestens April 23 an, weil zu viele Atomkraftwerke in Frankreich wegen Wartung ausfallen. Die Laufzeit dürfte noch länger werden. Belgien verkündet im Januar 2023 das Aus für den Pannenreaktor Tihange 2 bei Lüttich. Damit hat Belgien noch 5 Reaktoren. In Deutschland wird der Ausstieg 2023 immer wieder diskutiert. Das fällt auf, weil alle Welt auf eine Renaissance der Atomkraft setzt. wir wetten allein auf den energetischen Ausbau erneuerbarer Energien. Am 14.4.23 geht nach 60 Jahren die Kernkraft-Ära zu Ende. Bis zum Schluss gibt es Streit um den Ausstieg. Es ist unklar, ob Stromknappheit besteht, die durch das Ausland gedeckt werden muss. Zuletzt lag der Anteil der Atomkraftwerke bei 4,5%. Die Kosten für das Atommüll-Endlager steigen. Das Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle im Schacht Konrad bei Salzgitter hat eine längere Bauzeit. Im April 2024 erzwingt das Magazin Cicero Akteneinsicht im Wirtschafts- und Umweltministerium. Gutachten sollen manipuliert und Kritik unterdrückt worden sein.  2024 flirtet Italien wieder mit der Atomkraft. Nach Tschernobyl waren 1986 vier Atomkraftwerke stillgelegt worden. Jetzt will man den Wiedereinstieg versuchen. Atomabfall wurde häufig nach GB oder Frankreich ausgelagert. Ab 2024 kommt er zurück. Er wird dort zwischengelagert vor er angefallen ist, auch in Philippsburg in der Region.    Im mittleren Westen der USA ist Atomausstieg ein Fremdwort. Im einstigen Land der Sioux-Indianer expandiert der Uranbergbau. Hunderte von Minen (alte und neue) stellen eine radioaktive Zeitbombe dar. Das Wasser ist vergiftet, die Strahlendosis bis zu achtmal höher als in Fukushima. "Das Kapitel ist für uns abgeschlossen", Peter Löscher, Siemens-Chef, zum Ausstieg aus der Atomtechnik im September 2011. Der Franzose Gerard Mourou, der 2018 den Physiknobelpreis bekam, will mit der Entwicklung eines Ultrakurzzeitlasers gegen den Atommüll vorgehen. 2020 sollen 126.000 Atomfässer aus dem maroden Schacht Asse geborgen werden. Das Vorhaben wird extrem teuer. Dabei hat niemand eine vernünftige Idee, wo der Müll dann gelagert werden soll. Gorleben wird in einem Gutachte im September 2020 als ungeeignet für ein Endlager befunden. Zu diesem Ergebnis kommt die Bundesanstalt für Endlagerung. Jetzt hat man 10 Jahre Zeit, einen Standort zu bestimmen. Auch Bayern und Sachsen sind geeignet, wie große andere Teile Deutschlands.113 Castor-Behälter müssen umgelagert werden. Eine Atommüllstudie kommt im August 24 zu dem Schluss, dass ein Endlager frühestens 2074 kommen kann (Freiburger Öko-Institut). Die letzten hochradioaktiven Atomabfälle sollen in das Zwischenlager Philippsburg bei Karlsruhe kommen - wie vorher verabredet.

Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke (der letzten drei): Angesichts des drohenden Gas-Embargos Russlands wird auch diese Möglichkeit diskutiert. Dabei geht es um folgende Punkte: 1. Ideologiefreie Prüfung". Der Branchenverband Kerntechnik Deutschland hält einen Weiterbetrieb für möglich und widerspricht Habeck.  Die "Tiefenwartung" wäre parallel möglich. 2. Streckbetrieb. Auch hier widersprechen Fachleute Habeck. Brennstabumstellungen wären möglich. auch neue Brennstäbe könnten geordert werden. Vgl. Bittner, Jochen: Die nackte Wahrheit, in: Die Zeit Nr. 27/ 30.6.22, S. 19. Der erste Stress-Test fällt positiv aus. Ein zweiter wird folgen. Nuklearanlagen liefern Strom, aber keine  Wärme. Längere Laufzeiten können nicht die Gaskrise lösen. Leider macht man auch mit der üblichen "Milchmädchenrechnung" weiter: Würde man Kernkraftrisiken versichern und nicht dem Steuerzahler aufbürden, läge die Kilowattstunde Strom wahrscheinlich bei 67 €. In Frankreich müssen allein 2002 4 stillgelegt werden wegen Korrosion. Zwei Atomkraftwerke bleiben für Notfälle, sie stehen über das Jahresende hinaus als Reserve zur Verfügung (Isar2, Neckarwestheim). Das ist sehr umstritten, weil es technisch schwer umzusetzen ist. Sogar die Betreiberfirmen warnen. ein Streckbetrieb war wohl politisch nicht durchsetzbar. Er kommt dann doch mindestens bis April 23, weil zu viele Atomkraftwerke in Frankreich wegen Wartung ausfallen. Es gibt Streit zwischen der FDP und den Grünen um die Laufzeit und um die Zahl der Kraftwerke. Der Kanzler entscheidet am 17.10.22 aufgrund seiner Richtlinienkompetenz: Drei Kraftwerke ( auch AKW Emsland) laufen weiter bis 15. April 2023. Es kommen danach immer wieder Forderungen, die Laufzeiten noch weiter zu verlängern (Industrieverbände, FDP). Das Kaufen neuer Brennstäbe würde zu einer Verlängerung bis zu 20 Jahren führen. Belgien verlängert die Laufzeit zweier Nuklearmeiler.

Sonne und Reaktoren der vierten Generation: Man entwickelt Versuchsreaktoren, die nach dem Vorbild der Sonne arbeiten sollen. In Südfrankreich entsteht der Versuchsreaktor Iter (Fusionsreaktor: Tritium und Deuterium werden stark erhitzt) . Hier arbeiten 5000 Menschen. Es ist ein Rennen gegen die Zeit. Das Technikwunder soll die Energieprobleme der Menschheit lösen. Eine weitere europäische Versuchsanlage ist Jet in GB. Am kalifornischen Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) entzünden Laser heißes Wasserstoffplasma. Die Kernfusion soll eine Stromquelle werden, die nie versiegt. Sie braucht nur geringe Mengen atomaren Abfalls. Weltweit forscht man an sauberen Reaktoren, die sogar Strahlungsmüll recyceln können. Dei Kraft der Sonne soll auf der Erde entfesselt werden. In Deutschland gibt es zwei Start-ups dazu: Focused Energy in Darmstadt (Plasma verdichten, durch einen zweiten Strahl zünden) und Marvel Fusion in München (Coulomb-Explosionen, um Bor und Wasserstoff zu Helium zu verschmelzen). 2020 sind weltweit 442 Kernkraftwerke in Betrieb. 54 werden weltweit noch gebaut, zwölf davon in China. Einer der größten Verfechter der neuen Technologie ist der Ökonom Andrew McAffee. Er ist Professor am MIT. (vgl. sein Buch "Mehr aus Weniger, DVA 2020, August). Umstritten ist die Sicherheit der vierten Generation. Außerdem sind die alten Druckwasserreaktoren um ein Vielfaches kostengünstiger. Deshalb wird die alte Technologie meist noch verbau und exportiert (China, Russland, Kanada).

Energiegewinnung durch effiziente Kernfusion: Ende 2022 gelingt in den USA ein historischer Durchbruch. Man kommt zu einer Fusion, bei der erstmals mehr Energie gewonnen wird als verbraucht (Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien). Wasserstoffatome können verschmolzen werden zu Helium (das ähnelt den Vorgängen in Sternen). Das ist perfekte CO2-Fusionsenergie. Bis zur Marktreife können noch Jahrzehnte vergehen. Das Grundproblem ist, dass man noch zu viele Laser bis zu den Röntgenstrahlen braucht (technische Hürden). Terrapower in den USA (Haupteigentümer Bill Gates) versucht, neue Atomkraftwerke zu etablieren. So etwa in Kemmerer in Wyoming. Die Atomkraft soll Kohlekraftwerke ersetzen. Vgl. Die Zeit 12/ 16.3.23, S. 22.

Gottesteilchen: 2012 konnte es zum ersten Mal identifiziert und gemessen werden. Das war in einem Labor/ Tunnel (Atlas-Detektor) tief unter der Erde in Genf. Es hat den Namen Higgs-Boson.  Viele Jahre hatten Forscher danach gejagt. 2013 erhielt Peter Higgs den Nobelpreis. Man weiß noch vieles nicht in der Teilchenphysik. Es sind noch Überraschungen für die Energie der Zukunft möglich.

"Grüne" Energie in der EU (Taxonimieverordnung): Frankreich versucht schon lange, seine Atomkraftwerke als "grün" zu verkaufen. Ende 2021 zeichnet sich in der EU-Kommission ein Kompromiss mit Deutschland ab. Man definiert Atomkraft und Gas als "grün". Damit knickt die EU-Kommission vor Frankreich ein. Viele der alten Atomkraftwerke dort müssen saniert werden. Das kostet viel Geld, das die Betreiber auf dem Markt nun einfacher beschaffen können. Außerdem dürften EU-Fördergelder in den Bereich fließen. Die Bundesregierung will versuchen, die Taxonomie noch politisch zu ändern. Sie will aber nicht gegen Brüssel klagen. Die EU-Kommission betrachtet beide Technologien als Brücken bis die Erneuerbaren den Bedarf decken können. In der EU dominieren die Atomkraft-Befürworter. Die Atomkraftgegner haben für ein Veto keine Mehrheit. Im September 2022 klagen Umweltverbände (Greenpeace u. a.) gegen die EU-Taxonomie.

Kooperation von 11 Staaten in der EU bei der Atomenergie: Am 28.2.23 treffen sich die EU-Energieminister in Stockholm. Dabei einigen sich Frankreich, die Niederlande, Polen, Finnland, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Ungarn, rumänien, Slowenien un dei Slowakei auf die Förderung "neuer gemeinsamer Projekte". In Forschung und Sicherheit bei Atom will man zusammen arbeiten. Atomenergie sei eines von vielen Werkzeugen für Versorgungssicherheit. .

Erneuerbare (regenerative) Energien (der Begriff Energie kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Arbeit verrichten): Windkraft, Wasserkraft, Solarenergie, Biomasse (siehe oben), Holz, Geothermie (erneuern sich rasch und natürlich). In Deutschland beträgt ihr Anteil 2011 17% (Ziel: bis 2020 30%). 2010 lag der Anteil bei 16,8%. (davon: Windkraft 35,9; Biomasse 33; Wasserkraft 19,4; Fotovoltaik 11,8). Die Erweiterung dieser Energien ist nicht unproblematisch im Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung: Die Verdauung der Rinder heizt das Weltklima an und die zurückgehende Anbaufläche für Nahrungsmittel fehlt für die Ernährung der stark wachsenden Erdbevölkerung. Das Wasser ist weltweit sowieso schon knapp (1 Mrd. Menschen ohne sauberes Trinkwasser). Durch die höhere Durchschnittstemperatur der Erde verdunstet auch mehr Wasser und es besteht die Gefahr in Küstenregionen, dass Salzwasser einströmt. In Europa hat Österreich den höchsten Anteil an erneuerbaren Energien mit 62%, gefolgt von Schweden mit 55,5%. Erneuerbare bzw. alternative Energien werden auch oft als Backstop-Technologien bezeichnet. Weil fossile Energieträger (Öl, Gas, Kohle) zu viel CO2 produzieren und endlich sind, sollen sie durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Die dabei anfallenden Kosten übersteigen im Allgemeinen die Kosten fossiler Energieträger, so dass staatliche Förderprogramme her müssen. Die Kosten für die erneuerbaren Energien regelt in Deutschland das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Danach werden die Kosten in den nächsten Jahren steigen, was die Akzeptanz verringern kann. Die Förderung des Solarstroms wird nach und nach zurückgefahren. Eine Reihe deutscher Großkonzerne (Eon, RWE, Siemens, Münchener Rück) plant 2009, Solarstrom in der Sahara zu erzeugen (Solarthermisches Kraftwerk, Volumen des Projektes 400 Mrd. €, Desertec). Im Bereich der erneuerbaren Energie hat Deutschland einen globalen Vorsprung. Die deutschen  Weltmarktanteile liegen bei etwa: 90% Biogas, 35% Wasserkraft, 25% Windkraft, 23% Solarthermie, 21% Photovoltaik, 15% Pelletheizungen. Deutschland hat eine Vorreiterrolle, die immer mehr deutsche Unternehmen weltweit nutzen wollen. So steigert etwa die BASF ihre Innovationskraft (Beschichtungssysteme, Schäume, Spezialmörtel, Schmiermittel, Betonzusatzstoffe). Auf europäischer Ebene der EU wären mehr Investitionen notwendig (70 Mrd. € jährlich statt 35 Mrd. €). Dazu müssten auch die nationalen Fördersysteme der EU-27 reformiert und koordiniert werden. Die EU-Kommission plant 2013 stärkere Beihilfen für Atomkraftwerke und stellt sich gegen die deutsche Politik der Energiewende. In den Koalitionsverhandlungen im November 2013 (große Koalition) wird beschlossen, "grüne Energie" billiger werden zu lassen (Ausbau gedrosselt, Förderung gekappt). Die Vergütung für alternative Energien soll sich künftig nach dem Preis des Angebotes richten, bei dem das Ausschreibungsziel (in Megawatt) erreicht ist. Am 08.07.16 billigen Bundestag und Bundesrat die Ökostrom-Reform. Am 18.05.2020 beschließt der Bundestag Änderungen beim Öko-Strom-Ausbau:  Mehr Kompetenzen für die Länder (z. B. Abstand Windrad - Wohngebiet). Solarenergie soll weiter gefördert werden. 2021 liegt der Anteil erneuerbarer Energie bei der Stromerzeugung bei 41,7%. Verteilung: Wind am Land 63,2%, Wind auf See 16,0%, Fotovoltaik 45,9%, Biomasse 32,5%, Wasser 15,7%, sonstiges 4,3%. Am 7.7.22 beschließt der Bundestag einen massiven Ökostromausbau: Bis 2030 sollen 80% des Stromverbrauchs so gedeckt werden. Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt und Gerichtsverfahren erleichtert werden. Die EU will bis 2020 den Anteil von 2007 von 6,5% auf 20% steigern. Weitere Beschlüsse im März 2007 sind: Klimaschutz (Reduzierung der Treibhausgase bis 2020 um mindestens 20%), Energieeffizienz (Energieverbrauch bis 2020 um ein Fünftel senken), Kernenergie (Landesautonomie), Wettbewerb auf dem Energiesektor, Versorgungssicherheit. 2013 ist der Anteil der Stromerzeugung von Erneuerbaren Energien gestiegen um 7,3 Prozent gestiegen. In den ersten neun Monaten 2014 haben die erneuerbaren Energien (Wind, Sonne, Wasser, Bioenergie) einen Anteil von 27,7% erreicht und die Braunkohle überholt. In Europa hat Norwegen den höchsten Anteil an erneuerbaren Energien (64,5%, 2012). Dann folgt Schweden mit 51,0%. Aufgrund der niedrigen Preise für CO2-Zertifikate 2014 erlebt aber auch die Braunkohle eine Renaissance in Deutschland. 2015 liegt der Anteil an erneuerbaren Energietechnologien nahezu bei 30% (2000: 7%). Bis 2020 soll der Grünstromanteil auf 35% steigen. Bis 2030 wäre ein Anteil von 50% in Deutschland möglich. Bei der installierten Leistung (in Gigawatt) führt Deutschland bei den alternativen Energien 2014 immer noch mit 38 Gigawatt vor China (28), Japan (23) und den USA ( 18). Am stärksten war der Zuwachs 2014 in China (11 Gigawatt), so dass das Land 2015 wahrscheinlich Deutschland überholt. 2014 ist in der EU der Anteil der Öko-Energie auf 16% gestiegen. Äthiopien hat das Ziel, Industriestaat nur mit erneuerbaren Energien zu werden. Es könnte ein Vorbild für die Weltsein. Vorzeigprojekt ist Afrikas größter Staudamm GERD. 2018 steigt der Anteil an Strom, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, auf 36 Prozent (überholt die Kohle).

Pleitewelle in der Erneuerbaren Energienbranche: Seit 2011 hat sich die Pleitewelle verschärft, vor allem im Solar- und Windkraftbereich. Hauptgründe sind ausländische Konkurrenz (insbesondere aus China) und die Umstellung staatlicher Fördermittel. Zu nennen sind Scan Energy Power Wind, Siag Schaaf und Konarka in der Windbranche sowie Solar Millenium, Solarhybrid, Centrotherm, Sunstrom, Q-Cells, Solon und Sovello u. a. in der Solarbranche. In diesen Branchen hatten viele erfolgreiche Unternehmer investiert (z. B. Ritter, Würth, Grohe, Maschmeyer, Brenningmeijer, Klatten).

Erneuerbare und Wirtschaft: Hier geht es um zwei Aspekte. 1. um die Wirtschaftlichkeit: bleiben die Erneuerbaren immer von Subventionen abhängig? 2. um die Arbeitsplatzeffekte der Erneuerbaren: Wie viel neue Jobs entstehen? Zu 1 ist relevant, wie die Kostenstruktur aussieht (unter Berücksichtigung der externen Kosten und der Zeitleiste), wie kann man Investitionssicherheit gewährleisten und wie sind die Preise.  "Wind, Sonne und Wasser schicken keine Rechnung", David McAllister, Ministerpräsident Niedersachsen.

Erneuerbare und Verkehr: Im Bereich Verkehr ist der Anteil Erneuerbare zurückgegangen: 2007 betrug der Anteil 7,5%, 2017 5,2%. Der Autobestand in Deutschland ist drastisch gestiegen (42,9 Mio. 2012: 45,8 Mio. 2017). Der stärkste Anstieg liegt bei den SUV (+20,3% von 2016 auf 2017). Der Anteil des Massenverkehrs (Bus/Bahn) liegt in Deutschland mit 14,4% unter dem EU-Durchschnitt (16,8%, Eurostat 2017)

Die dänische Insel Samsö gilt als Ökotopia, weil sie mit Windrädern, Solaranlagen, Strohbrennern und Milch-Wärmetauschern mehr Energie erzeugt als sie braucht. Sie wird auf dem Weltklimagipfel in Kopenhagen als Vorbild aufgebaut. "This is the way the world ends. Not with a bang but a whimper", T. S. Eliot. Weitere Projekte, die weltbekannt sind, sind die folgenden: Masdar City in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Hier werden eine Reihe von Technologien (Geothermie, Müll, Solarthermische Kraftwerke u. a.) gekoppelt. Allerdings steckt das Projekt 2011 in der Krise (Baumängel, Technik streikt).  Desertec in der Sahara., wo Strom produziert werden soll. Die Planungsfirma Dii berichtet auch vom Interesse Chinas und der USA.

Wildpoldsried im Allgäu als Energiedorf: 2500 Einwohner. Als Energiequellen stehen Windparks, Biogasanlagen, Nahwärmenetz (Blockheizkraftwerk), Photovoltaikmodule zur Verfügung. Energieerzeuger und Haushalte sind durch "Smart Grids" verbunden. Der Tarif richtet sich nach Angebot und Nachfrage. Großgeräte können ein- und ausgeschaltet werden. 

High-Tech-Dorf südlich von Tokio: Das Projekt wurde von dem Konzern Panasonic angeschoben mit Millionen. Man versucht, mit so wenig Strom, Heizung, Benzin und Wasser auszukommen wie möglich. Es gibt Solar - Panels, Hybridwagen und vieles mehr. Die Häuser können sich nur Reiche leisten (500.000 Dollar). Die Häuser werden total überwacht. Zusätzlich wird gegenseitig sozialer Druck aufgebaut.

Wasserkraftkleinkraftwerke: Früher deckten Wasserräder einen großen Bedarf an Strom in Deutschland ab. Vor allem galt dies für Süddeutschland im Mühlen- und Handwerksbereich. Heute können solche Kraftwerke aufgrund des technischen Fortschritts sehr effizient gestaltet werden. Wegen der hohen technischen Reife liegen die Erzeugerkosten heute schon auf dem Niveau fossiler Kraftwerke. Sie könnten eine große Rolle bei einer dezentralen Energieversorgung spielen.

Wasserkraftwerk: Natürlich kann man Wasser auch als Großkraftwerk nutzen. Das stärkste Kraftwerk der Welt funktioniert so: Der Drei-Schluchten-Staudamm in China. Zwischen Orkney und dem schottischen Festland entsteht ein Meereskraftwerk Der Pentland Firth ist ein Gezeiten-Kraftwerk. Das größte Gezeitenkraftwerk der Welt könnte auf 269 Turbinen ausgebaut werden. Vor der Küste Australiens entsteht derzeit das größte Wellenkraftwerk der Welt. Es wird eine Leistung von 62 Megawatt erreichen. Manche große Wasserkraftwerke setzen so viel Treibhausgas frei wie Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen. Ursache: Verrotten Pflanzen unter Wasser, setzen sie Gase frei. Betroffen sind vor allem Wasserkraftwerke in Südostasien. 2019 analysiert der Ökologe Ulrich Eichelmann (Riverwatch, WWF, Stiftung Euronatur) die dramatische Naturzerstörung durch den Bauboom bei Wasserkraftwerken. In Europa sind 2019 noch 9000 Wasserkraftwerke geplant, 3000 davon auf dem Balkan. Deutschland hat 7700 Wasserkraftwerke, 7300 sind Kleinkraftwerke. Wanderungen von Fischen und anderen Tierarten werden blockiert. Schotter und Sande werden zurückgehalten. Zwischen Euphrat und Tigris ist eines der Ursprungsgebiete menschlicher Kultur. Die Türkei baute Jahre in Südostanatolien den Ilisu-Staudamm für ein Wasserkraftwerk, der die Fluten des Tigris staut. 200 Siedlungen mussten dafür geräumt werden und uralte Städte gingen verloren, so etwa Hasankeyf.

Am Anfang eines Levada - Systems auf Madeira. Die Insel gehört zu Portugal und ist in der EU wahrscheinlich am weitesten bei der Nutzung von Wasserkraftwerken. Sie übernehmen fast 30% der Energieerzeugung auf Madeira. Mit alternativen Energien werden fast 50% der Energie erzeugt. Die meisten Levadas stammen aus dem 20. Jahrhundert. Sie sind mit Wasserkraftwerken kombiniert. Am größten ist das neue Pumpwasserkraftwerk Calheta II. Es gibt insgesamt 9 Wasserkraftwerke, die zum Teil auch Strom speichern können.  Der Rest der alternativen Energie kommt von Windkraftanlagen. und Solarmodulen.  Die Portugiesen bauten schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts die ersten Levadas. Sie dienten damals der Bewässerung und dem Waschen.

Wasserstoff: Wasserstoff wird in einer Brennstoffzelle in Strom umgewandelt. Er entsteht durch Elektrolyse von Strom und Wasser. Relativ leicht könnten folgende Technologie auf Wasserstoff umsteigen: Methan, Synthetische Treibstoffe, Ammoniak/Methanol. Wasserstoff könnte eingesetzt werden bei der Stahlproduktion und in Erdölraffinerien, in Energiespeichern, für Gebäudeheizung, in LKWs, busse, Züge, im Flugverkehr, in der Schifffahrt und in der Chemischen Industrie. Im Auto treibt dieser dann einen Elektromotor an. Hiermit können große Distanzen zurückgelegt werden. 350 Tonnen Wasserstoff könnte die Welt 2050 pro Jahr verbrauchen (Energie reicht der Menschheit für 80 Tage). 30 Mio. neuer Arbeitsplätze könnten bis dahin entstehen. 2,5% der weltweiten CO2-Emissionen stammten aus der Schifffahrt. Korea und Norwegen wollen als erste Schiffe mit Wasserstoff einsetzen. Vgl. Menn, A./ Stölzel, T./ Hennersdorf, A. / Fischer, K.: Das neue ÖL, in: WiWo 27, 28.6.2019, S. 16ff. Die Bundesregierung will ab 2020 Deutschland allmählich zu einem führenden Land in der Wasserstoff-Technologie aufbauen.

"Grüner Wasserstoff ist wichtig. „Champagner in den SUV-Tank“ hilft aber weder dem Klima noch der Wirtschaft, sondern ist bloße Verschwendung oder eine simple Verlagerung der klimaschädlichen Emissionen von der Straße in die blaue Wasserstoffindustrie. Wir brauchen stattdessen eine aktive Verkehrswende. Strom ist das neue Öl. Dafür sollte man gezielt die Elektromobilität über den Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie den ÖPNV und den Schienenverkehr fördern. Der ebenfalls verschwenderische oder klimaschädliche Einsatz von Wasserstoff im Gebäudebereich kann genauso verhindert werden, etwa indem die energetische Gebäudesanierung gefördert wird und beim Betrieb von Gebäuden konsequent erneuerbare Energien eingesetzt werden. So können wir den kostbaren Wasserstoff am Ende vor allem im Industriebereich zum Einsatz bringen, wie bei der Herstellung von Stahl oder beim Schwerlast- und Schiffsverkehr. Das wäre Wasserstoffnutzung mit Vernunft, also grün und effizient." Siehe Kemfert, Claudia: Wasserstoff: Grün und effizient, in: Wirtschaftsdienst 12/2020, S. 906. Der Oman plant ab 2021 ein 25-Gigawatt-Kraftwerk. Grüner Wasserstoff soll aus der roten Wüste kommen. Es wäre eine der größten grünen Wasserstoff-Fabriken weltweit.

Wasserstoffkraftwerk: Der Bau soll in Deutschland gefördert werden. Dafür muss grünes Licht von der EU kommen. Bis 2035 sollen bis zu 15 Gigawatt aus Wasserstoffkraftwerken in Deutschland kommen.

Wellen- und Gezeitenenergie: In den Meeren stecken gewaltige Energiemengen. Wellenfarmen und Gezeitensysteme nutzen die enormen Energiemengen. 80% der potentiellen kinetischen Wellenenergie kann in Elektrizität umgewandelt werden. Ein Beispiel ist die Gezeitenlagune Swansea in Wales.

Dezentrale Energieversorgung: Bei einer dezentralen Energieversorgung der Haushalte sind beide wichtig. Die Geothermie ist umstritten, weil sie Erdbeben auslösen kann, wobei der Zusammenhang schwierig  zu messen ist (z. B. Geothermiekraftwerk Landau; Geoenergy). Biogasanlagen werden in der Regel von Landwirten betrieben, die auch Alternativen zur Milchwirtschaft brauchen (Abgabe von Nahwärme). Auch diese Energiegewinnung hat oft nicht die nötige Akzeptanz (Geruch, Geräusche u. a.). Biogas entsteht grundsätzlich durch Vergärung organischen Materials. Der dezentralen Energiegewinnung trotzdem gehört eindeutig die Zukunft in Deutschland, unterstützt durch transnationale Energieversorgung, fast ausschließlich aus erneuerbaren Quellen. Vgl. Scheer, Hermann: Der Energethische Imperativ, München 2010. Bei der dezentralen Versorgung spielen Wärmepumpen (auch Kraft-Wärmepumpen) eine immer größere Rolle. Sie können heizen und kühlen. Sie können mit einer Photovoltaikanlage gekoppelt werden. Mittlerweile gibt es Photovoltaikanlagen für den Eigenbau für ca. 700 €. Der große Vorteil einer dezentralen Versorgung ist auch der Verzicht auf Hochspannungsleitungen. Ein wichtiges Problem dabei ist die Speicherung. Mittlerweile lässt sich erneuerbare Energie wie Wind und Sonne in Methangas umwandeln (Pilotanlage in Morbach/ Hunsrück). Der Energieversorger Eon plant 2011 den Bau von 360 Block-Heizkraftwerken, die Energie direkt vor Ort für Mehrfamilienhäuser erzeugen sollen. Als Vorreiter in Deutschland gilt der Ort Feldstein in Brandenburg. Windräder, Biogasanlage und eigenes Netz locken auch viele Besucher aus Japan an. Ende 2012 gibt es Pläne bei den Energieversorgern, Nachtspeichergeräte (elektrische Nachtspeicherheizung) als Speicher für schwankende Strommengen aus Windkraftwerken zu nutzen. Dazu müsste die Energiesparordnung geändert werden. 2013 kippt der Bundestag auch das Verbot für Nachtspeicher (ursprünglich Verbot wegen Stromfresser, Asbestbelastung). Der Trend zur Dezentralität in der Energiewirtschaft ist aber der Megatrend. Das dürfte die Welt der Energie komplett verändern. Im Kommen sind auch regionale oder individuelle Batteriespeicher (Akkus), die die Schwankungen von erneuerbaren Energien ausgleichen können. Die Reform der EEG-Umlage führt zu einer Verzögerung: Die Solar- und Blockheizkraftwerkhersteller leiden. Sie liegen mit 10.000 Kliowattstunden in der Regel oberhalb der Grenze der Befreiung. Speicher könnten ein Ausweg sein. Wärmespeicher gelten als Zukunftsmarkt.

Zukunftstechnologien in Energiebereich (wichtige Firmen): Sie werden mit Wagniskapital gefördert. Größter Unterstützer ist die Gates-Stiftung. 1. Terra Power. Die Firma produziert Atomreaktoren fast ohne Müll. 2. Quidnet. Mit Wasserdruck soll Strom gespeichert werden. 3. Quantum Scape. Starke Feststoffbatterien. 4. Malta. Strom speichern mit Schmelzsalz. 

Private Energiewende durch Kombination von Technologien: Ein privates Hauskraftwerk besteht aus drei Komponenten: Fotovoltaik-Anlage, Mini-Blockheizkraftwerk, Batterie. Damit können sich Eigenheimbesitzer rund um die Uhr versorgen. Das wird die Zukunft sein; das Netz wird an Bedeutung verlieren.

Heizungen in Deutschland: 2021 wurden 49,5% aller Heizungen mit Gas betrieben. Dann kommen Öl (24,8%), Holz (6,2%) und Wärmepumpe 2,8%. Fast 25% aller Heizungen sind älter als 25 Jahre. Auch 2022 führt bei neuen Heizunegn noch Gas (299.500)vor Wärmepumpe (96.000). Quelle: Bundesverband der deutschen Heizungsindustrie 2022.

Grünstrom-Anlagen: Ein Gutachten der Monopolkommission 2013 geht von mittlerweile 1,3 Mio. Grünstromanlagen in Deutschland aus. Damit sind kleinere, dezentrale und fossile Anlagen zur Stromerzeugung gemeint. Dazu gehören Biogas-Anlagen auf Bauernhöfen, Windräder, Solar-Panelen, Wasserräder, Wärmepumpen u. a.. Auf längere Zeit wird man aber noch die Großanlagen der Oligopolisten (Eon, RWE, Vattenfall, EnBW) brauchen, weil Strom nur begrenzt gespeichert werden kann.  Dadurch sinken aber die Renditen der großen Konzerne (Umsätze sinken, Aktien verlieren an Wert, Schulden steigen). "Ich habe fast jedes Windrad persönlich gestreichelt und jede Windgasanlage beschnuppert", Peter Altmeier, bis Dezember 2013 Bundesumweltminister.  

Grüne Wärme: Es wäre auch eine Wärmewende notwendig. Wahrscheinlich könnten die alternativen Energien Deutschland schon mit Wärme versorgen. Dann könnte man von der "Dämmwut" abrücken. Kraftwerke, Fernwärmenetze, Zwischenspeicher, Solarkollektoren, Verteilzentralen, Abluft, Kanalisation und Erdwärme könnten das Netz bilden. Projekte gibt es mit der dezentralen Kombination von Solar im Sommer und Holzheizungen im Winter. So können Dörfer ihre Heizungen koppeln. RLP unterstützt finanziell solche Projekte (neue Wärmekonzepte).

Biogas: Es entsteht bei der Vergärung von organischer Substanz unter Luftausschluss. Es besteht vor allem aus Kohlendioxid, Wasserdampf und Methan. Je höher der Methangehalt, desto höher der Brennwert. Sehr häufig explodieren Gärtanks, weil sie nicht richtig gewartet werden (Schlamperei, Unwissen). Dadurch laufen Gülle und Gärreste aus, die häufig Bäche verschmutzen. Biogasanlagen locken Investoren an. Sie kaufen in großem Stil Ackerland für den Maisanbau auf (wird mit den organischen Abfällen wie mist zusammengebracht). Die Bodenpreise steigen dadurch stark an oder explodieren sogar. Vor allem für Öko-Bauern wird das Überleben immer schwerer. Ein Schwerpunkt der Biogasanlagen in Deutschland liegt in der Eifel. Biogasanlagen können nur wirtschaftlich arbeiten, weil sie hoch subventioniert werden (langfristig garantierte Abnahmepreise). Wenn die Förderung ausläuft und die Kraftwerke an die Strombörse müssen, dürften die meisten eingehen. Mehr Effizienz bei der Biogas-Erzeugung erzielen 2015 Brennstoffzellen. Sie optimieren das Verfahren. 2015 wurden schon 85% weniger Biogasanlagen installiert. Die Branche wandert ins Ausland ab. Ursache ist die Änderung der Förderpolitik. 2016 wird beschlossen, dass Biogasanlagen doch in die Ausschreibungen für Ökostromanlagen aufgenommen werden (Druck aus Bayern). 2018 werden Biogasanlagen durch den trockenen Sommer zum Risikoinvestment.

Biomasse: Zur Gärung neigende Grundstoff, der aus organischen Abfällen gewonnen wird. Diese entstehen auf Bauernhöfen, Sägewerken oder bei der Müllverwertung. 46% der von der EU importierten Biomasse stammte vor Beginn des Ukraine-Krieges aus Russland und Belarus. Heute werden Pellets aus den USA oder Kanada importiert. Sie  sind zwar ökologischer als jede fossile Energiequelle, nahezu unerschöpflich, aber extrem umweltschädlich (hoher CO2-Ausstoß)

Geothermie: Man kann oberflächennahe und Tiefen - Geothermie unterscheiden. Erstere wird in der Regel mit Wärmepumpen weitergegeben. Wichtiges Kriterium ist die Effizienz. Bohrungen sind mit Risiko behaftet. Bei der Tiefen - Geothermie ist Island Vorreiter, sehr weit ist auch die USA. Es gibt auch immer mehr Geothermiekraftwerke. Sie produzieren rund um die Uhr. die Technik muss noch in großen Anlagen erprobt werden. Geothermie kann Erschütterungen im Untergrund auslösen, die zu Erdbeben führen können. Die Zusammenhänge sind noch wenig erforscht. Es gibt bekannte Beispiele: Am 20. Juli 2013 kam es zu einem Erdbeben am Geothermieprojekt Sittertobel bei St. Gallen. Ähnliche Erscheinungen gab es bei einem Geothermieprojekt nahe Basel. Auch in Landau in der Südpfalz tauchten Probleme auf (der Boden senkt sich und es treten Risse auf; wahrscheinlich Stilllegung). Die Bundesregierung stellt 2014 die Förderung ein. Gasförderung mittels Fracking ist mit ähnlichen Problemen verbunden. Neuseeland deckt 16 Prozent des Strombedarfs mit Erdwärme. Gerade die Vulkanzone auf der Nordinsel bietet gute Voraussetzungen. Auch die im Wasserdampf enthaltene Restenergie wird in modernen Anlagen genutzt. Ein riesiges Potential hat Japan. Hier bremsen aber kulturelle Hemmnisse den Ausbau (Badekultur). Theoretisch könnte in Deutschland der Wärmebedarf halb von Geothermie gedeckt werden. In Deutschland ist die Geothermie etwas in Verruf geraten (durch Erdbeben). Ein Großprojekt in München soll das ändern.  Großes Potential bei der Energieerzeugung aus Erdwärme hat Island. Das Land will ein Meeresstromkabel nach Großbritannien verlegen. Groß ist auch das Potential in Japan. Hier verhindern kulturelle Gewohnheiten (viele heiße Bäder) die Nutzung als Energiequelle. In Kurpfalz ist ab 2022 ein Geothermie-Heizwerk geplant. Sie soll von dem Lithium-Förderer Vulcan Energie Ressourcen kommen. Die Wärme wird ab 2025 MVV zur Verfügung gestellt (CO2-frei). In der Vorderpfalz werden LKWs eingesetzt, die durch Schallwellen Geothermie und Lithium entdecken. Auch hier arbeitet Vulkan Energie. 2023 bildet sich eine Kooperation in der Geothermie. Sie ist zwischen Daimler Truck, EnBW und der Stadt Wörth (Joint Venture). Die KfW soll der Geothermie in Deutschland 2024 zum Durchbruch verhelfen. Das Potential von besonders tiefen Bohrungen ist enorm. Die Firmen scheuen das Risiko. In der Pfalz will Vulcan die Lithium - Förderung mit der Gewinnung von Erdwärme für die BASF und die Städte Ludwigshafen, Frankenthal verbinden.

Ausbau der Geothermie: Mit Tiefengeothermie könnte in Viertel der Wärme in Deutschland gewonnen werden. Die Nachfrage steigt - die Firmen ziehen mit. 2022 ist die Erneuerbare Energie in Deutschland bei 18,2% (Endenergieverbrauch für Wärme und Kälte). Die Geothermie macht 10% der Erneuerbaren Energie aus. Der Betrieb gilt langfristig las sehr kostengünstig. Die Fraunfofer - Institute, das KIT/ Karlsruhe und die Helmholtz-Gemeinschaft haben 2023 eine Roadmap erstellt. 

Bergwerksheizung: Grubenwasser ist hauptsächlich Grundwasser, das aus Poren und spalten der Gesteinen einsickert. Es braucht relativ lang, um in große Tiefen zu gelangen. Die temoeratur des Grubenwassers steigt mit zunehmender Tiefe. Im Ruhrgebiet und rund um Aachen gibt es etwa 60.000 aufgelassene Stollen und Schächte. 75.000 Einfamilienhäuser könnten schon bald über das warme Wasser aus der Tiefe versorgt werden.

Solarstrom (von Latein Sol Sonne oder Solaris zur Sonne gehörig): Photovoltaik, bei der durch ein physikalisch-chemisches Verfahren Strom durch Halbleitermodule, z. B. auf Dächern, erzeugt wird. Es geht auch über Solarkollektoren, wo Rohrsysteme durch die Erwärmung von Wasser Sonnenenergie absorbieren. Es gibt auch mittlerweile Solarkraftwerke (CSP), in denen Sonnenstrahlen durch Spiegel konzentriert und damit Dampf produziert wird, mit dem eine Turbine angetrieben wird. Intensiv geforscht wird an Materialien, die tagsüber Wärme speichern, um sie nachts den Solarkraftwerken zur Verfügung zu stellen (z. B. Betonspeicher und Spezialsalztank). Deutschland führt bei den weltweiten Solar-Forschungskapazitäten (ca. 80%). 7,5 Gigawatt beträgt die gesamte maximale Leistung aller Fotovoltaikanlagen, die 2011 in Deutschland installiert wurden. 56% der Ökostrom-Subventionen entfallen auf Solarstrom. die größten Solarzellenhersteller weltweit sind Suntech Power (China), JA Solar (China) und First Solar (USA). 2012 kürzt die Bundesregierung die Subventionen für Solarstrom. Die auf zwanzig Jahre garantierte Vergütung für Solarstrom soll schon ab März um 15% gekürzt werden. Zusätzlich greift eine Kappung für Anlagen bis zehn Kilowatt Leistung von rund 5%. Solar-Kraftwerke über zehn Megawatt erhalten keine Hilfe mehr. Ende Juni einigen sich der Bund und die Länder auf einen Kompromiss. Die Förderung wird weniger gekürzt. Wahrscheinlich werden die Schiffe von morgen "Sonnensegler" sein, die zusätzlich von Wind und Biogas aus Algen angetrieben werden. Durch den Preisrutsch in der Solartechnologie und neue Technologien wird diese Energiequelle immer interessanter. Dächer, Fenster u. a. könnten den Sonnenstrom billiger als wie Kohle liefern. Im November 2013 waren noch 4800 Beschäftigte in dieser Branche. 5000 Arbeitsplätze sind verloren gegangen (insbesondere durch den Preiskampf mit chinesischen Produzenten). Die USA schotten den Solarmarkt gegen Firmen aus China ab (Strafzölle für Importe). Das macht auch die EU. Sie bewirken aber bei der deutschen Solarindustrie das Gegenteil (Vorleistungen werden zollfrei aus China bezogen). 2017 kann das KIT Karlsruhe neue Solarzellen entwickeln, die das Sonnenlicht deutlich besser schlucken. Vorbild sind die Flügel von Schmetterlingen. Ab 2019 stellt das Land RLP fünf Millionen Euro für private Solarspeicher zur Verfügung. 2022 zeigt sich immer mehr Wildwuchs. Fotovoltaik gefährdet Ackerbau und Artenschutz. Agrarforscher fordern bundesweite Regeln.  Im ehemaligen Braunkohlerevier in der Lausitz rund um das Dorf Meuro entsteht einer der größten deutschen Solarparks (152 ha, Solarmodule aus China). 2011 ist China Marktführer bei Solarzellen (21,3%), es folgen Taiwan (4,1%), Japan (2,6%) und Deutschland (2,5%). Beim größten Solarstromprojekt Desertec (Solarstrom in der Sahara) gibt es immer mehr Konflikte. Viele Mitglieder der Stiftung sind schon abgesprungen. Mittlerweile wird das Projekt 2013 mit 900 Mrd. € veranschlagt. Angeblich stehen als Finanziers jetzt auch China und die reichen Ölländer zur Verfügung. 2014 scheitert das Projekt. 2015 wird es neu aufgelegt und setzt vor allem auf reiche Ölförderländer. In Wolfhagen in Nordhessen steht mit einer Fläche von 18 Hektar der größte Solarpark in ganz Hessen. Die Sued.Link-Trasse, den Wind-Strom von der Nordsee nach Bayern bringt, soll hier durch. Was wird mit Regionen sein, die sich selbst dezentral versorgen? Das bekannteste Projekt ist zur Zeit das US-Hauptquartier von Apple, das ganz von Sonnenstrom betrieben werden soll. Die weltweit größte Solaranlage mit dem Namen "Topaz" ging 2014 in Kalifornien ans Netz (5000 Fußballfelder). Ein großer Solarpark entsteht derzeit auch bei La Paz in Mexiko. Der Fotovoltaikanteil an der Stromproduktion ist 2014 am höchsten in Italien (7,9%) vor Griechenland (7,6%), Deutschland (7,0%) und China (0,9%). 2016 wird in Marokko eine der größten Solar-Energie-Anlagen der Welt eröffnet (Noor 1, am Rande der Sahara; Ouarzazate-Wüste).  Ab 2017 sollen in Deutschland auch Mieter von Solaranlagen profitieren (neue Förderregeln). Inmitten der Atacama-Wüste im Norden Chiles entsteht das erste Solarwärmekraftwerk in Lateinamerika. Deutsches Know-how und Erfahrung spielen eine Rolle. Einen Windpark dort gibt es schon. Chinesische Solarfirmen entrücken den europäischen Konkurrenten. Sie arbeiten auch mit illegalen Methoden (Scheinfirmen werden im Ausland gegründet, die die Solarmodule vertreiben, bis eine Betriebsprüfung droht. Die chinesischen Firmen werden hoch subventioniert). Nach der installierten Leistung liegt Deutschland bei Fotovoltaik 2019 auf dem vierten Platz: Mit 49 Gigawatt hinter China, USA, Japan und vor Indien. Eine Pflicht für Solarenergie bei Neubauten wird 2021 nicht ins Klimaschutzgesetz eingebaut. Die Schweiz setzt auf Solarfelder in den Bergen. Die Eidgenossen planen 2022 Milliarden-Subventionen für quadratkilometergroße Anlagen.

Monopolisierung der Solarstrommodule: Solarstrommodule aus China dominieren den Weltmarkt. Die Preise liegen inzwischen unter den Herstellungskosten. Auf diese Weise konnten chinesische Unternehmen ihren Marktanteil auf 80% erhöhen. Sie wurden stark von den staatlichen Banken unterstützt. Dies trifft insbesondere deutsche Firmen, die reihenweise Pleite gehen (z. B. Qcells, aber auch wegen der sinkenden Förderung in Deutschland, Conergy, Solar Millenium). Ca. 30.000 Jobs gingen 2012 verloren. Die EU-Kartellbehörde eröffnet im Herbst 2012 ein Verfahren gegen die chinesische Solarindustrie, wegen Dumping-Preisen. Die EU und China verhandeln. Ziel dürfte es sein, einen Mindestpreis für chinesische Module zu finden. Ende Jlui 2013 einigt man sich auf einen Kompromiss. Damit ist das Problem aber nicht vom Tisch. Es besteht darin, dass China die Produktion und die EU die Nachfrage subventioniert. 2023 rächt sich die Abhängigkeit der Branche von China. Peking droht implizit mit Exportbeschränkungen. Das ist eine neue Stufe im geopolitischen Kräftemessen und eine akute Gefahr für die deutsche Energiewende. Chinas Weltmarktanteil sieht wie folgt aus: Module 74,7%, Zellen 85,1%, Wafer 96,8%. Vgl. auch: Giesen, Christoph/ Hecking, Claus: Sonnenfinsternis, in: Der Spiegel 8/ 18.2.23, S. 62f.

Solarinitiative der EU 2023: Man ist zu abhängig von China geworden. Deshalb soll gegengesteuert werden. Due europäischen Produktionskapazitäten sollen vergrößert werden. Eine der größten Herausforderungen ist der Aufbau robuster Lieferketten.

Solarparks: Sie machen in Wüsten Sinn. In der Wüste Gobi in China gibt es die größten Solarparks der Welt, auch in der Sahara. In Deutschland soll dei Energiewende auch große Solarparks bringen. Bis zu 3000 Euro pro Hektar kann man damit verdienen. Doch viele Landwirte wollen ihre Felder nicht dafür verpachten. Das macht auch keinen Sinn bei kostbarem Ackerland. Schon heute wird auf eine rMillion Hektar Mais als Energiepflanze angebaut, um in Biogasanlagen Strom zu erzeugen. Im November 2024 geht der größte rheinland-pfälzische Solarpark ans Netz: nach drei Jahren Bauzeit Grenderich im Hunsrück.

Balkonkraftwerke (Mini-Kraftwerke): Damit sind Stecker-Mini-Solaranlagen am Balkon gemeint. In Deutschland werden immer mehr dieser Anlagen installiert. Die Anzahl hat sich 2022 gegenüber 2012 versechsfacht (61.400). Auch Batteriespeicher werden immer beliebter. 2023 gibt es schon 252.450 Balkonkraftwerke. Die meisten gibt es in NRW vor Bayern und Niedersachsen. Quelle: MaSTR, Stand August 2023. Ab 2024 gelten Änderungen. Man spricht von Entbürokratisierung: kein spezieller Stecker, keine Anmeldung beim Netzbetreiber (nur online), Gesamtleistung mehr Watt. Die Maßnahmen sind Teil des Solarpakets, das im April 2024 beschlossen wird. Balkonkraftwerke boomen. Seit Mitte 2023 bis Mitte 2024 hat sich die Anzahl verdoppelt. Balkonkraftwerke sind in der Regel nach 3 bis 6 Jahren rentabel (Studie der RWTH Aachen 2024).

Agri - Solar - Anlagen: Auch Agri-Fotovoltaik. Doppelnutzung: Oben Energiegewinnung, unten Landwirtschaft auf einer Fläche. Es gibt in Deutschland eine Forschungsanlage bei Rathenau. Die Kosten liegen vier Mal höher. Es gibt Firmen, die sich darauf spezialisieren wie Sun Farming.

Offshore-Photovoltaik: Schwimmende Solaranlagen. RWE und Shell arbeiten mit diesen Anlagen auf dem Meer. Das Potential ist groß, das finanzielle Risiko auch. Bekannt ist die Anlage vor Thailand Sirindhorn.

Subventionen für die Solarindustrie? Die Diskussion ebbt nicht ab. Vor allem in Ostasien gibt es hohe Subventionen: in China, Südkorea und Japan. Die Hersteller in Deutschland drohen mit Werkschließungen. Sie verweisen auf Ostasien. Die zentrale Frage ist, ob Subventionen die Zukunftstechnologie retten können oder ob letztlich nur Wohlstand vernichtet wird. Vgl. Die Zeit 6/ 1.2.24, S. 19. Die vier größten Solarunternehmen der Welt sind in China. Die Technik stammt ursprünglich aus Deutschland. Die chinesischen Unternehmen haben erhebliche Überkapazitäten. Sie geben ihre Produkte mit niedrigem Preis ab. Das geht Richtung "ruinöser Wettbewerb". Es gibt noch ein großes Solarunternehmen in den USA (Solar World) und eins in Südkorea Hanwha. Auf dem deutschen Markt ist Meyer-Burger aus der Schweiz stark vertreten. Sie fordern Subventionen, um gegen die chinesischen Unternehmen bestehen zu können. Im Bereich der Solarzellen ist Deutschland bei Innovationen noch mit an der Spitze. Der Vorsprung sollte gehalten werden.

Concentrated Solar Power CSP): Solarstrom hat eine Schwäche. Er sit nicht verfügbar, wenn die Sonne nicht scheint. Die CSP - Technologie soll dieses Problem lösen. Weltweit gibt es schon Anlagen (China, USA, Europa, Südafrika). China ist weltweit führend und verfolgt ambitionierte Pläne. Es gibt zwei Verfahrensweisen: 1. Solarturm mit Receiver und Heliostaten. 2. Parabolrinnen: Reflektoren mit Absorberröhren. Vgl. HB 13.2.24, S. 28f.

Windkraft: Kurz- und mittelfristig bietet die Windkraft in Deutschland das wirtschaftlichste Potential (schon 100 n. Chr. gab es erste Windräder). Es werden auch "Offshore" - Windparks (als Rotoren im Meer) eine wichtige Rolle spielen. Es wird Windenergiegürtel im Nordseeraum geben. Um das Auf und Ab auszugleichen braucht man vorübergehend Sicherungskraftwerke (Gaskraftwerke?). Bis 2030 sollen 40 Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee entstehen. 2011 wird mit dem Bau des ersten CO2-freien Speichers in Grapzow in Mecklenburg-Vorpommern begonnen. Durch eine Elektrolyse entsteht Wasserstoff, der in Tanks gespeichert wird. Dänemark gilt als Modellstaat für Windenergie (z. B. Offshore-Windpark Middelgrunden bei Kopenhagen). Windkraftwerke auf hoher See stellen sich allerdings immer mehr als ökonomischer und technologischer  Irrtum raus, weil der Strom über weite Strecken weiter geleitet werden muss. In den ersten Jahren werden hohe Einspeisevergütungen bezahlt, die per Ökostromumlage auf den Strompreis ausgeschlagen wird. Studien zeigen, dass die Anlagen zusätzlich das Klima in manchen Regionen aufheizen. Die Konflikte mit dem Naturschutz nehmen beim Ausbau der Windkraft zu. Normalerweise erstellen die Bundesländer einen Windatlas, aus dem man ersehen kann, welche Teile der Fläche geeignet sind, Windräder wirtschaftlich zu betreiben (in RLP die Höhen von Eifel, Westerwald, Hunsrück und Rheinhessen). Die Windkraftanlagen könnten durchaus zum Exportschlager in Deutschland werden. Vorraussetzungen sind die Reform der Grünstromförderung, die Wiederbelebung des Emissionshandels und Planungssicherheit. Vor 20 Jahren 1995 entstand schon ein Windpark im brandenburgischen Feldheim. Die Gemeinde ist heute energieautark und rentabel.  Wunde Punkte der Offshore-Windparks sind die Hochspannungsübertragungsanlagen und die Umspannstationen. Künftig soll der Bund entscheiden, wo gebaut wird und welche Parks als nächstes geschlossen werden. Das ist auch sinnvoll, weil ungenutzte Netzkapazitäten den Verbraucher viel Geld kosten. Bei der Reform des EEG-Gesetzes im Juni 2016 einigt man sich darauf 2 Windkraftzonen einzurichten: In Zone 1 soll das Gros der neuen Windkraftkapazitäten errichtet werden. In Zone 2, wo Überkapazitäten bestehen (Norddeutschland), soll noch ungefähr ein Drittel der letzten drei Jahre errichtet werden (Netze ausgelastet). Die Windkraft hat auch ihre eigenen Probleme: Zu viele Turbinen nehmen sich gegenseitig Leistung weg. Vielen Tieren, die am Himmel sich bewegen, werden die Rotorblätter zum Verhängnis. Die Bürgerproteste und Einsprüche gegen Windkraftanlagen nehmen stark zu. Das Umweltministerium will vermitteln. 2017 sind 16 Windparks mit 950 Windrädern auf hoher See vor Deutschland in Betrieb. Sie erzeugen ein Leistung von 4100 Megawatt. Bis 2030 sollen es Anlagen mit 15.000 Megawatt sein. EnBW plant den ersten Windpark ohne Zuschuss. Im Februar 2018 beschließt der Bundesrat, die Bevorzugung von Bürger-Energiegenossenschaften bei Ausschreibungen auszusetzen. Am 05.09.2019 findet ein Windenergie-Gipfeltreffen im Kanzleramt in Berlin statt. Die Branche hat in den letzten Jahren viele Arbeitsplätze verloren. Die Genehmigungsverfahren sollen verkürzt werden. Hauptproblempunkte sind: 1. Genehmigungsverfahren zu lange. 2. Bevorzugung von Bürgergenossenschaften bei Auktionen wurde abgeschafft. 3. Flächenrestriktionen. Ende 2019 sorgt ein Referenten-Entwurf im BMWi für Unruhe: Der Mindestabstand von Windrädern zu Wohnanlagen soll auf 1000 m erhöht werden. Man spricht vom Todesstoß für die Windenergie. Dieser Abstand soll auch für bereits betriebene Anlagen gelten. In zehn Jahren (ab 2019) haben die ersten Windkraftparks auf See ausgedient. Sie müssen dann demontiert werden. Erste Erfahrungen zeigen: Die Entsorgung ist nicht so einfach und es wird immer komplizierter. Die Fundamente werden oft zu künstlichen Riffen. Karbon-Rotorblätter lassen sich nicht wiederverwerten. 2019 stockt der Ausbau (bis September 2019 nur 150 neue): Gründe sind zu lange Genehmigungsverfahren, zu wenig ausgewiesene Flächen und Klagen gegen neue Anlagen. Der Anteil des Windes an der Energieerzeugung steigt 2019 auf 24% und überholt damit die Braunkohle. die SPD fordert Anfang 2020 eine Belohnung für Windrad-Toleranz. Das "Windbürgergeld" soll Anwohner belohnen und den Klageweg einschränken. Die Grünen wollen 2020 eine Abgabe für Kommunen. 2020 will der Bundeswirtschaftsminister die Windkraft noch mal fördern. Der Plan sieht eine Sonderbehandlung für den Süden vor. Dort herrscht mehr Flaute als im Norden. Die englische Königsfamilie ist an einem Windkraft-Projekt vor der Küste GB beteiligt, weil sie Miete für den Meeresgrund verlangen kann. Das bringt einen Geldregen für die Royals. 2021 stärkt der EuGH den Vogelschutz. Das ist ein Rückschlag für die Windbranche. Habeck will ab 2022 die Windkraft massiv stärken. Die Akzeptanz müsse erhöht werden. Die für Windkraft ausgewiesenen Flächen sollen erhöht werden (um viermal so viel wie bisher). Das Umwelt- und das Wirtschaftsministerium einigen sich im April 2022 auf Eckpunkte: 1. Bundesweit einheitliche Standards zur Prüfung und Genehmigung. 2. Generelle Erlaubnis von Windkraftanlagen in Naturschutzgebieten. 3. Rechtssichere Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. 4. Die Betreiber beteiligen sich an einem Artenschutzfonds. Der Bund will 2022 für deutlich mehr Windräder sorgen: den Ländern sollen gesetzliche Vorgaben gemacht werden, damit sich der Druck erhöht (Wind an Land-Gesetz). 1,8 bis 2,2% der Fläche soll mit Windrädern bedeckt werden. 2% erfüllt 2022 nur Schleswig-Holstein. Ganz hinten liegen Bayern und Baden-Württemberg. Vgl. Reuter, Felix: Flächenziele für die Windenergie: Wie zielführend ist das neue Wind-an-Land-Gesetz? in: Wirtschaftsdienst 9/ 2022, S. 703-708. Von der Idee bis zur Umsetzung vergehen in Deutschland ca. 5 Jahre (oft sogar 7 Jahre). Die Zeit müsste dringend verringert werden. Hinzu kommt, dass die Preise durch die Inflation rapide steigen. Die Ausschreibungen müssten auch vereinfacht werden. Mal gespannt, ob das Gesetz tatsächlich die Genehmigungsverfahren verkürzt. Beim Ausbau der Windkraft herrscht ein Nord-Süd-Gefälle. Aber 2023 scheint ein Ende der Flaute in Sicht. Die Windenergie Offshore in der Nordsee soll massiv ausgebaut werden. Sie soll maßgeblich zur Stromversorgung beitragen. Neun Staaten der EU - auch GB - arbeiten zusammen. Bis 2030 sollen mindestens 300 Gigawatt aus der Offshore-Windenergie kommen. Man trifft sich in Ostende/ Belgien. Rund 50km vor Ostende soll auch eine Speicherinsel entstehen.  Der erste Windpark vor der deutschen Ostseeküste, Baltic 1, ist 2011 in Betrieb gegangen. Im August 2013 wird der größte deutsche Meereswindpark "Bard Offshore 1" eröffnet. Inzwischen liefert die Anlage 75% des deutschen Offshore-Stroms. Der Anfang August 2013 eröffnete Nordsee-Windpark "Riffgat" ist noch ohne Netzanschluss. 2013 erhält die RWE die Genehmigung für zwei Nordsee-Windparks (vor der Insel Juist). Japan will mit schwimmenden Windmühlen seine Energiewende schaffen. Vor der Insel Helgoland wird der Offshore-Windpark Meerwind Süd und Ost betrieben (RWE-Innogy). Vor Fukushima soll ein Windpark errichtet werden. Bis 2020 sollen 140 meerestaugliche Windkraftanlagen errichtet werden (1 Gigawatt=1 Atommeiler; achtmal so teuer wie an Land). Siemens baut 2014 einen Windpark vor der amerikanischen Küste (Großprojekt, Massachusetts). 2014 wird in Pirmasens mit dem Bau eines Speichers begonnen, der überschüssige Windenergie bewahren kann. Es ist eine "Power-to-Gas-Anlage", die aus überschüssiger elektrischer Energie speicherfähiges Methangas produzieren kann. Durchgeführt wird das Projekt von dem Pirmasenser Prüf- und Forschungsinstitut (PFI),  das auch 2017 mit dem Bau einer Bioraffinerie beginnen will. "Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen", Chinesisches Sprichwort. Für die deutschen Offshore-Windparks wird schon in wenigen Jahren zu viel teure Netzkapazität zur Verfügung stehen. Das Aufstellen von Windrädern scheitert immer öfter am Naturschutz. Häufig geht es um den Schutz seltener Tierarten, wie etwa im Hunsrück um den Rotmilan. Einen großen Einfluss auf die Off-Shore- Windinvestitionen dürfte die Erneuerung des EEG 2014 haben: Die Absenkung der Fördersätze kann durch Instrumente der Risikoabsicherung für Investoren abgefedert werden (z. B. Kompensationszahlungen bei Flauten; Einstieg von Kapitalgesellschaften). Das Stauchungsmodell wurde verlängert und eine weitere Absenkung für 2019 verworfen (Vgl. Balks, M/ Breloh, P.: Auswirkungen des neuen Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf Offshore-Wind-Investitionen, in: Wirtschaftsdienst 2014/ 7, S 520-523). Bis 2014 hat noch keine Offshore-Windanlage eine Betriebserlaubnis in Deutschland (rund 10 Mrd. € Investitionen). Die Stadtwerke München und Vattenfall bauen ab 2015 einen Windpark vor der schleswig-holsteinischen Nordseeküste ("Sandbank", 72 Turbinen, 288 Megawatt). Die Mehrheit der Pfälzer wollen keine Windkrafträder im Pfälzerwald (CMR, Mannheim Ende 2014). Die Windräder könnten die Zertifizierung als Biosphärenreservat gefährden (MAB). 2015 kommt das Aus für alle Windrad-Pläne im Pfälzerwald. 2014 wurde soviel Windkraft in Deutschland installiert wie nie zuvor (4750 Megawatt; +60% gegenüber 2013). 2015 entstehen 546 neue Anlagen an der Küste in Deutschland (Offshore; 2282 Megawatt). In Dänemark liegt der Anteil an Windkraft bei der Energieerzeugung 2015 bei 40%. Im September 2016 gibt der Pariser Atomkonzern Areva das Windkraftgeschäft auf. Die Anteile gehen an Siemens. "Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen", chinesisches Sprichwort. Die Stromproduktion der Windparks in der Nordsee hat sich im ersten Halbjahr 2016 verdoppelt gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum. 2017 steigt die Produktion noch mal um 47%. EnBW investiert 2018 in Windenergie-Projekte in Taiwan. 2019 beträgt der Anteil der Windenergie an der Stromerzeugung in Deutschland 21,1% (2027 noch 6,0%). 2022 sind Waldbesitzer für Windräder auf geschädigten Flächen. Am 22.3.23 findet ein Windradgipfel in Berlin statt: 0,2% der Fläche soll dafür bereit gestellt werden. Die Verfahren sollen wieder mal beschleunigt werden. Es geht auch um viele Arbeitsplätze. Die BASF baut zusammen mit dem chinesischen Partner Mingyang einen Windpark an der Südküste Chinas. Damit soll der neue Verbundstandort mit Strom versorgt werden. Dafür wird ein Joint-Venture gegründet. Im November 2023 vereinbaren Bund und Länder schnellere Planungen und Genehmigungen. Bisher galt die Regelung: Wer den Strom herstellt, zahlt mehr dafür. Das war bei den Netzentgelten so. Das soll sich ab 2024 ändern.

Schall-Belastung bei Windkraftanlagen: Neben dem Artenschutz das Hauptargument dagegen. Im April 2021 kommt raus, dass man bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) jahrelang falsch gerechnet hat. Die Angaben zur Schallbelastung durch Windkraftanlagen waren falsch. Statt 64 Dezibel wurden 100 angegeben. Der zuständige Bundesminister Altmaier muss sich entschuldigen. Es geht um die Infraschallwellen der Rotor-Blätter. In Deutschland stehen 2021 rund 30.000 Windräder. Sie liefern gut ein Viertel des Stroms in Deutschland. 6000 sind übe r20 Jahre alt. Immer mehr anlagen sind am Ende und werden bald abgerissen. Dabei entsteht viel Abfall.

Offshore-Windenergie in Deutschland (See-Windkraft und EU): 2017 belegen Berechnungen, dass die See-Windenergie ergiebiger als gedacht ist. Der Nabu bleibt wegen Belastungen für das Ökosystem weiter skeptisch. Vgl. Artikel vorher.  Die Windenergie Offshore in der Nordsee soll massiv ausgebaut werden. Sie soll maßgeblich zur Stromversorgung beitragen. Neun Staaten der EU - auch GB - arbeiten zusammen. Bis 2030 sollen mindestens 300 Gigawatt aus der Offshore-Windenergie kommen. Man trifft sich in Ostende/ Belgien. Rund 50km vor Ostende soll auch eine Speicherinsel entstehen. Die Nordsee soll das größte Kraftwerk der Welt werden. Die Anrainerstaaten wollen eng kooperieren, um Europa mit Windkraft zu versorgen und Ersatz für russisches Gas zu finden (North Sea Summit). Die meisten Offshore-Windparks betreibt GB mit 2679 (2023). Dann folgt D. mit 1539. Dänemark hat 631. Schweden hat 80. Die NL betreiben 496, Belgien 399. Frankreich hat 61. Es gibt Angst vor Sabotage auf dem Meeresgrund. Die Ölriesen investieren auch immer mehr in Windenergie. Sie zahlen 2023  12, 6 Mrd. € für die Rechte, Windparks in Nord- und Ostsee zu bauen. Doch die Anlagen lohnen sich oft nicht. Die Offshore - Branche steckt 2023 in der Krise. Die Politik sucht nach einem Rettungsplan. Die höchste Gesamtkapazität hat 2023 GB, vor Deutschland, Niederlande. 2024 rückt Technik aus China in den Vordergrund. zunächst untersucht die EU "unfaire Subventionen", dann Cybersicherheit. Gefährden windräder aus China die Energiesicherheit Europas?  Die BASF und RWE vereinbaren 2021 ein Gemeinschaftsprojekt: Windpark in der Nordsee, der ab 2030 mit 2 Gigawatt Kapazität die Energie für den Standort Ludwigshafen zur Verfügung stellt. Für andere Standorte werden weitere Prokekte vereinbart. Mit Vattenfal für die Niederlande. Man beteiligt sich an einem weiteren Offshorepark in der Nordsee. Auch Antwerpen in Belgien soll klimaneutral werden. Der spanische Stromerzeuger Iberdrola plant 2021 einen neuen Windpark vor Rügen. Die Länder und Kommunen schätzen die sprudelnde Gewerbesteuer. Vgl. auch: Balks, Marita/ Mann, Lukas: Aktuelle Entwicklungen in der Finanzierung von Windparks, in: Wirtschaftsdienst H. 10/ 2022, S. 770-775. Im September 2023 wird der Offshore-Windpark Hollandse Kust Zuid eingeweiht. Es sind Vorstandsvertreter von Vattenfall, BASF und Allianz anwesend (das sind die Besitzer). Im Dezember 23 startet die BASF ein weiteres Milliardenprojekt mit Nordsee-Windkraft. Man ist in Gesprächen mit Vattenfall über Nordlicht 1 und 2. Vattenfall will 49% der Anteile an die BASF verkaufen. Der Stromanteil aus Erneuerbaren soll für die Standorte in Europa, insbesondere Ludwigshafen, stark erhöht werden.

Offshore-Windenergie weltweit: Die Investitionen in Offshore - Anlagen steigen weltweit von Jahr zu Jahr. Sie liegen 2021 bei ca. 40 Mrd. Dollar und steigen 2030 auf 126 Mrd. $. Das höchste Offshore - Windpotential hat 2018 die EU 36.728 Terawattstunden), vor den USA (12.089), Japan (9074), China (8323) und Indien (5996). Die Verteilung der weltweit installierten Anlagenleistung (in %, 2020) sieht wie folgt aus: China (28,3), Großbritannien (28,9), Deutschland (21,9), Niederlande (7,4), Belgien (6,4), Dänemark (4,8). Quelle: WiWo 25/18.6.21, S. 10. 2031 sollen 370 Gigawatt mit Offshore - Windkraft weltweit produziert werden. Bei Offshore - Windturbinen hat China einen Weltmarktanteil von 60,4%.  Dan n folgen Europa (32,1%), Taiwan (3,8%), Südkorea (2,6%) und Japan (1,1%). Die Anlagen werden immer größer. Deutschland plant für 2035 Meereswindkraft von 40  Gigawatt. Vgl. WiWo 37/ 9.9.22, S. 8.  Griechenland baut massiv Offshore-Windparks in der Ägäis, um seine Klimaziele zu errechen. Das Klima (Winde) und die Türkei machen die Sache kompliziert.

Chinas Einfluss auf deutsche Windparks: Zwei Tochterfirmen des chinesischen Staatskonzerns State Grid Corporation of China (SGCC) erhalten 2022 den Zuschlag für die Offshore - Netzanbindungsplattform Borwin 6 vor der Nordseeinsel Borkum. Das US-Unternehmen McDermott verantwortet den Plattformbau. Die Converter für Gleichstrom samt Elektro- und Computertechnik kommen von SGCC. Formal sind wohl die IT-Sicherheitsgesetze nicht der Rahmen. Von Russland aus soll es schon Cyberangriffe auf Windkraftanlagen gegeben haben. Vgl. Der Spiegel 25/ 18.6.22, S. 63. Windkraftanbieter aus China nutzen 2022 die Krise heimischer Hersteller. Sie drängen nach Europa. Chinas Hersteller dominieren den Weltmarkt für Windkraftanlagen. Inzwischen überzeugen sie auch technologisch. Von den zehn größten Herstellern stammen fünf aus dem Reich der Mitte. Vgl. Rauffmann, Theresa: Donfeng, in: WiWo 33/12.8.22, S. 44ff.

Kostenaufteilung bei Windparks: Windräder 30%, Bau- un dinstallationskosten 37%, Betriebs- und Wartungskosten 28%, Planung und Stilllegung 5%. Vgl. WiWo 5/ 26.01.24, S. 14.

Kleinwindräder: Sie boomen. Mittlerweile gibt es Bausätze zum Selberbauen. Oft ist eine Baugenehmigung nicht notwendig. Allerdings brauch man windreiche Grundstücke (See, Westrand von Siedlungen).

Gebotskosten bei der Windenergie (bei Auktionen): Um den Ausbau zu beschleunigen, wurde bisher viel über die Bereitstellung von Flächen und die Vereinfachung des Genehmigungsverfahrens diskutiert. Aber auch eine Teilerstattung der Gebotskosten kann einen Beitrag leisten, um den Ausbau der Windenergie an Land voranzutreiben. Vgl. Wauer, Niels/ Lehmann, Paul/ Maurer, Christoph: Gebotskostenförderung in Windenergie-Auktionen, in: Wirtschaftsdienst 2/ 2023, S. 112-117.

Steinkohlekraftwerke: Die Energiewende mit dem Vorrang alternativer Energien setzt den fossilen Energieträgern zu. Besonders betroffen ist das Ruhrgebiet. Die Kraftwerke sind in der Hand dreier Unternehmen: RWE, Trianel, Steag. Durch die Unterauslastung der Kraftwerke werden die Kommunen belastet. Im Juni 2014 erlässt die Regierung neue Grenzwerte für Kraftwerke: Bis 2020 sollen die CO2-Emissionen um 30% gesenkt werden. Den Bundesstaaten bleibt überlassen, ob sie den Durchschnittswerte über Zertifikate, alternative Energien oder Techniken (Filter) erreichen wollen. Dies ist die wichtigste Klimaschutzmaßnahme der Regierung Obama. 2014 sind noch 37% aller US-Kraftwerke Kohlekraftwerke. Den höchsten Anteil an der Energieerzeugung hat Kohlekraft auch in China und Polen. die kohl für Kraftwerke wird in Deutschland auch aus Russland, USA und Kolumbien importiert. Bei Kokskohle für die Stahlindustrie sind Australien und die USA die Hauptlieferländer. In diesem Jahr 2014 sinken die Importe um drei Prozent auf 51 Mio. Tonnen wegen der wachsenden Bedeutung alternativer Energien. In Deutschland wollen die Grünen eine Strafsteuer für Kohlekraftwerke durchsetzen. Auch die Umweltministerin Hendricks will die Zahl der Kohlekraftwerke reduzieren. Bis 2020 will der Umweltminister ab 2015 jährlich 4,4 Mio. t CO2 einsparen, also insgesamt 22 Mio. t. Damit wird Klimaschutz für Kohlekraftwerke Pflicht. Eigentlich ist das aber viel zu wenig, da mindestens 40-60 Mio. t eingespart werden müssten. Extraprämien für die Stilllegung von Kraftwerken soll es nicht geben. Mitte 2015 deutet alles darauf hin, dass die Gebühr für CO2 ab einer bestimmten Grenze nicht kommt. Dafür sollen Braunkohlekraftwerke stillgelegt werden. Etwa fünf große Anlagen sollen in die Reserve verschoben werden (+ 10 Mrd. €). Im September 2015 wird beschlossen. neue und modernisierte Steinkohl- und Braunkohlekraftwerke nicht mehr zu fördern. Ende 2015 gibt die Allianz bekannt, dass sie ihre Investitionen in Kohlekraftwerke zurückzieht. Laut Climate Action Network Europe stießen die 280 Kohlekraftwerke in der EU 2014 762 Mio. Tonnen CO2 aus (ca. 20% des CO2). Im Oktober 2017 wird in Deutschland ein Gutachten vorgelegt: Der schnelle Ausstieg ist verfassungsrechtlich ohne Kompensation möglich, weil die Kraftwerke nach einer Betriebsdauer von 25 Jahren abgeschrieben sind. Es soll ein Gesetz kommen, dass der Ausstieg bis 2026 allein durch Prämien angestoßen werden soll. Viele asiatische Länder bauen auch 2019 noch die Kapazitäten ihrer Kohlekraftwerke aus, d. h. die Neubauten überwiegen gegenüber den Stilllegungen (China, Indien, Indonesien, Südkorea). In Deutschland werden noch im Juni 2020 die letzten Hürden für einen Kohleausstieg bis 2038 aus dem Weg geräumt. Milliarden Euro werden für die Umrüstung bereit gestellt. Es gibt auch hohe Entschädigungen für die Betreiber. Eine Verlängerung der Kraftwerke wird es wohl geben, weil 2022 zu wenig Gas aus Russland kommt. Eines der betroffenen Kraftwerke für die Verlängerung ist Mehrum im niedersächsischen Hohenhameln. Andere in Netzreserve sind Petershagen, Bexbach, Mannheim, Heilbronn, Altbach und Walheim.  Das größte deutsche Steinkohlekraftwerk ist das Großkraftwerk Mannheim. Der neue Block 9 geht im Herbst 2015 ans Netz. Vgl. www.gkm.de . In der VR China wurde 2011 im Schnitt alle fünf Tage ein neues Kohlekraftwerk mit 100 MW Leistung eröffnet. Die Vorräte dort reichen noch ca. 30 Jahre. In Deutschland reichen sie noch 218 Jahre. Kohlekraft werke haben zwei Eigenschaften: sie sind billig und sie sind Klimakiller. 2016 spaltet Eon sein Geschäft mit Kohle- und Gaskraftwerken ab und bringt Uniper an die Börse. Der Start ist solide. Ab 2016 steigt Kanada aus der Kohleverstromung aus. Bis 2030 soll Elektrizität zu 90% aus sauberen Quellen kommen. Die Grünen fordern zu Beginn von 2017 die Abschaltung der Kohlekraftwerksblöcke bis spätestens 2027. Auf ihrem Parteitag 2017 revidieren sie diesen Termin auf 2030. Die 20 dreckigsten Kohlekraftwerke sollen sofort abgeschaltet werden. 2020 geht in Deutschland im Ruhrgebiet noch Datteln 4 in Betrieb. Es soll bis 2038 mit modernster Technik laufen. Es gibt Proteste dagegen. 2021 gibt es die meisten Kohlekraftwerke in China (1087) vor Indien (281) und den USA (2465). Es folgt die EU-27 mit 224. Australien und Neuseeland haben noch 20, Südafrika 19, Mittel- und Südamerika 45, Kanada 14. Damit die Kohlekraftwerke als Ersatz für Gaskraftwerke Strom erzeugen können, müssen 2022 Bahntransporte Vorrang auf der Schiene bekommen (Wasserstraßen wegen Trockenheit nicht befahrbar). Im September 24 schaltet GB das letzte Kohlekraftwerk ab (in der Nähe von Nottingham).

Braunkohlekraftwerke: Das Absinken des CO2-Zertzifikatspreises 2013/ 2014 macht die Braunkohlekraftwerke sehr rentabel. Die Förder- und Transportkosten sind ohnehin niedrig (überwiegend Ostdeutschland).  Die Kosten für Braunkohlekraftwerke sind mittlerweile günstiger als bei Steinkohle, Gas und alternativen Energien. Deshalb ist die klimaschädliche Stromproduktion aus Braunkohle auf den höchsten Wert seit 1990 gestiegen (162 Mrd. Kilowattstunden; Spitzenreiter vor vor erneuerbaren Energien und Steinkohle; Gas wird verdrängt). Der Anteil bei der Stromerzeugung durch Braunkohle liegt 2013 insgesamt bei 25,8%. Bis Ostern 2014 will die Bundesregierung ein neues Konzept entwickeln. Die deutschen Kohlekraftwerke stoßen über sechs Tonnen Quecksilber aus, zwei Drittel der in Deutschland emittierten Gesamtmenge. Damit werden sogar die Grenzwerte der USA weit überschritten. Der Bundeswirtschaftsminister erwägt eine Verschmutzungsabgabe für die Kohlekraftwerke. Diese kommt auch. Bei über 20 Jahre alten Braunkohlekraftwerken soll es eine Kopplung an den Börsenstrompreis geben (wenn der Strompreis hoch ist, ist auch die Abgabe hoch). Wenn die Kohleabgabe doch nicht kommt, sollen acht Braunkohlekraftwerke stillgelegt werden (2 in den neuen Ländern, 1 in Niedersachsen, 5 in NRW). Fünf sollen als Reserve dienen. Der sanfte Braunkohleausstieg soll den Energieversorgern mit 1,6 Mrd. € vom Bund versüßt werden. Letztlich müssen dies die Stromverbraucher zahlen. Greenpeace will Braunkohlekraftwerke kaufen. Erste Abschaltungen soll es bereits 2020 geben. 2022 braucht man auch wieder Braunkohlekraftwerke, um die Gasreduktion Russlands auszugleichen. Sogar still gelegte Kraftwerke sollen reaktiviert werden (Habeck). Teilweise in Sicherheitsbereitschaft stehen Grevenbroich, Bergheim und Teichland. Das Dorf Lützerath soll 2023 verschwinden. Die Bewohner haben den Ort verlassen. Es haben sich Aktivisten einquartiert. Das Ganze hat viel Symbolik. Im Jahre 2016 verkauft der schwedische Konzern Vattenfall sein deutsches Braunkohlegeschäft an die tschechische EPH-Gruppe.

Holzkohle: sie wird auf Grills in aller Welt verwendet. Ursprünglich wurde sich handwerklich in Köhlereien hergestellt. ein uraltes Handwerk. In Rumänien (Siebenbürgen) gibt es noch einige Köhler heute. Doch die Zeit scheint abgelaufen. Heute wird die wachsende Nachfrage von Fabriken befriedigt. Dafür braucht man aber auch Holz und so wird Raubbau an den rumänischen Wäldern betrieben.

Gaskraftwerke: Selbst effiziente Gaskraftwerke sind in Deutschland nicht profitabel, weil erneuerbare Energie Vorrang hat und die CO2-Preise zu niedrig sind. Trotzdem investieren z. B. die Stadtwerke Düsseldorf in das modernste Gas- und Dampfkraftwerk der Welt, das von Siemens gebaut wird. Vielleicht geht die Rechnung auf, wenn die Anlage auch Fernwärme liefert und so unabhängiger vom Strommarkt wird. Vgl. Bernd Müller: Lichtblick für Gasriesen, in: bild der wissenschaft 3-2015, S. 80-85. Das modernste deutsche Gaskraftwerk im bayerischen Irsching ist aus den genannten Gründen nicht mehr wettbewerbsfähig und muss vielleicht stillgelegt werden. Das ist paradox. Evtl. wird das Kraftwerk in die Reserve-Kraftwerksverordnung aufgenommen. Bayern will mit Gaskraftwerken evtl. auch seinen Bedarf decken und die Nord-Süd-Trasse der Stromleitungen verhindern. Acht Kraftwerke sollen die Reserve bilden (Gas-, Kohle- und Atomkraftwerke; "Hosenträger zum Gürtel"). 2016 spaltet Eon sein Geschäft mit Kohle- und Gaskraftwerken ab und bringt Uniper an die Börse. Der Start ist solide. Gaskraftwerke haben eine wichtige Funktion als Reserve, wenn die wetterabhängigen Kraftwerke (Solar, Wind) nicht ausreichen. Es hilft auch die Einbettung ins europäische Stromnetz. E-Autos und Digitalisierung werden den Energiebedarf erhöhen. ein gutes Beispiel ist das 1. Halbjahr 2021: Es kam mehr Strom aus konventionellen Kraftwerken, weil zu wenig Wind war. Braunkohle 042%, Atomkraft +9%, Steinkohle +53%, Windkraft -20%. Vgl. Der Spiegel Nr. 28, 10.7.21, S. 17. Man braucht dringend die Gaswerke als Puffer, weil sie leichter hoch und runter zu fahren sind. Man kann aber nicht mehr ganz auf sie als Brückentechnologie setzen, Weil Russland die Erdgaslieferungen durch Nord Stream 1 stark reduziert. Habeck will bei Gasknappheit sogar Gaskraftwerke abschalten. Gaskraftwerke sind für die Spitzenlast zuständig (Ausgleich). Trotzdem wird 2022 in Deutschland soviel Strom aus Gas erzeugt wie nie zuvor. Grund ist, dass die französischen Atomkraftwerke zu wenig Strom produzieren (Wartung, Abschaltung). Ab 2023 ist der Kraftwerksneubau gefährdet. Potentielle Investoren halten sich zurück, weil sie bei wachsendem Anteil erneuerbarer Energien kaum Chancen sehen, mit neuen Kraftwerken Geld zu verdienen. Man braucht ein Gesamtkonzept für die Versorgungssicherheit. Die 50 neuen Gaskraftwerke dürften nicht zustande kommen. Dadurch ist der Kohleausstieg bis 2030 gefährdet.  Die EU und Deutschland wollen sich unabhängiger machen und fördern die Verbindungen nach Russland durch die Ostsee (Nord Stream, 1 und 2). Trump und einige osteuropäische Länder sind dagegen. Die USA setzen unter Trump "eiskalte Interessen" ein. Sogar der Botschafter betreibt Lobbyismus. 2021 werden die Gaskraftwerke vom Auslaufmodell (unrentabel) zum Hoffnungsträger. Die Ampelkoalition will die Rahmenbedingungen verbessern.

Kraftwerkstrategie 2024: Sicherung der Energiewende durch Gaskraftwerke: Der Beschluss wird im Januar 2024 gefasst. Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien soll parallel der Bau neuer Gaskraftwerke erfolgen. Diese wiederum sollen in zehn Jahren auf Wasserstoff umgerüstet werden. Kurzfristig werden bis zu viermal 2,5 Gigawatt Gaskraftwerkkapazitäten ausgeschrieben. Diese sollen "H2-ready" sein. Damit ist aber nur die Hälfte der notwendigen Gaskraftwerkkapazitäten gesichert. Die Finanzierung soll aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen. Die EU muss die Beihilfen genehmigen. Da die Kraftwerke nur für Notfälle konzipiert sind, müssen die Betreiber in hohem Maße subventioniert werden. Es sind aus dem Haushalt 15 Mrd. € veranschlagt. Dei Ausschreibungen sollen schon 2024 beginnen. Vgl. HB 6.2.24, S. 1.

Wasserstoffkraftwerke: Sie produzieren Energie aus Sonnenstrahlen und Wasser. In Andalusien/ Spanien gibt es ein kleines solches Kraftwerk.  Das DLR ist beteiligt. Solche Anlage wären auch ideal für Nordafrika, Griechenland oder Süditalien.

Pumpspeicherkraftwerke: sie gleichen mit Stauseen die Schwankungen von solar- und Windenergie aus. Weltweit werden viele der derzeit hochprofitablen Speicher gebaut. Umweltschützer und Anwohner sind oft wenig begeistert. In Deutschland beträgt die Stromerzeugung 2022 9,8 Gigawatt.

Wasserkraftwerke: Man staut Wasser mit Damm oder Wehr. Das fallende Wasser (durch Rohre) treibt Turbinen an. Ein Generator erzeugt Strom. Das Wasser strömt dann in einen Fluss.

Wellenkraftwerke: Der über das Meer streichende Wind erzeugt Wellen mit enormem, aber kaum genutztem Potential. Verschiedene schwimmende, untergetauchte oder an der Küste installierte Maschinen (Attentuator, "Seeschlange") können die Bewegungsenergie der Wellen in elektrischen Strom umwandeln. Die Meere haben ein riesiges Potential. CorPower ist eine bekannte Firma im Greentech - Bereich hier. KI berechnet die optimale Wellenausbeute.

Gezeitenkraftwerke: Es ist ein Damm in der Bucht, Lagune oder Flussmündung. Es leitet Wasser durch Siele, wo es Turbinen antreibt. Das Siel ist eine Gezeitensperre. Wegen der Umweltfolgen und hohen Kosten gibt es nur wenige solcher Anlagen. Vgl. Gifford, C. u. a.: Simply - Klimawandel, München 2023, S. 133ff.

Fernwärme: Die Versorgung mit Fernwärme bekommt Auftrieb, weil nach alternativen für Öl- und Gasheizung gesucht werden muss. Dabei wird Wärme mittels Wasser durch rohre transportiert (keine eigene Heizung). Bekannt ist das Kraftwerk in Mannheim der MVV Energie AG. Auch hierfür werden Brennstoffe (Gas, Müllverbrennung) gebraucht. Man arbeitet auch mit einer Kraft-Wärme-Koppelung.  In der Pfalz will Vulcan die Lithium - Förderung mit der Gewinnung von Erdwärme für die BASF und die Städte Ludwigshafen, Frankenthal verbinden.

Große Meerwasserwärmepumpen: Sie entstehen 2023 in Esbjerg an der dänischen Westküste. Eine Pumpe kann 100.000 Menschen versorgen. Gebaut wird vom deutschen Unternehmen MAN. Vgl. Der Spiegel 19/ 6.5.23, S. 98.

Unterirdische Energiespeicher: Viele Unternehmen arbeiten an dieser Technologie. Am weitesten ist das Start-up Quidnet aus den USA. Mit überschüssigem Strom wird Wasser durch einen Schacht aus einem Becken in einen unterirdischen Speicher gepumpt. Der Schacht wird verschlossen, die Energie wird durch die Spannung in den Zwischenräumen der Gesteinsschichten gespeichert. Wird der Schacht geöffnet, läuft das Wasser durch eine Turbine und erzeugt Strom. Danach kann der Kreislauf erneut beginnen. Das ist eine Art "Stein-Batterie". Vgl. Buchter, Heike: Batterien aus Stein, in: Die Zeit Nr. 51, 9.12.21, S. 34.

Zahlungsströme für erneuerbare Energien: Bayern, Niedersachsen und Schleswig- Holstein profitieren am stärksten vom Ausbau erneuerbarer Energien. Diese Länder speisen überdurchschnittlich viel Strom aus Sonne und Wind ins Netz. Größter Verlierer ist Nordrhein-Westfalen.

Energiepolitik in RLP: Die großen BASF-Kraftwerke liegen zwar in B.-W., spielen aber bei der Versorgung eine große Rolle. Bis 2030 sollen 67% aus Windkraft und 23 % aus Photovoltaik kommen. Dafür notwendig sind Speicher (z. B. Wianden in Luxemburg, Pläne für Trier und Mainz) und intelligente Netze. Die wichtigste alternative Energie ist heute schon die Windkraft (es gibt Restriktionen und Ausschlussgebiete). Die größten Windkraftanlagen (7,5 MW) sind an der Rhein-Hunsrück-Schiene installiert. Die Instabilität der relevanten Gesetze schreckt Investoren ab.

Stromverbrauch: In der Regel arbeitet man weltweit damit, dass man die Millionen Kilowattstunden auf jeweils eine Million Dollar Wirtschaftsleistung bezieht. So gesehen hat Kanada den höchsten Stromverbrauch (329 Millionen Kilowattstunden auf 1 Mio. Dollar Wirtschaftsleistung). Dann folgen China (305), Russland (290), USA (221) und Japan (193). Dabei ist der Stromverbrauch aus allen Energiequellen 2014 gerechnet (CIA Factbook). Große Einflussfaktoren bei den führenden Ländern sind kalte Temperaturen (nach oben) und Armut (nach unten). 2017 passt die EU die Kennzeichnung der Energieeffizienz der technischen Entwicklung an:  Künftig gibt es nur noch die Klassen von A (hoch effizient) bis G (Stromfresser). Die BASF in Deutschland hat allein einen Stromverbrauch, der so hoch ist wie in ganz Dänemark.

Stromverbrauch und Kryptowährungen: Auf der Klimakonferenz in Paris ahnte kaum jemand, was auf die Welt zukommt durch Bitcoin und Co. Jede Bitcoin - Transaktion verschlingt tausendmal so viel Strom wie eine übliche Überweisung.  2018 gibt es Hunderte von Kryptowährungen. Es fehlen staatliche Einmischung und Notenbank, wie jede Aufsicht. Es gibt nur den elektronisch gespeicherten Zahlencode. Grundvoraussetuzung ist eine elektronische Brieftasche ("Wallet"). Der zugrunde liegenden Technik Blockkette ("Blockchain") dürfte die Zukunft gehören, auch wenn Bitcoin verschwinden sollte. Also bleibt der Stromverbrauch.

Stromnetz: Das alte Konzept der Stromversorgung ist nicht mehr tauglich. Netzmodernisierungen sind überall in der Welt notwendig, vor allem in den USA und Kanada. Die notwendigen Technologien zum Aufbau eines Supernetzes sind verfügbar. Wer die Netze hat, hat auch die Macht. In Deutschland gibt es vier große Stromkonzerne: E.On, RWE, Vattenfall und EnBW. Letzterer ist 2010 wieder mehrheitlich in Staatshand von B.-W (laut gutachten bezahlte das Land 780 Mio. € zuviel, Untreuevorwurf gegen Mappus). Die vier großen Energieversorger liefern laut Greenpeace nur 0,5% ihrer Energie aus alternativen Energiequellen. Daneben gibt es eine Reihe großer Stadtwerke (Thüga u. a.). Den Netzausbau beherrschen Siemens und ABB. Das Bundeskartellamt konnte in einer breit angelegten Untersuchung den Stromproduzenten 2011 kein Fehlverhalten nachweisen. Es bringt aber auch zum Ausdruck, dass es dem Markt nicht traut. Eine Markttransparenzstelle soll im Stromgroßhandel eingerichtet werden, die beim Bundeskartellamt angesiedelt ist. Wie notwendig dies ist, zeigt sich im Januar 2012 als das Stromnetz mehrfach vor dem Kollaps steht, weil Fehlkalkulationen professioneller Stromhändler dies  herbeigeführt haben. 2013 fürchten die großen Stromkonzerne um ihre Zukunft. Ihnen drohen vorzeitige Stilllegung von Tagebauen und Kraftwerken. Ohne neue Stromleitungen in Deutschland bekommen auch die erneuerbaren Energien Probleme. Tausende von Kilometer fehlen (ca. 4500 km neue Hochleitungsleitungen werden benötigt). Freileitungen sind nicht schön für das Landschaftsbild, Erdkabel sind doppelt so teuer. Es gibt 2014 Pläne für zwei Stromtrassen durch Deutschland von Nord nach Süd (Gleichspannungsleitungen). Bayern stellt sich erst mal quer (Moratorium; Forderung nach einem Gaskraftwerk). Das Bundeskanzleramt versucht, alle Länder zu gewinnen. Da die Windenergie überwiegend in Norddeutschland erzeugt wird (Offshore- und Onshore-Windparks), eher im Süden aber gebraucht wird, regt sich Widerstand gegen Hochspannungstrassen und breite Gräben für Erdleitungen. Die EU will 2011 den Energiemarkt bis 2014 einen und beschließt Milliarden-Investitionen für den Bau neuer Strom- und Gasleitungen. Die Bundesnetzagentur will mit neuen Stromleitungen gleich auch Rohre für Glasfaser verlegen (vom Verbraucher vorfinanziert). Wichtig sind auch Intelligente Stromnetze. Sie gleichen Angebot und Nachfrage über variable Tarife aus. 2012 beklagt der Präsident der Bundesnetzagentur den schleppenden Ausbau der Stromtrassen. 214 von geplanten 1800 Kilometern Hochspannungsleitung seien erst gebaut. Der Netzausbau gilt als entscheidendes Element der Energiewende. In den nächsten 10 Jahren müssen noch 3800 km gebaut werden mit Kosten von 20 Mrd. €. 4000 km bestehende Trassen müssen erneuert werden. 4 Trassen sollen durch Deutschland von Nord nach Süd führen (davon eine ganz im Westen, eine in der Mitte). Die "Monster-Stromtrassen" sollen vorrangig unterirdisch verlaufen. Die Zusatzkosten gegenüber Strommasten werden durch höhere Strompreise finanziert.  Politisch umstritten ist die Frage, ob das Netz verstaatlicht werden soll oder ob man die Stromnetzbetreiber so in die Pflicht nehmen kann. Spannungsschwankungen im Stromnetz, die durch nicht gleichmäßige Stromproduktion der regenerativen Energiequellen entstehen, können mittlerweile durch Mittelspannungsregler ausgeglichen werden (in PLP Pilotprojekt in der Eifel). Weil die Nord-Süd-Trassen unterirdisch laufen sollen, werden sie später fertig (2025) und wesentlich teurer.  Nach Einschätzung der Energiewirtschaft ist das Stromnetz in Bayern und Baden-Württemberg nicht auf eine Flut von Elektroautos und Wärmepumpen vorbereitet. Dafür reicht zur Zeit die Strommenge in Süddeutschland nicht aus. 2017 gibt es eine Diskussion, ob der Staat Anwohnern von Stromtrassen Entschädigung zahlen soll. Die Zustimmung der Anwohner hängt von der Höhe der Entschädigung ab (RWI Leibnitz Institut für Wirtschaftsforschung, 7000 HH). 2022 wird konstatiert, dass Deutschland den Ausbau des Stromnetzes verschleppt hat. Von 12.256 dringend benötigter Leitungen sind gerade mal 2005 Kilometer fertig gestellt. Vgl. Widmann, Marc: Das haben wir jetzt davon, in: Die Zeit Nr. 42/ 3.10.22, S. 21. Bundesnetzagentur-Präsident Müller sieht 2024 Beteiligungen des Bundes an den Betreibern von Stromnetzen positiv. Der Investitionsbedarf bis 20233 liegt allein beim Stromnetz von Tennet bei 96 Mrd. €.  Ökostromanbieter in Deutschland sind EWS Schönau, Greenpeace Energy, Lichtblick und Naturstrom. 2013 wird bekannt, dass die EU Stromtrassen fördern will. 22 förderfähige Stromtrassen soll es in Deutschland geben. Es gibt in Deutschland immer wieder juristische Auseinandersetzungen darüber, wer ein Energienetz betreiben darf. Letztlich geht es auch um die Macht bei der Gestaltung der Energiewende in Deutschland. Gegenüber stehen sich Kommunen und die vier großen Stromkonzerne. Am bekanntesten ist der Fall "Titisee-Neustadt" im Schwarzwald. Gemeinsam mit der Bundesnetzagentur hatte das Bundeskartellamt 2010 einen Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gasnetz-Konzessionen herausgegeben. 2018 stellt das Bundeswirtschaftsministerium fest, dass der Stromnetzausbau in Deutschland hoffnungslos in Verzug ist. "Ohne Netzausbau keine Erneuerbaren , ohne Erneuerbare kein verantwortbarer Kohlelausstieg. Der Ausbau der Netze ist der Schlüssel für mehr Klimaschutz", Rolf Martin Schmitz, RWE-Chef, 2018. Im Sommer 2021 legt die Bundesregierung eine stark erhöhte Prognose zum Stromverbrauch bis 2030 vor (E-Autos, Wärmepumpen). Allein 2024 und 2025 sollen 3500 Kilometer neue Stromtrassen genehmigt werden. Der Ausbau der Stromnetze kommt also deutlich voran.

Schnellstraßen für Strom: Sie sind für die Stromversorgung in Deutschland extrem wichtig. Windräder in Norddeutschland produzieren oft mehr elektrische Energie, als abfließen kann. Atommeiler werden bald keinen Strom mehr liefern. Leitungsautobahnen müssen den energiehungrigen Südwesten versorgen. Doch der Bau stockt immer wieder. Viele Kilometer sind 2021 noch im Genehmigungsverfahren, in der Raumordnung- bzw. Raumplanung oder im Planfeststellungsverfahren (bzw. Anzeigeverfahren). Die Strom - Straße "Suedlink" ist dabei das Kernprojekt. Er soll Strom vor allem aus Windkraft vom Norden in den Süden bringen (von Wüster/ Brunsbüttel nach Großgartach; 700 Kilometer, 40 Meter breit). Es geht dabei auch um Hochspannungsleitungen, vor denen Tausende von Bürgern Angst haben. Dei Energiewende führt in so weit zu immer neuen Konflikten. Vgl. Bartsch, Matthias: Grün-grünes Dilemma, in: Der Spiegel 50/ 10.12.22, S. 32f. Im September 2023 kommt der Startschuss. Die Südlink soll weitgehend unterirdisch gebaut werden. Der Bau könnte bis zu 6 Jahren (Ziel 2028) dauern, weil auch noch nicht alle Genehmigungsverfahren abgeschlossen sind. Poteste verzögern weiterhin den Bau. Das Ganze soll 10 Mrd. € kosten. Die Trasse führt von Wilster in Schleswig-Holstein über Hannover, Göttingen, Eisenach, Würzburg nach Großgartach. Die Bundesnetzagentur legt ihre Pläne für den Ausbau des Stromübertragungsnetzes bis zum Jahr 2045 am 1. März 24 vor. Im Netzentwicklungsplan sind die Anfangs- und Endpunkte festgelegt. Nötig sind demnach fünf neue Hochspannungsleitungen an Land von Nord nach Süd und vom Nordwesten nach Ost. Sie sollen die Kapazität von jeweils 2 Gigawatt haben. Insgesamt sind es 4800 km Länge. Die Gesamtkosten werden auf 320 Mrd. € beziffert.

Strommarkt in Deutschland: Es gibt 2024 Gebiete der Übertragungsnetzbetreiber. Es sind Amprion, Transnet BW, Tennet und 50Hertz. Der Bund  steht vor einer Übernahme des deutschen Tennet-Stromnetzes. Finanzieren soll den Kauf die Förderbank KfW. Für Berlin sind die Stromnetze des niederländischen Betreibers in der Energiewende wichtig. Zwölf Energieökonomen setzen sich im Juli 2024 in einem Aufruf für lokale Preise im deutschen Strommarkt ein. Die politische Vorgabe eines  deutschlandweit einheitlichen Preises habe große Nachteile.

Stromleitungen aus dem Ausland: Ägypten, Zypern und Griechenland wollen ihre Elektrizitätsnetze mit einem Unterwasserkabel durch das Mittelmeer verbinden. So soll in Zukunft Ökostrom aus Afrika nach Europa fließen. Aber das Projekt stößt auf Widerstand bei der Türkei.

Ökostrom: In Deutschland verkaufter Ökostrom stammt meist aus österreichischen oder skandinavischen Wasserkraftwerken. Einer der größten Anbieter ist Naturstrom. Weitere Anbieter des grünen Stroms sind in Deutschland Lichtblick und Greenpeace Energy. Der Anstieg der Strompreise ist teilweise auch auf Subventionen von Solarstrom zurückzuführen. Trotzdem müssten erneuerbare Energien bevorzugt ins Netz eingespeist werden, um eine Energiewende herbeizuführen. Leider führt die Legitimation über den Ökostrom immer wieder zu fragwürdigen Strompreiserhöhungen. Das Statistische Bundesamt berechnet den Durchschnittserlös pro Nutzergruppe. Der Durchschnittserlös berücksichtigt den Energiepreis (Arbeits- und Leistungspreis sowie Nutzungsentgelte), die Stromsteuer sowie die staatlich festgelegten Abgaben nach den Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, nicht aber die Mehrwertsteuer. Dies schafft Transparenz in der Strompreisbildung. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat in einer Modellrechnung festgestellt, dass Deutschland sich Mitte des Jahrhunderts vollständig mit grünem Strom versorgen kann. Zwischen 2030 und 2040 wird die grüne Versorgungsvariante billiger als die konventionelle. Die Produktionskosten für Strom aus Wind und Sonne werden sich konventionellen Quellen nach und nach angleichen. Die Kürzungen der Einspeisevergütungen sollten sich nach dem technischen Fortschritt richten. 2010 wird die Nationale Plattform Mobilität von der Bundesregierung ins Leben gerufen. Es geht um Fahrzeuge, erneuerbare Ressourcen und Infrastruktur. Nach einer Studie der Umweltverbände BUND und Greenpeace 2014 könnte die Ökostromumlage für Stromkunden um 12% sinken, wenn auch der Eigenverbrauch konventioneller Kraftwerke mit dem Öko-Obulus belegt wäre. Die größten Profiteure sind die ineffizientesten und ältesten Kraftwerke, deren Eigenverbrauch am höchsten ist. Jahresmitte 2017 steigt der Anteil an Ökostrom in Deutschland auf 35 Prozent. Im ersten Halbjahr 2017 lag die produzierte Strommenge aus Windenergie in der Nordsee 50% über dem Vorjahreswert. Die Herbststürme 2017 treiben die Ökostromerzeugung auf einen neuen Höchststand. Der Anteil steigt auf 29,5 insgesamt 2017 (Verzehnfachung seit 1990). Ökostrom kommt aus Windparks, Photovoltaik- und Wasserkraftanlagen sowie Biomasse. Am 7.7.22 beschließt der Bundestag einen massiven Ökostromausbau: Bis 2030 sollen 80% des Stromverbrauchs so gedeckt werden. Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt und Gerichtsverfahren erleichtert werden. (2014 entscheidet der Europäische Gerichtshof, dass die Ökostromhilfe für ausländische Erzeuger nicht gilt. Der Europäische Rechnungshof kritisiert die Ökostromförderung als ineffizient. Wäre das Internet ein Land, hätte es den sechstgrößten Stromverbrauch (täglich 2,5 Mrd. Menschen). Dies beeinflusst natürlich auch stark den Klimawandel. Öko-Stromerzeugung und -Verbrauch müssen besser vernetzt werden. Der Bund fördert solche Projekte. Eines läuft in RLP mit der Bezeichnung "Design-Netz". Eingebunden sind das DFKI und das IESE in Kaiserslautern. 2016 steigt die Ökostromumlage weiter an. Die Förderung wird von 6,35 Cent pro Kilowattstunde auf 6,88 Cent angehoben. Die Reserve für die Photovoltaikanlagen steigt 2017 auf mehr als 5 Mrd. Euro an. Damit zahlen die Verbraucher zu viel Umlage für Ökostrom. 24 Milliarden € werden 2016 für Ökostrom-Förderung ausgegeben. Die Umlage für Strom aus Sonne und Wind ist erstmals seit 2006 kaum gestiegen. Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg profitieren am meisten. 2018 erreicht der Ökostrom erstmals über 40%. Dazu haben vor allem die vielen Sonnenstunden im Sommer beigetragen. Mitte 2019 erreicht der Ökostrom Rekordniveau: 44% im 1. Halbjahr 2019 (Windkraft, Sonne). Damit überholt 2019 die Grüne Energie endgültig Kohle und Atom. 2020 wird die Ökostrom-Umlage um über 5% erhöht. Von Januar bis März 2020 gibt es einen Öko-Strom-Rekord in Deutschland: 52% sind Ökostrom (Wetter, geringer Verbrauch durch Corona). Im September 2020 beschleunigt die Bundesregierung ihre Öko-Stromziele: Bis 2030 sollen 65% des Stromes klimaneutral erzeugt werden, 2050 100%. Mitte 2021 liegt der EE-Anteil am Bruttostromverbrauch  (Ist-Zustand) bei 46,2%. Zwischen März und September 2022 kam fast ein Viertel des Stroms in der EU aus Solar- und Windkraft. Ende 2022 kommt nahezu die Hälfte des Stroms aus Wind und Sonne (47% übers ganze Jahr). 2024 erreicht der Ökostrom einen Rekordanteil. Es gibt einen neuen Halbjahresrekord aus erneuerbaren Energien (Wind, Sonnenlicht, Biomasse, Wasserkraft) mit rund 58%.

Stromeinspeisung nach Energieträgern: 2023 stellen erneuerbare Energien mit 565 über die Hälfte zur Verfügung. 44% kommen aus konventionellen Energieträgern. Bei den Erneuerbaren liegt Windkraft an der Spitze (31%), vor Photovoltaik (11,9), Biogas (6,2), Wasserkraft 4,1). Bei den Konventionellen führt kohle (26,1), vor Erdgas (13,6), Atomenergie (1,5). Quelle: Destatis, Wiesbaden, März 2024.

Strompreis: Seit 2007 (bis 2012) ist der Strompreis um 39% gestiegen. Er hat zahlreiche Determinanten. Zunächst geben die "alten" Energieerzeuger (mit CO2-Abgabe, Steinkohle, Gas) und die "neuen" Energieerzeuger (Windkraft, Solar) ihre Angebote ab. An der Strombörse wird dann ein Preis gebildet (Stromzusammensetzung Spitzenlaststrom/ 30% und Grundlaststrom/ 70%. Die Endverbraucher müssen unterschiedlich hohe Strompreise zahlen (am wenigsten zahlt die energieintensive Industrie, vor der Industrie und Gewerbe und Dienstleistungen; am meisten zahlen private Haushalte). Zuletzt kommt noch die EEG-Umlage (bis 2011 54 Mrd. €) dazu, die die Differenz zwischen dem Börsenpreis und den Vergütungen, die den Stromerzeugern garantiert sind, ausgleicht. Andere Einflussgrößen auf den Preis sind die Umsatzsteuer, das Netznutzungsentgelt, die Konzessionsabgabe Strom, die Stromsteuer, die NEV-Umlage, die KWK-Umlage, die Offshore-Haftungsumlage, die Abrechnung der Netznutzung, der Messstellenbetrieb und die Messungsdienstleistung. Die Ökostrom-Umlage (EEG-Umlage) soll 2013 auf ca. 5,3 Cent pro Kilowattstunde steigen (es werden genau 5,277 Cent; dies polarisiert). Einige Energiekonzerne sehen den Preis bis 2020 um ein Drittel ansteigen. Dies ist im Moment "Kaffeesatz-Leserei". Aber die Preise steigen natürlich in der Energiewende (Atomausstieg) an. Der Bundesumweltminister will die Förderung für Ökostrom deckeln (andere Vorschläge wollen die Ausnahmen für die energieintensive Industrie beschränken oder die Mehrwertsteuer einschränken). 2013 wird vom Bundesumweltminister die Abschaffung der EEG-Umlage erwogen. Dies dürfte politisch zurzeit nicht durchsetzbar sein (große Auswirkungen auf Investitionen bei alternativen Energien). Rund 50% des Strompreises machen inzwischen Steuern, Abgaben und Umlagen aus. Der Bund macht 2013 Pläne, die Ökostromumlage um 1,86 Mrd. € zu kürzen. Eine Einigung mit den Ländern steht aus. Eine starken Einfluss auf den Preis hat die Berechnung der EEG-Umlage: Sie wird als Differenz zwischen den garantierten Ökostromabnahmetarifen und dem Börsenstrompreis errechnet. Fallende Börsenstrompreise führen zu einer höheren Belastung der Verbraucher. Die Umlage wird jeweils am 15. Oktober fürs Folgejahr bekannt gegeben (von den Netzbetreibern auf Basis der Septemberdaten berechnet). Dabei fließen Schätzungen ein (Lage im Folgejahr, wie viel erneuerbare Energie zusätzlich, Marktpreis, Industriebtriebe, Liquiditätsreserve). Die Zahl der energieintensiven Betriebe, die von der Umlage befreit sind, erhöht sich 2013 auf ca. 2800. Die EU leitet deshalb Ende 2013 ein Verfahren gegen Deutschland ein. Es geht um versteckte Subventionierung und Verletzung europäischen Wettbewerbsrechts. 2014 einigen sich Berlin und Brüssel. Der Preisverfall an den Börsen macht aber den Energiekonzernen zu schaffen. Insbesondere die konventionellen Kraftwerke leiden darunter, dass durch den starken Ausbau der erneuerbaren Energien die Preise an den Strombörsen massiv ins Rutschen gekommen sind. Bayern weigert sich, Trassen für Windstrom aus dem Norden zu bauen. Dann könnte der deutsche Energiemarkt zweigeteilt werden und den Süddeutschen drohen höhere Strompreise (+10%; Bayern, B.-W., Süden von RLP; Studie der EU-Kommission). Durch die Erneuerbaren Energien (Aufschlag für Ökostrom) drohen die Strompreise ab 2016 noch um Jahre zu steigen. 2020 dürfte die Ökostrom-Umlage die Strompreise auf einen Wert zwischen 6,5 und 6,7 Cent pro Kilowattstunde steigen lassen. 2019 liegt die EEG-Umlage bei 6,41 Cent. Die Einführung eines CO2-Preises wird den Preis für Strom 2021 weiter steigen lassen (Wärme, Elektroheizung). Im Juli 2022 steigt der Strompreis auf ein Rekordniveau. Er liegt bei 32,34 Cent pro Kilowattstunde für Haushaltskunden. in Europa ist er nur in Dänemark teurer. Berlin und Brüssel wollen schnell die Preise deckeln. Der Markt soll neu reguliert werden. Der Atomausstieg 2023 in Deutschland hat keinen Einfluss auf den Strompreis.   Die Preise für Strom, Gas und andere Brennstoffe sind seit 2006 bis 2013 um 23,6% in Deutschland gestiegen. Seit 2000 haben sich die Strompreise verdoppelt. Vor allem Haushaltskunden und der Mittelstand zahlen die Kosten der Energiewende (Statistisches Bundesamt). Die Regulierungsbehörde wird wohl ab 2016 den Garantiezins senken (aktuellen Bedingungen des Kapitalmarktes anpassen). Wenn der Eigenkapitalzinssatz sinkt, gehen auch die damit fälligen Gebühren für die Stromkunden zurück. Im Juli 2021 erreicht der Strompreis ein Zwölfjahreshoch: Strompreis an der EEX fast 80 €.Im ersten Quartal  2022 stammten 13% des eingespeisten Stromes aus Gaskraftwerken. Sie springen meist flexibel ein nur bei sehr hoher Nachfrage - und setzen dann den Preis.

Industriestrompreis: 2023 will der Wirtschaftsminister energieintensive Unternehmen kurzfristig mit einem Industriestrompreis entlasten. Die Ausgestaltung ist noch unklar. Der Durchschnitt in der EU liegt (2. Halbjahr 2022) bei 21,04 Cent pro Kilowattstunde. Deutschland hat 19,86. Günstiger ist Osteuropa ohne Rumänien, Niederland, Polen, Schweden, Frankreich, Portugal. Teurer sind Italien, Litauen, Zypern, Griechenland, Spanien. Vgl. HB 25.4.23, S. 6f. Weltweit sind die USA das billigste Industrieland (8,3 Cent). Südkorea ist nicht viel teurer (10,0 Cent). In Europa ist Norwegen am günstigsten (17,9). Habeck will dafür Milliarden vom Finanzministerium. Lindner winkt ab, auch der Bundeskanzler. Vgl. HB 2.5.23, S. 6f. Habeck pocht auf Subventionen. Doch ist das klug? Welche Industrien sollen gefördert werden? Ökonomen stehen unterschiedlich dazu. Außerdem muss die EU zustimmen. Das geht wohl nur über einen Finanztransfer an ärmere Mitgliedsstaaten. Vgl. Der Spiegel 20/ 13.5.23, S. 60ff. Eine weitere Frage ist, ob eher die großen Unternehmen aufgepäppelt werden sollen. Der Mittelstand muss gucken, wo er bleibt. Vgl. Tutt, C. u. a.: Der große Preis, in: WiWo 21/ 19.5.23, S. 26ff. DGB-Chefin Fahimi fordert im Mai 23, den Strompreis für die Industrie bei vier Cent zu deckeln. Das könnten bis zu 50-Mrd. € - Subventionen ergeben. Die Wirtschaftsweisen warnen, dies könne den Strukturwandel bremsen. Vgl. HB 30.5.23, S. 1. Es gibt zwei extreme Positionen: 1. Das Geld sichert den Wohlstand. 2. Die Subvention würde das Land ärmer machen. Vgl. Die Zeit 10.8.23, S. 21. Vgl. Auch: Südekum, Jens: Was für den Industriestrompreis spricht, in: Wirtschaftsdienst 8/ 2023, S. 506/7. In der SPD scheint sich eine Mehrheit für den Preis zu bilden (gegen Scholz?). Im Gespräch sind 5 Cent (Fraktionskonferenz in Wiesbaden). Die Grünen sind eher für 6 Cent. Die FDP lehnt die dauerhafte Subventionierung ab. Kanzler Scholz liegt eher auf der Linie der FDP. Die Finanzierung soll über den WSF, einem Sondertopf, laufen. Der Strompreis dürfte wegen des steigenden Bedarfs relativ hoch bleiben (über 7 Cent). Alternativen könnte eine Abschaffung der Stromsteuer sein oder Großkundenvereinbarungen der Industrie mit den Lieferanten. In den Genuss der Subvention würden ca. 2500 Unternehmen kommen, in RLP vor allem BASF und Schott. Die anderen, vor allem KMU und Privatkunden, müssten das aufbringen. Die Grundstoffindustrie ist wirklich in einer Notsituation (Ammoniak, Stahl, Aluminium u. a.). Die 16 Bundesländer sprechen sich geschlossen für einen befristeten "Brückenstrompreis" aus. Man will einen unabsehbaren und nicht rückgängig machbaren Flurschaden verhindern. Es gibt auch den Vorschlag, indirekte Subventionen für Stromfresser zur Verfügung zu stellen. Das wäre dei so genannte Strompreiskompensation (von der EU zugelassen, Beratungsunternehmen Afry und Neon). Dei Branchenverbände favorisieren die Absenkung der Netzentgelte. Die Gewerkschaften sind gespalten: Die IG Metall und IG BCE sind dafür, Verdi dagegen. Massiver Druck kommt vom BDI. Siegfried Russwurm redet vom Untergang der Industrie.  Ein Gipfeltreffen mit der Chemiebranche und Ministerpräsidenten im Bundeskanzleramt am 27.9.23 endet ohne Entscheidung.  Die Grünen wollen den Brückenstrompreis für die EU. Schließlich kommt die Bundesregierung am 09.11.23 zu einer Einigung: Es kommt ein Strompreispaket zur Entlastung der Industrie in den kommenden fünf Jahren. Die Stromsteuer für die produzierende Industrie wird auf das EU-Minimum von 0,05 Cent gesenkt. Weiterhin wird die Strompreiskompensation verlängert, die zusätzlich für die energieintensive Industrie im internationalen Wettbewerb gilt. Übertragungsnetzentgelte werden stabilisiert. Im September 2024 will der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller eine Reform der Stromentgelte für die Industrie. Das ist ein Angriff auf die Privilegien der Industrie. Bei den Unternehmen herrscht Unsicherheit. Der Kanzler der Minderheitsregierung Scholz spricht sich im November 24 für eine Stabilisierung der Netzentgelte für die Industrie aus.   2023 ist der Strompreis für Unternehmen in den Niederlanden, Italien und Frankreich teurer als in Deutschland (20,55 Cent je kWh). Der EU-Durchschnitt liegt bei 19,64. Billiger sind Spanien, Dänemark und Norwegen.

Strompreiszonen: Sie werden 2023 geplant. Die Länder im Süden Deutschlands sollen höhere Strompreise haben als die im Norden. Damit soll berücksichtigt werden, dass im Norden mehr Strom aus alternativen Energien erzeugt wird. Die Länderchefs im Süden wehren sich dagegen.

Strompreise und Atomausstieg: In Europa ist Strom in Deutschland für Verbraucher besonders teuer. Der Atomausstieg hatte Einfluss auf den Preis, aber andere Faktoren waren stärker. Deutschland muss manchmal Strom importeieren, vor allem der Süden. Imme rmehr Strom kommt aus erneuerbaren Quellen (57,7% 2023). Bis 2030 will man auf 80% kommen. Der Kohleausstieg, für 2030 (Osten 2038) vorgezogen, könnte verschoben werden. Vgl. Pinzler, Petra: Hat der Atomausstieg unsere Strompreise erhöht?, in: Die Zeit Nr. 47/ 9.11.23, S. 25.

Strommarkt: Die Grünen wollen in ihrem Programm von 2021 vor der Bundestagswahl eine Strom-Revolution. Sie wollen den Strommarkt umbauen. Der Anteil erneuerbarer Energien soll deutlich steigen. Zudem soll die Produktion von grünem Wasserstoff unterstützt werden. Der CO2-Preis soll auf 60 Euro steigen. Auch die Flexibilität soll erhöht werden.

EU-Reform des gemeinsamen Strommarktes 2023: Stark schwankende Strompreise soll es künftig für Verbraucher nicht mehr geben. Der Strommarkt soll stabiler, nachhaltiger und erschwinglicher werden. Die Strompreise sollen in Krisen gesenkt werden können. Mit Ergänzungsverträgen sollen Erneuerbare Energien gefördert werden (Contracts for Difference, CfDs).

Merit-Order-Prinzip: Verfahren für die Bildung des Strompreises an der Europäischen Energiebörse in Leipzig. Dabei werden nacheinander diejenigen Kraftwerke als Lieferanten berücksichtigt, die den Strom zu den niedrigsten Grenzkosten erzeugen. Das am kostengünstigsten produzierende Kraftwerk hat Vorrang. Steigt die Nachfrage, geht der Preis nach oben. Die Grenzkosten ergeben sich aus den Kosten der Brennstoffe. Das Kraftwerk, das als letztes gebraucht wird, um den Energiebedarf zu decken, bestimmt den Börsenpreis des Stroms. Für erneuerbare Energien wie Sonne und Wind gelten andere Regeln: Der Strom wird immer genommen, egal wie teuer er ist und ob er benötigt wird. Vgl. Bernd Müller: Lichtblick für Gasriesen, in: Bild der Wissenschaft 3-2015, S. 82.

Exkurs Strompreisbörse European Energy Exchange (EEX), Leizig: Es ist ein weltweiter Marktplatz. Hier wird noch mehr gehandelt: CO2-Zertifikate, Gas, Milchprodukte. Strom wird für 20 Länder gehandelt (Europa, Asien, USA). Grundsätzliche Börsenregeln: Transparenz, Anonymität, Gleichheit. Es regiert der Markt, also Angebot und Nachfrage. Das wird mit effizienten IT - Systemen umgesetzt, z. B. ONTRAS.

Exkurs. Strom-Reform und Neuausrichtung des Marktsystems: Habeck skizziert 2023 eine Stromreform. Es geht vor allem um den wachsenden Anteil erneuerbarer Energien (weg von fossilen und atomaren Großkraftwerken). Ziel ist eine klimaneutrale, stabile Stromversorgung zu erschwinglichen Preisen. Bis Ende 2023 soll ein neues Strommarktdesign erarbeitet werden.

Räumliche Koordination im liberalisierten Strommarkt: Einteilung in kleinere Marktzonen. Hierzu gibt es Nodal Pricing und Market Splitting. Die Netzentgelte können ein Steuerungsmechanismus sein. Bestandsanlagen sind ein Problemfall. Vgl. Korte/ Gawel: Räumliche Koordination im liberalisierten Strommarkt: angemessene Anreize für die Einspeisung, in: Wirtschaftsdienst 2018/1, S. 60ff.

Stromgestehungskosten: "Immer wieder werden die sinkenden Strom­gestehungs­kosten erneuerbarer Energien herangezogen, um zu argumentieren, dass die Stromkosten in Deutschland sinken werden. Die Stromgestehungskosten stellen jedoch keine belastbare Grundlage für die Einschätzung der zukünftigen Stromkosten dar. Vergleicht man die Produktion der Wind- oder Solaranlagen mit der Stromnachfrage, so ergeben sich in vielen Stunden des Jahres Versorgungslücken, die durch komplementäre Technologien wie Batteriespeicher oder Gaskraftwerke, und künftig auch durch wasserstoffbetriebene Kraftwerke, gedeckt werden müssen. Die Investitionskosten dieser Anlagen und ihres Betriebs müssen in die Berechnung der Kosten zur Befriedigung der Nachfrage eingehen. Diese „Levelized Cost of Load Coverage“ deuten nicht darauf hin, dass die Stromkosten im kommenden Jahrzehnt deutlich sinken werden." Siehe Grimm, V./ Oechsle, L./ Zöttl, G.: Stromgestehungskosten von Erneuerbaren sind kein guter Indikator für zukünftige Stromkosten, in: Wirtschaftsdienst 6/ 2024, S. 387-394.

Energieschwankungen und Ausgleich: Hier liegt viel Entwicklungspotential. Stromspeicher (Seen), neue Batterietechnologien, Umwandlungen (in Wasserstoff) und Pumpspeicherkraftwerke können eine Lösung sein. Pumpspeicherkraftwerke speichern elektrische Energie durch Hochpumpen von Wasser. Wird Strom benötigt, lässt man das Wasser bergab fließen und erzeugt durch Turbinen und Generatoren Strom. Das größte Pumpspeicherkraftwerk in Deutschland soll im Hotzenwald im Südschwarzwald entstehen. Noch in der Testphase sind magnetische Energiespeicher (Energiefeld, permanente extreme Kühlung). Ohne eine ausreichende Netzinfrastruktur, um Strom aus Windkraftanlagen vom Norden in den Süden zu transportieren, wird es aber nicht gehen.  Smart Grid:  englische Begriff für ein intelligentes Stromnetz. Es erfasst Verbrauchsspitzen und steuert die Einspeisung und Verteilung der Energie. Hier wird die Steuerung immer wichtiger (Siemens, SAP u. a.). Einflüsse auf die Auslastung haben Jahreszeiten (Winter problematischer als Sommer) und Tageszeiten. Wichtig sind auch gute Kühlverfahren. Die Steuerung des Stromflusses wird umso wichtiger, je mehr kleine, dezentrale Erzeugungsanlagen Strom ins Netz einspeisen. Die Forschungen in Kleinenergiespeicher (Batterien pro Haushalt) sollten intensiviert werden. Immer wichtiger wird ein effektives Demand-Site-Management (Erforschung der Preissignale). Wenn die Erzeugung sich nicht mehr nur am Verbrauch orientiert, werden Smart Grids auch für Haushalte interessant. Gaskraftwerke können Flauten von Solar- und Windstrom überbrücken. Doch die Reservisten müssen bezahlbar sein. Immer wichtiger wird die Einrichtung von Energieschwärmen (Kooperation einzelner Erzeugungsformen).  Als zukunftsträchtig gilt auch die Power-to-Gas-Technologie: Ökostrom wird unter Zuhilfenahme von Wasser chemisch in Wasserstoff und Sauerstoff umgewandelt. Dadurch wird Strom speicherbar. Mögliche Nutzungsoptionen ergeben sich im Verkehr, bei Haushalten oder in der Kraft-Wärmekopplung. 2015 entstehen immer wieder Energieüberschüsse bei Erneuerbaren Energien wie Solar und Windrädern in Deutschland. Diese Überschüsse werden in die Nachbarländer wie Polen, Tschechien, Niederlande, Belgien und Frankreich geleitet und führen dort teilweise zu Zusammenbrüchen. Die Länder wollen sich abschotten und fordern Deutschland auf, sein Stromnetz endlich auszubauen. Eine Pilotanlage wird ab 2014 in Frankfurt betrieben. 2015 startet das Pirmasenser Prüf- und Forschungsinstitut  eine Anlage zur Umwandlung von Ökostrom in Erdgas. 2,6 Mio. Euro kostet die Pilotanlage, die mit Mikroben arbeitet. 2014 betrug die Stromrechnung von Google 1300 Millionen Dollar. Lernende Algorithmen senken massiv die Energiekosten. Die schlaue Software soll bald auch in Deutschland eingesetzt werden.

Smart-Meter: In den nächsten Jahren dürften vorhandene Stromzähler durch vernetzte intelligente Messsysteme, die als Smart Meter bekannt sind, ersetzt werden. Am 2. September 2016 trat in Deutschland als ein Element des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) in Kraft. Smart-Meter haben drei Informationsaustauschfunktionen: 1. Kommunikation von intelligenten Messsystemen. 2. Datenaustausch mit steuerbaren Energieverbrauchern. 3. Datenversand und -empfang für externe Marktteilnehmer.

Speicher: 1. Betonkugeln am Meeresgrund, in die überschüssiger Strom aus Windparks gepumpt wird. Wird Strom benötigt, strömt Wasser ein und treibt eine Turbine an (Nordsee). 2. Ist Strom billig, ziehen Elektroloks Waggons lang gestreckte Hügel hoch. Rollen die Züge gen Tal, speist ein Generator Strom ein (Nevada). 3. Wasser sammelt man in einem still gelegten Bergwerk. Stürzt es an die Oberfläche, treibt es im Schacht installierte Stromturbinen an (Bottrop). 4. Setzen Kompressoren Ballons unter Druck, kann man mit der ausströmenden Luft Strom produzieren (Toronto, Kanada). 5. Nutzen des Tidenhubs bei Ebbe und Flut (Swansea, Wales). 6. Zurückverwandeln von Wärme in Strom (Hamburg). Vgl. Wirtschaftswoche 50/ 2.12.16, S. 60ff. Ab 2019 entsteht Europas größter Stromspeicher in der Lausitz. Es ist ein Batteriespeicher (genannt "Big Battery") bei Spremberg. Er kostet 25 Mio. €. Das Problem dabei ist, dass auch Strom der Braunkohlenkraftwerke und nicht nur regenerative Energie einfließt.

Speichertechnologie:  Immer mehr deutsche Hausbesitzer schaffen sich Stromspeicher an. Im ersten Halbjahr 2023 gab es doppelt so viele Batterien wie im Vorjahr. Insgesamt gibt es mitte 23 schon 882700 Heimspeicher. Dei Kosten für Lithiumbatterien sind rapide gesunken. Vgl. WiWo 39/ 22.9.23.

Batteriespeicher: Sie sollen eine tragende Rolle spielen. Dei Speicherkapazitäten sollen sich bis 2030 vervielfachen (von 2022 an). Das soll ohne Subventionen gehen. Berlin will den Ausbau mit einer Speicherstrategie unterstützen. Vgl. HB 6/ 9.1.24, S. 14.

Virtuelle Kraftwerke: Sie machen Schwankungen bei Sonnen- und Windstrom berechenbar. Deutsche Energiewende - IT könnte ein Exportschlager werden. Das virtuell Kraftwerk übernimmt eine ähnliche Verantwortung im Stromnetz wie ein konventionelles und ist emissionsfrei.

Modelle für Versorgungssicherheit beim Ausfall von Wind- und Solarstrom: Zusätzliche Kraftwerksreserve, reine Marktlösung ohne nennenswerte Reserve (EU-Kommission), dezentraler Kapazitätsmarkt für Zertifikate (große Regionalversorger), fokussierter Kapazitätsmarkt (BMWi).

Konzepte der virtuellen Stromspeicherung: Hiermit können zukünftig dezentrale industrielle Stromspeicher verbunden werden. Damit geht die Entwicklung vom Energiemanagement zum Flexibilitätsmanagement. Die vier Energiemärkte (negative Sekundärreserve, negative Minderreserve, Spotmärkte/ Day Ahead, Intraday) sollen gekoppelt werden. Es geht darum, die Möglichkeiten der Regelenergiebereitstellung zu optimieren (Hauptproblem: wir haben zu viel Strom). Vgl. SP energycontrol ( www.energycontro24.de ).

Energie-Partnerschaften: Zwischen Norwegen und Deutschland. Die Trasse heißt NordLine und ist eine der längsten Leitungen der Welt unter dem Meer. Sie dient dem Austausch überschüssiger Energie: Deutschland aus Offshore - Windkraft. Norwegen liefert energie aus Wasserkraft, beides grün. 

Kühlverfahren: Durchlaufkühlung, Ablaufkühlung, Kreislaufkühlung (Nasskühlturm), Kreislaufkühlung (Hybridkühlturm). Der Klimawandel hat Folgen für die Energiewirtschaft (erhöhte Wassertemperatur, längeres Niedrigwasser, Zunahme von Hochwasser). 

Energiepolitik: Deutschlands fünf wichtigste Lieferländer für Gas: Russland (41%), Norwegen (29%), die Niederlande (24), Großbritannien und Dänemark. Die wichtigsten Lieferländer für Öl: Russland (34%), Norwegen (17), Großbritannien (12, Libyen (11), Kasachstan (7), Saudi-Arabien u. a. (3). Beim Erdöl und Erdgas spielen die Vorräte im Meer (z. B. vor der US-Ostküste), im Eis (z. B. Grönland) und im Wüstensand (z. B. China) eine große Rolle, deren Abbau mit steigenden Preisen immer rentabler wird. Die Versorgung muss weiterhin auf eine möglichst breite Basis gestellt werden. Am besten wäre es, die Besteuerung auf den Endverbrauch (Pigou!) zu erhöhen, damit die realen Energiekosten steigen und Innovationen angestoßen werden. Beim Ausbau internationaler Verträge muss die EU gemeinsam auftreten. Zunehmend bedrohen Kriege und Terroranschläge das internationale Netz der Öl- und Gas- Pipelines. Im Herbst 2011 wird die erste Pipeline von Russland durch die Ostsee nach Deutschland fertig (Nord-Stream-Pipeline, Erdgas). Nach der Krimkrise will Deutschland seine Energiepolitik erneuern. Die Abhängigkeit von Russland soll gesenkt werden. Dabei hat man besonders die Energiereserven Kanadas im Blick. "Wenn wir es schaffen, den Verbrauch um ein Drittel zurückzuschrauben, könnten wir damit ein bis zu 50 Jahren längeres Ölzeitalter einkaufen", Matthew Simmons, US-Rohstoffexperte.

Industriepolitik mit Energiekonsens: Nach der Atomkatastrophe in Japan brauchen wir eine Neuorientierung der Energiepolitik. Noch 10 bis 15 Jahre wird es nicht ganz ohne fossile Kraftwerke gehen. Evtl. muss kurze Zeit die Stein- und Braunkohle ausgebaut werden (Problem: wegen CO2 müssen die Emissionen unter der Erde gelagert werden). Das Gesetz zur Speicherung von CO2 unterirdisch fällt jedoch durch. Daneben müssen wir uns Gedanken machen über Windparks in Nord- und Ostsee, Gezeitenkraftwerke und Energiespeicheranlagen. Norwegens Bergseen könnten die Batterie Europas werden.  Die Zukunft gehört aber der dezentralen Energieversorgung. Wasserkleinkraftwerke, Wärmepumpen, Minisolaranlagen, Biomasseanlagen u. a. müssen ausgebaut werden. Trotzdem brauchen wir auch neue Netze, zumindest für die Industrie und in Städten. Es müssen zusätzlich Kraftwerke aus erneuerbaren Energieträgern (Geothermie, Wasserkraft, Bioenergie, Fotovoltaik, Windenergie) entstehen. Das größte Solarkraftwerk der Welt steht in Spanien, die größte Windenergieanlage ist in der Wüste Gobi in China. Insgesamt ist die Energiewirtschaft in Deutschland in hohen Maße subventioniert worden: in die Stromerzeugung mit Steinkohle flossen 177 Mrd. €, die Braunkohleverstromung bekam 65 Med. €, die Atomenergie 187 Mrd. € (Form Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft). In Frankreich hat Alstom Schwierigkeiten wegen des Rückgangs an Kraftwerksbauten. General Electric (GE) aus den USA will die Industrieikone übernehmen. Im letzten Moment bietet Siemens mit. Auch ABB hatte zu Beginn 2014 einen Einbruch bei der Energietechnik.

Energiemix in Deutschland (Primärenergieverbrauch): 2010 sieht die Verteilung des Primärenergieverbrauchs wie folgt aus: Gesamtverbrauch in Mio. t SKE 243,3 Mineralöl 76,3, Erdgas 58,9, Steinkohle 32,2, Braunkohle 25,9, Kernenergie 25,6, Erneuerbare Energien 21,4. 2050 sollen 50% durch erneuerbare Energien gedeckt werden (Windkraft 9, Biomasse 31, Sonstige 10). Braun- und Steinkohle sollen dann noch 7% decken, Erdgas 16%, Mineralöl 20%. 2020 sollen die Erneuerbaren Energien einen Anteil von 65,6% haben, die Fossilen Energieträger 34,4%, die Kernenergie 0% (2010: 21,7%). 2011 nach der Naturkatastrophe in Japan leitet die Bundesregierung eine Energiewende ein: Förderprogramm für erneuerbare Energien (KfW), Ausbau von Netzen und Speichern, bessere Energieeffizienz von Produkten, flexible Kraftwerke. 2014 beträgt der Energiemix in Deutschland 57,1% fossile Brennstoffe, 23,4% Erneuerbare Energien, 15,4% Kernenergie. Nach Bereichen verbrauchen 2014 Industrie, Verkehr und Haushalte etwa gleichviel Energie (Bericht des Umweltbundesamtes 2015). Die Sektoren unterscheiden sich aber in den genutzten Energieträgern: Im Verkehr vor allem Öl, in Haushalten vor allem Gas und Strom, in der Industrie  stark Kohle. 2018 liefern konventionelle Kraftwerke in Deutschland 91 Gigawatt. Die maximale Stromnachfrage liegt bei 82 bis 84 Gigawatt. Die Prognose bis 2023 lautet: Konventionelle Kraftwerke liefern 67 Gigawatt. Durch erneuerbare Energien können zwischen 16 und 67 GW hinzukommen (stärkster und schwächster Tag; Quelle: Bundesnetzagentur, Bundesregierung, Fraunhofer). 2018 sieht die Verteilung des Primärenergieverbrauchs wie folgt aus: Erneuerbare 14.0%, Kernenergie 6,4%, Braunkohle 11,5%, Steinkohle 10,1%, Erdgas 23,5%, Mineralöl 23,5%, andere 0,4%.  Vgl. auch McEwan, Solar (zusätzlich als Satire über den Wissenschaftsbetrieb).

Energiemix in der Welt: 2015 bestand folgender Energiemix: Öl 29%, Kohle 28%, Gas 27%, Biomasse 6%, Atomenergie 5%, Wasserkraft 3%, Solar 1%, Wind 1%. Energiemix 2050 (Prognose): Solarenergie 70%, Wind 18%, Biomasse 5%, Wasserkraft 3%, Geothermie 2%, Andere 2%.  Quelle: Energy Watch Group/ Deutschland und TU Lapeenranta/ Finnland 2019.

Anteile an der Nettostromerzeugung in Deutschland nach Energieträgern (2019): Windkraft 27,1%, Biomasse 7,8%, Photovoltaik 5,8%, Wasserkraft 4,9% (erneuerbare Energien 45,6%), Kernenergie 13,5%, Braunkohle 15,5%, Steinkohle 11,5%, Erdgas 9,2%.

Energieunternehmen in Deutschland: In Deutschland gibt es drei große Energieversorger: RWE, EnBW, E.on. Vattenfall hat seinen Sitz in Schweden. 2014 brechen die Gewinne ein und die Nettoschulden steigen an. Die großen Versorger kämpfen ums Überleben. Es gibt viele Grüne dafür: Der Ausstieg aus der Atomenergie, der geplante Ausstieg aus der Kohlestromversorgung, der Umstieg auf alternative Energien, das europäische  Handelssystem für CO2-Zertifikate. Eon verabschiedet sich als erstes dieser Unternehmen von Atom, Gas und Kohle. Es gibt eine Aufspaltung des Unternehmens in alternative Energien und fossile. Viele haben Angst, dass so eine Art "Bad Firm" entsteht, die ihren Entsorgungsverpflichtungen (Atomkraftwerke) nicht nach kommt. Die Frage ist, ob die Rücklagen ausreichen. RWE und EON spalten sich in zwei Teile auf. Hauptgrund ist, dass man Investoren für die Teile sucht, die den erneuerbaren Energien zuzurechnen sind. 2017 sind der Aktienkurs von E.ON um 50% und der der RWE-Tochter Innogy auch zweistellig gestiegen. Ende 2017 gibt es Gewinnwarnungen (Stilllegung fossiler Kraftwerke). Im März 2018 wird ein Mega-Deal im Energiemarkt eingeleitet. RWE verkauft die grüne Tochter Innogy an Konkurrent Eon. Damit wird Innogy zerschlagen (der Neustarter verschwindet). Im Gegenzug verabschiedet sich Eon vom Geschäft mit erneuerbaren Energien. die großen Windparks und Wasserkraftwerke gehen an RWE. Zudem wird RWE mit 16,7% an Eon beteiligt. 20 Milliarden Euro beträgt der Wert des Geschäftsvolumens. Offen bleibt, inwieweit dies zulasten des Wettbewerbs und auf Kosten der Verbraucher geht. Die EU-Wettbewerbsbehörde muss noch zustimmen. Faktisch könnte ein Stromkonzern mit erdrückender Marktmacht entstehen (die Verbraucher würden dafür zahlen müssen). Die Innogy - Zerschlagung bringt Probleme bei vielen Stadtwerken und kommunalen Versorgern. Innogy hatte rund 100 Minderheits- und Mehrheitsbeteiligungen. Die Anteile landen bei Eon. Die Stadtwerke haben aber eine "Change-of-Control-Klausel". Bei einem Eigentümerwechsel können sie die Anteile zurückkaufen. Großes Interesse hat auch die Münchener Beteiligungsgesellschaft "Thüga".

Energiewirtschaftsgesetz: Verpflichtung für alle Netzbetreiber, ihre Netze (Natürliche Monopole) diskriminierungsfrei allen Kunden gegen ein angemessenes Entgelt zur Verfügung zu stellen. Nationale Umsetzung von EU-Gemeinschaftsrecht.

Energiesicherungsgesetz: Im Mai 2022 im Ukrainekrieg beschlossen. Der Netz-Agentur kann die Macht übertragen werden, die Prioritäten der Energieversorgung zu regeln. 2022 kommen mehrere Änderungen. Energiekonzerne sollen nicht ins Straucheln geraten. Die hohen Preise sollen auf alle Kunden umgelegt werden können.

EU-Richtlinie zum Energiesparen: Im Juni 2012 einigen sich das Europaparlament und die EU-Regierungen auf diese neue Richtlinie. Innerhalb von 18 Monaten soll sie in nationales Recht umgesetzt werden. 2020 werden in der EU nur noch 1473 Millionen Tonnen Öleinheiten verbraucht. Bis 2020 werden mindestens 15% weniger Energie verbraucht. Stromkonzerne müssen Energiesparmaßnahmen machen (viele Ausnahmen), Verbesserung der Gebäudeeffizienz, insbesondere bei öffentlichen Bauten.

Energiesparverordnung in Deutschland ab 1. September 2022: Sie regelt das Energiesparen. Darin enthalten sind die Temperaturen in öffentlichen Gebäuden. Die öffentliche Beleuchtung (Anstrahlen) usw.

Energiesteuer: Indirekte Steuer und Verbrauchsteuer auf Kraft- und Heizstoff. Teil der ökologischen Steuerreform. Bekannt sind die Stromsteuer und die Energiesteuer (früher Mineralölsteuer) auf Benzin, Diesel, Flüssiggas und Erdgas. "Die Vereinigten Staaten borgen sich nach wie vor Geld von China, um Öl vom Persischen Golf zu kaufen und es auf eine Weise zu verbrennen, die den Planeten zerstört", Al Gore: Wir haben die Wahl, München 2009, S. 23. 2015 lehnen die Bürger der Schweiz in einer Volksabstimmung eine Energiesteuer ab.

Energieintensive Unternehmen und Steuervergünstigungen: Bei vielen Energiesteuern (z. B. bei der Stromsteuer) haben energieintensive Betriebe Vergünstigungen. Dies kann auch zu Mitnahmeeffekten führen. Deshalb ist ein Abbau geplant. Dies könnte aber die Wettbewerbsfähigkeit bedrohen. Insbesondere kleinere Unternehmen wären betroffen. Bei der Öko-Steuer versucht man Lösungen zu finden, die KMU nicht benachteiligen. Besonders umstritten ist die Netzentgeltbefreiung. Stromintensive Unternehmen (mindestens 7000 Stunden pro Jahr am Netz und Stromverbrauch über 10 Gigawattstunden) sind ganz von den Netznutzungskosten befreit. Dazu gehören 202 Unternehmen 2011. Um die Ausnahme zu finanzieren gibt es eine Sonderumlage (0,329 Cent pro Kilowattstunde für Privathaushalte). Die EU-Kommission prüft 2013 die Ausnahmetatbestände. 2013 gibt es bereits 2245 Firmenstandorte, die die Ökostromumlage nicht zahlen müssen (BAW). Bei den Verhandlungen für die große Koalition wird über Veränderungen verhandelt, damit der Strompreis für Haushalte wieder sinken kann. Manche Betriebe sind auch befreit, weil sie ihren Strom selbst erzeugen (Beispiel BASF, die Energiekosten sind 2013 am Rhein um 500 Mio. € pro Jahr höher als in den USA; ein Ammoniakwerk wird wegen des günstigen Gaspreises in Folge von Fracking an der US-Golfküste gebaut). Die Zahl der energieintensiven Betriebe, die von der Umlage befreit sind, erhöht sich 2013 auf ca. 2800. Die EU leitet deshalb Ende 2013 ein Verfahren gegen Deutschland ein. Es geht um versteckte Subventionierung und Verletzung europäischen Wettbewerbsrechts. Im schlimmsten Falle drohen Nachzahlungen. Bundeswirtschaftsminister Gabriel will die Unternehmen (ca. 2000) nur um 1 Mrd. Euro mehr belasten statt um 4 Mrd. Euro. Bis April 2014 soll eine Einigung über Industrieausnahmen vorliegen (mit EU-Kommissar Almunia abgestimmt; was ist mit Eigenstromerzeugung aus Kraft-Wärmekopplung oder erneuerbaren Energien?). Das generelle Problem ist, die Stromkosten auf einem wettbewerbsfähigen Niveau zu halten. Zusätzlich brauchen die Unternehmen für ihre Investitionspläne Planungssicherheit. die EU fordert 2014 (Wettbewerbskommissar), dass die deutsche Industrie Ökostrom-Rabatte nachzahlen soll. Gleichzeitig ist die EU bei EEG-Zahlungen aber zu Ausnahmen bereit. Im Gesetzentwurf von Gabriel von 2014 sollen folgende Branchen ausgenommen werden (bzw. Anspruch auf Rabatte haben, Auswahl) und damit subventioniert werden: Lederherstellung, Spinnen von Textilfasern, Steinkohlenabbau, Öl- und Fettproduktion, Salzgewinnung, Fruchtsaftherstellung, Zementherstellung, Verarbeitung und Konservierung von Obst und Gemüse, Aluminiumproduktion, Malzproduktion, Papierherstellung, Kupferproduktion, Sanitärkeramikherstellung. Maßgeblich ist der Anteil der Energiekosten an der Bruttowertschöpfung (magische Schwelle von 25%). Allerdings gibt es viele Tricks, um über die 25% zu kommen (z. B. Teile der Belegschaft werden durch Werkvertragsbeschäftigte ersetzt; dadurch reduzieren sich die Lohnkosten; der Energiekostenanteil steigt). Nach der Intervention dreier Bundesländer sollen die Unternehmen mit ihren Eigenstromanlagen weiterhin ausgenommen werden. Die genaue Befreiung muss mit der EU ausgehandelt werden (Ringen um Rabatte). Die Befreiung soll zumindest bis 2017 gelten. Im April 2014 beschleißt die EU-Kommission Richtlinien: Die EU verzichtet auf Rückzahlung bereits gewährter Vergünstigungen für 2013 bzw. 2014. Die Nachlässe können noch bis 2018 komplett umgesetzt werden. Dafür müssen die Staaten einen Anpassungsplan vorlegen. Unternehmen aus 68 Branchen können nach Richtlinien der EU weiterhin Ökostrom-Förderung erhalten. Unternehmen sollen nach neueren Plänen von der EEG-Umlage befreit werden, wenn ihre Energiekosten mehr als 16% ihrer Gesamtkosten betragen. Fast neun Prozent des in Deutschland erzeugten Stromes werden von Industriebetrieben produziert (2013, relativ konstant). Gut ein Drittel dieser Menge wird in der chemischen Industrie hergestellt. Hauptenergieträger ist dabei Gas. Energieintensive Betriebe können 2015 rund 800 Mio. sogenannte Netznutzungsgebühren auf normale Stromkunden abwälzen. Die Anzahl der Betrieb, die von der Nutzung befreit sind, steigt an (1000 neue Anzeigen). "Die energieintensiven Grundstoffindustrien gehören zur wirtschaftlichen DNA dieses Landes. Wir dürfen diese Wertschöpfungsprozesse nicht zerstören. Sonst zerstören wir die Zukunft des Industriestandorts Deutschland", Ullrich Grillo, BDI-Präsident.

Industriestrompreis und Energiepolitik: Das Wirtschaftsministerium arbeitet 2023 an Konzepten für einen Industriestrompreis. Zentral soll der Offshore - Windstrom sein. Es soll einen Schutz vor dem Kostenschock geben. Zu Beginn 2023 liegt Deutschland beim Industriestrompreis auf Platz sieben in Europa (es führen Griechenland und Italien). Vgl. HB 9.1.23, S. 10f.

Karussellgeschäfte am Strommarkt: Stromkonzerne kaufen Strom im Ausland. Sie bezahlen keine Mehrwertsteuer. Dann verkaufen sie den Strom in Deutschland so oft, dass man den Überblick verliert. Zuletzt wird der Strom wieder im Ausland verkauft. Daraufhin lässt man sich die Mehrwertsteuer zurückerstatten, die man nie bezahlt hat. Dieser Steuerbetrug ist eine Millionengeschäft. ENBW aus BW ist darin verwickelt. Die Karussellgeschäfte sollen von der russischen Mafia gesteuert werden.

Energiemanagement im Unternehmen: Hier werden die betriebswirtschaftlichen Funktionen Facility Management, Logistik, Energiebeschaffung, PPS (Produktions-Planung und -Steuerung), Produktion, Instandhaltung und Informationstechnologie verbunden. Vgl. Kals, J.: Betriebliches Energiemanagement, Stuttgart 2010, S. 72ff.

Energiekonzept: In Deutschland ist kein Konsens zu erzielen. Die Berechnungen von Bedarf und Effizienz zwischen alternativen und traditionellen Energien sind höchst umstritten. Noch unklarer sind die Einschätzung der Risiken und die Auswirkung der Kosten auf bestimmte energieintensive Industrien (Aluminium, Zink). Wir brauchen auch ein neues Mobilitätskonzept, man kann Benzinautos nicht einfach durch Elektroautos ersetzen. Der Plan der Bundesregierung sieht vor, ab 2050  80% mit Ökostrom zu versorgen. Das größte Potential liegt in der Energieeffizienz. Um 80% soll bis 2050 der Primärenergiebedarf von Altbauten verringert werden. Der Nullemissionsstand für alle Wohngebäude im Jahre 2050 würde Gesamtkosten in Höhe von 2 bis 2,4 Billionen € verursachen. Allerdings würde eine solche Zwangssanierung die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und sozialen Ausgewogenheit verletzen. Ende 2012 beschließt die Bundesregierung, dass Zuschüsse für die Gebäudedämmung eingerichtet werden. Mit Einzelbeiträgen von bis zu 5000 € sollen Hausbesitzer angeregt werden, Gebäude besser zu isolieren. Das Programm läuft über die KfW. "Ich bin überzeugt, dass die Energiewende jetzt schon irreversibel ist", Peter Altmaier, Ex-Bundesumweltminister (jetzt Bundeskanzleramt).

Energiemarkt in Deutschland: Geprägt wird der Markt vom EEG-Gesetz. Alternativen wären die Abschaffung, ein einheitlicher Einspeisetarif, ein Auslagerungsmodell oder eine Quotenregelung. Schwierig sind die verschiedenen Ziele unter einen Hut zu bringen (Klima, Nachfragegerechtigkeit/ Versorgung, Ordnungspolitik). Extrem problematisch ist die Einschätzung von Effizienz und Effektivität. Beim Marktdesign sollte man nicht ausschließlich mit Rationalität agieren. In vielen Techniken hat Deutschland die Lernkurven der Welt finanziert (Solar, Windkraft). 2013 prüfen Deutschlands Energiekonzerne und Stadtwerke das Stilllegen Dutzender konventioneller Kraftwerke. Dazu muss ein Antrag bei der Bundesnetzagentur gestellt werden. Vgl. auch Energieunternehmen in Deutschland

Energy-Only-Market: Bau flexibler Kraftwerke. Selbstregulierung der Märkte. Probleme: Gegenseitige Erfolgsabhängigkeit der Investoren (Engpassbeseitiugung). Besonderheiten des Strommarktes homogenes Gut, Überkapazitäten). Es bedarf Back-up-Kapazitäten, wie z. B. neue flexible Gaskraftwerke. Vgl. Marquardt, Ralf - M.: Kann der Energy-Only-Market Stromversorgungssicherheit garantieren? in: Wirtschaftsdienst 2019/1, S. 61ff.

Energiemarkt 4.0: Über den Energiemarkt kann man Einfluss nehmen auf die Energiewende. Im Zuge von Energie 4.0 (Smart, Speicher) kommen die börsennotierten Tarife,  das Intraday - Trading und die Regelung über Plattformen. Lieferant und Kunde sowie Kunde zu Kunde können kurzfristig zu Vereinbarungen kommen. Märkte können regionalisiert werden.

Gebäude und Energie: Mit erneuerbaren Energien kann man Heizkosten sparen, wenn mehrere Technologien kombiniert werden. Zu nennen wären z. B. die Erdwärmepumpe, Holzpelletskessel, Solarkollektoren. Das Plusenergiehaus (Passivhaus) ist auch eine Möglichkeit (mit Nutzung von Sonneneinstrahlung). Im Jahre 2012 sind die Heikosten im Schnitt um 7,5% gestiegen. Immer wieder gibt es Versuche in der Politik, Dämmung von Gebäuden vorzuschreiben. Doch dies ist sehr umstritten. Finanziell lohnt es sich kaum, ein altes Haus "einzupacken". Vor allem ärmere Haushalte trifft die Energiesanierung. Die Spareffekte werden überschätzt. Weniger heizen ist wirksamer.

Smart Communities: Optimale Energieausnutzung in Wohnanlagen. In der Regel anhand von Solaranlagen ausgeführt. Entscheidend ist die Steuerungs- und Speichertechnik. 2015 startet ein Experiment in Speyer (Stadt, Stadtwerke, Gewo, Nedo). Das japanische Staatsunternehmen Nedo liefert die wichtige Steuerungs- und Speichertechnik. In Landau soll ein E-Park entstehen: ein intelligentes Gewerbegebiet, in dem Firmen vieles gemeinsam nutzen. Als Smart City schlechthin gilt die spanische Stadt Santander. Hier ist fast alles miteinander verbunden (Parkplätze, Müll. Baustellen, Beschwerden gegen die Verwaltung, öffentliche Beleuchtung).

Dritte industrielle Revolution: Gemeint ist die Verbindung von erneuerbaren Energien, neuer Mobilität und Speichertechniken zusammen mit dem Internet. Vgl. J. Rifkin: Die dritte industrielle Revolution, Frankfurt (Campus) 2011.

Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG): Ein Förderinstrument zum Ausbau erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung. Es wurde im Jahre 2000 von der rot-grünen Bundesregierung verabschiedet. Stromerzeugung aus Sonnenenergie, Wind, Wasserkraft, Geothermie und Biomasse sollen gefördert werden. Es basiert auf Einspeisetarifen, die den Betreibern von Erneuerbare-Energien-Anlagen gezahlt werden. Bei der Inbetriebnahme der Grünstromanlage erhalten Besitzer 20 Jahre lang eine feste Vergütung für jede produzierte Kilowattstunde.  Pro Jahr kostet das Gesetz ca. 16 Mrd. €. Das wichtigste Ergebnis dürfte der Anstieg der installierten Leistung sein. Sehr umstritten sind die Verteilungswirkungen des Gesetzes. Sind wirklich obere Einkommensschichten benachteiligt? Eine Reform des Gesetzes wird immer wieder diskutiert. Der Druck kommt vom Anstieg des Strompreises (Differenz, s. o.). Viele Experten halten eine Quotenregelung für sinnvoller (erst Lieferung an die Oligopolisten). Der Netzbetreiber oder Stromhändler muss die Quote einhalten, die überwacht wird (regenerative Energie zertifiziert). Vorteil ist, dass die günstigste Erzeugungsart ausgewählt wird. Nachteil kann die regionale Konzentration sein. Eine Alternative wäre das Marktintegrationsmodell. Die Anlagenbetreiber müssen ihren Ökostrom selbst vermarkten. Seit 2012 wird dies schon von vielen Windparks genutzt als Zusatzoption. Drittens könnte man das EEG soft abändern, um die Betreiber von Solar- und Windanlagen weiter zu fördern. So könnte man die Einspeisvergütungen senken. Gegenwärtig können die Konzerne ihre für die Netzstabilität wichtigen Gas- und Kohlekraftwerke nicht auslasten. Im Eiltempo legt der Wirtschaftsminister im Januar 2014 eine Reform des Gesetzes vor: Bisherige Förderzusagen werden strikt eingehalten. Die Förderkosten für neue Ökostrom-Anlagen sollen im Jahre 2015 auf im Schnitt nur noch 12 Cent pro Kilowattstunde (vorher 17 Cent) sinken. Auf auf selbst produzierten Strom wird eine Öko-Umlage fällig. Die Rabatte für große Stromverbraucher wie die Industrie sollen gekürzt werden. Baden-Württemberg und Bayern schließen 2014 eine Allianz gegen die Pläne: Förderung für Biogas-Anlagen ausnehmen, Subventionierung von Reservekapazitäten, Kompromiss bei der Windkraft. Die Bundesregierung klagt im März 2014 vorsorglich gegen das EU-Verfahren zur Überprüfung der Öko-Strom-Rabatte. Im April 2014 einigt sich das Kabinett auf eine Reform des EEG. Die Befreiung bleibt grundsätzlich bestehen. Die genaue Regelung wird mit der EU abgestimmt. Die Förderung der Windenergie wird nicht so stark gedeckelt wie geplant. Bis 2025 soll der Anteil der erneuerbaren Energien auf 40 bis 45% steigen. Die EEG-Umlage wird stabilisiert (erst 2020 Erhöhung um 0,2 Cent). Kleinanlagen sollen keine Umlagen leisten. Auf Druck der EU soll die Industrie 30% der EEG-Umlage zahlen. Im Juli 2014 wird die Novelle zum EEG beschlossen: Bis 2035 60% Ökostrom. Kürzung der Förderung der Ökostrom-Anlagen. Da es im September 2014 einen Milliardenüberschuss bei der Ökostrom-Umlage gibt (1,5 Mrd. €), kann die Umlage in nächster Zeit gesenkt werden: Von derzeit 6,24 Cent auf 6,17 Cent je Kilowattstunde. Die milliardenschwere Liquiditätsreserve, mit der die Netzbetreiber Kontoschwankungen im Jahresverlauf ausgleichen sollen, bleibt umstritten. Anfang Juni 2016 einigen sich Bund und Länder auf eine Reform des EEG: 1. In den Genuss von Subventionen sollen sollen Betreiber von Großablagen kommen, wenn sie die geringste Förderung verlangen. 2. Der Ausbau der Stromerzeugungskomponenten soll synchronisiert werden mit dem Netzausbau. Ab 2017 werden Windparks und große Fotovoltaik-Anlagen ausgeschrieben. Obergrenzen an Megawatt werden festgelegt. 2020 feiert das Gesetz sein 20-jähriges Jubiläum. Kann das Förderende für alte Anlagen ein Problem für die Energiewende werden? Eine Anpassung der Ausbaupfade ist besser als eine generelle Förderung von Bestandsanlagen (Lehmann/ Gawel/ Korte/ Purkus: 20 Jahre EEG, in: Wirtschaftsdienst 2017/ 10, S. 727ff. Ende 2020 einigen sich die Regierungsparteien auf eine Reform des EEG, die zur Jahreswende ein Kraft tritt: Auch ältere Anlagen sollen noch unterstützt werden, wenn sie eigentlich aus der Förderung raus fallen. Der Verbrauch von selbst produzierten Strom soll leichter werden.  Werden Energiefirmen an den Kosten beteiligt, die ihren Strom mit eigenen Kraftwerken erzeugen, wäre das BASF-Stammwerk in Ludwigshafen stark betroffen (größte Chemie-Areal der Welt; einer der größten Stromverbraucher Deutschlands). Es würden Zusatzkosten von etwa 60 Mio. € entstehen. Boehringer Ingelheim besitzt  Biomassenkraftwerke in Ingelheim und in Biberach.  Durch die geplante Belastung von Neubauten dieser Art, wären sie vermutlich nicht mehr wirtschaftlich. Die Umlage zur Finanzierung der Energiewende sinkt im Oktober 2018 zum zweiten Mal in Folge: Ab 2019 beträgt sie 6,4 Cent pro Kilowattstunde, dass sind 5,7% weniger als 2018. Für die privaten Haushalte könnte der Strompreis trotzdem steigen. Ende 2018 überholen die erneuerbaren Energien die konventionellen in Deutschland. Großkonzerne wie Bayer, Evonik und Daimler haben mithilfe der Bundesregierung bis zu 10 Mrd. € EEG-Abgaben gespart - auf Kosten anderer Stromverbraucher. Quelle: Der Spiegel S. 88ff. Gerichte nehmen sich die Milliardentricks von Industrie und Kommunen vor. Letztlich ist das Betrug am Stromkunden.

EEG-Umlage: Sie ist eine Umlage zur Finanzierung des Ökostroms. Sie sinkt zum Jahreswechsel 21/22 auf 3,723 Cent je Kilowattstunde. Das sind mehr als 40%. Billiger dürfte der Strom aber nicht werden, weil die Umlage nur ein Bestandteil des Preises ist und Versorger beim Einkauf mehr als vor einem Jahr zahlen. Sie soll ab 2022 zurückgefahren werden, was im Durchschnitt den Haushalten um die 300 € bringt. 2022 wird die EEG-Umlage gestrichen. Man will den Stromanstieg durch das teurere Gas dämpfen. Ursprünglich sollte der Ausbau der Windenergie gefördert werden.

Energiewirtschaftsgesetz: Novelle 2012 beschlossen. Haftung für Netzausfälle von Windparks vor der Küste. Höhere Kosten für Verbraucher. Verbesserung der Versorgungssicherheit dadurch, dass die Bundesnetzagentur Kraftwerksbetreibern untersagen kann, Anlagen abzuschalten.

Energiesysteme der Zukunft: "Das Jahr 2021 hat in Deutschland neuen Schwung in die Bemühungen zum Klimaschutz gebracht. Die Novelle des Klimaschutzgesetzes schreibt eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 65 % bis zum Jahr 2030 gegenüber 1990 fest. Maßgeblich dazu beitragen soll ein massiver Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Nach Verschärfung der Klimaschutzmaßnahmen stellt sich die Frage, ob das bisherige Strommarktdesign und die damit einhergehenden Vergütungsregeln für die Stromerzeugung auch bei einem von erneuerbaren Energien dominierten Strommarkt weiterhin geeignet sind, um die im Energiewirtschaftsgesetz festgeschriebenen Ziele der Versorgungssicherheit und Preisgünstigkeit bestmöglich zu erreichen." "Es ist davon auszugehen, dass die Erreichung weiterer Ziele am besten mit Hilfe weiterer Instrumente sichergestellt werden kann. Für die Förderung einer kosteneffizienten Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist gleichwohl ein CO2-Preis langfristig das am besten geeignete Instrument. Siehe Haucamp, Justus u. a.: Erneuerbare Energien effizient und wirksam fördern. Arbeitsgruppe "Energiesysteme der Zukunft", in: Wirtschaftsdienst 9/2022, S. 694-702.

Energieverbrauch: Er ist 2023 auf einem Tiefstand (niedrigster Stand seit der Wiedervereinigung, 10.791 Petajoule). Hauptgrund ist die wirtschaftliche Entwicklung (Rezession).

Entlastungen der energieintensiven Industrie: Stand 2012 werden der Industrie über 9 Mrd. Euro an Entlastungen gewährt. Darunter sind Vergünstigungen bei der Ökosteuer (5 Mrd. €), CO2-Zertifikatszuteilung (1,5 Mrd. €), EEG-Umlage (2,2 Mrd. €) und Netzentgelt - Reduzierung (0,4 Mrd. €). Dadurch sind die Verbraucher, besonders die kleinen, und die mittelständische Industrie stark benachteiligt. Großunternehmen kaufen marode Werke auf, um zum Eigenstromprivileg zu kommen. Kleinunternehmen kommen oft nicht auf 14% der Energiekosten im Bezug auf die Wertschöpfung. Die Bundesregierung will 2013 allerdings weniger Betriebe von der Ausnahmeregelung profitieren lassen.

Energiewende: nach dem Atomausstieg relevant. Im Kern geht es um Erneuerbare Energien ausbauen (bis 2020 um 18%, Anteil 35%) und Energieverbrauch (Senkung um 20% bis 2020, Stromverbrauch um 10%) senken. Dieses Ziel könnte etwas zu ehrgeizig sein (könnte sich bis 2050 hinziehen). Die Stromversorgung muss gesichert werden. Das Stromnetz muss ausgebaut werden. Gaskraftwerke dürften Vorrang bekommen. Die Frage ist, ob Abstriche beim Klimaschutz gemacht werden müssen. Neue Gas-Pipelines und  neue Kraftwerke müssen gebaut werden. Windstrom sollte besser kontrolliert und geregelt werden. Die Energiewende wird voraussichtlich zu einem Job-Motor. 500.000 Arbeitsplätze dürften in der "Erneuerbare-Energien-Branche" bis 2020 entstehen. Mitte 2012 stellt die Bundesregierung die Energiewende in Frage (planmäßige Umsetzbarkeit, Prognosen zur Strompreishöhe, Koordinierungsbedarf). Es wird ein Zehn-Punkte-Programm vorgelegt: Die Ökostrom-Förderung wird komplett überarbeitet. Wind-, Sonne- und Biomasse-Anlagen müssen früher als geplant ohne Subventionen auskommen (die Solarenergie wurde überfördert, weil sie eigentlich relativ ineffizient ist). Kostenlose Energieberater sollen den Bürgern helfen. Der Schwerpunkt liegt auf dem Energiesparen. Der Strompreis dürfte steigen (entscheidend ist das Ausmaß). Verbunden mit der Energiewende sind Atomendlager und der Klimaschutz. Effiziente Kohle- und Gaskraftwerke sollen nicht mehr finanziell unterstützt werden. Bei einem Gipfel zur Energiewende zwischen Bundesregierung und Ländern im November 2012 einigt man sich auf die drei Ziele Versorgungssicherheit, zügigen Ausbau erneuerbarer Energien und verträgliche Preise. Prognosen der Bundesregierung 2013 gehen bis 2040 von Kosten von bis zu einer Billion Euro für die Energiewende aus (Förderverpflichtungen 680 Mrd. €). Die Opposition äußert scharfe Kritik. Dies ist sicher auch ein politisches Pokerspiel. Am 21.03.13 findet ein weiterer Energiegipfel in Berlin statt.  Der planlose Ausbau von Solarstromanlagen und Windrädern gefährdet mittlerweile die Energiewende.  In der großen Koalition Ende 2013 nach der Bundestagswahl sitzt die Kohlelobby über Hannelore Kraft mit am Tisch. Kraft ist die Verhandlungsführerin der SPD für den Energiebereich. Sie will den Arbeitsplätzen in den Industrie- und Stromkonzernen Vorrang einräumen. In den Koalitionsvereinbarungen im November 2013 wird die Förderung der alternativen Energie gesenkt. Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner scheitert mit ihrem Vorschlag, die Kosten der Energiewende teilweise über einen Fonds per Kredit zu finanzieren an Ministerpräsident Seehofer. Zunehmend rückt 2014 die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit der Energiewende in den Mittelpunkt. 17% der privaten Haushalte werden sehr stark durch Energiekosten belastet. Energiearmut wird zu einem sozialpolitischen Phänomen. Dies ist besonders heikel bei der Entlastung vieler Unternehmen im EEG. Die technologischen Grundlagen für die Energiewende sind 2015 alle vorhanden. Es ist ein dynamischer Prozess. Monitoring und Management sind zentrale Aufgaben. Die Energiewende wirkt über den Energiesektor und Deutschland hinaus. Vgl. J. - F- Hake, Energiewende, in: bdvb aktuell, Nr. 128, S. 8f. Die größte Ressource ist aber die Energieeffizienz. 2021 liegen die größten Probleme noch in folgenden Punkten: 1. Die Energiewende ist nur eine Stromwende. 2. Wir bauen zu wenige Windräder. 3. Der Preis ist zu hoch. 4. Der Kohleausstieg ist zu langsam und zu teuer. Es wird zu viel Strom verschenkt. Vgl. Borsutzki, D./ Widmann, M.: Vorsicht, Hochspannung, in: Die Zeit Nr. 10, 4.3.21, S. 24.  "Wir haben immer gewusst, dass die Energiewende nicht zum Nulltarif zu haben ist", Peter Altmeier, Bundesumweltminister. "Wir brauchen einen Masterplan für die Energiewende in Deutschland. Da kann ich nicht einfach hier und dort Windmühlen aufstellen und woanders Solaranlagen", Hubert Lienard, Maschinenbauer Voith. Durch Steigerung der Energieeffizienz könnten bis 2050 zwei Drittel des Energieverbrauchs in der EU eingespart werden (Studie im Auftrag des Bundesumweltministeriums im November 2012). Die Industrie will sich ab 2013 mit 700 Mio. € mehr an der Energiewende beteiligen. "Die Energiewende wird nicht den Untergang des Abendlandes einläuten, aber auch keine gesellschaftliche Loveparade in Gang setzen", Wilfried Kretschmann, Ministerpräsident von B. - W. Vgl. Quaschning, Volker: Erneuerbare Energien und Klimaschutz, Hanser Verlag 2020 (5. Auflage).

Folgen der Energiewende: Die Diskussion um die Folgen der Energiewende ist ein Machtspiel. Selten wird mit offenen Karten "gepokert". Folgende Argumente sollten entlarvt werden, indem die Randbedingungen erläutert werden: Die Energiewende führt zu einer Explosion der Strompreise, Deutschland wird de - industrialisiert, es kommt eine soziale Verelendung. Die EU will gegensteuern und ihre Energiepolitik effizienter gestalten: Mehr Forschung, bessere Wettbewerbsfähigkeit, weniger Emissionen. Vgl. Claudia Kemfert: Kampf um Strom, Hamburg 2013. "Die Energiewende ist im Grunde richtig. Die Art, wie sie umgesetzt wird, treibt Investitionen und irgendwann vielleicht auch Unternehmen aus dem Land", Marijn Dekkers, Bayer-Chef 2014.

Energiewende und "Fake News": Claudia Kemfert liefert in ihrem Buch "Das fossile Imperium schlägt zurück" (Hamburg 2017, S. 39ff.) Argumente und Daten gegen verbreitete postfaktische Thesen: Postfakt 1: Die Energiewende ist bis 2022 nicht zu schaffen. Postfakt 2: Zielmarke 2050 -s lang im Voraus kann man doch gar nicht planen. Postfakt 3: Die erneuerbaren Energien brauchen kein Tempolimit. Postfakt 4: Es drohen Blackouts. Postfakt 5: Die Energiewende lässt die Strompreise explodieren. Postfakt 6: Es droht ein Kosten-Tsunami durch die Energiewende. Postfakt 7: Die Energiewende führt zu einer Deindustrialisierung in Deutschland. Postfakt 8: Wir brauchen keine Planwirtschaft - die Energiewirtschaft braucht Markt. Postfakt 9: Die Energiewende führt zur sozialen Verelendung. Postfakt 10: Mit einem Alleingang isoliert sich Deutschland und gerät international ins Abseits.

Energiewende und Modernisierung der Industrie: Die Industrie ist der Eckfeiler des wirtschaftlichen Erfolges Deutschlands. Die Investitionstätigkeit der Industrie ist relativ schwach. Die Kosten der Energiewende könnten die Wettbewerbsfähigkeit und die Attraktivität des Produktionsstandortes Deutschland beeinträchtigen. Die Politik schafft Ausnahmeregelungen. Aber nur wenige Industriezweige haben gleichzeitig hohe Energiekosten und eine hohe Exportintensität, der Kapitalstock ist überdurchschnittlich alt. Die Industrie profitiert insgesamt von der Nachfrage nach Klimaschutztechnologien. Vgl. Blazejczak, J./Edler, D./ Gornig, M./ Kempfert, C.: Energiewende für die Modernisierung des Industriestandortes Deutschland nutzen, in: Wirtschaftsdienst 2018/8, S. 565ff.

Energiewende und Export: die Energiewende, zu der es keine Alternative gibt, ist auch eine große Chance für den Export von Nachhaltigkeit nach Afrika. Bis 2050 verdoppelt sich dort die Bevölkerung.  Die Energiewende in Afrika erfordert eine Investitions- und Innovationsoffensive. Solar-, Wind-, Wasserstoff- und Folgeprodukte können geliefert werden. In Marokko steht bereits das größte Sonnenkraftwerk der Welt. Ziel könnte ein EU - Afrika - Vertrag sein. Vgl. Kemfert, C./ Müller, G.: Exportieren von Nachhaltigkeit, in: WiWo 35, 21.8.20, S. 12.

Handlungselemente für Energiewende: Es muss global gehandelt werden. China scheint ernst zu machen mit der Energiewende. Trump und seine Administration werden zu Bremsern. Energiewende und Digitalisierung hängen zusammen. Die Energiewende ist auch ein Friedensprojekt. Vgl. Kemfert, Claudia: Das Fossile Imperium schlägt zurück, Hamburg 2017, S. 125ff.

Fünf Punkte für eine langfristige erfolgreiche Energiewende: 1. In den Sektoren Verkehr und Wärme ein CO2-Preis einführen. 2. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung den Bürgern als "Klimadividende" zurückgeben. 3. Ergänzung des EU-Emissionshandels um einen Mindestpreis. 4. Zusätzliche Elemente und Maßnahmen im Verkehrssektor. 5. Internationale CO2-Bepreisung vorantreiben. Vgl. Knopf, Brigitte: Der Kohleausstieg reicht nicht, in: Focus 31/2019, S. 55.

Energiewendefonds: Er wird im Mai 20243 von den Ländern beschlossen. Die Kommunen können die Lasten nicht alleine stemmen. Der Bund soll ein Finanzierungskonzept erstellen.  Der Bund kann in erster Linie Garantien übernehmen und Risiken absichern. Auch private Investoren müssen mit ins Boot geholt werden.

Energiegeld/ Klimageld: Es soll die Belastungen der Privaten Haushalte durch die Energiewende abfedern. Die Einnahmen die der Staat durch die CO2-Abgabe erzielt, sollen in vollem Umfang an die Privathaushalte zurückgegeben werden. Pro Kopf würde ein Durchschnittsbetrag ausgezahlt (Finanzamt). Das Konzept ist im Parteiprogramm der Grünen für die Bundestagswahl 2021. Wegen der Haushaltsprobleme könnte das Geld wegfallen. Das Klimageld kommt nicht mehr in der Regierungszeit der Ampel. Es soll 2027 kommen. Plötzlich macht das Finanzministerium dann wieder eine Wende. Es signalisiert, dass die Ausgleichszahlung schon 2025 kommen könnte.

Netzentgelte: Sie sollen dafür sorgen, dass Heizen mit fossilen Energieträgern teurer wird. Wer Öl oder Gas verwendet, muss schleichend diese Netzentgelte zahlen. Die Höhe hängt auch von der Zahl der Nutzer ab. Ein eReform der Stromnetzentgelte könnte Verbraucher entlasten. Es bieten sich drei Wege an: 1. Neutraler Zuschuss - sinnvoll? 2. Netzausbau effizienter gestalten. 3. Andere Berechnung der Netzentgelte. Vgl. HB 22.10.24, s. 7.

Heizkosten-Bundeszuschuss: Angesichts deutlich gestiegener Energiepreise soll ein einmaliger Heizkostenzuschuss für Bedürftige kommen. Das sind Transferleistungsempfänger, Rentner und Alleinerziehende. Profitieren sollen 2,1 Mio. Menschen. Den Staat wird das ca. 190 Mio. € kosten. Der Zuschuss liegt zwischen 135 und 175 € (plus zusätzliche Person 35€). Die Auszahlung soll im Juni 2022 sein.

Heizungen ("Heizungsgesetz 2023", "Gebäudeenergiegesetz"): Die Bundesregierung (BMWi) arbeitet 2023 an einem neuen Gesetz (Gebäudeenergiegesetz, Novelle GEG 2023). Ab 2024 sollen keine reinen fossilen Heizungen mehr eingebaut werden dürfen. Es muss eine Ergänzung mit mindestens 65 % alternativen Energien kommen. Die Haupt-Lösung soll die Wärmepumpe sein. Im Mai 2023 muss Staatssekretär Graichen wegen Vetternwirtschaft zurücktreten. Das könnte zu Verzögerungen beim Gesetz führen. Die FDP fährt eine Verzögerungstaktik und stellt 100 Fragen zu dem Gesetz. Die FDP will im Prinzip ein neues Heizungsgesetz. Das Gesetz sorgt für eine große Verunsicherung. Hausbesitzer, Handwerker, Politik und Industrie sind überfordert. Der Inhalt des Gesetzes wird ab Mai 2023 neu gestaltet. Das Gesetz kann noch vor der Sommerpause 2023 verabschiedet werden: 1. Zuschüsse (abhängig vom einkommen). 2. Ausbau (keine Eingriffe in Eigentum). 3. Beratung. 4. Vermietung (maximal 8% der Kosten auf Mieter umlegen). Am 06.07.23 stoppt das Bundesverfassungsgericht das Gesetz. Die Zeit für den Bundestag ist zu kurz. Die Ampel will Klimageld (Unterstützung der Bürger beim Umbau) vorerst nicht zahlen. Dei Entlastung wird in die nächste Legislaturperiode verschoben. Am 8.9.23 wird das Gesetz im Bundestag verabschiedet. Doch die CO2-Einsparungen bleiben weiterhin im Unklaren. Die Angaben sind verwirrend. Vor allem die Kosten bleiben völlig unklar. " Die vorgesehenen Maßnahmen, insbesondere der forcierte Einsatz von Wärmepumpen, sind jedoch ökologisch ineffektiv, da mögliche CO2-Einsparungen im Rahmen des nationalen Emissionshandelssystems keinen Effekt auf die gesamte Emissionsmenge Deutschlands haben. Der Einsatz von Wärmepumpen erfordert bei vielen Bestandsbauten hohe Investitionen, wodurch die durch die Gebäudeheizung erzielbaren CO2-Einsparungen wesentlich teurer sind als in anderen Bereichen. Schließlich steht der dirigistische Ansatz des Gesetzentwurfs im Widerspruch zu dem ordnungspolitischen Konzept der sozialen Marktwirtschaft." Siehe Söllner, Fritz: Das neue Gebäudeenergiegesetz, in: Wirtschaftsdienst 9/ 2023, S. 619-623. Am 29.9.23 geht das Gesetz durch den Bundesrat. Ab März 2024 können Förderanträge gestellt werden. Dei KfW gibt Zuschüsse (Zins verbilligte Kredite). Maximal 70% Förderung sind möglich.

EU-Gebäuderichtlinie: Sie wird Ende 2023 beschlossen. Sie muss noch vom Parlament und den EU-Mitgliedsstaaten bestätigt werden. Sie enthält keine Sanierungspflicht für Hausbesitzer. Das Gebäudeenergiegesetz in Deutschland muss angeglichen werden. Das Europaparlament verabschiedet im März 2024 die Sanierungsziele für Gebäude. Dei Zwangssanierung von Altbauten ist vom Tisch.

Wärmepumpe: Von 2024 an sollen jährlich 500.000 elektrisch betriebene Wärmepumpen an Netz gehen. 2030 soll es insgesamt 6 Mio. dieser Geräte geben. Dieser Strombedarf wird die Spitzenlast deutlich erhöhen. Vgl. HB 16.5.23, S. 4f. Beim Einbau der Wärmepumpe gibt es erhebliche Lieferprobleme und Probleme bei der Verfügbarkeit von Handwerkern. Der Marktanteil von Wärmepumpen ist 2022 am höchsten in folgenden Ländern: Frankreich 56%, USA 53%. Deutschland liegt bei 30%. Quelle: IEA. 2022 wurden 350.000 Förderanträge gestellt. Die Nachfrage geht 2023 deutlich zurück. Der Auftragsberg muss erst abgearbeitet werden. Es gibt in Deutschland noch keine Kombination aus Fotovoltaik, Wärmepumpen und E-Autos. Viele Verteilernetze sind überfordert. Es sind vor allem Versäumnisse in der Digitalisierung. "Die Wärmepumpe ist eine viel größere Herausforderung als das Elektroauto", Köppl, Simon, Forschungsstelle für Energiewirtschaft.  1906 meldete der Amerikaner Willis Haviland Carrier seine Erfindung als "Apparat zur Behandlung von Luft" zum Patent an. Nach und nach wird er als "Father of Cool" bekannt. 2023 hat die Firma 53.000 Mitarbeiter und vertreibt die Produkte in über 160 Ländern. Wärmepumpen können auch eine Doppelfunktion haben: Sie können im Winter heizen und im Sommer kühlen. 2023 kaufen die Deutschen deutlich weniger Wärmepumpen. In den ersten sieben Monaten 2023 wurden 55.858 Anträge auf Förderung gestellt. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 141.873.  Im ersten Halbjahr 2024 hat sich der Absatz von Heizungswärmepumpen mehr als halbiert gegenüber dem ersten Halbjahr 2023 (90,0 Tausend gegenüber 196,5). Die CDU will bei einem Wahlsieg das Vorzeigeprojekt der Grünen kippen. Da Absatz von Wärmepumpen lahmt sowieso (siehe oben). Die Preispolitik der Hersteller und der Handwerksbetriebe ist mit schuld daran. Vgl. Der Spiegel 37/ 7.9.24, S. 60f. 

Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung /Wärmeplanungsgesetz): Es ist 2023 im Entstehungsprozess. Es soll eng mit dem Heizungsgesetz verknüpft werden. Es soll Länder und Kommunen bei der Heizungsinfrastruktur in die Pflicht nehmen. Für Großstädte soll es bis 2026 Wärmepläne geben. Der Bundesrat billigt das Gesetz im Dezember 2023. Es tritt ab 1.1.24 in Kraft. Großstädte ab 100.000 Einwohner sollen bis Mitte 2026 ihre Pläne vorlegen.

Großwärmepumpen: Sie können Tausende von Haushalten gleichzeitig mit Heizenergie versorgen. Sie sollen die Fernwärme klimaneutral machen. Forschende wollen den Maschinen schnellstmöglich zum Durchbruch verhelfen. Vgl. Schlak, Martin: Reifeprüfung für die Riesenpumpe, in: Der Spiegel Nr. 46/ 11.11.23, S. 102f. Die BASF baut eine riesige Wärmepumpe für Ludwigshafen. Es wird die weltweit größte industrielle Wärmepumpe sein. Sie kann CO2-neutral Dampf erzeugen.

Fernwärme: Sie gilt als vorbildlich - ist aber teuer. Sie sollte die Alternative zur Wärmepumpe sein. Doch die Kunden sind den Versorgern ausgeliefert. Sie erhöhen die Preise teils stark. Vgl. Kaufmann, M. u., a.: Vorbildlich - aber teuer, in: Der Spiegel 6/ 3.2.24, S. 65. Fünf Hindernisse stehen dem Fernwärmeausbau entgegen: 1. Knappe Fördermittel. 2. Zu wenige Investitionen. 3. Aufwendige Baumaßnahmen in den Städten. 4. Schwierige Regulierung der Heizkosten. 5. Heizkraftwerke müssen erst noch umgerüstet werden. siehe HB 30.4.24, S. 10.

Energiepreisbremse: Ab Januar 2024 fällt die Energiepreisbremse weg. Sie war eingerichtet worden, als die Energiepreise infolge des Ukraine-Krieges sprunghaft nach oben gingen.

Energiepreise: 2024 normalisieren sich Preise für Strom und Gas wieder. Das kommt nach Jahren der Rekordsprünge an den Energiebörsen.  Die Energiepreise sinken auf Vorkrisenniveau. Es sinken so auch die Energiekosten für Unternehmen. Auch die Preise für Chemieprodukte sinken. Das kommt allerdings nicht bei allen Unternehmen an. Vgl. Fröndhoff, Bert u. a,: Energiepreise sinken auf Vorkrisenniveau, in: HB 5.3.24, S. 18f. Ab 2027 könnten die Energiepreise für fossile Kraftstoffe durch die Decke gehen. Ab 2027 sollen Verkehr und Gebäude in den Handel mit Verschmutzungsrechten mit einbezogen werden.

Weltweite Energiewende: Der Höchstwert für die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen wird 2026 sein (bei Gas etwas später). 2035 schon dürfte Solar die Führung übernehmen vor Gas und Kohle. Dann folgen Wasser und Offshore-Wind vor Atom. 2050 haben wir folgende Reihenfolge: Solar, Offshore-Wind, Gas. Quelle: Global Energy Perspective 2021, McKinsey & Company, Januar 2021.

Nachhaltige Energieversorgung: Ziele einer nachhaltigen Energiepolitik sind Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Erschwinglichkeit von Energie. Das sind auch die Ziele der deutschen Energiewende. Sie wird Nachahmer im Ausland finden, wenn die Ziele erreicht werden. Dazu bedarf es staatlicher Strategien. Vgl. Schiffer, Hans-Wilhelm: Zielvorgaben und staatliche Strategien  für eine nachhaltige Energieversorgung, in: Wirtschaftsdienst 2019/2, S. 141ff.

Energie-Reform-Paket 2014: Im Jahre 2035 55 bis 60% Ökostromanteil (bis 2025 40 bzw. 45%).  Kosten: Rund 23,5 Mrd. € 2014. Eigenstromerzeugung soll an der Umlage beteiligt werden. Offshore - Windkraft wird nicht ganz so stark ausgebaut. Solae und Biomasse werden bescheidener geplant. Die Industrierabatte werden gesenkt. Es soll mehr Markt bei Wind- und Solarbetreibern eingeführt werden.

NAPE: Nationaler Aktionsplan Energieeffizienz; vom Bundeskabinett Anfang Dezember 2014 beschlossen. Er soll dafür sorgen, dass Deutschland seine Klimaziele erreicht (bis 2020 Co2-Emissionen -40% gegenüber 1990). Ausbau der Erneuerbaren Energien plus Energieeffizienz (intelligenter Mix aus Beraten, Informieren, Fördern und Fordern. KfW-Mittel für Gebäudesanierung und Einsparung von Heizenergie werden aufgestockt.

Modelle für die Vorhaltung fossiler Kraftwerke, die beim Ausfall von Wind- und Solarstrom einspringen sollen: Auktionsmodell (USA). Weiterhin Strommarkt ohne bedeutende Reserven (EU-Kommissar). Freiwilliger Erwerb von Sicherheitszertifikaten (kommunale Versorger). Fokussierter Kapazitätsmarkt (Bundeswirtschaftsministerium). Zwang zum Erwerb von Zertifikaten für Versorgungssicherheit (Energiekonzerne).

Europäische Energieunion: In der Ukraine- und Russlandkrise reifen Pläne zu einer Europäischen Energieunion. Hauptziel ist die Abhängigkeit von russischem Gas zu mindern. Die Marktmacht Russlands soll durch folgende Maßnahmen gesenkt werden: 1. Abstimmung beim Gaseinkauf. 2. Zwischenstaatliche Abkommen bei der Gasbeschaffung (mehr Leitungen zwischen den Staaten). 3. Bezug auf den Klimawandel.

Deutsche Energieagentur (Dena): Sie gehört zu 76 Prozent dem Staat und zu 24 Prozent der Privatwirtschaft. Sie soll sich um die Förderung der Energieeffizienz kümmern. Über Jahre wurden überhöhte Gehälter und Zuwendungen an Manager und angestellte gezahlt.

Landesenergieagentur: in RLP ab 01.07.2012. Die unabhängige Agentur mit Sitz in Kaiserslautern soll Kommunen, Unternehmen und Bürger bei der Energiewende beraten. Es soll ein Netz von Informations- und Beratungsangeboten entstehen. Regionale Stellen sollen folgen. Die Agentur ist umstritten. Bis 2014 kommt ihr schon zweimal die Geschäftsleitung abhanden. Ergebnisse einer Evaluation sollen 2015 bekannt gegeben werden. Jedenfalls läuft sie noch bei weitem nicht rund. Die Energieagentur gibt 2015 einen Atlas heraus. In ihm ist ausgewiesen, wie es regional mit der Energiewende steht.

Rebound-Effekt: Bezeichnet Effizienzgewinne, die zunichte gemacht werden. Es handelt sich um eine Situation, in der eingesparte Energie in der Folge anderweitig verbraucht wird. Insofern nutzt Energie sparende Technik nicht immer der Umwelt. Also müssen Anti-Rebound-Strategien entwickelt werden (Obergrenzen für Schadstoffe und höhere Energiesteuern?). Makroökonomisch muss der Umweltverbrauch von Wirtschaftswachstum entkoppelt werden.

Öffentliche Fördermaßnahmen als Ausgleich für die Explosion der Energiepreise 2022 (Inflation, Ukraine, Knappheit): Die Wende zu grünen Energiequellen beinhaltet also auch das Risiko einer mittelfristig höheren Inflation. Der Haupttreiber für die im europäischen Vergleich, aber auch im weltweiten Bezug, hohen Strompreise in Deutschland sind Steuern und Abgaben. Vielleicht sollte es Hilfe geben für diejenigen, die sich Strom bald nicht mehr leisten können. Die Hilfe soll als Einmalzahlung für bedürftige Haushalte (Rentner, Transferleistungsempfänger) im Juni 2022 kommen (zwischen 125 und 175€, 35€ für zusätzliche Person). Der Heizkostenzuschuss wird am 16.3.22 verdoppelt. Es kommen auch höhere Freibeträge. Der Ukraine -Krieg treibt die Preise weiter. Lindner fordert einen Tankrabatt, die Grünen wieder ein Tempolimit. Sie sind auch eher für eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Treibstoff. Andere sprechen sich für ein Energiegeld aus (Details unklar, Auszahlung unklar). Experten sprechen sich auf eine Beschränkung der Förderung auf einkommenschwache Haushalte und industrielle Notlagen aus. Vgl. Fuest, Clemens: Ein Schirm darf nicht zur Gießkanne werden, in: WiWo 12/ 18.3.22, S. 43. Als weitere Entlastungsmaßnahme wird ein Mobilitätsgeld diskutiert (für Einkommensschwache). Es soll vom Arbeitgeber gezahlt werden und mit der Lohnsteuer verrechnet werden. Schließlich werden am 23.322 folgende konkrete Maßnahmen beschlossen: Einmalig 300 Euro für ArbeitnehmerInnen und Selbständige. Einmaliger Familienzuschuss von 100 Euro pro Kind. Erhöhung der Einmalzahlung an Empfängerinnen von Transferleistungen auf 200 Euro pro Person. Vorübergehende Senkung der Energiesteuer für drei Monate. Drei Monate für nur 9 Euro pro Monat den öffentlichen Nahverkehr nutzen.

Einsparprämien der Energieversorger: Sie werden von Ökonomen empfohlen. Sie kostet keine steuergelder und hilft durch den Winter. EnBW und MVV prämieren 2022 die Reduktion des Gasverbrauchs während der Heizperiode. Vgl. Tiedemann, Silvana/ Hirth, L./ Ockenfels, A.: Profitable Einsparprämien, in: HB Nr. 171/ Mo. 5. September 2022, S. 48.

US-Klimaschutzprogramm und Investitionsprogramm (Inflation Reduction Act, IRA): Das Programm kommt 2022. Es umfasst 369 Mrd. $. Gefördert wird insbesondere die Energiewende in den USA. Ausländische Unternehmen werden schlechter gestellt. Gefördert werden nur Unternehmen, die die ganze Lieferkette in den USA haben. Die EU fühlt sich durch den Protektionismus benachteiligt. Sie richtet die Industrie-Plattform CleanTechEurope ein, bei der sich Unternehmen beschweren können. Ökonomen haben geteilte Meinungen: Ausgereifte Technologien müssten nicht subventioniert werden. Die EU-Kommission plant trotzdem ein Gegenprogramm. Die 20 größten angekündigten Investments sind: Texas Instruments, Sherman/ Texas: 30 Mrd. $; TSMC, Phoenix / Arizona: 28 Mrd. $; Intel, Chandler/ Arizona: 20; Intel, Licking County/ Ohio: 20; Micron, Clay/ New York: 20: IBM, Hudson Valley/ New York : 20; Samsung, Taylor/ Texas: 17; Micron, Boise/ Idaho: 15; Texas Instruments, Lahi/ Utah: 11; Iberdrola, Massachusetts: 10; Georgia Power, Georgia 7; HiF global, Matagonda County/ Texas: 6; Toyota, Liberty/ North Carolina 5,9; Ford, SK Innovation, Glendale/ Kentucky: 5,8; Ford, SK Innovation, Stanton/ Tennessee: 5,6; LG Energy, Queen Creek/ Arizona: 5,5; Wolfspeed, Pittsboro, North Carolina: 5; Rivian, Madison/ Georgia: 5: Hyundai, SK Innovation, Barlow County/ Georgia: 5; Port of long Beach, Kalifornien: 4,7. Die Förderung hat nach Bereichen folgende Rangfolge: Energie 173; Verarbeitendes Gewerbe 37;  Grüne Finanzierung 45; Industrie 22; Gebäude 51; Verkehr 7. Quelle: WiWo 27/ 30.6.23, S. 16ff.

 

Messung, Statistik (Operationalisierung; empirische Quantifizierung; Indikatoren, Umwelt- und Energiestatistik; Umweltökonomische Gesamtrechnung; Berichte und Studien; globale Indikatoren; Messprobleme; statistische Quellen)

Sozio-Ökonomische Entwicklungstrends: Sie beeinflussen massiv die Umwelt. Weltbevölkerung, Reales BIP, ausländische Direktinvestitionen, Primärenergieverbrauch, Große Staudämme, Wasserverbrauch, Düngerverbrauch, Papierproduktion, Städtische Bevölkerung, Transportwesen, Telekommunikation, Internationaler Tourismus. Quelle: agora 42, 2018, S. 43.

Erdsystembezogene Entwicklungstrends: CO2, Stickoxid, Methan, Ozonschicht, Oberflächentemperatur, Versauerung der Meere, Seefischfang, Garnelen - Aquakulturen, Nitratbelastung der Küstengewässer, Verlust des tropischen Regenwaldes, Zivilisationsland, terrestrische Biosphärenverschlechterung. Vgl. ebenda, S. 43

Internationale Indikatoren: Environmental Performance Index (Werteskala von 0-100 basierend auf diversen Einzelindikatoren wie Umwelt, Gesundheitswesen, Vitalität des Ökosystems). Luftqualität, Kohlendioxid-Ausstoß (auch pro Person), Anteil erneuerbarer Energiequellen, Zugang zu Wasserquellen, bedrohte Tierarten, größte Veränderungen der Waldfläche.

Wert der Natur: Die Natur besteht aus einer Reihe natürlicher Systeme: Wälder, Grasland, Feuchtgebiete, Seen und Flüsse, Ackerland, Städtischer Raum, Offener Ozean, Küsten. Der Globale Wert der Natur wird auf 145,1 Billionen Dollar beziffert (2011; Umweltökonom Robert Constanza). Das global BIP lag im gleichen Jahr bei 66,9 Billionen Dollar.

Natur-Inventur (Kapitalisierung der Natur): Leistungen die Ökosysteme für den Menschen erbringen. Dem soll ein Preis zugemessen werden. Die Bestäubungsleistung der Insekten würde in Geld ausgedrückt bei 153 Milliarden Dollar liegen. Die Sauerstoffproduktion des Waldes ist noch nicht berechnet.

Kipppunkte: Schwelle, an der ein System eine fundamentale Änderung durchmacht, so dass die Rückkehr zum vorherigen zustand nicht mehr möglich ist. Bekannt sind vor allem folgende Kipppunkte: Korallenriffe sterben, Eisdecken schmelzen, die Ozeanzirkulation wird schwächer, Verlust von Regenwald, Monsun verlagert sich. Vgl. Gifford, C. u. a.: Simply Klimawandel, München 2023, S. 20.

Rückkopplungen (Teufelskreise): Rückkopplungen sind effekte, die auf ihre eigene Ursache zurückwirken und sie so selbst verstärken (positive Rückkopplung) oder abschwächen (negative Rückkopplung). Einige Klimafolgen lassen sich umkehren, wenn wir handeln. Solche Teufelskreise sind: Permafrost, Meereseis, verstärkte Erwärmung. Das Arktische Meereis schmilzt. Permafrostböden tauen auf. Ohne Eisdecke absorbiert das Wasser mehr Wärme. Der Boden setzt das Treibhausgas Methan frei.

Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig und Berlin: Herrscher über alle Skalen, auch um Umwelt- und Energiebereich. Bis ins 19. Jahrhundert herrschte im Messwesen Chaos. Jedes Territorium machte, was es wollte. Erst 1875 einigte man sich auf des metrische System, das heute von über 100 Staaten genutzt wird.

Umweltbericht der Bundesregierung: Jährlich gibt der Bundesumweltminister einen Umweltbericht heraus. Hier sind alle umweltpolitischen Maßnahmen, auch die internationalen, enthalten. Das Statistische Bundesamt und das Umweltbundesamt veröffentlichen jährlich Berichte über den Zustand der Umwelt in Deutschland. Die Feinstaubbelastung ist 2011 weiter gestiegen.

Bericht des Umweltbundesamtes (UBA): Im Bericht 2023, der im November 23 rauskommt, steht die Verfügbarkeit von Wasser im Mittelpunkt. Danach gehört Deutschland zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit. Pro Jahr verliert Deutschland 2,5 Kubikkilometer Wasser (über 20 Jahre die Menge des Bodensees). Das liegt auch daran, dass Deutschland eine Infrastruktur aufgebaut hat, durch die viel Wasser abfließt (Entwässerungsgräben in der Landwirtschaft, Kanalisation in den Städten). 

Risikoanalyse des Klimawandels in Deutschland: Der Bund führt alle 6 Jahre eine Risikoanalyse durch (Umweltministerium, Umweltbundesamt). Im Juni 2021 kommt wieder ein Bericht: Bei 31 von 100 untersuchten Wirkungen ist dringender Handlungsbedarf in Deutschland. Wassermangel und tödliche Hitzebelastungen (besonders in den Städten) drohen. Extremwetterereignisse können schwerwiegende Folgen für die Wirtschaft haben. Das Klima im Westen und Süden Deutschlands könnte sich am stärksten verändern. Seit 2010 gibt es in Rheinland-Pfalz das Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen in Trippstadt. Die leitung hat 2021 Ulrich Matthes.

Schlüsselindikatoren der OECD: Klimawandel, Ozonschicht, Luftqualität, Abfallaufkommen, Süßwasserqualität, Süßwasserressourcen, Waldressourcen, Fischressourcen, Energieressourcen, Bio - Diversität.

Umweltökonomische Gesamtrechnung (UGR, StBA): Veränderung im Naturvermögen, die durch wirtschaftliche Tätigkeiten ausgelöst werden. Durchführung Statistisches Bundesamt (StBA) als selbständige Rechnung. Drei Schritte: Umweltzustand, Entstehung der Umweltbelastungsströme und Flächennutzungen, Umweltschutzmaßnahmen. Indikatoren zur Umweltbelastung, Indikatoren des Umweltzustandes, Indikatoren des Umweltschutzes. Nicht-monetäre und monetäre Daten, Veränderungen des Umwelt-Kapitalstocks. Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen verzerren aber weiterhin: In Ländern, die wirtschaftlich stark abhängig sind von Bergbau, Erdöl, Holz und anderen Ressourcen, geht ein Großteil des Konsums auf Kosten künftiger Generationen; vgl. J. Stiglitz, Im freien Fall, München 2010, S. 445.

Naturkapital: Ökonomische Bewertung des Naturkapitals. Sie kann in vier Bereiche geteilt werden: 1. Naturkapital und Klimapolitik, 2. Ökosystemleistung in ländlichen Räumen, 3. Ökosystemleistungen in der Stadt, 4. Naturkapital Deutschland. Vgl. Hansjürgens, B./ Moesenfechtel, U.: Ökonomische Bewertung des Naturkapitals, in: Wirtschaftsdienst 2014/ 4, S. 300-302.  Auch Bernd Hansjürgens: Zur Neuen Ökonomie der Natur: Kritik und Gegenkritik, in: Wirtschaftsdienst 2015/ 4, S. 284ff. Dort werden die Messkonzepte auch vorgestellt. Bis heute misst die Weltbank Naturkapital nicht in Hektar, Biodiversität, Sauberkeit, sondern in Form von Einnahmen aus ihrer Nutzung.

Lage der Natur: Der Bericht des Umweltministeriums kommt alle sechs Jahre. 2020 zeigt der Bericht, dass die intensive Landwirtschaft (Düngung, Pestizide) viel zerstört. Besonders bedroht ist das Rebhuhn (-90%). Es gibt 25% weniger Arten. Die Lage bei Insekten ist besonders beunruhigend.

Grüne alternative Masterpläne: Auch Unternehmensinitiativen beschäftigen sich mittlerweile mit dem Thema. Sie wollen auch eine Verbindung mit den Spielregeln an den Aktienmärkten. Wachstum soll neu vermessen werden, gesellschaftliche Faktoren und der Schutz der Umwelt sollen besser honoriert werden. So entwickelt eine Gruppe um das Vorstandsmitglied Saori Dubourg der BASF einen Value for Society: Er besteht aus den drei Faktoren Ökonomischer Wert, Sozialer Wert und Ökologischer Wert. Vgl. Niejahr, Elisabeth: Grüner Masterplan, in: WiWo 23, 31.5.19, S. 54f.

Verlust der Artenvielfalt: Anteil der aussterbenden Arten pro Jahr in Bezug zu 1 Mio. Arten. Die Planetarische Grenze leigt bei höchstens 10. Tatsächlich liegt die Zahl 2017 bei 100-1000 (verschlimmert sich).

Input-Output-Analyse: Matrix-Darstellung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Dies erlaubt die Analyse der güter- und produktionsmäßigen Verflechtung zwischen einzelnen Produktionsbereichen. Insbesondere können Liefer- und Bezugsverflechtungen durch Zwischenprodukte und Vorleistungen im Unternehmenssektor ausgewiesen werden. Diese Rechung wird vom Statistischen Bundesamt erstellt.

Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC): Es wurde von der Umweltorganisation der UN (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) 1988 gegründet, um einerseits den wissenschaftlichen Kenntnisstand in der Klimaforschung zu dokumentieren und andererseits die Weltpolitik zu beraten (der 1. Bericht 1990 sprach noch von natürlichen Klimaschwankungen; der 2.Bericht 1995 war Grundlage des Kioto-Protokolls). 195 Staaten machen mit. 2007 erhielt er den Friedensnobelpreis. Der IPCC forscht nicht selbst, sondern trägt vorhandene Daten zusammen, analysiert sie und gibt Empfehlungen, über die verhandelt und abgestimmt wird. Es ist die größte internationale Forschungskooperation. Aktueller Weltklima-Bericht am 02.02., 02.03., 03.05., 17.11. 2007, 2500 Wissenschaftler beteiligt; Präsident Rajendra Pachauri (soll in seinem Forschungsinstitut Teri/ New Delhi Mitarbeiterinnen sexuell belästigt haben); jetzt nur noch Ex-Präsident: der Mensch steht als Ursache des Klimawandels fest; in den nächsten 30 Jahren steigen die Temperaturen um 0,7 Grad, bis 2100 um 4,0 Grad. Mehr Wirbelstürme, stärkere Niederschläge und weiter schmelzende Eispanzer mit steigendem Meeresspiegel wären die Folgen. Bis 2020 soll die Welternte um 50% zurückgehen. Der Klimawandel sei eine so große Gefahr wie ein Weltkrieg. Ca 8 Jahre bleibt Zeit, gegenzusteuern (würde etwa -0,12 Prozentpunkte jährlich beim Wachstum bedeuten). Die Prognosen sind im Klimahaus Bremerhaven zu sehen. 2010 stellt sich heraus, dass schlampig gearbeitet wurde: die Gletscher im Himalaja werden nicht bis 2035 verschwunden sein. Deshalb richtet die UN 2010 einen Aufpasser ein. Im September 2013 wurde ein weiterer Bericht vorgelegt. Die Meeresspiegel drohen stärker zu steigen. Bis zum Jahr 2100 können sie - je nach Szenario - um 26 bis 82 cm ansteigen. Damit gibt es große Gefahren für die Küstenregionen. 2023 wird Jim Skea neuer Chef des IPCC. Er ist britischer Physiker.  "The American way of life is not up for negotiation", George W. Bush auf dem Umweltgipfel in Rio 1992.Die USA zweifeln auch den Weltklimabericht an.

Bericht des IPCC 2021(August): Der Berichtsentwurf hat die naturwissenschaftlichen Grundlagen im Mittelpunkt. 2022 und 2023 kommen weitere Teile, die sich noch intensiver mit den Folgen des Klimawandels beschäftigen. wichtige Erkenntnisse des neuen Berichtes sind: Der Klimawandel ist eindeutig Menschen gemacht (Antropozän). Die Erwärmung kommt bedeutend schneller als gedacht (Dringlichkeit). Der Anstieg des Meeresspiegels schreitet voran. Die Wahrscheinlichkeit für Naturkatastrophen steigt (man ist live dabei: Brände am Mittelmeer. Überschwemmungen an deutschen Flüssen). Extremwetterlagen nehmen zu. Naturwissenschaftlich messbar sind folgende Faktoren: 1. Meeresspiegelanstieg. 2. Vegetationsperiode (früher). 3. Hitze (Anzahl der heißen Tage). 4. Kälte (weniger kalte Tage). 5. Sonnenscheindauer (mehr). 6. Schneetage (stark rückläufig). 7. Winterniederschläge (plus). 8. Starkregen (plus).

Bericht des IPPC 2022 (Februar und Frühjahr): Der Welt bleiben nur noch wenige Jahre, um die Folgen der Klimaveränderung abzuwenden. Zahlreiche Gefahren seien über die nächsten zwei Jahrzehnte unabwendbar. Klimawandel werde auch zunehmend zu einem Sicherheitsproblem. Nach dem ersten Teil werden noch Teil 2 und 3 veröffentlicht (bis April 2022). Im letzten Teil ist die Aussage fundamental, dass die Erderwärmung begrenzt werden kann, wenn alle mitmachen. Ein Kernpunkt ist die Analyse, was weniger Fleisch essen bringt. Das Gremium ruft zu massiven Emissionseinsparungen in diesem Jahrzehnt auf. Das 1,5-Grad-Ziel dürfte zumindest temporär überschritten werden. Es großes  Potential wrd auch im Gebäude- und Verkehrssektor gesehen.

Bericht des IPPC 2023 (März 2023): Synthesebericht für die UN. 93 Autoren. Vorsitzender Hoesung Lee. Die aktuellen Pläne der Welt reichen nicht, um den Klimawandel zu bewältigen. Die Menschheit kämpft nicht entschlossen genug. Die Folgen könnten verheerend ausfallen. Es gehe um das Überleben der Menschheit. Wenn die Menschen jetzt handeln, könnten sie immer noch eine lebenswerte, nachhaltige Zukunft absichern. Die globale Erwärmung betrage 1,1 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Der Temperaturanstieg führe zu häufigeren extremen Wetterereignissen wie Hitze und Stürme. Fast die hälfte der Weltbevölkerung sind betroffen. Die Fachleute empfehlen eine klimaresiliente Entwicklung (Elektrifizierung, Radfahren, zu Fußgehen). Sie fordern auch einen effektiven Schutz von 30 bis 50% der Land-, Süßwasser- und Meeresflächen. 

Kipppunkte und Kaskadeneffekte: Sie sind schwierig zu berechnen und genau einzugrenzen. Sie können insofern vom Weltklimarat kaum berücksichtigt werden. Beispiele für Kippelemente sind: Die Ozeane absorbieren etwa ein Drittel des vom Menschen freigesetzten CO2. Der Amazonas-Regenwald absorbiert immer noch ein Fünftel des gesamten CO2-Ausstoßes. Weitere Kippeffekte sind das Grönland-Eis, der Golfstrom und die Arktis. Kaskadeneffekte ergeben sich, wenn mehrere Kipppunkte gleichzeitig drohen. Zum Beispiel hinzukommen kann noch das arktische Methan, auch das Arktische Meer (beeinflusst stark die Golfströme). Vgl. Fred Hageneder: Happy Planet, Saarbrücken 2019, S. 135ff.

Globaler Erdüberlastungstag (Earth Overshoot Day): Er wird vom WWF berechnet. Es sind die Ressourcen wie Wälder, Wasser, Ackerland, die bis zu einem bestimmten Tag verbraucht sind und im gleichen Jahr nicht wieder erneuert werden können. Für die Welt ist dieser Tag 2023 am 02.08.23 erreicht. Für Deutschland war er schon im Mai 2023.

Messung des Klimawandels: Als Leuchtturm gilt die US-Organisation NOAA in Silver Springs/ Maryland. Es ist die National and Atmospheric Administration, ein U.S.- Department. Sie ist unabhängig und kooperiert mit etwa 65 Ländern und deren Wissenschaftlern. Sie wurde 1970 unter Richard Nixon gegründet. Sie legt jedes Jahr einen Bericht vor. Bericht 2018: 2017 war das drittwärmste Jahr, seit es Wetteraufzeichnungen gibt. CO2 hat einen neuen Höchststand erreicht. Der durchschnittliche Meeresspiegel ist auf einem Höchststand. Zehn der niedrigsten Eiswerte der Arktis sind in den vergangenen 11 Jahren gemessen worden.

Global Monitoring for Environment and Security (GMES): Ein neues System zur Beobachtung der Erde. Von 2012 an soll es die Klima- und Wetterdaten von rund 25 europäischen Satelliten auswerten. "In tausend Bergen fliegt kein Vogel mehr./ Auf Wegen zugeweht der Menschen Spur./ Allein in seinem Kahn, mit Schilfumhang und Bambushut/ fischt ein Greis in kalter Flut", Liu Zongyan, Tang-Dichter, achtes Jahrhundert.

Klimabericht der Bundesregierung: Bisher sind zwei erschienen. Im November 2019 kommt der zweite Klimabericht der Bundesregierung: Die Folgen der globalen Erderwärmung werden spürbarer. Im Mittel sit die Lufttemperatur seit 1881 um 1,5 Grad Celsius gestiegen. Die Anzahl der heißen Tagen mit 30 Grad und mehr ist seit 1951 von etwa drei pro Jahr auf derzeit 2019 zehn gestiegen. Der Anteil des Klimawandels daran ist nicht exakt zu ermitteln.

Polarstern, Bremerhaven: Forschungsschiff. Erkundet den Nordpol und die Arktis (zuletzt 10 Monate). Untersucht den Klimawandel (Daten über Atmosphäre, Meeres-Eis, Ozean, Ökosystem). Sammelt Daten. Bohrt im Eis und setzt Wetterballons aus. Der Lebensraum der Eisbären schwindet. Die Arktis verändert sich dramatisch. Die Expedition kostete 140 Mio. €.

Global Marshall Plan Initiative: ökosoziale Marktwirtschaft global. Mathematische Denkfiguren, z. B. 15:50:35: 15% beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die gegenwärtig praktizierte Form des Wirtschaftens in 20 bis 30 Jahren zum Kollaps führt. 50% Wahrscheinlicht sprechen für Brasilianisierung , bei der die reichen Staaten des Nordens zu Lasten der ärmeren Teile der Welt ein öko-diktatorisches Sicherheitsregime führen. 35% Wahrscheinlichkeit sprechen für das Modell einer ökosozialen Marktwirtschaft. 2 hoch 33=8.000.000.000: Jeder Unterstützer schafft pro Jahr bei einer weiteren Person Bewusstsein, so dass in 33 Jahren die gesamte Menschheit das gleiche Ideal teilt. Vgl. auch www.faw-neu-ulm.de ."Was wir nicht haben, ist Zeit", UN-Generalsekretär Ban Ki Moon über den Klimaschutz.

Klimazeitmaschine: Bei Freising im Kranzberger Forst steht eine Klimazeitmaschine. Ca. 300 Buchen und 500 Fichten werden mir Ozon und Kohlendioxid begast und dann überwacht. Man will herausfinden, wie der Wald auf den Klimawandel und andere Umweltprobleme reagiert.

Ökologische Effizienz: Situation, in der der soziale Grenznutzen durch ökologische Maßnahmen den sozialen Grenzkosten für diese Maßnahmen entspricht. Konkret wird die Wertschöpfung durch die Schadschöpfung geteilt.  Die Ressourcenproduktivität ist die Relation zwischen dem Bruttoinlandsprodukt in konstanten Preisen und dem Ressourceneinsatz eines Landes gemessen in Tonnen. Als Dimension ergibt sich Währungseinheiten pro Tonne. Allgemein wird die Güterproduktion durch die Quell- und Senkenressourcen geteilt. Eine große Gefahr bei ökologischer Effizienz sind die Rebound-Effekte, d. h. die Effizienz wird durch mehr Wachstum aufgefressen. Deshalb sind hohe Preise  der beste Schutz, also muss Energie teurer werden. "Die größte Ölquelle liegt unter Deutschland: Es ist die Energie-Effizienz", Jürgen Hambrecht, BASF-Vorstandschef bis 2011.

Energieeffizienz: Alle technisch bedingten Maßnahmen zur Verbesserung der Energieumwandlung. Z.B. Kraft-Wärme-Kopplung, d.h. die gemeinsame Erzeugung von Elektrizität und Wärme (15% Einsparung gegenüber getrennter Erzeugung). Sie ist die kostengünstigste und am schnellsten einsetzbare Ressource, die im Moment verfügbar ist. Wirkungsgrad: Verhältnis der erzeugten Energiemenge einer Anlage (z. B. Heizkessel) zu der eingesetzten Energiemenge. Beratung hierzu erhält man auf folgender Internetseite: http://www.thema-energie.de . Die Energieproduktivität entwickelt sich immer noch langsamer als die Arbeitsproduktivität. So hat sich die Arbeitsproduktivität im Laufe eines Jahrhunderts verzehnfacht, während Rohstoffe und Energie langfristig immer billiger geworden sind. "Energieeffizienz ist der schlafende Riese der Energiepolitik", Sigmar Gabriel, Bundeswirtschaftsminister.  Im Juli 2014 legt die EU die Eckwerte ihrer Energiepolitik bis 2030 vor: Gegenüber 1990 soll der Energieverbrauch der Mitgliedsstaaten um ca. 30% sinken (Energieeffizienz). Etwa 89 Mrd. € pro Jahr müssen dafür in Investitionen gesteckt werden (damit soll auch das übergeordnete Ziel der CO2-Reduktion um 40% erreicht werden). Im August 2014 leitet die EU-Kommission ein Verfahren gegen Deutschland und 19 weitere EU-Staaten ein, weil die Richtlinien der EU bis Juni nicht umgesetzt wurden. Den höchsten Zugewinn in der Energieeffizienz hatte in Europa Polen (+26,8%, 2000-2011). Mit neuen Anreizen und Auflagen will die Bundesregierung die Energieeffizienz ab 2015 erhöhen. Ein Hauptpunkt sind steuerlich absetzbare Sanierungsarbeiten an Gebäuden (z. B. über 15 Jahre alte Heizungen; 60% der Vor-Ort-Beratung übernimmt der Staat). Deutschland muss aufpassen, bei der Energieeffizienz nicht von China eingeholt zu werden.  "Die Energieeffizienz ist unsere größte Ressource", Carsten Voigtländer, Vaillant Group.

Wirkungsgrad: Die Effizienz eines Energieumwandlungsprozesses. Er ist immer kleiner als 1. Kohlekraftwerke z. B. haben Wirkungsgrade zwischen 35 und 45 Prozent. Fast alle Energie betriebenen Prozesse haben Verluste. Je höher die Effizienz, desto geringer die Verluste.

Energiewende-Index ETI: Die Abkürzung bedeutet Energy Transition Index. Den Index hat McKinsey zusammen mit dem Weltwirtschaftsforum in Davos entwickelt. Es wird der Stand der Energiewende in 114 Ländern untersucht. Der Sachstand wird mit 17 Einzelindikatoren gemessen, die Ausgangsbedingungen werden mit 23 Indikatoren berechnet.

Smart Metering: Digitale Meßsysteme, die Daten zum Stromverbrauch regelmäßig an die Verbraucher selbst sowie Netzbetreiber und Energieversorger übertragen. In Schweden, den Niederlanden und Österreich schon häufiger eingesetzt. In Deutschland soll die Einführung ab 2017 kommen und 2032 abgeschlossen sein. In der Vorderpfalz startet die Thüga Energienetze GmbH die Installation der neuen Zählergeneration. ziel ist ein intelligentes Netz. Es wird mit Gateway (Netzwerkknoten) gearbeitet. Das sind Verbindungen zwischen elektronischen Messgerät (Zähler) und dem Messstellenbetreiber.

Energiebilanzen: Energiebilanzen sind Teil einer umfassenden Nachhaltigkeitsrechnung des Unternehmens. Sie beschreiben den Energiefluss in technischen Maßeinheiten wie Joule oder Kilowattstunden. Oft wird nach Energieträgern mit Input (Strom, Gas, Heizöl, Diesel, Benzin, Kerosin) und Output (Nutzenergie bei primären Prozessen, bei sekundären Prozessen, Wärmeverlust, Energieverlust, Erschütterungen, Lärm) gegliedert. Schwierig ist die Wirkungsabschätzung und Messung.

Messung des Klimawandels: In der Regel arbeitet man mit drei Indikatoren: 1. Abweichung der Jahresmitteltemperatur vom langjährigen Durchschnitt einer Zeitreihe. 2. Anstieg des globalen Meeresspiegel ab einem Basisjahr. 3. CO2-Konzentration der Atmosphäre im Monatsmittel. Zur Prognose arbeitet man mit Klimamodellen, die Szenarien beinhalten. Die ändern sich je nach Klimazielen und Klimapolitik. In die Modell kann man Vertrauen haben: 1. Sie basieren auf physikalischen Grundgesetzen. 2. Sie werden einer Vielzahl von Tests unterworfen. 3. Wir haben ein grundsätzliches Verständnis über die fundamentalen Effekte und die veränderte Zusammensetzung der Erdatmosphäre. Vgl. Jochem Marotzke, "Vorhersagen sind schwierig...". Möglichkeiten und Grenzen von Klimamodellen, in: Marotzke, J./ Stratmann, M.: Die Zukunft des Klimas, München 2015, S. 9ff. Daneben gibt es Indikatoren, die recht bildlich den Klimawandel anzeigen, etwa die Reaktion von Vögel auf den Klimawandel. Hauptkontrollvariable: Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre in parts per million (ppm). Die Planetare Grenze liegt bei höchstens 350 ppm. 2017 waren schon 400 ppm erreicht.

Klimaschäden - Berechnung beim Klimawandel (vgl. auch Klimarechner im Internet: http://uba.klima-aktiv.de): Schwierigkeiten bereiten vor allem die immateriellen Schäden. Umstritten sind die Eintrittswahrscheinlichkeiten von Katastrophen. Um den Gegenwartswert zukünftiger Schäden zu ermitteln, müssen diese mit einem Prozentsatz abgezinst werden (Diskontierungsfaktor). Je kleiner die Diskontrate, desto größer sind, über längere Zeiträume betrachtet, die Schadenszahlen. Hierbei ist auch der Nutzen von zukünftigen Generationen zu gewichten. Zentrale Unbekannte sind die Anpassungsfähigkeit des Menschen, der Wert von Menschenleben und die wahren Kosten der Atomenergie. Klimasubsysteme sind die Atmosphäre, der Ozean, die Kryosphäre (Summe allen Eises) und die Biologie. Die größten Klimafeinde sind die Flugzeuge, die Kohlekraftwerke, die Autos, der Smog (in Städten leben heute genauso viele Menschen wie 1950 auf der ganzen Erde), die schweren Waldbrände, die Kühe und der Reisanbau (Bakterien in Reisfeldern, die Methan produzieren). Besonders Afrika ist betroffen: es hat selbst nicht die Umwelt verschmutzt oder Ressourcen verbraucht, ist aber katastrophal vom Klimawandel geschädigt. In Adis Abeba formulieren 10 Länder 2009 eine Position für Kopenhagen.   Nach einer Studie 2007 des Kieler IfW und des WWF werden die Klimaschäden in Deutschland nach 2071 jährlich bis zu 10 Mrd. € betragen (Arbeitsproduktivität jährlich bis zu -12%). Nach einer Studie des DIW 2007 kann mit Schäden durch den Klimawandel in Deutschland bis 2050 in Höhe von 800 Mrd. € gerechnet werden. 2012 legen der WWF und der Club of Rom Berichte vor. Beide kommen zu dem Ergebnis, dass die Erde über ihre Verhältnisse lebt. Es gibt zu viele Menschen, es werden zu viele Ressourcen verbraucht und der Eiweißverbrauch (Fleisch, Milch) ist zu hoch. Besondere Sorge macht der Ausbau der Agrarflächen für Soja und Raps durch Waldrodung.

Klimamodell von William D. Nordhaus (1992): Zusammenhang von Temperaturvorgaben und Klimawandel. Mathematisches Gleichungssystem, das abbilden kann, wie sich ein Anstieg der Treibhausgasemissionen auf die ökonomische Aktivität auswirkt und welche Kosten Maßnahmen zur Vermeidung von Emissionen verursachen. Im Kern geht es Nordhaus weniger um einen maximalen Klimaschutz als um eine Steigerung des Wohlstands. Nordhaus spricht sich in der Umweltpolitik für eine Steuer auf Kohlendioxid aus (CO2-Steuer). Nordhaus erhält dafür 2018 den Wirtschaftsnobelpreis. Er entwickelte die integrierten Bewertungsmodelle DICE und RICE. Diese bestehen aus drei Modulen: 1. Kohlenstoffkreislaufmodul. 2. Klimamodul: 3. Wirtschaftswachstumsmodul. 

Rückgang der Ozonschicht: Konzentration von Ozon in der Atmosphäre, in Dobson-Einheiten (DU). Die Planetare Grenze liegt bei 275 DU. Die Erde ist 2017 bei 283 DU (verbessert sich). Quelle: Steffen et al.: The Trajectory of the Antropocene, 2015.

Diskontrate: Zentrale Schraube in den Klimamodellen der Kosten der Erderwärmung. Die größten Schäden des Klimawandels dürften erst in Jahrzehnten bzw. Jahrhunderten auftreten. Um Kosten und Gewinne, die in der Zukunft anfallen, jetzt in der Gegenwart zu berücksichtigen, hat man das Konzept der Diskontrate entwickelt. Es spielt eine zentrale Rolle im Stern-Bericht ebenso wie in anderen Modellen. Wenn neue Technologien die Probleme des Klimawandels in Zukunft lösen können,  könnte man die rate heute gering ansetzen.

Modell der "planetarischen Grenzen" von Johan Rockström: Die großen Risikofaktoren sind der Klimawandel, das Artensterben und damit der Verlust biologischer Vielfalt, die Versauerung der Meere, die Luftverschmutzung, der Abbau der Ozonschicht, der Verbrauch von Süßwasser, zu viel Stickstoff und Phosphor in der Natur, der Verbrauch von Landfläche, die chemische Verschmutzung durch Gifte, adioaktive Materialien, Mikroplastik und andere gefährliche Stoffe. Vgl. Johan Rockström/ Mattias Klum: Big World Small Planet, Ullstein 2017.

Tipping Point: Der Ausdruck hat unterschiedliche Bedeutungen. Die gebräuchlichste meint den Kipppunkt, an dem ein Prozess sich verselbständigt und nicht mehr umkehrbar ist.

Deutsches Klimarechenzentrum, Hamburg: Es verwaltet mit IBMs "High Performance Storage System" (HPSS) das weltgrößte Archiv mit Simulationsdaten - derzeit (2015) rund 40 Petabyte verteilt auf 20 Millionen Dateien.

Erderwärmungsberechnung: In den meisten Simulationsmodellen werden Szenarien zugrunde gelegt, die für das 21. Jahrhundert eine Erderwärmung um zwei bis vier Grad Celsius prognostizieren. Mit fünf Prozent Wahrscheinlichkeit können es acht Prozent Erwärmung werden. Das könnte das ende der Menschheit sein. Die Erderwärmungsberechnung ist die Basis der Klimaziele. Zu später Klimaschutz geht zu Lasten der nachfolgenden Generationen. Preise für das Leben festlegen zu müssen ist das große Problem aller ökonomischen Analysen.

Regeln zur Messung der Klimagase: Erstmals einigt man sich auf der Weltklimakonferenz in Bonn im Jahre 2017 auf ein einheitliches Messverfahren. Alle Staaten sollen die gleichen Maßstäbe anwenden.

Tote durch Feinstaubbelastung: Man weiß aus der Medizin um die Gefährlichkeit des Feinstaubs. Das ist unbestritten. Allerdings ist die Angabe von exakten Todeszahlen durch Feinstaub sonderbar. In Deutschland sollen jährlich 40.000 Menschen daran sterben. Weltweit sind es 3,3 Mio. Menschen. Exakte Todesursachen sind hier aber gar nicht möglich.

Lichtverschmutzung: Die Zerstörung der Nacht durch Kunstlicht ist noch eine Forschungs- und Messlücke. Unter der Lichtverschmutzung leiden Pflanzen, Tiere (insbesondere Insekten, Vögel) und Menschen. Menschen reagieren sensibel auf Blaulicht im Licht. Dies ist z. B. auch relativ stark in Energiesparlampen.

Flächenumwandlung: Bewaldete Flächen im Verhältnis zu waldbedeckten Flächen vor dem menschlichen Eingriff. Mindestens 75% ist die planetarische Grenze. Heute liegen wir bei 62%.

Deutscher Umweltindex: umweltpolitischer Indikator (DUX, seit 2000), der die Erreichung der Zielwerte bei Klima, Luft, Boden, Wasser , Energie und Rohstoffproduktivität misst.

Klimaschutzindex: Er will Transparenz in die internationale Klimapolitik bringen. Erstellt wird der Index von Germanwatch und dem Climate Action Network. Dänemark führt 2016 vor Großbritannien und Schweden. Deutschland liegt auf Platz 22.

PM: Parts of Million ist die Maßeinheit für die CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Sie ist von 280 ppm in vorindustrieller Zeit auf 380 ppm bis heute gestiegen.

I-PAT-Gleichung: Environmental Impact (Einwirkung auf die Umwelt) = Population (Bevölkerung) x Affluence (Pro-Kopf-Einkommen) x Technology (Technologie). Vgl. J. D. Sachs: Wohlstand für Viele, München 2008, S. 45.

Evironmental Life Cycle Costing: Bewertung von Produkten und Dienstleistungen über einen gesamten Lebenszyklus mit Bewertung der Umweltaspekte. Dies ist eine schnelle Maßnahme zur Erhaltung der natürlichen Umwelt. Der Ablauf kann aus Kunden- und Nutzersicht betrachtet werden. Zunehmend wird auch die Logistik (Transport) eingebunden. Die produzierenden Unternehmen (Belader) wollen Umweltrechnungen, insbesondere CO2-Verbrauch, für das Produkt insgesamt. Im Moment hat dies meist antizipatorischen Charakter, wobei der Nutzen in der Öffentlichkeitsarbeit liegt. "Die Bürger der Vereinigten Staaten warfen in nur zehn Jahren so viele Aluminiumdosen weg, dass man damit die gesamte zivile Luftflotte der Welt 25-mal nachbauen könnte", The Container Recycling Institute. Die Politik greift auch zunehmend in den Kreislauf ein, z. B. 2010 mit höheren Klimaauflagen für Klein-KKW.

Globale Energieüberblicke: REN21 Global Status Report. Jährlich aktualisierter Überblick über weltweite Förderpolitik und Investitionen in der Welt.  IEA, World Energy Outlook. Vorhersage der Zusammensetzung der Energiesysteme der Welt.

Methoden der Präferenzermittlung, um die Zahlungsbereitschaft für Umweltgüter abzufragen: Eine direkte Form der Ermittlung, die die Wirtschaftssubjekte zur wahrheitsgemäßen Aussage veranlasst, ist der Groves-Mechanismus. In der Praxis können einfachere Methoden verwandt werden. Indirekte Methoden arbeiten meist mit hedonischen Preisen.

Restrisiko: Vor der Japan-Katastrophe vor allem als Eintrittswahrscheinlichkeit angegeben. Heute Einschätzung auch vom Ablauf her und Neubewertung. Einbettung in eine neue Einstellung zu technischen Innovationen. Erdbeben, Flugzeugabstürze, Cyberattacken, Tsunamis und die Qualifikation des Personals sind in das Risiko nicht richtig eingerechnet. Müsste man die Meiler dagegen absichern, wären sie auch ökonomisch nicht mehr tragbar. Bisher ist die Haftung bei einem Atomunglück Sache des Staates. Die Betreiber müssen in Deutschland eine Deckungsvorsorge von 2,5 Mrd. € nachweisen (allerdings gegenseitige Garantieerklärungen). In Frankreich haften die Betreiber mit 91,5 Mio. € pro Kraftwerk. Diese geringe Haftung ist unfair gegenüber der alternativen Energie, die höhere Haftungseinlagen hat. Auch der aufwändige Abbau stillgelegter Atomkraftwerke rechnet zu den externen Kosten.

Ökologischer Fußabdruck und Biokapazität: Der ökologische Fußabdruck ist ein Messwert. Er misst die durchschnittliche Erdfläche, die in Abhängigkeit des Konsum- und Lebensstils einer bestimmten Person genutzt wird. Hat man den Fußabdruck ermittelt, kann man ihn mit dem tatsächlich verfügbaren Umfang der jährlich durch die Natur bereitgestellten Ressourcen vergleichen. Diese Größe und Fläche wird als "Biokapaziät" bezeichnet. Mittlerweile hat man ihn in den Corporate Cabon Footprint (CCF) übergeleitet. Hier sind alle CO2-verantwortlichen Aktivitäten und Verbräuche aus den Bereichen Energie, Transport, Geschäftsverkehr, Mitarbeitermobilität, Büromaterialien, Verpflegung, Abfälle erhoben und bewertet. Hier führt kein Weg an einer softwaregestützten Datenbanklösung vorbei.   Die jährlich verfügbare Biokapazität eines durchschnittlichen Erdenbürgers liegt bei 1,7 Hektar. Vgl. entsprechende Daten bei: Global Footprint Network: National Footprint Account results (2015 Edition).

Kohlenstoff-Fußabdruck (CO2-Fußabdruck): Er beschreibt die Emissionsmenge an Kohlendioxid (CO2), die bei der Herstellung des Produkts, bei der Dienstleistung oder bei der Aktivität entsteht. So kann der C - Fußabdruck eines durchschnittlichen Bürgers ermittelt werden. Er misst für eine Nation alle Emissionen, die durch den Konsum von finalen Gütern verursacht werden. So werden alle Emissionen einer Produktionskette einbezogen. Es spielt dabei keine Rolle in welchem Land die Emissionen entstehen.

Messung von CO2-Emissionen: Teils wird gerechnet und teils geschätzt. Zunächst wird in Sektoren unterteilt: Energie, Industrie, Verkehr, Haushalte, Landwirtschaft, Sonstige. Im Kyoto-Protokoll ist festgelegt, wie die Emissionen erfasst werden. Das Umweltbundesamt misst in Deutschland für die Sektoren (direkt CO2, indirekt NO2). Bei Großanlagen wird berechnet, bei Privathaushalten nach Modellen hochgerechnet. In der Energiebranche wird besonders genau erfasst wegen der Emissionszertifikate. Es gilt das Verursacher- und Territorialprinzip, um Daten aus verschiedenen Ländern vergleichen zu können. Schwierig wird es beim Flugverkehr.

Vorgaben für die Messung von Luftschadstoffen in Städten (Europäischer Gerichtshof, Luxemburg, Juni 2019): Eine Überschreitung der Grenzwerte schon an einzelnen Stationen reicht für Klagen aus. Schadstoffmessstationen müssen so platziert werden, dass ihnen keine Grenzwert - Überschreitung entgingen. Die deutsche Praxis wird bestätigt.  Konkreter Anlass: Klagen in Brüssel.

Wasser-Fußabdruck: Einmal wird Wasser zu Hause verbraucht. Zum andern gibt es "verstecktes Wasser", mit dem Lebensmittel wachsen, Güter und Energie erzeugt werden. Insofern wird über exportierte und importierte Güter virtuelles Wasser ausgetauscht. Der größte Netto-Exporteur sind die USA. 40% von Europas Wasser-Fußabdruck liegen außerhalb seiner Grenzen. Den höchsten Wasser-Fußabdruck hat Indien vor China (zwei Drittel für die Landwirtschaft).

Global Footprint: Vereinigung von Forschern, die jährlich die Ressourcenausnutzung berechnen. Zum 1. August 2018 hat die Menschheit die Ressourcen eines Jahres an erneuerbaren Ressourcen verbraucht: Holz, Wasser, CO2. Rechnerisch wirtschaftet  die Menschheit so, als habe sie 1,7 Planeten zur Verfügung. Technologie allein wird also die Welt nicht retten. Wir müssen von Allem weniger verbrauchen.

Landfussabdruck: Wird gemessen vom Sustainable Europe Research Institute (SERI). Der Landfussabdruck der EU beträgt 640 Mio. Hektar pro Jahr (ca. eineinhalb mal so groß wie die Fläche aller 28 Mitgliedsstaaten.

Versauerung der Meere: Durchschnittliche Sättigung mit Aragonit (Kalciumcarbonat) an der Meeresoberfläche als Prozentsatz des vorindustriellen Niveaus. Die planetare Grenze liegt bei 80% des vorindustriellen Sättigungsniveaus. 2017 waren ungefähr 84% und fallend erreicht.

Süßwasserverknappung: Frischwasserverbrauch, in Kubikkilometer pro Jahr. Höchstens 4000 Kubikkm pro Jahr. 2017 lagen wir bei 2600 Kubikkm pro Jahr ansteigend.

Wassermangel: Eine erneuerbare Wassermenge pro kopf und Jahr unter 1000 Qubikmeter; bei Werten unter 500 Qubikmeter spricht man von extremen Wassermangel.

Index for Sustainable Economic Welfare (ISEW): Die Idee geht auf Nordhaus/ Tobin zurück. Einbezogen werden die Einkommensverteilung, die unbezahlte Hausarbeit, die öffentlichen Ausgaben für Gesundheit, die Bildung, die Umweltverschmutzung, der Rückgang der Ressourcen und die Kosten der globalen Erwärmung.

Elektroschrott in der Welt: The Global E-Waste Monitor (2017).

Methoden der Wohlstandsmessung: Für den Bereich "Ökologie" drei Leitindikatoren: Treibhausgase, Artenvielfalt, Stickstoffbelastung.

Weitere Möglichkeiten der Nachhaltigkeitsmessung: Biodiversität, Rohstoffverbrauch (Rohstoffproduktivität), Treibhausgasemissionen (Niveau, pro Kopf).

Nachhaltige Produkte: Produkte , die repariert werden können und austauschbare Komponenten haben. Sie sind etwas größer, schwerer und teurer. Sogar in der Digitaltechnik gibt es mittlerweile diese Produkte. Vgl. https://phonebloks.com/en oder http://iameco.com .

Messung von Abgaswerten: Durch die Softwaremanipulation bei VW im Herbst 2015 gerät die gesamte Messung ins Visier. Sie wurden aufgedeckt vom International Council for Clean Transportation (ICCT; kleine gemeinnützige Organisation in den USA; vom Deutschen Axel Friedrich mitgegründet). Es geht um Diskrepanzen zwischen der Messung im Labor und in der Praxis (Überschreitung der Grenzwerte um das Vierzigfache). Besonders gefährlich sind im Diesel die Stickoxide. Die Motoren müssen warm werden, damit die Filter greifen.  "Wir sind ein Entwicklungsland. Wir sind noch nicht in der Lage internationale Verpflichtungen zu übernehmen", Liu Deshan, Ökonom, Qinghua-Uni Peking (zitiert nach Der Spiegel, 4/2007, S. 128).

Mathematische Theorie der Rekorde: Extremereignisse bieten einen wertvollen Einblick in komplexe Systeme wie das Klima der Erde oder auch die globalen Fianzmärkte. Mit Hilfe mathematischer Modelle lässt sich die zunehmende Zahl der Hitzerekorde auf einen allgemeinen Erwärmungstrend zurückführen. Für Rekordstürme und -niederschläge ist ein solcher Zusammenhang bislang nicht statistisch belegbar. Siehe: Wergen/Krug/Rahmsdorf:Globale Erwärmung. Klimarekorde, in: Spektrum Spezial 3/17, S. 66ff. 

Weltrisikobericht: Er wird vom Bündnis "Entwicklung hilft" und vom Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht der Uni Bochum erstellt. Die gefährdesten Regionen sind Ozeanien, Südostasien, Mittelamerika und West- sowie Zentralafrika. Das größte Risiko haben Vanuatu, Tonga, Philippinen. Deutschland liegt auf dem Gesamtindex auf Rang 155 von 172.

Klima-Risiko-Index: Er wird von der Entwicklungs- und Umweltorganisation German Watch jährlich errechnet. Zugrunde liegen Daten von Munich Re. Der Index bezieht sich auf Länder. Auch Deutschland ist stark betroffen. Deutschland rutscht um fünf Plätze auf Rang 27 ab. Das Emissionsniveau sei seit 2009 fast gleich bleibend hoch. Der Ausbau der erneuerbaren Energien flaue ab.  Seit dem Jahre 2000 sind bis 2020 bei Extremwettern (heftige Stürme, Fluten, Hitzewellen) 500.000 Menschen ums Leben gekommen. Die wirtschaftlichen Schäden lagen bei 2,1 Billionen €. Deutschland befindet sich unter den 0 am stärksten betroffenen Ländern. Quelle: Studie von German Watch 2021. 

Klima-Aktienindex: Aufgestellt von Fintechs right, Frankfurt. 260 der 600 größten börsennotierten Unternehmen Europas schaffen es hinein.

Ranking Nachhaltigkeitsbericht von Unternehmen. Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH, Berlin und Future, Berlin. Nach einem Benchmark - Prinzip werden deutsche Unternehmen jährlich in eine Rangfolge gebracht.

Satellit Sentinal 6: Er wird am 21.11.20 mit der Space - x in den Weltraum geschossen. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt von ESA und NASA. Er misst den anstieg des Meeresspiegels. In Darmstadt werden die Daten ausgewertet. Es ist Teil des Projektes Kopernikus. Bis Ende des Jahrhunderts könnte der Meeresspiegel um 1m steigen.

Carbon Tracker, London: NGO, gegründet vom UK fund manager Jeremy Leggett. Soll Daten über Carbon sammeln. Kern ist das Verhältnis zwischen Carbon und Finanzen. Es werden zahlreiche Daten vorgelegt. Vgl. https://www.carbontracker.org

Carbonbrief, UK (Website, britische Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalisten; Infos zum Klimawandel; vgl. https://www.carbonbrief.org )

Internationale Organisation für erneuerbare Energien, Masdar City/ VAE (IRENA; Gründer Hermann Scheer 2009; sammelt zahlreiche Daten und veröffentlicht sie).

Umweltforschung als Bürgerbewegung (Freizeitforscher, "Neugierige Nasen"): Die Bewegung gibt es in allen Forschungsbereichen. Man arbeitet mit interessierten Laien und engagierten Bürgern. Berühmt wird ein Projekt aus Belgien. 5000 Freiwillige sammeln Daten zur Erderwärmung. Wissenschaft wird zur Bürgerbewegung. Jeder kann mitmachen ohne Uni-Abschluss. Das Interesse zählt, nicht der Bildungsgrad. Grundstücksbesitzer in Flandern halten Temperatur, Feuchtigkeit, Stickoxidgehalt fest. Vom Internet werden die Daten an eine n Server der Uni Antwerpen übermittelt und dort ausgewertet.

Energiewende-Index (Weltwirtschaftsforum): Es führen 2021 (Quelle WEF, Davos) die skandinavischen länder (Schweden, Norwegen, Dänemark). Deutschland liegt auf Platz 18: Die Umwelt-Technik ist top, der Strompreis ein Flop. Die USA liegen auf Platz 24, China auf 68. Vgl. FAZ Ne. 92, 21. April 2021, S. 17.

Internationale Energieagentur IEA), Paris: sie gibt auch Daten zum Klimawandel raus. Der Ukraine-Krieg beschleunige die Energiewende. Der Höhepunkt globaler CO2-Emissionen wird 2025 erwartet.

Keeling-Kurve: Benannt nach dem Klimaforscher Charles David Keeling (1928-2005). Er macht Messungen auf dem Mauna Loa auf Hawai. Der Kohlenstoffkreislauf treibt das gesamte Klimasystem an. Die eine Hälfte unseres Kohlenstoffdioxidausstoßes wird von Ozean und Land - Biosphäre absorbiert, die andere Hälfte erwärmt unseren Planeten, wobei der Orean 90% der Menschen gemachten Wärme aufnimmt. Es gibt Schwellenwerte und Kipppunkte im Klimasystem, wenn sich fundamentale Rahmenbedingungen wie die Temperatur ändern..

Physikalisches Modell zum Erdklima: Klaus Hasselmann, ehemaliger Physiker, am Max-Planck-Institut für Meteorologie, bekommt dafür den Physik-Nobelpreis 2021. Mit diesem Modell gelang der Nachweis, dass der Klimawandel zum großen Teil von Menschen verursacht wird. Mit ausgezeichnet wurden Manabe/ Japan und Paresi/ Italien. Die Modelle können "zuverlässige Vorhersagen der Erderwärmung" machen.

KI und Klimawandel (BERT): Ein Forschungsverbund des Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change sowie der Firma Climate Analytics setzen einen Deep-Learning-Ansatz ein. 100.000 publizierte Studien werden bewertet, klassifiziert und kartiert. 80% der Landfläche und 85% der Menschen sind vom Klimawandel betroffen. Vgl. Schaper, Ulrich: Die digitale Spur des Klimawandels, in: FAZ 3.11.21, S. N1^.

Esri, Redlands (zwischen Los Angeles und Palm Springs, seit 1969; Chef und Gründer Jack Dangermond; Software; Erstellen von Karten; Geodaten; Berechnung von Umweltschäden; arbeitet mit Franchise-Modellen).

Global Reporting Initiative (GRI): Die GRI ist eine gemeinnützige Stiftung, die 1997 gemeinsam von CERES und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) in den USA gegründet wurde. Ziel der global Reporting Initiative ist die Unterstützung der Nachhaltigkeitsberichterstattung aller Organisationen. Der GRI - Berichtsstandard ist der weltweit bekannteste und am häufigsten genutzte Standard für dei Nachhaltigkeitsberichterstattung. Vgl. Ernst/ Sailer/ Gabriel (Hg.): Nachhaltige Betriebswirtschaft, München 2021, S. 407.

Begriff "klimaneutral": Der Begriff ist juristisch nicht definiert. Jeder kann sich austoben. Es gibt viele Unternehmen, die damit werben. Die müssen zumindest transparent machen, wie sie die Klimaneutralität erreichen wollen. Dei Wettbewerbszentrale hatte einige Unternehmen verklagt. 2021 gibt e seine Diskussion darüber. Auslöser ist ein Hähnchen bei Rewe (550 g, 5,99 €, "klimaneutral"). Reduktion von Emissionen und Ausgleich. Das Grundprinzip gilt. Es gibt allerdings niemand, der das überprüft. Vgl. Knuth, Hannah: Scheinheiliges Prinzip, in: Die Zeit Nr. 53, 22.12.21, S. 25.

Erdüberlastung: Verbrauch von knappen Ressourcen, z. B. Baumstämme. Ermittelt von der Footprint Data Fiundation, der New York University und des Global Footprint Network für den WWF. Der Termin wird für einzelne Länder und den Planeten angegeben. Deutschland hat bereits am Tag 125 2022 den Punkt erreicht.

Weltorganisation für Meteorologie (WMO): Sie misst regelmäßig den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur. 2026 rechnet die Organisation mit einem neuem Hitze-Rekord-Jahr. Sie prognostiziert auch, dass die die kritische Marke von 1,5° in einem der nächsten Jahre gerissen werden kann.

Pink Elements: Arbeitet mit einer Blockchain. 2022 von Michael Hank gegründet. Es soll eine Art Wiki entstehen, dass Infos über Wasser- und Luftqualität in der Welt sammelt.

Planet Labs, Kalifornien/ USA (Erdbeobachtung, arbeitet mit Mini-Satelliten, 200, Bilder auch für Klimaschutz, Deutschland-Niederlassung in Berlin, Chief Strategy Officer und Mitgründer Robbie Schingler)

Expertenrat für Klimafragen in Deutschland (siehe Zusammensetzung bei Links/ Umwelt): Er gibt in loser Reihenfolge Berichte/ Gutachten ab. So auch einen vor der Weltklimakonferenz 2022 in Ägypten. Deutschland kann bis 2030 seine Klimaziele mit einem "weiter - so" nicht errechen. Das Ziel war CO2-Ausstoß bis 2030 im Vergleich 1990 um 65% senken. Mehr Ausbau erneuerbarer Energien. Auch der Bericht im August 2023 stellt ein schlechtes Zeugnis für die Klimapolitik der Ampel aus. Deutschland sei nicht auf Kurs. Man fürchtet sogar Strafzahlungen der EU.

Wirtschafts- und Marktforschung bei Blackrock (Blackrock Investment Institute in London, Denkfabrik des weltgrößten Vermögensverwalters, Ela Bartsch, Ökonomin am Institut wechselt 2023 in die Grundsatzabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums, Expertin für Risikos des Klimawandels).

Wetterdaten in Deutschland: die meisten erhebt der DWD. Der Supercomputer gehört zu den stärksten der Welt. Sie errechnen anhand Millionen Daten, wie sich die Atmosphäre in nächster Zeit global verändern wird. Man arbeitet auch mit Wettermodellen. Das globale Wettermodell des DWD ICON umfasst 265 Millionen Gitterpunkte. Zusätzlich gibt es 13.000 Wetterstationen und 1900 Straßenwetterstationen. Die älteste Bergwetterstation der Welt steht in Oberbayern. Das Observatorium Hohenpeißberg misst seit 1781 Wetter- und Klimadaten.

Klimaschutz-Index: Errechnet von German Watch und New Climate Institute. Er kommt pünktlich zur Weltklimakonferenz 2023 in Dubai. Dei ersten drei Plätze sind nicht besetzt. Deutschland liegt auf Platz 14. Dänemark führt das Ranking an.

Attributionsforschung: Mit ihrer Hilfe lässt sich der Anteil der Erderwärmung an Wetterkatastrophen präzis bestimmen. Eine wichtige Vertreterin ist die deutsche Physikerin Friederike Otto, die am Imperial College in London forscht. Vgl. Gespräch in Der spiegel 52/ 23.12.23, S. 96ff. Vgl. auch Diess.: Klimagerechtigkeit - Was die Klimakatastrophe mit Kapitalismus, Rassismus und Sexismus zu tun hat, Berlin/ Ullstein 2023.

 

Arbeitsökonomik (Produktionsfaktor "Arbeit", Märkte für Produktionsfaktoren;  Arbeitsmarktmanagement, Verteilung, Population/ Demographie, Sozialpolitik/ Soziales, Personalökonomik, Sustainable Human Resource Management, Gesundheitspolitik, Human Factors). Die allgemeinen theoretischen Grundlagen enthalten die Mikro- und Makroökonomik. Globale Aspekte der Arbeit finden sich bei Außenwirtschaft. Ethische Aspekte der Arbeit können bei Umwelt eingesehen werden. Die meisten Zusatzinformationen stehen unter Mittelstandsökonomik (mit Familienunternehmen arbeiten in kleineren Unternehmen/ KMU über 70% aller Beschäftigten). Viele Jahre habe ich Veranstaltungen im Personalstudiengang der HWG Ludwigshafen und anderen Hochschulen (Pirmasens, Bielefeld, Koblenz) dazu gehalten, später im Bachelor und Master. Vgl. auch zum Markt für Sachkapital und Boden Economics/ basic.

"Die Nationalökonomie geht von der Arbeit als der eigentlichen Seele der Produktion aus, und dennoch gibt sie der Arbeit nichts und dem Privateigentum alles", Karl Marx (2018 wird in Trier, der Geburtsstadt, groß gefeiert werden). Berühmt ist auch folgendes Zitat von ihm: "Was mich betrifft, ich bin kein Marxist".

Gliederung: Verteilung und Wohlstand; Demographie/ Flüchtlinge; Lohn/ Entlohnung; Neue Arbeitsformen/ Zukunft bzw. Wandel der Arbeit; Personalpolitik und -management (HRM); Ausbildung der Arbeit; Arbeitspsychologie und Arbeitswissenschaft; Arbeitsmarkttheorie und -statistik; Arbeitsmarktpolitik; Sozialpolitik/ Soziales/ Renten; Gesundheit/ Gesundheitspolitik/ Pflege.

 

Verteilung (Soziale Gerechtigkeit und Arbeit; Einkommensverteilung, Vermögensverteilung, Armut, Wohlstand der Nationen, Wohlfahrt in der Zukunft, soziale Ungleichheit, Sozialstaat; vgl. auch Soziales)

"Der Edle harmonisiert, aber er macht nicht alles gleich; der Gewöhnliche macht alles gleich, aber er harmonisiert nicht", Konfuzius.   

"Der Weg zum Reichtum hängt an zwei Dingen: Arbeiten und Sparen", Benjamin Franklin, US-Präsident.

Wohlstand: Wohlstand hat unmittelbare Ursachen wie physisches Kapital, Humankapital und Technologie. Dahinter liegen grundlegende Ursachen wie Geographie, Kultur und Institutionen. Vgl. Acemoglu, Daron u. a.: Volkswirtschaftlehre, München 2020, S. 701.

Ungleichheit: Soziale Ungleichheit wird in der Ökonomie auf Vermögen, Einkommen und Mobilität bezogen. Die Messung ist außerordentlich schwierig und umstritten. Das rechte Maß liegt zwischen Freiheit vs. Gleichheit. Die Ungleichheit hat viele Konsequenzen: Reduzierung des Wirtschaftswachstums, Spaltung zwischen Schulden und Sparen wird größer, größerer gesellschaftlicher Verteilungskampf, Minderung des Humankapitals, globale Finanz- und Wirtschaftskrisen, Verstärkung des Armutsproblems, Beeinträchtigung der Gesundheit, größere abhängigkeit vom Staat, Schädigung der politischen Teilhabe. Globalisierung und Digitalisierung können die Ungleichheit verstärken. Entscheidend ist die Chancengleichheit. Der Staat muss effektiv umverteilen. Vgl. Marcel Fratzscher: Verteilungskamp. Warum Deutschland immer ungleicher wird, München 2017. Die einzelnen Aspekte werden im Folgenden erläutert. Gründe für die Schieflage bei der Verteilung sind die Folgenden:1. Arbeitslose haben vom Aufschwung zwar profitiert, aber alle anderen Erwerbstätigen auch. 2. Haushaltseinkommen in der Mittel- und Oberschicht erhöhen sich durch Frauenerwerbstätigkeit. 3. Globalisierung und technischer Fortschritt begünstigen eher Privilegierte.  "In dem Staat, in dem die Guten nichts voraushaben und die Schlechten nichts voraushaben können, sind Friede und Eintracht", Aristoteles, griechischer Philosoph. Im Jahre 2013 bekam in Deutschland die schlechter verdienende Hälfte der Bevölkerung 17% des Volkseinkommens, die obere Hälfte 83% des Volkseinkommens (Quelle: DIW, Berlin). Laut Oxfam (NGO) besitzen 42 Menschen auf der Welt genauso viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung.

Diskussion der Ungleichheit in Deutschland: "In vielen Bereichen ist Ungleichheit zu beobachten, etwa bei Einkommen und Vermögen, auf dem Arbeitsmarkt, hinsichtlich der Bildungschancen oder auf regionaler Ebene. Die Sorge der Menschen, in der anstehenden (grünen und digitalen) Transformation zu den Verlierern der Gesellschaft zu gehören, nimmt zu. In dieser Situation können Verteilungskonflikte entstehen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt schwächen. In diesem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen: Wie hat sich die Ungleichheit entwickelt? Welche Auswirkungen kann Ungleichheit haben und wie kann ihr begegnet werden, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken?" Siehe Bartels, C. u. a.: Verteilungskonflikte: Wie wird der gesellschaftliche Zusammenhalt gesichert? in: Wirtschaftsdienst 7/ 2024, S. 440ff.

Einfluss historischer Erbsitten: Gerechte Erbschaften innerhalb von Familien begünstigen Gleichheit. Deutsche Gemeinden, die historisch fair vererbt haben, wählen bis zum heutigen Tag mehr Frauen in Kommunalparlamente. und haben weniger Aristrokaten in der sozialen Elite. Gleichzeitig lässt sich zeigen, dass faire Erbschaften Einkommensungleichheit forcieren. Es gibt also einen "Trade-off" zwischen sozialer und ökonomischer Ungleichheit. Siehe Rink, Anselm: Das Rätsel der Ungleichheit. Historische Erbsitten haben Auswirkungen bis heute, in: WZB Mitteilungen, Heft 161, September 2018, S. 14ff. Erben hat einen großen Einfluss auf dei Vermögensverteilung. In Deutschland (West) beträgt der Anteil des ererbten Vermögens am Gesamtvermögen 31,4% (Österreich 30,9%, Frankreich 23,2%, Spanien 18%; Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht April 2019).

Erben und Immobilien: Die Leistungsgesellschaft funktioniert kaum noch. Es reicht nicht mehr, sich anzustrengen. Fast nur Erben können sich noch Eigentum in Ballungsgebieten leisten. So verbreitet sich ein Gefühl von Ohnmacht. Vgl. Thadden, Elisabeth von: Das teure Nest, in: Die Zeit Nr. 6, 4.2.21, S. 19.Vgl. auch: Beckert, Jens: Unverdientes Vermögen: Soziologie des Erbrechts, Frankfurt/ New York 2004. 

Kapitalrendite ist größer als das Wachstum (r > g): Mathematische Zusammenfassung des Buches von Thomas Piketty (Das Kapital des 21. Jahrhunderts, 2013). Als Slogan: Wer erbt, verdient mehr, als derjenige, der arbeitet. Das bezeichnet Piketty als den "zentralen Widerspruch des Kapitalismus". Die Ungleichheit wächst im Kapitalismus ständig an. Die Schere zwischen Arm und Reich wird sich immer weiter öffnen. Piketty beweist diese These mit großen Datenmengen im Computer.

Drei-Sektoren-Hypothese: Langfristige Entwicklung der in drei Sektoren aufgeteilten Volkswirtschaft (von Fisher stammt die Idee, von Fourastie´ weiterentwickelt und bekannt gemacht, "Die große Hoffnung des 20 Jahrhunderts", 1949). Zunächst dominiert der primäre Sektor (Landwirtschaft, Forsten, Fischerei), dann kommt der sekundäre Bereich (industrielle Produktion) und schließlich der tertiäre Sektor (Dienstleistungen). Gilt für Industrieländer, nicht für alle Entwicklungsländer. Ist sehr schwierig empirisch zu messen (Nachfrage-Bias, Technischer Fortschritt). In der Regel nimmt man als Indikator die Erwerbstätigen. Berühmt ist die These von Baumol von der "Kostenkrankheit" (unbalanced growth): Mangelnder technischer Fortschritt bei vielen Dienstleistungen sowie die Anpassung der Löhne an die technisch fortschrittlichen Sektoren müssen dazu führen, dass der tertiäre Sektor die Wertschöpfung aufzehrt. 2007 hatte der Primäre Sektor in Deutschland einen Anteil von 1% (1990: auch 1%), der Sekundäre Sektor 30% (37%), der Tertiäre Sektor 69% (61%). Von den Erwerbstätigen 2010 sind 36,4% in Dienstleistungen, 12,1% im Produzierenden Gewerbe und 1% in Land- und Forstwirtschaft.

Kuznets-Kurve (Simon Kuznets, 1901-1985, National Income and its Composition, New York 1941, auch: Economic Growth and Income Inequality, in: AER, 1955): Zusammenhang zwischen Pro-Kopf-Einkommen und der personellen Einkommensverteilung; der Entwicklungsprozess verschlechtert sich zunächst, verbessert sich aber langfristig. "Wenn wir nicht reich werden, bleiben alle arm", Deng Xiaoping.

Einkommensverteilung (Lorenz-Kurve, Gini-Koeffizient): Statistischer Zusammenhang zwischen dem Anteil der Quantile von Einkommensbeziehern und dem Anteil der von ihnen empfangenen Einkommen am gesamten Volkseinkommen (personelle EV). Die Fläche ist mit dem Gini-Koeffizient berechenbar. Beide sind natürlich auch auf andere Probleme der Konzentration anwendbar. Die OECD hat zuletzt 2008 die Einkommensverteilung verschiedener Länder mit dem Gini-Koeffizienten vergleichen: Deutschland 0,30; USA 0,38; Schweden 0,23 (Growing Unequal?). Daneben gibt es noch die funktionale Einkommensverteilung und die EV im Sinne der VGR. Von der Verteilung schließt man auch auf die Gerechtigkeit in einem Land. Als Hauptursache für Einkommensungleichheit in einem Land gelten Technischer Fortschritt, Globalisierung und Wirtschaftspolitik (Steuerpolitik zugunsten höherer Einkommen). Nach einer Studie des DIW/ Berlin im Jahre 2006 hat das ärmste Zehntel der Bundesbürger zwischen 1995 und 2005 rund 5% seines Anteils am Gesamteinkommen eingebüßt und die Reichen sind immer reicher geworden. 10,6 Mio. Deutsche (13%) müssen mit weniger als 60% des Durchschnittseinkommen auskommen (Studie "Leben in Europa", Statistisches Bundesamt, 2006). International gehören Japan und Dänemark zu den Ländern mit den geringsten Einkommensunterschieden, und Brasilien und Süd-Afrika haben mit die größten. Laut dem "Spiegel" sind von 1992 bis 2006 die Einkommen bei den reichsten 10% der Bevölkerung um 31% gestiegen, bei den ärmsten 10% der Bevölkerung um 13% gesunken. Dies bekräftigt auch eine Studie des DIW 2008 (Frick/ Grabko): Durch die Globalisierung gehören noch 54% zur Mittelschicht. 2000 waren es noch 62%. Eine andere Untersuchung des DIW (Gornig/ Goebel) kommt 2010 zu dem Ergebnis, dass 2009 noch 61,5% zur Mittelschicht gehören (2000 noch 66,5%). Im selben Zeitraum stieg die Zahl der Menschen mit niedrigem Einkommen von 18 auf 22 %. Nach einer McKinsey-Studie 2008 werden bis 2020 weniger als 50% der Bevölkerung in Deutschland ein Einkommen auf Durchschnittsniveau haben. Die Löhne zwischen den Vollzeitbeschäftigten mit niedrigem und jenen mit mittlerem Einkommen sind seit 1997 weiter auseinander gedriftet: Während Geringverdiener Ende der 1990er Jahre noch 64% des mittleren Einkommens erhielten, erreichten sie 2007 nur noch 53% (IZA). Auch eine OECD-Studie 2011 kommt zu dem Ergebnis, dass die Einkommenskluft in Deutschland wächst (drittgrößter Schub in der OECD). Die hohen Haushaltseinkommen sind stärker angestiegen als die kleinen Einkommen. Hauptursache ist die Entwicklung der Löhne, vor allem durch die stark zunehmende Teilzeitbeschäftigung. Von allen 34 OECD-Ländern haben die USA, Großbritannien und Italien die geringste soziale Mobilität. Ende 2011 wächst das Geldvermögen in Deutschland auf den Rekordstand von 4,7 Billionen €. 2013 wird eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung vorgelegt: Die Einkommen sind in Deutschland heute weitgehend ungleicher verteilt als vor 20 Jahren. Grund ist der langfristige Anstieg der befristeten Jobs, Teilzeitstellen und Minijobs (atypische Beschäftigung). Die Mehrwertsteuererhöhung 2007 hat ärmere Haushalte stärker getroffen. Die Wohlhabenden profitieren von höheren Kapitaleinkommen. Das Handelsblatt Research Institute hat 2013 nach Werten der OECD und der Credit Suisse folgende Gini-Koeffzienten berechnet: 2010 für Deutschland bei der Einkommensverteilung vor der staatlichen Umverteilung 0,492. Nach der Umverteilung 0,286. Der Gini-Koeffizient der Vermögensverteilung beträgt 0,78. Ungleicher ist das Vermögen in den USA und Schweden verteilt. Das sozioökonomische Panel 2012 kommt in Deutschland zu einem mittleren Einkommen von 1641 € (zum Vergleich USA 1860 €). 15,6% der Gesamtbevölkerung lebten 2009 unter einem Nettoeinkommen von weniger als 60% des mittleren Einkommens (Median), hier spricht man von Armutsgefährdung. Ende 2014 legt die OECD eine Studie zur Einkommensverteilung vor: Die Kluft zwischen Arm und Reich wird in den Industriestaaten größer. Die Unterschiede werden als Wachstumsbremse gesehen. Eine weitere Studie des DIW 2017 (Quelle: Der Spiegel 9/2017, S. 15) kommt zu folgenden Ergebnissen: Veränderungen des realen verfügbaren Haushaltseinkommens von 1991 zu 2014 nach Gruppen aufgeteilt: bei den einkommensstärksten 10% bis zu +20%; bei den mittleren Einkommen +/-0%; bei den ärmsten 10% -10%. Auch der wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium kommt 2017 zu dem Ergebnis, dass seit der Wiedervereinigung die Einkommensschere immer weiter auseinander geht (Gini - Koeffizient von 0,33 1990 auf 0,40 2013). Im internationalen Vergleich liege Deutschland im Mittelfeld. Der Mindestlohn in Deutschland hat die Ungleichheit, gemessen mit Gini, nicht verändert: 2014, vor dem Gesetz, 0,29. Genauso war der Wert 2018. 2022 kommt eine neue Ifo-Studie: Die Einkommensungleichheit steigt. Das Arbeitereinkommen stagniert. Einmal reich, immer reich. Spitzenverdiener koppeln sich ab. Frauen holen auf.   Vgl. als wichtige historische Originalquelle: Clark, John Bates: The Distribution of Wealth, New York/ London 1899. Bates lebte von 1847 bis 1938. Er hatte Studienaufenthalte in Heidenberg und Zürich, so dass er die Historische Schule kennen lernte. Bliss, Christopher J.: Capital Theory and the Distribution of Income, Amsterdam, Oxford 1975. Er war zuletzt Professor in Oxford.

Armut: Entscheidend ist die Definition und Operationalisierung, die für Deutschland und international erheblich abweichen dürfte. In Deutschland sind zwei Gruppen besonders betroffen: ältere Menschen (Altersarmut, vor allem Frauen) und Kinder. Wegen der starken Zunahme der geringfügigen Beschäftigung wird auch die Altersarmut zunehmen. In diesem Zusammenhang wird über eine Sockelrente (Mindestrente) bzw. eine Rente nach dem Grundeinkommen diskutiert. Es stellt sich die Frage, ob unser Sozialstaat noch effektiv die Armut verringern kann. 2010 war das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung. Sehr kompliziert sind die Statistiken über Armut. Es muss unterschieden werden zwischen Armut und Ungleichheit (in ärmeren Ländern ist die Armutsgrenze kleiner als in reichen). Die Frage ist auch, wo die "Armutsgefährdeten" einzuordnen sind (weniger als einen bestimmten Prozentsatz zum mittleren Einkommen). Zu eindimensional ist auch die Fixierung der Armut am Einkommen und die Vernachlässigung des Vermögens. Die meisten Armutsanalysen lassen das individuelle Vermögen außen vor (dadurch wird das Problem überzeichnet). Zum Vermögen  gehört ebenso das Humankapital. Die Berechnung des Einkommens ist teilweise sehr umstritten (mit Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung?, Einkommen aus Schattenwirtschaft und Haushaltsproduktion?). Die Entwicklung und "Weitervererbung" der Armut hängt stark an der Bildung. Studien belegen eindeutig, dass viele Kinder, deren Familien von Hartz IV leben, ihrer Entwicklung bereits im Vorschulalter hinterherhinken (z. B. Bertelsmann). 14% der deutschen Kinder und Jugendlichen (unter 15 Jahren; 2016) leben von Hartz IV (überwiegend allein erziehende Mütter oder Väter). Vgl. Georg Cremer: Armut in Deutschland. Wer ist arm? Was läuft schief? wie können wir handeln?, München (Beck) 2016. Vgl. auch: Karl Brenke: Armut: vom elend eines Begriffes, in: Wirtschaftsdienst 2018/ 4, S. 260ff.  Der Armutsbericht der Bundesregierung 2008 zeigt deutlich, dass die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden (arm= unter 890 € netto als Alleinstehender, 1871 € für ein Paar mit zwei Kindern). Alle vier Jahre erscheint dieser Bericht, so dass auch wieder einer 2012 kommt. Dabei ist zu bedenken, dass Armut und Reichtum relative Größen sind, über deren Definition in Wohlstandsgesellschaften viel mehr diskutiert werden müsste. Der Armutsbericht 2012 ist im Vorfeld sehr umstritten. Das Wirtschaftsministerium scheint den Bericht des Arbeitsministeriums "frisiert" bzw. zensiert zu haben ("sinkende Reallöhne sind das Ergebnis struktureller Verbesserungen", soziale Spaltung gibt es nicht?).  Die Daten sind über 5 Jahre alt. Eine weitere Quelle in Deutschland ist der Armutsatlas. Er berechnet Armutsrisikoquoten. Eine wichtige Grundlage ist hier das Sozioökonomische Panel. Nach einer Studie des DIW 2010 steigt in Deutschland das Armutsrisiko: 14% waren 2008 armutsgefährdet (weniger als 60% des mittleren Einkommens). Die Weltbank bezeichnet Menschen, die weniger als 1 US-$ pro Tag verdienen, als arm. Auch in den USA wird das Elend unter den Armen immer größer. Nur noch 16% der Bevölkerung glauben, dass ihre Mittel reichen. Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise brechen die wichtigen Firmen-Spenden weg. 2010 berichtet die US-Statistikbehörde, dass jeder siebte Amerikaner unter der Armutsgrenze lebt (46,7 Mio.). Dies ist der höchste Stand seit 51 Jahren. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung für die OECD kommt 2011 zu dem Ergebnis, dass Deutschland unter den 31 OECD-Staaten bei der sozialen Gerechtigkeit nur Platz 15 belegt. Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband gibt einen Armutsbericht heraus. 2012 werden vom Statistischen Bundesamt die Ergebnisse einer europaweiten Untersuchung bekannt gegeben. Danach sind 15,6% (ca. 13 Mio.) aller Deutschen armutsgefährdet. Dabei handelt es sich um ein mittleres Armutsrisiko. Im September 2012 meldet das Statistische Bundesamt, dass das Armutsrisiko im vergangenen Jahr in den meisten Bundesländern gestiegen ist, vor allem in den neuen Ländern (Ausnahme Bremen). Zwei Studien über Armut 2012 widersprechen sich. Der Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium sieht eher eine Betroffenheit bei Jungen. Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Gewerkschaften werfen der Regierung Verharmlosung vor. 2013 untersucht die Bertelsmann Stiftung das jeweilige Armutseinkommen einer Familie mit zwei Kindern und rechnet davon die Wohnkosten ab. Sie berechnet damit, was Geringverdienern nach Abzug der Wohnkosten zum Leben bleibt. Sehr dramatisch ist die Situation in Frankfurt, Regensburg und Freiburg (unter 800 €). Dramatisch lebt es sich in München, Mainz, Leipzig, Münster und Aachen (um die 1000 €). Die gestiegenen mieten in vielen Städten bergen sozialen Sprengstoff (vgl. Der Spiegel 30/2013, S. 34-36). Eine Studie der OECD 2014 weist ausdrücklich darauf hin, dass der Aufschwung in Deutschland an den sozial Schwächeren (Armen) vorbeigeht. Nach einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes 2014 waren 20,3 Prozent aller Menschen in Deutschland arm oder sozial ausgegrenzt. Seit 2008 habe sich der Wert nur wenig verändert. Der Durchschnitt der EU liegt bei 24,5%. Nach einer Studie von Oxfam Anfang 2015 leben 1 Mrd. Menschen weltweit von unter 1,25 Dollar pro Tag. Anfang 2015 gibt das Statistische Bundesamt folgende Daten bekannt: Über 400.000 Menschen in Deutschland können von ihrem Einkommen nicht leben. 3,1 Mio. Erwerbstätige liegen mit ihrem einkommen unterhalb der Armutsschelle (979 Euro; +25% gegenüber 2008). 2015 veröffentlicht das Statistische Bundesamt den nächsten Armutsbericht: 15,4% der Einwohner sind armutsgefährdet. Je schlechter die Bildung, desto größer die Gefahr der Armut (besonderes Risiko für Geringqualifizierte). Am höchsten ist das Risiko in Bremen, am geringsten in Baden-Württemberg. Ein aktueller Bericht zur regionalen Armutsentwicklung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands 2015 zeigt auf, dass 2013 die Armutsquote von 15 auf 15,5% gestiegen ist (Hauptgruppen: Alleinerziehende, Kinder, Langzeitarbeitslose). Die Altersarmut steige rasant an. Im Süden Deutschlands herrscht weniger Armut. Sie ist am höchsten in M.-V., Berlin und Bremen. Auch 2016 erscheint der Armutsbericht im Februar. 2015 ist die Armut um 0,1% leicht gesunken (22,5 Mio. Menschen sind in D. arm). Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) ist 2014 die Anzahl der Menschen ohne Wohnung in Deutschland auf 335.000 Menschen gestiegen. Die Nationale Armutskonferenz (Wohlfahrtspflege, Sozialverbände) gibt einen "Schattenbericht" zur Armut heraus: Hartz IV habe die Armut in Deutschland deutlich erhöht. Die Armutsgefährdungsquote in Deutschland  liegt 2014 bei 15,4% (Quelle: Destatis, StBA). Ein wichtiger Indikator für Armut ist auch die Zahl der Bedürftigen in Tafeln. Die Anzahl der Tafelkunden ist 2015 im Vergleich zu 2014 um 18% gestiegen (unter den Nutzern sind 280.000 Flüchtlinge). Die Anzahl der Wohnungslosen ist in Deutschland deutlich angestiegen: Von 248.000 im Jahre 2010 auf 335.00 im Jahre 2015. In den USA liegt die Armutsgrenze 2015 (absolut definiert) bei 24.250 Dollar (2 Erwachsene, 2 Kinder). Ein Viertel der EU-Bevölkerung ist 2017 von Armut bedroht (Quelle: EU-Statistikbehörde "Eurostat"). Der Paritätische Wohlfahrtsverband kommt für 2020 zu folgendem Ergebnis: Die Armutsquote erreicht einen neuen Höchststand. Der Wert betrug 16,1% (+0,2% über 2019). Damit rechnen 13,4 Mio. Menschen in Deutschland zu den Armen. Es gibt einen Wohlstandsgraben in Deutschland: oben Baden-Württemberg und Bayern, unten Bremen. 2021 nennt der Verband 13,8 Mio. Betroffene. Das wäre ein Rekordniveau von 16,6%.

Erwerbsarmut: Armut trotz Job ("working poor"). Sie sollte Lohn und Arbeitszeit verbinden. Erwerbsarmut wäre danach Armut trotz Vollzeitbeschäftigung. Das trifft auf viele prekär bzw. atypisch Beschäftigte zu. Hierbei ist der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund besonders groß. Bei der Erwerbsarmut gibt es weitere Risiko-Gruppen: Eine erste Gruppe sind die Alleinerziehenden. Besonders hier allein erziehende oder allein lebende Frauen (Kindererziehung, Pflege älterer Angehöriger). Hier hängt das auch eng mit kurzen Arbeitszeiten zusammen. Eine zweite Risikogruppe sind große Familien mit einem Alleinverdiener. Das Einkommen reicht nicht aus, um die Armutsschwelle deutlich zu überschreiten.

Ursachen der Armut: Die meisten Ursachen entziehen sich dem Einfluss des Einzelnen. Sie liegen in fehlendem Privateigentum, teurer Bildung und schlechten Berufsaussichten. Vordenker des Armutsproblems sind John Stuart Mill (1806-1873) und Amartya Sen (geb. 1933). Wichtige Bücher haben Henry George (Progress and Poverty 1879) und John Kenneth Galbraith (Gesellschaft im Überfluss 1958) geschrieben. Die untere Grenze bildet die Definition der Weltbank (weniger als einen Dollar pro Tag extreme Armut, 2012). In Deutschland, wo die Gruppe der Alleinerziehenden stark betroffen ist, liegt die Ursache darin, dass der Ex bzw. Vater nicht bezahlt. Ein hohes Armutsrisiko haben auch Einwanderer (Integrationsbericht). Die weltweite Armut und Ungleichheit ist das Produkt des modernen Wirtschaftswachstums (Angus Deaton, Nobelpreis 2015). Er ist auch der Meinung, dass Egalitarismus kein Ideal sein kann, weil er nicht zur Aufholjagd anspornt. Der zweite große Armutsforscher ist Tony Atkinson aus GB (2016 verstorben). Auch im März 2017 legt das Bundesarbeitsministerium wieder einen Armuts- und Reichtumsbericht vor. Er enthält wichtige Ergebnisse: Die Wahlbeteiligung ärmerer Menschen sinkt stark. Die reichsten zehn Prozent der Haushalte besitzen mehr als die Hälfte des gesamten Nettovermögens.

Armutsrisiko und -definition: Es wird eine Armutsrisikoquote berechnet. Dies macht das DIW in Berlin. 2017 werden folgende Daten bekannt gegeben: 1991 betrug das Armutsrisiko etwa 11%. 2014 lag es schon über 15%. Dabei werden die Personen genommen, die weniger als 60% des mittleren Haushaltsnettoeinkommens der Gesamtbevölkerung haben. Armut hat einen starken Bezug zur Kultur. In Entwicklungsländern geht es um einen Mangel an Nahrung, Kleidung, Zugang zu Gesundheitsleistungen. Danach gibt es kaum Armut in Deutschland. Hier geht es aber um soziale Teilhabe. Also braucht man einen relativen Armutsbegriff, der das gesellschaftliche Umfeld mit einbezieht. "Ich verabscheue die Armen! Wer auch immer etwas umsonst erbittet, ist ein Holzkopf", Graffiti in Pompeji, Fassade einer Bäckerei.

Armut in Großstädten: Armut ist in deutschen Großstädten ein größeres Problem als in kleineren Kommunen. Der Anteil der Sozialleistungsempfänger ist bundesweit 10,1% der Gesamtbevölkerung. In Städten mit über 100.000 Einwohner lag der Anteil bei 14%. Die Entwicklung ist dabei in den Großstädten regional unterschiedlich. In 37 Großstädten ist der Anteil an Sozialleistungsempfängern gestiegen (13 Großstädte im Ruhrgebiet, Strukturwandel), in 27 gesunken (vor allem in Städten in Ostdeutschland). Quelle: Analyse der Bertelsmann-Stiftung 2019. 2022 steigt die Armut rapide an (Corona, Ukraine-Krieg, Inflation). Immer mehr Mensche, die keine Transferleistungen beziehen, rutschen in die Armut. Ein Grund dafür sind die hohen Stromrechnungen (auch Heizung), die nicht ersetzt werden. Im Ludwigshafener Heinrich Pesch-Haus (katholische Akademie) gibt es kostenlose Mahlzeiten für Arme. Es kommen immer mehr Jüngere und Senioren.

"City Cleaning": Städte weisen Bettler ohne Aufenthaltserlaubnis konsequent aus. In einigen Städten gibt es Bettelverbote. Dei Schweiz ist hierbei Vorreiter. Städte, die damit begonnen haben, waren Basel und Bern. Gegner dieser Verfahren sehen Bettelei durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt.

Poor Economics: Vgl. Banerjee, A. V./ Duflo, E.: Poor Economics, München 2012. "1. Armen fehlen oft wichtige Informationen und sie glauben Dinge, die nicht richtig sind. 2. Arme müssen sich um zu viele Bereiche ihres Lebens kümmern. Je reicher jemand ist, desto mehr Entscheidungen werden einem abgenommen. 3. Gibt es nachvollziehbare Gründe, warum manche Märkte den Armen nicht offen stehen bzw. warum die Armen in ihnen mit ungünstigen Konditionen zu kämpfen haben. 4. Viertens sind arme Länder nicht allein deshalb zum Scheitern verurteilt, weil sie arm sind oder weil sie auf eine unselige Vergangenheit zurückblicken. 5. Es gibt unglaublich viel Spielraum für Verbesserungen, sogar in einem "guten" institutionellen Umfeld, und ein paar Veränderungsmöglichkeiten im Kleinen selbst in einem schlechten." siehe ebenda, S. 345ff. Vgl. auch The Abdul Latif Jameed Poverty Action Lab oder www.pooreconomics.com . "All animals are equal but some animals are more equal than others", George Orwell, Englischer Schriftsteller, 1903-1950, aus "Animal Farm" (eine Parabel auf totalitäre Systeme).

Kinderarmut: Die umfangreichste regelmäßige Untersuchung in Deutschland wird von der Bertelsmann-Stiftung durchgeführt. Sie bezieht sich auf die sozialstaatliche Armutsdefinition. Danach gelten Kinder als arm, die in Bedarfsgemeinschaften leben, der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II erhält. Die Daten stammen aus der Statistik der BA, Dez. 2015. Rund zwei Millionen Mädchen und Jungen in Deutschland leben beengt, haben wenig Geld für gesundes Essen oder Bildung. Besonders stark betroffen sind Kinder von Alleinerziehenden. Die Zahl der Hartz-IV-Haushalte ist von 2011 mit 12,4% bis 2015 auf 13,2% gestiegen. Am stärksten ist die Quote in Bremen, Saarland und NRW gestiegen. Je länger ein Kind in armen Verhältnissen lebt, desto negativer sind die Folgen für ihre Entwicklung. Zur Altersarmut vgl. den Unterabschnitt "Demographie" in dieser Rubrik. Die Studie 2017 von der Bertelsmann-Stiftung zeigt, dass 21 Prozent aller Mädchen und Jungen in Deutschland dauerhaft oder wiederkehrend in einer finanziellen Notlage sind. Nach Berechnungen des Kinderschutzbundes (DKSB) 2018 ist die Kinderarmut noch wesentlich höher: Etwa 4,4 Mio. Kinder seien von Armut betroffen (1,4 mehr als bisher bekannt). Es wird eine Kindergrundsicherung gefordert. Kinderarmut muss sich nicht vererben. Zwischen Armut in der Kindheit und Armut im Erwachsenenalter gibt es zwar Zusammenhänge. Allerdings schaffen viele Menschen auch den Sprung aus der Armut heraus. Quelle: Nicht Repräsentative Langzeitstudie der AWO 2019: Untersucht wurden 900 Menschen, die 1999 sechs Jahre alt waren wieder 2018 (nur noch 205 Teilnehmer). Zwei Drittel hatten den Ausstieg aus der Armut geschafft.Die neue Regierung (Ampelkoalition) will ab 2022 eine Grundsicherung für Kinder schaffen: Es soll strukturelle Veränderungen und eine Rechtsnovelle geben. Chancengleichheit lautet das Stichwort. Dei Leistungen des SGB II sollen gebündelt werden.

Übertragung von sozialer Ungleichheit von Eltern auf Kinder: Kinder aus benachteiligten Familien erzielen weniger Bildungserfolge als Kinder mit wohlhabenden Eltern. Welche Mechanismen sorgen dafür, dass sich der soziale Status der Eltern auf die Kinder überträgt? Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Faktoren spielen einen große Rolle. Wichtig sind auch psychologische Faktoren: Erziehungsstile der Eltern und die emotionale Gesundheit von Kindern bilden ein weiteres Verbindungsstück. Vgl. Li/ Kaiser/ Pollmann-Schult: Komplizierter als gedacht. wie sich soziale Ungleichheiten von Eltern auf Kinder übertragen, in: WZB Mitteilungen, Heft 162, Dezember 2018, S. 6ff.

Reicher Staat, relative Armut und psychische Stabilität: In Ländern mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung schwindet die Religiosität. Die Normen, die Religionen dieser Welt aufrechterhalten, wirkten teilweise mildernd auf die psychische Last von Menschen mit geringem Stand. Beispiele: Im Islam betreten arme Menschen  fünfhundert Jahre früher das Paradies als reiche. Im Neuen Testament: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass ein Reicher in den Himmel kommt. Die Religiosität schwindet in modernen Gesellschaften und dadurch nehmen die schädlichen Auswirkungen eines niedrigen sozialen Status weiter zu. Man muss Alternativen zur nationalen Religiosität finden, um diese schädlichen Folgen abzumildern. Karl Marx würde sagen: Wenn der Rausch des religiösen Opiums schwindet und mit ihm der Schein des Heiligen, dann bemerkt der Arme sein Jammertal. Der wirtschaftliche Fortschritt stärkt den Glauben an die Segnungen des marktwirtschaftlichen Materialismus. Zu dieser These scheinen Forschungen am ZEW in Mannheim (Jana Berkessel, Jochen Gebauer) zu führen.

Alleinerziehende: Sie haben weniger Geld als Paar-Familien und sind so überdurchschnittlich häufig armutsgefährdet. 2017 gab es in Deutschland 1,5 Mio. Alleinerziehende (+200.000 in 20 Jahren). 2,4 Mio. Kinder wachsen hier auf. Für allein erziehende Mütter ist es schwierig, einen Job zu finden. Quelle: Statistisches Bundesamt.

Rückgang der Armut langfristig und relativ (Fortschrittsthese): Die Welt ist heute etwa hundertmal so reich wie vor zwei Jahrhunderten und der Reichtum wird gleichmäßiger auf Länder und Menschen verteilt. Vor 100 Jahren setzten vermögende Länder etwa ein Prozent ihres Reichtums zur Unterstützung von Armen, Kindern und Alten ein, heute sind es rund 25 Prozent. Vgl. Steven Pinker: Enlightenment Now - The Case for Reason, Science, Humanism and Progress, Februar 2018.

Altersarmut: Siehe Bevölkerungsentwicklung, Demographie.

Tafeln: Eine soziale Bewegung in vielen Ländern (auch USA, Kanada), die Reste aus dem Lebensmittelhandel bekommt und daraus Essen für Bedürftige anbietet. In Deutschland ist die Tafelbewegung 2018 25 Jahre alt. Die erste Tafel wurde in Berlin gegründet. Heute gibt es über 2000 Tafeln (Ausgabestellen, 969 Vereine, stand 2023) in Deutschland. Die Kunden haben sich verändert. Ursprünglich wurden die Tafel für Obdachlose eingerichtet, Heute kommen überwiegend Hartz IV-Empfänger und ältere Menschen sowie Familien mit Kindern. Stark angestiegen ist die Zahl der Migranten. In Essen werden Ausländer im Februar 2018 erstmals ausgeschlossen (wegen Wettbewerb junge Männer mit älteren Frauen, die nicht mehr kommen wollen). Die Tafel bekämpfen nicht Armut, sondern lindern Symptome. Deshalb stehen sie auch in der Kritik. Umstritten ist auch die Kooperation mit Einzelhandelsfirmen, die stark auf prekäre Arbeit setzen. Die Tafel haben mittlerweile auch eine wichtige soziale Funktion. Sie sind Orte der sozialen Begegnung und Kommunikation. Die Debatte um den Aufnahmestopp für Ausländer in Essen setzt eine Armuts-Diskussion in Gang. Es ist positiv, dass Probleme offener angesprochen werden. Seit Jahren ist bekannt, dass die Tafeln Probleme haben, alle Bedürftigen zu bedienen. Die Ärmsten unserer Gesellschaft sollten nicht die Probleme der Zuwanderung lösen müssen. Bei steigenden Mieten in Deutschland stehen immer mehr Menschen vor der Entscheidung "Miete zahlen oder Essen". Das merken die Tafeln deutlich. Besonders Rentner sind betroffen (Verdopplung; aber auch viele Minderjährige). 2019 gibt es 940 Tafeln in Deutschland. Sie versorgen rund 1,65 Mio. Menschen. Vor allem Rentner kommen verstärkt. Der Bundesverband warnt vor höheren Lebensmittelpreisen. 2022 stehen die Tafeln in Deutschland unter enormem Druck. Immer mehr Menschen brauchen Hilfe. Doch die Spenden reichen nicht. Es gibt fast 1000 Tafeln. Stressfaktoren sind die Inflation, die hohen Lebensmittelpreise, die steigenden Energiepreise, die zunehmende Armut. Schrep, B.: Die Nerven liegen blank, in: Der Spiegel Nr. 24/ 11.6.22, S. 34f. Mitte 2022 ist die Zahl der Kundinnen und Kunden gegenüber Jahresbeginn um die Hälfte gestiegen. Viele Tafeln müssen einen Aufnahmestopp verhängen. 2022 gibt es 2,0 Mio. Nutzer (Ukraine-Krieg, Inflation, Pandemie, Energiekrise). 2022 waren es noch 0,5 Mio. Nutzer (Einführung von Hartz - IV). Vgl. Armutszeugnis, in: Die Zeit Nr. 8/ 16.2.23, S. 40. Im Juli 2023 treffen sich erstmals wieder die Vertreter der Tafeln. Dieses Mal in Mannheim. Über 2 Mio. Menschen werden versorgt. die Probleme nehmen zu: Lebensmittelhandel muss sparen, logistische Probleme bei Spenden, weniger Freiwillige und Ehrenamtliche, Lebensmittelrettungsgesetz.  Der Handelskrieg zwischen den USA und China ab 2028 hat kuriose Folgen für die Tafel in den USA: Sie werden mit Lebensmitteln überschwemmt. Sie können die Unmengen von Milch und Walnüssen oft gar nicht mehr gebrauchen.

Lebensmittelspenden: "Die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen sehen eine Halbierung der Lebensmittelverschwendung bis 2030 vor. Das ist ein Ziel, zu dem die Tafeln für Deutschland auch durch eine optimierte Verteilung von Lebensmittelspenden einen erheblichen Beitrag leisten können. Wir analysieren das Potenzial eines kostenneutralen, auf Echtzeitdaten basierten Austausches überschüssiger Spenden zwischen den Ausgabestellen der Berliner Tafel. Dieser Austausch hilft dabei einerseits sicherzustellen, dass der Konsumbedarf der Tafelkundschaft im Mittel zu 50 % gedeckt wird und andererseits Überschüsse zu vermeiden und damit Lebensmittel zu retten. Der Vorschlag steht in Einklang mit den Zielen der Tafeln „Lebensmittel retten. Menschen helfen.“, indem er sowohl die allokative Effizienz als auch Fairness berücksichtigt". .Siehe Klein, Thilo: Effiziente und faire Verteilung von Lebensmittelspenden, in: Wirtschaftsdienst 8/ 2023, S. 560-563.

Existenzminimum: Nach dem Sozialgesetzbuch jener Betrag, der jedem Bürger eine minimale Grundversorgung (gemäß Sozialstaatspostulat des Artikels 20 des Grundgesetzes) sichern soll. Diese Leistungen zum Lebensunterhalt werden vom BMA errechnet und vom Bundestag beschlossen. Sie spielen auch beim Kindergeld eine Rolle. Es gibt auch ein steuerliches Existenzminimum, nämlich der Grundfreibetrag der Einkommensteuer (2008: 7664 €). In der makroökonomischen Konsumfunktion wird Coft als Existenzminimum und Basiskonsum interpretiert. Es gibt auch steuerrechtliche und schuldrechtliche Konzeptionen des Existenzminimums. Das steuerliche Existenzminimum liegt ab 2013 bei 8130 € steuerlicher Grundfreibetrag. "Die Misere des Kapitalismus, so müssen wir den Sozialisten sagen, besteht nicht darin, dass die einen Kapital haben, sondern darin, dass die anderen es nicht haben", Wilhelm Röpke (1899-1966). Der Armutsatlas des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes von 2009 (Basis Mikrozensus von 2007) zeigt, dass die ärmsten Regionen in Deutschland Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sind. Arm ist, wer weniger als 60% des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Die Daten der Erhebung "Leben in Europa 2008" zeigen, dass in Deutschland jeder Siebte an Armutsgrenze lebt. Ohne Sozialleistungen wäre jeder Vierte betroffen.

Vermögensverteilung: Das Vermögen wird in Human- und Nichthumanvermögen unterteilt. Letzteres besteht aus Konsumtiv- und Produktivvermögen. Wichtigster Teil des Konsumtivvermögens ist das Geldvermögen. Beides zusammen wird auf 6,6 Billionen € in Deutschland geschätzt. Seit vielen Jahren driften die Vermögensverhältnisse in den Industrie- und vielen Schwellenländern auseinander. Berechnet wird oft ein Vermögensindex (Vermögen in Relation zum BIP). Zwischen 1999 und 2009 hat dieser in Deutschland bei den privaten Haushalten um über 20% zugenommen. Weitere Maße sind Gini und der Anteil bestimmter Quantile am Nettovermögen. Das reine Geldvermögen ist 2012 in Deutschland so hoch wie nie zuvor. Es liegt auf der Rekordhöhe von 4939 Mrd. Euro.  2018 hat das Geldvermögen in den ersten drei Monaten an Wert verloren, zum ersten Mal seit 6 Jahren (-1%). Ursache ist dei Geldpolitik der EZB (Leitzins, Inflationsziel). Allerdings liegt auch die Verschuldung der privaten Haushalte relativ hoch (1566 Mrd. €). Die Wohnungseigentümerquote ist in Deutschland lediglich bei 45,7%. Der europäische Schnitt liegt bei 70 Prozent. In der Studie der Boston Consulting Group "Global Wealth 2014" überholt Asien Europa beim Umfang des Privatvermögens. 2018 sollen auch die USA überholt werden. Ganz entscheidend bei der Bezifferung des Vermögens ist der Wert von Immobilien. Die Frage ist, was man hier ansetzt (Marktwert, Einheitswert u. a.). Großen Einfluss auf die Vermögensverteilung in Deutschland hat die Anlageform. Die Deutschen investieren ihr Geld am liebsten in Immobilien und Spareinlagen. Damit haben sie sich die hohen Renditen am Aktienmarkt entgehen lassen. 2018 besitzen 10% der Deutschen 55% des Vermögens (Anteil am gesamten Nettovermögen der Privathaushalte; Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht April 2019). Das durchschnittlich Vermögen eines Privathaushalts im obersten Zehntel teilt sich wie folgt auf (Angaben in Tausend Euro): Immobilienvermögen 863, Sachvermögen 277, Finanzvermögen 241.  2007 hatten nach einer Studie des DIW in Berlin 10% der Bevölkerung ein Anteil am Gesamtvermögen von 61,1%. 1% Superreiche hatten 23% des Vermögens. Die Vermögensschere öffnet sich weiter. Vor allem Altersarmut ist in Zukunft zu erwarten (vor allem bei Langzeitarbeitslosen). "Besitzender ist jeder, der abends beim Zu-Bett-Gehen etwas für den nächsten Tag übrig behalten hat", Albert Schweitzer. Das Geldvermögen der Deutschen erhöhte sich 2009 um 5,4% auf 4,67 Billionen €. 2011 betrug es 4,715 Billionen € (1,550 Billionen Schulden der privaten HH). In den USA besitzt ein Fünftel der Menschen 84 Prozent des Vermögens. Das Fünftel am unteren Ende muss sich mit 0,1% zufrieden geben. 2013 legt die Deutsche Bundesbank eine Untersuchung über die Vermögensverteilung in Europa vor. Der internationale Vermögensvergleich erbringt 2012 folgende durchschnittliche Vermögen (in Klammern der Median): Spanien 286.000 € (178.000). Der Anteil der Immobilienbesitzer liegt bei 83%.  Italien 164.000 Median des Vermögens. Anteil der Immobilienbesitzer 68%. Frankreich 229.00 € (114.00, Immobilienbesitzeranteil 58%). Österreich 265.00 € (76.000, 48%). Deutschland 195.000 € (Median 51.000, 44%). Diese Untersuchung löst eine Debatte über die Neuverteilung der Lasten bei der Euro-Rettung aus. Grund für die vergleichsweise geringen Vermögen in Deutschland sind die Folgen der beiden Weltkriege, die Teilung des Landes und die geringe Eigenheimquote. Das Vermögen in Deutschland ist auch ungleich zwischen Nord und Süd verteilt. 2014 schlägt die Deutsche Bundesbank im Monatsbericht eine Vermögensabgabe vor. 2014 legt das Deutsche Instiut für Wirtschaftsforschung neue Ergebnisse vor: Ein durchschnittlicher Bundesbürger verfügt über ein Vermögen von 83.000 € (Immobilien, Sparguthaben, Lebensversicherungen, Aktien und Betriebsvermögen). abzüglich von Schulden. Ab 210.000 € gehört man zu den reichsten 10% der Bevölkerung. Mit über 800.000 zu den wohlhabendsten 1% der deutschen Bevölkerung. Damit ist die Ungleichheit der Vermögen in Deutschland erschreckend. Nötig wären Bildungsinvestitionen (Chancengerechtigkeit) und mehr private Vorsorge. Nach dem Allianz Global Wealth Report steigen Reallöhne und Geldvermögen in der Welt weiter an. Es führen die Schweiz, USA und Belgien. In Deutschland liegt das Geldvermögen pro Kopf bei 44.200 € 2012. Nach einer Studie von Oxfam (britische Entwicklungshilfeorganisation) Anfang 2015 werden 2016 1% der Weltbevölkerung ein größeres Vermögen haben als die restlichen 99%. Laut einer Studie des DIW 2015 gehören dem reichsten Prozent in Deutschland 3,5 Billionen Euro (neue Schätzung; alte Schätzung 1,1 Billionen). Die OECD legt 2015 eine Studie über die Verteilung des Vermögens vor. In dem Sozialbericht ist in Deutschland die Vermögensverteilung weitaus ungleicher als in vielen anderen OECD-Ländern. Die reichsten 10 Prozent der Deutschen besitzen 60 Prozent der Nettohaushaltsvermögen. Im OECD-Schnitt liegt diese Quote bei 50 Prozent. Die unteren 60 Prozent kommen in Deutschland auf sechs Prozent des gesamten Haushaltsvermögens.  Das Geldvermögen in Deutschland ist im ersten Quartal 2015 so groß wie nie: 5212 Mrd. €. 2016 wird eine Oxfam-Studie bekannt: 62 Superreiche besitzen mehr als die gesamte Hälfte der Welt (Datengrundlage intransparent). Das Credit Suisse Global Databook 2015 (J. Davies/ R. Lluberas, A. Shorrocks) kommt zu folgendem Ergebnis: 34 Mio. Personen (=0,7% der Weltbevölkerung) besitzen 113 Billionen Dollar (=45% des weltweiten Vermögens). Im Januar 2016 gibt das Arbeitsministerium Daten über die Vermögensverteilung in Deutschland bekannt: Die Ungleichheit hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Die obersten 10% der Haushalte verfügen über 52% des Nettovermögens (vor 10 Jahren 49%). Eine Studie des DIW Berlin 2016 zeigt folgende Ergebnisse: Das durchschnittliche Nettovermögen pro Haushalt ist in Deutschland von 2003 bis 2013 um 15% gesunken. Im gleichen Zeitraum ist das BIP um 10 gestiegen. Die Exporte haben um 45% zugenommen. Die Privathaushalte haben ihr Geldvermögen (5,21 Billionen €) wie aufgeteilt (Quelle: Deutsche Bundesbank): Bargeld und Einlagen (2,05), Versicherungen (incl. Pensionsrückstellungen, Forderungen: 2,00), Wertpapiere (1,16; davon Aktien 0,52). Vom Gesamtvermögen in Deutschland hat ein Zehntel der Bevölkerung 60%. die nächsten vier Zehntel haben 38%; die ärmere Hälfte der Bevölkerung hat 3% (Quelle: Die Zeit 22.09.16, S. 22). Die US-Notenbank hat 2016 ein noch krasseres Kriterium entwickelt: 47 Prozent der US-Bürger haben keine Rücklagen, um eine 400 Dollar-Rechnung für eine unerwartete Autoreparatur zu bezahlen. Das Thema der "Abgehängten" wir immer mehr zum Zentralthema des Wahlkampfes. Die Geldvermögensbestände der privaten Haushalte in Deutschland sind Ende 2016 auf 5,7 Billionen Euro gestiegen (um 230 Mrd. Euro; Quelle: DZ Bank). Um 5,2% stieg 2017 das Geldvermögen der Deutschen (Quelle: DZ Bank). 2018 sinkt das Geldvermögen der Privaten Haushalte erstmals seit drei Jahren (Flaute am Aktienmarkt). Im Oktober legt das DIW in Berlin eine neue Studie zur Vermögensverteilung in Deutschland vor: Die reichsten 10 Prozent der Deutschen besitzen mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens (56 Prozent). Dieses Niveau besteht schon seit 10 Jahren.

Geldvermögen: Das Geldvermögen der Bürger in Deutschland ist 2018 gegen den internationalen Trend gestiegen. Mit einem Zuwachs von 2,2% auf durchschnittlich 74.620 Euro pro Kopf. Damit liegt Deutschland international auf dem 19. Platz. Beim Geldvermögen der privaten Haushalte weltweit (brutto) führt die Schweiz (266.320), vor USA, Dänemark, Niederland, Singapur, Schweden, Australien, Kanada, Japan, Taiwan. Quelle: Allianz: Global Wealth Report, München 2019. 2019 gab es einen Anstieg des Geldvermögens in Deutschland von 8 Prozent. 30 % der Deutschen haben kein Geldvermögen (Quelle: Allianz). Das Geldvermögen beträgt in Deutschland im 2. Quartal 2020  6,630 Billionen €. Quelle: Deutsche Bundesbank. Am Ende des 1. Quartals 2021umfasst das Geldvermögen in Deutschland mehr als 7 Billionen Euro. 2023 erreicht das Geldvermögen der Privaten Haushalte einen Rekordwert: 7,716 Billionen € (+6,6% gegenüber dem Vorjahr). Der weitaus größte Teil steckt in Bargeld und Einlagen bei Banken.

Immobilienvermögen: Hier herrscht mehr Ungleichheit in Deutschland als in anderen europäischen Ländern. Die Deutschen mieten lieber und sind nicht so stark im Wohnungseigentum. In Ballungsgebieten ist der Immobilienkauf auch kaum noch möglich. Vgl. Stelter, Daniel: Vermögen für alle! in: WiWo 10, 5.3.21, S. 42f.

Schichten in Deutschland nach dem realen Vermögen: 1. Bis zu einem Vermögen von 2400€ rechnet man zu den Ärmsten (20% der Bevölkerung). 2. Die Ärmeren haben bis zu 27100€ (auch 20%). 3. Die Mittelschicht. Sie hat bis 111.900€ (auch 20%). 4. Die Wohlhabenden (bis 274.700 €, 20%). 5. Die Reichsten (alles, was darüber ist; wieder 20%). Quelle: Die Zeit 15.02.2018, S. 28. Heute spielt die Schichtenforschung in den Sozialwissenschaften nicht mehr die Rolle wie in den Sechziger und Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Der australische Philosoph Daniel Halliday will den Nachlass neu besteuern: Umso höher, je älter das Vermögen ist. Vgl. Daniel Halliday: The Inheritance of Wealth, Oxford University Press 2020.

Mittelschicht: Zur Mittelschicht (oft auch als Mittelstand bezeichnet, soziologischer Begriff) in Deutschland zählen Menschen mit guter Ausbildung und einer leitenden Stellung im Beruf. Ökonomisch zählen Singles mit einem Nettoeinkommen von 1000 bis 2200 € und alle Familien mit einem Haushaltseinkommen von 2100 bis 4600 zur Mittelschicht. Der Mittelschicht werden typische Werte zugeordnet wie Bejahung der gesellschaftlichen Ordnung, gute Steuermoral, Familienorientierung, Eigenheim. Soziologen sprechen auch von "kulturellem Kapital" (drückt sich in Bildungsabschlüssen aus) Es gibt auch andere Abgrenzungen (kein Konsens!): Ökonomen nehmen das Medianeinkommen. 150 bis 250% des Medianeinkommens gilt als einkommensstarke Mitte, 80 bis 150% ist die Mitte im engeren Sinne, 60 bis 80% ist die einkommensschwache Mitte. Nach dieser Methode gehören in Deutschland 60% zur Mittelschicht. Die Mittelschicht ist immer stark von der Steuerpolitik betroffen, weil Steuererhöhungen hier am meisten bringen. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte hat zu einer Verteilungskrise geführt. Der Spitzensteuersatz könnte höher sein, auch die Kapitalertragsteuer kann verändert werden (Miet- und Aktieneinnahmen werden niedriger als Arbeit besteuert). Die Erbschaftssteuer kann höher sein (immer bei Ausnahmen für KMU, die weitergeführt werden). Die Mittelschicht profitiert von einem funktionierenden Gemeinwesen (Schulen, Hochschulen u. a. öffentlich). Also muss ein Gleichgewicht von Geben und Nehmen bestehen. Die Oberschicht kann sich durch Privatisierung öffentlicher Leistungen von Leistungsdefiziten der öffentlichen Hand frei machen. Man sollte die Gesellschaft aber grundsätzlich nicht auseinander dividieren lassen. Neuerdings bezieht man das Verhältnis zur Zeit ein: Oberschicht Vergangenheit; Unterschicht Gegenwart; Mittelschicht macht sich Sorgen um die Zukunft, will das Erreichte vermehren. Digitalisierung und Globalisierung bedrohen viele angestammte Jobs. 2016 bringt die Mittelschicht noch 72,8% des Einkommensteueraufkommens und 90% der Sozialversicherungsbeiträge auf (Quelle: IW). Die Mittelschicht ist besonders stark von staatlicher Umverteilung betroffen. Insofern ist sie vor Wahlen immer eine wichtige Zielgruppe. Allerdings würde es sehr teuer, die Mittelschicht zu entlasten (Steuerbelastung senken). Die Digitalisierung könnte die Mittelschicht in der Zukunft drastisch reduzieren. Die Fundamente der Mittelschicht werden bei der Lohnentwicklung, der Vermögensverteilung, durch prekäre Beschäftigung und Altersvorsorge angegriffen. Hohe Steuern, steigende Mieten und sinkende Renten machen Probleme.  In dem Koalitionsvertrag der großen Koalition Ende 2013 sind keine grundsätzlichen Änderungen in der Einkommensteuer vorgesehen ("Kalte Progression"). Die Mittelschicht ist damit weiterhin Lastenesel. Eine Studie des DIW 2016 zeigt: Bezogen auf das Jahr 1983 (62% Mittelschicht) ist die Mittelschicht 2013 geschrumpft (54%). Besonders in der amerikanischen Gesellschaft wird die Kluft zwischen Arm und Reich tiefer. Die Mittelschicht schrumpft. Die Boomregion San Francisco ist Symbol für die neue Spaltung.

Abnahme der Mittelschicht: Früher glich der Aufbau der Gesellschaft einer Zwiebel (wie die Bevölkerung): große Mitte, kleine Zipfel oben und unten. Heute spricht man von einer Birne: Die Mitte wird nach unten verschoben. Gründe sind die Digitalisierung (führt auch zu einer Singularisierung der Gesellschaft), das Hintertreffen ländlicher Regionen gegenüber städtischen, der Wegfall von Routinearbeiten durch Computer, die geringere Zahl von Festanstellungen mit sozialer Absicherung. "Die Digitalisierung wird die Mittelschicht vernichten", Joe Kaeser, CEO von Siemens, 2019.

Eliten: Sie haben Macht, gesellschaftliche Entwicklungen zu beeinflussen. In Deutschland umfasst die Elite im Kern 1000 Personen, weiter gefasst 4000 Personen. Dazu gehören Konzernmanager, Ministerpräsidenten, Bundesrichter, einige Journalisten, Oberbürgermeister größerer Städte. die Eliten haben kaum noch eine Vorstellung vom Leben der breiten Bevölkerung. Sie leben in einer eigenen Welt. Eine große Rolle spielt der Immobilienmarkt. Auch die Aufstiegsmobilität (soziale Durchlässigkeit) ist dramatisch gesunken. die rechtsradikalen Parteien betreiben ein Elitenbashing und profitieren davon. Vgl. Michael Hartmann, Die Abgehobenen, 2018

Finanz-Eliten: Sie ist in Deutschland besonders ausgeprägt, weil Deutschland keine Aktien-Kultur hat. Bei dem Aktienbesitz gibt es eine extrem hohe Konzentration. Es gibt auch eine globale Finanzelite. Sie bildet einen Art Parallelgesellschaft. Sie ist höchstbezahlt, gesellschaftlich entkoppelt und kosmopolitisch. "Die working rich sind die Hauptgewinner des Aufstiegs eines global agierenden Finanzwesens", Sighard Neckel. Vgl. Ders.: Die Gesellschaft der Nachhaltigkeit, 2018.

Millionäre in Deutschland: 2020 legt das DIW in Berlin eine Studie vor: "MillionärInnen unter dem Miskroskop". Das Geld wird nicht auf Bankkonten gehortet, sondern steckt zum großen Teil in Unternehmen. Damit werden Arbeitsplätze gesichert. dei Wertschöpfung kommt der ganzen Gesellschaft zugute. Geld macht nicht glücklich. Es wird wegen des hohen Arbeitspensums über zu wenig Freizeit geklagt.

Privatiers: Sie sind wie folgt definiert: Überwiegender Lebensunterhalt aus eigenem Vermögen, Ersparnisse, Zinsen, Vermietung, Verpachtung, Altenteil. In Deutschland leben 2019  630.000 Menschen allein von ihren Kapitaleinkünften (2015: 624.000; 2000: 372.000). Das sind 70% mehr als im Jahr 2000. 60% der Privatiers sind unter 65 Jahre alt - und damit im Erwerbsalter. 2020 gibt es schon 704.000 Privatiers in Deutschland.

Vermögen und Ungleichheit in den USA: Die Vermögenspreise sind stark gestiegen (Immobilien, Anleihen, Aktien). Sie sind quasi aufgeblasen. Hauptursache ist die stark expansive Geldpolitik. Dieses Vermögen kann mal zum Risiko werden. "Wenn die Vermögenspreise auf ihr historisches Durchschnittsniveau sinken, droht ein Rückgang der Konsumausgaben um 400 Milliarden Dollar", Martin Feldstein, Professor in Harvard, in: Wirtschaftswoche 47/11.11.16, S. 39. Die exzessive Kredit- und Geldschöpfung verschärft die Ungleichheit immer weiter. die reichen zahlen Steuern aus der Portokasse. Superreiche in den USA fordern 2019 sogar eine höhere Besteuerung. Vgl. Heissler, J.: Rufe nach dem Steuerstaat, in: WiWo 35, 23.8.2019, S. 38ff.  "Die Amerikaner verdienen eine Wirtschaft, die es jedem Menschen ermöglicht, durch harte Arbeit und Kreativität erfolgreich zu sein und ein Leben in Sinn und Würde zu führen", Erklärung von 181 US-Konzernchefs vom 19 August 2019. Man sieht, dass die soziale Spaltung auch die Wirtschaft sorgt.

Ungerechte Verteilung und Eliten in den USA (das Grundproblem der Weltmacht und Weltleitwirtschaft): Die USA sind eine der ungleichsten Gesellschaften der Welt. Die reichsten 10% der Amerikaner haben 2020  90% des Aktienkapitals. 75% der US-Amerikaner besitzen überhaupt keine Aktien. Das System ist irgendwie krank. Auch deshalb gehen die Menschen 2020 auf die Straße, die Rassendiskriminierung ist nur der Auslöser. Die wirtschaftliche Diskriminierung  von Afroamerikanern hat eine lange Tradition in den USA. Viele Mitglieder der Regierung Trump haben große Vorteile. Dazu gehört auch der Finanzminister Steven Mnuchin. Er hatte Trump schon sehr früh unterstützt. Die Wall Street dient den Interessen der Reichen in den USA.  Durch das US-Präsidentenwahlsystem haben auch nur Mitglieder aus der Elite eine Chance. So gehören auch alle Kandidaten immer zur Elite (sowohl bei den Demokraten als auch bei den Republikanern). Alle großen Weltmächte (USA, China, Russland) rekrutieren insofern ihre Führung aus einer Elite. Beim Gini - Koeffizienten, dem bekanntesten Maß für Einkommensverteilung, liegen die USA 2019 bei 0,42 (laut US-Census 2019 sogar bei 0,48). Der Wert ist höher als in China (0,39) oder der EU (0,30). 0 heißt völlige Gleichheit, 1 = völlige Ungleichheit. Beim Vermögen haben die reichsten 50 US-Bürger so viel wie 50% der US-Bürger (=165 Mio. Menschen), nämlich 2 Billionen US-Dollar.

Vermögen weltweit: Im Jahre2017 haben die reichsten 10% der Erde 87,8% des Vermögens. Den ärmsten 50% der Menschheit gehören 0,6% des Vermögens. Den folgenden 40% gehören 11,6% des Vermögens. Quelle: IWF/ Der Spiegel Nr. 19/ 2018, S. 19.

Vermögen je Erwachsener und Medianvermögen: Bei dem Vermögen je Erwachsener führt 2017 die Schweiz vor Australien und der USA, Neuseeland, Norwegen. Beim Medianvermögen liegt die Schweiz vor Australien, Belgien, Neuseeland, Norwegen und Italien. Vgl. Fischer Weltalmanach 2019, S. 22f. Als reichste Menschen der Welt gelten 2017 Bill Gates und Jeff Bezos.

Millionäre und Reichensteuer (Vermögensteuer): In Deutschland gibt es 2010 ca. 810.000 Personen mit investierbarem Vermögen von einer Million Dollar. Größer ist die Zahl in den USA mit 2.460.000 und in Japan mit 1.366.000. China hat schon 364.000 Millionäre. Die USA (11,7%) und Japan (9,0%) haben im Gegensatz zu Deutschland relativ hohe Vermögenssteuern. Sogar der OECD Durchschnittssteuersatz von 5,6% liegt über dem deutschen Satz von 2,3%. Experten fordern 2012 für die EU eine europaweite Vermögensabgabe. Ab einem Nettovermögen von 250.000 Euro sollte eine Abgabe greifen. In Deutschland fordert das DIW 2012 eine Vermögensabgabe für Reiche zur Bewältigung der Schuldenkrise. Sie soll den Charakter einer Zwangsanleihe für Vermögende haben. Da einzelne Bundesländer, vor allem NRW, weiterhin CDs mit Bankdaten aus der Schweiz kaufen, dürfte das geplante Steuerabkommen scheitern. Im November 2016 beschließen die Grünen auf ihrem Parteitag auf das Vermögen der "Superreichen" eine Steuer zu erheben (Vermögensteuer, Thema im Bundestagswahlkampf 2017).  "There is no class so pitiably wretched as that which possesses money and nothing else", Andrew Carnegie (1835-1919), Scottish businessman and philanthropist. Besonders in der amerikanischen Gesellschaft wird die Kluft zwischen Arm und Reich tiefer. Die Mittelschicht schrumpft. Die Boomregion San Francisco ist Symbol für die neue Spaltung.

Superreiche: 2017 war Amazon - Gründer Jeff Bezos, geboren 1964,  der reichste Mann der Welt. Relativ und historisch gesehen besitzt er gar nicht so viel. Der reichste Mann der Geschichte war wahrscheinlich der römische Kaiser Augustus (5% Anteil des Vermögens an der Weltwirtschaftsleistung). Dann folgen Jacob Fugger (1%), Cosimo de´Medici (0,6%), John D. Rockefeller (0,3%) und schließlich Jeff Bezos (0,16%). Quelle: Wirtschaftswoche 11/9.3.2018, S. 12. In Deutschland fehlt es an validen Informationen über die Reichenhaushalte. Bisherige Quellen waren die EVS, die Vermögensanalysen der Deutschen Bundesbank und das SOEP. Neue Projekt sind geplant: "Oversampling" der Deutschen Bundesbank, eigenes Umfrage - Panel der Hochvermögenden. Die größten Milliardenvermögen hat die USA vor China. In China ist der Vermögenszuwachs am größten. 2019 gibt es weltweit folgende Rangfolge der Reichsten: 1. Jeff Bezos (Amazon). 2. Bernard Arnault (LVMH). 3. Bill Gates (Microsoft). 2021 sieht die Reihenfolge wie folgt aus: 1. Elon Musk (Tesla, SpaceX, 274 Mrd. $). 2. Jeff Bezos (Amazon, 205 Mrd. $). 3. Bernard Arnault und Familie (LVMH, 198 Mrd. $). 4. Bill Gates (Microsoft, 138 Mrd. $). 5. Larry Ellison (Oracle, 127 Mrd. $).   "Ja, es gibt einen Klassenkampf und es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die den Krieg führt. Und wir gewinnen. (Leider)," Warren Buffet. 2022 ist das Jahr der Killerviren, Kriege und Klimakatastrophe. Superreiche sorgen vor: Sie lassen Tresore für ihr Gold bauen, heuern Ex-Soldaten zu ihrem Schutz an, sie kaufen Pässe für maximale Reisefreiheit und Luxusbunker, die unerreichbar für Atomraketen sind. Die meisten Milliardäre leben in den USA (vor Japan, Deutschland, China). Die Allerreichsten machen 34% aus (über 30 Mio. $) und sind ca. 1 Mio. Vgl. Ter Haseborg, V. u. a.: Geldwerter Vorsprung, in: WiWo 29/ 15.7.22, S. 28ff.

Milliardäre in Deutschland: Im Jahre 2020 leben 189 -200 Milliardäre bei uns. Das reichste Zehntel der Gesamtbevölkerung besitzt 56% des Gesamtvermögens. Das ärmste Zehntel hat gar kein Vermögen oder hat nur Schulden. Die reichsten Deutschen sind: 1. Familie Reimann. 2. Dieter Schwarz (Lidl). 3. Stefan Quandt und Susanne Klatten. 4. Familie Albrecht und Heister (Aldi). Vgl. Book, Simon u. a.: Das Luxusproblem, in: Der Spiegel Nr. 50, 5.12.20, S. 8ff. Bei der Anzahl der Millionäre liegt Deutschland weltweit auf Platz drei.

Globale Mobilitätselite: Business Traveller sehen die Globalisierung als Spiel ohne Grenzen. Grenzen sind aber in der Realität Sortiermaschinen. Schrankenlos für nur wenige. Unüberwindbar für viele. "Jeder dritte Superreiche besitzt einen zweiten Pass - und das nicht nur, weil er lieber in der Sonne und unter Palmen lebt, sondern weil er ihn auch als Angehörigen einer globalen Elite ausweist", siehe Steffen Mau: Zweierlei Grenzerfahrungen, in: WiWo 40, 1.10.21, S. 41. 2023 gibt es weltweit etwas weniger Millionäre. Der Einbruch der Aktienmärkte hat 2022 viele Vermögen geschmälert.

Ungleichheitseffekt der Informationstechnologie: Die Fortschritte in der Informationstechnologie führen zu immer größeren Ungleichheiten in den Industriegesellschaften (sie ersetzen das Gehirn und machen die Arbeit von vielen Menschen überflüssig). Produktivitätsgewinne verteilen sich immer mehr zu Gunsten der oberen Klassen (in US-Unternehmen ist dieser Effekt am stärksten, weil sie mehr aus der IT-Technologie herausholen). Notwendig wäre ein "Gleichheitsindex" im Steuersystem ("Steigende- Flut-Steuersystem"), der sich der Ungleichheit mit den Steuersätzen anpasst (Robert Shiller, Yale, Irrational Exuberance, Princeton 2000; New Financial Order, Princeton 2003). Shiller fordert  eine Globalisierungsversicherung für jedermann. Er untersucht auch, wann Spekulationsblasen auf Immobilienmärkten platzen ("Historic Turning Points in Real Estate", Working Paper, Juni 2007). In Deutschland arbeiten 2007  61% aller Erwerbstätigen mit dem PC. Als wichtigster Aufsatz des Autors gilt: Do Stock Prices Move Too much to Be Justified by Subsequent Changes in Dividents, in: AER, 1981. R. Shiller hat auch ein Unternehmen gegründet, das erstmals Handel mit ökonomischen Risiken aller Art betreibt (Rezession, fallende Immobilienpreise, Arbeitslosigkeit). Der Name ist Makro Market. Es gibt einen weiteren Faktor, der die Ungleichheit durch Informationstechnologie beeinflusst: menschliche Faulheit.  "Der herrschende Glaube an soziale Gerechtigkeit ist gegenwärtig vielleicht die größte Bedrohung der meisten anderen Werte einer freien Gesellschaft", Friedrich von Hayek, The Mirage of Social Justice. "Ein innovationsgetriebenes Wachstum kann auch Ungleichheit verschlimmern", Christine Lagarde, IWF-Chefin, 2016.

Ungleichheit durch die großen Techkonzerne (dystopische Zukunft): Der Ökonom Daron Acemmoglu baut die oben beschriebene These aus. Er beschreibt, wie Reiche und Mächtige den Fortschritt kapern. Im Zeitalter der KI müsste man die großen Techkonzerne entmachten. Sie hätten viele Konkurrenten aufgekauft und ausgeschaltet. Vgl. Acemoglu, Daron/ Johnson, Simon: Macht und Fortschritt, Campus, New York, Frankfurt 2023. Auch Interview mit Acemoglu, in: Der Spiegel 35/ 26.8.23, S. 69f.

Neue Ungleichheit: Nicht nur materielle Unterschiede spalten die Gesellschaft. Auch Fragen der Migration und Umwelt treiben die Menschen auseinander. Ungleichheit ist komplexer geworden. Es gibt mehrere Eliten, die die Parteien nicht mehr abbilden können. Die Bildungselite steht eher links, die Einkommenselite eher rechts. Intellektuelle und wirtschaftliche Eliten scheinen sich in Deutschland (und anderswo) zu trennen. Das führt dazu, dass der Staat eher helfen muss als zusätzlich belasten ("Geld geben statt Geld nehmen"). Vgl. Heuser, Uwe Jean: Ideen gegen Ungleichheit, in: Die Zeit Nr. 4, 20.01.22, S. 21.

Die postvirale Klassengesellschaft: Die Corona-Pandemie 2020/2021 dürfte die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnen. 59% der Nicht-Akademiker-Kinder lernten zu Hause eher weniger oder viel weniger. 48% der Akademikerkinder lernet zu Hause eher weniger oder viel weniger. 13% der Geringverdiener (ärmstes Zehntel) konnten Homeoffice machen. 78% der Gutverdienenden (reichstes Zehntel) konnten Homeoffice machen. Vgl. Nienhaus, Lisa: Die postvirale Klassengesellschaft, in: Die Zeit Nr. 20, 12. Mai 2021, S. 21. Die zahlen stammen aus eine rStudie des Bildungsökonomen Ludger Wößmann, Ifo-Institut.

Reichtum durch Innovation: Die wachsende Ungleichheit der Einkommen in den Gesellschaften ist auch eine Folge des Erfindungsreichtums von Unternehmen. Vgl. Aghion, Alcigit, Bergeaud, Blundell, Hemous: Innovation and Top Income Inequality, Harvard 2016. Als Indikator für Innovation nimmt man hier die Patentanmeldungen. Die Daten stammen aus den USA und reichen bis 1975 zurück.

Anywheres and Somewheres: Eine interessante Unterscheidung des britischen Journalisten David Goodheart in seinem Buch "The Road to Somewhere" von 2017. Er unterscheidet zwei gesellschaftliche Gruppen: die "Anywhres", die mobil und zumeist gut gebildet sich dem Wandel anpassen und auf ihm "surfen". Die "Somewheres", die durch regionale und berufliche Verwurzelung sowie im Durchschnitt schlechtere Bildung den Anschluss verpassen oder hinterherhinken. Die "Anywheres" machen maximal ein Drittel der Bevölkerung aus und sind die Gewinner von Globalisierung und Digitalisierung. Die "Somewheres" stellen zwei Drittel und damit die klare Mehrheit, mit der sie auch Wahlen entscheiden.

Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Selbstüberschätzung: Diese Korrelation scheint stark kulturabhängig zu sein. In Ländern mit einer hohen Neigung zur Selbstüberschätzung ist auch die Einkommensungerechtigkeit in der Bevölkerung sehr stark ausgeprägt. Deutschland hat im internationalen Vergleich bei beiden geringere Werte (anders als in Südafrika, Peru oder Venezuela). Vgl. Robert Trivers: Betrug und Selbstbetrug, Berlin 2013. "What you see is what you get" für Deutschland, Trivers (Der Spiegel, 22/ 2013, S. 139).

Zunehmende Ungleichheit in der Welt: Die Ungleichheit in den meisten Ländern der Welt nimmt zu. Immer weniger Menschen haben immer mehr Reichtum (Luxus). Die Mittelschicht wird ausgedünnt und die Zahl der Armen nimmt drastisch zu. Ursachen sind Konstruktionsfehler der Marktwirtschaft, falsche Politik sowie die Globalisierung. In dieser Entwicklung liegen große Risiken. Vgl. Joseph Stiglitz: Der Preis der Ungleichheit. Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht, München 2012. Mehr Ungleichheit ist ein langfristiger globaler Trend, unabhängig von politischen und wirtschaftlichen Systemen bzw. Konjunkturzyklen. Dadurch könnte das Wachstum und die soziale Stabilität bedroht sein. Mittlerweile gehört nach Ansicht des Weltwirtschaftsforums (WEF) die Kluft zwischen Arm und Reich zu den größten Risiken der Weltwirtschaft (neben Ungleichgewichten in den Staatshaushalten). Es folgen der Ausfall des internationalen Finanzsystems und die Trinkwasserknappheit. Hohe Wellen schlägt das Sachbuch des französischen Ökonomen Thomas Piketty. Seine Grundthese lautet: Der Kapitalismus schädigt die Demokratie. Leistung lohnt sich doch nicht. Es gibt eine wachsende Konzentration des Vermögens auf der Welt. Die Gesetzmäßigkeit im Kapitalismus lautet: Rendite aus Vermögen r (Kapitalrendite) ist größer als das reale Wirtschaftswachstum g. Vgl. T. Picketty: Das Kapital im 21. Jahrhundert (Le capital au XXI siecle, Paris, 976 S., 25 €.). Im Einzelnen stellt Piketty folgende Thesen auf: 1. Die Ungleichheit wächst; 2. Die Mehrheit der Bevölkerung kann nicht mehr mithalten; 3. Kapital gewinnt an Gewicht; 4. Das Wachstum wird in den Industrieländern immer schwächer; 5. Die Erbschaftswelle rollt. Die Zuordnung empirischer Belege zu diesen Thesen ist umstritten. Die  Datenreihen sind auch ungenau und lückenhaft (Rechenfehler, Übertragungspannen). Besonders wird kritisiert, dass an vielen Stellen die Steuern ausgeblendet werden. Ein objektives Maß für eine gerechte Verteilung von Vermögen und Einkommen gibt es noch nicht (vgl. die Seite "Casestud", Soziale Gerechtigkeit). Das Buch erzielt in den USA große Aufmerksamkeit, viel mehr als in Frankreich. Zur Ungleichheit erscheint 2014 ein weiteres Buch: Marquart,, Andreas/ Bagus, Philipp: Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden, FBV, 16,99€. Zentrale These des Buches ist, dass gegen Ungleichheit ein anderes Geldsystem helfe. Dem Staat müsse das Geldmonopol entrissen werden. Die Unternehmensberatung Capgemini kommt 2014 in einer Studie zu dem ergebnis, dass die meisten Millionäre in den USA, Japan und Deutschland leben. In Deutschland leben mehr als eine Million Millionäre.  "Macht die Menschen wohlhabend, und unterrichtet sie", Konfuzius. Nach einer Studie von OXFAM Anfang 2015 werden 2016 1% der Weltbevölkerung ein größeres Vermögen haben als die restlichen 99%. "Niemand kann vorhersehen, wie Gesellschaften Ungleichheit bewerten und was sie tun, um sie zu ändern", Thomas Piketty ("Das Kapital im 21. Jahrhundert"). Branko Milanovic, Ungleichheitsforscher der Weltbank, kommt 2016 zu folgenden Ergebnissen (Buch "Global inequality): Die Ärmsten bleiben wo sie sind. Ihre Lage verbessert sich nicht. In einigen Schwellenländern, z. B. in China, entsteht eine neue Mittelklasse mit höherem Einkommen. In den alten Industrienationen stagnieren die Einkommen der Mittelschicht oder sie fallen. Die Superreichen sind die eigentlichen Profiteure der Globalisierung. Sie sind noch reicher geworden (Plutokratie). Die Entwicklungshilfe - NGO Oxfam aus GB legt 2017 eine Studie vor, nach der die acht reichsten Milliardäre der Welt 2016 mehr Vermögen besitzen als die ärmste Hälfte der Erdbevölkerung (426 Mrd. US-$; mehr als 3,6 Mrd. Menschen). Die Daten stammen von Credit Suisse und Forbes. Es gibt eine Menge Kritik von Experten an der Methoden und den Infos. Aber die Grundaussage ist natürlich richtig.

Ungleichheit und Wachstum: Alle Gesellschaften sind ungleich verteilt. Wer kein akkumuliertes Kapital besitzt, ist unzufrieden. Es entsteht Druck auf die Politik, eine Umverteilung einzuleiten. Die Umverteilung wird durch höhere Steuern auf akkumuliertes Kapital finanziert. Höhere Steuern können das Wirtschaftswachstum verlangsamen (Quelle: Alberto Alesina, Dani Rodrik, Distributive Politics and Economic Growth, 1994; vgl. Das Wirtschaftsbuch, München 2013, S. 326, 327). "Je ungleicher der Wohlstand verteilt ist, desto höher sind die Steuern und desto niedriger ist das Wachstum", Alesina/ Rodrik, ebenda. "Die alte Ordnung kann nur überleben, wenn die Lage der unteren Schichten sich verbessert", Graf von Rumford (1753-1814; Sozialreformer, Naturwissenschaftler, Staatsmann, Ernährungsexperte; Gründer des Englischen Gartens in München).

Ungleichheit und gesellschaftliche Probleme: Gesellschaften mit einer hohen Ungleichheit haben auch große Probleme, moderat egalitäre Gesellschaften stehen besser da. Extrem ungleiche Länder wie die USA, GB, Griechenland haben große Probleme. Eher egalitäre Länder wie Japan, Schweden, Norwegen eher weniger. Vgl. Payne (2017) Keith: The Broken Ladder, London.

Einfluss der Einkommensungleichheit auf das Bruttoinlandsprodukt: Hat eine hohe bzw. zunehmende Einkommensungleichheit einen positiven oder negativen Einfluss auf das Bruttoinlandsprodukt? Die Empirie ist nicht eindeutig. Besser wäre, man ginge nicht von einem linearen Zusammenhang aus, sondern von einem umgekehrt u-förmigen Verlauf. Vgl. Petersen, Thieß: Einfluss der Einkommensungleichheit auf das Bruttoinlandsprodukt, in: Wirtschaftsdienst 2019/4, S. 267ff.

Abstieg und Abstiegsängste in Deutschland und die Folgen: Im Niedriglohnsektor sind 2016 ca. ein Viertel der Erwerbstätigen beschäftigt (prekär bzw. atypisch beschäftigt). Stark ausgeprägt sind insbesondere Leiharbeit und befristete Arbeit. Am stärksten ist der Dienstleistungsbereich betroffen. Aus dem prekären Sektor wieder herauszukommen ist sehr schwierig beziehungsweise unmöglich. Es ist auch die Altersarmut vorgezeichnet. Vgl. Oliver Nachtwey: Die Abstiegsgesellschaft, 2016. Angehörige der Mittelklasse haben angefangen sich abzugrenzen. Gewechselt werden Kindergärten und Schulen sowie Stadtteile. Bei den Folgen gibt es zwei Erklärungsmuster: Der Aufstieg der Rechtspopulisten zeigt eine kulturelle Spaltung. Die AfD wird von Menschen gewählt, die Erscheinungsformen der modernen Gesellschaft (Gleichstellung von Homosexuellen, Multikulturalismus) ablehnen. Ein weiterer Erklärungsansatz schreibt die Erfolge der AfD wachsenden sozialen Ängsten zu. Diese Ängste haben nicht nur untere Schichten, sondern auch die Mittelschicht. Hier gibt es Angst vor den Folgen der Digitalisierung (Arbeitsplatzangst). Alle Gruppen sorgen sich um die finanzielle Situation im Alter ("Gefühl der sozialen Verunsicherung"). 2021 zeichnet sich in Deutschland mehr Wohlstand und mehr Armut ab. Deutschland hat sich in den letzten Jahren auseinanderentwickelt. Die größte Not nahm eher ab. Vgl. Rudzio, Kolja: Abgehängt im Warmen, in: Die Zeit, Nr. 8, 18. Februar 2021, S. 23.

Aufstieg in Deutschland: Die Herkunft kann immer noch einen Einfluss haben. In Deutschland hängt der Schulerfolg besonders stark vom Elternhaus ab. Auch wenn der Aufstieg gelingt, bleibt oft eine gewisse Unsicherheit. Hinzu kommen Talent, Fleiß, Ehrgeiz. Souverän und selbstbewusst auftreten lernen Akademikerkinder von ihren Eltern. Vgl. Neuhaus, C./ Nezik, A.- K.: Wie weit komme ich? Der unsichtbare Vorteil, in: Die Zeit 40/ 21.9.23, S. 20ff. Auch Der Spiegel 39% 23.9.23, S. 6.

Umverteilungsquote in Deutschland: In Deutschland beträgt die Umverteilungsquote bezogen auf das BIP ca. 50%. Das ist der Begriff "sozial" in Soziale Marktwirtschaft. Es gibt immer wieder Diskussionen darüber, ob die Quote zu hoch ist. Gegner verweisen auf die zu geringe Investitionsquote.

Limitierung des Reichtums?: Es gibt die Forderung nach einer Obergrenze des Reichtums. Sie stammt jüngst von der belgisch-niederländischen Philosophin und Ökonomin Robeyns. Sie schlägt 1 Mio. Euro vor. Vgl. Robeyns, Ingrid: Limitarismus - Warum Reichtum begrenzt werden muss, 2024.

Verteilungsfolgen von Corona: Corona verschärft die soziale Kluft in Deutschland. Menschen mit geringem Einkommen werden härter getroffen. Quelle: Datenreport 2021 (Statisches Bundesamt, Weisbaden; WZB, Berlin; BiB, Berlin). Auch weltweit treten negative Folgen auf: Diskriminierung, Misshandlung, Ungleichheit (Arbeiten im Haushalt statt Lernen), Mangelernährung, Ausbeutung. Vg. Unesco, Bericht, Februar 2021.

Grunderbe: 20.000 € für alle zum 18. Geburtstag. Schneider, Staatsminister im Bundeskanzleramt und Ostbeauftragter, macht im Mai 2022 den Vorschlag. Vgl. Machowecz, Martin: erbe, wem erbe gebührt, in: Die Zeit Nr. 22/ 25. Mai 2022, S. 28.

Great Gatsby-Kurve: Sie ist nach dem schwerreichen Mann Jay Gatsby aus F. Scott Fitzgeralds Roman benannt. Die Kurve stammt von dem Ökonomen Miles Corak. Wo Einkommen ungleich verteilt ist, ist die soziale Mobilität gering. Die ökonomische Ungleichheit wird dabei mit dem Gini-Koeffizienten gemessen. Die soziale Mobilität wird operational mit der Einkommenselastizität zwischen den Generationen erfasst. Damit wird angegeben, welcher Teil des Einkommens einer Person durch das Einkommen der Eltern erklärt werden kann. Zunächst handelt es sich um eine Korrelation.

Berechnung des Glücks (vgl. auch oben): Über das Glück hat die Menschheit seit Jahrtausenden nachgedacht, zuerst die Philosophen, dann die Soziologen. Seit einigen Jahren auch die Ökonomen. Mittlerweile gibt es ein Journal of Happiness Studies. Einer der Pioniere der empirischen Glücksforschung ist Ruut Veenhoven von der Universität Rotterdam. Er legte eine Internet-Datenbank an, auf der Ergebnisse der Glücksforschung enthalten sind (World Database of Happiness). Seit einigen Jahren wird in Deutschland jedes Jahr ein Glücksatlas erstellt. 2013 leben die glücklichsten Menschen in Schleswig-Holstein, die unglücklichsten in Brandenburg. Mannheimer Studenten (insbesondere Gina Schöler, gründen 2013 ein "Ministerium für Glück und Wohlbefinden". Das Bruttoinlandsglück soll maximiert werden. Man kann Glück auch im Karton bestellen. Es gibt auch einen "First Aid Happiness Kit". Einladung von Kanzlerin Merkel und Besuch einer Delegation aus Thailand waren die Folge. www.ministeriumfuerglueck.de . Glück rückt deshalb so sehr in den Mittelpunkt, weil andere Wohlstandsindikatoren an Bedeutung verlieren (Wachstum, Handelsbilanzen, Lohnentwicklungen). Nach einer Untersuchung der London School of Economics leben die glücklichsten Menschen in Dänemark. Der Grund liegt auch bei Berücksichtigung soziokultureller Faktoren in den Genen. Es folgen Schweden und die Niederlande. Vielleicht stammt die Idee, Glück zum Maßstab des Regierens zu machen, aus dem Königreich Bhutan. Dort gibt es ein "Gross National Happiness Product". Wenn die Bundesregierung auch nicht nur eine Messung, sondern Lebensqualität als Regierungsziel anstrebt, nähert sich diese Konzeption wieder Paternalismus. "Je gebildeter die Menschen sind und je stärker sie ihr unmittelbares Umfeld frei und eigenständig gestalten können, desto glücklicher sind sie", Bruno Frey, Schweizer Ökonom. Das Earth Institute an der Columbia - University  in New York erstellt für die UNO jährlich einen World Happiness Report. 2015 führt die Schweiz im Glücksindex. Deutschland erreicht einen 26. Rang.  2018 liegt Dänemark an erster Stelle. Deutschland liegt auf Platz 9. "Wenn soziale Institutionen unzureichend sind, kann es sein, dass sie weiter bröckeln, was die Glücksverluste noch größer macht", Uno World Happiness Report 2015 (Glück ökonomisch nicht nur von Arbeitslosigkeit und Rezession beeinflusst!). Laut einer Studie der britischen Statistikbehörde ONS 2015 sind Lebenszufriedenheit und Selbstwertgefühl größer, die Ängstlichkeit dagegen geringer, wenn der Wohlstand eines Haushalts steigt. Den größten Effekt auf die Gemütslage hat das Nettovermögen. 2016 wird in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Ministerium für Glück eingerichtet. In einigen Schulen in Deutschland wird mittlerweile das Fach "Glück" unterrichtet. Lernziel: wie man vom Erdulder zum Gestalter seines Lebens wird". "Das Recht des Menschen ist´s auf dieser Erden, da er doch nur kurz lebt, glücklich zu sein", Berhold Brecht, deutscher Schriftsteller.

Layard-Glückseffekt (Richard Layard, geb. 1934, LSE, The New Happiness, London 2005): es geht nicht darum, die materielle Versorgung, gemessen durch das BNE, zu maximieren, sondern es soll unmittelbar das Glück (happiness) der in der Gesellschaft lebenden Menschen erhöht werden (These von der Abkopplung des Glücks vom Wohlstand, Happiness Economics). Von einem bestimmten Einkommensniveau an macht ein höherer Wohlstand Menschen nicht glücklicher. Der Soziologe Layard erklärt dies mit Gewöhnung und Rivalität.  "Wir brauchen einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel", R. Layard. Vgl. auch : Glücksforschung bzw. Rätzel, St.: Ökonomie und Glück - zurück zu den Wurzeln, in: Wirtschaftsdienst 2007/5, S. 335ff. oder M. Ricard: Glück, München 2007 (Übersetzer des Dalai Lama). Die Einbeziehung des Glücks hat in England eine lange Tradition, die auf Jeremy Bentham (1748-1832) zurückgeht. Er war Begründer des Utilitarismus, der es als Pflicht der Regierung und des Einzelnen ansah, das Glück in der Gesellschaft zu befördern und den Schmerz einzudämmen.  Zu Beginn der 90er Jahre warnt der französische Soziologe Pierre Bourdieu vor ungezügeltem Kapitalismus und stößt die Glücksforschung an. Der Schweizer Ökonom Bruno S. Frey (laut dem Handelsblatt der forschungsstärkste deutschsprachige Volkswirt) fand heraus, dass direkte Demokratie die Menschen zufriedener macht. Auch nach seinen Forschungsergebnissen steigt Lebenszufriedenheit nicht in ähnlichem Maße wie das Realeinkommen wächst ("Happiness and Economics", Glück: Die Sicht der Ökonomie, 2010") . Mittlerweile wird die Glücksökonomie stark angegriffen: Anspruchsniveau als intervenierende Variable, Schwächen empirischer Forschung. So belegt eine amerikanische Studie 2008 (Stevenson/ Wolfers), dass es sowohl in reichen als auch in armen Ländern eine sehr starke Verbindung zwischen subjektivem Wohlbefinden und Einkommen gibt. Den Glücksgedanken gibt es in der Praxis schon lange: Cross - National - Happiness in Bhutan. In neuerer Zeit war das Easterlin-Paradoxon 1974 ein wichtiger Ausgangspunkt der Glücksforschung: Geld macht zwar glücklich, aber nicht in erster Linie dank der besseren Konsummöglichkeit, sondern weil dadurch der relative Status in der Gesellschaft steigt. Vgl. auch Wilhelm Schmid: www.lebenskunstphilosophie.de . Vgl. auch Makroökonomik (VGR) auf dieser Web-Site. Das Fach "Glück" gibt es auch als Schulfach. Zuerst in Heidelberg. Mittlerweile in 100 Schulen in Deutschland und Österreich. Glück wird als Selbst- und Kulturtechnik gelernt. Es ist auch Fach an den Universitäten Münster und München. Vom 18.11. bis 25.11.2013 ist Glück das Thema der Themenwoche in der ARD.

Gross National Happiness: Ein Konzept für das Sozialprodukt in Bhutan. Es soll aus vier Säulen bestehen: Wirtschaftliches Wohlergehen, Bewahrung einer intakten Umwelt, Respekt vor Kultur und Religion, gute politische Verwaltung. Die Bewertung dieses Systems von Fachleuten schwankt zwischen reiner Öffentlichkeitsarbeit für ein Gewaltregime bis sehr erfolgreich (wenig Emigranten, 97% aller Bhutanesen seien glücklich).

Andere Wohlfahrtskonzepte: Der Human Development Index der UN (HDI) misst auch die Größen Lebenserwartung, Bildungsniveau und Pro-Kopf-Einkommen. Der OECD Better Life Index ist ein interaktives Tool, mit dem User verschiedene Länder im Bezug auf elf Faktoren des Wohlergehens vergleichen können, darunter Umwelt, Gesundheit, Zufriedenheit. Der Social Progress Index (Porter/ Stern) misst anhand von 54 Indikatoren, inwieweit Länder die Bedürfnisse ihrer Bürger erfüllen. Dazu gehören auch menschliche Grundbedürfnisse sowie Bedürfnisse im Zusammenhang mit Chancen.

Lebensstandard: Die rein ökonomische Betrachtung von Wohlstand (eine Ebene neben sozial, kulturell, psychologisch u. a.). Schwierig ist beim Preisindex und bei der Inflation die Qualität einzubeziehen: Steigt die Qualität der Produkte stärker als der Preis, verbessert dies den Lebensstandard. Eng mit dem Lebensstandard verbunden ist die Lebensqualität. Sie umfasst aber mehr subjektive Elemente. Es gibt einen Bericht der Bundesregierung zur Lebensqualität in Deutschland. Der ist das Ergebnis einer Bürgerbefragung. Diese soll regelmäßig durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind nichts sagend.

Lebensqualität: In Deutschland hängt sie vor allem davon ab, wo man wohnt. Reiche Städte überbieten sich mit günstigen Angeboten für die Bürger. Arme Städte erhöhen die Gebühren. Der Abstand wird größer. Das zeigen einige Indikatoren: Das höchste BIP pro Einwohner hat Ingolstadt in Bayern (130.856 €, 2015). Die höchsten Gewerbssteuereinnahmen pro Kopf hatte Frankfurt (2148 €, 2016). Die höchste Kinderarmut verzeichnet Gelsenkirchen (52%, 2016). Quelle: Der Spiegel, Nr. 4 19.1.2019, S. 61.

Gerechtigkeit: Man unterscheidet Leistungsgerechtigkeit, Chancengerechtigkeit und Ergebnisgerechtigkeit. Daneben werden oft noch Familiengerechtigkeit, Generationengerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit genannt. Es ist ein Dauerthema der politischen Diskussion, wenn effiziente Marktergebnisse als ungerecht empfunden werden. Nach Umfragen ist die gefühlte Ungerechtigkeit seit den 80er Jahren stetig gewachsen, seit 2008 sprunghaft. Viele glauben, dass Leistung nicht mehr gerecht gemessen wird. Auch Bildung kann Aufstieg nicht mehr garantieren. Es gibt nicht mehr genug Arbeit für alle, die arbeiten wollen. Der britische Sozialforscher Roger Wilkinson behauptet: Je ungleicher eine Gesellschaft, desto größer ihre sozialen Probleme. Insofern ist der wachsende Abstand zwischen Arm und Reich schlecht für alle (zusammen mit Kate Picket: Gleichheit ist Glück, 2010). Auch ungerechte Arbeitsbedingungen im Ausland werden oft angeprangert. 2011 werden Adidas und Puma der unmenschlichen Arbeit in El Salvador beschuldigt. Die Generationengerechtigkeit ist in Deutschland durch die dramatische demographische Entwicklung gefährdet. Die Menschen leben sehr lange, es gibt zu wenige Kinder. Wächst die Ungleichheit in der Gesellschaft, verliert die Demokratie. Wer Geld hat, kann mehr Einfluss nehmen.  In Potsdam steht die erste deutsche "Gated Community" (geschlossene, bewachte Wohnsiedlung). "Gerechtigkeit ist der Schlüssel für eine nachhaltige Wirtschaftsweise, wenn sie global funktionieren soll. Nur so kann man verhindern, dass die ökologische Frage gegen die soziale ausgespielt wird. Beide gehören zusammen und lassen sich nur miteinander lösen. Für diese neue Art der Gerechtigkeit müssen wir ein paar heilige Kühe der Wachstumszählung schlachten und andere Wege gehen. Damit können wir aber auch ihre zunehmend ausufernden Nebenwirkungen hinter uns lassen, Maja Göpel: Unsere Welt neu denken, Berlin 2020, S. 179f.

Chancengerechtigkeit: In modernen Demokratien wird ihr höchste Priorität eingeräumt. Eine Gesellschaft sollte permanent über die "Verfahrensgerechtigkeit" dabei reden. Am wirkungsvollsten könnte man eingreifen, wenn die Entwicklungschancen sozial benachteiligter Kinder verbessert werden (frühkindliche Förderprogramme, bessere Ausstattung von Grundschulen). Die Bildungsbeteiligung von Kindern aus Nichtakademiker-Haushalten ist besorgniserregend (21% Studium gegenüber 74%, Hochschul-Bildungsreport 2020).   "Jeder Bürger sollte unabhängig von seinem Geschlecht, seiner Rasse oder ethnischen Abstammung die Chance haben, ein erfülltes Leben zu führen", John Kenneth Galbraith, Die solidarische Gesellschaft. "Weil die Lebensperspektiven eines amerikanischen Kindes in höherem Maße vom Einkommen und von der Bildung der Eltern abhängig sind als in anderen Industrieländern, weisen die USA mittlerweile die geringste Chancengleichheit unter allen Industrieländern aus", Joseph E. Stiglitz, Columbia University (Handelsblatt, Nr. 247, 23.12.2014, S. 4). Die soziale Herkunft ist auch 2016 noch ein Risikofaktor. Leistungsschwache Schüler kommen oft aus armen Haushalten (Ergebnis der Pisa-Studie; Leiter der OECD-Abteilung Schleicher). Eine Bertelsmann-Studie kommt 2017 zu dem Ergebnis, dass Kinder von Migranten öfter ohne Abschluss bleiben.

Verteilungsgerechtigkeit, Politik für: Ansatzpunkte: 1. Steuerpolitik. 2. Vollversicherung in der Pflege/ Bürgerversicherung. 3. Qualifizierung der Arbeit/ Weiterbildung in allen Lebensphasen. 4. Reform der Bildung und Schulen, um Chancengleichheit zu gewährleisten.

Nullzinspolitik und soziale Gerechtigkeit - Spaltung durch Wohnen: Die Nullzinspolitik der EZB (Draghi) ist extrem unsozial. Geringverdiener haben kaum noch eine Möglichkeit, ihren Lebensstandard zu sichern. Damit können sie auch keine Rücklagen fürs Alter bilden, um die Rente aufzubessern. Die Politik mag den Regierungen in Griechenland, Italien oder Spanien helfen, aber sicher nicht den Menschen. Sie werden kalt enteignet wie alle Sparer in der EU. Weniger betroffen sind Gutverdiener und die Reichen. Sie investieren in Immobilien, Aktien oder legen ihr Geld im Ausland an. Hohe Mieten und niedrige Bauzinsen verschärfen die Ungleichheit in Deutschland. Besonders Arme leiden unter den steigenden Kosten. 648 Milliarden Euro haben deutsche Sparer durch die Niedrigzinsen über zehn Jahre eingebüßt. Als Schuldner haben die Privathaushalte nur 290 Milliarden Euro an zinsen gespart. Unter dem Strich bleiben so 358 Milliarden Euro Nettoverlust. Quelle: Auswertung der DZ Bank 2019.

Erbe vom Staat: Zum 18. Geburtstag für jeden 60.000 €. Damit wollen Ökonomen (DIW) und Politiker 2023 für Gerechtigkeit sorgen. Vgl. Endt, C./ Schieritz, M.: Erbe vom Staat, in: Die Zeit Nr. 47/ 9.11.23, S. 9

Philosophische Grundlagen: John Rawls (Theory of Justice, 1921 bis 2002): Nicht alle sind gleich, also sollen auch nicht alle gleich behandelt werden. Im Zweifel sollen die Schwächsten bevorzugt werden. "Jeder Mensch besitzt eine aus der Gerechtigkeit entspringende Unverletzlichkeit, die aus dem Namen des Wohls der ganzen Gesellschaft nicht aufgehoben werden kann. Daher lässt es die Gerechtigkeit nicht zu, dass der Verlust der Freiheit bei einigen durch ein größeres Wohl für andere wettgemacht wird", John Rawls. Alle großen Ökonomen haben sich mit der Frage der ökonomischen Gerechtigkeit beschäftigt. Schon der Begründer der Ökonomie Adam Smith ging darauf ein. Er definierte eine Art Minimum - Gerechtigkeit (vom Ertrag der Arbeit leben können). Gustav von Schmoller (1838-1917) wies auf das selbständige Denken und Handeln der Menschen ("Selbsthilfe") hin. Ludwig Ehrhard, der Begründer der sozialen Marktwirtschaft (1897-1977), wollte den Kampf um Distribution vermeiden (also Umverteilung), damit das Wachstum des BIP im Mittelpunkt steht. Als einer der ersten großen Denker machte Aristoteles (384-322 v. Chr.) die Gerechtigkeit zum Thema. Er glaubt nicht, dass Gerechtigkeit neutral sein kann. Sie ist einmal teleologisch (man muss Zweck und Ziel der Natur kennen) und hat zum anderen mit Ehre zu tun. Die Menschen sollen das bekommen, was sie verdienen. Vgl. zum Thema Gerechtigkeit auch Michael J Sandel: Gerechtigkeit. Wie wir das Richtige tun, Berlin 2013 (Originalausgabe mit dem Titel "Justice", New York 2009). Er beschreibt auch die vier grundlegenden Theorien der Verteilungsgerechtigkeit: 1. Feudal- und Kastensystem. 2. Libertarianisch: freier Markt mit formaler Chancengleichheit. 3. Meritokratie: freier Markt mit fairer Chancengleichheit. 4. Egalitär: Rawls´Unterschiedsprinzip.

Ökonomie des Teilens (teilen statt haben, nutzen statt besitzen; teile und leide): Eigentlich nur deutsche Übersetzung des vorherigen Abschnitts. Aber es soll auf einige Spezialaspekte eingegangen werden. Die Hoffnungen dieser Ökonomie sind damit verbunden, bestehende Kapazitäten besser auszunutzen (Autos, Wohnungen, Werkzeuge, Haushaltsgeräte) und entsprechend Ressourcen schonend zu wirken (Fixkosten können umgelegt werden bei geringen variablen Kosten; im Extremfall Grenzkosten gleich Null). Die Konzeption insgesamt umfasst Reparieren statt Verwenden, Leihen, Tauschen statt Teilen, Tauschringe, Verschenken. Die Organisation der Transaktionen erfolgt mittels Informationstechnologie (Plattformunternehmer). Investoren können Organisationsrenten nutzen (allokative und distributive Eigentumswirkungen werden vernachlässigt). Stark diskutiert wird die Frage, ob hinter dem Modell mehr Markt oder mehr Gemeinschaft (z. B. Genossenschaft) steckt. Geteilt werden kann auch zwischen Unternehmen, nicht nur zwischen Privatpersonen. Offen ist noch, wann eine Regulierung notwendig ist. Das Teilen kann kostenlos oder kostenpflichtig sein (dann ist noch mieten möglich). Interessant ist, welche Motive und Struktur die Nachfrager haben (grün?, urban?). Gesamtwirtschaftlich erhoffen sich Viele, dass so das Wachstumsparadigma gerettet werden kann.  Vgl. Ökonomie des Teilens - nachhaltig und innovativ?, in: Wirtschaftsdienst 2015/ 2, S. 87ff. Einige Formen der Sharing Economy täuschen auch einen Mythos vor: Uber (Taxivermittlung) und Airbnb (Vermietung) und einige andere bekannte Firmen sind keine IT-Firmen. Sie stützen nur  ihr Kerngeschäft über Web und App (Plattformunternehmer; hohe Provision für die Vermittlung, keine Verantwortung). In gewisser Weise ist das eine spezielle neue Form der Sharing Economy. Bei der Vermietung unterlaufen professionelle Vermieter das Modell, indem sie reihenweise Wohnungen aufkaufen. Uber bekämpft im Grunde genommen regionale Monopolisten. Also liegt das Gegenteil von dem vor, was das Marketing suggeriert. Die "Old Economy" kehrt in anderem Gewand zurück (Hartmut Wies: Uber, Airbnb & Co als New Economy, in: com!professional, 3/ 2015, S. 12). Die Netzriesen drohen die Spielregeln der Sharing-Economy zu bestimmen, weil sich Netzgemeinde, Ökologiebewegung und andere damit zurückhalten. Vgl. als grundlegende Literatur: Botsman, R./ Rochers, R., What´s mine is yours: the rise of Collaborative Consumption, New York (2010, London 2011; sie sprechen von vier Gebieten: kollaborativer Konsum, kollaborative Finanzwirtschaft, kollaborative Produktion, kollaborative Bildung); Gansky, L. The Mesh, New York 2010.   "Auch in der digitalen Welt wollen Menschen Geld verdienen", Margarethe Vestager, Dänemark, EU-Wettbewerbskommissarin. Vgl. Quishare.de ; lets-share.de ; tauschring.de .  Teilen wird auch zur Lösung von Verteilungskonflikten eine immer größere Rolle spielen. Konflikte zwischen ärmeren Nachbarn und Flüchtlingen, Konflikte zwischen prekär Beschäftigten und Normalbeschäftigten, Konflikte zwischen reicheren europäischen Ländern und ärmeren müssen gelöst werden.

Das neue Wohlstandsparadox und seine Lösung: Erstmals in der neueren Geschichte wächst die Weltwirtschaft und nur wenige profitieren davon. Das digitale Zeitalter liefert unbegrenzte Möglichkeiten für Innovation. Die Unternehmensgewinne explodieren. Andererseits nimmt der Lebensstandard für viele ab. Doch es gibt einen möglichen Fahrplan für Wohlstand: Instrumente wie Handy und Internet, dauerhafte Identität, demokratisiertes Unternehmertum, dezentrales Eigentum und dezentrale Investitionen. Vgl. Don Tapscott/ Alex Tapscott: Blockchain Revolution, Kulmbach 2016, S. 233ff.

Sozio-oekonomische Panel (SOEP): Ist die ergiebigste Datenquelle zur sozialen und ökonomischen Lage deutscher Haushalte. Es handelt sich um ein Umfrage - Panel (Längsschnittstudie). In der Stichprobe sind 19.000 Haushalte mit mehr als 240 Fragen. Es ist die älteste (seit 1984) und größte (35.000 Befragte) Haushaltsumfrage in Deutschland. Die Daten können von allen Wissenschaftlern genutzt werden (Datenweitergabevertrag, Schulung). 2016 werden auch die Flüchtlinge einbezogen (zusammen mit IAB und BAMF). 2021 ist ein Ergebnis: Die oberen 10% beim Einkommen sind Doppelverdiener-Paare ohne Kinder (ab 5550€ netto). Singles gehören ab 3700€ netto zum reichsten Zehntel. Die aktuellen Daten stammen aus dem Jahre 2019.

Globale Elite: Dahinter steckt die Vorstellung, dass die Welt von einer kleinen, sehr reichen, sehr mächtigen international denkenden Gruppe beherrscht wird. Die These ist auch empirisch untersucht worden und kann nicht bestätigt werden. Mehr als Neunzig Prozent der Superreichen leben in dem Land, in dem sie geboren wurden. Sie unterscheiden sich nach Ländern vor allem durch ihre Hobbys. Vgl. Michael Hartmann: Die globale Wirtschaftselite, 2016. Die Mittelschicht ist heute mehr global als die Elite. Als wichtigstes Verteilungsinstrument sieht der Autor die Steuerpolitik.

Kleptokratie: In den mächtigsten Ländern der Welt USA, China, Russland herrscht eine Art Kleptokratie. Es gibt enge Verbindungen zwischen Wirtschaft und Staatschefs bzw. Präsidentschaftskandidaten. In Russland und China ist das durch die Staatsunternehmen von Natur aus bedingt. In den USA kommt es auch durch den Wahlkampf. Man braucht dafür das Geld von der Wirtschaft. Außerdem sind in der Regel Familienmitglieder in hohen Posten der Wirtschaft (der Sohn von Biden und die Kinder von Trump). Sie werden dort unterstützt. Steuertricks sind sehr verbreitet (Trump hat maximal 750 Dollar Einkommensteuer gezahlt: hohe Kosten für Wohnen, Friseur u. a.; auch Verlustvortrag).

Arbeitsproduktivität und Wohlstand: Die Arbeitsproduktivität sinkt in Deutschland langfristig. 1971 lag sie noch bei +5,1%. Nach der letzten Weltwirtschaftskrise 2017 brach sie ein (-2,6%). 2017 lag sie unter 2%. Das kann sehr gefährlich sein, weil die Arbeitsproduktivität als eine wichtige Quelle unseres Wohlstands gilt. Es gibt jedoch eine Reihe von Gründen für diese Entwicklung: 1. Innovationschwäche (es wird nur auf gleichem Niveau ersetzt: Kohle-Energie auf Wind, Benzinantrieb auf Elektromotor; vgl. Robert J. Gordon). 2. Billige Arbeitskräfte (Investieren in billige Arbeit statt Maschinen). 3. Ungenaue Statistik (Produkte ohne Preis, manche Güter zu hoch bewertet). 4. Mehr Dienstleistungen. 5. Demographischer Wandel. 6. Zersplitterter Mittelstand (höher qualifizierte Mitarbeiter werden nicht ersetzt, arbeitsintensive Produktion). 7. Niedrige Zinsen. Vgl. Knuth/ Reiermann: Der Fortschritt ist eine Schnecke, in: Der Spiegel 12/2018, S. 78-80.

Arbeiterwohlfahrt (AWO): Der Verband wurde 1919 gegründet. Er ist einer der ältesten Wohlfahrtsverbände in Deutschland. Er betreibt Betreuungsvereine, Altenpflegeheime und Pflegedienste. Der Verein ist gemeinnützig. Traditionell besteht eine Nähe zur SPD.  Er besteht aus 30 Bezirks- und Landesverbänden, 403 Kreisverbänden. Die AWO hat 2020 317.767 Mitglieder. In Hessen und Thüringen gibt es große Skandale. Das Führungspersonal hat sich bereichert. Der Imageverlust ist gewaltig. Es droht auch der Verlust der Gemeinnützigkeit.

Klimawandel und Ungleichheit (Wohlstand): Der Klimawandel verschärft die weltweite Ungleichheit. In armen Ländern fehlen die Mittel, um Klima-Schocks abzufedern. Die Menschen dort können sich nicht ausreichend versichern. So entsteht ein "Insurance Gap".

Inklusives Wachstum (Inclusive Growth): Wachstum, das möglichst viele gesellschaftlichen Gruppen einschließt. Dazu muss der Lebensstandard unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen gemessen werden. Die OECD versucht das. Es besteht eine Gefahr dieses Konzeptes darin, dass die Politik nach eigenem Gusto interpretiert. Aus internationalen Durchschnittswerten werden Empfehlungen gegeben. Es besteht noch ein Theoriedefizit. 

 

Demographie (Quantität der Arbeit; Angebot an Arbeit; Bevölkerungsentwicklung, Folgen des demographischen Wandels, Erwerbspersonen, junge und alternde Bevölkerung, Migration, Flüchtlingskrise; Migrantenökonomik, auch Rentabilität; Geschlecht und Familie, Diversität, Fachkräftemangel, gesellschaftlicher Zusammenhalt)

Bevölkerungsentwicklung global: Bei der globalen Bevölkerungsentwicklung sind vier Komponenten wichtig: Die regionale Verteilung, die Fertilität, die Sterberate und die Alterung. Im Jahre 2014 leben 7,2 Mrd. Menschen auf der Erde (genau 7 284 283 000 zum Jahreswechsel 2015; Stiftung Weltbevölkerung). Mitte 2015 sind es 7,328 Mrd. (die Geburtenrate ist auf 2,5 gesunken; Quelle: Stiftung Weltbevölkerung). Ende 2016 (zum Jahreswechsel zu 2017) leben 7,47 Mrd. Menschen auf der Erde. Die Weltbevölkerung wächst jährlich ca. in Höhe der deutschen Bevölkerung, d. h. um 82 Millionen (2017 ist sie schon um 83 Mio. Menschen gewachsen). Die meisten Menschen leben in Asien, vor Afrika, Europa, Nordamerika, Südamerika und Australien. In Afrika werden 2040 doppelt so viele Menschen leben wie 2016. Gegenwärtig gilt noch das Konzept "mehr Menschen, mehr Konsum, mehr Markt, mehr Wachstum". Gleichberechtigung, Bildung, wirtschaftliche Unabhängigkeit führen dazu, dass moderne Frauen weniger Kinder wollen. Also könnte die Zahl der Menschen langfristig wieder zurückgehen. Weniger Menschen brauchen weniger Ressourcen. Vgl. Die Zeit, Nr. 7, 6. Februar 2014, S. 33ff. Nach einer Studie der indischen Regierung wird die Geburtenrate in Indien bald von 2,3 auf 2,1 Kinder zurückgehen. Dann würde die Bevölkerung Indiens mit 1,25 Milliarden Menschen nicht mehr weiter wachsen. Weltweit gilt folgende Faustformel: Wer ungebildet ist und in Armut aufwächst, hat mehr Nachwuchs. Insgesamt wächst die Weltbevölkerung 2015 wieder stärker als ursprünglich prognostiziert. So könnten 2050 schon fast 10 Mrd. Menschen auf der Erde leben (Zuwachs vor allem in Entwicklungsländern; Stiftung Weltbevölkerung). 2100 könnten in Afrika viermal so viele Menschen leben wie heute. Das schränkt die Entwicklungsmöglichkeiten und die Armutsbekämpfung erheblich ein. In der EU gibt es 2015 erstmals mehr Todesfälle als Geburten. Trotzdem wuchs die Bevölkerung nach Schätzungen von Eurostat um knapp 0,4% auf über 510 Mio. Menschen (Einwanderung). Rückläufige Fertilitätsraten und steigende Lebenserwartung führen global zu einer Alterung der Bevölkerung: Statistisch sieht man dies am besten am Medianalter (jüngere und ältere Hälfte). 2015 lag dieses Alter bei 30 Jahren. 2050 wird es bei 36 Jahren liegen und 2100 bei 42 Jahren (UN-Vorhersage). Die UN hat Millenniums-Entwicklungsziele aufgestellt. Dazu gehören die Müttersterblichkeitsrate und die Kindersterblichkeitsrate. Beide sollten gesenkt werden. Nach den jüngsten Vorausberechnungen von 2017 der UN wird bis 2100 die Weltbevölkerung vermutlich auf 11,2 Mrd. anwachsen (doppelt so viele wie im Jahre 1990). Die Anzahl der Senioren dürfte von heute 1 Mrd. auf 3,1 Mrd. anwachsen (viele in China). Indien wird 2014 spätestens an China als bevölkerungsreichstes Land vorbeiziehen. Bis 2050 wird Nigeria die USA als drittgrößte Nation ablösen. Die Geburtenrate soll bis 2100 auf nur noch 2,0 Kinder pro Frau sinken. Die Bevölkerung der EU ist durch Zuwanderung auf fast 512 Mio. Menschen angewachsen (Stichtag 1. Januar 2017; Quelle: Eurostat). Bis 2050 wird die Bevölkerungszahl von derzeit (2019) rund 7,7 Milliarden Menschen auf 9,7 Milliarden Menschen und 2100 10,9 Milliarden Menschen ansteigen. Quelle: Deutsche Stiftung Weltbevölkerung auf Basis von UN-Projektionen. Das tritt nur dann nicht ein, wenn der Mechanismus von entwickelten Ländern greift: Stufe 1: hohe Geburtenrate, hohe Sterberate (bis ins 19. Jh.). Stuf 2: Modernisierung: bessere Medizin, bessere Ernährung (Geburtenrate hoch, Sterberate sinkt). Stufe 3: Geburtenrate sinkt rapide. 2022 leben 7.977.000.000 Menschen auf der Erde. Voraussichtlich am 15.11.22 wird die Schwelle von 8 Mrd. Menschen erreicht. 2023 wird Indien China als bevölkerungsreichstes Land der Erde ablösen. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten ist die Wachstumsrate der Weltbevölkerung unter ein Prozent auf 0,8% gefallen. Quellen: UN, Deutsche Stiftung Weltbevölkerung. Juli 2022. Am 15.11.22 leben erstmals 8 Mrd. Menschen auf der Erde. Damit wird laut UN ein neuer Höchststand erreicht. Doch die reine Anzahl macht nicht die Probleme. Entscheidend ist, was der Einzelne Verbraucht (Lebensmittel, Wasser, Rohstoffe, Energie. Dabei stimmt die Verteilung üpberhaupt nicht (die reichsten 10% der Weltbevölkerung verbrauchen z. B. 20 Mal so viel Energie wie die ärmsten 10%. Nach einer Prognose der UN wird die Weltbevölkerung noch bis 2100 ansteigen auf zuletzt 10,4 Mrd. Menschen; danach kommt das große Schrumpfen. Quelle: United Nations Department of Economic and Social Affairs, Population Division 2022.   2018 überholt Afrika Asien bei der Bevölkerungsdichte. Die Fertilität ist weiterhin sehr hoch. (Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung).

Weltbevölkerung in der Zukunft: Im Jahre 2100 wird die Erde voraussichtlich 11,2 Mrd. Menschen haben (andere Prognosen gehen von 10,9 Mrd. aus). Die jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung wird dann auf 0,1% gesunken sein (wirtschaftlicher Fortschritt, halbierte Geburtenrate). Die höchste Bevölkerung wird noch Asien haben (jeweils in Mio. 4780). Dann kommt Afrika (4468). Es folgen Lateinamerika (712), Europa (653), Nordamerika (499) und Ozeanien (72). Die Wachstumsrate der Weltbevölkerung war 1962 am höchsten (2,1%). Um 1800 betrug die Weltbevölkerung noch 0,8 Mrd. Ab 1920 kam es zu einer Explosion der Weltbevölkerung. Die Geburtenrate stieg an, die Kindersterblichkeit sank (von 43,3% 1800 auf 3,9% 2017). Quelle: OurWorldinData.org.UN. Viel hängt in der Prognose von den Ländern Afrikas südlich der Sahara ab. Mit 4,7 Kindern bringen Frauen dort doppelt so viel Nachwuchs zur Welt wie in anderen Regionen. Investitionen in Bildung könnten dort das Bevölkerungswachstum verlangsamen. Im November 2019 findet eine Bevölkerungskonferenz der UN in Nairobi/ Kenia statt. Vorgeschlagene Maßnahmen zum Eindämmen des Bevölkerungswachstums stoßen auf Widerstand (USA, Weißrussland, afrikanische Länder). Besonders umstritten sind Verhütungsmaßnahmen, Abtreibungen und Homosexualität. 2022 kommt ein weiterer UN-Bericht "World Population Prospects 2022". 2050 wird Indien das bevölkerungsreichste Land der Erde sein mit 1,67 Mrd. Menschen. Dann folgen China mit 1,32 Mrd. und die USA mit 375 Mio. Nigeria rückt auf den vierten Platz vor mit 375 Mio. vor Pakistan mit 366 Mio. und Indonesien mit 317 Mio.  2084 werden voraussichtlich 10,3 Mrd. Menschen auf der Erde leben (Spitzenwert, die 10 Mrd. werden schon 2061 geknackt). Quelle: UN-Weltbevölkerungsprognose 2024. Gegenwärtig wächst die Weltbevölkerung um 70 Mio. Menschen  pro Jahr. Das wird sich ab 2050 verlangsamen.   533.000 Menschen waren 2019 über 100 Jahre alt, so viel wie nie vorher. Die älteste Person der Welt war Mitte 2019 die 116-jährige Japanerin Kane Tanaka. Tansanias Präsident John Magufuli, genannt der Bulldozer, plädiert dafür, dass die Frauen des Landes mehr Kinder bekommen sollen. Dadurch will er den Wohlstand vergrößern. Als Vorbilder nennt er China und Indien: "Befreit eure Eierstöcke", Magufuli.

Arbeiterlosigkeit: Es zeichnet sich eine Trendwende in der Bevölkerungsentwicklung ab. Die Bevölkerung wird schrumpfen. In Deutschland, in Europa und bald auf der ganzen Welt. Sinkt mit ihr auch der Wohlstand? Droht uns eine jahrzehntelange Rezession, gar ein Jahrhundert des Rückschritts? Deutschland braucht qualifizierte Einwanderer, Investitionen in Innovation, automatisierte unproduktive Arbeit übernimmt der Roboter, der Mindestlohn als Booster für mehr Produktivität, mehr Flexibilität, das Ende der Unterschiede (Diversität). Weltweiter Handel, Export von Know-how, durch Bildung den Wohlstand in den letzten Winkel der Welt tragen.  Je schneller sich der Wohlstand auf der Welt ausbreitet, desto eher endet das Bevölkerungswachstum. Die Menschheit sollte aus der Armutsfalle befreit werden. Nicht durch Verzicht, sondern durch Fortschritt, durch Kooperation, durch Handel, durch Teilhabe. Vgl. Dettmers, Sebastian: Die große Arbeiterlosigkeit. Warum eine schrumpfende Bevölkerung unseren Wohlstand bedroht und was wir dagegen tun können, München (FBV) 2022.

Geburtenrate: Sie ist regional und international sehr unterschiedlich. In Deutschland liegt sie bei ca. 1,4. Hoch ist sie in Europa in Frankreich (nicht mehr 2017). In Deutschland haben Religion (Katholisch) und Region (Ländlich) einen stark positiven Einfluss. Die Todesfälle bei unter Fünfjährigen (Kindersterblichkeit nach Definition der Unicef)  ist von 1990 bis heute (2016) von 12,6 Millionen auf 5,6 Mio. zurückgegangen (Quelle: Weltkinderhilfswerk der UN Unicef). 15.000 Kinder sterben aber weltweit immer noch täglich durch vermeidbare Krankheiten, schmutziges Wasser und schlechte Hygiene. Später wird diese Definition der Kindersterblichkeit von der Unicef auf die Spanne von Geburt bis einen Monat geändert. 2,6 Mio. Kinder starben danach 2017. Eine Million davon sterben schon am ersten Tag. 80 Prozent der Todesfälle sind auf mangelnde Behandlung nach einer Frühgeburt, Komplikationen bei der Geburt oder Infektionen zurückzuführen. Die besten Überlebenschancen haben Babys in Japan, Island und Singapur. Die schlechtesten Chancen bestehen in Pakistan, der Zentralafrikanischen Republik und Afghanistan. Die geringste Geburtenrate in der EU hat 2017 Spanien (1,31 Geburtenziffer pro Frau; Deutschland 1,57; Quelle: Destatis 2018). Ungarns Ministerpräsident will 2019 mit Steuernachlässen und Krediten für Mütter die Geburtenrate erhöhen. Die Corona-Krise hat einer neuen Studie zufolge in vielen Teilen der Welt deutliche Auswirkungen auf die Geburtenrate. Die Anzahl der Neugeborenen ist in Europa und den USA teilweise deutlich zurückgegangen (seit Oktober 2020, -8,1%; UNFPA). 2023 ist die Geburtenrate in Deutschland drastisch gesunken. Die Geburtenrate lag bei 1,36 Kinder (-0,2Punkte, 2021: 1,57). Hauptursache dürften die multiplen Krisen sein. Quelle: BIB, Wiesbaden. 2023 betrug die Durchschnittszahl in Deutschland 1,35 Kinder pro Frau. Ein wichtiger Grund für das Sinken der Geburtenrate in den Industrieländern sind individuelle Lebensentscheidungen: Sie wirken stärker als staatliche Familienpolitik. Die Frauen müssten früher mit dem Kinderkriegen anfangen. Vgl. Der Spiegel 39/ 21.9.24, S. 34ff. Allerdings wird der Kinderwunsch oft zurückgestellt. Für viele Paare lassen sich Beruf und Kinderwunsch schwer vereinbaren, Quelle: Umfrageinstitut Yougov 2024.

Sterberate: Sie wird in Deutschland stark von der Erwerbsbiographie beeinflusst. Bei Gutverdienern steigt sie nach Eintritt in die Rente an. Bei Geringverdienern sinkt sie nach dem Renteneintritt. Früher Gutverdienende scheinen im Renten-Alter wohl unter sozialer Isolation zu leiden, weil sie ihre Netzwerke verlieren. Quelle: RWI - Leibniz - Institut für Wirtschaftsforschung 2019. 2021 gibt es erstmals mehr als 1 Mio. Sterbefälle in Deutschland. Das war zuletzt 1946 auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik (2. Weltkrieg und Folgen). Gegenüber dem Corona-Jahr 2020 stiegen die Sterbefälle 2021 um 3%. Das war der zunehmende Anteil älterer Menschen und die Pandemie. Quelle: Statistisches Bundesamt. Im Jahr 2023 sind in Deutschland 1,02 Mio. Menschen gestorben, etwa 45.000 weniger als im Vorjahr. Daist ein Rückgang der Sterbefälle um 4%. Der Effekt der steigenden Lebenserwartung schwächte den Alterseffekt ab. Das ist ein Rückgang der Sterbefallzahlen erstmals seit 2019.

Alterungsprozess und Lebenserwartung: In Lebenswissenschaften sind in den vergangenen Jahrzehnten Grenzen durchbrochen worden. Molekularbiologen und Genetiker, unterstützt von Bioinformatikern und KI-Experten, entwickeln im Eiltempo Werkzeuge, um den Alterungsprozess unserer Zeiten zu verlangsamen. 200 Lebensjahre sind drin. Traum oder Horrorvorstellung? Vgl. Ramge, Thomas: "Wollt ihr ewig leben? Vom Fluch der Unsterblichkeit und Segen der Biotechnologie", Reclam 2023. Nach Corona ist 2024 die Lebenserwartung in Deutschland wieder gestiegen: Frauen fast 84 Jahre (83,3), Männer beinahe 79 Jahre (78,6). Man kehrt zu einem langfristigen Trend zurück.

Demographie: Wissenschaft, die die Bevölkerung analysiert. Der Begriff kommt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt "Bevölkerungsbeschreibung". Es geht um die Größe, die Zusammensetzung, die Struktur und die zukünftige Entwicklung der Bevölkerung. Die Eckpunkte sind in fast allen Ländern gleich: Die Bevölkerung wird älter. Der Sozialstaat ist mehr gefordert. In der Zukunft verschärft sich das Problem. Die Bevölkerungsstruktur ändert sich (z. B. viele Zuwanderer). Die Entwicklung betrifft alle europäischen Länder (die Bevölkerung schwindet und wird älter). Der Hauptteil des jährlichen Bevölkerungszuwachses findet in Asien und Afrika statt (78 Mio. Menschen von ca. 80). Vgl. Bräuninger, M./ Teuber, M.-O.: Bevölkerungsprognosen und ihre Interpretation, in: Wirtschaftsdienst 2016/ 6, s. 44ff.

Demografischer Wandel (Bevölkerung, Deutschland): Es gibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen Bevölkerungsentwicklung und Wirtschaftswachstum über die Altersgruppen, die am Arbeitsprozess beteiligt sind. Außerdem ist die Frage wichtig, wie bildungsbereit die Jungen und wie weiterbildungsbereit die Alten sind. Weil die europäischen Gesellschaften in allen 25 Mitgliedsstaaten der EU strukturell immer älter werden, müssen wir uns auf ein Sinken des Wirtschaftswachstums einstellen (soziale und wirtschaftliche Probleme). Die sozialen Gegensätze werden sich zuspitzen. Die arbeitende Bevölkerung in Deutschland wird ohne Zuwanderung bis 2020 um 7% zurückgehen. Im Jahre 2010 ist schon jeder fünfte Deutsche im Rentenalter. Im Jahre 2060 wird es fast ein Fünftel weniger Deutsche geben. 14% werden dann über 80 Jahre sein. Bis 2030 schrumpft die deutsche Bevölkerung um drei Millionen, die Weltbevölkerung soll um 40% steigen. Die Schülerzahl wird dramatisch sinken: bis 2025 um 18,9%. Die Zuwanderung ist schwierig einzuschätzen: weltweit gibt es 200 Mio. Migranten. Ab 2015 schrumpft die Bevölkerung in der EU insgesamt. Bis 2060 soll die Erwerbstätigenzahl um 19 Millionen sinken (2015: 43 Mio., 2020: 41, 2025: 38). Weltweit sinkt die Fertilität in den Industrieländern, in denen heute bereits 22% der Menschen älter als 60 Jahre sind. Der Alterungseffekt ist mit zeitlicher Verzögerung auch in den Entwicklungsländern zu beobachten. Hinzu kommt der Trend zur Urbanisierung der Weltbevölkerung. Seit dem Jahr 2008 leben erstmals mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Insgesamt leben 2011 6.973.762.000 Menschen auf der Erde. Die Weltbevölkerung wächst jährlich um die deutsche Größe (80 Mio.). In den kommenden 40 Jahren wächst sie wahrscheinlich auf 8 Mrd. an, wobei das Wachstum fast ausschließlich in den Entwicklungsländern ist. In Deutschland zeigt der Prognos - Zukunftsatlas, dass  in der Mehrzahl der Städte und Kreis die Einwohnerzahl schrumpft. Die Bundesregierung setzt 2012 einen Demographiegipfel ein. Erste Ergebnisse sollen im Mai 2013 vorliegen. Der zweite Demographiegipfel findet dann auch im Mai 2013 statt. Es geht um verwaiste Dörfer, überlastete Sozialsysteme, fehlende Fachkräfte. Befriedigende Lösungswege werden noch nicht gefunden. Deutschland hat mittlerweile die zweitälteste Bevölkerung der Welt. Nur in Japan ist die Bevölkerung noch älter. Jeder fünfte Deutsche ist über 65 Jahre. Nur jeder siebte Deutsche ist unter 15 Jahren (Zahlen des StBA von 2010). Im letzten Jahr 2012 ist die Bevölkerung aber noch mal gestiegen. Von 81,8 Mio. zu Beginn des Jahres auf 82 Mio. Ende des Jahres (Statistisches Bundesamt). Ursache ist die hohe Zahl von Zuwanderern. Die Geburtenrate stieg 2015 von 8,24 auf 8,6 Kinder je 1000 Einwohner (in Japan sank sie von 8,34 auf 8,0; niedrigste Geburtenrate der Welt). 2013 gibt das Statistische Bundesamt bekannt, dass nicht einmal mehr die Hälfte der Einwohner Deutschlands in einer Familie (Eltern und Kinder zusammen) lebt. Am höchsten ist der Anteil von Familien in Bayern und Baden-Württemberg. 2014 ist die deutsche Bevölkerung so stark gewachsen wie seit 22 Jahren nicht mehr. Grund sind die hohe Zahl von Flüchtlingen (81,2 Mio. Menschen, +430.000). Ende 2015 gibt es sogar 81,9 Mio. Menschen in Deutschland (Rekord-Zuwanderung). Drei demographische Faktoren beeinflussen auch entscheidend  die künftige Haushaltssituation und Staatsverschuldung: Die Entwicklung der Geburtenrate, die Erwerbsquote, insbesondere die von Frauen, und die Entwicklung der Sozialsysteme. Ende 2017 erreicht die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer einen neuen Höchststand (10,6 Mio.; mehr als jeder Zehnte; die höchste Nettozuwanderung gab es aus Polen, Rumänien und Bulgarien).  "Je mehr Menschen, desto mehr wächst die Kraft, Forderungen an die Schatzkammer der Natur zu stellen", Henry Ch. Carey, Ökonom aus den USA. 2010 waren 50,5% der deutschen Bevölkerung Kinder, Rentner, Arbeitslose, Nichterwerbspersonen. In Rheinland-Pfalz werden nach der "mittleren Variante" des Statistischen Landesamtes 2030 noch 3,77 Mio. Menschen (-5,8%, Zahl von 1990) leben. Bis 2060 könnte die Bevölkerungszahl um 20% auf 3,19 Mio. Menschen sinken (Wert von 1952). Nur noch 70% aller Paare waren 2014 verheiratet. Die traditionellen Familienformen verlieren weiter an Boden (Statistisches Bundesamt). Die Anzahl der Geburten ist 2013 wieder leicht angestiegen (+1,3%). Das durchschnittliche Alter der Mutter beim ersten Kind beträgt 29 Jahre (steigt an; StBA). 2015 beträgt das Durchschnittsalter in Deutschland 46 Jahre. Damit sind wir nach Japan das zweitälteste Land der Welt. 2015 ist die Geburtenrate in Deutschland erstmals seit 33 Jahren auf den Durchschnittswert von 1,5 Kinder gestiegen, Bei deutschen Frauen nahm die Geburtenrate allerdings nur geringfügig zu (von 1,42 auf 1,43). Bei den Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit stieg sie dagegen von 1,86 auf 1,95 Kinder. Der EU-Durchschnitt lag 2015 bei 1,58 Kindern je Frau (in Frankreich 1,96). Zum Jahresende 2016 lebten erstmals mehr als 10 Millionen Ausländer in Deutschland (11,2%). Ende 2017 lebten 82,8 Mio. Menschen in Deutschland (Bevölkerungszuwachs von 450.000 Menschen). Obwohl 2021 so viele Kinder geboren wurden wie seit 25 Jahren nicht mehr, konnte dies die Anzahl der Toten nicht ausgleichen. So wurde das höchste Geburtendefizit seit dem 2. Weltkrieg errechnet (228.000; 2022 Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden). Trotzdem ist die Bevölkerungszahl durch Zuwanderung gestiegen. Ende 2021 lebten 83,2 Mio. Menschen in Deutschland (82.000 mehr als am Vorjahresende). Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden. Ende 2022 waren die Deutschen so viele wie nie zuvor: 84,4 Mio. Menschen. Dahinter stecken Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, Zuwanderung von Menschen aus anderen Nationen. Die Geburtenrate ist zurückgegangen, die Zahl der Sterbefälle gestiegen. Das hat noch dämpfend auf das Bevölkerungswachstum gewirkt. Quelle: Statistisches Bundesamt 2023/ Juni. Ende 2023 zum Jahreswechsel  lebten fast 85 Mio. Menschen in Deutschland (84,7 Mio.). Der Saldo aus Zuzügen und Fortzügen war die alleinige Ursache. Es ergab sich ein Geburtendefizit. Quelle: Statistisches Bundesamt, Januar 2024. 2023 gab es deutlich weniger Hochzeiten (-7,6%) und Babys (-6,2%). Die Anzahl der Eheschließungen ist im Osten 2023 noch stärker gesunken als im Westen. Quelle Statistisches Bundesamt, Mai 2024. Bis zum Jahre 2045 werden einer Prognose zufolge in Deutschland mehr als 85 Mio. Menschen leben. Quelle: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden, 2024

Bevölkerung RP: Ende 2023 leben 4,17 Mio. Menschen in RP, ein Rekord. Hauptgrund ist die Zuwanderung. Trotzdem steigt das Durchschnittsalter ständig (steigende Lebenserwartung, niedrige Geburtenraten). Etwas mehr als 14% der Menschen besitzen nicht dei deutsche Staatsbürgerschaft. Quelle: StLA Bad Ems, 2024.

Sozio - demographischer Wandel: Zur Demographie hinzu kommen Heterogenisierung, Tertiarisierung, Globalisierung und Digitalisierung.

Generationenkonflikt: Der Konflikt könnte sich verschärfen. Weil die junge Generation nicht für die Klimasünden der älteren Generation zahlen muss (auch Urteil des Bundesverfassungsgerichts). In der Corona-Krise hat der Staat riesige Programme aufgelegt. Die Schulden dürften von den Jüngeren bezahlt werden müssen. Vgl. Wie geht es den Deutschen? in: Die Zeit Nr. 24, 10. Juni 2021, S. 23..

Generationen: Generation Y: Dazu zählen die nach 1980 geborenen Beschäftigten. Sie sind mit dem schnellen Wandel groß geworden und wollen nicht nur für die Arbeit leben. Sie suchen Sinn, Spaß und Zeit für Familie und Freunde. Sie könnten die Arbeitswelt verändern und neue Formen der Arbeit durchsetzen, weil sie als Erwerbstätige knapp sind. Vgl. Kerstin Bund: Glück schlägt Geld, 2014/ Murmann Verlag. Eine interessante Frage ist, ob die Generation y nur national oder auch ein globales Phänomen ist. Wahrscheinlich kommt sie schichtenspezifisch in allen Industriestaaten vor.  Generation Z: Die nächste Generation wird oft als Z bezeichnet (nach 1995 geboren). Sie bildet sich vorwiegend selbst, sie hat keine Vorbilder, sie hat andere Werte. Sie ist in sozialen Netzwerken zuhause und bevorzugt die digitale Kommunikation (sie sind als Kinder mit Computer und Internet aufgewachsen). Sie legt Wert auf die strikte Trennung zwischen Beruf und Privatem. Gegenüber dem Unternehmen gilt das Motto "Don´t manage me unterstand me". Die Wünsche dieser Generation sind aufgrund der Arbeitsmarktsituation auch einforderbar. Entsprechende Wertemuster finden sich auch bei Älteren. Mittlerweile werden auch andere Bezeichnungen kreiert (in GB Katnis Everdeen - Generation K; Werbebranche spricht von iGeneration; auch Selfie - Generation). Sie erwartet nicht viel von der Zukunft. Sie fürchtet sich vor der Berufswelt. Armut und soziale Ungleichheit sind der Normalzustand. Ängstlichkeit prägt. 2020 wird der Begriff "Generation Corona" geprägt. Dazu rechnen die 20- bis 30-Jährigen. Ihnen lagen die Unternehmen zu Füßen. - bis Corona kam. Nun sind sie hart getroffen. Jobs und Ausbildungsplätze brechen weg. Man wird Jahrzehnte brauchen, um die Einkommensverluste auszugleichen. "Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten", Sokrates, griechischer Philosoph, vor weit über 2000 Jahren. "Bei der Generation y geht es um Ergebnisse, denn man will das Beste aus seiner Lebenszeit machen, seine Fußspuren hinterlassen", Constanze Buchheim, Personalberaterin i-Potentials. "Kaum eine Generation ist so fokussiert auf sich und so wenig bereit, sich mit anderen Generationen einzulassen wie die Generation Z", Christian Scholz, Uni Saarbrücken.

Generation Z:  Nach 1995 geboren. Die nächste Generation wird oft als Z bezeichnet. Sie bildet sich vorwiegend selbst, sie hat keine Vorbilder, sie hat andere Werte. Sie ist in sozialen Netzwerken zuhause und bevorzugt die digitale Kommunikation (sie sind als Kinder mit Computer und Internet aufgewachsen). Sie legt Wert auf die strikte Trennung zwischen Beruf und Privatem. Gegenüber dem Unternehmen gilt das Motto "Don´t manage me unterstand me". Die Wünsche dieser Generation sind aufgrund der Arbeitsmarktsituation auch einforderbar. Entsprechende Wertemuster finden sich auch bei Älteren. Sie fordern Sabbaticals und hohe Gehälter, verabscheuen Hierarchien, sie fühlen sich an niemanden gebunden. Sie arbeiten sehr stark mit der Plattform TikTok. Der Anteil der 15- bis 24-jährigen beträgt 2021 nur noch 10,1% (1981 16,3%). Diese Gruppe wird noch aktuell strukturell ignoriert, bis diskriminiert. Vgl. Deters, Jannik u. a.: Diese jungen Leute..., in: WiWo 37/ 9.9.22, S. 15ff. 2023 steigt diese Generation ins Berufsleben ein. Sie stellt erst mal Bedingungen: Viertagewoche, Sabbatical, Homeoffice, keine Überstunden. Auch die Älteren finden Geschmack an diesen Ideen. Vgl. Hölter, Katharina u. a.: Der Neue Arbeitskampf, in: Der Spiegel 22/ 27.5.23, S. 8ff. Die nächste Generation wird als Alpha bezeichnet.

Exkurs. Politische Einstellungen der Generation Z: Die Untersuchungsergebnisse sind über alle Länder gleich. In Südkorea, in China, in Deutschland, in den USA, in Tunesien passiert es. Dei politische Denkungsart variert nach Geschlecht. Junge Männer wenden sich nach rechts (good old days), Nach links und ins Grüne neigen die jungen Frauen (Freiwilligkeit first). In Südkorea und China sind die Geschlechterunterschiede noch krasser. Das ist eines der globalen Probleme unserer Zeit. Eine deutliche Folge ist eine geringe Geburtenrate.  Quelle: Daten der Financial Times, 2024.

Einteilung nach Generationen: 1. Kriegsgeneration. 2. Kriegskinder. 3. Baby - Boomer. 4. Gen X. 5. Gen Y (Milenials). 6. Gen Z. 7. Generation Alpha. In der Wissenschaft spricht man von "Generation", wenn Unterschiede zwischen Menschen einer Altersgruppe kleiner sind als Unterschiede zu anderen Jahrgängen. Die Einteilung wird immer schwieriger: entscheidend sind heute der soziale Hintergrund und Bildung, nicht der Geburtsjahrgang. Frauen haben ihr Erwerbsverhalten geändert. Sie ziehen sich nach der Geburt eines Kindes seltener ganz aus dem Arbeitsmarkt zurück.

Volkszählung und Zensus (als statistische Grundlage, Bevölkerung in Deutschland): Die letzte Volkszählung wurde in den alten Bundesländern 1987 und in den neuen Bundesländern (damals noch DDR) 1981 durchgeführt. Der bundesweite Zensus fand 2011 statt. Stichtag war der 9. Mai 2011. Es handelte sich nicht mehr um eine Vollerhebung, sondern nur noch jeder 10. Haushalt wurde befragt (Stichprobe). Es war ein registergestütztes Verfahren. Meldedaten über Einwohnerzahlen müssen daraufhin nach unter korrigiert werden. Deutschland hat nur noch 80,2 Millionen Einwohner (1,5 Mio. weniger als angenommen). Die Zahl der Ausländer muss auch nach unten korrigiert werden. Der Zensus hat insbesondere Einfluss auf den Finanzausgleich. Er wirkt sich im Rechensystem des Finanzausgleichs sowohl auf die Pro-Kopf-Finanzkraft der einzelnen Bundesländer als auch auf deren Pro-Kopf-Finanzbedarf aus. Die Größe der Gemeindeparlamente und die Bezahlung der Bürgermeister sind ebenfalls von der Einwohnerzahl abhängig. Vor allem in kleineren Gemeinden führt die Volkszählung zu drastischen Korrekturen. Deshalb gibt es massenweise Widerspruch (mehr als 800 Kommunen). Bei der Volkszählung 1987 gab es erhebliche Widerstände in der Bevölkerung. Heute geben die Menschen in den Sozialen Netzwerken freiwillig wesentlich mehr Informationen als die Amtliche Statistik je benötigt hat. Dies zeigt eine Art Kulturrevolution. Durch Zuwanderung wird sich in den nächsten Jahren die Zahl der Deutschen wieder stark nach oben entwickeln (Flüchtlinge). Experten erwarten, dass 2050  93 Mio. Menschen in Deutschland leben könnten. In den vergangenen Jahren kamen die meisten Zuwanderer aus Zentral- und Osteuropa sowie dem Westbalkan. 2015 und 2016 kommen die Menschen aus den Krisenländern Syrien, Irak und Afghanistan. Mittel- und längerfristig wird jedoch die große Welle aus Afrika kommen. Durch die Einwanderung lebten Ende 2015 in Deutschland 82,2 Mio. Menschen. Damit leben 16,1% der EU-Bürger in Deutschland. In Deutschland steigt die Geburtenrate wieder an. Nach Angaben des BiB ist sie nach 35 Jahren erstmals gestiegen auf 1,56 (sie soll sogar wieder auf 1,6 ansteigen). Dieses Ziel wird 2016 fast erreicht (1,59 pro Frau). Ursachen sind die Migration und die Geburten von Frauen zwischen 30 und 37 Jahren. Ende 2017 lebten in Deutschland 82,8 Mio. Menschen (+0,3% gegenüber dem Vorjahr, -405.000 durch Abwanderung). Die Klage gegen die Volkszählung 2011 scheitert 2018 endgültig vor dem Verfassungsgericht. Die Zählung hatte Mängel, war aber verfassungsgemäß. 2030 wird der Höhepunkt des Bevölkerungsproblems in Deutschland erreicht: Dann wird der Jahrgang, der sich aus der Arbeit verabschiedet doppelt so groß sein wie jener, der von unten ins Erwerbsleben hineinwächst. 2021 findet in Deutschland die nächste Volkszählung statt. Halb analog, halb digital. Man will auch zu besseren Registern kommen. Das Bundesverfassungsgericht verlangt eine Vergrößerung der Stichprobe. Die Prognose der Kosten liegt Ende Februar 2019 bei 1 Mrd. €. ierung für 2018, der 2020 veröffentlicht wird, bringt folgende Fakten: 2018 gab es 1,6 Mio. Zuzüge. Darunter waren weniger Flüchtlinge, dafür mehr Arbeitnehmer. Der Saldo der zu- und Wegzüge lag bei 400.000. Zwei Drittel an Zuzügen kamen aus europäischen Staaten. 2020 hat in Deutschland mittlerweile jeder vierte Einwohner einen Migrationshintergrund. Auf 21 Mio. Menschen trifft dies zu, das waren 26%. Knapp zwei Drittel stammen aus einem europäischen Ausland (65%). 22% sind aus Asien eingewandert. Fünf Prozent haben Wurzeln in Afrika. Quelle: StBA. 2022 findet wieder eine Volkszählung statt. Zufällig ausgewählte Bürger werden befragt (Zensus, 10,2 Mio.). Stichtag ist der 15. Mai. Jeder Vierte in Deutschland hat Wurzeln im Ausland (Quelle: Mikrozensus 21, Statistisches Bundesamt 22). Zum 15. Mai 2022 wird in Deutschland ein neuer Zensus durchgeführt.Das ist erstmals wieder seit 11 Jahren. Es werden Deutschland weit mehr als 30 Mio. Personen befragt. Etwa ein Viertel bekommt einen erweiterten Fragebogen (Schulabschluss, Beruf, Eigentümer, Verwaltungen von Wohnungen). Ein Teil der Fragen wird persönlich beantwortet, ein anderer online. Die Angaben werden anonymisiert, es herrscht Auskunftspflicht. Die Städte und Gemeinden beklagen im Sommer 2022 Probleme beim Zensus in der Durchführung. Hauptproblem ist die Software. Ende 2018 liegt die Bevölkerungszahl für Deutschland erstmals über 83 Millionen. Dies sind 277.000 Menschen oder 0,3%  mehr als Ende 2017. Der Anstieg ist durch Zuwanderung zu erklären. Die Anzahl der Sterbefälle habe die Anzahl der Geburten überstiegen. Der Ausländeranteil erhöhte sich von 11,7% im Jahr 2017 auf 12,2%. Zuletzt lebten 72,9 Millionen deutsche und 10,1 Millionen ausländische Staatsbürger in der Bundesrepublik. Quelle: Statistisches Bundesamt. Mitte 2019 sind 27.000 Menschen in Deutschland über 100 Jahre (Quelle: Deutsche Rentenversicherung). 2019 wächst die Bevölkerung in Deutschland nicht mehr so stark. Mit 83,2 Mio. wird jedoch ein neuer Höchststand erreicht (200.000 mehr als Ende 2018). Es gibt immer weniger junge Menschen in Deutschland: Ende 2019 waren insgesamt 8,5 Mio. Menschen im alter zwischen 15 und 24 Jahren. Seit 2005 nimmt dieser Anteil kontinuierlich ab (Ausnahme 2015; 2005 noch 9,7 Mio.). Das liegt in etwa im EU-Schnitt (höher nur in Zypern, Dänemark und Irland). Am 30. Juni 2020 lebten erstmals seit zehn Jahren weniger Menschen in Deutschland als vor einem Jahr (83,1 Mio., -0,05%, -40.000; Quelle: Statistisches Bundesamt). Ursachen  waren vor allem die geringere Zuwanderung un die höhere Sterberate. Es gab auch etwas weniger Geburten als 2019. Bis 2040 wird die Bevölkerung nur leicht zurückgehen: auf 81,9 Mio. sinken. Im Vergleich zu 2020 rund 1,3 Mio. weniger. Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). 2021 leben 83 Mio. Menschen in Deutschland. 1816 waren es noch 20 Mio. Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) 2021. In einer aktuellen Studie 2022 des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) zeigen sich folgende Ergebnisse: Deutschland wird älter, bunter  und individueller (seit der Wiedervereinigung 1990). Die Eltern sind bei der Geburt ihrer Kinder fast drei Jahre älter. Gleichzeitig nahmen Lebensformen ohne Partner zu. Mehr Menschen als zuvor haben höhere Bildung. Es gibt wesentlich mehr Frauen in bezahlten Tätigkeiten. Einen Migrationshintergrund haben etwa 22 Mio. Menschen. 2022 leben auch so wenig 15- bis 24-jährige wie noch nie in Deutschland, nämlich 8,3 Mio. Ende Juni 2022 wohnten in Deutschland 84,08 Mio. Menschen, so viel wie nie zuvor. Gegenüber 2021 wuchs die Bevölkerung um einen Prozentpunkt.

Unterschiede in der Bevölkerung nach Ost- und Westdeutschland: 2013 war die Bevölkerung in den neuen Ländern älter, d. h. 63% waren über 40 Jahre alt. In den alten Ländern waren es 57%. Im Osten gab es mehr außereheliche Geburten (64% in Sachsen-Anhalt, 24% in Baden-Württemberg). Im Westen sind die Menschen mehr in Vereinen und Bürgerinitiativen. Das Ehrenamt ist auch wesentlich stärker ausgeprägt. Der Anteil der Menschen mit Migrations - Hintergrund ist am höchsten in Hessen und Baden-Württemberg und Berlin (über 25%). In den neuen Bundesländern leben wesentlich mehr Singles (allein lebende Personen an der Bevölkerung in Privathaushalten) als in den alten (Ausnahmen sind die Stadtstaaten). Die meisten Start-ups gibt es in Bayern, NRW und Berlin (Deutscher Start-up-Monitor). 2016 zeigt eine Studie (Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, 2008-2013), dass die Abwanderung aus Ostdeutschland gestoppt ist. Im Osten wachsen allerdings nur bestimmte Zentren: Leipzig, Jena, Erfurt, Potsdam, Dresden. Mittel- bis längerfristig dürfte Ostdeutschland interessant für zuwandernde Menschen sein.

Schrumpfende Regionen (ländlicher Raum): Sie sind Folge der Polarisierung der Bevölkerung in Deutschland. Städte wachsen, die Bevölkerung in ländlichen Regionen nimmt ab (überproportional), extrem in Ostdeutschland. Dies wird erhebliche Probleme für die Kommunalfinanzen und die Lebensverhältnisse mit sich bringen. Immer wichtiger wird eine vernünftige Regionalpolitik. Von der Bevölkerungsentwicklung werden die Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland sehr unterschiedlich getroffen. Bis 2025 werden die Regionen Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern mehr als 10 Prozent schrumpfen. Stark wachsen wird die Bevölkerung nahe München, in Hamburg und Berlin (mehr als +10%). s. FAZ, Montag 05.11.12, S. 5. Die abgelegnen Landstriche werden vernachlässigt. Dort ballen sich neuerdings die Rechte zusammen und fordern die etablierten Parteien heraus (ein typisches Merkmal solcher Regionen, die es auch in Österreich, Großbritannien und Frankreich gibt, ist der Männerüberschuss). Die Tendenz ist generell: Die Großstädte wachsen, das Land entleert sich.  Man versucht mit Förderpolitik dem Trend entgegenzuwirken. Das Wort "Heimat" hat in den Parteiprogrammen wieder einen höheren Stellenwert. Der Leiter des Berlin-Instituts für Bevölkerung schlägt 2014 vor, älteren Menschen eine Prämie zu zahlen, wenn sie bereit sind, in die nächste Stadt zu ziehen. In Brandenburg ist die Lage besonders dramatisch. Zu den billigsten Städten in Deutschland gehören 2014 Zittau, Gera, Görlitz, Idar-Oberstein, Staßfurt, Zeitz und Plauen. Der Anteil leer stehender Wohnungen ist am höchsten in Salzgitter und Chemnitz. Vgl. auch das Programm "LebensWerte Kommune" der Bertelsmann Stiftung (eBook, PDF, "Eine demographische Reise durch Deutschland").

Großstädte und Land: Deutsche Großstädte haben 2021 durch Umzüge im Inland so stark an Bevölkerung verloren wie zuletzt im Jahr 1994. Die Anzahl der Fortzüge in kleinere Städte und ländliche Regionen stieg im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 um 1,8%. Quelle: BiB/ Wiesbaden.

Regionale Konvergenz: In Deutschland gat seit dem Jahr 2000 eine spürbare Konvergenz zwischen städtischen und ländlichen Regionen stattgefunden. Der ländliche Raum konnte seinen Anteil am deutschen BIP vielmehr konstant halten. Vgl. Röhl, Klaus-Heiner: Regionale Konvergenz: Der ländliche Raum schlägt sich gut, in: Wirtschaftsdienst 2108/6, S. 433ff.

Erwerbspersonenpotential: "Es zeigt sich, dass das Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland voraussichtlich sinken wird. Selbst Szenarien mit sehr optimistischen Annahmen verdeutlichen, wie schwer es sein wird, diesen Trend zu verlangsamen. Allerdings bilden die Szenarien nur die Entwicklung auf der Personenebene ab. Volkswirtschaftlich sind auch die Arbeitszeiten wichtig, denn für das Wirtschaftswachstum ist das Arbeitsvolumen entscheidend. Längere Arbeitszeiten wären denkbar – immerhin arbeitet mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmerinnen in Teilzeit (Wanger, 2020). Der daraus zu erwartende Effekt dürfte angesichts der Arbeitszeitwünsche der Beschäftigten jedoch gering sein: Im Durchschnitt möchten die Erwerbstätigen nur eine Stunde mehr pro Woche arbeiten. Ein stabiles Erwerbspersonenpotenzial erforderte jedoch eine Steigerung der Arbeitszeit um gut ein Drittel. Aufgrund der besonderen Bedeutung der Migration dürften politische Weichenstellungen wie das 2020 in Kraft getretene Fachkräfteeinwanderungsgesetz in die richtige Richtung zielen. Auch Bildungsmaßnahmen, steigende Qualifikation und damit eine höhere Produktivität der Beschäftigten können längerfristig die negativen Folgen eines sinkenden Erwerbspersonenpotenzials für Wirtschaft und Arbeitsmarkt mildern. Letztlich sind die aktive Teilnahme Älterer am Erwerbsleben, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Integration von Migrant:innen gesellschaftspolitische Ziele, die nicht nur aus Arbeitsmarktperspektive höchsten Stellenwert haben". Siehe Fuchs, Johann/ Söhnlein, Doris/ Weber, Brigitte: Demografische Alterung führt zu einem sinkenden Erwerbspersonenpotential, in: Wirtschaftsdienst 2/ 2022, S. 148-150. Laut Statistischem Bundesamt werden bis 2036 12,9 Mio. Erwerbstätige in Rente gehen - das sind rund 30% der heutigen Arbeitnehmer.

Fachkräftemangel: Infolge der Bevölkerungsentwicklung fehlen in vielen westlichen Industriestaaten in den nächsten Jahren Fachkräfte. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) prognostiziert für 2020 in Deutschland eine Lücke von bis zu 425.000 Ingenieuren und Naturwissenschaftlern. Bis 2014 sollen schon 220.000 fehlen. 2010 sollen schon bis zu 400.000 Fachkräfte einschließlich Facharbeiter fehlen. Damit ist es 2010 erstmals zu einem Kipp-Effekt gekommen: die demographische Entwicklung überlagert die konjunkturelle. In den USA ergibt sich die Lücke durch eine Änderung im Studienverhalten: immer mehr Ausländer und immer weniger Amerikaner studieren technische Fächer. Eine vorausschauende Personalpolitik wäre also sehr sinnvoll. Schon 2009 konnten in Deutschland nicht mehr alle Lehrstellen besetzt werden (100.000 weniger Bewerber als 2008, es fehlt den Bewerbern auch an Wissen und Interesse). 61.000 Stellen in naturwissenschaftlichen Bereichen konnten 2009 nicht besetzt werden. Über 100.000 offene Stellen gab es in der Zeitarbeit. Mittlerweile werden auf zahlreichen Internet-Plattformen ausländische Facharbeiter umworben. Die Arbeitsministerien wollen eher mit regionalen Lösungen arbeiten. 2011 macht die Wirtschaft Druck bei der Zuwanderung und fordert eine am Bedarf orientierte Zuwanderung. Logisch gesehen müsste die Fachkräftelücke von Frauen (höhere Erwerbsquote), von Älteren (längere Lebensarbeitszeit) und Zuwanderern (Hochqualifizierte) gedeckt werden. 2011 ist der Ingenieurmangel auf einem Zehn-Jahres-Hoch (es fehlen allein 31.000 Maschinenbauingenieure). Jeder Vierte bricht das Studium ab. Man sollte darüber nachdenken, Absolventen deutscher Hochschulen automatisch ein Bleiberecht zu geben. 2011 werden die arbeitsrechtlichen Hürden für bestimmte Gruppen von Arbeitskräften gelockert (Ingenieure, Ärzte). Außerdem wird die Einkommensgrenze für die Aufenthaltserlaubnis gesenkt (und in den ersten drei Jahren nicht Hartz IV). Es wird auch die Einführung einer "Blue-Card" beschlossen (Einreise von Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern, Hochschulabschluss, 44.000 € Jahresgehalt). Immer mehr Unternehmen setzen auch auf flexiblere Arbeitszeiten mit Arbeitszeitkonten. Fachkräfte haben eine große Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, das Potential sollte nachhaltig entwickelt werden. Dies gilt besonders für Ingenieure. Nach einer Prognose des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) gibt es 2013 zu viele Akademiker in Deutschland und zu wenige Facharbeiter. Im Juni 2012 macht die Bundesregierung einen Fachkräftegipfel. Bei einer deutsch-spanischen Ausbildungskonferenz wird eine Zusammenarbeit vereinbart: spanische Jugendliche werden in deutschen Unternehmen in Spanien oder in Deutschland ausgebildet. Konkret sollen 5000 junge Spanier eine Ausbildung oder Beschäftigung in Deutschland erhalten. Auch die Mobilität soll gefördert werden (Sprachangebote, Umzugs- und Bewerbungshilfen). Nach einer Untersuchung der OECD 2013 zieht Deutschland nur wenige Fachkräfte an. Das Antragssystem habe einen schlechten Ruf und es mangele an Transparenz. Vor allem KMU täten sich schwer mit der Anwerbung. In den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD im November 2013 einigt man sich auf eine Initiative zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses und der Nachqualifizierung der 1,5 Mio. Jugendlichen ohne Berufsabschluss zwischen 20 und 30 Jahren. Die Rente mit 67 droht den Fachkräftemangel dramatisch zu verschärfen. Manche Experten sprechen von einem Mythos vom Mangel. Die Unternehmen suchten nicht richtig, brächten den Bewerbern nicht genug Wertschätzung entgegen und vernachlässigten das Ausland. 2018 sind besonders Unternehmen bis 200 Beschäftigte betroffen. Sie haben häufig keine Personalabteilung und stehen in Konkurrenz zu bekannteren Unternehmen. Der Fachkräftemangel wird zum Geschäftsrisiko. Der Industrie- und Handelskammertag rechnet ab 2018 längerfristig mit 1,6 Mio. unbesetzten Stellen an Fachkräften. Er wird auch zum Hammschuh der Wirtschaftsentwicklung (ohne diesen Engpass BIP +30 Mrd. €, Schätzung IW). Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft fordern die Bundesregierung im April 2018 zum Handeln gegen den Fachkräftemangel auf. 2019 wird  der Fachkräftemangel an IT - Fachkräften dramatisch:  Die Anzahl der offenen Stellen hat sich binnen zwei Jahren auf 124.000 mehr als verdoppelt. Bis 2040 wird Deutschland noch 8,7 Mio. Fachkräfte verlieren. Vgl. Scheele, Detlef: Die Arbeit wird uns nicht ausgehen, aber..., in: WiWo Nr. 29/ 15.7.22, S. 10. 2022 ist der Fachkräftemangel in Deutschland so groß wie nie zuvor. Es fehlen 630.000 Arbeitskräfte. Besonders betroffen sind die Bereiche Gesundheit, Bau, Technik. Quelle: Studie des IW, Köln.  "Über Vergangenes mache dir keine Gedanken, dem Kommenden wende dich zu", Tseng Kuang. Der Demographiebericht der Bundesregierung 2011 geht davon aus, dass von rund 50 Mio. Erwerbstätigen 2011 bis 2050 noch 26,5 Mio. übrig bleiben. Der Fachkräftemangel ist im Bau und der Industrie besonders hoch. Er scheint aber noch nicht flächendeckend zu sein. Darauf deuten regionale Umfragen. Im Ingenieurbereich wird mit der Manipulation von Statistiken (kleine Stichprobe, falsche Interpretation der offenen Stellen) gearbeitet. Nach dem Fortschrittsbericht der Bundesregierung im Januar 2013 fehlen 850.000 Fachkräfte (Handwerker, Klimatechniker, Akademiker, Lokführer). Nach der BA fehlen 2013 14.00 Fachkräfte im Altenpflegebereich. Mitte 2013 stellt die Bundesregierung eine Liste von Berufsabschlüssen vor, mit denen Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt bekommen. Die Liste umfasst 18 Berufsgruppen. Nach einem Papier der BA von 2013 fehlen in Deutschland Ende 2016 19.000 examinierte Altenpfleger und noch mal so viele Pflegehelfer. 2011 waren 59% aller Absolventen in Mathematik und Statistik Frauen gegenüber 42% 2000. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Frauen in Naturwissenschaften von 27% auf 42%. RLP will in Kooperation von Landesregierung und IHK 2014 "Welcome Center" für ausländische Fachkräfte einrichten. Ein Pflege-Ausbildungsfonds soll die wachsende Lücke bei Pflegekräften schließen helfen. Bis 2022 sollen große Summen angespart werden. "Die Informationsgesellschaft erfordert andere Qualifikationen, dafür sind sicher auch mehr Akademiker notwendig. Nur keiner weiß, wie viele genau", Ludger Wößmann, Bildungsökonom, München. Deutsche Firmen such 2014 vor allem folgende Fach- und Führungskräfte: Ingenieure, Logistik, Verkauf/ Marketing, Personalwesen, IT-Technik, Forschung und Entwicklung (Umfrage Antal International ).  Bei den Branchen, die am meisten suchen, ragen die Pharma-, IT- und Automobilindustrie heraus. In folgen Berufen dauert es 2014 am längsten, Stellen neu zu besetzen: Ärzte 167 Tage, Altenpfleger 129, Ingenieur Elektrotechnik 124, Maschinenbauer 120. Ab 2015 gehen in den nächsten 15 Jahren über zwei Millionen Menschen in Rente (Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung; Bundeswirtschaftsministerium). Nach Prognosen des IAB in Nürnberg fehlen spätestens ab 2020 Fachkräfte mittlerer Qualifikation (Facharbeiter, Techniker). 2014 erhielten 37.00 Bewerber aus dem Ausland ein Aufenthaltsrecht als Fachkräfte (+11%). Eine Umfrage Von ASU/ BJU 2015 zeigt, dass der Fachkräftemangel im Mittelstand zunimmt: 700 Unternehmen wurden befragt. Als Hauptgründe für unbesetzte Stellen wurden "mangelnde Qualifikation" (68%) und das "völlige Ausbleiben von Interessenten" (58%) genannt. 2018 ist die Nachfrage nach Fachkräften besonders hoch im Handel, am Bau und bei Dienstleistungsunternehmen. Die Stiftung Familienunternehmen und das IW Köln bestätigen 2018 den Personalengpass: Im IT - Bereich und technischen Berufen ist der Bedarf enorm. Besonders betroffen sind Unternehmen in ländlichen Regionen. Immer mehr Fachkräfte kommen 2017/ 2018 aus Nicht-EU-Staaten (2017 7% der 545.00 zugewanderten Menschen). 2019 sind Ingenieure, Informatiker und Pflegekräfte sowie weitere Handwerksberufe die Engpassberufe. Schon 2018 waren 183.874 Stellen in Mangelberufen nicht besetzt. Die Anzahl der Zuwanderer aus Osteuropa ist innerhalb von 5 Jahren (2015 - 2020) um 744.000 gestiegen. Die meisten Zuwanderer kamen aus Rumänien, Polen, Bulgarien und Kroatien. Es sind häufig Fachkräfte, die in ihren Heimatländern einen Fachkräftemangel hinterlassen. Quelle: IW-Studie 2020 (Wido Geis - Thöne). Wichtig für die Zuwanderer sind der Arbeitsmarkt, die Lebenshaltungskosten  und die Netzwerke an Landsleuten in einer Region. In einer Umfrage der DIHK im November 21 sehen deutsche Unternehmen die Personalsuche immer schwieriger. Mehr als die Hälfte der Unternehmen kann offene Stellen zumindest vorübergehend nicht adäquat besetzen. Nach einer Studie des IW/ 2023 wird sich der Fachkräftemangel verschärfen, vor allem in Kitas, Sozialarbeit und Pflege. Die Fachkräftelücke ist schon 2022 auf ein Rekordhoch gestiegen: 633.000.

Mangelberufe: Auf 100 offene Stellen kommen so viele qualifizierte Arbeitslose: Altenpflege 37, Klemptnerei, Sanitär, Heizung 55, Lokführer 58, Steuerberatung 60, Krankenpflege, Rettungsdienst 61, Vermessung und Kartographie 68, Tiefbau 77. Quelle: BA, Oktober 2021.

Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel: In Deutschland wird derzeit intensiv über Fachkräftemangel diskutiert. Höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen sowie mehr Wettbewerb am Arbeitsmarkt können einen wichtigen Beitrag zur Lösung des Problems Fachkräftemangel leisten. Andere Maßnahmen zur Bekämpfung der Fachkräfteknappheit, wie Reformen des Einwanderungssystems, der Kinderbetreuung, des Bürgergelds oder des Ehegattensplittings, sind aber keineswegs überflüssig. Da sich aber durch den demografischen Wandel eine weitere Verknappung des Arbeitskräfteangebots abzeichnet, ist eine wettbewerbliche Anpassung an diese Verknappung besonders wichtig. Neben diesen Instrumenten zur Stärkung des Wettbewerbs um Arbeitskräfte, die in der Hand des Gesetzgebers und der Bundesregierung liegen, gilt aber vor allen Dingen: die Tarifparteien haben es selbst in der Hand, dort, wo Arbeitskräfte fehlen, der Knappheit durch Lohnerhöhungen und Verbesserungen von Arbeitsbedingungen entgegenzuwirken. Vgl. Fuest, Clemens/ Jäger, Simon: Können höhere Löhne zur Überwindung des Fachkräftemangels beitragen? in: Wirtschaftsdienst 4/ 2023, S. 253-258. Im Haushaltsplan für 2025 ist noch eine neue Maßnahme vorgesehen: In den ersten drei Jahren sollen ausländische Fachkräfte drei Jahre Steuererleichterungen bekommen.

Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Es tritt zum 01. März 2020 in Kraft. Es soll qualifizierten Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten den Weg nach Deutschland erleichtern. Visa - Verfahren sollen beschleunigt werden, es soll bessere Möglichkeiten zum Deutschlernen geben, die Anerkennung von Berufsabschlüssen soll erleichtert werden. Deutschland ist für die Zuwanderung von Akademikern nur mäßig attraktiv (Quelle: Studie des DIHK 2019). Für das Gesetz wird auch der Begriff  "Job-Turbo" verwendet. Die Personalchefs fremdeln etwas mit dem Gesetz (so eine Umfrage des Ifo-Instituts/ München 2024, Vgl. Der Spiegel 27/ 29.6.24, S. 51).

Blaue Karte EU ("Blue Card"): Vergleichbar der Greencard der USA, die aber weltweit bekannter ist. Möglichkeit der Aufnahme für Fachkräften außerhalb der EU. Sie wurde 2012 eingeführt. Kriterien sind Hochschulabschluss und Gehalt von mindestens 50800 Euro brutto. Die Aufnahme steigt kontinuierlich in Deutschland. Seit 2012 wurden bis 2017 62.000 Personen nach Deutschland geholt. Die größte Gruppe kommt aus Indien (8212; vor China und Russland). Indien (14.000 Inder haben 2018 die Blaue Karte) hat ein gutes Bildungssystem (vor allem im technischen Bereich), hat ein Überangebot an Arbeitskräften und Verkehrssprache ist Englisch.  Im ersten Quartal 2018 erhielten 6865 Menschen die Blaue Karte (+18% seit dem Vorjahreszeitraum). Das Mindesteinkommen von 52.000€ ist ein Hinderungsgrund. Es behindert vor allem Pflegekräfte. Ende 2018 sieht die Bluecard - Statistik wie folgt aus: Indien 13854, China 4790, Russland 3706, USA 2708, Ukraine 2325 Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Im April 2019 mahnt die deutsche Wirtschaft (BDA, BDI) an, mehr Fachkräfte aus dem nichteuropäischen Ausland anzuwerben. Bis 2030 fehlten 900.000 IT - Fachkräfte. 83% der Fachkräfte die zwischen 2012 und 2017 durch die Blue-Card nach Deutschland kamen, bleiben langfristig im Land. "Arbeitnehmerfreizügigkeit ist das Gegenteil von Zuwanderung in die Sozialsysteme".

Chancenkarte: Das Arbeitsministerium will sie 2022 einführen (Einwanderungsgesetz, Herbst 22). Sie enthält eintransparentes Punktesystem. Es wird ein Kontingent festgelegt. Es soll drei bis vier Kriterien geben: ausländischer Abschluss, mindestens drei Jahre Berufserfahrung, Sprachkenntnisse, Voraufenthalt in Deutschland, Alte runter 35 Jahren.

Arbeitskräftemangel: Zwischen 2025 (Baby - Boomer gehen in Rente) und 2035 droht in Deutschland aufgrund der Bevölkerungsentwicklung ein Rückgang des Erwerbspersonenpotentials. Das könnte auch zur Wachstumsbremse nach der Corona-Krise werden. 2020 gab es 47,3 Mio. Erwerbspersonen (EP) in Deutschland. Die Szenarien für 2035 hängen von der Migration ab: 1. 400.000 Wanderungssaldo, 46,5 Mio. EP. 2. 44,3; 200.000 Saldo. 3. Keine Migration, steigende Erwerbsquoten 41,8. 4. Keine Migration, konstante Erwerbsquoten 39,9. Quellen: IAB, Destatis, Handelsblatt Research Institut.

MINT - Berufe: Wirtschaftsinformatiker, Physiker, Energietechniker, Naturwissenschaftler, Mathematiker, Techniker. Der MINT - Anteil an den Beschäftigten ist in Wolfsburg am höchsten. Die meisten MINT - Beschäftigten hat Berlin. Der Mangel war 2019 am höchsten in der fränkischen Stadt Schabach. Im Oktober 2019 klafft bei den MINT-Berufen eine Arbeitskräftelücke von 263.000 Fachkräften, Quelle: IW.

Joblücke und Ausländer: 2018 wird jede zweite neu geschaffene offene Stelle von Ausländern besetzt. Die meisten Ausländer, die einen Job übernehmen, kommen aus Polen oder Rumänien. Sie sind besonders stark im Bau und bei Dienstleistungen vertreten. 2018 sind 1,5 Mio. sozialvesicherungspflichtig Beschäftigte aus Osteuropa in Deutschland tätig. Die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt vollzieht sich geräuschlos. Der Anteil der Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt ist mit 327.000 vergleichsweise unbedeutend. Quelle: BA.

Brain Drain: Abwanderung von fachlich und akademisch hochqualifiziertem Personal. Gründe können schlechte Arbeitsmarktsituation oder religiöse und politische Verfolgung in einem Lande sein.

War for Talents: Kampf der Firmen um hoch qualifizierte Mitarbeiter. Oft im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel gebraucht. Im WS 213/2014 sind erstmals mehr als 100.000 ausländische Studenten an deutschen Hochschulen. Das waren fast 6% mehr als im Vorjahr. Unter den wichtigsten Herkunftsländern sind die Türkei und China. Aber auch die Zahl der Studienanfänger aus Spanien und Frankreich hat sich erhöht.

Ältere Menschen: Die Gesellschaft in Deutschland und den anderen Industrieländern, aber auch in vielen Schwellenländern, wird immer älter. Die Beschäftigungsquote bei den 60- bis 64-jährigen ist aber auf 23,4% im Jahre 2009 in Deutschland gestiegen. Die Beschäftigungsquote der über 55-jährigen beträgt 56%. In der gleichen Zeit sind aber 145.00 ältere Menschen arbeitslos gemeldet. Bei den von 50- bis 55-Jährigen sind 2011 58,5% sozialversicherungspflichtig beschäftigt (2001: 52,6%). Bei den 55- bis 60-Jährigen sind  noch 51% beschäftigt (2001: 43,4%). Bei den 60- bis 65-Jährigen sind 27,5% in Arbeit (2001: 11,6%). Die älteren Menschen - auch "Silver Hairs" genannt - spielen als Kunden eine immer größere Rolle. Allerdings herrscht ein Statistik-Wirrwarr: Die Zahlen von Statistischem Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, Eurostat der EU und Familienministerium stimmen nicht überein. Andererseits ist der Anteil der Kinder und Jugendlichen 2010 in Deutschland mit 16,5% am niedrigsten in Europa. Seit 2000 ist die Zahl der Kinder um 2,1 Mio. gesunken. Nach dem IAB hat sich die Erwerbsquote der von 60- bis 64-jährigen seit 1991 bis 2011 verdoppelt. Es gibt immer mehr Vorschläge, älteren Menschen nach Erreichen des Rentenalters das Weiterarbeiten zu erleichtern (Flexi-Rente). Einige fordern sogar die Rente mit 70. Gleichzeitig wird die Lebensleistungsrente mit 63 kritisiert.
Ältere Menschen auf der Erde: Das Durchschnittsalter der Weltbevölkerung liegt 2011 bei 28 Jahren. Im Jahr 2050 wird es vermutlich bei 38 Jahren liegen. Japan und Deutschland besitzen die älteste Bevölkerung mit durchschnittlich 44 Jahren. Uganda und Niger haben die jüngste Bevölkerung mit 15 Jahren.  Das Rentenproblem ist nicht das einzige. Bleiben wir auch länger gesund, so dass die Menschen länger arbeiten können? Die sozialen Probleme werden zunehmen. Ältere Menschen ermüden schneller, weil sie konzentrierter arbeiten und mehr Energie in die Arbeit stecken (Forschungsergebnisse TU Dortmund 2016).
In einem Modellprojekt werden erstmals 2012  150 Fachkräfte in der Pflege aus China nach Deutschland geholt. Es fehlen 40.000 Pflegekräfte (bis 2020 75.000). Eine Analyse der OECD zeigt, dass 2011 68,2% der 50- bis 64-jährigen berufstätig sind. Damit liegt Deutschland über dem Durchschnitt der OECD-Länder. Nach Berechnungen der UN steigt der Anteil älterer Menschen (über 65 Jahre) bis zum Jahre 2050 auf 15,6 % an (Verdopplung seit 2010). Erstmals seit fast vier Jahrzehnten sind in Deutschland unter den 60- bis 65-jährigen mehr Erwerbstätige als Rentner. 2012 gingen rund 42 % dieser Altersgruppe einer bezahlten Arbeit nach (Quelle: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden). In Deutschland gab es im Dezember 2012 114.931 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Alter zwischen 65 und 70 Jahre (70 bis 75 Jahre 42.982; über 75 Jahre 16.897). Der neue Report "Altersgerechte Arbeitswelt" 2013 des Bundesministeriums für Arbeit zeigt auf, dass sich in den 12 Jahren vor 2013 die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen mehr als verdoppelt hat. Sie stieg von 19,9% im Jahr 2000 auf 46,4% im vorigen Jahr. 2012 waren laut Statistischem Bundesamt 2,35 Millionen Erwerbstätige 60 bis 64 Jahre alt; zehn Jahre zuvor waren es 1,39 Millionen. 2006 veröffentlichte die OECD die berühmte Studie "Live Longer, Work longer". Angesichts steigender Lebenserwartung und wenig nachhaltiger Rentensysteme (Lebensleistungs-Rente mit 63 in D kontraproduktiv) sind die Ergebnisse aktueller denn je. Was die Verlängerung der Lebensarbeitszeit angeht, gilt Japan als Vorbild (auch aus Gründen der Alterseinkommensarmut wird länger gearbeitet).  In Australien wird die Rente mit 70 eingeführt (nach 1965 geboren; ab 2035). Schweden hat ein flexibles Modell: Rente kann ab 61 beantragt werden; jeder kann so lange arbeiten, wie er will. Daimler holt 2013 100 Rentner zurück, weil sie im unternehmen gebraucht werden. Die Erwerbstätigenquote der 60 bis 64-jährigen lag 2000 bei 20%; 2013 bei 50%; 2014 bei 52%. Die Rente mit 63 ab 2014 senkt allerdings wieder den Anteil Älterer im Job. Offziell nahm die Anzahl der Langzeitarbeitslosen von 2012 bis 2016 jährlich um gut 5% ab. Allerdings werden die Personen über 58 Jahre in der Statistik nicht erfasst (162.000 im Jahre 2016). Im Jahre 2015 arbeiteten noch 14,4% aller Erwerbstätigen im Alter zwischen 65 und 70 Jahren (18,2% Männer, 11,0% Frauen) in Deutschland. 2005 lag die Zahl bei 6,5% (gesamt). Im Jahre 2016 ging jeder Neunte in der Gruppe der 65- bis 74-Jährigen einer Erwerbstätigkeit nach (binnen eines Jahrzehnts von 5 auf 11%). Der geplante Ausstieg aus dem Berufsleben später als mit 65 und mehr Jahren ist abhängig vom Geschlecht (Männer wollen länger) und von der Bildung (Wunsch nach längerer Arbeit steigt mit der Bildung). Die Quote der Erwerbstätigen im Alter von 60 bis 64 Jahren stieg von 20% im Jahre 2000 auf 58% im Jahre 2017. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zwischen 60 und 64 stieg im gleichen Zeitraum um 1,5 Mio. auf 2,1 Mio. (Quelle: Bericht des Arbeits- und Sozialministeriums 2018 für den Bundestag). 1980 lebten 975 Hundertjährige in Deutschland. 2017 waren es schon 14.194. 2014 könnten es 150.000 sein. Quelle: Destatis. In Deutschland erhöhte sich die Erwerbsquote der 53- bis 64-Jährigen innerhalb von zehn Jahren um zehn Prozentpunkte auf 72% im Jahre 2021. In der gesamten EU stieg die Erwerbsquote im selben Zeitraum für die gleiche Altersgruppe sogar um 13 Prozentpunkte. Quelle: Statistisches Bundesamt 2023. Einflussfaktoren sind ein höheres Renteneintrittsalter und das steigende Bildungsniveau.

Längeres und gesünderes Leben und Konsequenzen: Kann der Mensch bald auf ein längeres und gesundes Leben hoffen? Forscher entwickeln Methoden, die das Altern kontrollieren. Das würde die Gesellschaft grundlegend verändern. Generationenverträge wären sinnlos. die erde würde gnadenlos überbevölkert. Vgl. Bahnsen, Ulrich: Glückwunsch! Du wirst 150 Jahre alt werden, in: Dei Zeit Nr. 47/ 9.11.23, S. 31f.

Senior Move Manager: Neues Berufsbild in den USA. Er kümmert sich als Umzugsmanager um die Bedürfnisse von Senioren. Insbesondere geht es um die Verkleinerung des Hausstandes und um die Sicherung von Erinnerungen. In den USA gibt es auch einen Labor Day. Er fällt auf den ersten Montag im September. Im unterschied zu Europa, wo an dem Tag politische Proteste und Demonstrationen stattfinden, geht es aktuell nur noch um das Ende des Sommers.

Das größte davon ist die Altersarmut. Langzeitarbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigungsformen, aber auch die Umstellung der Rentenformel, werden zu Versorgungsproblemen im Alter führen. Die Bundesregierung will mit einer Zuschussrente den langjährig Versicherten mit Niedrigeinkommen eine Rente von 850 € garantieren. Wer bei der Rente mit 67 früher aussteigt, muss Abschläge bis zu 18 Prozent in Kauf nehmen. Dies kann zu einer spürbaren Rentenkürzung führen. Es soll ein Konzept zur Bekämpfung der Altersarmut entwickelt werden (Gesetz). Darin enthalten ist eine Zuschussrente für Geringverdiener (vorerst auf Eis gelegt) und höhere Zusatzverdienste für Frührentner. Erwogen wird auch eine Mütter-Rente. Im Herbst zeigen Zahlen des Familienministeriums, dass das finanzielle Risiko zukünftiger Rentnergenerationen höher als gedacht ist: 2012 sind 400.000 Altere über 65 Jahre auf Leistungen aus der Grundsicherung im Alter angewiesen (2,4%). Bis 2035 könnte diese Zahl auf 1,1 Mio. Bezieher steigen. Wer heute weniger als 2500 € verdient ist ab 2030 auf stattliche Hilfe angewiesen. Die Bundesregierung denkt im Moment (Herbst 2012) Richtung Lohnuntergrenzen. In den Koalitionsverhandlungen einigt man sich auf eine rein steuerfinanzierte Lösung, die wahrscheinlich nur ca. 2% in Anspruch nehmen können. Man spricht von Lebensleistungsrente (unter 688 € Rente, 40 Jahre Arbeit, private Vorsorge, Pflege und Kindererziehung stark gewichtet). Die Koalition steht 2013 nicht einheitlich hinter diesem Konzept. Weiter in der Diskussion sind eine "armutsfreie Garantierente" (Grüne) und wieder eine Absenkung des Renteneintrittsalters (Kreise der SPD; durch die Erhöhung des Eintrittsalters auf 65 erfolgt indirekt eine Rentenkürzung, weil viele Menschen nicht so lange arbeiten können). 2003 wurde die Grundsicherung im Alter eingeführt. Damit ist der Rückgriff auf das Einkommen der Kinder, das die Sozialhilfe kannte, weitgehend abgeschafft. Insgesamt ist das Risiko älterer Arbeitslose, keinen Job zu finden, gestiegen. Ende 2012 waren 291.00 arbeitslose Hartz-IV-Empfänger registriert, die über 55 Jahre waren (+16% gegenüber dem Vorjahr). Auch insgesamt ist die Zahl der über 55-jährigen Arbeitslosen gestiegen (+3,8% in einem Jahr auf 534.000). Erwerbsarbeit bleibt der entscheidende Faktor für das Erreichen einer ausreichenden Zahl von Entgeltpunkten. Fehlende Zeiten durch Arbeitslosigkeit, Kindererziehung, Pflege und langen Ausbildungszeiten führen zu einer niedrigen Zahl von Punkten. Risikogruppen sind besonders geringe Erwerbseinkommen und allein erziehende, nicht berufstätige Frauen (vgl. Lewicki, M./ Wigger, B. U.: Wer ist von Altersarmut bedroht?, in: Wirtschaftsdienst 2013/7, S. 462ff.). Wer Altersarmut wirksam vermeiden will, muss rechtzeitig die Minijobs beschränken. Im März 2015 bezogen 512.000 Rentner zusätzlich Sozialhilfe (Destatis; Bedürftigkeit bis 64 Jahre; Grundsicherung im Alter bei Personen über 65 Jahre und drei Monate.). Der Trend zur Altersarmut setzt sich damit massiv fort. Er liegt auch in der Rentenformel begründet: Um die Beiträge zur Rentenversicherung stabil zu halten, wurde ein kontinuierlich sinkendes Rentenniveau eingeführt (2030: 44,4%). Hinzu kommt der stark steigende Anteil atypisch Beschäftigter, die wenig einzahlen können. Eigene Berechnungen im Bundesministerium für Arbeit zeigen folgende Absenkung des Rentenniveaus: Bis 2029 von 48% auf 43%. Bis 2045 sinken die Renten unter 40% bei Nichtreformen. Bis 2039 könnte der Anteil von Armut bedrohter Rentner von aktuell (2019) 16,8% auf 21,6% wachsen (prekäre Beschäftigung, verbreitete Teilzeitarbeit, befristete Verträge, Unterbrechungen des Berufslebens). Quelle: Berechnungen des DIW, Berlin 2019 Der Schuldneratlas 2019 weist darauf hin, dass die Altersarmut in Deutschland zunimmt (Gründe: Niedriglohnsektor und steigende Mieten). Überschaubare Renten, hohe Mieten und mögliche Heimaufenthalte lassen das Problem der Altersarmut 2024 stark zunehmen. Es erreicht die Mitte der Gesellschaft. Vgl. Brächer, M. u. a.:  Die Bankrotterklärung, in: Der Spiegel 26/ 22.6.24, S. 9ff. Das durchschnittliche Arbeitsleben in der EU dauert 35 Jahre. Am längsten sind die Schweden in Arbeit mit 40 Jahren. In Deutschland sind die Erwerbstätigen 37 Jahre aktiv. eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung kommt 2013 zu dem Ergebnis, dass über 40% der in Deutschland lebenden ausländischen Senioren von Altersarmut bedroht sind. 2013 teilt das Statistische Bundesamt mit, dass 2012 465.000 Deutsche über 65 Jahre von der Sozialhilfe leben (2003: 250.000). Die Deutsche Rentenversicherung erstellt 2014 eine Prognose: Danach steigen die Beitragssätze bis 2030 auf 21,9%. Das Rentenniveau vor Steuern wird auf 43,,8% absinken. Im Jahr 2006 war jeder zehnte Bundesbürger über 65 Jahre von Altersarmut bedroht; 2013 war es bereits jeder siebte. Besonders häufig betroffen sind Frauen, Alleinstehende, Geringqualifizierte und Migranten (Bertelsmann Stiftung 2015). 2016 legt Eurostat Daten vor: Danach waren 2014 mehr als 5,6 Mio. Menschen über 55 Jahre in Deutschland von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Im Juni 2017 legt die Bertelsmann-Stiftung eine Studie zur Altersarmut vor (gemacht von DIW und ZEW): 2036 sind 20% der Bevölkerung von Altersarmut bedroht. Ein besonders hohes Risiko haben allein lebende Frauen, Alleinerziehende und Langzeitarbeitslose (Simulationsrechnungen). Nach angaben des Bundesverbandes der Tafeln in Deutschland 2017 sind immer mehr Rentner, die die kostenlosen Lebensmittel nutzen. Innerhalb von 10 Jahren habe sich die Zahl der bedürftigen Senioren verdoppelt. Bis zu 500.000 Rentner sind 2018 von verdeckter Armut betroffen. Sie liegen unter der Armutsgrenze von 750 €, beziehen aber zusätzlich keine Sozialhilfe. "Das Rentenpaket ist nicht darauf angelegt, Altersarmut zu vermeiden", Axel Reimann, Präsident der Deutschen Rentenversicherung 2014. Die US-Kaffeehauskette Starbucks hat in Mexiko-Stadt 2019 eine Filiale eröffnet, in der ausschließlich Senioren arbeiten. Sie sind alt und brauchen das Geld. Rentner leben oft prekär. 2018 ist die Anzahl der im Alter auf Sozialhilfe angewiesenen Menschen in Deutschland auf 559.000 angewachsen (2,8% mehr als 2017). Zusätzlich erhielten 519.000 Menschen, die unter der Altersgrenze waren, eine Grundsicherung wegen Erwerbsminderung (+0,8% gegenüber 2017). Insgesamt bezogen damit 1,079 Millionen Menschen im Alter oder bei Erwerbsminderung Leistungen der Sozialhilfe. Die Altersarmut ist in Westdeutschland größer als in Ostdeutschland. Im Westen waren Ende 2018 3,5% der Rentner auf die soziale Grundscherung im Alter angewiesen, dagegen nur 2,2% im Osten: Quelle: Statistisches Bundesamt 2019. Den Mini-Jobbern droht Altersarmut. 1,2 Mio. Menschen sind betroffen. Mehr als die Hälfte der Mini-Jobber zwischen 25 und 65 Jahren zahlt keine Rentenbeiträge. 2023 macht das Prognos - Institut aus der Schweiz eine Untersuchung über die Kaufkraft der Senioren in Deutschland. Dei Ergebnisse werden Anfang 2024 veröffentlicht: Im Osten treffen höhere Renten auf niedrigere Lebenshaltungskosten. Am ungünstigsten ist das Zusammenspiel aus regionaler Rentenhöhe und Kaufkraft im wirtschaftlich starken Süden der Republik. Die geringste Rentekaufkraft hat der Eifelkreis Bitburg-Prüm (856 Euro).

Arbeitsleben (Dauer): Die Dauer des Arbeitslebens hat sich weltweit erhöht. In der EU (28 Länder) ist die Dauer von 34,9 Jahren 2003 auf 35,2 Jahre 2013 angestiegen. In Deutschland von 34,9 Jahre 2003 auf 37,9 Jahre 2013. Das Arbeitsleben dauert am längsten in Island (2013: 45,5 Jahre) und Schweden (40,9 Jahre 2013). Häufige Probleme im Ruhestand nach dem Arbeitsleben sind Langeweile und Einsamkeit. Viele Studien belegen auch, dass Menschen umso früher sterben, je früher sie in Rente gehen (gilt hauptsächlich für Männer). Die Rente kann der Gesundheit schaden. Die Babyboomer arbeiten länger. In der Alterspanne zwischen 55 und 64 gingen 1955 geborene Männer im Schnitt 7,3 Jahre einem bezahlten job nach. 1941 geborene Männer seien in dem Zehnjahresabschnitt nur 5,3 Jahre erwerbstätig gewesen. Bei den Frauen habe sich der Arbeitszeitraum von 2,6 auf 4,8 Jahre fast verdoppelt. Es gibt auch deutliche Ost-Westunterschiede. Westdeutsche arbeiteten länger. Studie vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung und vom Max-Planck-Institut für demographische Forschung, Wiesbaden 2023. 2022 ist das Alter bei Rentenbeginn bei Männern und Frauen zum ersten Mal gleich, nämlich 64,4 Jahre.

Rentner in Beschäftigung: 2011 verfügen 154.000 Rentner über eine sozialversicherungspflichtige Stelle. Gut 80.000 haben davon eine Vollzeitstelle (nicht berücksichtigt sind die Selbständigen). Die Anzahl der Rentner mit Minijob beträgt 761.000 (Anstieg gegenüber 2000 um 60%). Die Angaben stammen von der Bundesagentur für Arbeit. Dies kann eine Folge der Altersarmut sein.  Andererseits gingen 2011 so viele Arbeitnehmer in Frührente wie noch nie: Von den 700.000 Neurentnern bekam knapp die Hälfte nicht das volle Ruhegeld. Das Renteneintrittsalter lag im Schnitt bei 63,5 Jahren. Immer mehr Unternehmen holen Rentner zurück ins Unternehmen. So z. B. Daimler 2013, wo frühere Mitarbeiter für Sondereinsätze aus dem Ruhestand zurückgeholt werden. 2015 ist jeder Fünfte Deutsche 65 Jahre und älter. 14% der 65 - 69 Jährigen gehen noch arbeiten (17% Männer; 10% Frauen). Das sind mehr als doppelt so viel wie 2005 (Studie von StBA/ destatis). Im März 2015 hatten 904.000 Rentner einen Minijob (450 €). Vor 12 Jahren waren es noch knapp 533.000. 2015 sind 30% aller Rentner aus Armut in einem Minijob. Die anderen arbeiten aus Spaß, weil sie so fit sind oder aus anderen Gründen (Quelle Bundesarbeitsministerium). Im Jahre 2016 gingen 1,42 Mio. Rentner einer Beschäftigung nach (47,5% in einem Minijob). Im Jahre 2000 lag die Zahl noch bei 539.000. Die Zahl der Mini-Jobber über 65 stieg 2018 auf 1,1 Mio. Ende 2003 waren es noch erst rund 587.000. Das Durchschnittsalter der Neu-Rentner steigt von Jahr zu Jahr (2018 64,1 Jahre). Rund 8 Prozent der Rentner sind 2018 erwerbstätig. 2000 waren es noch 3%. In vielen Fällen arbeiten Rentner nicht deswegen, weil sie unbedingt müssen, sondern weil sie arbeiten wollen. Es hängt auch mit den höheren Bildungsabschlüssen zusammen. Selbständige sind überdurchschnittlich häufig im Alter noch erwerbstätig.  Viele Rentner arbeiten auch als Ehrenamtliche weiter. So geben sie ihr Wissen z. B. in selbst entwickelten Projekten weiter (z. B. Englisch-Gesprächskreise, Computer-Beratung). 2020 waren 1,04 Beschäftigte in Deutschland 67 Jahre alt und älter. Fast 600.000 hatten noch im Alter von 70 und darüber einen Job. Über 65 Jahre arbeiten 2019 noch 8% (2009 waren es 4%). 2022 arbeiten 1,05 Mio. Rentner über 67 Jahre. 2020 hatte die Zahl noch 685.000 betragen. Quelle: Redaktionsnetzwerk Deutschland auf eine Anfrage der Linken. Vor allem zwei Gruppen von Rentnern arbeiten im Alter: Die, die besonders viel verdienen, und die, die besonders wenig verdienen. Mehr als 1,3 Mio. der 18,6 Mio. Altersrentnerinnen und -rentner arbeitetn zum stichtag 31. Dezember 2022. gut 300.000 Altersrentner waren geringfügig beschäftigt.

Erwerbsarbeit nach Renteneintritt: In den ersten drei Jahren nach Eintritt in die Altersrente arbeiten 30,7% der Frauen und 27,6% der Männer. Quelle: Nationales Bildungspanel NEPS SC6 8.0.0; Wellen 2012/2013 bis 2015/2016. Motive sind Geld, Kontakt, Spaß, Ausgabe. Das Beschäftigungspotential ist noch nicht ausgeschöpft. Vgl. Anger, Silke/ Trahms, A./ Westermeier, C.: Erwerbsarbeit nach Renteneintritt, in: Wirtschaftsdienst 2018/12, S. 904ff. 2023 sind mehr als 1 Mio. Rentner erwerbstätig. Es sind Reinigungskräfte, Fahrzeugführer, Büroangestellte u. a. Sie stocken ihre Rente auf.

Vorteile des Arbeitens im Alter: Arbeiten Jüngere und Ältere gut zusammen, dann entstehen Komplementäreffekte. Man ergänzt sich, die Produktivität steigt. Erfüllung findet man dabei am besten, wenn man da stun kann, wozu man begabt ist. Gerade im alter ist das wichtig. Vgl. Die Zeit 11/ 9.3.23, S. 8f.

Altersarbeit zur Lösung des Fachkräftemangels: "Bei der Ausgestaltung der Regulierungen geht es vor allem darum, Arbeitsanreize für Ältere in angemessener Weise aufrechtzuerhalten und gegebenenfalls zu stärken. Bestimmungen, die den Rückzug von älteren Erwerbs­personen vom Arbeitsmarkt begünstigen, ohne dass dafür zwingende Gründe (wie z. B. schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen) vorliegen, entziehen dem Arbeitsmarkt Arbeitskräfteangebot und sind damit längerfristig nicht zielführend. Regelungen, wie die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds für Ältere oder auch Karenzzeiten mit Blick auf Vermögen und angemessenem Wohnraum im Rahmen des Bürgergelds, müssen daher mögliche negative Auswirkungen auf die Arbeitsanreize im Alter ausdrücklich ins Blickfeld nehmen. Auch das Arbeitsrecht kann sich negativ auf Beschäftigungsanreize auswirken, wenn etwa Befristungen von rentenbeziehenden Älteren bei der Wiederbeschäftigung im letzten Betrieb vor dem Rentenzugang eingeschränkt werden. Eine somit indirekte Vorgabe zur Weiterbeschäftigung schränkt personalpolitische Dispositionen ein. Schließlich sind auch tarifvertragliche Regelungen oder betriebliche Vereinbarungen, die einen Erwerbsaustritt „erzwingen“ nicht mehr zeitgemäß." Siehe Walwei, Ulrich: Ältere: Personalreserve für den sich verschärfenden Arbeits- und Fachkräftemangel, in: Wirtschaftsdienst 7/ S. 467- 473. Das Potential vieler Senioren bleibt ungenutzt. Flexibilität ist ihnen wichtiger als Geld. Wer fit ist, arbeitet länger. Das gleiche gilt für Menschen, die mehr Wertschätzung, Selbstbestimmung und Flexibilität am Arbeitsplatz erleben. Quelle: Studie der Techniker Krankenkasse 2024.

Alterung und Arbeitsmarkt: Die alternde Gesellschaft wird den Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren prägen. Der Gesundheits- und Sozialbereich wird vom Jahr 2040 an der größte Wirtschaftsbereich in Deutschland sein. Dann werden 7 Mio. Menschen in diesem Sektor arbeiten. In den nächsten 20 Jahren (ab 2020) erhöht sich die Anzahl der Beschäftigten in diesem Bereich um 660.000. Im Verarbeitenden Gewerbe wird die Anzahl der Erwerbstätigen abnehmen (auf 6,4 Mio.). Die Zahl der Erwerbstätigen wird insgesamt zurückgehen, vor allem in Ostdeutschland. Quelle: Prognose des IAB, Nürnberg 2021. In der Industrie werden Topmanager über 60 heute noch häufig aussortiert, Das ist besonders bitter für diejenigen, die ihr Privatleben der Karriere geopfert haben. Viele müssen sich in psychiatrische Behandlung beheben. 2023 muss man umdenken. Man braucht die Senioren dringend am Arbeitsmarkt. "Die Zeit, in der überc60-Jährige zum alten Eisen gehören, muss vorbei sein", Hubertus Heil, Bundesarbeitsminister, 2023. Am längsten arbeiten die Senioren freiwillig in Japan (manche fast bis 80 Jahre). Dann kommt schon Deutschland (viele bis 75). Damit liegen wir über dem OECD-Durchschnitt (knapp über 60) und über den USA. Das Renteneintrittsalter liegt aber immer noch im Schnitt unter der Regelaltersgrenze. Vgl. auch: Dettmer, Markus/ Diekmann/ Schmergal: "Wertvoll wie Gold", in: Der Spiegel 8/ 18.2.23, S. 56ff.

Rentennahe Jahrgänge: Die Alterung der Gesellschaft trifft fast alle Berufsgruppe. Die Arbeitgeber müssten viel stärker um rentennahe Jahrgänge werben. Man könnte 2,5 Mio. Arbeitskräfte gewinnen, wenn die die über 60-jährigen die gleiche Erwerbsquote hätten wie die unter 60-jährigen. Teilweise wurde das Problem selbst gemacht durch die Rente mit 63. Vgl. HB 70/ 11.4.23, S. 10.

Altersdiskriminierung (Ageism, modische englische Fachbegriff): Die Generation der über 60-jährigen hat auf der einen Seite eine enorme wirtschaftliche, politische und demografische Macht in Deutschland. Auf der anderen Seite wird sie diskriminiert - mal subtil, mal brutal. Viele ältere Menschen fühlen sich aussortiert, vor allem auf dem Arbeitsmarkt. Das ist auch erforscht. Ältere Kolleginnen und Kollegen werden nicht mehr für Fortbildungen eingeteilt, sie bekommen kompliziertere Aufgaben nicht mehr, Verträge werden nicht verlängert. "Age doesn´t define you", WHO 2021. Vgl. Becker, Tobias u. a.: "Zwischen Revolte und Resignation", in: Der Spiegel 13/ 25.3.23, S. 8ff. In Kusel erlangt 2024 eine Sparkassenfiliale Berühmtheit. Sie hat Fotos von Alten, eine Ausstellung, abgehängt nach Beschwerden. Nach großen Protesten werden die Fotos wieder gezeigt.

Seniorendemokratie: In Deutschland und vielen anderen Ländern sind die Alten in Verruf geraten. Sie haben als "Umweltsäue" über ihre Verhältnisse gelebt.  Sie beeinflussen als "alte weiße Männer"  die Politik. Sie besiedeln alle Talkshows. Sie haben als Risikogruppe in der Pandemie Vorteile (Impfung). Vgl. Richter, Emanuel: Seniorendemokratie - Die Überalterung der Gesellschaft und ihre Folgen für die Politik, Suhrkamp 2020. "Die Seniorendemokratie darf nicht von alten weißen Männern vereinnahmt werden, die politisch interessiert, aber besserwisserisch, hochgradig engagiert, aber ungeduldig und aufbrausend sind", siehe oben.

Zeit als Alterswährung: Etwa Einsatz ehrenamtlicher Arbeit. Es gibt auch schon Austauschmodelle: Geben und Nehmen zwischen denselben Personen Zeit versetzt (Zeitpolster). Austausch von Dienstleistungen zwischen Jung und Alt (Arztbesuche, Einkäufe, Kinderbetreuung, Nachhilfe). Lücken im Pflegebereich sollen so gefüllt werden. Hilfe ohne strikte Taktung und Stress.

Wohnungsnot für Alte: Immer mehr Babyboomer, also die geburtenstarken Jahrgänge, gehen in Rente. Im Ruhestand werden sich viele der Senioren das Wohnen aber kaum noch leisten können. Die Situation wird sich in den nächsten 20 Jahren (ab 2023) weiter verschlimmern. Dann wird die Gruppe der über 67-Jährigen 21 Mio. Menschen in Deutschland umfassen.  Quelle: Studie des Pestel-Instituts, Hannover.

Kinderzahlhypothese von Gary S. Becker (geb. 1930, Nobelpreis 1992). Er  überträgt die ökonomische Betrachtung auf Ehe, Liebe, Familie, Bildung und Diskriminierung. Bezogen auf die Kinderzahl stammt von ihm folgende berühmte Hypothese: "Die Verringerung der Anzahl senkt jedoch den Schattenpreis für Qualität, was eine Substitution zugunsten der Qualität zur Folge haben wird" (Ders.: Der ökonomische Ansatz zur Erklärung menschlichen Verhaltens, Tübingen 1993, S. 219). Investitionen in die Ausbildung von Kindern - bei der Verpflichtung, die Eltern im Alter zu unterstützen - bringt meist höhere Erträge als eine Rentenversicherung. Er wendet sein Modell auch auf kriminelles Verhalten an.  "Ich bin der Auffassung, dass der ökonomische Ansatz so umfassend ist, dass er auf alles menschliche Verhalten anwendbar ist", Gary Becker. Eine Umfrage der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen 2013 kommt für Deutschland zu folgenden Ergebnissen:  Als Haupthindernisgründe für Kinder werden genannt: Kinder kosten zuviel Geld (67%), Freiheit und Unabhängigkeit (60%), Karriere wichtiger als Familiengründung (57%). Immer mehr Frauen in Deutschland bleiben kinderlos (bereits jede fünfte Frau zwischen 40 und 44 Jahren in Deutschland; Statistisches Bundesamt). Im Jahr 2012 werden halb so viele Kinder geboren wie 1964 (immer mehr kinderlose Frauen, insbesondere in den östlichen Bundesländern; Die Mütter sind bei Familiengründung und erstem Kind immer älter). Seit 1970 hat sich die weltweite Geburtenrate nahezu halbiert (von 4,7 auf 2,5). Die regionalen Unterschiede sind nach wie vor groß. er kinderreichste Vater war angeblich der Mongolenherrscher Dschingis Khan. 2000 Nachkommen werden ihm zugeschrieben. Dahinter kommt der marokkanische Herrscher Ibn Sharif mit 888 Kindern. Die russische Bäuerin Valentina Wassilijewa soll es auf 69 Kinder gebracht haben. Becker schuf ein Familienmodell. Danach agieren Familien als wirtschaftliche Einheiten., in denen das Verhalten der Mitglieder tendenziell auf der Kosten-Nutzen-Analyse basiert. Becker liefert auch eine wirtschaftliche Erklärung für eine riesige Änderung des Arbeitspotentials. Die Wirkung von Kindergeld auf die Geburtenrate ist sehr umstritten. Die Diskussion bewegt sich zwischen der These von Thilo Sarrazin (Deutschland schafft sich ab, München 2010), dass die "falschen" Familien dem Anreiz folgen (Migranten, sozial Schwache) bis zu der Auffassung, das es wirkungslos sei. Kindergeld ist keine Sozialleistung, sondern wird für Kinder von Menschen bezahlt, die in Deutschland arbeiten und Einkommensteuer zahlen. Bis 2018 steigt die Zahl der Auslandsbezieher sprunghaft an (seit 2010 Verzehnfachung). Die Bundesregierung beschließt 2018 ein Baukindergeld rückwirkend ab 1.12018 (12.00 € pro Kind in zehn Jahren).

Rollenverteilung in der Partnerschaft bzw. Ehe: Die "klassische" Rollenverteilung lautete: Er verdient das Geld, sie kümmert sich um die Familie. Diese Rollenverteilung ist in Deutschland immer noch stark ausgeprägt. Am traditionellsten von allen Industriegesellschaften ist hier immer noch Japan. Die Rollenverteilung hat eine große Bedeutung für die Geburtenrate und die Lebensweise. Auch das zeigt sich ausgeprägt in Japan: Die Zahl der weiblichen Singles in Städten, insbesondere in Tokio, ist hoch. Das drückt auch die Geburtenrate in Japan stark.

Bezahlte Elternzeit (Elterngeld): Auf der Welt unterschiedlich geregelt. Die USA, Suriname und Papua-Neuguinea haben keine bezahlte Elternzeit. In China dauert der gesetzliche Mutterschutz 98 Tage. Indien gewährt zwölf Wochen bezahlten Mutterschaftsurlaub. In den Niederlanden sind Mütter sechs Wochen vor der Geburt und zehn Wochen nach der Geburt freigestellt. Noch nicht geklärt ist der Einfluss auf die Geburtenrate (viele intervenierende Variablen). Vgl. World Policy Analysis Center at UCLA und OECD.

Neues Familienideal: Die Ampelregierung, die 2021 gewählt wird, will eine radikale Neudefinition der Familie. Auch unverheiratet Paare sollen Kinder adoptieren können. Die Ehe soll ein zivilrechtlicher Vertrag unter vielen werden.

Ökonomie der Partnerwahl: Geld, Besitz und Status spielen in Partnerschaften nach wie vor eine große Rolle. Es gibt dafür den Begriff "emotionaler Kapitalismus" (Eva Illouz). Nichts senkt das Scheidungsrisiko mehr als gemeinsamer Immobilienbesitz. Der Einfluss der Ökonomie steigt sogar (obwohl er durch die steigende Frauenerwerbstätigkeit sinken könnte). Frauen wünschen sich zwar immer noch einen Partner mit höherem Status, finden ihn aber kaum ("Modell "Aschenputtel" stirbt aus). Doppelverdiener sind paradoxerweise besonders auf Geld fixiert. Vgl. Die Zeit, Nr. 13, 20.03.2014, S. 24ff. Besonders interessant ist der Heiratsmarkt in China. Eine Wohnung ist in Ballungsgebieten eine notwendige Voraussetzung. Weil ein Männerüberschuss herrscht (aufgrund der Bevölkerungspolitik der vergangenen Jahre), können die Frauen auswählen (wichtige Kriterien: Auto, Einkommen, Wohnung u. a.). Der Heiratsmarkt  gehört zu den Matching-Märkten (Vgl. A. Roth), die nicht nur über den Preis geregelt werden.

Kinder-Ehen: In vielen Gegenden der Welt werden Minderjährige zur Ehe gezwungen, oft aus nackter Not. Jedes Jahr feiern ca. 15 Millionen junge Frauen ihre Hochzeit vor dem 18. Geburtstag. Nach dem Ausländerzentralregister waren im Sommer 2016 1475 minderjährige Ausländer mit dem Familienstand "verheiratet" gespeichert. Der Bundesjustizminister will mit einem Gesetz hier Einhalt gebieten. Dieses Gesetz, das Kinder-Ehen verbietet, kommt im März 2017. 2023 entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Es hat keine Probleme damit, pocht aber auf mehr Rechte für die Betroffenen. Die Bundesregierung will deshalb 2024 mehr rechtlichen Schutz für Minderjährige. Eine Ehe unter 16 Jahren soll nach deutschem Recht unwirksam werden.  Nach dem UN-Kinderhilfswerk Unicef werden jährlich 12 Mio. Mädchen zur Ehe gezwungen. allerdings geht der Anteil an Zwangsehen bei Kindern zurück (unter 18 Jahren, 2018 21%, 2022 19%). Dahinter wird oft die Familiengeschichte von Mohammed aufgeführt. Seine dritte Ehe soll er mit einer Frau  von 9 Jahren vollzogen haben (Aischa, offen: schon mit Sechs versprochen, früher schon mit 9 geschlechtsreif?, Sahih al-Buchari). Daraus ergibt sich immer wieder eine Diskussion, ob die Scharia zum Islam gehört.

Kinderarmut: Die Kluft zwischen armen und reichen Familien wird in Deutschland immer größer. Das hat sich besonders in den letzten zehn Jahren verstärkt (von 2018 rückwärts). Leidtragende sind vor allem die Kinder. Es fehlt das Geld für die soziale Teilhabe. Quelle: Studie des Paritätischen Gesamtverbands 2019. Dazu wurden Daten des Statistischen Bundesamtes ausgewertet. Eine Bertelsmann-Studie von 2020 kommt in Deutschland auf 2,8 Mio. Kinder, die in Armut leben müssen. Die Unicef (Forschungszentrum Innocenti) legt 2020 eine Studie zur Lage der Kinder in der Welt vor. Geld alleine macht nicht glücklich. Unter dem Strich fühlen sich Kinder in den Niederlanden, Dänemark und Norwegen  am wohlsten. Deutschland rangiert auf Rang 14. Es wird auch vor den Folgen der Corona-Pandemie gewarnt. Millionen Kinder und jugendliche sind in Deutschland von Armut und damit einhergehender Ausgrenzung bedroht. Insbesondere der Bildungsabschluss der Eltern spielt bei dieser Entwicklung eine Rolle. Es trifft jedes siebte Kind in Deutschland. Die Armutsgefährdungsquote liegt bei 14%. quelle: StBA, Wiesbaden 2024.   In der Corona-Pandemie werden mehr "Krankentage" für Kinder eingeführt (20 Tage bzw. 40 für Alleinerziehende). Im Mai 2022 startet das Bundesfamilienministerium zusammen mit der EU-Kommission den Aktionsplan "Neue Chancen für Kinder in Deutschland". Damit soll die Kinderarmut bekämpft, frühkindliche Bildung gestärkt und Betreuung verbessert werden. Familienministerin Paus (Grüne) fordert 2023 12 Mrd. €, um die prekären Verhältnisse bei Kindern zu bekämpfen. FDP und SPD zeigen keine Eile.

Kindergrundsicherung: Im Koalitionsvertrag der Ampel vom Dezember 21 geregelt. Finanzielle Unterstützungsleistungen für Kinder  wie das Kindergeld und Leistungen für Kinder in Hartz-IV sollen gebündelt werden. Die Leistungen sollen unbürokratisch, digital und ohne Behördenrennerei in Anspruch genommen werden können. Es soll auch noch ein Sofortzuschlag kommen. Bundesfamilienministerin Paus (Grüne) verschickt 2023 die Eckpunkte zu dem Programm. Ab 2025 sollen die Familienleistungen zusammengefasst werden. Vorgesehen sind ein Garantiebetrag und ein Zusatzbetrag abhängig vom Elterneinkommen. Finanzminister Lindner stellt sich gegen die Grundsicherung (mangelnde Arbeitsmarktintegration der zugewanderten Eltern). Der Kanzler will allerdings an der Neuordnung familienpolitsicher Leistungen festhalten.

Kinderrechte: Die Belange von Kinder sollen zukünftig stärker berücksichtigt werden. Das gilt z. B. für Spielplatzgestaltung, Verkehrsführung, Gesetzgebungsverfahren. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht bringt im November 2019 einen Gesetzentwurf. Der braucht aber eine Zweidrittelmehrheit. Die Koalition einigt sich auf einen Wortlaut im Grundgesetz. Daran gibt es Kritik der Kinderschutzverbände und der Grünen.  2022 zeigt eine Untersuchung, dass eltern länger für ihre kinder zahlen. Die Mehrheit der 15- bis 24-Jährigen in Deutschland lebt auf Kosten ihrer Eltern oder naher Angehöriger.

Kinder und Jugendliche in Krisen: In der Corona-Krise 2020 bis 2022 litten viele Kinder und Jugendliche. Die mussten besonders auf die älteren Bürger Rücksicht nehmen. Es stiegen Vereinsamung, Isolation und Angst. Der Ethikrat fordert mehr Therapieangebote.

Verlassen des Elternhauses: Mehr als ein Viertel der 25-Jährigen lebt in Deutschland noch bei den Eltern (27,3 %; 2022). Söhne bleiben länger als Töchter. Der EU-Schnitt lag bei 26,4 Jahren. Besonders früh ziehen junge Menschen in den nordeuropäischen Ländern aus. Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2023.

Jugendliche: Die Lage der Jugendlichen wird immer wieder untersucht. Eine ist die Sinus-Studie, die alle vier Jahre durchgeführt wird. Sie erfasst die Gefühlslage der 14- bis 17-jährigen. 2024 zeigen sich die Jugendlichen mit großen Sorgen. Gleichzeitig haben sie ihren Optimismus nicht verloren. Vor allem Klimawandel und Diskriminierung belasten die Jugendlichen. Ungleiche Bildungschancen sind in der Kritik. Auch die Shell-Studie untersucht die Lage der Jugendlichen in Deutschland. Dei 19. Shell-Studie wird 2024 durchgeführt. Die Konflikte im Nahen Osten und der Ukraine beschäftigen die Befragten. Die Angst vor Krieg eint Jugendliche. Junge Männer sind eher rechts orientiert. Grundsätzlich ist die Jugend optimistisch und voller Vertrauen. Vgl. Die Zeit 44/ 17.10.24, S. 37.

Berühmt ist auch das Bevölkerungsgesetz von Thomas R. Malthus (1766-1834; Principles of Political Economy, 1820; auch: An Essay on the Principle of Population, London 1798): Die Bevölkerung verdoppelt sich alle 25 Jahre, während sich die Nahrungsmenge nur in arithmetischer Reihe erhöht ("Die Macht der Bevölkerung ist unendlich viel größer als die Macht der Erde, allen Menschen den Unterhalt zu ermöglichen"). Seine Prognose ist ein Leben am Rande des Existenzminimums für die Menschheit. Dies liegt daran, dass die nutzbare Ackerfläche begrenzt ist und der Grenzertrag zusätzlicher Arbeitskräfte auf den Feldern abnimmt. Zudem hält Malthus die Amortisationszeit von Investitionen in der Landwirtschaft für zu lang. Vergessen hat er den technischen Fortschritt und damit Produktivitätssprünge. Trotzdem ist seine ökonomische Grundidee heute aktueller denn je und es stellt sich immer mehr die Frage: Hatte er doch recht? Implizit warnte Malthus damit auch vor den Grenzen des Wachstums. Das Ackerland könne die wachsende Bevölkerung bald nicht mehr ernähren. Neuere Forschungen zeigen, dass Polygamie die Bevölkerung wachsen lässt, nicht aber die Wirtschaft (wichtig für Entwicklungsländer und die Entwicklungspolitik. Nalthus wuchs auf einem Landgut in Surrey auf. 1788 wurde er zum Priester geweiht. Er beeinflusste Darwin und Keynes bewunderte ihn.  "Indem ich meine Postulate als gesichert voraussetze, behaupte ich, dass die Vermehrung der Bevölkerung unbegrenzt größer ist als die Kraft der Erde, Unterhaltsmittel für den Menschen hervorzubringen", Ders.: An Essay on the Principle of Population". Nach UN-Schätzungen 2009 soll die Weltbevölkerung 2010 6,91 Mrd. betragen (4,17 in Asien). 2050 soll sich die Zahl auf 9,15 Mrd. Menschen erhöhen (nur in Europa  schrumpft die Bevölkerung).

Günther-Paradoxon: Bei einem Geburtenrückgang verringern sich die Arbeitskräfte. Wegen des Nachfragerückgangs steigt zuvor jedoch die Arbeitslosigkeit. Konsum und Investitionen hängen auch von der Bevölkerungszahl ab. "Wir müssen aber auch sehen, dass Europa von außen betrachtet als ein alternder, schrumpfender und undynamischer Kontinent erscheint", Puprecht Polenz, CDU, Auswärtiger Ausschuss.

Männer in der Gesellschaft: Männer in Deutschland und vielen anderen Ländern haben mittlerweile Probleme, mit dem gesellschaftlichen Wandel mitzuhalten. In Deutschland liegt die Selbstmordrate bei Männern dreimal höher als bei Frauen. Zwei Drittel aller Sonder- und Förderschüler sind Männer. 75 Prozent aller Obdachlosen sind Männer. Das Problem des 21. Jahrhunderts sind die ungebildeten Männer und Jungen. Sie finden keine Aufnahme mehr in den Bereichen, wo sie früher unterkamen (Armee, Fabrik, Kirche).

Alte, weiße Männer: In Zeiten von "Gendern" ein heiß diskutiertes Thema. Es gibt auch Bücher zu dem Thema. Eines wird am Ende genannt. Das Buch soll auch provozieren (Thilo Sarrazin als Vorbild). Der Jäger wird nicht mehr gebraucht. Die Zähmung durch die Frauen schreitet voran. Sex gegen Ressourcen, so läuft das schon immer.  Vgl. Bolz, Norbert: Der alte, weiße Mann. Sündenbock der Nation, München (Lange-Müller) 2023.

Jung, männlich: Sie sind in Deutschland in jeder Hinsicht abgehängt. Bei der Lernmotivation liegen sie hinten gegenüber gleichaltrigen Mädchen (Pisa-Test). Ohne Hauptschulabschluss liegen sie weit vorne. Mit auch. Bei der hochschulreife liegen sie hinten. Bei Engagement und Auslandserfahrung führen auch die Mädchen. Bei Personal in Bildungseinrichtungen liegen die Frauen weit vorne. Vgl. Die Zeit 39/ 12.9.24, S. 33.

Frauen: Die Position von Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt hat sich verbessert. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC hat die Frauenbeschäftigung 2014 in allen 27 OECD-Staaten verglichen. Es handelt sich um den Women-in-Work-Index, der die Beteiligung der Frauen am Wirtschaftsleben misst (Kriterien im Index: Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern, Arbeitslosenrate von Frauen, Anteil von Frauen in Vollzeitjobs). Der aktuelle Index bezieht sich auf das Jahr 2012. Deutschland liegt auf dem achten Rang und verbessert sich um einen Rang. Der Index wird seit 2000 gemessen. Auf dem ersten Platz liegt immer Norwegen. Laut einer Studie der EU 2014 hat jede dritte Frau schon Gewalt erlebt (Schläge, Stalking, sexuelle Übergriffe). 54 Prozent der Mütter mit Kleinkindern im Alter zwischen zwei und drei Jahren sind wieder berufstätig (41 Prozent bei Kindern zwischen ein und zwei Jahren; Quelle: Prognos AG nach Daten des Mikrozensus 2010). 2014 bekommt der Begriff "Babypause" bei Unternehmen in den USA einen neuen Sinn: Das Baby macht Pause, der Beruf nicht. Google, Facebook und Apple zahlen ihren Mitarbeiterinnen viel Geld, wenn sie ihren Kinderwunsch aufschieben (Eizellen einfrieren lassen). Die entscheidende ethische Frage ist, ob Firmen Familien planen dürfen. Ende April 207 findet ein W20-Frauengipfel in Berlin statt. Teilnehmerinnen sind unter anderen AngelaMerkel, Trump - Tochter Ivanka Trump, Königin Maxima, IWF-Chefin Lagarde.

Frauenerwerbstätigkeit: Ende 2022 gibt Bundeskanzler Scholz bekannt, dass er alles tun will, um die Frauenerwerbstätigkeit zu erhöhen. Dazu müssen die Bedingungen für Frauen verbessert werden: Ganzschulangebote, Kindergärten mit längeren Betreuungszeiten usw. Frankreich gilt hier als Vorbild. Einen Einfluss hat auch die Einkommensteuer. Die OECD fordert für Deutschland eine Steuervergünstigung für Frauen in Erwerbstätigkeit. Der Vorschlag die Mehrarbeit von Frauen zu fördern, kommt immer wieder von der SPD auch 2023 (Esken). Eine Idee, wie man die Kinderbetreuung sicherstellen will, wird nicht geäußert.

Gewalt gegen Frauen: Eine Untersuchung des BKA zeigt 2024: 2023 wurden in Deutschland 360 Frauen wegen ihres Geschlechts getötet. Straftaten wie Sexualstraftaten, häusliche Gewalt, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, digitale Gewalt und Femizide haben zugenommen. Vgl. Die Rheinpfalz 20.11.24, S. 1.

Anti-Babypille: Claudia Goldin, Wirtschaftsnobelpreisträgerin 2023, misst der Pille besondere Bedeutung zu. Ab Anfang der 1960er Jahre hätten Frauen erstmals dei Kontrolle über die Familienplanung übernehmen können. Das beschrieb sie zusammen mit ihrem Kollegen Lawrence Katz in dem Buch "The Race between Education and Technology, 2010". Sie weist auch darauf hin, dass Bildungsentscheidungen in relativ frühen Jahren getroffen werden. Sie bestimmen die weitere berufliche Karriere. Man kann sich nicht mehr an der Lebensweise früherer Generationen orientieren.

Erwerbstätigkeit von Eltern: 20222 waren 40% der Mütter erwerbstätig. Berufstätige Väter waren 90%. 2008 sahen die Zahlen noch wie folgt aus: Mütter 31%, Väter 89%. Quelle: Destatis.

Mütter: In Deutschland bringen Frauen ihr erstes Kind immer später zur Welt. 2021 waren sie im Schnitt 30,1 Jahre alt. In der EU waren die Frauen bei der Geburt des ersten Kindes im Durchschnitt 29,7 Jahre alt (2013 28,8 Jahre). Die Frauen müssten 2,1 Kinder gebären, damit die Bevölkerung nicht schrumpft - Zuwanderung ausgenommen (2021 lag der Durchschnitt bei 1,53 Kindern)..

Solomütter:  Sie sind auf dem Vormarsch. Sie erfüllen sich ihren Kinderwunsch ohne Partner mithilfe einer Samenspende. Bei einer offenen Samenspende hat das Kind die Möglichkeit, den Vater zu kontaktieren.

Alleinlebende: Es gibt in Deutschland 2018 fast 6 Mio. allein lebende Senioren. Jeder dritte allein lebende Mensch in Deutschland ist über 65 Jahre alt. 20,7% der Bevölkerung leben in Ein-Personen-Haushalten.  Quelle: Statistisches Bundesamt 2020. Immer weniger Menschen leben in gemeinsamen Haushalten. 2021 waren es noch im Durchschnitt 2,06 Menschen (1991  2,28). Es gibt regional sehr starke Unterschiede. In der Hauptstadt Berlin ist jeder zweite Haushalt ein Single-Haushalt. 2023 betrug der Anteil der Alleinlebenden 20,3%. Der EU-Durchschnitt liegt bei 16,1%. Nur die nordeuropäischen Staaten haben höhere Quoten.

Alleinerziehende: In Deutschland gibt e s2022 2,6 Mio. Alleinerziehende. 88% davon sind Frauen mit minderjährigen Kindern. 41,6% leben unter der Armutsschwelle. 18% der unterhaltspflichtigen Elternteile weigern sich, den vollständigen Betrag zu zahlen. Vgl. Schönian, V./ Jung, V.: Die Krisenmanagerin, in: Die Zeit Nr. 40/ 29.9.22, S. 15ff.

Behinderte: Trotz guter Konjunktur haben Schwerbehinderte es schwer, einen regulären Job zu finden. Von den schwer behinderten Erwerbslosen fand 2017 nur jeder sechste (16,6%) eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Quelle: BA.

Wahl-Familien und Rechtsform: Die Ampel, also die neue Regierung, will ab 2022 sich mehr mit Lebensgemeinschaften außerhalb der Kernfamilie beschäftigen. Sie will den Gemeinschaften eine Rechtsform geben. Man spricht von "Verantwortungsgemeinschaft".

Ausländer in Deutschland: Sie werden im Ausländerzentralregister erfasst. 2018 ist ca. jeder achte Einwohner Ausländer. 2018 ist der Anteil um 2,7 Prozent auf 10,9 Millionen angewachsen. Den 1,303 Millionen Neuankömmlingen 2018 standen 1,012 Millionen Abwanderer entgegen. Insgesamt waren zum 30. September 2018  82,979 Millionen Menschen registriert. Stark zugenommen hat die Zuwanderung von Menschen mit einer Arbeitserlaubnis aus Staaten außerhalb der EU. Bis Ende 2018 kamen 266.000 Erwerbsmigranten. Zu den wichtigsten Herkunftsländern zählen Indien (12 Prozent), China (9 Prozent), Bosnien-Herzegowina (8 %), USA (7%). 2018 hatte jeder vierte Einwohner in Deutschland einen Migrationshintergrund (mindestens ein Elternteil nicht deutsche Staatsangehörigkeit; 20,8 Mio., +2,5% gegenüber 2017). 48% der Menschen mit Migrationshintergrund waren Ausländer. 17% der deutschen Bevölkerung sind seit 1950 eingewandert. 5,7% sind direkte Nachkommen von Einwanderten. Quelle: StBA, Wiesbaden.

Arbeitsmigration: Wanderungen von Menschen in der Regel aus weniger entwickelten Ländern in ökonomisch starke Länder. Quantitativ zur Zeit am stärksten ist die Migration aus Lateinamerika in die USA. Schätzungen gehen davon aus, das unter den 22 Mio. Lateinamerikanern in den USA ungefähr 6 bis 10 Mio. Illegale sind, davon rund 60% Mexikaner. Tausende von Flüchtlingen versuchen auch jeden Monat, die grüne Grenze von der Türkei nach Griechenland zu überqueren. Viele Flüchtlinge aus Afrika sind in der Vergangenheit auch über Libyen in die EU gekommen (mittlerweile ein Abkommen). Die Unruhen in Nordafrika 2011 lassen die Flüchtlingszahlen nach Lampedusa wieder ansteigen. Das ILO schätzt die Zahl der Migranten insgesamt auf 200 Mio. Wegen der Einwanderungsbeschränkungen haben hoch qualifizierte Arbeitskräfte die besten Chancen. Hochqualifizierte Auswanderer (Ärzte, Facharbeiter) stellen eine erhebliche Belastung für die deutschen Sozialkassen dar: kostenlose Ausbildung gegen fehlende Sozialbeiträge (463.000 € bei einem Arzt). Eigentlich brauchen wir ca. 500.000 Einwanderer pro Jahr oder das Renteneintrittsalter  muss drastisch erhöht werden (70?). Mindestens 200.000 pro Jahr werden gebraucht, um den Fachkräftemangel zu decken (BA). Dies gilt für eine Erhaltung der Wirtschaftskraft. Als Benchmark in der Zuwanderung gilt das System in Kanada. Ein differenziertes Punktesystem steuert den Zustrom qualifizierter Arbeitskräfte. Eine Arbeitsmigration nach Deutschland könnte ab Mai 2011 durch Öffnung des Arbeitsmarktes für Arbeitskräfte aus Mittel- und Osteuropa entstehen. Probleme könnten sich im Niedriglohnbereich ergeben, wenn durch die Dienstleistungsfreiheit Zeitarbeitsfirmen aus dem Osten konkurrieren. Sicher wäre es besser, die Erwerbstätigen aus der EU zu holen (z. B. aus Spanien) als Migranten aus entfernten Kulturkreisen. Ab 1. Mai 2011 wird der Arbeitsmarkt für die Arbeitskräfte aus Osteuropa geöffnet (Freizügigkeit). Jährlich werden 140.000 Arbeitskräfte erwartet. Bis 2012 rechnet das Institut der deutschen Wirtschaft allerdings mit einer ganz anderen Zahl (800.000). Es könnte Verlierer geben wie die Geringqualifizierten, ebenso könnten Auswirkungen auf Löhne und Saison-Arbeitskräfte auftreten. 2012 führt die Bundesregierung die Blue Card ein. Damit wird die Hochqualifiziertenrichtlinie der EU umgesetzt (Hochschulabsolventen mit mindestens 46.400 Euro Gehalt; Hochqualifizierte aus Mangelberufen mit mindestens 36.200 Euro Gehalt; Gültigkeit zunächst 4 Jahre). Nach drei Jahren wird eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis erteilt. Vom 01.08.12 bis 31.10.13 haben über 12.000 ausländische Akademiker die Blue Card beantragt. 2013 soll eine spezielle Internetseite mit Angeboten für Ausländer die Migration fördern. Vgl. als klassischen Aufsatz zum Thema: Harris, J./ Todaro, M., Migration, Unemployment and Development, in: AER, 1970. Im Bereich der Arbeitsmigration gibt es auch eine große illegale Dimension. Am bekanntesten ist dies an der Grenze zwischen den USA und Mexiko. In der EU ist 2012 vor allem der Fluss Evros an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland ein Problem. Weltweit sind 2012 34 Millionen Menschen auf der Flucht (Syrien, Mali, politisch bedingt; UN-Flüchtlingshilfswerk). In jüngster Zeit fliehen auch zehntausende Afrikaner nach Israel. Sie finden dort aber eher Elend und lösen Rassismus aus. Ab 01.07.2013 erleichtert die Bundesregierung die Arbeitsmigration, um den Fachkräftemangel in bestimmten Branchen zu beheben: Mittlere Qualifikation von außerhalb der EU, Ausbildungsabschluss entspricht inländischem, "Positivliste". Die Pflicht zu Sprachkursen in Deutsch stößt immer wieder auf Kritik. Die EU leitet ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Insgesamt gibt es noch viele Mängel beim Anwerben Hochqualifizierter: Bürokratie, mangelnde Umsetzung von Reformen, zögerliche Unternehmen, schwierige Anerkennung von Abschlüssen. Der Migrationsbericht der Bundesregierung 2012 zeigt, dass Deutschland in Europa in der Zuwanderung an der Spitze liegt (1,1 Mio. Menschen). Gegenüber 2011 ist die Zuwanderung um ein Drittel gestiegen. 27.349 hoch qualifizierte Fachkräfte waren darunter. Erfreulich entwickelt sich der Zustrom von Zuwanderern außerhalb der EU (Indien, Kroatien, China). Ca. 700.000 Menschen sind aus Deutschland ausgewandert. Die Deutschen arbeiten am liebsten in der Schweiz, USA und Großbritannien. Deutschland als Arbeitsland ist am beliebtesten in Bosnien-Herzegowina, Serbien, Tunesien und Kroatien. Nach der Bundestagswahl 2017 soll ein Einwanderungsgesetz kommen, das ausländischen Arbeitskräften den Weg nach Deutschland erleichtern soll. Ende April 2015 legt der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration ein Gutachten vor: Er bescheinigt ein fortschrittliches migrationspolitisches Instrumentarium. Die deutschen Regelungen zur Anwerbung von Akademikern und Fachkräften in Ausbildungsberufen seien vorbildlich. Probleme gebe es bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Gleichzeitig legt das Statistische Bundesamt die neuesten Zahlen vor: Bis 2060 wird die deutsche Bevölkerung von heute 80,8 Mio. auf 67,6 bis 73,1 Mio. zurückgehen (Einbeziehung der Migration). Die Migranten aus Afrika stellen eine besondere Gruppe unter den Arbeitsmigranten dar: Sie sind nach afrikanischen Maßstäben nicht arm. Sie suchen nach zeitlich befristeten Möglichkeiten zum Geldverdienen, um ihrer Familie zuhause zu helfen. Diese Migrationart gibt es schon lange (Internationales Migrations-Institut, London). 2016 will die EU die Blue Card verbessern (für legale, hoch qualifizierte Arbeitsmigranten). Neue Zahlen 2016 belegen: Für den deutschen Beschäftigungsrekord sind vor allem Ausländer verantwortlich. Vor allem Zuwanderer aus dem Osten (Quelle: BA). In den nächsten Jahrzehnten benötigt Deutschland eine Zuwanderung von jährlich 260.000 Menschen. Andernfalls könnte die Anzahl der Arbeitskräfte bis zum Jahre 2060 um bis zu 16 Mio. auf dann 31 Mio. zurückgehen (Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung). Bisher kommen jährlich 250.000 aus EU-Staaten, das wird sich auf 114.000 verringern. Der Migrations - Bericht der Bundesregierung für 2018, der 2020 veröffentlicht wird, bringt folgende Fakten: 2018 gab es 1,6 Mio. Zuzüge. Darunter waren weniger Flüchtlinge, dafür mehr Arbeitnehmer. Der Saldo der zu- und Wegzüge lag bei 400.000. Zwei Drittel an Zuzügen kamen aus europäischen Staaten. 2020 hat in Deutschland mittlerweile jeder vierte Einwohner einen Migrationshintergrund. Auf 21 Mio. Menschen trifft dies zu, das waren 26%. Knapp zwei Drittel stammen aus einem europäischen Ausland (65%). 22% sind aus Asien eingewandert. Fünf Prozent haben Wurzeln in Afrika. Quelle: StBA. Die Bevölkerungsentwicklung wird die Arbeitsmigration der Zukunft sehr stark beeinflussen: In Nordamerika, Europa und in Teilen Asiens feheln Arbeitskräfte. In Südamerika, Afrika und Teilen Asiens sind sie im Überfluss vorhanden. Das wird Wanderungen  auslösen. Deutschland hat einen Nettoverlust an hoch qualifizierten Arbeitskräften. 2007 verließen mit 161.000 Auswanderern so viele Deutschland wie seit 1954 nicht mehr (Ergebnis einer Prognos - Studie 2008). In Deutschland leben 2,5 Mio. Menschen mit türkischen Wurzeln. Auffällig ist, dass nur 10% der jüngeren Männer, aber 25 der jüngeren Frauen Abitur haben; dass 63,1% Arbeiter sind. Insgesamt leben 2010 6,7 Millionen Ausländer in Deutschland (Ausländerregister, 80% europäischen Pass, 412.000 in Deutschland geboren). 16 Mio. Deutsche haben ihre Wurzel im Ausland, d. h. haben einen so genannten Migrationshintergrund. "Deutschland rekrutiert seine Einwanderer vorrangig aus den Niedrigleistern des Auslands, Und deren Nachwuchs schleppt die Bildungsschwäche weiter", Gunnar Heinsohn, Uni Bremen. Eine Untersuchung des IAB 2012 kommt zu dem Ergebnis, dass in den letzten Jahren immer mehr hoch qualifizierte Migranten nach Deutschland kommen (2010 44% Akademiker). Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung kommt 2010 zu dem Ergebnis, dass junge Migranten besonders erfolgs- und leistungsorientiert sind (2000 Menschen wurden befragt, mit und ohne Zuwanderungsgeschichte). Das Frauenbild der Migranten (auch der Muslime) ist nicht konservativer als das der Deutschen (aber viele junge türkische Männer tun sich mit ihrem Rollenbild in Grund- und Hauptschule schwer, weil hier die Lehrerinnen überwiegen). 2009 haben zum zweiten Mal nacheinander mehr Menschen Deutschland verlassen als zugezogen sind: 733.800 raus, 721.000 rein. Nach Angaben des UNHCR flohen 2011 4,3 Mio. Menschen aus der Heimat (vor Krisen und Kriegen, nicht nur Arbeitsmigranten!). Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Migration und Integration weist darauf hin, dass die freie Grundschulwahl die soziale Spaltung verschärft. Das Statistische Bundesamt meldet Ende 2012, dass jeder achte Einwohner Deutschlands im Ausland geboren wurde. 10,7 Migranten aus 194 Ländern leben in Deutschland. Die wichtigsten Herkunftsländer sind die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion (2,4 Mio.), die Türkei (1,5 Mio.) und Polen (1,1 Mio.). Seit 2011 steigt die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien rapide an. Es handelt sich häufig um Menschen, die in ihrer Heimat unter prekären Verhältnissen leben, und die in deutsche Städte mit hoher Arbeitslosigkeit ziehen. Sie brauchen eine Arbeitserlaubnis. Die Kommunen haben dadurch erhebliche Kosten (Notunterkünfte, medizinische Versorgung, soziale Leistungen). 2013 äußert sich der Städtetag besorgt über diese Armutseinwanderung (Ansehensverlust, sozialer Friede, Schlepperbanden, Einbruchskriminalität). 2012 sind über 1 Mio. Menschen nach Deutschland eingewandert (369.000 mehr als ausgewandert sind). Die meisten kamen aus Polen (176.000). Die Zahl der Einwanderer aus Spanien, Portugal und Griechenland ist um über 40% angestiegen. Vgl. das virtuelle Migrationsmuseum www.lebenswege.rlp.de . In einem Bericht der Antidiskriminierungsstelle 2013 wird ausgeführt, dass jeder vierte Schüler oder Student mit ausländischen Wurzeln sich im deutschen Bildungssystem diskriminiert fühlt. 2013 sieht die OECD eine Wende bei der Migration in Deutschland. Es kehren immer mehr Auswanderer zurück, während immer weniger Menschen auswandern (Negativsaldo 2012  18.000, Quelle StBA). 2014 sollen 150 chinesische Pflegekräfte nach Deutschland kommen. Die Zahl der Einbürgerungen ist 2013 unverändert geblieben. 112.359 Ausländer wurden in die Bundesrepublik eingebürgert. Vergleicht man die Migration nach Deutschland von 1993 und 2003 so zeigt sich folgendes: Extrem angestiegen ist die Einwanderung aus den neuen Mitgliedsstaaten der EU. Auch aus den EU14 ist die Zuwanderung gestiegen. Die Einwanderung aus Asien, Afrika, Amerika hat sich nicht gravierend verändert. 2015 fordert die SPD ein Einwanderungsgesetz mit Punktesystem (Vorbild Kanada; Vorrang für Qualifikation). Vgl. Steinhardt, M. F.: Zuwanderung nach Deutschland, in: Wirtschaftsdienst 2014/ 7, S. 524-526. Nach einer Studie des Bundesarbeitsministeriums 2015 könne pro 100.000 Personen Zuwanderung ein Wirtschaftswachstum von 0,35 Punkte erzielt werden. Nach Angaben des UN-Hochkommissars für Flüchtlingsfragen waren Ende 2014 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Ab November 2015 lassen die Balkanländer keine Wirtschaftsflüchtlinge (Arbeitsmigranten) mehr durch. 2016 lässt die Türkei keine syrischen Akademiker mehr nach Deutschland, auch wenn sie ein Visum besitzen. 2018 gibt es den Vorschlag des Spurwechsels. Asylbewerber die einen Job haben und integriert sind (Deutsch, Wohnung), aber abgelehnt werden, sollen ein Bleiberecht bekommen. Das ginge wohl nur mit Stichtag. Die SPD spricht sich für den Vorschlag aus.  "Wir können Wissen importieren, wie seinerzeit bei der Einwanderung der Hugenotten", Hans-Werner Sinn, Ökonom, in: Die Zeit, Nr. 2, 2015, S. 21. Im November 2021 spricht sich eine Gruppe von Ökonomen für viel mehr Zuwanderung aus, um den Arbeitskräftemangel in den Griff zu bekommen.

Gesetz für Beschäftigungsduldung für abgelehnte Asylbewerber: Es wird im Juni 2019 in der Regierung beschlossen. Die Duldung bezieht sich auf Ausbildung und Arbeit.

Wirtschaftsflüchtlinge: Es handelt sich um Flüchtlinge, die in Deutschland eine bessere Zukunft suchen. Gerade die Kommunalpolitiker machen sich darüber große Sorgen. Es kommt zu einem Verteilungskampf, weil die Bürger den Eindruck gewinnen, dass für Flüchtlinge alles getan wird, aber für die Rente, Altersarmut, Wohnungssuchenden und Schulen kein Geld da ist. Die Politik muss sich um alle Gruppen gleichermaßen kümmern.

Zirkuläre Arbeitsmigration: Zirkuläre Arbeitsmigranten sind Menschen, die für Arbeit in ein Land kommen, wenn sie verfügbar ist. Aber sie gehen auch wieder, wenn sie anderswo bessere Chancen sehen bzw. keine Arbeit mehr da ist. "Ich will an alle potentiell illegalen Wirtschaftsmigranten appellieren, woher auch immer Sie stammen: Kommen Sie nicht nach Europa. glauben Sie nicht Schleppern. Riskieren Sie nicht Ihr Leben und Ihr Geld. Es ist alles umsonst". Donald Tusk, Präsident des Europarates, 2016.

Migrationsrentabilität, Migrantenökonomik (eigentlich Unworte; der Tatbestand muss aber irgendwie benannt werden): Sie ist schwierig zu berechnen. Am Beispiel Japans haben wir das mal versucht. Man kann nur erstmal grob die Faktoren beziffern, die eine Rolle spielen. Die Wohlfahrt wird durch Arbeitsmigration im Zielland nicht in jedem Falle gesteigert. Die Wanderer haben die Industrieländer als Ziel. Dort locken sie auch die hohen Löhne. Sie kommen aber auch in die Sozialsysteme. Sie verbessern dadurch ihre eigene Position, verschlechtern aber die Lage der Steuerzahler im Zielland. Je größer das Transfersystem eines Landes ist, desto attraktiver wird es für Migranten (Selbstselektion). Die Migranten benutzen und beanspruchen zusätzlich das Eigentum der indigenen Bevölkerung: Straßen, Schulen, Krankenhäuser, Justizwesen (sie treten teilweise in Wettbewerb, sie konkurrieren am ehesten mit den gering Qualifizierten). Diese Infrastruktur wurde mit Mitteln der Steuerzahler geschaffen und wird von ihnen unterhalten. Also muss ein Land aufpassen. Z. B. wäre eine Karenzzeit beim Zugang zu den Sozialsystemen eine Möglichkeit. 2015 wächst die deutsche Bevölkerung durch Zuwanderung um ca. ein Prozent. Das ist historisch und im internationalen Vergleich eine extrem hohe Zahl. Entscheidend dürfte der Zugang zum Arbeitsmarkt sein, damit Kosten von den Migranten selber getragen werden können. Sprachprobleme, Qualifikation und Mindestlohn dürften hier Einfluss haben. Wahrscheinlich spielt auch das Herkunftsland eine große Rolle dabei. Syrer und Eritreer gelten als relativ höher qualifiziert.  Die empirischen Daten sind noch zu ungenau. Zunächst wirkt die Einwanderung wie ein Konjunkturprogramm (Binnenkonjunktur). Die Nachfrage steigt an. In Bildung, Wohnungen und Gesundheit muss dringend investiert werden. Die beste Form von Investition dürfte aber eine gelungene Integration sein (Länder, die Flüchtlinge aufnehmen, gewinnen bei erfolgreicher Integration: z. B. Steuerzahler, Nachfrage). Sie besteht aus den Bausteinen "Bildung, Arbeit und Heimat" (Wohnraum, medizinische Versorgung, Sozialsysteme). Erschwert wird die Integration vor allem durch Kriegstraumata der Flüchtlinge und durch das Frauenbild männlicher islamischer Einwanderer, die die größte Gruppe stellen (50% der Flüchtlinge haben posttraumatische Belastungsstörungen; 40% von ihnen sind selbstmordgefährdet). Wichtig ist auch die Qualifikation der Flüchtlinge (Schätzungen sprechen von 70%, die nicht für den Arbeitsmarkt qualifiziert sind). Die Löhne bei einfacher Arbeit dürften unter Druck kommen (entweder legal oder illegal) und die Schattenwirtschaft wird sich ausweiten. Insgesamt wird die Einkommensverteilung in Deutschland, die schon ungleicher geworden ist, noch ungleicher werden (H. - W. Sinn in der ZEIT vom 08.10.15). Im Schnitt sind Flüchtlinge deutlich weniger qualifiziert als Deutsche. Wenn die Qualifikation hoch ist, fehlen oft Deutschkenntnisse oder zumindest Englischkenntnisse. Die Arbeitslosenzahlen werden sicher ansteigen (mit allen entsprechenden Kosten). Neben den Qualifikationsmängeln spielen auch "schwierige institutionelle Bedingungen eine Rolle" (IAB). Der Staatssektor wird sich wieder mehr aufblähen (steigende Transferzahlungen, Personalausgaben der öffentlichen Haushalte). Dafür braucht er aber weiterhin dauerhaft niedrige Zinsen, um die zusätzlichen Schulden bezahlen zu können (es gibt schon Forderungen nach Ausgliederung aus dem Haushalt). Dann drohen Fehlinvestitionen und Wohlstandsverluste (kalte Enteignung). Die rechten Populisten bekommen starken Zulauf und werden die politische Landschaft verändern. Dadurch wird auch die Kriminalität ansteigen (BKA: schon bis Oktober 2015 über 500 Anschläge auf Asylbewerber-Unterkünfte; aber keine Islamisten oder Sympathisanten unter den Flüchtlingen; Problemgruppen eher aus Nordafrika und Osteuropa). Eine Analyse der vielen historischen Einwanderungswellen in Deutschland zeigt eindeutig, dass ein wirtschaftlich starker Staat, der Arbeitskräfte braucht und dessen Gesellschaft überaltert ist, von Zuwanderung mittelfristig nur profitieren kann. Die Allianz schätzt die Kosten der Flüchtlingskrise bis 2025 auf rund 90 Mrd. €. Der SRW beschäftigt sich in seinem Jahresgutachten 2015 mit der Migrationsrentabilität: Er hält die Zuwanderung insgesamt für positiv und bezahlbar. Entscheidend seien schnelle Asylverfahren und eine zügige Integration in den Arbeitsmarkt. Die Zuwanderungskosten werden 2015 auf bis zu 8,3 Mrd. € beziffert (2016 maximal 14,3 Mrd. €, bis 750.000 Zuwanderer). Flüchtlinge können aber nur ein- und aufsteigen, wenn der Arbeitsmarkt weiter dereguliert wird. Auch eine bessere Verbindung von Humanität und Ökonomie wäre nicht schlecht (vgl. Die Zeit, Nr. 46, 12.11.15, S. 23/24). Der Mindestlohn könnte Unqualifizierte vom Arbeitsmarkt ausschließen. Der Bau von Flüchtlingsunterkünften, die Einstellung von zusätzlichem Personal und die Bildungsprogramme wirken wie ein kleines Konjunkturprogramm (mit Multiplikator).  Die steigenden Sicherheitskosten (mehr Polizei, mehr Richter; Fanal sind die Vorgänge vor dem Hauptbahnhof in Köln in der Silvesternacht) belasten aber die öffentlichen Haushalte. Eine Karenzzeit für alle Einwanderer (von D. Cameron in GB gefordert) bei den Sozialleistungen könnte die Kosten drastisch senken (Verhinderung der Entstehung eines Migranten - Prekariats). Eine Wohnsitzauflage (Residenzpflicht), wie sie vermehrt gefordert wird, könnte die Folgekosten in den Städten und Ballungsgebieten senken (Vermeidung von Ghettos). Auf keinen Fall ist Einwanderung für Alle von ökonomischem Vorteil: Einwanderung ist mit Umverteilung verbunden (Lüge der Politik!). Die Verschiebung des ethnischen und kulturellen Gleichgewichts lässt sich nur schwer messen (Indikatoren sind umstritten, z. B. Kriminalität). Asylsuchende in der Schweiz sind verpflichtet, bei der 'Einreise persönliche Vermögenswerte von mehr als 1000 Franken abzugeben. Mit denen müssen sie sich an den Kosten des Aufenthalts beteiligen (Asylgesetz). Sehr schwer zu berechnen sind die Kosten, die die Grenzkontrollen in der EU für den Handel mit sich bringen. Die Grenzkontrollen dürften verschärft werden und länger andauern. Es gibt Schätzungen, die die Kosten für den Handel mit 10 Mrd. Euro pro Jahr beziffern. Trotzdem dürften Grenzen wieder ein Comeback erleben. Im Februar 2016 zeigt sich zuerst, dass die gesetzlichen Krankenkassen hohe Defizite haben, weil sie nach der Anerkennung Asylbewerber aufnehmen müssen. Über die Sozialversicherungsbeiträge werden die Mitglieder an der Finanzierung indirekt beteiligt. Eine konsequente Einwanderungspolitik (mit Einwanderungsgesetz auf Qualifikation ausgerichtet)   - wie sie etwa Australien und Kanada betreiben - wäre sicher rein ökonomisch betrachtet die beste Lösung. Schwer zu errechnen ist der Effekt, dass durch Zuwanderer die Wirtschaft besser internationalisiert werden kann. Sprachkenntnisse können erheblich in den Heimatmärkten der Zuwanderer helfen. Die Schweizer Ökonomen Margit Osterloh und Bruno Frey entwickeln eine ökonomische Analogie zur Genossenschaftsidee: Sie wollen Länder mit ihren jeweiligen Sozialsystemen als Genossenschaften begreifen. Wer in ein Land kommen will, muss Anteilsscheine erwerben. Das gilt auch für Flüchtlinge. Rolf Langhammer vom IfW in Kiel ist der Ansicht, dass die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands durch den Zustrom an Flüchtlingen abnimmt: Die Zuwanderung lässt den Dienstleistungssektor expandieren. Die Exportindustrie wird geschwächt. Vgl. als Quelle: Faßmann, Heinz: Migration - Gefahr oder Potential, in: FAZ, Mo. 27. Juni 2016, S. 6 (der Autor ist Vizerektor der Uni Wien).  "Wir wollen, dass die Hochschulen zur Integration beitragen", Johanna Wanka, Bundesbildungsministerin 2015. "Nicht Flüchtlinge sind die Gefahr, sondern Populisten", Charles Taylor, kanadischer Philosoph (im Handelsblatt vom 09. Oktober 2015, S. 8). Im Schnitt kosten 800.000 Migranten in einem Jahr 10 Milliarden Euro. Eine aktuelle Studie aus den USA kommt zu dem Ergebnis, dass geringere Sozialleistungen und mehr Arbeitserlaubnisse den Einwanderern spürbar helfen. Vgl. George Borjas: Does Welfare Reduce Poverty? October 2015. Die Bundesländer planen für 2016  17 Mrd. € mehr für Flüchtlinge ein (vor allem für Bildung, Grundlage aber 800.000). Der Städtetag sieht einen immensen Bedarf an Wohnraum in Ballungsgebieten. Der Bund hat die Mittel für die Jahre 2016 bis 2019 fast verdoppelt (jährlich 500 Mio. €. für sozialen Wohnungsbau; wirkt auch wie ein Konjunkturprogramm). Schwierig zu messen sind die Kosten, die entstehen, wenn innerhalb Europas die Grenzen dicht gemacht werden (Aufgabe des Schengen-Raums). Die Einführung von Grenzkontrollen würde den Warenaustausch behindern und Produktionsprozesse verzögern. "Die Herausforderung ist viel größer, als wir sehen und sehen wollen. Es wird zu wenig getan", Christine Lagarde, IWF-Chefin zur Flüchtlingskrise. Zwei neue Studien zu den Kosten der Flüchtlinge in Deutschland kommen Anfang 2016 heraus: 1. Institut für Weltwirtschaft, Kiel: Im günstigsten Falle jährlich 25 Mrd. €. 2. IW, Köln: 2016 und 2017 fallen 50 Mrd. € für die Flüchtlingskrise an. Die Frage wird aber politisch sein, wer die Integration bezahlt. Bund und Länder streiten über die Kosten. Die Kommunen sind auch unzufrieden. Der IWF rechnet für Deutschland mit Kosten für 2016 von 0,35% des BIP (absolut 11 Mrd. €; Schweden 1,0%, Dänemark 0,57%). Dafür steige das Wirtschaftswachstum um 0,3 Prozentpunkte mehr. Das HWWI Hamburg empfiehlt einen Sonderhaushalt (Sondertopf mit Transparenz, Fonds). Bis 2020 kalkuliert die Bundesregierung zur Versorgung der Flüchtlinge mit Kosten von insgesamt 93,6 Mrd. Euro. Darin enthalten sind die Ausgaben zur Bekämpfung der Fluchtursachen. Bund und Länder versuchen im Juni 2016 sich über die Aufteilung der Flüchtlingskosten zu einigen (der Bund bietet an drei Jahre die Unterbringungskosten für anerkannte Flüchtlinge zu übernehmen, ebenso einen Zuschuss für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge). Ein finanzökonomisches Modell zeigt 2016, dass der "fiskalische Break-even-Point" 2031 möglich ist. Vgl. Brühl, Volker: Die Kosten der Flüchtlingskrise in Deutschland - eine Investition in die Zukunft?, in: Wirtschaftsdienst 2016/ 7, S. 479ff. Ende 2017 richtet man Rückkehrprämien für Asylbewerber ein. Sie sind günstiger als die Kosten der Zwangsabschiebung.

Migrationsgeschichte: Die der Neuzeit beginnt im frühen 17. Jahrhundert. Der Dreißigjährige Krieg hatte die deutschsprachigen Länder verwüstet und zu einem Bevölkerungsrückgang um rund ein Drittel geführt (im Mittelalter hatte die Pest die Bevölkerung stark dezimiert). Viele Fürsten begannen daraufhin eine merkantilistische Migrationspolitik. Die Konfession stellte dabei ein wesentliches Kriterium dar. So kamen aus Frankreich stammende Hugenotten vor allem in protestantische Länder. Von Mitte des 18. Jahrhunderts prägten dann Abwanderungen aus Deutschland das Geschehen. Zunächst nach Mittel- und Osteuropa, dann in die USA. Auch nach Großbritannien wanderten viele Deutsche damals aus (London klagte über zu viele Deutsche, Daniel Defoe). Im 19. Jahrhundert kamen im Zuge der Industrialisierung und Urbanisierung millionenfache Einwanderer (um 1890 war die Zuwanderung wieder höher als die Auswanderung). Die beiden Weltkriege brachten Gewalt- und Zwangsmigrationen. Nach dem Kriege kamen 12,5 Millionen Flüchtlinge in die Bundesrepublik und die DDR. In den frühen Fünfzigerjahren bis Anfang der Siebziger wurde eine aktive Einwanderungspolitik betrieben mit "Gastarbeitern" aus Italien, Portugal, Spanien und der Türkei. Später kamen Kriegsflüchtlinge aus dem jugoslawischen Bürgerkrieg und Russland-Deutsche. Vgl. Die Zeit: Die neuen Deutschen, Hamburg 2015 (Zeitgeschichte Nr. 4/2015). Heute ist Deutschland ein Einwanderungsland. Wanderungen aus islamischen Ländern und in islamische Länder gab es schon einmal im 16. und 17. Jahrhundert aus Staaten Nordafrikas (Tunis, Marokko u. a.). Nachdem die Mauren aus Spanien vertrieben worden waren, betätigten Sie sich als Seeräuber im Mittelmeer. Die "Korsaren" überfielen auch einige Küsten immer wieder (Italien, Skandinavien, Island). Die eroberten Seeleute wurden in der Regel versklavt oder als Geiseln genommen. Die Seeräuberei wurde zu einem Geschäftsmodell. Dieses konnte erst nach dem Aufbau einer Kriegsflotte in den USA mit sehr modernen Kriegsschiffen beendet werden.

Migrationstheorie: Es ist kein geschlossenes, konsistentes  theoretisches System. Es geht eher um die Behandlung zentraler Hypothesen und ihre Versachlichung. Folgende Thesen sind immer wieder umstritten: 1. Je besser die Konjunktur, desto stärker die Einwanderung. 2. Geschlossene Grenzen führen nicht einfach zu weniger Migration. 3. Migrationspolitik ist schwierig zu beurteilen (restriktiv oder nicht). 4. Entwicklungshilfe dient nicht der Bekämpfung von Migrations - Ursachen. 5. Migranten stehlen keine Arbeitsplätze. 6. Migration kann nicht das Problem alternder Bevölkerung lösen. Vgl. De Haas: Mythen der Migration, in: Der Spiegel 9/2017, S. 61ff. Der Ökonom Sinn sieht Migration und Freihandel als Substitute, nicht Komplementäre. "Wenn ich meine linke Hand verletzt habe, brauche ich die rechte besonders - und es wäre nicht klug, diese noch festzubinden". Siehe FAZ Nr. 269, Mo. 20. Nov. 2017, S. 19. Ein Fünftel der Europäer empfindet 2020 Migration als eine Bedrohung. Damit führt Einwanderung (21%) vor Folgen des Klimawandels. (Repräsentative Umfrage von YouGov, London 2020 in der EU). Im Jahre 2021 erscheint ein grundlegendes Werk zur Ökonomie der Migration: Alex Nowrasteh und Benjamin Powell: Wreched Refuse? The Political Economy of Immigration and Institutions, Cambridge 2021. Vgl. auch: Khanna, Parag: Move. Das Zeitalter der Migration, Hamburg (Rowohlt) 2021.

Migrationsakzeptanz: Es gibt Gesellschaften, die keine Migranten wollen. Dazu gehören etwa Japan, Singapur oder Süd-Korea sowie Israel. Andere Länder wollen sich nur die allerbesten Einwanderer sichern. Hierzu gehören Australien und Kanada (entsprechende Einwanderungsgesetze). In Gesellschaften mit hohem Anteil an Migranten, wie in Deutschland, ist die Einstellung der Menschen dazu ganz entscheidend. Ohne einen bestimmten Anteil an ehrenamtlichen Helfern klappt die Organisation nicht. Dabei gibt es insgesamt eine Polarität von Inklusionismus und Exklusionismus (Robert Prechter: Pioneering Studies in Socionomics, 2003). Anfangs überwiegt die positive soziale Stimmung (christliche Nächstenliebe, Brüderlichkeit, Solidarität). Der Stimmungsumschwung kann aber ganz schnell kommen (wenn z. B. größere terroristische Anschläge kommen oder weitere Ereignisse wie in der Silvesternacht in Köln). Gefährlich ist es, wenn das Ingroup-Outgroup-Paradigma der Sozialpsychologie wirksam wird. Es erklärt, warum und unter welchen Bedingungen Menschen innerhalb einer Gruppe mehr kooperieren und es weniger mit Menschen außerhalb der Gruppe tun. Integration stellt sicher, dass sich mehr Menschen einer Gruppe zugehörig fühlen können. Empathie gegenüber Menschen fremder Kulturen ist auch erlernbar. Behandelt uns ein Fremder aus einer anderen Kultur hilfsbereit, steigert das unser Mitgefühl  (Ergebnis der Neurowissenschaft der Uni Zürich). Auf keinen Fall ist Einwanderung für alle von ökonomischem Vorteil: Einwanderung ist mit Umverteilung verbunden (Lüge der Politik!). Also steigt bei den Verlierern der Einwanderung die Ablehnung der Eingewanderten (sie leben auch an den Nahtstellen der Ballungsgebiete zusammen). In jeder Kultur gibt es auch so was wie ein ethnisches Gleichgewicht (nicht genau zu messen). Geht das verloren, kann die Stimmung gegenüber Migranten auch schnell kippen oder die Ghettobildung wird beschleunigt. Psychologisch besteht auch eine inverse Beziehung zwischen Migrationsakzeptanz und Angst: Wenn die Angst steigt, sinkt die Akzeptanz. Die Angst steigt z. B., wenn Risken verschwiegen werden, Abstieg droht, mehr Menschen betroffen sind. Die Angst vor Flüchtlingen kann sich auch vermischen mit der Angst vor einer Polarisierung in der Gesellschaft und vor einem möglichen Verfall der EU (Flüchtlinge als Sündenböcke; politisch genutzt von Rechtspopulisten). Die Akzeptanz wird auch vom Zusammenhang von Migration und Kriminalität beeinflusst. Hier muss statistisch sauber gearbeitet werden. Entscheidend ist, inwieweit die Zuwanderer langfristig Fuß fassen (vgl. Studie von Christian Walburg im Auftrag des Rates für Migration). Nach einer Umfrage von Allensbach 2016 sorgen sich fast zwei Drittel der 30 bis 59-Jährigen angesichts der großen Anzahl von Flüchtlingen. Nach Informationen der Bundesregierung im September 2016 nehmen Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Intoleranz insbesondere in den neuen Ländern dramatisch zu. 2016 gibt es 1800 Übergriffe gegen Flüchtlinge und Asylbewerber. Im April 2017 zeigt die Kriminalitätsstatistik, dass bei den Zuwanderern die Kriminalitätsrate um über 50% angestiegen ist (Männer, auch gegenüber Zuwanderern). "Man in his social and political existence must have a finctioning society just as he must have air to breathe for his biological existence", Peter F. Drucker. Im Bundesland "Sachsen" ist die Migrationsakzeptanz am geringsten und damit die Fremdenfeindlichkeit am höchsten. Nach einer Studie der Universität Leipzig im Juni 2016 ist die Ausländerfeindlichkeit gestiegen und die Akzeptanz von Migranten zurückgegangen. Die Vorbehalte gegenüber Muslimen und Minderheiten nehmen zu. Im Südosten von München wird um eine Flüchtlingssiedlung ein Lärmschutzwall gebaut. Sie sorgt international für Empörung. "Wir brauchen eine rationale Politik der Zuwanderung", Heinrich August Winkler, Historiker, Berlin. Vgl. auch: Kohlenberger, Judith: Gegen die neue Härte, dtv. 2024.

Re-Migration: Auswanderer mit Migrationshintergrund. Der Saldo mit der Türkei ist mittlerweile negativ (mehr Auswanderer mit Migrationshintergrund als Einwanderer). Die soziodemographischen Merkmale müssen genau untersucht werden. Sehr wichtig für Deutschland ist die berufliche Struktur (sowohl Auswanderer mit einfachen beruflichen Tätigkeiten als auch Hochqualifizierte). Der Lebensabschnitt hat einen großen Einfluss. Vgl. Kuhlenkasper, T./ Steinhardt, M. F.: Neue Ergebnisse zur Struktur der Auswanderer mit Migrationshintergrund in Deutschland, in: Wirtschaftsdienst 11/2012, S. 784-786. Seit 2008 ist der Saldo der Zuwanderung positiv: Es kamen, vor allem aus der EU, mehr Einwanderer nach Deutschland als Menschen aus Deutschland wegzogen. Die Motivation liegt überwiegend in der Aussicht auf Arbeit, nicht in den großzügigen Sozialleistungen.  Die Re-Migration funktioniert mit einigen Staaten sehr gut (z. B. mit Vietnam). Fachkräfte für die Altenpflege werden in Deutschland ausgebildet und eingesetzt und gehen dann wieder in ihr Heimatland zurück. Ende 2018 ruft der Irak die Flüchtlinge aus seinem Land zur Heimkehr auf. 2023/24 verwendet diei AfD den Begriff für einen völkischen Plan (Millionen von Menschen aus Deutschland verdrängen). Der Begriff bringt es sogar zum Unwort des Jahres.

Masterplan des Österreichers Martin Sellner: Er ist Kopf der rechtsextremen Identitätsbewegung, die Vertreibung von Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte aus Deutschland und Österreich vorsieht. Im November 2023 kam es zu einem Treffen in einem Hotel in Potsdam (AfD, Neonazis, Unternehmer, CDU). Das Buch von Sellner ist Bestseller auf der Amazon-Liste.

Emigration: Die meisten Deutschen wandern in die Schweiz, nach Österreich, in die USA oder Großbritannien aus.

Zuwanderergruppen nach Deutschland: Normalerweise werden folgende Gruppen unterschieden: EU-Binnenmigration, Familiennachzug, Spätaussiedler (einschl. Familienangehörige), Asylbewerber, IT-Fachkräfte, Studienanfänger mit ausländischem Schulabschluss. 2013 sind die Zuwanderer überwiegend jung und gut qualifiziert. Sie kommen aus anderen EU-Ländern, die eine schlechte Konjunktur haben. Zwischen 2010 und 2011 ist die Zuwanderung stark angestiegen. Es kamen rund 300.000 Menschen nach Deutschland. Damit steht Deutschland an fünfter Stelle unter den Zielländern der OECD (Quelle: "Internationaler Migrationsausblick", OECD). Im ersten Halbjahr 2013 steigt stark die Anzahl der Asylbewerber an (43.000; 86,5% mehr als im Vorjahreszeitraum; aus Russland, Syrien und Afghanistan). 2013 kommen die meisten Asylbewerber aus Russland (21,9%), Syrien und Afghanistan. Von den 2012 nach Deutschland Zugewanderten kamen die meisten aus Polen, gefolgt von Rumänien und Bulgarien. Die meisten Zugewanderten haben einen akademischen Abschluss. Die EU beschließt Ende 2013, die Armutseinwanderung zu beschränken. Von Bürgern aus Balkanstaaten können wieder Visa verlangt werden. Ab 01. Januar können Arbeitnehmer auch aus Rumänien und Bulgarien in jedem anderen der insgesamt 28 EU-Länder frei arbeiten (Freizügigkeit). Es galten Übergangszeiten. Die CSU verlangt, die "Armutszuwanderung zu beschränken, indem in den ersten drei Monaten keine Sozialleistungen gezahlt werden sollen. Aber 55% der Zuwanderer mit bulgarischen oder rumänischen Hintergrund verfügen mindestens über einen Fachhochschulabschluss (Institut für Bevölkerung und Entwicklung, Berlin). Die Bundesregierung setzt 2014 ein Staatssekretärsausschuss ein, der sich damit beschäftigen soll. Es gibt einen Streit innerhalb der EU darüber, ob Deutschland bedürftigen Zuwanderern Sozialleistungen zahlen muss (Bedingungen, zustängiger Kommissar Laslo Andor). Die EU will sich speziell mit dem "Sozialtourismus" beschäftigen. Es geht um die Frage, ob EU-Ausländer bereits während der Arbeitssuche Anspruch auf Hartz IV haben (auch wenn sie "wirtschaftlich inaktiv" sind). Verfahren sind beim EuGH und beim Sozialgericht Leipzig anhängig. Die Bundesregierung hat Pläne gegen Sozialmissbrauch 2014: befristete Wiedereinreisesperren für Sozialbetrüger; Steueridentifikationsnummer. Die Bundesregierung will ab 2015 Jugendliche unter 18 Jahren, die ohne Begleitung nach Deutschland kommen, in möglichst allen Bundesländern unterbringen. Alle Parteien im Bundestag sind Mitte 2015 für ein neues Einwanderungsgesetz, das unter anderem die schnellere Integration auch von Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt regeln soll. Im Nahen Osten und in Afrika (vor allem in Uganda, Tschad und Somalia) gibt es besonders viele Junge Männer ohne Job und Perspektive. Die Integrationsmöglichkeiten in Deutschland steigen, wenn die Gesellschaft aufnahmebereit ist und die Zuwanderer sich an die Spielregeln der neuen Heimat halten. Über Lampedusa kommen nur Flüchtlinge aus Afrika nach Europa. Sie kommen aus Nigeria, Sambia und Somalia. Die Bundesregierung plant Migrationspartnerschaften mit diesen Ländern (Entwicklungshilfe gegen Rücknahme von Flüchtlingen). Mitte 2016 kommen immer mehr Flüchtlinge über die Schweiz nach Deutschland. Sie kommen zum großen Teil aus den Ländern Nordafrikas. Der Brexit dürfte auch die Einwanderung nach Deutschland beeinflussen. Mehr Menschen aus Osteuropa, die in GB nicht mehr erwünscht sind, könnten nach Deutschland kommen. Ein Rückkehrabkommen mit Afghanistan wird im Herbst 2016 geschlossen. Jeder fünfte Bürger in Deutschland hat 2016 Wurzeln im Ausland. Die drei wichtigsten Herkunftsländer sind die Türkei, Polen und Russland (Quelle: Destatis). 2016 sind fast 105.000 Familienangehörige nach Deutschland nachgeholt worden (Familiennachzug). Ab 2017 könnte es noch 300.000 Migranten durch Nachzug geben. Weltweit sind 45 Mio. Menschen vor politischer Verfolgung, militärischer Bedrohung oder materieller Not auf der Flucht. 2015 steigt die Zahl auf 60 Mio. Viele suchen in der EU Schutz. Das größte Auffanglager hat die Insel Lampedusa, die zu Italien gehört. Deutschland nahm in der EU die meisten Flüchtlinge auf, nämlich 680.980. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl nahm Malta die meisten Flüchtlinge auf. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass in vielen europäischen Ländern das Bleiberecht erkauft werden kann (Immobilienkäufe, Staatsbürgerschaft gegen Geld). Bei den Zuwanderergruppen aus Bulgarien und Rumänien, die ab 2013/ 2014 verstärkt zuu uns kommen ist Folgendes bemerkenswert: Das Durchschnittseinkommen liegt unter 6000 € im Jahr (Deutschland 43.000 €). Der Anteil der Arbeitskräfte ohne abgeschlossene Ausbildung ist höher als in Deutschland (ca. 25% gegen 18%). die Arbeitslosenquoten in diesen Ländern sind höher (ca. 10% gegen 6%).  Die Zuwanderer konzentrieren sich auf wenige Städte (z. B. Berlin, Dortmund). Dort werden sie oft ausgebeutet. Laut einer Untersuchung des IAB der BA 2014 lässt sich ein Missbrauch von Sozialleistungen nicht belegen: Inanspruchnahme geringer als bei anderen Ausländergruppen. Zwei Drittel der im ersten Halbjahr 2013 nach Deutschland eingewanderten Bulgaren und Rumänen sind erwerbstätig. Nach einer Untersuchung des IW 2014 ist die überwiegende Zahl der Zuwanderer gut ausgebildet. Knapp 25 Prozent der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien besitzen einen Hochschulabschluss (innerhalb der Gesamtbevölkerung nur 19%). Der Bund sagt auf einer Konferenz mit den 13 am stärksten betroffenen Städten zu, Geld für "Schrottimmobilien" zur Verfügung zu stellen (Kauf und Sanierung). Im Auftrag der Partei Die Linke legt das IAB 2014 eine Studie mit folgenden Ergebnissen vor: Jeder zweite Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien arbeitet 2014 unter der Mindestlohngrenze. Ende 2013 ist die Zahl der Ausländer in Deutschland auf einen Höchststand gestiegen: 7,6 Mio. leben hier (+420.000, Ausländerzentralregister, StBA). 2014 sind weltweit über 51 Mio. Menschen auf der Flucht vor Krieg und Gewalt (Afghanistan, Irak, Somalia, Syrien). Das ist die höchste Zahl von Flüchtlingen seit dem Zweiten Weltkrieg. 2014 will die Bundesregierung den Zugang zu Sozialleistungen für Zuwanderer erschweren (6 Monate Arbeit vorher, Steueridentifikationsnummer). 2014 soll die Gesetzeslage verschärft werden, um Islamisten deutscher Staatsangehörigkeit die Wiedereinreise aus Kampfgebieten zu erschweren. Auch der Umgang mit ausländischen Extremisten soll verschärft werden. Die Bundesregierung gibt 2014 25 Mio. Soforthilfe an Städte mir besonders vielen Zuwanderern aus ärmeren EU-Staaten. Im Oktober 2014 einigt sich die EU auf einen Verteilungsschlüssel für die Aufnahme von Flüchtlingen (freiwillig und zeitlich begrenzt). Ende 2014 veröffentlicht das ZEW/ Mannheim eine Studie, nach der 2012 durch Zuwanderung die Sozialkassen um 22 Mrd. Euro entlastet wurden. Ende 2014 kommt ein Gesetzesentwurf, der das Aufenthaltsrecht reformiert: Wer integriert ist, soll ein Bleiberecht bekommen. radikale und kriminelle Zuwanderer sollen leichter abgeschoben werden. Die dauerhafte Zuwanderung nach Deutschland hat 2013 stark zugenommen. Nach der OECD hatte Deutschland die zweithöchste Zuwanderung nach den USA (465.000). Der Migrationsbericht 2013 wird Mitte Januar 2015 vom Bundesinnenminister vorgelegt: Die Nettoimmigration war nicht so hoch, weil auch 800.000 Menschen ausgewandert sind (1,23 Mio. Einwanderer; höchster Zuwachs seit 1992, 470.000 Einwanderer mehr). Die meisten Einwanderer kamen aus Polen, Rumänien und Italien. Noch nie seit 1967 haben so viele Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft in Deutschland gelebt wie 2015 (8,2 Mio.). Die Vorsitzende des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Christine Langenfeld, spricht sich Ende August 2015 für ein Einwanderungsgesetz für Deutschland aus. Für Lebensunterhalt, Spracherwerb und Qualifizierung hält das Bundesarbeitsministerium 2016 1,8 bis 3,3 Milliarden Euro zusätzlich vor (800.000 Flüchtlinge; Anerkennungsquote von 35 bis 45%; 2019 werden 7 Mrd. € 2019). 2014 verzeichnet das Statistische Bundesamt die höchste Zuwanderung seit 21 Jahren: 1.465.000. 830.000 kamen aus der EU. Auf dem Gipfel zwischen Bund und Ländern Ende September 2015 geht es im Kern um drei Punkte: Fehlanreize abstellen, Integrationsanreize schaffen, Gesundheitskarte. Bei der Rückführung setzen die Länder auf verschiedene Konzepte: Abschiebung und freiwillige Rückkehr. 290.000 Flüchtlinge sind Ende September 2015 noch nicht registriert. Eine Prognose der Bild-Zeitung rechnet für 2015 mit insgesamt 1,5 Mio. Asylbewerbern. Folgende Daten liegen Anfang November 2015 vor: Bei den Herkunftsländern liegt Syrien an der Spitze. 25% der syrischen Befragten haben Hochschulbildung. Die meisten Asylbewerber sind unter 16 Jahren (48.362). 2015 steigt stark der Anteil der Flüchtlinge aus Afghanistan auf der Balkanroute (24%). 2015 kamen 26.000 flüchtende Menschen aus den Magreb-Staaten (Algerien, Marokko, Tunesien). Die Schutzquote ist relativ niedrig (Algerien 1,7%, Marokko 3,7%, Tunesien 0,2%). 2015 sind ca. 6000 minderjährige Flüchtlinge in Deutschland verschwunden. Aus den nordafrikanischen Maghreb-Ländern kommen im März 2016 nur noch 480 Flüchtlinge nach Deutschland (sichere Herkunftsländer). Im April erreichen allerdings 8370 Migranten Europa über die südliche Mittelmeerroute (Italien). Seit langem erstmals mehr als über die griechischen Inseln (2700). Immer mehr syrische Flüchtlinge bekommen 2016 nur noch subsidiären Status (zweites Asylpaket). Die Aufenthalterlaubnis beträgt dann nur ein Jahr und der Familiennachzug wird auf zwei Jahre ausgesetzt. Kriminelle Gruppen aus Georgien schicken Landsleute nach Deutschland, die unter dem Deckmantel eines Asylverfahrens in Wohnungen, Häuser und Läden einsteigen. Von Januar bis September 2016 sind nur noch 166.000 Flüchtlinge und Migranten über die Griechenland-Route gekommen. Insgesamt sind im gleichen Zeitraum 300.000 über das Mittelmeer gekommen. 2019 fliehen Tausende Venezolaner in die EU. 2019 ist die Zahl der zugewanderten Menschen nach Deutschland nur um 3% gestiegen. Den Großteil machen die Herkunftsstaaten Syrien, Afghanistan und Irak aus (StBA). In den ersten 8 Monaten von 2022 sind so viele Flüchtlinge in Deutschland wie nie zuvor registriert worden. Es gibt knapp 1,1 Mio. ukrainische Schutzsuchende und Asylbewerber. Der Vorsitzende der CDU Merz spricht von "Sozialtourismus" (weil die Flüchtlinge aus der Ukraine sofort Zugang zu unserem Sozialsystem haben). Ende 2022 stehen in Deutschland in der Statistik 3,08 Mio. Schutzsuchende. Da sist der größte zuwachs seit 2007. Er ist vor allem auf den Ukraine-Krieg zurückzuführen. Es kamen über 1 mio. Ukrainer, zwei Drittel Frauen und Mädchen. 2,1 Mio. Flüchtlinge kamen aus anderen Regionen. Die meisten aus Syrien, Afghanistan, Irak und Türkei (Rangfolge). Es wird immer stärker die Drittstaatenregelung diskutiert. Dadurch könnte der Schmuggel verhindert werden. 2023 kommen 663.00 Menschen mehr nach Deutschland als wegzogen. Dieser Wanderungsüberschuss hat sich im Vergleich zu 2022 halbiert. Davor waren vor allem Rückgänge von Ukraine-Flüchtlingen verantwortlich. Quelle: StBA, Wiesbaden.

(Spät-) Aussiedler aus Russland: Sie sind die erfolgreichste Gruppe von Migranten. Nur 19,7%  unter ihnen haben keinen Bildungsabschluss. 65,1% erreichen einen Bildungsabschluss. 15,2% machen einen akademischen Abschluss. Die Erwerbstätigenquote ist hoch: 82,8% (Migranten 71,4; Personen ohne Migrationshintergrund 84,4%). Quelle: SVR für Integration und Migration 2022. Das könnte eine positive Prognose für UkrainerInnen sein.

Asylrecht (Kontingente statt Individualrecht; weg vom individuellen Asylrecht): Es häufen sich die Stimmen angesichts des aktuellen Flüchtlingsstroms, der immer mehr zunimmt, das Individualrecht auf Asyl in der EU abzuschaffen. Es könnte durch eine Kontingent-Lösung ersetzt werden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU Frei macht z. B. diesen Vorschlag. Auch die AfD ist dieser Ansicht. Man redet von einem Kontingent von 300.000 bis 400.000 Personen. Als wissenschaftlicher Kronzeuge wird der niederländische Migrationsforscher Ruud Koopmanns von der Humboldt-Universität aufgeführt. Er teilt aber nicht die Schlussfolgerung. Er hält ein Ende des individuellen Asylrechts für völlig unrealistisch. 2023 verschärft sich die Flüchtlingskrise dramatisch. Auch Spahn von der CDU macht im August 23  einen Vorstoß: Er will die Aufnahme von Asylbewerbern begrenzen. Ausgewählt werden sollen die Menschen von der UN. Die CSU will 2024 auch weg vom individuellen Asylrecht. Der Zuzug sei nicht mehr stemmbar. Polen plant die zeitweise Aussetzung des Asylrechts (Staats - Schleuser in Weißrussland). Die Frage ist, ob das im Rahmen der EU möglich ist.  In Deutschland sind bis Ende Juli 2023 (von Januar 23 an) 175.000 Asylanträge gestellt worden. Das sind 78% mehr als im Vorjahreszeitraum.

Asylbewerber: Das Kriterium der Verfolgung aus politischen, rassistischen, religiösen oder sonstigen Gründen unterscheidet den Flüchtling bzw. Asylbewerber vom Migranten. Zugang zum Arbeitsmarkt: In Deutschland herrscht Residenzpflicht. Die Asylbewerber dürfen sich nur innerhalb von Landes- oder Kreisgrenzen bewegen. Sie dürfen erst nach neun Monaten arbeiten, solange sie keinem Deutschen den Arbeitsplatz wegnehmen. Anspruch auf einen Sprachkurs haben sie nicht. Ihnen steht ein Taschengeld zu. Mehr als 50 Prozent sind in Heimen und Wohncontainern untergebracht, die meist am Rande der Stadt liegen. Die Bundesländer stehen vor massiven Herausforderungen. Im September 2014 wird das Asylrecht geändert (Länder billigen Kompromiss, entscheidend ist der Ministerpräsident von B.- W.). Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina werden als "sichere Herkunftsstaaten" eingestuft. Das soll Flüchtlingen aus Syrien und Irak zugute kommen. 2015 müssen Asylbewerber in Deutschland durchschnittlich 7,1 Monate warten bis das Verfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgeschlossen ist. Mit dieser Dauer ist Deutschland Schlusslicht in der EU. Die lange Übergangszeit verzögert die Arbeitssuche und verlangsamt die Integration. Das Bundesarbeitsministerium plant ein Bleiberecht für Flüchtlinge mit Ausbildung. Die Angriffe auf Flüchtlingsheime in Deutschland nehmen zu. Mitte 2015 beschließt das Parlament die Asyl-Reform: Es gibt ein Bleiberecht für geduldete Bewerber, die gut integriert sind (8 Jahre, Job). Die Regeln für die Abschiebung werden verschärft. Um eine bessere Effektivität zu erzielen, könnten folgende Maßnahmen helfen: Arbeitsmarkt öffnen, Sprachförderung verbessern, Verteilung besser organisieren, Verwaltung verbessern. Mitte 2015 wird der Zugang zu Praktika erleichtert. Im August 2015 gibt die EU 2,4 Mrd. € für die Flüchtlinge (an 19 EU-Staaten, insbesondere an Italien, Spanien und Griechenland. Die Gelder werden über eine Zeitraum bis 2020 gewährt (aus dem europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds/ AMIF). UN-Generalsekretär Ban will einen weltweiten Flüchtlingsgipfel organisieren. Ende September stellt die OECD ihren Migrationsausblick 2015 vor: Für die 34 Mitgliedsländer wird ein Rekordwert an Asylanträgen 2015 erwartet. In Deutschland wird ein professionalisiertes Asylsystem gesehen, das den Zustrom meistern kann. Die EU verhandelt im Oktober 2015 mit der Türkei. Die EU will erreichen, dass die Türkei den Zustrom nach Griechenland stoppt. Bundeskanzlerin Merkel verhandelt direkt mit Präsident Erdogan. Die Stimmen in Deutschland mehren sich, einen Grenzzaun zu bauen (CDU, Polizeigewerkschaft). Die Staats- und Regierungschefs der am meisten von der Flüchtlingswelle betroffenen europäischen Länder treffen sich am 25.10.15 in Brüssel, um nach Lösungen zu suchen. Beschlüsse sind (17-Punkte-Programm): Große Auffanglager in den Ländern an der Balkan-Route mit Registrierung (mit Mitteln der EU). Bessere Sicherung der EU-Außengrenzen. Bessere Abstimmung, Information und Koordinierung zwischen den Ländern. 2016 kommt in Deutschland der Flüchtlingsausweis (künftig zentrale Datenbank mit Informationen über Asylsuchende). Bei Nordafrikanern (Algerien, Marokko, Tunesien) sollen Asylanträge vom Bundesamt für Migration vorrangig bearbeitet werden (NRW bekommt zu große Kontingente). Die Rückführung soll beschleunigt werden. Die Vize-Parteichefin der CDU Julia Klöckner legt einen "Plan A2" vor: Er beinhaltet unter anderem die Einrichtung von Grenzzentren und Tageskontingente. Die EU-Innenminister beschließen im Januar 2016 Grenzkontrollen für längere Zeit. Sogar ein Mini - Schengen steht im Raum. Beim Asylpaket II (Verschärfung des Asylrechts; Familiennachzug 2 Jahre aussetzen für subsidiäre Flüchtlinge, Einzelfallprüfung; sichere Herkunftsländer erweitern; neue Registrierzentren; auch Abschiebung bei gesundheitlichen Einschränkungen; Residenzpflicht; Kostenbeteiligung der Migranten) scheint eine Einigung in Sicht und wird erzielt. Auch die Abschieberegeln werden verschärft: Ausweisung krimineller Ausländer (wenn die Rückkehr in die Herkunftsländer nicht möglich ist, Abschiebung in Drittstaaten). Leistungen für Flüchtlinge sollen die Integration gekoppelt werden. Die NATO soll den Grenzschutz in der Ägäis unterstützen (Türkei und Griechenland sollen zusammenarbeiten; deutsche Aufklärung). Die illegale Migration soll beendet werden. Ungarn, Tschechien, Polen, die Slowakei und Mazedonien wollen ihre Grenzen für Flüchtlinge schließen. Die Folge könnte ein Chaos in Griechenland sein (die Hotspots auf den Inseln vor der türkischen Küste werden eingerichtet). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat die Anzahl der Entscheidungen über Asylanträge innerhalb eines Jahres fast (von Februar 2016 gerechnet) verdoppelt. Im April 2016 kommen Hunderte Flüchtlinge zwischen Libyen und Italien um. Die EU-Außenminister wollen die Seerettungsmission "Sophia" ausweiten. Libyen soll stabilisiert werden (Abkommen mit der Türkei als Vorbild?). 2016 leben noch eine halbe Million abgelehnter Asylbewerber in Deutschland. Drei Viertel von ihnen länger als 6 Jahre. Eine Änderung der Gesetze wäre überlegenswert. Bis Februar 2017 soll ein nationales Abschiebezentrum eingerichtet werden (Koordination Bund, Länder). Ab 15.03.17 will die EU wieder zum Dublin-System zurückkehren. Flüchtlinge werden dann nach Griechenland oder Italien zurückgeschickt. 2017 kommen die weitaus meisten Asylbewerber aus Libyen über Italien und die Schweiz nach Deutschland.  Im September 2017 entscheidet der Europäische Gerichtshof, dass die Zuweisung der Kontingente durch die EU rechtens war (die Slowakei und Ungarn müssen Flüchtlinge aufnehmen). Die EU-Kommission und Deutschland drohen den Unwilligen Konsequenzen an. Die Asylstandards in der EU sollen angeglichen werden. Die Asylverfahren in Deutschland werden immer kürzer: 2018 im Schnitt ein halbes Jahr. 2019 steigt die Anzahl der Asylbewerber in die EU deutlich an. Auf Platz zwei sind schon Menschen aus Venezuela. 2020 wandelt sich die Zuwanderung: Es kommen mehr Studenten und weniger Asylbewerber. Weltweit zählte das UN-Flüchtlingskommissariat 2013 1,1 Mio. Asylbewerber. Die Anzahl der Asylbewerber in Deutschland hat sich im ersten Halbjahr 2014 (genau Januar bis Juli 14) stark erhöht (um 62% auf 97.093). Rechnet man die aufgenommenen Asylbewerber pro eine Million Einwohner liegt Schweden in Europa an der Spitze (1359) vor Luxemburg (500), Malta (475) und Deutschland (460). Im Herbst 2014 wird ein Programm entwickelt, um Asylbewerber schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Wartezeiten werden verkürzt. 89,6% der im ersten Halbjahr 2014 gestellten Asylanträge syrischer Flüchtlinge wurden positiv beschieden. 2015 und 2016 will die Bundesregierung die Länder  bei der Versorgung von Flüchtlingen unterstützen. Es wird jeweils eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung gestellt plus Gebäude im Bundeseigentum (Kasernen). Das Bundesamt für Migration rechnet 2015 mit einer Zunahme an Asylbewerbern um 230.000. Die CSU strebt schnellere Asylverfahren an (6 Wochen für Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern). Die Länder wollen mit Integrationsprogrammen arbeiten, um hoch qualifizierte Asylbewerber (z. B. aus Syrien) schneller in den Arbeitsmarkt einzugliedern. In Ludwigshafen startet die BA mit dem Projekt "Early Intervention".  Im Januar 2015 steigt die Anzahl der Neuanträge für Asylsuchende sprunghaft an (22,9% gegenüber dem Vormonat). Ende 2014 gab es 629.000 Flüchtlinge in Deutschland. Dies waren 130.000 mehr als ein Jahr zuvor (Massenexodus aus dem Kosovo). Die EU lässt in der Ukraine Flüchtlinge in Gefängnisse sperren. 2015 werden ca. 300.000 Asylbewerber erwartet. Die Finanzierung sorgt für eine Debatte in Deutschland. Minderjährige Flüchtlinge, die immer mehr werden, sollen belastungsgerechter verteilt werden. Als Reaktion auf die jüngsten Flüchtlingstragödien im Mittelmeer plant die EU ab April 2015 mit doppelt so vielen Rettungsschiffen. Europa-Parlament und EU-Kommission fordern eine Flüchtlingsquote für alle EU-Länder (vor allem Großbritannien und Ungarn lehnen ein verpflichtendes Verteilungssystem ab). Beim "Flüchtlingsgipfel" von Bund und Ländern Anfang Mai 2015 einigt man sich darauf, 200.000 Altfälle bevorzugt zu prüfen. Es werden 2000 neue Stellen geschaffen. Die Bundesmittel werden 2015 verdoppelt und der Bund beteiligt sich 2016 dauerhaft an den Versorgungskosten. Die Sprachkurse für Asylbewerber sollen verstärkt werden. In einzelnen europäischen Ländern werden Asylbewerber immer stärker für den Wahlkampf instrumentalisiert (Dänemark, Frankreich). Ungarn setzt das Dublin III-Abkommen aus: Zehntausende Flüchtlinge kommen über Serbien. Als Erstland müsste Ungarn damit zurechtkommen (baut bis Ende August 2015 einen Grenzzaun). Eine Pflicht-Quote scheitert in der EU; man einigt sich auf eine freiwillige Verteilung. Europas Innenminister einigen sich am 20.7.15 darauf, die Mittelmeerländer zu entlasten: Knapp 55.000 Flüchtlinge werden auf EU-Staaten verteilt (darunter 40.000 in Italien und Griechenland).  Pro Einwohner gerechnet nimmt Schweden2015  mit 128 die meisten Asylbewerber auf vor Ungarn (240) und Österreich (331). Mitte September 2015 soll ein neuer Anlauf der EU zu den Flüchtlingen stattfinden (Sondertreffen der Innenminister über Flüchtlingsquoten: Verteilung, Schlüssel, Pflichtquote). Man kann sich nicht auf feste Quoten einigen. 160.000 sollen aber verteilt werden. Der Westbalkan soll als sicher gelten. Die Bundesregierung will möglichst schnell bis Ende Oktober 2015 Gesetze ändern: bei Erstaufnahme kein Bargeld mehr;  Flüchtlinge mit Bleibeperspektive schneller in den Arbeitsmarkt integrieren; die anderen möglichst schnell zurückschicken; einige Grenzen sollen wieder kontrolliert werden. In der Koalition einigt man sich auf ein entsprechendes Asylrecht. Ab 14.09.15 werden die Grenzen wieder kontrolliert (Schengen wird einige Wochen ausgesetzt). In der EU kursiert im September 2015 der Vorschlag, dass nicht aufnahmewillige Länder je abgelehnten Flüchtling 6500 Euro zahlen sollen. Bei der Konferenz der Innenminister der EU am 22.09.15 werden durch Mehrheitsentscheid (vier osteuropäische Länder dagegen) 120.000 Asylbewerber, insbesondere aus Griechenland und Italien, verteilt. Die EU-Kommission eröffnet Ende September ein Vertragsverletzungsverfahren gegen 19 EU-Staaten, darunter Deutschland. Die Asylrichtlinien werden nicht vollständig umgesetzt. Beim Sondertreffen von Bund und Ländern am 24.09.15 wird eine Pro-Kopf-Pauschale vereinbart, pro Flüchtling und Monat bekommen die Länder 670 €. Mit schärferen Grenzkontrollen will die EU im Herbst 2015 die Flüchtlingskrise eindämmen (vor allem Delegation an die Türkei; hier sitzen auch die wichtigsten Schmuggler). Es sollen neue Verteilzentren vor der Küste eingerichtet werden (Lesbos, Chios, Samos, Leros, Kos). Der Grenzschutz soll koordiniert werden ("Hotspots"). Die CSU will Transit-Zonen an der Grenze einrichten, in denen kurzfristig über die Einreise entschieden werden soll. CDU/ CSU einigen sich auf diese Zonen (+ 2 Jahre Nachzugstop für Familien). Schutzsuchende, die keinen Anspruch auf Asyl haben (sichere Drittstaaten), können im beschleunigten Verfahren in die Heimat zurückgeschickt werden. Die SPD ist für Einreisezentren über das Bundesgebiet verteilt. Der Kompromiss vom 04.11.15 sieht folgendes vor: Spezielle Aufnahmeeinrichtungen für (Registrierungszentren, 5) für Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive (sichere Herkunftsländer). Beschleunigte Asylverfahren und schnellere Abschiebungen. Mitte November 2015 gibt es Überlegungen in der Bundesregierung, den Status syrischer Flüchtlinge zu verändern (Familiennachzug beschränken). Seit dem 21.10.2015 ist das Dublin-Verfahren wieder gültig auch für Syrische Flüchtlinge: Rücksendung in das EU-Land möglich, wo sie zuletzt herkommen. Die Attentate in Paris heizen die Flüchtlingsdebatte in Deutschland an. Die Bundesregierung setzt verstärkt auf Flüchtlingskontingente (Verteilung in der EU, Absprache mit der Türkei; die SPD ist mit im Boot). Am 29.11.15 findet eine EU-Türkei-Konferenz in Brüssel statt. Die Türkei bekommt 3 Mrd. €, wenn Sie die Grenze besser überwacht (+ Beitrittsverhandlungen und Visa für die EU). Schon lange blockieren Flüchtlinge aus so genannten sichern Drittstaaten den lukrativen Güterverkehr aus Griechenland nach Mitteleuropa aus Protest. Griechenland bekommt die Flüchtlingskrise nicht in den Griff und kommt Vereinbarungen nicht nach (Hotspots, Transport von Migranten). Anfang Dezember 2015 beschließen die Innenminister von Bund und Ländern bei Syrern wieder die Einzelfallprüfung einzuführen (Missbrauch von Pässen; IS erbeutete Tausende von Pässen). Die Anzahl der Abschiebungen steigt Ende 2015 stark an. Bayern will seine Grenzen in Eigenregie kontrollieren. Allein im Januar 2016 kommen 92.000 registrierte Asylbewerber nach Deutschland. Die Zahlen gehen gegenüber den gleichen Zeiträumen des Vorjahres zurück. Jeder achte registrierte Asylbewerber in Deutschland ist 2016 nicht mehr auffindbar. IS-Pässe (aus bestimmten Regionen) werden in Deutschland nicht mehr anerkannt. Im Februar und März 2016 sind auf der Balkanroute vor allem Frauen und unbegleitete Jugendliche unterwegs (80%). Diese Route wird quasi geschlossen (Ungarn, Bulgarien dicht; Slowenien, Kroatien und Serbien lassen ganz geringe Mengen durch). Nato und Türkei schließen die Grenze oder Griechenland wird zum Wartesaal.  Die Türkei will jeden geflohenen Menschen zurücknehmen. Dafür soll dann ein syrischer Flüchtling legal aus der Türkei in die EU kommen. Dafür fordert die Türkei noch einmal 3 Mrd. € und Visa - Erleichterungen sowie eine Beschleunigung der Beitrittsverhandlungen (Grundsatzvereinbarung). Griechenland stimmt dem Flüchtlingspakt mit der Türkei zu. Ab 04.04.16 beginnt die Rückführung der Flüchtlinge in die Türkei. Der Pakt mit der Türkei soll zum Vorbild für ein Abkommen mit Nordafrika werden. Im März 2016 sind nur noch 5500 Flüchtlinge in Deutschland angekommen. Allerdings hat sich der Berg unerledigter Asylanträge erhöht (im erste Quartal 2016 150.233 Anträge entschieden). Im Jahre 2016 sollen 1 Mio. Asylanträge entschieden werden. Die Zahl der Untätigkeitsklagen gegen das BAMF nehmen 2016 stark zu. Im ersten Halbjahr 2016 kamen 222.264 Mio. Flüchtlinge nach Deutschland. Im August 2016 kommt die niedrigste Anzahl des Jahres (4200). Die Zahl der Asylanträge von unbegleiteten minderjährigen männlichen Jugendlichen ist im ersten Halbjahr 2016 sprunghaft angestiegen. Insgesamt sind im Oktober 2016 51.000 unbegleitete Jugendliche registriert. Im Jahre 2016 insgesamt werden weniger als 300.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Von Januar bis November 2016 wurden 723.027 Asylanträge gestellt. Es gab 615.527 Asylentscheidungen im gleichen Zeitraum. 389.732 Entscheidungen waren positiv. 280.000 Asylsuchende kamen 2016 nach Deutschland. 55.000 gingen wieder freiwillig in die Herkunftsländer zurück. Ende 2017 veröffentlicht das Statistische Bundesamt neuste Zahlen: Ende 2016 waren 1,6 Mio. Schutzsuchende in Deutschland. Das waren 113% mehr als Ende 2014. Fast 400.000 Ausländer sind in der Statistik nicht berücksichtigt, weil sich nicht bestimmen lasse, ob sie aus humanitären Gründen hier seien. 2017 sind mehr als 200.000 Anträge auf Asyl in Deutschland gestellt worden (BAMF). Deutschland ist das begehrteste Asylland in der EU (auch mehr als die USA). 2018 wurden 166.000 Asylanträge gestellt, weniger als 2017 und deutlich unter der vereinbarten Grenze (16,5% weniger als 2017; Quelle: Migrations - Bericht, 23.01019). Im Jahre 2019 stellen in Europa wieder mehr Menschen Asylanträge als 2017: 714.000 in der EU, Norwegen, Island, Schweiz. Das sind 13% mehr als 2018. Die meisten Asylbewerber kommen aus Syrien, Afghanistan und Venezuela. 2020 sind 82,4 Mio. Menschen weltweit auf der Flucht vor Unterdrückung, Menschenechtsverletzungen, Gewalt und Krieg. 2023 haben rund 329.000 Menschen einen Antrag auf Asyl gestellt - etwa 50% mehr als im Vorjahr. Die mehr als 1 Mio. Flüchtlinge aus der Ukraine sind darin nicht enthalten, das sie kein Asyl brauchen. Die meisten Asylanträge stammen von Menschen aus Syrien (104.561), der Türkei (62.624) und Afghanistan (53.582). Im Februar 2024 sinken die Anzahl der Asylanträge auf den niedrigsten Stand seit September 2022 (19.494). Bei den Herkunftsländern macht Syrien 30% aus, vor Afghanistan (21%), Türkei, Irak, Somalia, Iran, Kolumbien, Russland, Guinea. Im ersten Quartal 2024 gab es deutlich weniger Asylanträge in Deutschland (65.419; -19,2% gegenüber dem Vorjahreszeitraum). Es konnten auch mehr Menschen abgeschoben werden. Es zeichnet sich eine leichte Entspannung der Situation ab. Von Anfang Januar bis Ende Juli 2024 haben rund 140.000 Menschen erstmalig einen Asylantrag gestellt, rund 19,7% weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum (Quelle: Bamf).

Asylbewerber als Bezieher von Leistungen: 522.700 Personen bezogen 2023 Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Damit ist die Anzahl erneut gestiegen (gegenüber 2022 um 8%). Dei häufigsten Herkunftsländer waren Syrien, Türkei, Afghanistan und Irak. Menschen mit eine raufenthalterlaubnis erhalten Leistungen, die deutlich unterhalb der Höhe des Bürgergelds liegen. Der Regelsatz für Alleinstehende liegt 2024 bei 460 €, bei Unterbringung in einer Sammelunterkunft bei 413 €.

Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus: Menschen, die sich auf das Asylgrundrecht berufen können und keinen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention genießen. Sie werden nicht heimgeschickt, weil ihnen zuhause Todesstrafe oder Folter droht. Vorher greift der Flüchtlingsschutz (Aufenthaltserlaubnis zunächst drei Jahre) oder die Asylberechtigung (auch drei Jahre). Wenn kein Schutz gewährt wird, kann ein Abschiebeverbot erlassen werden. Normalerweise erhalten drei Viertel der Flüchtlinge einen Schutzstatus. Der Familiennachzug wird auf zwei Jahre ausgesetzt. Das hat eine große Bedeutung für die Einwanderungszahlen. Die aktuelle Aussetzung geht bis März 2018. In Koalitionsverhandlungen sowohl bei Jamaika als auch bei der GroKo ist der Familiennachzug ein Streitpunkt. 2020 soll der Abschiebstopp für Syrien auslaufen. In der Praxis dürfte eine Abschiebung schwierig werden (keine diplomatischen Beziehungen).

Familiennachzug nach Deutschland: Bis Ende 2017 werden 400.000 in Deutschland lebende Asylbewerber anerkannt sein. Nur sie haben gegenwärtig das Recht, Familienangehörige nachziehen zu lassen. 100.000 bis 120.000 Ehepartner und minderjährige Kinder dürften dies in Anspruch nehmen (Quelle: IAB Nürnberg). Der Familiennachzug wird im Abschlusspapier der Sondierungen zwischen CDU/CSU und SPD mit 1000 pro Monat gedeckelt. Landesverbände der SPD wollen eine großzügigere Härtefallregelung. Es geht vor allem um die Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus. Die Härtefallklausel wird entwickelt und ihre genaue Auslegung bleibt umstritten. Ab 01.08.2018 ist der Familiennachzug nach Deutschland wieder möglich (Gesetz). Der Antrag muss bei den deutschen Vertretungen im Ausland gestellt werden. Die Verfahren werden lange dauern (Kriterien: Dauer der Trennung, Minderjährigkeit, Integrationsleistungen, Kernfamilie). Es dürfen höchstens 1000 Personen pro Monat kommen. Wegen mangelnder Sprachkenntnisse scheiterte 2022 der Ehegattennachzug in mehr als 13.000 Fällen. Es muss ein Sprachtest in einem der Goethe-Institute abgelegt werden. Es wurden über 40.000 Prüfungen abgelegt. Besonders häufig scheiterten Migrnaten aus Äthiopien, Ghana, Senegal. Ausnahmen gibt es nur für hoch qualifizierte Fachkräfte.2023 soll der Familiennachzug verschärft werden.  Von Anfang August bis Mitte September wurden lediglich 112 Visa erteilt. Damit wurde die Obergrenze deutlich unterschritten. Die Politik setzt sich 2020 und 2021 fort. Pro Asyl spricht 2021 von einer systematischen Verhinderung.

Zugang zum Arbeitsmarkt: Für EU-Bürger herrscht grundsätzlich freie Wahl des Arbeitsplatzes (teilweise mit Arbeitsgenehmigung im EU-Ausland). Für einige Länder (z. B. das Neumitglied Kroatien) gelten Einschränkungen bei der so genannten Arbeitnehmerfreizügigkeit. Bis Mitte 2015 gelten Beschränkungen für nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer in den Branchen Bau, Gebäudereinigung und Innendekoration. Saisonkräfte wie Erntehelfer können bis zu sechs Monate in Deutschland jobben. Qualifizierte Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Staaten in so genannten Mangelberufen können einen erleichterten Zugang bekommen (legt BA fest, Positivliste). Die Arbeiternehmerfreizügigkeit in der EU wird Schritt um Schritt gestärkt. Die Übertragung der Zusatzrentenversicherung wird erleichtert. Bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen soll die Kompetenz erfasst werden. In Kreisen können Beschäftigungspiloten eingesetzt werden. Möglichst schnell muss die Sprache (Mini-Sprachkurse) erlernt und eine kleine Landeskunde durchlaufen werden. Sprachförderprogramme und spezielle Angebote der IHK und Handwerkskammern sollen folgen. Das Ludwigshafener Dienstleistungszentrum Handwerk und das Jobcenter Vorderpfalz Ludwigshafen bauen ein Integrationsprojekt auf: 50 Betriebe sollen geeignete Plätze für Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Das Projekt heißt "Begleitung in Arbeit". Das Handwerk in Deutschland will insgesamt in den nächsten zwei Jahren (ab 2016) 10.000 junge Flüchtlinge in einem Betrieb führen (Qualifizierungsoffensive von ZDH, BA und Bundesbildungsministerium). In den ersten 15 Monaten haben Flüchtlinge ein Verbot in der Zeitarbeit (könnte verkürzt werden, um Einstieg in Arbeitsmarkt zu erleichtern). An den Hochschulen ist nur ein Gasthörerstatus möglich, solange das Asylverfahren durchlaufen wird. Das Bundesarbeitsministerium beantragt im Februar 2016 Zusatzmittel, um 100.000 Arbeitsplätze für Flüchtlinge schaffen zu können (500 Mio. €). Die Kurse sollen parallel Integration und Sprachkurse beinhalten. Mittlerweile gibt es auch Jobbörsen für geflüchtete Menschen (workeer, arrivo-berlin). Erhebungen des IAB 2016 zeigen, dass 70% der Flüchtlinge keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Deshalb können sie überwiegend als Hilfskräfte tätig werden (Gastronomie, Dienstleistungen, Reinigung, Handel, Lagerarbeiten). Nach Angaben der BA können maximal 10 bis 15% der Flüchtlinge im ersten Jahr Arbeit finden. Dazu müssen sie mehr im ländlichen Raum angesiedelt werden, wo Arbeitsplätze sind. 2016 gelingt wenigen Flüchtlingen den Einstieg in den Arbeitsmarkt. Die Zahl der anerkannten Asylbewerber, die sich arbeitslos melden steigt im Mai 2016 auf 145.000. Bisher gab es fast nur Jobs für Helfer. Die Bundesregierung ruft das Projekt "Willkommenslotsen" ins Leben. Damit sollen KMU und ihre Personalabteilungen Hilfe haben. Im Herbst 2016 werden zwei Studien zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge in Deutschland vorgelegt. Eine ist von der OECD, die andere von der EU-Kommission. Beide kommen zu dem Ergebnis, dass Deutschland auf einem guten Weg ist. In Deutschland haben innerhalb eines Jahres ca. 50.000 Deutsche Arbeit im Zusammenhang mit den Flüchtlingen gefunden (November 2015 bis November 2016). Von den Flüchtlingen selbst haben im gleichen Zeitraum nur 34.000 Menschen Zugang zum Arbeitsmarkt gefunden. 57 Prozent sind in Leiharbeit, Gastgewerbe oder wirtschaftsnahen Dienstleistungen (Quelle: IAB, Nürnberg). Angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege sollen verstärkt dafür Flüchtlinge ausgebildet werden. Der Mindestlohn kann für Flüchtlinge unterschritten werden, wenn sie für die Anerkennung von Berufsabschlüssen aus der Heimat noch Praxis - Erfahrung oder andere Qualifikationen brauchen. 2015 wurden 30.000 Flüchtlinge in den deutschen Arbeitsmarkt integriert (Quelle: BA). Flüchtlinge, die eine Ausbildung in einem Pflegehelferberuf machen, sollen einen sichereren Aufenthaltsstatus in Deutschland bekommen. Im April 2017 reduziert das Bundesarbeitsministerium zusammen mit der BA den Zugang von Flüchtlingen zu Ein-Euro-Jobs (Begründung: schnellere Asylverfahren). In einer Studie im April 2017 kommt das IAB zu folgenden Ergebnissen: Etwa die Hälfte der nach Deutschland Geflüchteten wird nach fünf Jahren einen Job haben. Migrantinnen können einheimische Frauen in bestimmten Bereichen entlasten (Altenpflege, Kinderbetreuung, haushaltsnahe Dienstleistungen). Die einheimischen Frauen haben dann mehr Möglichkeit, am Erwerbsleben teilzunehmen (Quelle: Studie des IAB 2018). Der BDI sieht Ende 2018 die Flüchtlinge als Stütze der deutschen Wirtschaft. 311.000 Migranten haben einen Job (28%). 2019 kommen mehr Arbeitsmigranten als Flüchtlinge nach Deutschland (Quelle: Studie der OECD, nach USA zweit beliebtestes Land; zugenommen hat die Wanderung aus dem Westbalkan). Ich hab` nichts gegen Fremde. Einige meiner besten Freunde sind Fremde. Aber diese Fremden da sind nicht von hier", Methusalix in Asterix: Das Geschenk Caesars. Die erfolgreichste Zuwanderung ist die nach einem Punktesystem. Dies funktioniert bereits wunderbar in Kanada. Mit den Vorteilen der Einwanderung (nicht so sehr mit den sozialen Kosten) beschäftigt sich folgendes Buch: Paul Collier, Exodus: Warum wir Einwanderung neu regeln müssen, München 2014 (nur legale Einwanderung zulassen; alle illegal Eingereisten zurückschicken). Collier weist darauf hin, dass das Problem der Armut niemals durch Migration in den Griff zu bekommen ist. Wenn die Armen in den armen Staaten reicher werden, würden sie sogar mehr auswandern, weil sie sich die Reise leisten können. 2016 erwartet das IAB einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um 130.000 wegen des Flüchtlingszustroms. Es dauere viele Jahre, bis Flüchtlinge eine Stelle finden. Die meisten finden in weniger qualifizierten Jobs eine Stelle (Hotel, Gaststättengewerbe, Lagerist). Die Arbeitgeber in Deutschland fordern für Flüchtlinge und Langzeitarbeitslose Mindestlohn - Änderungen (Ausnahmeregelung auf 12 Monate verlängern). Das Arbeitsmarktprojekt "Early Intervention" für Flüchtlinge läuft Ende 2015 aus. Das Projekt lief zwei Jahre in 9 Städten. Insgesamt 1350 Flüchtlinge nahmen an dem Programm teil. 67 wurden in Arbeit und 27 in eine Ausbildung gebracht. Die Vorstellung, bei den Flüchtlingen wären sofort einsetzbare Arbeitskräfte hat sich als verfehlt erwiesen (es fehlen Sprachkenntnisse, schulische und berufliche Qualifikationen). Für die Flüchtlinge ab 40 Jahre ist eine Integration in den Arbeitsmarkt schwer. Erst die Kinder der Flüchtlinge werden eine gute Perspektive haben, Fachkräfte von übermorgen zu werden. Die anerkannten Flüchtlinge werden zu einer Belastung für die Jobcenter. Die Finanzierung wird zum Streitpunkt werden. Nach einer Studie des IAB in Nürnberg können nach einem Jahr maximal 8% der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integriert werden (nach 2 Jahren 20%; nach 5 Jahren 50%). Erfahrungen in Bayern und BW deuten darauf hin, dass viele Flüchtlinge lieber sofort, unqualifiziert arbeiten wollen (80% BW, 70% Bay). 350.000 Arbeitsplätze könnten jährlich von Flüchtlingen besetzt werden (insgesamt entstehen ab 2016 jährlich 700.000 Arbeitsplätze; Quelle: BA, Vorstandsmitglied). Im Februar 2016 macht das Ifo-Institut eine Umfrage bei 1000 Unternehmen: Jeder dritte Betrieb will Flüchtlinge einstellen. Als Hindernisse werden die Vorrangprüfung, die deutsche Bürokratie und fehlende deutsche Sprachkenntnisse gesehen. Im Juni 2016 waren 131.00 Flüchtlinge arbeitslos gemeldet (Quelle: BA). Die Beschäftigungsquoten unterscheiden sich stark 2016: Bevölkerung 65,4%, Ausländer 45,5%, Ausländer aus Kriegs- und Krisenstaaten 14,7%. Nach einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung 2016 finden Flüchtlinge nur selten reguläre Jobs in der Wirtschaft. Viele Geflüchtete hätten nur eine geringe oder gar keine Qualifikation. Vgl. auch: Garloff, Alfred: Flüchtlinge auf dem deutschen Arbeitsmarkt, in: Wirtschaftsdienst 2016/9, S. 690ff. anhand einer Analyse vergangener Flüchtlingswellen und der Integration auf dem Arbeitsmarkt wird eine günstige Prognose abgegeben. Ab 2017 will Österreich seinen Arbeitsmarkt gegen Zuwanderer aus dem Osten abschotten. Die Grünen fordern 2017 Talentkarten für Zuwanderer. Sie stellen ein Kontingent für Zuwanderung nach Fachkräftebedarf dar. Die IHK der Pfalz bietet 2017 einen Kompetenz-Check für Flüchtlinge an. So soll das praktische Können besser eingeschätzt werden. 1 Mio. € kommt von den Mitgliedsbetrieben. Nach einer Umfrage des DIHK 2016 beschäftigen 11% aller deutschen Betriebe Flüchtlinge. 10% haben vor, in den kommenden zwei Jahren Flüchtlinge einzustellen. Eine Befragung von 2349 Flüchtlingen 2016 zeigen sich folgende Ergebnisse bei der Ausbildung im Herkunftsland (Quelle: IAB, Bamf, SOEP): keinen Schulabschluss 58%, einen weiterführenden Schulabschluss 32%, Hochschulabschluss 13%, keine abgeschlossene formelle Berufs- oder Hochschulausbildung 69%. Im Mai 2018 hatten 307.000 Flüchtlinge (Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia, Syrien) eine Beschäftigung. Von waren 238.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigt (Quelle: BA). Weit öfter als in anderen Ländern arbeiten Migranten in Deutschland in einfachen und schlecht bezahlten Jobs. 69 Prozent der Migranten haben einen Job für Geringqualifizierte (Hilfsarbeitskräfte, Maschinenbediener, Dienstleistungen/ Verkäufer). 2019 liegt die Beschäftigungsquote bei Geflüchteten bei 44%. Quelle: Sozio-ökonomisches Panel.

Arbeitskräftemangel, Zuwanderung und Arbeitsmarkt: Eine Studie des IAB kommt im November 2021 zu folgendem Ergebnis: Deutschland tut sich zunehmend schwerer Zuwanderer zu gewinnen. Die Bundesrepublik brauche jährlich 400.000, um die Anzahl der Erwerbspersonen konstant zu halten. Das Statistische Bundesamt gab die Anzahl der Nettozuwanderer für 2020 mit 208.586 an. Bis 2035 nehme aufgrund der Demografie das so genannte Erwerbspersonenpotential um 7,2 Mio. Menschen ab. Durch die längere Arbeitszeit Älterer und von mehr Frauen sei dies nur zu lindern. In den klassischen Herkunftsländern wirkt mittlerweile auch die Demografie. Die Bezahlung in unteren Lohngruppen sei im Ausland mittlerweile mit der in Deutschland vergleichbar. Die Bundesregierung plant Ende 2022 gezielt gegen den Arbeitskräftemangel vorzugehen: Arbeitserlaubnis ohne Arbeitsvertrag (Punktesystem). Der Entwurf soll zum Gesetz werden. Es kommen dann eine Reihe von Gesetzen. Die benötigte Nettozuwanderung von 400.000 pro Jahr wird auch von anderen Forschungsinstitutionen bestätigt (IfW/ Liel, Ifo/ München).

Schnellere Eingliederung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt: Im November 2023 beschließt die Bundesregierung entsprechende Maßnahmen. Der Zugang zum Arbeitsmarkt soll für Flüchtlinge erleichtert werden. Es kommen Änderungen im Ausländerrecht und der Strafprozessordnung.

Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten: Die Beschäftigungsquoten im Vergleich zu den Bürgergeld-Quoten sind ein wichtiger Indikator. 2024 steigt die Beschäftigungsquote merklich (Juni 24 44,2%), dei Bürgergeldquote sinkt (45,1%). Vgl. HB 1.10.24, S. 10.

Migrationsbilanz für Deutschland: Profit oder Last? (Stand 2019)  Flüchtlinge kommen mit schlechten Startvoraussetzungen. 76 Prozent der Flüchtlinge haben keine abgeschlossene Ausbildung (bei Deutschen ohne Migrationshintergrund sind es 10%). 15% der Flüchtlinge haben einen akademischen Abschluss. Unter den Einheimischen sind es 23%. In den Integrationskursen sind 30% Analphabeten. Bei den Hartz-IV-Beziehern sind 20% Ausländer und 62% aus Asylherkunftsländern. Vgl. Rudzio, Kolja: Wer kommt, wer geht, in: Die Zeit Nr. 19, 2. Mai 2019, S. 19. 2022 war die zuwanderung so hoch wie nie. Dei Nettozuwanderung betrug 1,5 Mio. Menschen. 2,7 Mio. kamen nach Deutschland. 1,2 Mio. Fortzüge waren zu verzeichnen. 41% aller Zugewanderten kamen aus der Ukraine. Quelle: Bamf, 2024.

Flüchtlingspolitik (Deutschland): Folgende Elemente und Bausteine spielen in der Politik in Deutschland und anderswo eine Rolle: 1. Registrierung, 2. Unterbringung, 3. Verteilung, 4. Sofortige Kompetenzerfassung, 5. Asylverfahren, 6. Rückführungen, 7. Geförderte freiwillige Ausreise. 8. Sinnvoller Zusammenhang mit einer Einwanderungspolitik. Diese sollte werben und hoch qualifizierte Zuwanderer integrieren. Die EU hat zur Lösung der Flüchtlings-Krise zu Beginn von 2016 immer weniger Zeit: die europäische Lösung klappt nicht; die Kontrolle an den Außengrenzen funktioniert nicht; die Verteilung der Flüchtlinge stockt. Integrationskraft und mögliche Verteilungskämpfe können nur ganz schwierig operationalisiert werden. Vor den Landtagswahlen in Deutschland im Frühjahr 2016 sucht man nach Bremsen für die Flüchtlinge. Gedreht wird an drei Schrauben: Familiennachzug, Sichere Herkunftsländer, Abschiebung in sichere Drittstaaten. Frankreich spricht sich Mitte Februar 2016 gegen eine weitere Umverteilung von Flüchtlingen aus. Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei wollen die Balkanroute abriegeln. Die EU stellt ein Nothilfe-Paket vor, dass Griechenland und die anderen Staaten, die unter der Flüchtlingskrise leiden, unterstützen soll. Die UN will 2016 eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in der ganzen Welt. Mindestens 480.000 Syrer sollen vorübergehend innerhalb von drei Jahren in der Welt verteilt werden. Die EU-Kommission will die Asylpolitik reformieren. Es soll ein neues europäisches Rechtssystem geschaffen werden. Dann würde die EU entscheiden , nicht mehr der Mitgliedsstaat. Die Türkei droht mit dem Bruch des Flüchtlingsdeals, wenn die EU ihren Pflichten nicht nachkommt. Österreich verschärft sein Asylrecht drastisch Ende April 2016 (Zurückschicken an der Grenze möglich). Die EU-Kommission macht im Mai 2016 einen Vorschlag für Flüchtlinge: Dublin bleibt im Prinzip erhalten. Umverteilung von Flüchtlingen (Anteile für einzelnen Länder, Anteil nach Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft). Staaten können sich von diesem System freikaufen. 2016 will die EU-Kommission strengere Regeln für Asylbewerber einführen. Kern ist folgender: Wer nicht mit den Behörden des Aufnahmestaates zusammenarbeitet, müsse mit einer Ablehnung rechnen. Bis Mitte 2016 wurden in Deutschland 90.000 Flüchtlingsausweise ausgestellt. Nach mehreren mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlägen wird überlegt, auch in Krisenstaaten abzuschieben. Nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU wenden sich die osteuropäischen Visegrad-Staaten in der Flüchtlingspolitik ab. Die CSU fordert einen Vorrang für christliche Zuwanderer. Die EU will Abkommen mit mehreren afrikanischen Ländern schließen, die die Migration regeln sollen. Man spricht von Migrationspartnerschaften (zynischer Begriff; es geht um das Erkaufen von Hürden; eher Beruhigung der Wähler im eigenen Land). Afrikanische Staaten werden auch mit deutscher Überwachungstechnik ausgerüstet, um Flüchtlinge zu stoppen. Die Grenzkontrollen im Schengen-Raum werden verlängert. Auf dem Parteitag der CDU Ende 2016 dominiert die Flüchtlingspolitik. Die Abschiebepraxis soll verschärft werden. Bund und Länder einigen sich auch im Februar 2017 darauf, schneller abzuschieben. Anfang Februar 2017 findet ein EU-Treffen auf Malta statt. Ein 10-Punkte-Programm wird beschlossen. Kern ist die Bekämpfung der Migration aus Libyen (Lager in Afrika, Grenzbefestigung). Als Folge des Terroranschlags in Berlin verschärft die Bundesregierung das Vorgehen gegen Gefährder und erhöht die Abschiebungen. Einige Bundesländer erlassen einen Abschiebestopp für Afghanistan (mit Beteiligung der Grünen). Ein EU-Jurist will 2017 ein Visarecht für Verfolgte. Er bewirkt ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Das Flüchtlingsamt darf Handys von Asylbewerbern auslesen. Ungarn will ab 2017 alle Flüchtlinge internieren (Lager an der Grenze). Alle EU-Staaten wollen die Grenzkontrollen wieder verschärfen. Der EuGH lässt keinen neuen Weg für humanitäre Flüchtlinge über die Botschaften zu. Die nordafrikanischen Magreb-Staaten werden im März 2017 vom Bundesrat (Grüne) als nicht sicher eingestuft. Im März 2017 findet eine Innenministerkonferenz der EU und der Staaten Nordafrikas in Rom statt. Es geht um das Verhindern von Migration und um die Rücknahme von Flüchtlingen (insbesondere aus Libyen). Das Geschäft der Schleuserbanden soll unterbunden werden. Im März 2017 werden Kinderehen grundsätzlich verboten. Im April 2017 vergleicht der Papst Flüchtlingslager mit KZ (er hat einige besucht). Premierministerin May will in GB die Zahl der Zuwanderer pro Jahr unter 100.000 drücken. Österreich verschärft 2017 die Grenzkontrollen am Brenner zu Italien (wegen der Migrationsströme nach Italien). Deutschland will Italien helfen (Geld; Unterstützung in Nordafrika, Aufnahme von Flüchtlingen; Kontrolle der Rettungsschiffe). Ende August 2017 findet ein Flüchtlingsgipfel in Paris statt. Es geht um die Flüchtlingsströme aus Afrika (Flüchtlingsabkommen; bessere Bedingungen für Migranten in Libyen; Asylprüfung schon in Afrika). In den Gesprächen für eine Jamaika-Koalition ist das Flüchtlingsthema ein Knackpunkt (Obergrenze, Großlager). EU-Ratspräsident Tusk spricht sich im Dezember 2017 gegen die verbindlichen Quoten für Flüchtlinge in der EU aus. In den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD einigt man sich auf zentrale Flüchtlingslager (in die Kommunen erst nach Anerkennung), Höchstgrenzen 180.000 bis 220.000), begrenzter Familiennachzug (1000 pro Monat) und Sachleistungen (statt finanziellen Zuwendungen; wird wieder revidiert). "Ankerzentren" werden die zentralen Aufnahmelage genannt (auch die Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist dafür). Für das Jahr 2017 wurden 186.644 neue Asylsuchende registriert (Quelle: BAMF). Der Tübinger OB Boris Palmer fordert im Februar 2018 feste Wohnsitze für Flüchtlinge, um eine angemessene Verteilung zu gewährleisten (viele Städte verweigern die Aufnahme). Im April 2018 gibt es einen Koalitionsstreit über den Nachzug von Familien. Das Innenministerium will nur Flüchtlinge nach Deutschland lassen, deren Angehörige nicht Hartz IV beziehen. 2018 nimmt die EU insgesamt noch mal 50.000 Flüchtlinge aus Lagern auf. Davon kommen 10.000 nach Deutschland. Im Mai 2018 gibt es in der Bundesregierung Überlegungen, die Entwicklungshilfe an die Zurücknahme von Flüchtlingen in den Heimatländern zu koppeln. Die  Innenminister in der EU können sich bei einem Treffen in Luxemburg nicht auf ein baldige Reform des Asylpolitik einigen. Im Juni will Bundesinnenminister Seehofer einen Masterplan der Flüchtlingspolitik vorlegen. Das scheitert, weil er sich mit der CDU nicht einigen kann. Seehofer will mit Österreich und Italien "eine Achse der Willigen" bilden. Die Kanzlerin bietet einen Kompromiss. Sie braucht Zeit bis zum EU-Gipfel über Migration Ende Juni 2018. Dann soll eine Entscheidung fallen.  Mit Macron einigt sie sich am 19.06.18 über die Rücknahme von Flüchtlingen. Andere Staaten wie Italien, Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei sind gegen eine Rücknahme. Italien schließt auch seine Häfen für Rettungsschiffe. Der Streit um den Masterplan wird zur Farce, was kaum noch jemand versteht. Seehofer setzt wohl auf Abschreckung. Im Februar 2019 veranstaltet die CDU einen Migrations - Gipfel (Werkstattgespräch; Partei und Experten). Man will Härte und Humanität vereinen. Ein "Migrationsmonitoring" und ein Frühwarnsystem sollen eingerichtet werden. Die neue Regierung (Ampelkoalition) will eine neue Flüchtlingspolitik-. Irreguläre Migration soll reduziert (Rückführungsoffensive), reguläre Migration (Arbeitsverbote abschaffen) ermöglicht werden. Am 11.1022 findet ein Flüchtlingsgipfel in Berlin statt. Beteiligt sind Bund, Länder und Kommunen. Die Aufnahmegrenzen sind erreicht. Es geht auch um die Finanzierung. Der Bund stellt 56 zusätzliche Immobilien für die Unterbringung zur Verfügung. Im Herbst 2022 kommen monatlich ca. 12.000 Migranten nach Deutschland.  2022 kamen knapp 218.000 nach Deutschland, die höchste Zahl seit 2016. Die Ampel will die Flüchtlingspolitik neu ausrichten. Innenministerin Faeser lädt zu einem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern ein. Er findet am 16.2.23 in Berlin statt. Es werden neue Strukturen für die Zusammenarbeit vereinbart (u. a. Dashboard). Über die Werteilung der finanziellen Lasten kann man sich noch nicht einigen. Es werden Arbeitsgruppen eingerichtet. Eines der dringlichsten Probleme ist zusätzlicher Wohnraum. Die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Bundesländer fordern von Scholz im Juni 24 bei einem Treffen einen Kurswechsel in der Migrationspolitik (die AfD sitzt ihnen im Nacken). Die Grenzkontrollen der Fußballeuropameisterschaft sollten beibehalten werden. Auch die Ministerpräsidenten und Innenminister beraten im Juni 24 über Abschiebungen und Auslagerungen von Asylverfahren.   Im Jahre 2015 kamen 960.000 Flüchtlinge (ca. 1 Mio.) nach Deutschland. Bis Ende November 2015 gab es 356.000 unbeantwortete Anträge. Ca. 20% der Flüchtlinge sind nach erster Kompetenzerfassung direkt für den Arbeitsmarkt qualifiziert. Sie können hauptsächlich im Handwerk und im Dienstleistungsbereich eingesetzt werden. 2015 gibt es über 800 Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland. Ab 2016 wird ein eigener Ausweis für Flüchtlinge eingeführt. Die EU-Außengrenzen sollen notfalls notfalls von der EU selbst (Grenzschutzkorps, Frontex) gesichert werden können. Notfalls kann in Krisenzeiten auch gegen den Willen von Mitgliedsstaaten eingegriffen werden. Ein EU-Gipfel im Dezember 2015 versucht noch einmal, die Verteilung der Flüchtlinge in der EU zu regeln. Laut UN waren 2015 60 Millionen Flüchtlinge unterwegs. Auf einer internationalen Geberkonferenz in London werden Hilfsgelder gesammelt, die den Opfern des Bürgerkriegs in Syrien das Überleben sichern sollen. Es kommen 9 Milliarden Euro zusammen, Deutschland verspricht 2,3 Mrd. €. Am 18.02.2016 beginnt ein EU-Gipfel, der die Verteilung der Flüchtlinge in der EU regeln soll. Er endet ohne Ergebnis. Anfang März soll ein weiterer Sondergipfel mit Beteiligung der Türkei stattfinden. Österreich, Slowenien, Kroatien, Serbien uns Mazedonien schließen die Grenzen. Wichtige Bausteine der europäischen Grenzsicherung funktionieren noch nicht (Hotspots, Rückführungsabkommen zwischen der Türkei und Griechenland). Bis Jahresende 2016 soll die Ordnung der Innen- und Außengrenzen wiederhergestellt sein. Bis Februar 2016 kommen 103.000 neue Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Griechenland. Nach Deutschland sind 38.570 über die Grenze gekommen. Die Zahl der Flüchtlinge nimmt im März 2016 aufgrund der Grenzschließungen stark ab (4587). Weil die Flüchtlingsverteilung innerhalb Europas nicht klappt, sollen Dörfer und Städte helfen, die dafür Geld bekommen. Im Mai 2016 wird das Lager Idomeni in Griechenland an der Grenze zu Mazedonien geräumt. Die Flüchtlinge werden umgesiedelt. In Nord-Frankreich wird das Flüchtlingslager in Calais geräumt. Viele Flüchtlinge gehen nach Paris. Der Bundesinnenminister plädiert dafür, Flüchtlinge, die im Mittelmeer gerettet oder aufgegriffen werden nach Afrika zurückzubringen. 2016 wurde 22.000 Migranten die Einreise nach Deutschland verweigert (überwiegend aus Afghanistan, Syrien, Irak und Nigeria). 54.000 Flüchtlinge reisten freiwillig wieder aus Deutschland aus. Die EU-Kommission hat im Juni 2017 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen, Ungarn und Tschechien wegen Weigerung zur Aufnahme von Flüchtlingen eröffnet. Italien erwägt 2017, seine Häfen für nicht italienische Rettungsschiffe zu schließen (Geduld geht zu Ende wegen fehlender europäischer Solidarität). Die Kooperation von Italien mit der libyschen Küstenwache führt zu einem Rückgang der Flüchtlingsströme um 90%. Die Anzahl der illegalen Einreisen in die EU ist 2017 stark gesunken: 204.700 gegenüber 511.000 im Jahre 2016 und 1,8 Mio. 2015. Die Flüchtlingsrouten ändern sich. Es gibt eine zunehmende Migration über das westliche Mittelmeer nach Spanien (Quelle: Grenzschutzagentur der EU "Frontex"). Im Juni nimmt Spanien nach dem Regierungswechsel (sozialistische Regierung) 629 Flüchtlinge vom Rettungsschiff "Aquarius" auf. Vorher hatten sich Italien (auch mit neuer Regierung) und Malta geweigert. Italien sperrt seine Häfen für Flüchtlingsboote. Mit Spanien wird am 08.08.18 ein Rückführungsabkommen geschlossen. Entsprechende Abkommen sollen auch mit Griechenland und Italien geschlossen werden. Am 17.08.18 kann auch mit Griechenland ein Rücknahmeabkommen geschlossen werden. Am 08.12.21 wird Reem Alabali-Radovan neue Integrationsbeauftragte der neuen Bundesregierung (Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration im Bundeskanzleramt). Sie wurde als Tochter irakischer Eltern in Moskau geboren. Im Februar 2023 machen Grünen-Realos einen Vorstoß für eine neu gestaltete Migrationspolitik. Die Anzahl illegaler Einreisen über Ostdeutschland nimmt 2023 zu. Belarus organisiert das.

Verteilung der Flüchtlinge auf Kommunen: 2022 gibt es in den Kommunen Engpässe bei der Verteilung der Flüchtlinge. Der Deutsche Städtetag macht darauf aufmerksam. Die Aufnahmekapazität einiger müsse erhöht werden, ebenso wie die angemessene Kostenerstattung. Immer mehr Bundesländer lassen sich sperren, weil die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine extrem hoch ist.

Flüchtlingsgipfel 10.5.23 und 6.11.23, auch Verschärfung Dezember 23, weiterer Gipfel 6.3.24, August 2024, 3. September 24, 10.9.24: Bund und Länder wollen ihren Streit schlichten. Es geht um Kosten, Problemlösung, Unterbringung, Integration, Abschiebung, Auffanglager an den EU-Grenzen u. a. Die Unterbringung vor Ort organisieren die Kommunen. Die fordern auch dringend mehr Hilfe. Im Kern geht es um Steuerung und Kontrolle der Migrationspolitik in Deutschland. Es gibt wechselseitige Appelle vor dem Gipfel. Es gibt zusätzlich vom Bund 1 Mrd. €. Ein atmendes System soll entwickelt werden. Entscheidend ist das Paket: Es sollen Migrationspartnerschaften entwickelt werden, die Abschiebung konsequenter durchgesetzt, Integrationskonzepte aufgebaut werden, Asylverfahren beschleunigt werden, verbesserter Informationsaustausch. Am 6.11.23 erzielen Bund und Länder in einer Konferenz mit dem Kanzler in Berlin einen Durchbruch: Es kommt ab 2024 eine Pro-Kopf-Pauschale pro Flüchtling. Der Bund zahlt 7500 €. Damit entsteht ein "atmendes System". Die Leistungen für Asylbewerber werden gekürzt: 36 Monate wird Geld nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gezahlt (damit spart man 1 Mrd. € ein, die die Kommunen erhalten). Das Geld wird in der Hauptsache mit einer Karte für Sachleistungen ausgezahlt (sie wird bundeseinheitlich vom Bund entwickelt). Zusätzlich gibt es nur ein kleines Taschengeld. Die Durchführung von Asylverfahren in Drittstaaten wird geprüft. Die Union erklärt den Deutschlandpakt zur Migration damit für erledigt. Im Dezember 2023 kommen weitere Verschärfungen: Schnellere Einbürgerungsfristen (5 bzw. 3 Jahre), doppelte Staatsbürgerschaft, schnellere und effektive Abschiebungen, Hilfszahlungen später. Am 6.3.24 macht man weitere Fortschritte: 1. Bezahlkarte. 2. Ausweitung der sicheren Herkunftsländer. 3. Prüfung von außereuropäischen Auffangzentren. 4. Druck auf die Herkunftsländer zur Rücknahme verstärken. Nach dem Messeranschlag in Solingen mit drei Toten wird eine weitere Verschärfung beschlossen: Verbot von Messern auf Festen und in Zügen (Waffenrecht). Streichung von Sozialleistungen bei Dublin-Flüchtlingen. Mehr Überwachung an den Außengrenzen Deutschlands. Auf dem Treffen am 3.9.24 wird der Druck stärker, dass es Zurückweisungen an der deutschen Grenze braucht, weil das EU-System nicht funktioniert (Grenzkontrolle an deutschen Außengrenzen & Zurückweisung). Dann würde sich durch Anwendung der Dublin-Regel der Druck auf andere EU-Staaten verlagern. Es wäre aber ein Verstoß gegen europäisches Recht. Es müsste ein Notfall ausgerufen werden. Innenministerin Faeser ordnet ab 16.9.24 die Kontrolle an allen deutschen Grenzen an (6 Monate?). Polen und Österreich protestieren. Die anderen Länder halten sich zurück. Der Gipfel mit der CDU scheitert am 10.9. Die Bundesregierung will die Zurückweisung an den Grenzen innerhalb der Gesetze abwickeln. Die CDU ist für eine striktere Zurückweisung. Die Beurteilung der Gesetzeslage ist umstritten. Merz, der Vorsitzende der CDU, macht der Ampel-Regierung das Angebot, dei umfassende Zurückweisung an der Grenze drei Monate zu testen. Das Sicherheitspaket wird im Bundestag beraten. Zum Ende des ersten Halbjahres 2024 lebten in Deutschland 3,48 Millionen Geflüchtete. Ein Drittel aller Geflüchteten kamen aus der Ukraine.

Steuerung der Migration nach Deutschland durch die Politik: Mit vielen Staaten hat Deutschland ein Rücknahmeabkommen geschlossen (Albanien, Algerien, Armenien, Benelux, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Estland, Frankreich, Guinea, Kroatien, Kosovo, Lettland, Litauen, Nord-Mazedonien, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz, Serbien, Slowakei, Südkorea, Syrien, Tschechien, Ungarn, Vietnam. Migrationsabkommen gibt es mit Marokko, Indien, Georgien. Migrationsabkommen sind 2024 geplant mit Ghana, Moldau, Usbekistan, Kirgistan, Kenia, Kolumbien. Pflegekräfteabkommen gibt es mit Indonesien, Jordanien, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Tunesien. Eine Absichtserklärung liegt für Brasilien und Vietnam vor. Quelle: Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages 2024-

Migrationsabkommen: Sie dienen sowohl der Arbeitskräftesicherung in Deutschland als auch der Rückführung (siehe oben). Sie wurden geschlossen mit Marokko, Indien, Georgien und Kenia. Bei den Fachkräften geht es in der Regel um Pflege und Gastgewerbe. Mitte September schließt Bundeskanzler Scholz bei einem Besuch in Usbekistan ein weiteres Migrationsabkommen. 

Ausländerbehörden: 549 Ausländerbehörden verteilen über Deutschland. Sie entscheiden darüber, ob und wie lange jemand in Deutschland bleiben kann, ob er arbeiten darf oder ausreisen muss. Dei Behörden sind in der Regel unterbesetzt. Die Mitarbeiter könnten auch besser geschult werden. Sie können kaum mit der Flut der Gesetze, Verordnungen und Erlasse Schritt halten.

Drittstaatenregelung: Die Asylbewerber stellen ihre Anträge in Drittstaaten z. B. in Nordafrika. Dort wird der Antrag auch geprüft. Die Möglichkeit sieht der Koalitionsvertrag schon vor. Damit soll die gefährliche Reise über das Mittelmeer verhindert werden.

Einbürgerungen: 2021 haben sich in Deutschland 20% mehr Menschen einbürgern lassen als im Jahr zuvor. Insgesamt waren es 131.600. 1911 syrische Staatsangehörige wurden eingebürgert. Dann kamen Menschen aus der Türkei, Rumänien, Polen und Italien. Jede vierte Person hatte bereits einen Pass eines EU-Mitgliedslandes. 2022 steigt die Zahl der Einbürgerungen auf 168.545. Seit dem Jahr 2022 wurden nicht mehr so viele deutsche Pässe verliehen. An der Spitze stehen Syrer (48.320) vor Türken (14.235).

Erleichterung der Einbürgerung ab 2023: Sie soll Deutschland attraktiver machen. Die Bundesregierung arbeitet an konkreten Konzepten. Zielgruppe sind vor allem die Ausländer mit Aufenthaltstatus und zum Teil Geduldete.. Hürden für die deutsche Staatsangehörigkeit sollen verringert werden (auch nach kürzerer Zeit, 5 Jahre statt 8). Nach besonderen Integrationsleistungen sollen 3 Jahre reichen.  Bei Teilnehmern ab 57 Jahre sollen die Anforderungen an die Sprache gesenkt werden. Mehrstaatlichkeit soll erleichtert werden. Generell soll ein neues Einwanderungsrecht kommen. Daneben sollen Asylverfahren beschleunigt werden. CDU und FDP sind gegen die Pläne. 

Reform des Staatsbürgerrechts: Ein Referentenentwurf liegt im Mai 2023 vor. Er setzt die im vorherigen Abschnitt beschriebenen Maßnahmen um. Einbürgerungen sollen vereinfacht werden, sie sollen auch schneller möglich sein. . Doppelte Staatsbürgerschaften sollen grundsätzlich möglich sein. Einbürgerung ist schon nach 5 Jahren möglich (bisher 8, gilt auch für in Deutschland geborene Kinder).

Scheinvaterschaft: 2024 kommt ein Gesetz zur Verhinderung. Die Ausländerbehörden müssen prüfen, ob es sich um einen Betrugsversuch handelt ("Aufenthaltsrechtsgefälle").

Geld oder Guthaben für Flüchtlinge (Bezahlkarte): Es häufen sich die Vorschläge, den Flüchtlingen nur noch Sachleistungen zu geben. Befürworter wollen so die Zuwanderung nach Deutschland begrenzen. Man sieht einen Anreiz. Außerdem werden mit den Geldern Schleuser bezahlt. In vielen Staaten Westafrikas leben Dörfer zum großen Teil von den Geldrückflüssen seiner Auswanderer. Vgl. Böhm, Andrea: Der Migrationshintergrund, in: Die Zeit 4/ 18.01.24, S. 4. Im Januar 2024 einigen sich dei Bundesländer auf Standards zur Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber anstelle von Barauszahlungen. Zwei Landesregierungen (By, MV) wollen aber bei der Umsetzung eigene Wege gehen. Die Karte soll spätestens im Herbst 2024 kommen, möglichst schon im Sommer. In Bayern wird sie schon im Januar 2024 eingeführt. Die Grünen sträuben sich noch. RP will sie im Sommer 24 einführen. Am 12.4.24 beschließt der Bundestag eine bundeseinheitliche Rechtsgrundlage. 14 der 16 Bundesländer wollen ein einheitliches System. Bayern und M.- V. machen ein eigenes System. Schließlich einigen sich im Juni 24 auch alle Bundesländer auf eine Bezahlkarte. Nur noch 50 Euro pro Monat sollen in Bargeld ausgezahlt werden. Allerdings dürfte die Bezahlkarte nicht mehr 2024 kommen.

Pull-Effekt bei Flüchtlingen: Geld- und Sozialleistungen für Asylbewerber locken Flüchtlinge an, so eine gängige These. Da kaum ein anderes Land so viel Geld an Einwanderer verteilt wie Deutschland, sehen viele hier die Ursache für die hohe Migration. Wissenschaftler können diese These bestätigen, aber auch nicht belegen. Ole Agersnap, Amalie Sofie Jensen und Henrik Kleven sprechen eher für falsifizieren. Dänemark und die Ökonomen Peter Huber und Fanny Dellinger von WIFO verifizieren eher. Herbert Brücker vom IAB/ Nürnberg sagt folgendes: "Entscheidend ist, ob Flüchtlinge Zugang in ein Land erhalten und ob sie dort bleiben können". Vgl. auch Fischer, Malte: Lockruf des Geldes, in: WiWo 46/ 2023, S. 34f.

Arbeits-Status bei unterschiedlichen Gruppen (2023): 1. Gesamtbevölkerung: 70% erwerbstätig, 7% arbeitslos. 2. Ukrainer: 25% erwerbstätig, 49% arbeitslos. 3. Asylbewerber: 43% erwerbstätig, 29% arbeitslos. Quelle: IAB, Nürnberg

Kriminalität und Gewaltkriminalität bei Migranten: 2024 ist in der Statistik auffällig, dass die Zahl ausländischer Tatverdächtiger stark gestiegen ist. 40% der Straftaten werden von Ausländern verübt (Anteil an der Bevölkerung 15%). Besonders stark ist der Anteil bei Taschendiebstahl und Raubdelikten. Risikofaktoren bei Flüchtlingen sind Gewalterfahrungen (psychische Belastungen)  im eigenen Land und die Lebenssituation in Aufnahmeeinrichtungen.

Obergrenze für Migration: Sie wird immer wieder diskutiert. Sie ist kaum in Zahlen eingrenzbar. Sie ergibt sich durch die Belastung der Institutionen. Die de facto Obergrenze heißt "survival of the fittest".

Europäische Flüchtlingspolitik der EU: Die Flüchtlinge kommen in der Regel auf dem Seeweg. Drei Länder sind in erster Linie betroffen: Spanien (2017: 8677), Italien (2017: 97.462), Griechenland (2017: 12.725). Die EU muss eine gerechte Verteilung schaffen. Sie muss vor Ort in Afrika helfen. Sie muss die Außengrenzen besser kontrollieren. Sie muss den afrikanischen Ländern beim Aufbau helfen und ungerechten Handel begrenzen. Eventuell müssen Transitzentren eingerichtet werden. Vgl. Abe, N./ Elger, K./ Schaap, F.: Die Jahrhundertfrage, in: Der Spiegel , Nr. 35/25.08.18, S. 10ff. 2018 fürchtet Griechenland eine Fluchtwelle aus der Türkei wegen der politischen und wirtschaftlichen Lage dort. 2018 gelingt es Deutschland mit Spanien, Griechenland und Italien Rückführungsabkommen zu schließen (davon sind aber nur wenige Asylbewerber betroffen). Im September 2018 schränkt Italien sein Asylrecht ein (Sicherheitsdekret): Keine Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen mehr. Asylanten können bis zu 180 Tagen in Abschiebehaft bleiben können.  Ab Ende 2018 erprobt die EU Künstliche Intelligenz  (Lügendetektor) an der Grenze zu Drittstaaten. Ende Februar 2019 gibt es ein Gipfeltreffen zwischen der EU und der Arabischen Liga in Scharm El-Scheich/ Ägypten. Die Europäer erwarten von den Nordafrikanern mehr Grenzsicherung. Die Anlandezentren sind vom Tisch. Ende März 2019 beendet die EU den Einsatz der Marine vor Libyen (Italien will die Flüchtlinge nicht, die Verteilung auf andere Staaten funktioniert nicht). Private Schiffe von NGO kreuzen weiter. Italien schließt dafür allerdings Lampedusa. Die Hilfsorganisation Sea-Watch tut sich durch den Einsatz von Schiffen hervor. Die Kapitänin der Sea-Watch 3 wird verhaftet. Macron in Frankreich vollzieht im September 2019 eine Wende in der Migrationspolitik. Er kündigt härtere Vorgaben an. Hintergrund scheint ein Blick auf Wahlen zu sein. Bei einem kleinen Migrationsgipfel auf Malta wollen im September 2019 fünf Staaten der EU ausloten, ob es in der Flüchtlingspolitik Gemeinsamkeiten gibt. Im November 2019 beschließt die EU den Ausbau der Grenzschutzbehörde Frontex. Ende 2019 verschärft Griechenland seinen Flüchtlingskurs. Die Migranten sollen zum großen Teil von den Inseln auf das Festland oder in die Türkei abgeschoben werden. Im November 2019 werden 213 im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge erstmals zwischen Deutschland, Frankreich, Italien und Malta aufgeteilt. Einige (Grüne, Linke, Kirchen) fordern die Aufnahme unbegleiteter Minderjähriger aus dem Kreis der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln. Dafür spricht die Situation in den Lagern, dagegen die Sogwirkung. Im Zug der Corona-Krise (Covid-19) kommt eine Sperrung der EU-Außengrenze. Damit können auch Flüchtlinge nicht mehr über die Grenze. 2019 haben die EU-Staaten weniger Menschen Asyl oder einen anderen Schutzstatus gewährt als im Vorjahr (27 Länder ohne GB: 295.785; jeder vierte positive Bescheid an Syrer). Das Virus stoppt auch die Migranten in der Ägäis. Im Mai 2020 hebt die britische Regierung die Freizügigkeit auf. Künftig brauchen auch EU-Bürger ein Arbeitsvisum. Im Sommer kommt die Aufnahme von Flüchtlingen in der EU fast zum Stillstand. Grund ist Corona. Italien lässt z. B. Flüchtlinge von einem Schiff nur auf ein Quarantäne-Schiff. Wieder mehr Flüchtlinge kommen über die Balkanroute. Viele stranden in Bosnien oder Kroatien. Die Innenminister der EU versuchen, eine Lösung zu finden (Staaten können Hilfe anders leisten?). Dublin ist wohl gescheitert. Doch welches Asylsystem kommt danach? Die EU baut ein neues Asylsystem: 1. Schnellere Asylverfahren. 2. Keine Verteilungsquoten. 3. Hilfe für die am stärksten betroffenen Staaten Italien und Griechenland. 4. Flexiblere Beiträge der einzelnen Staaten. 5. Freiwillige Solidarität. 6. Innenminister machen konkrete Regelungen. Die Visegrad - Länder lehnen die Vorschläge der EU-Kommission ab. Die Flüchtlingsproblematik in der EU bekommt den "gordischen Knoten" nicht geknackt: Die südlichen Mittelmeerländer Italien, Spanien, Griechenland und Malta wollen eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge, die osteuropäischen Länder weigern sich kategorisch, Flüchtlinge aufzunehmen. Die EU beschließt im November 21 eine Flüchtlingsagentur auf Malta einzurichten. Das ist ein Ausbau des Unterstützungsbüros für Asylfragen (Easo) zur einer eigenständigen Agentur. Im Juni 2022 einigt man sich in der EU über eine Umverteilung der Flüchtlinge. Doch das ist noch keine einheitliche Migrations- und Flüchtlingspolitik. Einige Staaten sind sehr stark belastet (Griechenland, Italien). 2022 kommen viele Flüchtlinge über Serbien in die EU. Sie kommen aus Syrien, Afghanistan und auch aus Indien. Die EU will Serbien dazu bewegen, seine Grenzen besser zu kontrollieren (auch Änderung der Visums-Politik). Immer mehr Flüchtlingsboote nehmen Kurs auf Mallorca und Ibiza. Im Februar 2023 findet ein Flüchtlingsgipfel der EU statt (Regierungschefs): 1. Die Abschiebungen sollen verstärkt werden (mit Wirtschaftshilfe verknüpfen). 2. Die Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei soll besser gesichert werden. 3. Die Flüchtlingszahlen sollen mit allem Mitteln verringert werden (auch Hilfe in den Ursprungsländern, legale Migration). 2022 hatte die EU so viele Asylanträge zu verzeichnen wie seit sieben Jahren nicht mehr. Dei meisten Schutzsuchenden kommen aus Syrien und Afghanistan. Die rund vier Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine sind nicht eingerechnet. 2023 steigt wieder stark die Zahl der Flüchtlinge über das Mittelmeer an. Die meisten streben Lampedusa in Italien an. Nach einem UN-Bericht leistet die EU Beihilfe zu Straftaten in Libyen, weil sie die Küstenwache dort unterstützt. Die Küstenwache betreibt Einrichtungen, in denen Menschen gefoltert, erpresst, vergewaltigt und ermordet werden. Nach dem Begin des Ukraine-Krieges 2022 gewinn eine These immer mehr an Gewicht: Russland setze die Wagner-Truppe systematisch in Afrika ein (Mali, Sudan u. a.), um Flüchtlingsströme auszulösen, die Europa destabilisieren sollen. Die EU will eine Asylprüfung an der Außengrenze. Die Kontroverse um die Flüchtlingspolitik hält aber an.  Es geht nicht nur ums Geld. Schließlich kommt man zu einer Lösung: Auffanglager an den Außengrenzen (allerdings nur für maximal 30.000, 3,5%), Quoten in der EU, man kann sich freikaufen.  2018 sind mehr als 20.000 Flüchtlingen in griechischen Auffanglagern. Besonders sind die Lager auf den Inseln in der Ostägäis (Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos). Berüchtigt ist das Lager "Moria" auf Lesbos. Menschenrechtsorganisationen beklagen die Situation. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Ende Februar 2019 den Umgang mit minderjährigen Flüchtlingen in Frankreich und Griechenland als "unmenschlich und entwürdigend" gerügt. SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley will bei der Flüchtlingspolitik aktive Städte belohnen. Ein europäischer Fonds soll geschaffen werden, bei dem Gemeinden, Städte und Kreise Geld abrufen können, wenn sie Flüchtlinge aufnehmen. Im Mai 2019 beschlagnahmt Italien das deutsche Rettungsschiff "Sea-Watch". Kapitänin Rakete muss laut Gericht aus der Haft entlassen werden. Die EU hatte die Rettung von Geflüchteten im Mittelmeer vorerst eingestellt. Einige NGO haben ihre Seerettungsnotschiffe (Sea-Watch3, Alan Kurdi) weiterhin im Mittelmeer im Einsatz und müssen sich Aufnahmeländer suchen. Sie beherrschen die Schlagzeilen. Dabei nimmt die Zahl der Bootsflüchtlinge ab, die in Südeuropa ankommen. Es werden auch weniger Todesopfer registriert. Der Bundesinnenminister spricht sich im Juli 2019 gegen Aufnahmequoten für EU-Länder aus. Die EU muss eine Lösung im Streit über die Verteilung der Migranten finden. Rettungsschiffe haben immer größere Schwierigkeiten, aufnehmende Häfen zu finden. Italien beschleißt im August 2019 drastische Strafen gegen private Seenotretter (Strafe bis zu einer Million Euro, Beschlagnahmung des Schiffes). Im September 2019 übt der türkische Ministerpräsident Druck aus auf die EU. Er will eine Sicherheitszone im norden Syriens. Andernfalls will er die Grenze nach Griechenland nicht mehr bewachen lassen. In dem völlig überlasteten Flüchtlingslager Moria auf Lesbos herrschen 2019 chaotische Zustände. Der Chef tritt zurück wegen Ermüdung. Die Bundesrepublik will zukünftig (ab 2019) jeden vierten Bootsflüchtling aufnehmen. Die Lage auf den griechischen Inseln vor der Türkei wird immer dramatischer (Lesbos, Chios, Samos). Die Einheimischen protestieren heftig gegen Erweiterungen der Lager. Die Türkei droht mit der Öffnung ihrer Grenze für Migranten. Sie will Hilfe der Nato in Idlib. Die Europäische Union fürchtet eine neue Flüchtlingskrise. Griechenland und Ungarn setzen das Asylrecht für einen Monat aus. Die EU sichert Griechenland ihren Beistand für die Grenzsicherung zu. Im Mai 2020 verurteilt der EuGH die harte Flüchtlingspolitik Ungarns. Die Asylbewerber-Zone sei wie Haft. Im September 2020 brennt das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos nieder. Bisher galt der Abschreckungseffekt. Je schlimmer die Zustände in den griechischen Lagern sind, desto größer der Effekt. Was kommt jetzt? Das Lager wird wieder aufgebaut. Wenige Flüchtlinge (unbegleitete Kinder und Jugendliche) sollen von einigen EU-Ländern aufgenommen werden. Die griechische Regierung vermutet abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan hinter der Brandstiftung und den Protesten gegen ein neues Lager. Die deutsche Regierung einigt sich darauf, 150 Minderjährige und 408 Familien (1553 Personen) aufzunehmen. Im Oktober 2020 kommen immer mehr Flüchtlinge aus Nordafrika auf den Kanarischen Inseln Spaniens an. Griechenland baut einen Stahlzaun und Wachtürme am Evros. Man fürchtet, dass Erdogan wieder Flüchtlinge an die Grenze transportieren lässt. Auf Grab Canaria herrscht eine explosive Stimmung gegen die Migranten. Die EU kann nicht auf Dauer bestimmte Inseln zu Gefangenenlagern umbauen (Lesbos, Lampedusa, Gran Canaria). Die Republik Zypern baut Stacheldraht und Sperranlagen gegen Migranten. Im Mai 2021 kommen Tausende Migranten in die spanische Exklave Ceuta. Sie werden größtenteils zurückgebracht. Marokko hat sie passieren lassen wegen der spanischen Westsahara-Politik. 2021 muss ein neuer Deal zwischen der EU und der Türkei ausgehandelt werden. Es wird um Summen in Milliardenhöhe gehen. Der Gipfel der Staats- und Regierungschefs beschließt am 25.6.21 Milliarden zur Verfügung zu stellen. Immer mehr Flüchtlinge wollen mit dem Schlauchboot von Frankreich über den Ärmelkanal nach GB. In der ersten Hälfte 2021 waren es schon 8500. Frankreich und GB treffen eine Vereinbarung. Wegen der Öffnung der Grenzen in Belarus (Vergeltung von Lukaschenko gegen die EU) kommen immer mehr Migranten 2021 über diese Route: Seit August bis Anfang Oktober 2021 4300Menschen aus Syrien, Jemen, Iran. Allein im Oktober kommen dann 4900 Migranten. Polen baut Grenzbefestigungen (353 Mio. € für die Grenzanlage, über 100 km). Auch Litauen und Lettland sind betroffen. Auch Deutschland verstärkt seine Grenzüberwachung. Lukaschenko nutzt die Uneinigkeit der EU in Flüchtlingsfragen aus.  Der Irak holt Flüchtlinge schon wieder zurück. Die EU macht Druck auf die Fluglinien und die Konsulate der betroffenen Länder. Im Juni 2022 will GB Flüchtlinge nach Ruanda auslagern. Dafür wird Geld gezahlt. Es soll eine Abschreckung sein. Der Europäische Gerichtshof stoppt vorläufig die Aktion. Im Herbst 22 kommen wieder mehr Flüchtlinge über die Balkanroute (Afghanistan, Syrien, Irak). Auch über das Mittelmeer kommen wieder mehr Flüchtlinge. Die rechte italienische Regierung will keine Migranten mehr aufnehmen. Europa wird ab 2021 wieder zum Zufluchtsort für Flüchtlinge. Die Erstanträge steigen rapide an und das noch in der Corona-Zeit. eine bessere Verteilung innerhalb der EU ist nicht in Sicht. Es geht um Abschiebung und Abschottung. Vgl. Elger, Katrin u. a.: Kontinent der Zäune, in: Der Spiegel 6/ 4.2.23, S. 28ff. Im Februar 2023 kommen bei einem Bootsunglück vor der italienischen Küste 59 Migranten ums Leben. 966.000 Asylanträge wurden 2022 in der EU, Schweiz und Norwegen gestellt. Die Rangfolge der Herkunftsländer lautet: Syrien, Afghanistan, Türkei, Venezuela, Kolumbien, Pakistan, Bangladesch, Georgien, Ukraine, Irak. 2023 im Sommer wird der höchste Halbjahresstand an Asylanträgen in der EU registriert (519.000). Auf das Gesamtjahr dürften mehr als eine Million Anträge kommen. 2024 meldet die EU-Grenzschutzorganisation Frontex einen deutlichen Rückgang der illegalen Grenzübertritte. Nur im Osten der eU werden es mehr.

Außereuropäische Auffangzentren für Flüchtlinge (Ruanda-Modell/ GB, auch Albanien-Modell/ Italien): Der Vorschlag taucht 2018 immer öfter auf. Unter anderem auch vom EU-Ratspräsidenten Donald Tusk. Den Vorschlag gibt es seit 2014. Die Auffangzentren sollen vor allem in Afrika eingerichtet werden. Man spricht auch von Ausschiffungsplattformen.  Mit 3,5 Mio. Flüchtlingen nimmt die Türkei weltweit die meisten auf. Die Auffanglager in Nordafrika wird es nicht geben. Alle betroffenen Länder äußern ein klares "Nein". GB greift 2022 zu drastischen Maßnahmen: Migranten werden für die Dauer ihres Asylantrags nach Ostafrika (Ruanda) geschickt. Damit sollen Wirtschaftsflüchtlinge von der illegalen Überfahrt über den Ärmelkanal abgeschreckt werden. Das kann bis zu 3000 Pfund pro Flüchtling kosten, ist also extrem teuer. Es geht auch um Wahlkampf (Kommunalwahl). Die Bundesregierung will Migrationszentren in Quellenländern ausbauen. Sie sollen sich in einigen Ländern auch um Beratung von Fachkräften kümmern, die Chancen in Deutschland haben. Als vorbildlich gilt das Migrationszentrum in Nigeria.  dort werden dann auch Rückkehrer betreut. Italien baut 2024 Flüchtlingszentren mit insgesamt 3000 Plätzen in Albanien. GB kooperiert mit Ruanda. Der "Rwanda asylum plan" wird entwickelt: Jeder Flüchtling kann nach Ruanda gebracht werden. Dort findet das Asylverfahren statt. Abgeschobene sollen auch integriert werden. Diesen britischen Asylpakt stoppt im November 2023 vorerst das Gericht. Die Abschiebung von Flüchtlingen wird untersagt. Italien schließt 2023 ein Abkommen mit Albanien. Es sollen Flüchtlingslager auf einem ehemaligen Militärgelände gebaut werden. Flüchtlinge, die noch nicht italienisches Hoheitsgebiet betreten haben, sollen dort untergebracht werden. die Frage ist, was mit den nicht anerkannten geschehen soll. Man setzt wohl auf den Abschreckungseffekt. Der Supreme Court verwirft das Gesetz. Die Regierung Sunak kommt mit einem Plan B: Eilgesetz und internationaler Vertrag mit Ruanda. Ruanda wird zum sicheren Drittstaat erklärt. Dem Staatsminister für Migration und Braverman geht das Gesetz nicht weit genug. Italien schließt eine Kooperation mit Albanien. Dorthin sollen die aufgegriffenen Bootsflüchtlinge gebracht werden und nach italienischem Recht gemäß EU-Regeln beurteilt werden. Die Frage bleibt, was mit den abgelehnten Asylbewerbern geschieht. Sie könnten auf der Balkan-Route mach Deutschland kommen. 30 Experten sprechen sich in der Mehrzahl gegen das Drittstaatenmodell aus (Gutachten für das BMI). Sowohl das Ruanda-Modell aus GB als auch das italienische Albanien-Modell hätten große Schwächen. Es geht nicht nur um rechtliche Einwände, sondern auch um die Praxis. Der neue Regierungschef in GB Keir Starmer stoppt sofort das Ruanda-Modell. Im Oktober 2024 kommt eine erste Gruppe von Flüchtlingen nach Albanien. Ein Gericht in Italien verbietet die Haft in Albanien. Das Gericht stoppt dann die Abschiebung nach Albanien ein zweites Mal.

Frontex: Frontex ist die EU-Grenzschutzagentur. Sie soll dei illegale Einwanderung und die grenzüberschreitende Kriminalität bekämpfen. Die Nationalstaaten sollen unterstützt werden. Der Europäische Rechnungshof stellt der Organisation 2021 ein schlechtes Zeugnis aus.

Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei: Er umfasst sechs Milliarden Euro. EU-Mittel gehen an verschiedene Organisationen in der Türkei vor Ort: World Food Programme  1395 Mio. €, Türkisches Bildungsministerium 700, Internationales Rotes Kreuz/ Roter Halbmond 500, KfW 405, Unicef 201, Weltbank 200, Französische Entwicklungsagentur 196, UN-Flüchtlingshilfswerk 63, Türkische Generaldirektion für Flüchtlingsmanagement 60, Entwicklungsprogramm der UN 50. Das meiste Geld kommt aus Deutschland (643,4 Mrd. €, dann folgen GB, Frankreich, Italien, Spanien. Quelle: WiWo 12, 13.3.2020, S. 30f. 

Ankerzentren: Die ersten werden in Deutschland in Bayern eingerichtet (Transit- und Erstaufnahmelager). Sie sollen die Asylverfahren beschleunigen. Es gibt sie ab 01.08.2018. Pro Zentrum sollen 15.000 Menschen leben. Standort sind Ingolstadt, Bamberg, Zirndorf, Donauwörth, Regensburg, Deggendorf und Schweinfurt Die Kritik bezieht sich vor allem auf die Ghettoisierung. Auch Sachsen richtet Ankerzentren ein.

Berlin-Tegel: Größte Flüchtlingsunterkunft in Deutschland. hier leben 2024 rund 5000 Menschen. Die Kosten liegen bei einer halben Milliarde Euro pro Jahr.

"Goldene Pässe": Zypern, Malta und Bulgarien verleihen Nicht-EU-Bürgern die Staatsbürgerschaft gegen Geld (Zutritt in die EU verkaufen). Man muss dazu nicht in den Staaten gewesen sein. Es gibt wachsende Kritik daran in der EU-Kommission. Griechenland und Spanien verdienen auch Milliarden mit dem Verkauf von Aufenthaltstiteln. Reiche Chinesen treiben die Mieten. Griechenland hält an dem Visum als Luxusgut fest. Beliebt ist das Anafiotika-Viertel in der Altstadt Athens. Dei Regierung plant trotz Kritik nur leichte Korrekturen.  Spanien schafft 2024 die "Goldvisa" ab. Das Parlament muss noch zustimmen. Der Beschluss richtet sich vor allem gegen russische Oligarchen. Es gibt auch Schleuserbanden, die sich auf reiche Ausländer spezialisiert haben. Sie verkaufen Chinesen oder auch Indern, Südafrikanern gegen viel Geld Aufenthaltstitel. Sie arbeiten mit einem Residenz-Programm im Internet. Sie werben mit dem Bildungs- und Gesundheitssystem und den Investitionsmöglichkeiten. Im April 2024 deckt die Budnespolizei einen solchen Schleuserring auf. Vgl. Die Rheinpfalz 18.4.24, S. 1

Schengen-Visa: Es sind Arbeitsvisa. 2023 gerät Polen in die Kritik Kein anderer Staat in Europa erstellte Arabern, Asiaten und Afrikanern so viele Arbeits-Visa wie Polen. Offiziell behauptet Polen, ein Bollwerk gegen illegale Migranten zu sein. Die Regierungspartei Pis gerät im Wahlkampf unter Druck.

Flüchtlinge aus der Ukraine 2022: Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine (24.2.22) fliehen Hunderttausende von Menschen in die Nachbarländer (Polen nimmt die meisten auf). Diese nehmen auch auf. Auch Deutschland nimmt Flüchtlinge auf. Sie erhalten einen dreijährigen Aufenthaltsstatus in der EU. Im März 22 sind es schon über eine Million Menschen, Mitte März 22  3 Mio. Menschen. Es fliehen hauptsächlich Frauen und Kinder. Alle Nachbarländer nehmen Flüchtlinge auf, auch Belarus und Russland. Die meisten Menschen fliehen nach Polen (bis 16. März 1,900.000). Es ist die massivste Fluchtbewegung seit dem 2. Weltkrieg. Auch in Deutschland ist die Hilfsbereitschaft riesig. Viele Städte geraten an ihre Grenzen (z. B. Berlin). Die Finanzierung und Organisation werden zum Problem. Am 7.4.22 einigen sich Bund und Länder auf folgende finanzielle und formale Lösung: Die Länder erhalten vom Bund 2 Mrd. €. Ab Juni 2022 werden die Ukraine-Flüchtlinge wie anerkannte Asylbewerber eingestuft: Sie erhalten Leistungen nach SGB III (also auch Zugang zur KV und zum Arbeitsmarkt). Bis Ende April 2022 hat Deutschland schon 400.000 Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Viele haben studiert. Doch die Anerkennung der Abschlüsse hakt. Vgl. Crocoll, Sophie: Es riecht nach Beamtenwillkür, in: WiWo 18/29.4.22, S. 30f. 400.000 Kinder sind bis Ende April 22 nach Deutschland gekommen. Das stellt hohe Anforderungen an die Bildungsinfrastruktur. Bis Ende April 2022 sind 6,4 Mio. Menschen aus der Ukraine geflohen. Deutschland hat nach den Nachbarn die meisten Flüchtlinge aufgenommen. 26% der Ukraine-Flüchtlinge (meistens Frauen) möchten gerne in Deutschland bleiben (Umfrage Ende 2022).

Flüchtlinge aus der Ukraine 2023, 2024 und Arbeit: Deutschland beherbergt inzwischen 1,07 Mio. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, mehr als jedes andere Land der EU. In Polen fiel schon Ende letzten Jahres die Anzahl von 1,37 Mio. auf 977.000. Im Verhältnis zur Bevölkerung hat Tschechien die größte Anzahl von Flüchtlingen aus der Ukraine aufgenommen (30,9 auf 1000 Einwohner), gefolgt von Estland, Polen, Litauen, Bulgarien. Quelle: Eurostat, Luxemburg.   Eine Umfrage Mitte 2023 kommt zu dem Ergebnis, dass 44% bleiben wollen. Die Erwerbstätigenquote ist mit 18% niedrig. Drei von vier Ukraine-Flüchtlingen haben Deutsch- bzw. Integrationskurse belegt. Vier von fünf Ukrainern lebten Ende 2022 von Sozialleistungen. 69% haben ein Studium abgeschlossen. Es hakt bei der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt. Quelle: IAB der BA, Nürnberg.  Mittlerweile gibt es auch eine Sog-Wirkung durch das Bürgergeld. Die Ukrainerinnen kommen gerne nach Deutschland, weil hier die Unterstützung am höchsten ist. Das zeigt eindrucksvoll ein Vergleich: Ukrainerinnen und Ukrainer in Arbeit: Deutschland 17%, Polen 66%, Niederlande 70%. Daniel Sterzenbach soll das als Vorstand der BA ändern. die Ukrainer müssen 2024 besser auf dem Arbeitsmarkt ankommen. Ungefähr ein Drittel will dauerhaft bleiben. Sie besuchen Integrationskurse. Darunter sind auch viele Männer, die nicht zurückgehen können, weil sie gehasst werden. Vgl. Der Spiegel 7/10.2.24, S. 22ff. Bei einem Zerfall der Ukraine geht die Bundesregierung davon aus, dass 10 Mio. Menschen die Ukraine verlassen. Ein Zielland wäre Deutschland. Man warnt deshalb vor einem Ende der Unterstützung. die Zahl wird von Migrations - Forschern untermauert. 2024 finden Ukrainer vermehrt Jobs in Deutschland. Über eine Abschaffung des Bürgergeldes für Ukrainer wird diskutiert. Man sollte aber den Zusammengang mit anderen Gründen sehen für die vergleichsweise niedrige Beschäftigung: fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Trägheit der Behörden bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen. Vgl. FAZ 24.10.24, S. 1.  19.000 ukrainische Kinder wurden seit Kriegsbeginn (bis Ende 2023) nach Russland verschleppt. Von den verschwunden gemeldeten Kindern konnten 388 zurückgeholt werden. Die anderen werden in Russland festgehalten, umerzogen  oder zur Adoption frei gegeben.

Neue EU-Flüchtlingspolitik ab 2023, 2024: Man kommt im Juni 2023 zu einer Einigung. Die zentrale Frage bleibt aber, ob es die Lösung ist. Die Asylpolitik wird verschärft. Europa macht eher dicht. Man spricht von einem Asylkompromiss. Es gibt zwei Verordnungen mit mehreren Hundert Seiten. 1. Deal mit Tunesien (Bau eines Auffanglagers). 2. Schnellere Verfahren an Europas Grenzen. 3. Rückführung in Drittstaaten. 4. Lager in Griechenland (z. B. auf Kos). 5. Lager in Italien. 6. Abkommen mit Ländern in Afrika. 7. Was bleibt noch vom Recht auf Asyl?  Kanzler Scholz spricht im September ein Machtwort: Deutschland stemmt sich nicht mehr gegen den Umbau des gemeinsamen Asylsystems. Besonders umstritten war der Krisenmodus, der Flüchtlingslager an den Grenzen erlaubt. Im Dezember einigt man sich auf weitere Verschärfungen (Flüchtlingslager an den Grenzen mit Familien, Freikaufen). Asylverfahren sollen an den Außengrenzen stattfinden. Das neue Asylsystem soll abschrecken. Am 10.4.24 beschließt des EU-Parlament einen Flüchtlingspakt: 1. Sicherung der Außengrenzen mit Auffanglagern für Flüchtlinge ohne Chancen. 2. Gerechte Verteilung in der EU mit finanziellen Freikaufmöglichkeiten. 3. Mehr Verträge mit Drittstaaten. 4. Umsetzung bis 2026. Schon im September 2024 wollen die Niederlande ausscheren (Opt-out, mini-Nexit).   2023 kommen mehr als 600 Menschen beim Kentern eine Flüchtlingsschiffes vor Griechenland um. Polen und Ungarn sind gegen die neue Flüchtlingspolitik der EU. Es gibt noch keine Lösung. 2022 kamen 366.420 Menschen nach Europa. von Januar bis Juni 2023 waren es schon 474.130 Asylbewerber. Die meisten Anträge werden in Deutschland gestellt (217.775 Anträge 2022). Die meisten Flüchtlinge kommen in Italien, Spanien und Griechenland an (Rangfolge). Im November 2023 wollen Griechenland und die Türkei die irreguläre Migration bremsen. Man steht vor Vereinbarungen über wirksamere Kontrollen in der Ägäis.

Flüchtlingsabkommen der EU mit Tunesien und Ägypten sowie Libanon: Die EU schließt ein Abkommen im Juli 2023. Die EU gibt dem Land 900 Mio. €. Im Gegenzug bekämpft Tunesien Schlepper und illegale Überfahrten. Das Regime in Tunesien ist fast eine Autokratie. Deshalb löst das Abkommen Kritik aus. Andere Fluchtrouten werden sich auch herausbilden. Zumindest müssten auch Abkommen mit Marokko und Libyen gemacht werden. Tunesien ist ein schwieriger Partner. Deutschland distanziert sich von dem Migrantendeal. Im märz 2024 wird ein Abkommen mit Ägypten geschlossen. Dem Land, das sich in einer großen Wirtschaftskrise befindet, werden 7,4 Mrd. € in Aussicht gestellt. Dafür soll es unerwünschte Migration eindämmen. Im Mai 2024 vereinbart man ein Abkommen mit dem Libanon. Das Land hat 1,2 Mio. Flüchtende aus den benachbarten Krisengebieten. Viele davon kommen nach Zypern. Das will man verhindern.

Flüchtlingspolitik in GB (Ruanda): Die Regierung setzt 2023 auf Abschreckung. Ein kürzlich verabschiedetes Gesetz spricht illegal eingereisten Flüchtlingen das Recht ab, einen Asylantrag zu stellen. Das Innenministerium verpflichtet in diesem Falle, sie zu internieren und abzuschieben. Wer abgeschoben wird, darf nie mehr nach GB einreisen. Nach dem Brexit kann man aber nicht mehr nach dem Dublin-Abkommen  abschieben oder hat auch keine bilateralen Abkommen. Man arbeitet immer mehr mit Wohnschiffen. Flüchtlingslager in Ruanda, wohin man abschieben kann, sollte die Lösung bringen. Das oberste britische Gericht verhindert das. Die Regierung Sunak kommt mit einem Plan B: Eilgesetz und internationaler Vertrag mit Ruanda. Ruanda wird zum sicheren Drittstaat erklärt. Dem Staatsminister für Migration und Braverman geht das Gesetz nicht weit genug. Der Umgang mit Asylbewerbern wird in GB 2024 immer rigider. Ein neues Gesetz gibt den Behörden das Recht, illegal Eingereiste ohne jedes Verfahren abzuschieben. Um Ruanda als Zielland zu etablieren, wird der Kleinstaat gegen das Oberste Gericht als "sicher" eingestuft. Natürlich spielt auch die Wahl 2024 in GB eine Rolle. Das Gesetz wird im April 24 verabschiedet. Es kommt Abschiebehaft für Betroffene. Zwei Millionen Pfund muss pro Asylbewerber ausgegeben werden. Das Gesetz scheint sofort zu wirken. Asylbewerber orientieren sich mehr Richtung EU über Irland. Deutlich mehr Migranten haben aber 2024 (bis Ende Mai 24) schon den Ärmelkanal von Frankreich nach GB überquert (über 10.000).

Lampedusa: Insel und italienisches Staatsgebiet (190 km vor Tunesien). Nirgends in Europa kommen so viele Bootsflüchtlinge an wie in Lampedusa. Während Rettungsschiffe Migranten an Land bringen, genießen Touristen die schönen Strände. Es ist eine Insel mit zwei Welten. Auf der italienischen Insel kommen die meisten Bootsmigranten an. Deutschland stoppt im September 2023 die freiwillige Übernahme aus Italien. Italien nimmt schon seit einiger Zeit keine Rücküberstellungen nach dem Dublin-Verfahren mehr an. Die Aufnahmelager in Deutschland sind voll, die Kommunen sind überfordert. Jeden Tag kommen Tausende von Flüchtlingen in Lampedusa an. Die Aufnahmelager sind am Limit. Italien verhängt den Notstand auf der Insel. Das Abkommen der EU mit Tunesien scheint nicht zu funktionieren. Die EU will das Mittelmeer stärker überwachen. Das soll Frontex übernehmen an der Außengrenze. Deutsche Hilfe für Seenotretter erbost Italien.

Menschenschmuggel/ Schleuser - Kriminalität: Immer mehr Ausländer werden nach Deutschland eingeschleust. 2020 waren es 15.000 Menschen. Die meisten Menschen kommen aus Afghanistan, Syrien, Bangladesch, Pakistan und dem Irak. Die meisten werden wohl mit Lastwagen gebracht. Vgl. Der Spiegel Nr. 11, 13.3.21, S. 21. Die Anzahl der entdeckten Schleusungen nach Deutschland hat sich im ersten Halbjahr 2023 erhöht. In den ersten sechs Monaten wurden schon 1007 Fälle registriert. Quelle: Bundespolizei. Es gibt im Herbst 23 zentrale Einsätze in Deutschland gegen Schleuser - Banden. 2023 kommen immer mehr Geflüchtete über Polen. Mit der Lukrativität des Geschäfts nimmt auch die Skrupellosigkeit der Schleuser zu. Es gibt eine verdeckte Einheit der Bundespolizei, die dagegen hält. Vgl. Kasten, k./ Montag, S.: Die nächste Fuhre, in Rheinpfalz am Sonntag, 25./26.11.23, S. 3. Zwei Jahre ermittelte die Bundespolizei gegen ein Netzwerk, das offenbar Tausende Kurden über die Balkanroute nach Deutschland schleuste, Die Schlepper sind perfekt organisiert und an die Drahtzieher kommt man kaum heran. Am Anfang nehmen die Kurden Routen über Bulgarien oder über das Schwarze Meer. Vgl. Dahlkamp, Jürgen: Operation "Passagier", in: Der Spiegel 16/ 13.4.24, S. 8ff. von Oktober 23 bis April 2024 gab es 700 Festnahmen. 17.600 unerlaubte Einreisen konnten verhindert werden. 2023 ist die Schleuser -Kriminalität rapide gegenüber dem Vorjahr angestiegen (+60%). Die Bekämpfung der Schleuserbanden wird immer besser in Europa koordiniert. So gelingen immer mehr Festnahmen.

Menschenhandel: Am 24.01.24 fasst die EU Beschlüsse dazu. Sie will effektiver und grenzüberschreitender vorgehen. Vertreter aller Mitgliedsstaaten und des Europaparlaments einigen sich darauf. Es sollen auch Menschen bestraft werden, die die Dienste in Anspruch nehmen. Besonders bekämpft werden sollen Zwangsheiraten, illegale Adoptionen und erzwungene Leihmutterschaften. 2022 wurden 7000 Menschen in der EU Opfer von Menschenhandel.

Migration entlang der Balkanroute: Sie nimmt immer mehr zu. Viele erfrieren in Wäldern, ertrinken in Flüssen. Sie kommen auf verschiedenen Wegen: über Bulgarien, Serbien, Griechenland, Kosovo, Montenegro, Bosnien/ Herzegowina, Slowenien.

Grenzkontrollen: Es gibt eine Debatte über Grenzkontrollen an der EU-Außengrenze und an der deutschen Grenze. Die Befürwortung vorübergehender Maßnahmen an den Grenzen nimmt stark zu. Es soll kurzfristige stationäre Grenzkontrollen an der tschechischen und polnischen Grenze geben. Die stationären Kontrollen kommen dann doch nicht. Innenministerin Faeser will die Kontrollen dann noch ausweiten, zumindest an der Grenze zu Österreich. Grenzkontrollen an allen Grenzen kommen wieder ab 16.9.24. Sie bleiben für vorerst 6 Monate bestehen. Die Kontrollen können nur auf Verdacht und sporadisch durchgeführt werden.

Erstanträge auf Asyl in der EU:  Im Jahre 2022 werden die meisten Erstanträge (Erstanträge auf Asyl  je 100.000 Einwohner) auf Zypern gestellt. Es folgen Österreich und Griechenland. Deutschland liegt an vierter Stelle vor Frankreich, Niederlande, Italien, Dänemark, Polen, Tschechien und Ungarn. Sozialleistungen spielen eine Rolle, sie sind aber nicht ausschlaggebend. Es könnte eine Abwärtsspirale kommen. Wünschenswert wären einheitliche Sozialstandards. Vgl. Schieritz, Mark: Warum nach Deutschland, in: Die Zeit 42/ 5.10.23, S. 23.

Humanitärer Flüchtlingsgipfel der UN (UN-Nothilfegipfel; UN-Migrationspakt): Der erste findet Ende Mai 2016 in Istanbul statt. Es kommen über 60 Staatschefs und über 100 internationale Organisationen. Insgesamt gibt es über 5000 Teilnehmer aus über 160 Ländern. Die Flüchtlingshilfe soll schneller und effizienter organisiert werden. In erster Linie sollen Organisationen vor Ort eingebunden werden. Am 19.09.2016 findet ein weiterer UN-Flüchtlingsgipfel in New York statt. Die 50 teilnehmenden Staaten wollen 2016 360.000 Flüchtlinge aufnehmen. Im Oktober 2018 legen die Vereinten Nationen Grundsätze für den Umgang mit Flüchtlingen vor (Migrationspakt). Die USA und auch Ungarn lehnen das UN-Regelwerk ab. Eine Ablehnung kommt auch aus Österreich und Tschechien. Ebenso aus Polen. Es folgen Australien, Bulgarien und Estland. Auch aus der CDU kommt Kritik an der fehlenden Unterscheidung vom Flucht- und Arbeitsmigration (Kandidat Spahn ist dagegen). Am 10.12.2018 wird der Migrationspakt in Marrakesch/ Marokko beschlossen (ursprünglich 193 - 15 Länder dagegen). Merkel ist eine der wenigen anwesenden Staatschefs. Am 17.12.18 wird dann in der UN in New York noch ein UN-Pakt für Flüchtlinge beschlossen. Man setzt auf freiwillige Beiträge. Die USA und Ungarn stimmen nicht zu. Ende 2015 waren nach Angaben des UNHCR 65 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Das war bezogen auf die Weltbevölkerung jeder 113. Mensch. Die Konflikte in Afghanistan, Somalia und Syrien sind die Hauptursache. Die meisten Binnenflüchtlinge hat Kolumbien. Die meisten Flüchtlinge werden von der Türkei aufgenommen. Deutschland ist inzwischen der zweitgrößte Geldgeber des UNHCR. 2017 gab Deutschland 477 Millionen Dollar. Größter Geber bleiben die USA mit 1,45 Mrd. Dollar.

Finanzierung der Flüchtlingskrise in Deutschland und der EU: Bundesfinanzminister Schäuble und die EU-Kommission erwägen europaweit eine zusätzliche Abgabe auf Benzin (Benzinsteuer) einzuführen. Damit würde der historisch niedrige Ölpreis genutzt. Die französische Wirtschaftswissenschaftlerin Helene Rey schlägt eine Flüchtlingsanleihe vor, um die Kosten der Integration aufzufangen. Sie soll Investitionen in die Zukunft Europas finanzieren und über die europäische Investitionsbank laufen. Die Eurobonds sollen zweckgebunden sein. Damit sollen Unterkünfte, Wohnungen, Sprachkurse usw. finanziert werden. Die Kommunen in Deutschland, die die Arbeit an der Basis leisten, bekommen Geld von Bund und Ländern. Wie viel sie bekommen, liegt in der Hand der Bundesländer. Einige erstatten die vollen Kosten (Bayern). Andere zahlen eine Pauschale (NRW). Diese sind oft niedriger als die realen Kosten. Die Kosten werden oft schön gerechnet und die Kommunen zahlen. Insgesamt kommen zur Finanzierung noch die folgenden Wege theoretisch dazu: Staatsverschuldung, Steuererhöhung, Reduzierung internationaler Beiträge, Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge, Erhöhung des Renteneintrittsalters. Immer mehr Bundesländer und der Deutsche Städtetag fordern, dass der Bund zusätzliche Finanzhilfen gibt. Die EU richtet im März 2016 eine Flüchtlings-Nothilfe ein: 700 Mio. € in drei Jahren. Eigentlich müsste Deutschland auch mehr Geld aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) bekommen. Dazu müsste der bis 2020 beschlossene Verteilungsschlüssel geändert werden. Ende April 2016 taucht der Vorschlag auf, die Flüchtlingskrise in Europa über einen höheren Benzinpreis zu finanzieren (Prof. Sebastian Dullien, Berlin). Auf Dauer wird Migration und freie Migration in Europa nicht mit einem ausgebauten Sozialstaat vereinbar sein. In Deutschland ist die Zahl der Asylbewerber, die mit Geld- und Sachleistungen unterstützt wurden, nach oben geschnellt. Rund 975.000 Menschen bezogen Regelleistungen und damit 169 Prozent mehr als ein Jahr zuvor (Quelle: Destatis; zwei Drittel waren männlich; ein Drittel kam aus Syrien). Das Plus des Haushaltes von 2016 (6,2 Mrd. €) fließt vollständig in die Rücklage des Bundes für Flüchtlinge. Indirekt zahlt Deutschland auch für Flüchtlinge im Afrika-Fonds der EU: Hier zahlen Länder ein, um Migrations - Ursachen zu bekämpfen. Deutschland hat bis 2018 136 Mio. Euro eingezahlt. 2018 bekommt die Türkei weitere 3 Mrd. € für die Versorgung von Flüchtlingen aus Syrien. 2018 geben immer mehr Bundesländer den Wohnort der Migranten vor oder weisen zu. Einige Kommunen können nicht mehr die Kosten der Infrastruktur aufbringen. Im Juni 2019 einigen sich Bund und Länder auf eine dauerhafte Verteilung der Flüchtlingskosten: Der Bund zahlt an die Länder 350 Millionen Euro im Jahr für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Weiterhin übernimmt er die Kosten für Unterkunft und Heizung. Dazu zahlt der Bund noch eine Pauschale von 617 Euro pro Asylbewerber und Monat des Asylverfahrens.  Zwei neue Studien zu den Kosten der Flüchtlinge in Deutschland kommen Anfang 2016 heraus: 1. Institut für Weltwirtschaft, Kiel: Im günstigsten Falle jährlich 25 Mrd. €. 2. IW, Köln: 2016 und 2017 fallen 50 Mrd. € für die Flüchtlingskrise an. Die Frage wird aber politisch sein, wer die Integration bezahlt. Bund und Länder streiten über die Kosten. Die Kommunen sind auch unzufrieden. 20 bis 25 Milliarden Euro der Flüchtlingskosten sind 2016 noch ungeklärt. Die Bundesländer fordern im März 2016, dass der Bund mindestens die Hälfte der Flüchtlingskosten übernimmt. Bis mindestens 2022 dürften die Gesamtkosten er öffentlichen Haushalte für Flüchtlinge zwischen 21 und 26 Mrd. € jährlich liegen. 428 Mio. € kostet der deutsche Anteil bis 2019 am Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei (127 Mio. € 2016). Bis 2020 will der Bund über 77 Milliarden Euro ausgeben, um die Zuwanderung zu bewältigen und die Fluchtursachen zu bekämpfen (Quelle: Finanzplan der Bundesregierung 2016). Im Juni 2016 fordern die Länder weitere 8 Mrd. € jährlich gestaffelt auf drei Jahre für die Integration der Flüchtlinge vom Bund. Sie erreichen 6 Mrd. € plus 1 Mrd. € für den Bau bezahlbarer Wohnungen. Die Frage ist nun, ob die Ansprüche der Kommunen erfüllt werden, die die Hauptlast tragen. 2016 kostet die Flüchtlingshilfe 20 Mrd. Euro - zwei Mrd. mehr als geplant (die Länder tragen rund zwei Drittel der Kosten). Der Bund alleine gab 2016 insgesamt 21,7 Mrd. Euro aus, rechnet man die Bekämpfung der Fluchtursachen dazu (humanitäre Hilfe). 2017 stehen viele Flüchtlingsunterkünfte in den Bundesländern leer. Die Leerstände in zwölf Bundesländern verursachen immense Kosten. Die Unterkünfte werden "Stand-by" gehalten. Mit den Flüchtlingen sind die Kosten für Kriminalität gestiegen (Kriminologisches Institut Niedersachsen: Alter, Männer, Enge der Unterkünfte, Nordafrikaner, Machokultur). Besonders Kommunen leiden immer mehr durch die Kosten anerkannte Asylbewerber. Die ziehen häufig in Städte mit geringeren Mieten, wo schon viele Landsleute leben (in RLP z.B. in Pirmasens und Ludwigshafen). Die Bertelsmann-Stiftung stellt im Februar 2018 in einem Projekt fest, dass Flüchtlingshilfe oft nicht bei den Initiativen ankommt. Vor allem kleinere Initiativen sind benachteiligt. Bei einer internationalen Geberkonferenz für Syrien im April 2018 kommen nur 3,6 Milliarden Euro zusammen. Mit eine Milliarde Euro hat Deutschland den höchsten Anteil. Deutschland kann im nächsten Jahrzehnt mit mehreren Milliarden Euro (etwa 4,8 Mrd. €) Flüchtlingshilfe von der EU rechnen.  Von 2018 bis 2022 rechnet der Bund mit Kosten in Höhe von 70 Milliarden Euro für Flüchtlingspolitik. Zwischen 2019 und 2022 will der Bund 15 Mrd. € an die Länder zahlen (die Hilfe an die Länder wird verlängert). 2017 gibt der Bund 20,8 Mrd. € für Flüchtlinge aus. Ab 2020 will der Bund bei den Flüchtlingskosten weniger gebe. Das würde zu einer Mehrbelastung bei Ländern und Kommunen für die Integration führen. Im Jahre 2018 hat die Bundesregierung 23 Milliarden Euro für die Integration von Migranten und die Bekämpfung von Flüchtlingsursachen ausgegeben (10,6% mehr als 2017). Darunter wurden Länder und Kommunen mit 7,5 Mrd. € unterstützt. 7,9 Mrd. € entfielen auf die Bekämpfung der Fluchtursachen. 

Finanzielle Bekämpfung der Fluchtursachen: von 2020 bis 2024 stellt die Bundesregierung 64,5 Mrd. €, um die Folgen des Flüchtlingsstrome von 2015 zu bewältigen. Der größte Teil des Geldes soll allerdings für die Bekämpfung der Fluchtursachen verwendet werden. 25,4 Mrd. € für Schutzsuchende in den Herkunftsländern, 22,9 Mrd. € sind Sozialleistungen für Flüchtlinge vorgesehen, für Integrationsmaßnahmen sind 8,2 Mrd. € geplant, mit 4,4 Mrd. € sollen die Kommunen unterstützt werden. Quelle: Der Spiegel Nr. 40, 26.9.20, S. 55.

Spenden: 2015 haben die Deutschen soviel wie nie vorher gespendet, nämlich 5,5 Mrd. € (vor allem für Nepal und Flüchtlinge). 47 Prozent der Deutschen engagieren sich ehrenamtlich für Flüchtlinge (31,8 Mio. Menschen) .

Geldstrom von Migranten in Deutschland in ihre Heimatländer (Remissen/ Geldtransfers): 2018 wurden 5,1 Mrd. € in die Heimatländer überwiesen. Das war eine Rekordsumme. Vielen Familien vor Ort helfen die Heimatüberweisungen aus der Armut. Gastarbeiter in Deutschland schickten das meiste Geld in die Türkei (822 Mio. €), vor Polen (468), Rumänien (395). Das Geld kann auch diktatorische und korrupte Regime stabilisieren. Der Ökonom Bhagwati hatte eine Migrationsteuer vorgeschlagen (Zuschlag auf die Einkommensteuer). Eritrea verlangt schon seit Jahren ein "Aufbausteuer). Vgl. Wirtschaftswoche 15, 5.4.2019, S. 38f.  Geld, das Migranten in ihre Heimatländer (Familien, Freunde) schicken. In Regel läuft das von reichen Ländern in arme Länder. Das betrifft etwa 270 Mio. Migranten. 2019 erreichten die Remissen den Rekordwert von 554 Mio. Dollar (höher als DI). Das ist oft auch der einzige Grund, warum man das Heimatland verlässt. Für 2020 wird ein Rückgang um 20% von der Weltbank vorausgesagt. Das kann gravierende Auswirkungen auf Unterkünfte, medizinische Versorgung und Essen haben. Die Corona-Krise verschärft damit die globale Krise. Hauptgrund ist, dass die Migranten ihre Jobs verlieren. Quelle: Interview mit Weltbank-Ökonom Dilip Ratha, in: Der Spiegel Nr. 20, 9.5.20. Deutschland zählt 2020 neben den USA, Saudi-Arabien un der Schweiz zu den Ländern mit den größten Summen, die nach Hause überwiesen werden. 2018 waren es nach einer Analyse der Deutschen Bundesbank 5,1 Mrd. €. Der größte Teil, 800 Mio. €, floss in die Türkei, gefolgt von polen (468 Mio. €) und Rumänien (400 Mio. €). Die wichtigsten Empfänger sind europäische Staaten - mit einer Ausnahme: Syrien (fast 200 Mio. €). Unklar ist noch, ob durch Corona die Überweisungen steigen oder fallen. Vgl. Böhm, Andrea u. a.: Dollars für die Heimat, in: Die Zeit Nr.1, 30 12.2020, S. 6f. 2023 mehren sich in Deutschland die Stimmen, die Geldleistungen für Flüchtlinge zu reduzieren. Weil sie im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hoch seien, stellten sie ein Magnet dar. Sachleistungen seien besser oder auch eine Reduktion von Geld. Am stärksten setzt sich die FDP dafür ein.

Dublin-System: Sollte die Flüchtlingspolitik in der EU regeln. Es war verbunden mit dem System offener Grenzen in der EU (Schengen). Maßgeblich war die Sicherung der Außengrenzen. Flüchtlinge können in das Land der EU zurückgeschickt werden, aus dem sie kommen. Das System ist 2016 zusammengebrochen. Die EU-Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten stellen Griechenland im Februar 2016 ein Ultimatum: Das Land hat drei Monate Zeit, die Sicherung der EU-Außengrenzen zu gewährleisten. Sonst droht 777der faktische Ausschluss aus dem Schengen-Raum. die Flüchtlinge stauen sich massiv an der Griechisch-Mazedonischen Grenze. Grenzkontrollen werden in Zukunft nicht zu vermeiden sein. Die alte ökonomische These, dass Mauern und Zäune Wohlstand kosten, muss revidiert werden.  Wichtig für das Dublin-System sind die Begriffe "Sicherer Drittstaat, Sicherer Herkunftsstaat und Erst-Asylstaat". Ab 07.04.2017 wird der Schengen-Raum wieder stärker an den Außengrenzen kontrolliert. Vorgeschrieben ist die systematische Überprüfung der Ein- und Ausreisenden. 2024 soll Dublin wieder belebt werden. Flüchtlinge, die nicht zuerst in Deutschland den Boden betreten haben, sollen keine soziale Unterstützung mehr erhalten. Für die Abschiebung in ein Dublin-Land gelten Fristen. Die reine Zurückweisung an der deutschen Grenze wird vom EU-Gerichtshof für ein Verstoß gegen EU-Recht gehalten. Dazu bedarf es der Ausrufung einer Notsituation.   Ab 15.03.2017 gelten in der EU wieder die Dublin-Regeln. Flüchtlinge, die z.B. ab diesem Termin aus Griechenland oder Italien einreisen, können wieder in das Land zurückgeschickt werden, wo sie europäischen Boden betreten haben (vor allem Straftäter, Gefährder, Alleinstehende Personen). Die Lage auf Lesbos eskaliert 2017. Mehr als 8000 Migranten sitzen dort fest. Sie leiden unter Dreck und Gewalt. Die Inselbewohner wehren sich zunehmend. 2018 werden die Kontrollen an den Schengen-Grenzen wieder gelockert. Das griechische Verfassungsgericht entscheidet, dass Flüchtlinge nicht auf den Inseln festgehalten werden dürfen. Die neue EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen will den Dublin-Vertrag neu verhandeln.

Ökonomie der Flucht/ Fluchtursachen: Es gibt eine Reihe von Ursachengruppen: 1. Handel und Handelspolitik (vgl. Globalökonomik, Reale Außenwirtschaftstheorie). 2. Rassistische Verfolgung, Intoleranz, Fanatismus in der Kultur. 3. Klimawandel als Fluchtursache der Zukunft. 4. Sünden der Vergangenheit und Korruption in Ländern (Kolonialvergangenheit, korrupte Regime, Instabilität, falsche Militarisierung, imperiale Außenpolitik). 5. Das hohe Bevölkerungswachstum in vielen Entwicklungsländern droht in den nächsten Jahren den Migrationsdruck dramatisch zu verstärken. Die Herkunftsländer liegen hier vor allem in Asien. In Bezug auf Afrika gibt es auch einen großen Irrtum: Heute sind die Menschen oft so arm, dass sie sich Flucht nicht leisten können. Bekommen die Menschen mehr Bildung, steigt die Abwanderungsbereitschaft. Also wird sich das Migrationsproblem verstärken. Wachsender Wohlstand, bessere Lebensperspektiven  und mehr Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen führen zu sinkenden Kinderzahlen, was die Lösung sein muss. Experten gehen davon aus, dass der Klimawandel massive Wanderungsbewegungen auslösen wird. Wird es dann sichere Festungen geben oder globale Bevölkerungen? Vgl. Khann, Parag: Move. Das Zeitalter der Migration, Berlin 2021. In Pandemiezeiten ist der Menschenhandel zurückgegangen. Doch danach bleiben die Klima bedingten Katastrophen. Allein 2021 wurden 24 Mio. Menschen aus ihren Heimatregionen vertrieben. Dies begünstigt Flüchtlingsströme, Ausbeutung und Menschenhandel.  "Fiction is oblidged to stick to possibilities. Truth isn´t, Mark Twain (1835-1910, American author). Der Klimawandel verstärkt die Probleme im Nahen Osten und in Nordafrika. Das kann zu neuen, größeren Flüchtlingswellen führen. Es gab sechs große Flüchtlingswellen aufgrund von schlechtem Klima (z. B. 1815 auf der Insel Sumbawa/ heute Indonesien). 2020 wird der Effekt von Temperatur - Veränderungen auf lokaler Ebene in Afrika untersucht (34 Länder, 40.000 Personen): Die Wahrscheinlichkeit, das Heimatland zu verlassen, steigt mit einem Temperaturanstieg. Allerdings reagieren nicht alle Bevölkerungsgruppen gleich stark. Personen mit geringer Bildung außerhalb der Landwirtschaft hegen stärkere Migrationsabsichten als Bauern. Für Frauen ist Auswandern schwieriger als für Männer. Vgl. Helbing, M. u. a.: Wann wird es wem zu heiß? Klimawandel und Migrationsabsichten in Afrika, in: WZB Mitteilungen, H. 169, September 2020, S. 6f. Vgl. auch: Faist, Thomas: Exit. Warum Menschen aufbrechen. Globale Migration im 21.Jahrhundert, München (Beck) 2023.

Flüchtlingsströme in der Welt: Nach Angaben des UN-Hochkommissars für Flüchtlingsfragen waren Ende 2014 etwa 60 Millionen Menschen auf der Flucht. In Nigeria sind 2015 2 Mio. Menschen Binnenflüchtlinge. Sie fliehen vor der Terrororganisation Boko Haram. Schweden, Dänemark und Österreich schwenken in der Asylpolitik auf Abschottungskurs. Im Master Studiengang "International Human Resources Management" habe ich einen Kurs zu diesem Thema durchgeführt. Alle wichtigen Länder der Welt wurden behandelt. Von den Kontinenten her gesehen gibt es zwei die einen positiven Saldo aufweisen: Nach Nordamerika (+1247 Tausend Menschen 2005 - 2010) und Europa (1262 Tausend Migranten 2005 - 2015) wollen die Migranten. Auch nach Australien, das allerdings ein rigides Einwanderungsgesetz hat. Aus Asien, Afrika und Süd- bzw. Mittelamerika wollen die Menschen raus. Nachdem Trump die Präsidentenwahl in den USA gewonnen hat, will er Millionen Migranten abschieben (Wahlversprechen). Australien verschärft im April 2017 drastisch seine Einbürgerungsbedingungen: mindestens 4 Jahre im Land, fester Arbeitsplatz, Nachweis der Integration in die Kultur, Beherrschung der englischen Sprache. Die Schweiz wird immer mehr zum Transitland für Flüchtlinge. Viele der "Verschwundenen" tauchen im benachbarten Baden-Württemberg auf. 6,6 Mio. Flüchtlinge warteten Ende April 2017 in Nordafrika, Jordanien und der Türkei auf eine Weiterreise nach Europa (vertrauliches Papier der deutschen Sicherheitsbehörden; Bild). Uganda hat bereits fast 1 Mio. Flüchtlinge aus dem Südsudan aufgenommen. Dafür erhält das Land 2017 2 Mrd. Dollar an Hilfszusagen. Bis 2100 könnte es 2 Milliarden Klimaflüchtlinge geben, wenn der Klimawandel ungebremst weiter geht (Studie der Cornell University). Die EU und einige Partner haben im Februar 2018 mehr als 400 Mio. € für die Sahel-Zone in Aussicht gestellt. Eine gemeinsame Militäreinheit wird unterstützt. Dadurch sollen auch Flüchtlingsursachen und -Routen bekämpft werden. Ende 2017 waren 68,5 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht, so viel wie nie vorher (Quelle: UN). Knapp 70% der Flüchtlinge kommen aus Syrien, Afghanistan, Südsudan, Myanmar und Somalia. 19,9 Mio. Menschen lebten in einem anderen Land. Im Juli 2018 wird in der Vollversammlung der UN ein Pakt für Migration geschlossen. Die USA gehören ihm nicht an. Der Pakt ist rechtlich nicht bindend. 250 Mio. Menschen sind im Sommer 2018 auf der Flucht (3% der Weltbevölkerung). Es gibt neue Flüchtlingsströme aus Mittel- und Südamerika Richtung USA. 2019 kommen immer mehr Menschen aus Venezuela in die EU. Das vor allem, weil sich die USA und Mexiko auf schärfere Regeln im Umgang mit Flüchtlingen geeinigt haben. Biden lockert die Grenze, sofort kommen wieder mehr Flüchtlinge. Der Ukraine-Krieg führt 2022 zu Exportproblemen von Getreide aus der Ukraine (die Russen sperren die Schwarzmeerhäfen). Sie ist die "Kornkammer" der Welt. Das führt Hunger in vielen Entwicklungsländern. Das könnte Flüchtlingsströme auslösen.  Österreich will 2016 eine Obergrenze für Flüchtlinge einführen. Es werden nur noch 80 Asylanträge pro Tag bearbeitet. In der Schweiz sollen kriminelle Ausländer automatisch abgeschoben werden. Als Schandfleck der europäischen Flüchtlingspolitik gilt Calais in Frankreich. In einem Flüchtlingslager leben 2016 10.000 Menschen. sie wollen nach Großbritannien. Die EU will erreichen, dass im Mittelmeer aufgegriffene und gerettete Flüchtlinge künftig in einem Lager in Nordafrika untergebracht werden. Regierungen in Afrika und Nahost sollen gegen Geld zur Flüchtlingshilfe verpflichtet werden. Im Herbst 2016 warten eine viertel Million Menschen in Libyen auf die Fahrt nach Europa. In Italien bahnt sich eine Notlage an. Militärs sollen die Flüchtlinge abfangen. Helfer wollen sie retten. Menschenschlepper wollen verdienen. Weltweit sind 2017 65 Mio. Menschen auf der Flucht. 40 Mio. sind Binnenflüchtlinge. Ca. 25 Mio. fliehen über die Landesgrenze (Quelle: UN). Die Anzahl der Flüchtlinge, die von Algerien oder Marokko (Westroute) über das Mittelmeer nach Europa kommen, ist 2017 stark gestiegen (in einem Jahr verdoppelt). Die Zahl der Flüchtlinge, die über die libysche Küste nach Italien kommen ist im Juli eingebrochen (Libysche Küstenwache erweitert Hoheitsgewässer und duldet keine Schiffen von NGO; es werden Lager in Libyen eingerichtet). Griechenland verlagert Flüchtlinge aus der Ostägäis auf Festland Ende 2017. Die Türkei will mehr Flüchtlinge zurücknehmen. 2017 leben 258 Millionen Menschen nicht in ihrem Heimatland. Seit 2000 ist der Strom um 85 Millionen gewachsen. Die USA, Saudi-Arabien und Deutschland gehören zu den beliebtesten Einwanderungsländern (Migrationsbericht der UN 2017). Die UN will einen globalen Pakt gegen Schlepper erreichen. Es wird 2018 verhandelt, um die Migration in geregelte Bahnen zu lenken. Die USA unter Trump wollen davon nichts wissen. Die Flüchtlingsrouten von Afrika nach Europa ändern sich 2018 ständig. Der Weg über die Türkei ist relativ dicht, Italien nimmt keine Flüchtlinge mehr auf, immer mehr kommen über Spanien. 2018 (von Januar bis August) waren es schon 22.000, 180 € kostet die Überfahrt pro Person auf einem Schlauchboot). Wegen der Haftbedingungen für illegal ins Land gekommene Migranten wird die US-Regierung im August 2018 verklagt. 2018 gibt es einen Flüchtlingsstrom von Venezuela nach Brasilien. Die Menschen leben in Lagern in Brasilien. Die türkische Regierung unterstützt 2018 die Rückkehr von Syrern in ihre Heimat. Die Mehrheit der Flüchtlinge will aber vorerst wohl bleiben. An der Grenze zwischen den USA und Mexiko kommt es immer wieder zu Todesfällen. Diese kommen auch bei Schleusungsaktionen durch Unfälle ums Leben. Die meisten Menschen verlassen 2022 Venezuela. Es sind 6 Mio. Flüchtlinge. Die meisten gehen nach Kolumbien. Das Land hat eine vorbildliche Integrationspolitik. Im März 2023 kommen 39 Migranten in Mexiko beim Brand eines Zentrums für Migranten um.

Flüchtlinge weltweit in Zahlen: 2022 sind mehr als 100 Mio. Menschen auf der Flucht. Größtes Herkunftsland ist die Ukraine vor Syrien und Venezuela. Größte Aufnahmeländer sind die Türkei, Kolumbien, Uganda, Pakistan und Deutschland. 40% leben in Ländern mit Nahrungskrisen, 24 Mio. waren auf der Flucht vor Umweltkatastrophen, mehr als 50% sind Binnenflüchtlinge. Vgl. Heimatlos, in: Die Zeit Nr. 26/ 23.6.22, S. 52. 2023 Ende September hat die Anzahl der Flüchtlinge weltweit einen Höchstwert errecht: 114 Mio. Menschen sind auf der Flucht. Quelle: UN-Hochkommissar, Oktober2023. Im Dezember 2023 findet ein Globales Flüchtlingsforum in Genf/ Schweiz statt. Projekte werden vorgestellt. Dei Rückkehr soll gefördert werden.

Herkunfts- und Zielländer der Flüchtlinge in der Welt: Die größten Herkunftsländer sind Afghanistan (6,4 Mio. 2023), Syrien (6,4), Venezuela (6,1), Ukraine (6,0), Sudan (1,5). Die fünf wichtigsten Aufnahmeländer sind: Iran (3,8 Mio. 2023), Türkei (3,3), Kolumbien (2,9), Deutschland (2,6), Pakistan (2,0). Vgl. Die Zeit 41/ 26.9.24,S. 40.

Migranten an der Grenze zu Mexiko: 2023 kommen immer mehr Migranten an der Grenze zu Mexiko. Der Rio Grande ist schon lange im Brennpunkt. Die Situation war schon Thema vieler Wahlkämpfe in den USA. Im Mai 2023 schickt die Regierung 1500 Soldaten. Die Regierung Biden verklagt 2023 Texas. Washington fordert den Abbau schwimmender Barrieren im Rio Grande.

Necoli/ Darien: Es ist ein Nadelöhr an Kolumbiens Karibikküste. Hier müssen alle Migranten aus Lateinamerika durch. Der Dschungel zu Panama lässt die Menschen verzweifeln. Mafiöse Schleuser werden reich. Über den Golf von Necoli dauert die Fahrt 2 Stunden. Danach kommt die Dschungel-Passage.

Globale Flüchtlingsforum der Vereinten Nationen, Genf: Es konstituiert sich 2019. Es soll für bessere Hilfen für Flüchtlinge sorgen. Gewalt und Kriege schlagen immer mehr Menschen in die Flucht. Weltweit gibt es 2022 übe r100 Mio. Flüchtlinge.

OAS: Die Organisation amerikanischer Staaten. Sie kommt im Juni 2022 zu einem Treffen in Los Angeles zusammen. Zentrales Thema ist die Migration in Amerika. Die Nachbarländer Venezuelas haben sehr viele Flüchtlinge aufgenommen (Kolumbien, Ecuador). Mexiko ist das Brückenland für Flüchtlinge aus Mittel- und Südamerika in die USA. Der Kampf gegen Schlepperbanden soll verstärkt werden. Legale Arbeitsmigration soll erleichtert werden. Die Bedingungen in den Herkunftsländern sollen verbessert werden.

Zaatari, Jordanien: Es ist das weltweit größte Camp für Flüchtlinge aus Syrien. Es ist auch eines der größten der Welt. dort leben über 80.000 Menschen. Die Hälfte sind unter 18 Jahren. Schulbildung ist der entscheidende Faktor. In jordanien leben insgesamt 661.000 Flüchtlinge aus Syrien.

Binnenflüchtlinge: Flüchtlinge innerhalb eines Landes. Ursachen sind Kriege, Konflikte und Naturkatastrophen. Besonders kommt dieses Phänomen in Südasien, Afrika und Südamerika vor. Besonders stark sind folgende Länder betroffen: Syrien, Afghanistan, Mocambique, Äthiopien. 2020 erreicht die Anzahl der Binnenflüchtlinge einen neuen Höchststand. 40,5 Mio. Menschen waren auf der Flucht. Neun mio. mehr als im Vorjahr. Quelle: World Migration Report der Internationalen Organisation für Migration (IOM).

Einwanderungsgesetz: Ein Einwanderungsgesetz regelt die Zuwanderung in ein Land. Es ermöglicht die Definition von Kontingenten. Als Vorbild werden oft die Gesetze in Australien und Kanada aufgeführt. Auch in Deutschland gibt es Überlegungen zu einem solchen Gesetz. Z. B. arbeitet die SPD an einem Entwurf. Vorgesehen ist nach dem Vorbild Kanadas ein Punktesystem. Kriterien sind Qualifikation, Sprachkenntnisse, Nachweis einer Arbeitsstelle. Kontingente sollen sich nach dem Arbeitsmarkt richten. Die Mindestpunktzahl wird jährlich neu definiert. Man muss aber aufpassen, dass keine Doppelstruktur entsteht. Denn europarechtlich gilt die "Blue Card". Auf jeden Fall müsste es eher eine europaweite und konsistente Lösung geben. Im Abschlusspapier der Sondierungen zwischen CDU/ CSU und SPD Mitte Januar 2018 ist ein Einwanderungsgesetz vorgesehen. Deutsche Unternehmer fordern schon lange ein Einwanderungsgesetz für Fachkräfte: Es soll fünf Kriterien erfüllen: 1. Schützt die, die hier sind. 2. Holt mehr Praktiker. 3. Helft Akademikern. 4. Werdet klarer. 5. Macht Werbung. Siehe Wirtschaftswoche 31, 27.7.2018, S. 38. Im Juni 2019 macht die Regierung den Weg frei für das Gesetz. Es soll auch Einwanderer aus Nicht-EU-Ländern anlocken, insbesondere studierte Fachleute. Die Zuwanderung ist für unser Land eine Schicksalsfrage. Um Wirtschaftskraft, stabiles Sozialsystem und Wohlstands halten zu können, brauchen wir die nächsten Jahre hoch qualifizierte Zuwanderer. In der Praxis gibt es bei dem Gesetz viele Probleme mit den Behörden. Bei den Mangelberufen IT-Fachleute, Handwerker und Pflegekräfte bleiben Engpässe. Die kommende Bundesregierung ab 2022 muss nachjustieren.

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD ist das Ziel eines "Fachkräfteeinwanderungsgesetzes" verankert, das "den steigenden Bedarf an Fachkräften durch Erwerbsmigration neu und transparent regelt". Das Gesetz soll den Zuzug von Fachkräften ordnen und steuern. Umstritten ist der "Spurwechsel" für abgelehnte Asylbewerber. Er könnte für bereits in Deutschland lebende Migranten kommen, aber nicht für zukünftige. Anfang Oktober 2018 will man sich einigen. Dies geschieht auch. Der Spurwechsel bleibt außen vor. Allerdings sollen gut integrierte Geduldete, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, einen besser gesicherten Status erhalten. Für Angehörige aus Drittstaaten soll die Möglichkeit des Aufenthalts für 6 Monate eingeräumt werden, um nach einem Job zu suchen. In einigen Bereichen könnte es auch um Nachschub für den Niedriglohnbereich gehen (Pflege, Einzelhandel, Gastgewerbe). Es gibt eine zweijährige "Beschäftigungsduldung". Diese soll für abgelehnte Asylbewerber gelten, die seit mindestens 18 Monaten in Deutschland sozialversicherungspflichtig bei mindestens 35 Wochenstunden beschäftigt und seit mindestens 12 Monaten geduldet sind. Am 19.6.23 einigt sich die Ampel auf das Gesetz (Lockerungen für "Blaue Karte", Mehr Bildungsmigration, Punktesystem, Familiennachzug, Möglichkeiten für Asylbewerber).   "Don´t be afraid to take a big step. You can´t cross a chasm in two small jumps", David Llloyd George, 1863-1945, British Prime Minister. Die Grünen plädieren 2018 für eine Talentkarte. Die Einwanderung wird auch stark von den deutschen Auslandsvertretungen gesteuert. Sie haben oft extrem lange Wartezeiten bei Visumsanträgen (zum Beispiel im Iran Wartezeiten von über einem Jahr). In Pakistan gibt es 2018 konkrete Pläne des Außenministeriums, Deutschland die nötigen Fachkräfte zu liefern. Das Land hat einen großen Jugendüberhang: 67% der Bevölkerung sind unter 25 Jahren. Pakistan will Köche, Krankenhauspersonal, Ingenieure und IT - Spezialisten exportieren. Sie sollen Deutsch und Englisch sprechen können.

Erleichterter Zuzug von Fachkräften ab 2023: Damit will man den Fachkräftemangel in Deutschland bekämpfen. Es fehlen Fachkräfte im IT - Bereich, in der Pflege, im Gesundheitssektor, im Handwerk u. a. Es soll ein Punktesystem gelten. Eckpunkte sind: Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter. Aus der Konzeption soll ein Gesetz werden. Zuerst wird sie als "Chancenkarte" nach dem Vorbild Kanada gesehen.

Migrationspaket 2022: Es soll ein Chancen-Aufenthaltsrecht kommen. Es soll für diejenigen sein, die in Deutschland seit 5 Jahren und mehr leben und gut integriert sind. Sie sollen einen gefestigten Aufenthaltstitel bekommen können.  Es soll auch Erleichterungen beim -Familienzuzug geben. Mehr Ausländer sollen auch Zugang zu Integrations- und Berufssprachkursen bekommen.  Schon 2021 ist die Anzahl der Migranten, die aus Ländern außerhalb der EU nach Deutschland befristet wegen der Arbeit kommen, gestiegen. Es waren rund 295.000 Menschen.

Migrations- und Mobilitätsabkommen mit Indien: Bei ihrem Indienbesuch Anfang Dezember 2022 schließt Außenministerin Baerbock ein Migrations- und Mobilitätsabkommen mit Indien. Das ist das erste umfassende Abkommen im Migrationsbereich, das Deutschland mit einem Herkunftsland schließt. Es hat insofern Modellcharakter für weitere Abkommen. Weitere Abkommen mit anderen Staaten werden geschlossen (Georgien, Tunesien, Usbekistan)

Chancenbleiberecht (Chancenaufenthaltsrecht): Es wird im Juli 2022 beschlossen von der Regierung. Es ist ein Aufenthaltsrecht für gut integrierte Ausländer. Ausländer, die fünf Jahre in Deutschland sind und gut integriert, können in einen einjährigen Aufenthaltsprüfungszeitraum kommen (Stichtag 1. Januar 2022). Die Regelung zielt auf Ausländer ab, die sich von Duldung zu Duldung hängeln. In der einjährigen Übergangszeit können die Voraussetzungen für einen langfristigen Aufenthalt gelegt werden: Sicherung des Lebensunterhalts, Deutschkenntnisse, Identitätsnachweis. Rund 135.000 Menschen dürften davon betroffen sein. Für IT - Fachkräfte und Facharbeiter soll der Familiennachzug erleichtert werden. Man spricht auch von der "Chancenkarte". Stichtag ist der 31.10.22. Anfang Dezember 2022 passiert das Gesetz den Bundestag.

Schnellere Einbürgerung: Das Kabinett beschließt im August 23 eine Reform. Es sollen mehr Fachkräfte gewonnen werden und die Integration soll verbessert werden. Deshalb soll es schneller einen deutschen Pass geben. Wartezeiten sollen verkürzt und Doppelpässe erlaubt sein. Dei Staatsbürgerschaft kann man nach 5 Jahren erwerben (wenn man den Lebensunterhalt selbst bestreiten kann). Der Bundestag beschließt am 19.01.24 eine Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes. 

Fachkräfte-Einwanderungsgesetz: Ein Entwurf wird bei den Koalitionsgesprächen im März 23 beschlossen. Es soll Unternehmen helfen, nach qualifizierten Mitarbeitern zu suchen. Es gibt Erleichterungen beim Familiennachzug und bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen. Es kommt eine "Chancenkarte" nach einem Punktesystem (siehe oben). Der Bundestag beschließt das Gesetz im Juni 2023. Der Bundesrat muss noch zustimmen. Siehe auch oben zu mehr Inhalt.

Integrationsgipfel und Aktionsplan mit über 100 Punkten 2021: Im März 2021 verabschiedet die Bundesregierung den Plan für Deutschland, um die Zuwanderung zu fördern. Darin gibt es einen Katalog von Maßnahmen. Der Plan wurde über Jahre ausgearbeitet von rund 300 Partnern aus Bund, Ländern, Kommunen und Zivilgesellschaft (75 Migranten - Organisationen). "Wir haben immer noch an vielen Stellen ein Rassismusproblem in Deutschland", Franziska Giffey.

Einwanderungsgesetz von Kanada: Es gilt als eines der besten in der Welt. Kanada hat 2018 37 Mio. Einwohner. Es will seine Bevölkerung durch Immigration jährlich um annähernd 1 Prozent erhöhen. Kanada hat ein Punktesystem. Es wurde mehrfach geändert. 2015 kam das "Express Entry System". Über die Internetseite des Ministeriums für Einwanderung und Flüchtlinge wird ein Profil erstellt. Darin sind Informationen über Qualifikationen, Schulbildung, Sprachkenntnisse und Alter. Für Fachkräfte gibt es ein "Federal Skilled Workers" - Programm. Die "Economic Class" ist die größte Gruppe der Immigranten. Etwa 50% der Einwanderer gehören in die Gruppe der Wirtschaftsmigranten. Es gibt auch illegale Einwanderung (2017 25.000). Auch das System Kanadas, das als vorbildlich gilt, ist dysfunktional und unmoralisch.

Abschiebungen: Theoretisch soll die Zahl erhöht werden durch verschiedene Maßnahmen: schnellere Asylverfahren, sichere Herkunftsstaaten, Verletzung von Regeln in Deutschland (auch Bewährungsstrafen). Praktisch scheitern Abschiebungen an vielen Faktoren: Zu wenig Verwaltungspersonal, Kosten, keine Pässe, Ärztliche Atteste, Untertauchen, fehlender Abschiebewille (Politik), zu geringe Zuschüsse für die Heimreise. Durch Abkommen mit den Zielländern, z. B. Tunesien,  soll die Zahl der Rückführungen erhöht werden. Im Jahre 2017 wird ein Abkommen für Abschiebungen mit Afghanistan geschlossen. Einige Bundesländer halten trotzdem das Land für zu unsicher. Frankreich will 2018 das Asylrecht verschärfen. Abschiebungen sollen schneller möglich sein. 2018 wurden so viele Abschiebungen in andere EU-Länder durchgeführt wie nie zuvor (9209). Das Innenministerium in Deutschland will 2019 ausreisepflichtigen Ausländern, die ihre Abschiebung hintertreiben, das Leben schwer machen. Der entsprechende Gesetzentwurf reiht sich wieder in die Reihe der wohlklingenden Namen ein: "Geordnete-Rückkehr-Gesetz". Mit dem Gesetz sollen strengere Regeln für Abschiebungen durchgesetzt werden. Die Opposition ist aus unterschiedlichen Gründen dagegen. Die Regeln für die Abschiebung werden im Juni 2019 erleichtert. Kriminelle Syrer sollen ab 2020 abgeschoben werden können (sonst Abschiebestopp für Syrien; Ansprechpartner fehlen aber). Im Februar 2023 ernennt die Bundesregierung einen Beauftragten für Abschiebungen. Es wird der FDP-Politiker aus NRW und Ex-Integrationsminister Joachim Stamp. 2023 überlegt das Innenministerium einen bis zu vier Wochen verlängerten Ausreisegewahrsam, um den Ausländerbehörden mehr Zeit bei Abschiebungen zu geben. Die Grünen lehnen ab.  Es soll 2023 noch ein Gesetzentwurf für die Vereinfachung von Abschiebungen kommen. auch der Zugang zu Arbeit soll leichter werden.   2017 sind ca. 500.000 abgelehnte Asylbewerber in Deutschland, die kurzfristig nicht abgeschoben werden können. Das sorgt für viel Unmut gegenüber den etablierten Parteien. Bayern will 2018 schneller abschieben (eigner Asylplan, Chartern von Flugzeugen). Deutschland hat 2017 deutlich mehr Menschen in die Maghreb-Staaten abgeschoben. Mittlerweile gibt es eine Zusammenarbeit mit den dortigen Regierungen. Im November 2018 wird geprüft, ob Straftäter und Gefährder künftig wieder nach Syrien abgeschoben werden können. Es wird vorerst keine Abschiebungen nach Syrien geben. Im Januar 2019 erklärt der Bundestag Georgien und die Maghreb-Staaten (Algerien, Tunesien, Marokko) zu sichern Herkunftsstaaten. Ein Abschiebestopp für Syrer bis Jahresende ist umstritten. Die 16 Landesinnenminister haben den Bund aufgefordert bis Herbst eine neue Bewertung der Sicherheitslage vorzulegen. Im Jahr 2019 wurden insgesamt 11.081 Menschen ausgewiesen, doppelt so viele als 2018.2022 gab es knapp 13.000 Abschiebungen (2021 waren es ca. 12.000). Abschiebungen werden immer wieder diskutiert, wenn vorbestrafte Täter einen Migrationshintergrund haben. So z. B. bei dem Staatenlosen Ibrahim A., der im Zug in Schleswig-Holstein 2 Jugendliche ersticht. Im ersten Halbjahr 2023 sind die Abschiebungen um mehr als ein Viertel gestiegen. Die Bundesregierung will ab Oktober 2023 schneller abschieben (2023 16.430 Abschiebungen). In den ersten drei Monaten 24 steigt die Anzahl der Abschiebungen deutlich: 4791 Menschen. Nord-Mazedonien liegt an der Spitze. Seit 2023 ist Joachim Stamp/ FDP in der Ampel zuständig für Abschieben (Sonderbevollmächtigter der Bundesregierung für Migrations - Abkommen). Man unterscheidet bei den Zielländern nach EU-Ländern nach Dublin und Nicht-EU-Länder, darunter Afghanistan und Syrien.

Abschiebungen von Clan-Mitgliedern, Kriminellen und Antisemiten/ Hasskommentarverbreiter: Immer wieder in der Diskussion, weil die Clan-Kriminalität stark zugenommen hat und weiter zunimmt. 2023 ergreift die Bundesinnenministerin zweimal die Initiative. Die Länder scheinen zu kooperieren. Dann wird im Januar 2024 der Weg freigemacht für schnelle Abschiebung  von Straftätern, Gefährder und Schleuser. Der Vollzug der Abschiebung soll effektiver werden. 2024 geht es wieder um Abschiebungen nach Afghanistan. Die sind nach 2021 ausgesetzt. Nach dem Messerattentat in Mannheim von dem Afghanen wird gefordert, Abschiebungen dorthin wieder möglich zu machen. Kanzler Scholz verkündet in einer Regierungserklärung, dass das Innenministerium die Abschiebung von Kriminellen nach Syrien und Albanien prüft. Schweden bringt mittels eines Tricks afghanische Straftäter zurück in die Heimat. Sie werden nach Usbekistan geflogen und besteigen dort freiwillig eine Maschine nach Afghanistan. Ob das sinnvoll ist, wird sich noch zeigen (die Straftäter könnten irgendwann heimlich zurückgeschickt werden, sie könnten auch dort straffrei bleiben). 2023 hat es in Deutschland einen sprunghaften Anstieg von Antisemitismus gegeben (4782 Fälle). Auch Islamisten, die sich einmal dadurch hervortun (meist Hasskommentare im Netz, soziale Medien), sollen abgeschoben werden können. Straftäter können auch nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden. Viele Aktionen sind in einem Maßnahmenpaket für mehr Sicherheit enthalten, das in einem Gesetzentwurf mündet.

Sichere Herkunftsländer: Die Einstufung ist wichtig für Abschiebungen. 2023 werden Georgien und Moldau als sichere Herkunftsländer eingestuft (in der Folge kommen 10% weniger Flüchtlinge). Teile der Koalition (SPD, FDP) wollen gerade Länder in Nordafrika (Magrebstaaten) in die Liste aufnehmen. Die Grünen sind noch dagegen. Der politische Druck könnte das ändern.

Doppelte Staatsbürgerschaft: Nach dem Referendum in der Türkei, wo die meisten der in Deutschland lebenden Türken mit "Ja" für die Präsidialverfassung stimmen, sollen die Regeln verschärft werden. Spätestens die zweite Generation müsse sich entscheiden.

Pendler: Zwischen den Nachbarländern der EU gibt es einen regen Verkehr von Beschäftigten über die Grenze. Viele Deutsche arbeiten in den Niederlanden, Luxemburg, der Schweiz oder Österreich. Nach Rheinland-Pfalz kommen Pendler aus Frankreich und Luxemburg. In Rheinland-Pfalz gab es 2012 149.000 Einpendler. 282.000 waren Auspendler. Immer größer wird die Zahl der Pendler innerhalb Deutschlands. 3 Mio. Menschen pendeln 2016 von Ostdeutschland nach Westdeutschland (Quelle: BA). Im Jahr 2015 hatten 60 Prozent der Arbeitnehmer ihren Job nicht am Wohnort. Viele Städte stellt die tägliche Anzahl der Ein- und Ausreisenden vor Probleme. Die Pendlerströme werden in den nächsten Jahren zunehmen. In den Ballungsräumen kommen mehr neue Arbeitsplätze als Wohnungen. Menschen müssen bei der Arbeitsplatzwahl auch immer flexibler sein (Zeitverträge, projektbezogenes Arbeiten, Doppelverdiener). Die meisten Einpendler in Deutschland hat München, vor Frankfurt und Hamburg. Der Zuwachs ist am stärksten in Berlin. Ein guter Indikator ist die Entfernungspauschale. 2012 musste der Staat hierfür 10,7 Mio. Euro zahlen, 2018 schon 11,7 Millionen €. Es gibt immer mehr Arbeitspendler in Deutschland. Im Jahre 2023 arbeiteten knapp 20,5 Mio. Beschäftigte in einer anderen Gemeinde. Die meisten Pendler lebten mit 455.000 im Münchener Umland. Danach folgten Frankfurt (405.000) und Hamburg (392.000). An den nächsten Stellen kommen Berlin (391.000) und Köln (305.000).

Auswanderer: Das wichtigste Zielland in den vergangenen 10 Jahren (ab 2019 rückwärts) war mit Abstand die Schweiz (200.000 Menschen). Es folgen die USA (127.000), Österreich (108.000) und Großbritannien (82.000). Quelle: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Berlin 2019. 70% der Auswanderer sind Akademiker. Jährlich wandern etwa 180.000 Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit ins Ausland ab. 130.000 kehren zurück.

Wohneigentum und Mobilität: Wohneigentum und Hausbesitz kann die Mobilität auf dem Arbeitsmarkt einschränken und somit auch die Arbeitslosigkeit erhöhen. .

Auszubildende (Azubi): Junge Menschen in Berufsausbildung. 531.000 neue Lehrverträge wurden bundesweit zum Stichtag 30. September 2013 geschlossen. Das waren 3,7% weniger als ein Jahr zuvor (Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung). 2013 gibt es erstmals mehr Studenten als Auszubildende. Im "Nationalen Bildungsbericht" (alle zwei Jahre, 2014)  fordern Autoren die Politiker in Bund und Ländern auf, die Duale Ausbildung attraktiver zu gestalten.

Status der Beschäftigten im Wandel der Zeit: In der Frühphase des Kapitalismus werden aus Landarbeitern Handwerker. Mit der Industrialisierung werden aus Handwerkern Arbeiter. Im Wissenskapitalismus werden Arbeiter zu Angestellten. Vgl. Wirtschaftswoche Nr. 1/2, 06.01.14, S. 16ff.

Integration: Laut dem Integrationsbericht der Bundesregierung 2010 zeigen ca. 15% der Migranten kein Interesse, sich zu integrieren. Es soll ein Programm aufgelegt werden, das unterschiedliche Maßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen zusammenfasst. Die Debatte wurde durch folgendes Buch ausgelöst:  "Deutschland schafft sich ab" von Thilo Sarrazin: Zurzeit bekanntestes Buch zur Bevölkerungsentwicklung und Migration. Er formuliert eine Art Untergangsvision eines überfremdeten Deutschlands. Anhand von Theorien über Intelligenz und Fertilität macht er Modellrechnungen über zukünftige Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur: höhere Geburtenrate muslimischer Frauen bei sinkender Intelligenz. Methodisch problematisch ist die Fortschreibung jetziger Raten und teilweise die Vernachlässigung intervenierender Variablen (z. B. Religion, Kultur, Abstammung, Bildungsniveau). Die Intelligenzforschung ist heute auf einem anderen Stand: die Rolle der Gene wurde lange überschätzt. Die kognitiven Fähigkeiten sind viel formbarer als gedacht. Kindern aus sozial schwachen Familien hilft gezielte Förderung, das Potential des Gehirns zu entfalten. Ende 2010 erhält in der Schweiz in einer Volksabstimmung die so genannte "Ausschaffungsinitiative" eine Mehrheit: Kommen Ausländer mit dem Gesetz in Konflikt, können sie ausgewiesen werden. 2012 findet ein Runder Tisch zur Integration bei der Kanzlerin statt: Es entsteht ein Integrationsplan. Hauptpunkte sind die frühkindliche Erziehung, Arbeitsmarkt und Bildung, Sprach- und Integrationskurse, Sport, Medien, Gesundheit und Öffentlicher Dienst. 2012 wird eine Integrationsstudie im Auftrag des Bindesinnenministers vorgelegt. Die Ergebnisse sind sehr umstritten. Eines ist, dass die 14- bis 32-jährigen Muslime in Deutschland nur zu 48% integrationswillig seien. 2014 gibt es einen Streit in der Koalition um das Staatsbürgerrecht. Sollen Migrantenkinder den Doppelpass nur bekommen, wenn sie hier zur Schule gegangen sind? Anfang Dezember 2014 findet ein Integrationsgipfel in Berlin statt. Es geht um die Berufschancen junger Migranten und Vermeidung von Diskriminierung (z. B. bei Bewerbungen). Schon jeder fünfte Deutsche hat einen Migrationshintergrund. Die Gemeinden und Kommunen in Deutschland fordern Ende 2015 einen Masterplan zur Integration ausländischer Jugendlicher. Ende Januar setzt die Bundesregierung eine Arbeitsgruppe ein, die bis Ende März 2016 einen Plan zur Integration entwerfen soll. Es soll Integrationsfördergesetz entstehen. Bestandteil soll auch sein, dass Flüchtlinge vorläufige Arbeitsgenehmigen für einfache Tätigkeiten noch während des Asylverfahrens erhalten (nach drei Monaten, wenn kein Deutscher oder EU-Bürger in Frage kommt). Die Integration könnte erheblich verbessert werden, wenn anerkannte Asylbewerber nicht in überlastete Großstädte drängen würden. Bisher ziehen die Flüchtlinge zu ihren Landsleuten (Syrer nach NRW, Afghanen nach Hamburg, Pakistaner ins Rhein-Main-Gebiet). Dabei gibt es viele Mittel- und Kleinstädte, die Wohnraum und Arbeitsplätze bieten können.  Bundesbauministerin Hendricks fordert 1,3 Mrd. € für Wohnungsbau und Stadtentwicklung pro Jahr ab 2016. Die CDU legt ein Integrationskonzept vor, das Ausnahmen vom Mindestlohn für Flüchtlinge enthält. Dieser letzte Aspekt wird zurückgenommen (Ausnahmen nur bei Praktika). Auch die SPD hat einen Integrationsplan und mahnt die Finanzierung an. 2016 wird ein Integrationsgesetz erarbeitet. Flüchtlinge sollen ein Daueraufenthaltsrecht nur erhalten, wenn sie Integrationsleistungen vorweisen können. Wer Kurse verweigert oder wer die Ausbildung abbricht, dem drohen Kürzungen der Leistungen. Wer einen job findet, der erhält für weitere zwei Jahre das Aufenthaltsrecht. 100.000 Stellen sollen für Flüchtlinge im Asylverfahren geschaffen werden ("niedrigschwellige Heranführung an den Arbeitsmarkt"). Es gibt eine Wohnsitzzuweisung. Für drei Jahre soll die Vorteilsprüfung ausgesetzt werden. Lau Un-Flüchtlingswerk fehlen in Deutschland 20.000 Lehrer für die Integration durch Bildung (2016). Im Juni 2016 legt die Bundesregierung ein Investitionsprogramm zur Integration auf ("sozialer Zusammenhalt", 4 Jahre, 800 Mio. Euro). Gefördert werden Kitas, Schulen, Gebäude, Stadtteilzentren, Bürgerhäuser, sonstige Infrastruktur. Der Bildungsbericht der Bundesregierung 2016 zeigt deutlich, dass Migranten - Kinder sich wesentlich schwerer im Bildungssystem tun. Die Lehrer sind auf Migrantenkinder meist nur schlecht vorbereitet, insbesondere für die Ausbildung in deutscher Sprache  (Quelle: Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration, Mercator-Institut Köln). Bayern setzt 2016 ein eigenes Integrationsgesetz durch. Gegen ein Islamgesetz, das im April 2017 gefordert wird, gibt es eine breite Ablehnungsfront. Eine Integrationsstudie 2017 über Muslime in Europa zeigt folgendes: In Deutschland leben 2017 5,7 Muslime. Sie sind gut im Arbeitsmarkt integriert. Auffällig sind in Deutschland Probleme bei der Bildung (jeder dritte Muslim scheitert in der Schule) und bei der Akzeptanz (vor allem bei Hochreligiösen). 2018 taucht die "Spurwechsel-Idee" auf: Abgelehnte Asylbewerber sollen bleiben können, wenn sie integriert sind und einen Job haben. Etwas mehr als die Hälfte der Zuwanderer (2018, 53,7%, 108.000; 2017: 60% erfolgreich) schließt nach einem Integrationskurs den Deutschtest erfolgreich ab (Quelle: Bundesinnenministerium). 2024 lobt die OECD in einem Bericht die Integration von Eingewanderten in Deutschland.  "Die Ursache von Nicht-Integration ist nicht ein Ausländer oder ein Muslim zu sein, sondern die Armut. ... Man gewinnt die Menschen für die Leitkultur nicht mit Stammtischgegröle, sondern indem man ihre Herzen gewinnt", C. Gruber, Die Rheinpfalz, 31. 10. 2010, S. 1. Im März 2014 einigt man sich in der Bundesregierung auf eine Lösung für den Doppelpass. Ende August 2015 sind laut einer Umfrage 69,3% aller Asylsuchenden Muslime. 62% aller Asylbewerber sind Syrer. Die jungen Männer überwiegen bei weitem. "Integration funktioniert wie ein Handschlag, es gehören immer zwei dazu", Julia Klöckner, CDU-Vorsitzende RLP. In einer Umfrage von Infrastest-Dimag im Februar 2016 geben 52% (für Deutschland repräsentativ) der Befragten an, dass eine Integration der Flüchtlinge nur bei Begrenzung gelingt. Ziel im BAMF sind Ende 2016 7300 Mitarbeiter. Es fehlen vor allem Kräfte für die Sprachschulung. Neukölln in Berlin macht gute Erfahrungen mit Stadtteilmuttis in der Integration. Das sind Frauen nichtdeutscher Herkunft, die vor allem solchen Migranten helfen sollen, die für Behörden schwer zu erreichen sind. 2016 sind die Behörden ratlos, was Kinder - Ehen nach Scharia - Recht angeht. Im November 2016 einigt sich die Koalition auf ein Verbot von Kinderehen (unter 18 Jahren ohne Ausnahmen). Das Gesetz wird im April 17 beschlossen. Im Jahre 2016 beträgt die durchschnittliche Wartezeit auf einen Integrationskurs acht Wochen (250.000 Menschen haben bis Mitte des Jahres einen Antrag gestellt). Das Referendum in der Türkei im April 2017, bei dem in Deutschland lebende Türken zu über 60% für die Präsidialverfassung stimmen (in Türkei nur 51,4%), führt zu einer Diskussion über die Integration der Türken in Deutschland und über den Sinn der doppelten Staatsbürgerschaft. Pirmases in der Westpfalz erreicht 2018 eine Zuzugssperre für Flüchtlinge. Durch die niedrigen Mieten und die hohe Zahl von Flüchtlingen wollten viele Flüchtlinge aus RLP nach der Anerkennung auch dorthin. Dänemark führt 2018 höhere Strafen für "Ghetto"- Bewohner ein. Mit diesem Vorstoß sollen Parallelgesellschaften bekämpft werden. Es werden 22 Ghetto-Gebiete gebildet, die exakt definiert sind. Die Union fordert 2018 Wertekundeunterricht für Flüchtlingskinder (verpflichtendes Angebot, aber Zuständigkeit bei den Ländern). Die Frage ist, ob das nicht für alle Schüler sinnvoll wäre. Im Mai 2018 fordern die Bundesländer mehr Geld für die Integration vom Bund. In Baden-Württemberg haben sich 120 Unternehmen zusammengeschlossen, die sich dafür einsetzen, dass Geflüchtete in Ausbildung und Arbeit ein Bleiberecht bekommen. Die Initiative will sich auch für Firmen aus anderen Bundesländern öffnen. Das Unmut ist groß bei den Firmen. Am besten wäre ein Einwanderungsgesetz. Die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer schlägt 2018 vor, ein verpflichtendes Dienstjahr auch für Flüchtlinge einzuführen. Wenn es zu schweren Straftaten mit Todesfolge von Flüchtlingen kommt wie in Kandel 2017 oder Chemnitz 2018 nutzen rechte Gruppen diese Ereignisse für Demonstrationen gegen die Flüchtlingspolitik. Ab 2020 will der Bund bei den Flüchtlingskosten weniger geben. Das würde zu einer Mehrbelastung bei Ländern und Kommunen für die Integration führen. 2020 sind die Flüchtlinge teils gut integriert. Allerdings sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt geringer. Quelle: Vier Studien des DIW, Berlin 2020. Am 19.10.20 findet der 12. Integrationsgipfel in Berlin statt: Durch Covid-19 wird die Integration schwieriger. Spracherwerb und Hilfe von Sportvereinen sind eingeschränkt. Sie haben unsichere Arbeitsplätze, die stärker betroffen sind von wirtschaftlichen Folgen. alle zwei Jahre findet das Medienforum "Migration" statt. 2021 geht es um "Teilhabe". Haben Menschen mit Migrationshintergrund im Beruf die gleichen Chancen?

Integrationskurse: Vieles läuft falsch. Flüchtlinge müssten viel früher in Arbeit kommen. Gesetzliche Beschäftigungsverbote sind zu rigide. Für die Zusammensetzung der Kurse ist weniger die Nationalität wichtig. Ausschlaggebend für mehr Erfolg ist eine ähnliche Altersstruktur und der Grad der Arbeits- und Bildungserfahrung. Es gibt fünf Typen von Menschen: 1. Durch - Starter. 2. Hoffnungsträger. 3. Unterprivilegierte. 4. Spätausgewanderte. 5. Lang - Migranten. Englisch spielt als Brückensprache eine zu geringe Rolle. Quelle: Institut der Deutschen Sprache (IDS), Mannheim. 2019 betrug die durchschnittliche Wartezeit auf einen Integrationskurs acht Monate. Der Gesamtbetrag für Integrationskurse steigt 2024 auf über 1 Mrd. €. Schon im Oktober 24 ist das Budget für Integrationskurse für das Jahr fast ausgeschöpft (997 Mio. € von 1,07 Mrd.). Die Nachfrage ist sehr groß. 2025 betragen die Mittel nur noch ca. 500 Mio. €.  Eine Umfrage 2021 (Ev. Wohlfahrtsverband Diakonie) zeigt, dass sechs von zehn Bundesbürgern nicht wollen, dass mehr Schutzsuchende aufgenommen werden.

Integration und Getto: Eine regionale Konzentration von Migranten derselben Nationalität ist ökonomisch kontraproduktiv. Sie senkt Sprachkompetenz und Bildungserfolge. Vgl. Ludger Wössmann: Integration verträgt sich nicht mit Gettos in den Städten, in: WiWo 51, 7.12.2018, S. 47. Dänemark Regierung fürchtet Parallelgesellschaften am meisten. Deshalb soll die Bevölkerungsstruktur in sozialen Brennpunkten neu gemischt werden. Es soll auch Zwangsumsiedlungen geben. Das ist ein interessantes Modell für Integration. Vgl. Schenk, Arnfried: Im falschen Viertel, in: Die Zeit Nr. 2, 5. Januar 2022, S. 31.

Islam und Integration. An vielen Stellen beschäftige ich mich auf dieser Plattform mit dem Islam. Die Spanne reicht von der Auseinandersetzung mit der Religion, die geteilt ist in Schiiten und Sunniten, bis zur sozialen und politischen Zersetzungswirkung in Staaten (UdSSR bzw. Russland, China, Türkei). Was ich für unklug und untragbar halte, ist eine Tabuisierung des Themas. Ich nehme als Beispiel das Buch von Sarrazin "Deutschland schafft sich ab". Zwei Grundthesen in diesem Buch sind diskussionswürdig: Die schwierige Integrationsfähigkeit des Islam und die wesentlich höhere Geburtenrate (z. B. arabische Clans und ihre Rekrutierung). So halte ich auch die Ausschluss-Diskussion in der SPD für völlig falsch. Die schwierige Integration bei islamischen Migranten ist durch viele Studien belegt (Frankreich, GB, Schweden, Dänemark; dazu habe ich mal eine spezielle Veranstaltung gemacht). Auch die verzerrte Darstellung der schiitischen Moslems im Iran (von den USA massiv betrieben, vor allem von einer reinflussreichen Minderheit gefördert) sollte nicht von der Wissenschaft unterstützt werden. Die Wissenschaft hat immer die Grundfunktion der Aufklärung und eventuell der Moderation. Vgl. Sarica, Tuba: Ihr Scheinheiligen. Doppelmoral und falsche Toleranz - die Parallelwelt der Deutschtürken und die Deutschen, München 2018. Auch: Hamed Abdel-Samad: Islam. Eine kritische Geschichte, München 2023.

Syrer und Integration:  Weil 2015 die meisten Flüchtlinge aus Syrien kam, gibt es darüber bis 2021 Erfahrungen. Zwei von drei Syrern leben noch von Hartz-IV. Die Ausbildung dauert länger als erwartet (Sprachkurse, Nachhilfe, Fortbildung). Viele Jobs sind unter der Qualifikation. Besonders schwierig ist es, syrische Frauen in den Job zu bringen. Vgl. Rudzio, Kolja: Deutschland braucht mehr Zuwanderer. Aber zwei von drei Syrern leben von Hartz IV. wie kann das sein? in: Die Zeit Nr. 39, 23.9.21, S. 23.

Arbeit und Integration: Integration über Arbeit funktioniert gut. So hat Deutschland einst Millionen Vertriebene aufgenommen. Auch viele geflüchtete Ukrainerinnen möchten die Zeit in Deutschland mit etwas Produktivem füllen, mit Deutschkursen oder einer Ausbildung für sich und die Kinder. Vgl. Friedmann: Interview mit Katrin Boeckh, in: Der Spiegel 50/ 10.12.22, S. 40f.

Integration und bestimmte Kulturen: Bei einzelnen Gruppe wird Diskriminierung gezielt geprüft. so wird ab 2022 der Antiziganismus kontrolliert. Es wurde eine Meldestelle in Deutschland eingeführt.

Zufriedenheit von ausländischen Arbeitskräften in Deutschland: Die Organisation "Internations" ist das größte Netzwerk von Auswanderern und Expads. 2023 haben 12.065 Auswanderer an einer Umfrage teilgenommen. 1000 leben in Deutschland. Deutschland belegt Rang 49 unter 53 Ländern. Mexiko. Spanien und Panama führen die Rangliste an. Südkorea, Norwegen und Kuwait liegen noch hinter Deutschland. Bei folgenden Faktoren schneidet Deutschland schlecht ab: Eingewöhnung, unfreundliche Deutsche, Schwierigkeiten neue Freunde zu finden, Probleme beim Lernen der Sprache, schlechte digitale Infrastruktur, schlechte bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten. Positiv bewertet werden die Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt, Arbeitsplatzsicherheit, Auto-Infrastruktur.

Migrationsberatung: Ab 2023 plant die Bundesregierung in den kommenden Jahren Einsparungen bei den Hilfen für Migranten. Das Budget für Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderung soll von 81,5 Mio. € (23) auf 57,5 Mio. € sinken. Die Begründung liegt bei der Schuldenbremse. Insgesamt gibt es Einschnitte im sozialen Bereich.

Freibäder als Spiegel der Gesellschaft und mangelnden Integration: Was sich in Freibädern überall in Deutschland abspielt, ist ein Symbol mangelnder Integration. Gleichzeitig wird die jahrelange Schönfärberei entlarvt. Oft sind Jugendliche mit Migrationshintergrund gewalttätig und betrachten Frauen als Freiwild. Gleichzeitig versuchen sie, Mädchen ihrer Kultur das Schwimmen zu verbieten oder das Tragen des Bikinis.

Einstellung der Bevölkerung zu Migration: Die Migration nach Deutschland droht die Bevölkerung zu überfordern. Angst und Vorurteile zerstören Empathie. Um diese zu erhalten, müssen Mehrheiten das Gefühl haben, dass es Kontrolle gibt, und verstehen, warum Menschen fliehen. Vgl. Der Spiegel 39/ 23.9.23, S. 12 ff. (auch Interview mit dem Migrationsexperten Gerald Knaus). .Die Deutschen sind der Auffassung, dass zu viele Menschen kommen, dass die Willkommenskultur schwindet, dass ihr Vertrauen in Politik und Verwaltung abnimmt.

Eigene Flüchtlingsstädte: Ökonomen (z. B. Paul Romer, N.Y. University; Nobelpreisträger 2018: Charter City) haben Konzeptionen für eigene Städte für Flüchtlinge entwickelt. Diese sollen den Status von Sonderwirtschaftszonen bekommen. Die Städte Hongkong und Shenzhen in China werden immer wieder als Beispiele genannt. Globale Konzerne könnten angesichts niedriger Lohnkosten Anreize zur Ansiedlung sehen. Die Flüchtlingsstädte ("Charter Cities") sollen weltweit entstehen. Allerdings will kein Land das Experiment wagen. Als guter Standort wird etwa Jordanien gesehen. Offenbar kann man mit einer solchen Idee reüssieren: Professor Paul Romer soll Chefvolkswirt der Weltbank werden. Im Kern ist seine Idee Kolonialismus als Entwicklungsmodell. Billige Flüchtlingsunterkünfte sind in großer Anzahl entwickelt worden. Am bekanntesten ist "Better Shelter" von der Ikea-Foundation ( www.bettershelter.org ).

Diversity (Diversität): In der Personalwirtschaft ein Konzept, das die Verschiedenheit der Belegschaft als effizientes Instrument betrachtet. Es geht dabei um eine Betrachtung der Verschiedenheit von Frauen und Männern (Gender, auch Sexualität), älteren und jüngeren Mitarbeitern, Ausländern/ Migranten und Deutschen (Interkulturalität), Mitglieder verschiedener Religionen, Behinderten und Nicht-Behinderten (Handicap), um die Gruppen optimal zum Nutzen der Organisation und der Gruppen selbst einzusetzen. Grundhypothese ist, das die Verschiedenheit der Mitarbeiter den Erfolg der Organisation verbessert. Wichtigste Randbedingung ist der optimale Personaleinsatz gemäß den Merkmalen. Dazu gehören auch flexiblere Laufbahn- und Arbeitszeitmodelle und ein besseres Gesundheitsmanagement. Diversität wird auch als wichtigste Reaktion auf die Bevölkerungsentwicklung gesehen. Ungeklärt ist der genaue Zusammenhang zwischen Erfolgsmerkmalen und Personenmerkmalen (z. B. müssen sich Frauen in Organisationen männlich verhalten, um Erfolg zu haben?). Fälschlicherweise erfolgt oft eine Beschränkung des Themas auf das Geschlechterrollenproblem. Das ist ist weiterhin hoch sensibel. 2014 gibt es eine Diskussion über die Einbeziehung der Sexualität in den Stuttgarter Bildungsplan. Es gibt auch eine Rangliste der Diversität in DAX-Aufsichtsräten. Seit drei Jahren (2014 bis 2016 liegt Siemens an der Spitze). 2018 führt das Kabinett ein drittes Geschlecht ein. Es ist eine weitere Option für das Geburtsregister und heißt "divers". "Kulturelle Vielfalt: Wir bekennen uns zu unserer regionalen und kulturellen Herkunft und betrachten zugleich Vielfalt als Zugewinn und als Voraussetzung für unseren weltweiten Erfolg", Homepage der Robert Bosch Gruppe. "Es kann ja heute keiner mehr öffentlich sagen, dass er gegen Diversity ist", Barbara Stolke, Diversity-Managerin, Thyssen-Krupp, 2015. Die Inklusion behinderter Menschen im Beschäftigungssystem erreicht Ende 2015 einen Höchststand in Deutschland: Aber immer noch ist die ALQ mit 13,9% höher. Rund 84.000 Menschen, die in Deutschland unter Betreuung stehen und vom Wahlrecht ausgeschlossen waren, können grundsätzlich an der Europawahl teilnehmen. Das verkündet das Bundesverfassungsgericht.

Nutzen von Diversity: Es gibt keinen empirischen Beleg dafür, dass die Rentabilität eines Unternehmens allein durch eine größere Vielfalt im Führungsgremium oder der Belegschaft erhöht werden kann. Unternehmen werden nur dann wirklich von einer diversen Belegschaft profitieren, wenn sie ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicher fühlen und nicht diskriminiert und benachteiligt werden. Dazu gehört auch, dass Führungskräfte für das Verhältnis unterschiedlicher Identitätsgruppen offen sind. Vgl. Ely, Robin J./ Thomas, David A.: Warum Diversity oft nichts bringt, in: HBM Juni 2021, S. 64ff.

Soziale Herkunft: Menschen aus einfachen Verhältnissen kommen in den Diversity - Strategien der Unternehmen kaum vor. Dabei spielt die Herkunft eine ebenso große Rolle wie Hautfarbe oder Geschlecht. Soziale Diskriminierung kann viel kosten. Unternehmen können einiges tun: Herkunft als eigenen Diversity - Faktor anerkennen, keine unnötigen Bildungsabschlüsse verlangen, Kandidaten aus allen Abteilungen fördern, die Wechselbeziehung zwischen ethnischer und sozialer Herkunft verstehen, eine Kultur des Zusammenhalts schaffen und Mitarbeiter als Rollenvorbilder aufbauen. Vgl. Ingram, Paul: Die Vergessenen, in: HBM April 2021, S. 56ff.

 

Lohn (Entlohnung der Arbeit; Einkommen, Entgelt, Mindestlohn, Diskriminierung, Lohntheorien, Lohnpolitik, Akteure/ Träger der Lohnpolitik; Lohnungleichheit; Arbeitsproduktivität, Mitbestimmung, Grundeinkommen, Mindestlohn, Kurzarbeit, Bürgergeld bei Arbeitsmarktpolitik)

Arbeitsteilung (effiziente Spezialisierung): Arbeitsteilung beschreibt die Verteilung verschiedener Aufgaben. Eine der wichtigsten Grundbegriffe der Ökonomie. Schon Adam Smith sah hierin die Quelle aller Produktivität. Berühmt ist sein Stecknadelbeispiel (siehe unten). Karl Marx sah in der Arbeitsteilung eher ein Fluch der Menschen. Er macht sie für die Ungleichheit verantwortlich. Man unterscheidet betriebliche, zwischenbetriebliche und internationale Arbeitsteilung. Berühmt ist die Gliederung der Arbeit nach dem deutschen Wissenschaftler Bücher von 1919: Arbeitsvereinigung, Arbeitsgemeinschaft und Arbeitsteilung. Perfekte Arbeitsteilung zeigt das Bienenvolk: es gibt Berufe, Leistungsträger und Krisen (wenn Rohstoffe fehlen). Jeder macht das, was er am besten kann. In vielen Entwicklungsländern, wie z. B. in Kenia,  müssen die Frauen die Defizite ausgleichen, die die Ehe-Männer hinterlassen, die trinken, Drogen nehmen oder einfach faul sind. Dadurch werden sie "Mädchen für alles". Sie kommen damit wieder der Form der Arbeitsvereinigung nahe. "Last jedermann das tun, was er am besten versteht!", Cicero.

Arbeitsteilung, Effizienz und Produktivität: Adam Smith zeigte in seinem Werk "Der Wohlstand der Nationen" 1776 die Vorzüge der Arbeitsteilung an. Einzelne Arbeitsschritte werden von Spezialisten effizienter erledigt. Als Folge steigt die Produktivität. Effizient arbeiten (Ausschuss vermeiden, Überflüssiges abschaffen) erhöht die Produktivität. Das wurde zum Credo der Personalwirtschaft innerhalb der Betriebswirtschaft.

Arbeitsproduktivität: Output pro eingesetzter Einheit Arbeit. Langfristig ist die Produktivitätszunahme die wichtigste Basis für Einkommenssteigerungen. Anstieg 2006 in D um 2%, im Schnitt der vergangenen 10 Jahre 1,7%, USA 2,3%.  Stark ist der Anstieg der Arbeitsproduktivität vor allem in der Landwirtschaft. Dazu beigetragen haben veränderte Produktionsmethoden (Maschinen), Düngemittel und Pflanzenschutzmittel. Ursprung der Arbeitsproduktivität ist die Arbeitsteilung, die Adam Smith anschaulich in seinem Stecknadelbeispiel beschreibt (Der Wohlstand der Nationen, München 1978, S. 11f). Durch verschiedene Maßnahmen kann man erreichen, dass in Betrieben mehr Beschäftigte gehalten werden als man braucht, gemessen am langfristigen Produktivitätstrend (Kurzarbeit, Arbeitszeitkonten). 2009 sind dies eineinhalb bis zwei Millionen. In der Industrie entdeckte F. W. Taylor als erster, dass Serienprodukte am billigsten hergestellt werden können, wenn die Arbeit in möglichst kleine Teilaufgaben zerlegt wird. Dies fand bei Henry Ford großen Anklang, der nach dieser Idee die Fließfertigung aufbaute. Schwieriger als nur die Arbeitsproduktivität ist die totale Faktorproduktivität zu ermitteln (vgl. Krugman: Die große Rezession a. a. O., Kap. 2), die als Maß für das technologische Niveau einer Volkswirtschaft gilt (Produktionsvolumen je Inputeinheit, wobei die verschiedenen Inputs mit ihren Faktoranteilen gewichtet werden). Die Änderung wird als Solow-Residuum gemessen. R. M. Solow (1924, Nobelpreis 1987) sah in der totalen Faktorproduktivität das Geheimnis des Wachstums. "His promotion came like a bolt from the blue - Seine Beförderung kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel". Die Löhne sind weltweit insgesamt nur langsam gestiegen. Das hängt damit zusammen, dass die Produktivität langfristig nur langsam steigt. Eine Einfluss auf zukünftig dynamischere Löhne könnte die steigende Inflation haben. Die Arbeitsproduktivität  in Deutschland ist in den letzten Jahren gesunken (2016 1,4%; 2017 0,9%, 2018 0,1%). 2020 sinkt sie sogar um -3,9%. Quelle: Bertelsmannstiftung.

Arbeitseffizienz (Efficiency of labor): Variable des Solow-Wachstumsmodells, die Wissen, Gesundheit, Ausbildung, Fähigkeiten der Arbeitskräfte erfasst. "Genius is one percent inspiration, ninety-nine percent perspiration", Thomas A. Edison, 1932.

Geschichte der Lohnarbeit: Erst im späten Mittelalter begann Loharbeit in den Städten einen größeren Raum einzunehmen. Bis dahin waren die Menschen in der Landwirtschaft oder im Handwerk in familiären Kleinbetrieben tätig. Auch Kaufleute organisierten sich als Familienbetriebe. In dem Rahmen bezahlte man keinen Lohn, sondern das gemeinsam Erwirtschaftete wurde innerhalb der familia verteilt. Gesellen und Dienstmägde gehörten dazu und erhielten meist Kost und Logis. In England gab es schon im 13. Jahrhund Baurechnungen, in denen Löhne für Arbeiter notiert waren. Die Lohnarbeit verbreitete sich erst im 19 Jahrhundert mit der industriellen Revolution. Vgl. Ertl, Thomas: "Die Arbeitswelt nähert sich gerade der vor 1800 an", in: WiWo 40/ 25.9.20, S. 89.

Psychologie des Lohnes (faire Löhne, gute Arbeit): Dazu führt man "Geschenkaustausch-Experimente" durch. Der Arbeitgeber zahlt lohn. Der Arbeitnehmer leistet Arbeit. Das Ergebnis ist: Der Arbeiter verdient mehr jehöher der lohn, je geringer die Arbeitsleistung. Der Arbeitgeber verdient mehr, je geringer der Lohn, je höher die Arbeitsleistung. Vgl. Falk, Armin: Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein, München 2022, S. 135ff.

Leistungsbezogener Lohn: Leistungsgerechtes Entgelt scheint gerecht zu sein. Aber die Praxis sieht anders aus. Mitarbeiter haben nur wenig Einfluss auf die Ziele und sind oft demotiviert. Also muss darauf geachtet werden, dass die notwendigen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen erfüllt sind. Anders sieht es in der Produktion beim Akkord- und Prämienlohn aus. Hier hat sich die Leistungskomponente bewährt. Dafür müssen psychische und physische Gesundheit im Auge behalten werden.

Bonuszahlungen: Bonuszahlungen steigern nicht immer die Leistung, sondern können zu falschen Entscheidungen führen, weniger Engagement und mehr Neid. Immer dann sollte man beim Fixgehalt bleiben, wenn man keine klar messbaren Indikatoren hat. Verworrene Bonussysteme können auch zu Intransparenz führen, was Missgunst begünstigt. Wegen der Probleme gehen immer mehr Unternehmen dazu über, statt Eigenleistung das Team zu honorieren. Individuelle Boni werden abgeschafft oder gekürzt. Die Leistung des Einzelnen lässt sich immer schwieriger abgrenzen.

Variables Gehalt: Es kann krank machen. Es ist umstritten, weil es im Verdacht steht, Unsicherheit und Stress zu verursachen. Vgl. Johannes Habel u. a.: Variable Compensation and Salesperson Health, in: Journal of Marketing, April 2021.

Lohn und extrinsische Motivation: Bei extrinsischer Motivation arbeiten Menschen in der Regel umso mehr, je mehr Lohn sie verdienen. Bei intrinsischer Motivation gilt diese Hypothese nicht mehr.

Begriffe für Lohn: In Deutschland gibt es unterschiedliche Bezeichnungen, je nach Gruppe. Bei Arbeitern spricht man von Lohn. Bei Angestellten von Gehalt. Bei Beamten von Besoldung.

Überstunden: Arbeitnehmer in Deutschland haben 2015 mehr Überstunden als 2014 auf sich genommen. Sie leisteten 2015 rund 1,81 Milliarden Überstunden (Quelle: IAB). Es stieg auch die Anzahl der nicht entlohnten Mehrarbeit. Es gab 997 Mio. unbezahlte Überstunden (bezahlt: 816 Mio.).

Feiertage (Kalenderfreizeit): Die Feiertage sind Kalender abhängig. Es gibt immer wieder Bemühungen, Regeln zum Nachholen von Feiertagen einzuführen. In 85 Ländern gibt es so was. In Deutschland verläuft ein Feiertagsgefälle von Süd- nach Norddeutschland.

Effizienzlohn: Lohn über dem Gleichgewichtsniveau, den Unternehmungen freiwillig, in erster Linie zur besten Selektion, zur Senkung der Fluktuation und zur Steigerung der Motivation (Shirking), bezahlen. Das berühmteste Beispiel für positive Wirkungen ist Ford (1941 verdoppelt er den Lohnin einer Rezession). In diesem Falle entscheidet weniger das Bargaining zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden in Tarifverhandlungen über den Lohn als der freiwillige Aufschlag. Insbesondere die Besonderheiten des Arbeitsvertrages werden in den Mittelpunkt gestellt. Die Theorie ist gut in die neoklassische Theorie des Lohnes einzubauen. Der Gedanke geht auf Alfred Marshall (1920) zurück. Hypothesen werden von Shapiro/ Stiglitz (Verhinderung von Drückebergerei) und Akerlof/ Yellen (soziale Gründe) entwickelt. Die US-Psychologen Angus Deaton und Daniel Kahneman ergänzten die Effizienzlohntheorie in neuerer Zeit. Sie fanden heraus, dass Gehaltszuwächse Menschen glücklicher machten, bis das Niveau erreicht ist, bei dem sie bequem leben können. In den USA liegt diese Grenze 2015 bei 75.000 Dollar im Jahr. Der US-Unternehmer Dan Price kürzt 2015 sein eigenes Einkommen auf den neusten Mindestlohn seiner Firma (Gravity Payments).  "Wer baute das siebentorige Theben?", Berthold Brecht. "Ein hohes Entgelt für die Arbeit fördert nicht nur die Fortpflanzung, es spornt auch den einfachen Mann zu größerem Fleiß an", Adam Smith,

Lohnspanne: Differenz zwischen tariflichem Lohn  und tatsächlich gezahlten Lohn (Effektivlohn). Die Entwicklung im Zeitablauf zwischen beiden heißt Lohndrift. Das Verhältnis des realen Produzentenlohns (reale Arbeitskosten der Unternehmen einschließlich aller Lohnnebenkosten) zum realen Konsumentenlohn wird durch die Lohnschere gemessen. Das Lohndifferential bezeichnet Gehaltsunterschiede, die sich infolge von bestimmten Merkmalen ergeben (z. B. Geschlecht, Alter, Region); vgl. Wagner, T./ Jahn, E. J.: Neue Arbeitsmarkttheorien, Düsseldorf 1997, S. 291ff. In der EU erhalten Frauen im Durchschnitt 15% weniger Geld für die gleiche Arbeit als Männer. In Deutschland beträgt die Differenz 22%. Das Lohngefälle in D ist sogar steiler geworden in den letzten 10 Jahren.

Der Mindestlohn ( Kombination von Entsendegesetz, Sittenwidrigkeit und Auffang-Mindestlohn möglich. Bei Post - Dienstleistern kommt er ab 1.1.08 bei hauptberuflichen Briefzustellern mit 8 € zustande. Weitere Branchen streben den Mindestlohn an (Zeitarbeitsfirmen, Wachgewerbe, Großwäschereien, Abfallwirtschaft,  Maler und Lackierer). Die Pflegeberufe folgen 2010 mit 8,50€. Die meisten gültigen Mindestlöhne in D sind im Entsendegesetz geregelt. Das Entsendegesetz wird 2009 auf die Entsorgungsbranche, Pflegedienste, Sicherheitsdienste, Großwäschereien, Abfallwirtschaft und Bergbauspezialdienste ausgedehnt (die Mindestlöhne schwanken zwischen 6 und 12,50 €). Für die Zeitarbeit wird eine Lohnuntergrenze eingeführt (Ende 2011). 2012 kommt ein Mindestlohn für Beschäftigte in der Weiterbildung (12,60 € im Westen, 11,25 € im Osten). Der Wirtschafts- und Währungskommissar der EU J. Almunia will einen Mindestlohn für jedes Land). Der DGB strebt 2010 für Deutschland 8,50 € an. Die Zahl der Befürworter wächst in Deutschland, weil die Zahl der Niedrigverdiener wächst und damit auch die Armut im Alter. Auch CDU und FDP nähern sich dem Mindestlohn an. Die CDU will ihn am Mindestlohn der Zeitarbeit orientieren. Die Untergrenze soll durch eine Kommission, der die Tarifparteien angehören, ermittelt werden. Als erstes Bundesland führt Bremen 2012 den Mindestlohn für seine Beschäftigten ein (8,50€). 2012 verknüpft die SPD den Mindestlohn mit der der Mindestrente. 2013 tritt sogar die F.D.P für einen Mindestlohn ein (allerdings auf unterstem Niveau). 2013 gilt der Mindestlohn in Deutschland in 13 Branchen mit knapp fünf Mio. Beschäftigten. Es kommen noch die Steinmetze dazu im Herbst 2013. SPD und Grüne wollen bei einem Wahlsieg 2013 den flächendeckenden Mindestlohn von 8,50€ ab 2014 einführen. Er stellt die untere Grenze dar, die nicht unterschritten werden darf ( in GB mit 8 € eher erfolgreich - 1,4 Mio. Arbeitnehmer, überproportional Frauen, profitieren; Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen als positive Wirkungen - ; in D für einzelne Branchen nach Maßgabe der Tarifparteien, z. B. im Baugewerbe/ Gebäudereinigung). Den Mindestlohn gibt es schon in 20 EU-Ländern. Empirische Studien sehen in GB und den USA keine oder nur geringe negative Auswirkungen. In Frankreich scheint es negative Effekte, vor allem bei Jugendlichen, zu geben. Überlegenswert wäre ein allgemein gesetzlicher Mindestlohn (z. B. 4,50 €), der flächendeckend ist. Er könnte auch mit einem Kombilohn verbunden werden. Er würde den Problemgruppen helfen, die mit sinkenden Löhnen kämpfen. Schätzungsweise verdienen in Deutschland 2007 3,9 Mio. aller Beschäftigten weniger als 7,50 € pro Stunde. Vgl. "Why Has the British National Minimum Wage Had Little or No Impact on Employment", David Metcalf, CEP, London, LSE, Discussion Paper Nr. 781, April 2007. Eine empirische Studie des IAB in Nürnberg (Joachim Möller, Uni Regensburg, auch IAB-Direktor) sieht den Mindestlohn nicht als Job-Killer, weil der Mindestlohn nicht an sich das Problem sei, sondern seine Höhe. Folglich favorisiert das IAB eine gesetzliche Lösung: sei die Produktivität zu gering für einen auskömmlichen Lohn, müsse der Sozialstaat aufstocken. Bestehende Mindestlöhne werden oft unterlaufen. Vor allem im Baugewerbe halten sich Firmen nicht an die Lohnuntergrenzen. Der Zoll hat zu wenig Kapazitäten, um wirksam zu kontrollieren. Theoretisch aus dem Modell des neoklassischen Arbeitsmarktes wird oft eingewandt, dass die Signalfunktion des Lohns verloren geht, der Anreiz zur Weiterqualifizierung wegfällt und Geringqualifizierte im Niedriglohnsektor verharren. Seit 2009 gibt es in Deutschland eine Mindestlohn-Kommission (Hauptausschuss, Expertengremium für Bereiche, in denen Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften keinen Arbeitnehmerschutz schaffen können). Bei den Koalitionsverhandlungen im Herbst 2009 wird ein Verbot sittenwidriger Löhne vereinbart. Bei neuen personalpolitischen Verhaltensweisen in Großunternehmen, Mitarbeiter zu kündigen und mit Werkverträgen wiedereinzustellen oder billigere Arbeitskräfte aus Osteuropa zu beschäftigen, scheint ein Mindestlohn unabdingbar. Außerdem führt er zu zusätzlichen Steuereinnahmen und Einsparungen bei Sozialleistungen. Empirisch kann ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit durch den Mindestlohn nicht bestätigte werden. Eine Umfrage im Oktober 2011 zeigt, dass 86% in Deutschland für den Mindestlohn sind. Der Expertenbeirat beim Bundeswirtschaftsministerium empfiehlt 2012 keinen flächendeckenden Mindestlohn. Er ist für Tarifautonomie. Die überwiegende Zahl der Ökonomen ist aber für eine flächendeckende Mindestlohnlösung (8,50€?). Der Bundesrat beschließt einen flächendeckenden Mindestlohn. Der Bundestag ist für unterschiedliche Lohnuntergrenzen nach Branchen und Regionen (Findungskommission). Beachtet werden sollte dabei, dass viele Unternehmen nicht im Arbeitgeberverband organisiert sind, vor allem in den neuen Ländern. Manchmal ist schwer zu unterscheiden, was zum Mindestlohn gehört (Pauschalen). Niedriglohnbranche Nummer 1 ist das Taxigewerbe. Hier würde ein Mindestlohn gar nichts bringen, weil kein festes Gehalt vereinbart ist. Ein Mindestlohn würde auch überproportional Kleinbetriebe treffen. In den Koalitionsverhandlungen im November 2013 einigt man sich auf einen gesetzlichen Mindestlohn, dessen Höhe von einer Kommission festgelegt wird (Arbeitgeber, Gewerkschaften; Zwei-Jahres-Rhythmus). Ab 2015 kommt der bundesweite Mindestlohn von 8,50 €. Es gibt Ausnahmen und die Regelung wird zeitlich gestreckt. Gewerkschaften (z. B. Verdi) fordern einen Mindestlohn von 10 €. In den USA wird 2014 darum gestritten, den Mindestlohn anzuheben. Zehn Dollar sind im Gespräch. Es soll gegen die wachsende Ungleichheit der Einkommen helfen. Eine Studie des DIW 2014 rechnet bei einem gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland von 8,50 € mit einem Verlust von 100.000 Arbeitsplätzen. Das Arbeitsministerium will nur Jugendliche von der Regelung ausnehmen (Altersgrenze strittig). Das Konzept (Referentenentwurf-Entwurf) enthält folgende Kriterien: 18 Jahre, nicht für Langzeitarbeitslose, keine Branchenausnahmen. Als weitere Ausnahmen im Kabinettsentwurf stehen Praktikanten (für Dauer von drei Monaten ausgenommen), Saisonarbeiter (70 Tage), Zeitungszusteller (zeitliche Staffelung) und Ehrenamtliche. Die Gemüse- und Obstbetriebe sind besonders beunruhigt. Sie befürchten Preissteigerungen von zehn bis 25 Prozent, wenn sie ihren Saisonarbeitern ab 2015 8,50€ zahlen sollen (Übergangsfrist von zwei Jahren, für alle Branchen ab 2017). Die CDU legt ein Integrationskonzept vor, das Ausnahmen vom Mindestlohn für Flüchtlinge enthält. Ab 2017 soll der gesetzliche Mindestlohn angehoben werden auf 8,84 Euro. Das geschieht Ende Oktober 2016 ab dem Jahr 2017. Am 31.10.18 beschließt das Kabinett den Mindestlohn anzuheben: Ab 2019 beträgt er 9,19 €. Ab 2020 steigt er auf 9,35 €. Bundesfinanzminister Scholz plädiert für eine Anhebung über 12 €. Auch die Grünen sprechen sich auf ihrem Bundesparteitag im November 2019 für 12€ aus (auch die Linken sind dafür). Das wäre aber ein massiver Eingriff der Politik in die Tarifautonomie und würde wahrscheinlich mehr als ein Drittel aller Arbeitnehmer betreffen. Außerdem würde man nach relativ kurzer Zeit mit dem verabredeten Prinzip brechen (Kommissionsempfehlung als Grundlage). Ab 01.01.2021 kommt eine Erhöhung auf 9,50€. Im Sondierungspapier für eine Koalition vereinbaren SPD, Grüne und FDP eine sofortige Erhöhung des Mindestlohns auf 12 €. Im Juni 2023 legt die Kommission eine Bericht vor. Sie schlägt eine Erhöhung in zwei Schritten vor (1.1.24; 1.1.25). Am Ende beträgt der Mindestlohn 12,82 €. Die Bundesregierung will der Empfehlung folgen. Die Gewerkschaften haben sich der Mehrheitsentscheidung nicht angeschlossen.  "Forderungen, in den armen Ländern müssten höhere Löhne gezahlt werden und dieselben Arbeits- und Umweltstandards wie in reichen Ländern gelten, sind eine Form des Protektionismus", Jagdish Bhagwati, weltberühmter Professor für internationalen Handel an der Columbia - University, N. Y. In Europa ist der gesetzliche Mindestlohn 2013 am höchsten in Luxemburg mit 11,10 € pro Stunde. Am niedrigsten ist er in Bulgarien mit 0,95 €. In Frankreich beträgt er 9,43€, in Großbritannien 7,78€. In China hat die Einführung des Mindestlohns in einigen Branchen und Provinzen zu sinkender Fluktuation geführt. Die SPD will nach einem Wahlsieg 2013 den gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50€ einführen. In Deutschland verdienen 2013 ca. 19,9% aller Arbeitnehmer (einschließlich Schüler, Studenten, Rentner und Nebenjobs) unter8,50€. 2014 warnen Rechtsexperten des Deutschen Bundestags  vor Ausnahmen beim Mindestlohn. Eine Untersuchung des WSI/ Düsseldorf 2014 gibt einen Überblick über den Anteil der Vergütungsgruppen, die 2013 unter dem geplanten Mindestlohn von 8,50€ liegen: Wachschutz 43%, Gartenbau 29%, Gebäudereinigung 28%, Fleischgewerbe 24%, Landwirtschaft 24%, Hotels und Gaststätten 21%, gesamte Wirtschaft 10%. Besondere Probleme werden bei Taxifahrern in Thüringen erwartet (Thüringen hat 2014 mit 34,9% den höchsten Anteil an Beschäftigten unterhalb der Schwelle von 8,50€ vor Sachsen-Anhalt und Sachsen). In China führen Mindestlöhne nicht automatisch zu weniger Beschäftigten. So Yi Huang/ Gewei Wang: Minimum Wages and Firm Employment: Evidence from China, April 2014 (Chinese University of Hongkong). Im Mai 2014 sprechen sich 77 Prozent der Schweizer in einer Volksabstimmung gegen einen Mindestlohn von 18 € aus. 2012 gehören in Deutschland 15,5% der abhängig Beschäftigten zur Gruppe derjenigen, die weniger als 8,50 € verdienen. Probleme mit dem Mindestlohn gibt es bei den Pfälzerwald-Wanderhütten. Diese sind Wirtschaftsbetriebe und müssen ihre Helfer als Mini-Jobber bezahlen. Dafür gilt aber der neue Mindestlohn. Man findet einen Kompromiss, indem man die Tätigkeit als Ehrenamt definiert. Weitere Probleme in der Praxis tauchen bei Transit-LKW auf. Bei Teil der Fahrer (nur Transit) erfolgt eine Aussetzung. Die Eu leitet ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Im Juni 2016 entscheidet das Bundesarbeitsgericht, dass der Mindestlohn auch für den Bereitschaftsdienst gilt. Im Juni 2017 werden in der Vorderpfalz Verstöße gegen das Mindestlohngesetz bei Landwirten festgestellt (weder Sozialabgaben, noch Mindestlohn, Bezahlung nach Erntemenge). Die Mindestlohn-Kommission dürfte für 2019 eine Erhöhung über 9 Euro empfehlen. Sie orientiert sich an der Entwicklung der Tariflöhne. 2020 gibt es am Arbeitsmarkt weniger Jobs mit Mindestlohn. Zum 1.1.22 wird er gesetzliche Mindestlohn in Deutschland auf 9,82 Euro erhöht. 2023 kommt eine Erhöhung in zwei Stufen: zuletzt auf 12,82€. Im 1. Halbjahr 2023 gab es 50% mehr Ermittlungsverfahren als im Vorjahreszeitraum. Der Zoll deckt damit mehr Verstöße gegen Mindestlohn auf. Der Mindestlohn wird auch im Ashram fällig (Meditationszentrum für Yoga). Es gibt keine religiöse Ausnahmen. Das entscheidet das Bundesverfassungsgericht 2024.

Mindestlohn in der Welt: Die USA haben 2012 einen Mindestlohn von 5,56 € pro Stunde (vom US-Kongress festgelegt). Polen hat einen Mindestlohn von 2,42€. Großbritannien liegt bei 8,05€. Auch die VR China kennt einen gesetzlichen Mindestlohn. In Europa liegen Frankreich (9,61) und die Niederlande (9,21) über Deutschland (8,50; 8,84 ab 2017). Die Daten gelten für 2015. Die niedrigsten Mindestlöhne hat Osteuropa (Bulgarien 1,24; Rumänien 1,40). Der neue US-Präsident Biden will einer zentralen Forderung der Parteilinken um Bernie Sandes nachkommen: höchsten Mindestlohn in der Welt 12,40 €. Für die vielen gering Qualifizierten, die ihren Job in der Corona-Krise verloren haben, könnte das zum Problem bei der Stellensuche werden. Der US-Arbeitsmarkt könnte sich weiter spalten. Der 15-Dollar-Lohn hätte sicher auch Auswirkungen auf dei Diskussion in vielen anderen Ländern der Welt. Er könnte auch Einfluss auf die deutsche Diskussion von künftigen Lohnuntergrenzen haben. Vgl. Heissler, Julian/ Losse, Bert: Sein riskanter 15-Dollar-Plan,in: WiWo 7, 12.2.21, S. 42f.

Gesetzliche Grundlagen für den Mindestlohn in Deutschland: Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Danach können tarifvertraglich vereinbarte Mindestlöhne durch Verordnung der Bundesregierung auf alle Arbeitnehmer einer Branche ausgeweitet werden (muss von beiden Seiten beantragt werden). Das Mindestarbeitsbedingungen - Gesetz soll gelten, wenn das Entsendegesetz nicht greift. Der Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche fußt auf dem Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz. Polen weigert sich 2017 einer Verschärfung der EU-Entsenderrichtlinie zuzustimmen. Dadurch erzielen insbesondere polnische Bauarbeiter nur einen Bruchteil des Lohnes ihrer Kollegen (Lohn-Dumping).

Neufassung der EU-Entsenderrichtlinie: Die Neufassung soll Ende 2017 beschlossen werden. Es soll schärfere Regeln gegen Lohn- und Sozialdumping geben, wenn Arbeitnehmen von einem EU-Land in ein anderes kommen. Diese Arbeiter sollen auch ortsübliche Zulagen und Schlechtwettergeld bekommen. Die Entsendebeschäftigten haben bisher nur Anspruch auf Mindestvergütung (günstigere Variante bei zwei Ländern). Streitpunkt waren bis zuletzt Ausnahmen für das Transportgewerbe (Lastwagenfahrer bleiben ausgenommen). Im Mai 2018 werden Änderungen beschlossen. Bei einer Entsendung nach Deutschland (bzw. ein anderes Land) gilt nach 18 Monaten das Lohniveau in Deutschland (bzw. des anderen Landes).

Auswirkungen des Mindestlohngesetztes 2015 (Weitere Diskussion um Mindestlöhne): Nach drei Jahren soll insgesamt eine Bestandsaufnahme gemacht werden. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls übernimmt die Überwachung (hat allerdings 1600 Stellen unbesetzt und kann diese Aufgabe vorerst nicht erledigen). Über künftige Erhöhungen entscheidet die Mindestlohn-Kommission (Leiter: Henning Voscherau). Bei einem Monatseinkommen von unter 3000 Euro gibt es beschränkte Dokumentationspflichten (Verordnung für 9 Branchen; die Dokumentationspflicht der Arbeitszeit wird von Unternehmen kritisiert). Nach sechs Monaten werden die Arbeitszeiterfassungsregeln gelockert (mindestens 2000 Brutto, ein Jahr regelmäßige Zahlung, keine Erfassung). Eine erste Folge des Mindestlohns scheinen Preiserhöhungen zu sein. Die Unternehmen versuchen, die höheren Lohnkosten abzuwälzen (Umfrage Ifo-Institut). Einige Unternehmen umgehen den Mindestlohn. Sie gehen gezielt in die Ausnahmegruppen (Jugendliche, Auszubildende, Praktikanten, Langzeitarbeitslose, Ehrenamtliche). Unter Federführung des DIW sollen in einer Langzeitstudie die Konsequenzen des Mindestlohns untersucht werden. Die Überprüfung des Mindestlohngesetzes soll früher erfolgen (nach 6 Monaten), damit Schwierigkeiten bei der Anwendung ausgeräumt werden können (Hauptproblem: Umgang mit ehrenamtlich Tätigen in Abgrenzung zu regulär Beschäftigten). Die Umgehung des Mindestlohns scheint über folgende Faktoren zu laufen: Arbeitszeit, Sachkosten, Urlaub, Zuschläge, Trinkgeld. Die noch fehlende Kontrolle durch den Zoll stellt ein Anreiz dar. Problembereiche sind insbesondere Dienstleistungen (Taxi, Pflege), Handwerk (Bäcker, Fleischer) und Landwirtschaft (Erntehelfer). Die Regeln für die Dokumentation müssen eventuell erneuert werden. Die Arbeitszeit soll flexibilisiert werden. 2015 hat der Mindestlohn bisher nicht zu nennenswerten Jobverlusten geführt. Ausweichreaktionen und staatliche Bürokratie sind allerdings angestiegen. Längerfristig könnten als erste Opfer Rentner, Schüler und Studenten betroffen sein, die ihr Einkommen mit einem Minijob aufbessern. Bis Mai 2015 sollen schon 237.000 Mini-Jobs weggefallen sein (Quelle: Quartalsbericht Mini-Job-Zentrale, Bochum). Der Zusammenhang mit dem Mindestlohngesetz kann nicht analysiert werden. Folgende Faktoren dürften einen starken Einfluss auf die Auswirkungen haben und müssen deshalb besonders im Auge gehalten werden: 1. Die Höhe des Mindestlohns (in Deutschland problematisch nicht differenziert für Ost-West und Gruppen sowie Branchen; von vielen Experten als etwas zu hoch eingeschätzt). 2. Problemgruppe Jugendliche: Deutschland hat eine sehr geringe Jugendarbeitslosigkeit. Es gibt seit 1995 schon eine massive Reallohnsenkung bei einzelnen Gruppen. Großbritannien hat ein viel beachtetes Stufenmodell (differenzierte Tarife, drei Stufen). 3. In Deutschland sind 2015 12% insgesamt betroffen und 3% bei Vollbeschäftigung. Wie wird sich diese Struktur in Zukunft verändern? 4. Es geht auch um die Überprüfung der neoklassischen Arbeitsmarkthypothese (Mindestlohn erhöht Arbeitslosigkeit) oder um die Entwicklung neuer Theorien. Zunehmend Probleme bereitet auch die Auftraggeberhaftung (für die Brachen des Entsendegesetzes): In der ganzen Wertschöpfungskette muss geprüft werden, ob der Mindestlohn eingehalten wird. Zunehmend ist das deutsche Speditionsgewerbe betroffen. Die Konkurrenz aus dem Osten umgeht systematisch den Mindestlohn in Deutschland, weil es kaum Kontrollen gibt. Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages 2015 weist darauf hin, dass Zweifel an der Rechtssicherheit bei wichtigen Ausnahmen des gesetzlichen Mindestlohns bestehen. Dass die Arbeitslosenzahlen nach dem Mindestlohngesetz zurückgegangen sind, muss kein Gegenbeweis sein gegen die Kritiker . Viele Mini-Jobber tauchen bei Kündigung nicht in der Statistik auf  (Rentner, Studenten, Zweitjobber). So sieht Clemens Fuest vom ZEW/ Mannheim von Januar bis August 2015 250.000 Minijobs wegfallen (ebenso Institut für Weltwirtschaft, Kiel, mit einer geringeren Zahl). Bundesbank und Böckler-Stiftung sprechen von einem Umwandlungseffekt (weniger Mini-Jobs, mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte). Am 01.01.2016 wird das Mindestlohngesetz 1 Jahr alt. Die Horrorszenarien sind nicht eingetreten. Die Effekte am Arbeitsmarkt sind eher positiv. Den höchsten Beschäftigungszuwachs gibt es im Gastgewerbe (+6,5%). Dienstleistungen und Verkehr haben noch Zuwächse. Frauen, Ungelernte, Beschäftigte im Dienstleistungsbereich profitieren am meisten. Die Nagelprobe kommt aber in Zeiten des Abschwungs. Das IAB zieht nach einem Jahr in einer empirischen Untersuchung 2016 eine positive Bilanz: Negative Effekte sind ausgeblieben. 600.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze wurden geschaffen. Nicht alle Folgen lassen sich bis jetzt beziffern. Effekte könnten sich auf anderen Märkten zeigen. Bei landwirtschaftlichen Produkten, bei denen Erntehelfer beschäftigt werden, steigen die Preise (z. B. Spargel, Erdbeeren). 2016 fällt eine Entscheidung über die Erhöhung des Mindestlohns (auf 8,84 €). Es gibt einen Disput über die Berechnungsgrundlage. In einer Zwischenbilanz im Oktober 2016 stellt das IAB der BA fest: Viele Minijobs wurden hoch gestuft. Die gute Konjunktur war eine Stütze. Das DIW in Berlin kommt Ende 2017 in einer Studie zu dem Ergebnis, dass 2016 1,8 Millionen Menschen unter dem gesetzlich fixierten Mindestlohn bezahlt wurden (sieben Prozent der Anspruchsberechtigten). Die Mindestlohnkommission kommt auf nur 1,1 Mio. Offenbar wird mit unterschiedlichen Methoden gearbeitet. Immer wieder negativ wirkt sich eine Klausel im Mindestlohngesetz aus: Arbeitsleistungen dürfen nicht mehr mit Sachleistungen entlohnt werden. Misst man die Wirkung auf die Ungleichheit, so hat der Mindestlohn nichts verändert: 2014, vor dem Gesetz, lag der Gini - Koeffizient bei 0,29. Da liegt er auch 2019 noch. Auch sonst halten sich bis 2019 die Auswirkungen in Grenzen, sowohl positiv wie negativ. Die einfachste Erklärung wäre: Der Mindestlohn wird massenhaft umgangen. Oder vielleicht ist er auch zu niedrig. Vielleicht bleibt auch das Monatseinkommen gleich, weil weniger Stunden gearbeitet wird. Vgl. Kolja Rudzio: Wem hilft der Mindestlohn? in: Die Zeit Nr. 28, 4. Juli 2019, S. 19.  Die Arbeitgeber in Deutschland fordern für Flüchtlinge und Langzeitarbeitslose Mindestlohn - Änderungen (Ausnahmeregelung auf 12 Monate verlängern). Ein knappes Jahr nach Einführung des Mindestlohngesetzes  scheint es nicht als Jobkiller zu wirken: Die Zahl der Erwerbstätigen steigt. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt. Nur die Zahl der Mini-Jobs ist deutlich zurückgegangen. Es wird über eine Erhöhung diskutiert (10 €; Ex-RWE- Arbeitsdirektor Jan Zilius könnte den Ausschlag geben; Wirtschaftsforscher fordern eine Senkung wegen der Flüchtlinge). die Mindestlohn-Kommission rechnet 2019 mit 9,19 € pro Stunde. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet 2016, dass Sonderzahlungen auf die Lohnschwelle angerechnet werden können. "Der teilweise befürchtete Rückgang der Beschäftigung fand nicht statt", IAB, Nürnberg (Zwischenbilanz, Oktober 2016). Vgl. auch folgende Analyse: Pusch, Toralf: Bilanz des gesetzlichen Mindestlohns: deutliche Lohnerhöhungen, aber auch viele Umgehungen, in: Wirtschaftsdienst 2018/4, S. 252ff. Jens Südekum, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim BMWi, empfiehlt 2021 eine regionale Differenzierung des Mindestlohns. Vgl. Südekum:, in: WiWo 26, 25.5.21, S. 42.

Positive Effekte des Mindestlohns auf Arbeitsqualität und Arbeitszufriedenheit: In Deutschland sieg die Arbeitsplatzzufriedenheit insgesamt an. Es gibt auch Hinweise auf Verbesserungen beim Betriebsklima und mehr Mitarbeitermotivation. Vgl. Pusch, T./ Rehm, M: Positive Effekte des Mindestlohns auf Arbeitsplatzqualität und Arbeitszufriedenheit, in: Wirtschaftsdienst 20177 6, S. 409ff.

Auswirkungen auf Männer und Frauen: "Der Mindestlohn hat bei Frauen seit seiner Einführung zu stärkeren Anstiegen der durchschnittlichen Stundenlöhne und monatlichen Verdienste geführt als bei Männern. Die Auswirkungen des Mindestlohns auf die Stundenlöhne der vom Mindestlohn betroffenen Frauen und Männern fielen im Durchschnitt ähnlich hoch aus. Frauen sind jedoch häufiger im Mindestlohnbereich beschäftigt als Männer und profitieren somit häufiger von diesem. Ergebnisse zu geschlechterspezifischen Reduzierungen der Arbeitszeit aufgrund des Mindestlohns fallen unterschiedlich aus. Weder bei Frauen, noch bei Männern kam es zu erheblichen Beschäftigungseffekten des Mindestlohns. Der Mindestlohn trägt somit zur Reduzierung der Entgeltungleichheit nach Geschlecht bei." Siehe Ohlert, Clemens: Gesetzlicher Mindestlohn: Auswirkungen auf Frauen und Männer, in: Wirtschaftsdienst 2/ 2024, S. 117-122.

Berichte der Mindestlohnkommission: Die Mindestlohnkommission berichtet regelmäßig über die Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns, der seit 1. Januar 2015 in Deutschland gilt. Sie macht auch Vorschläge über die Höhe. Weiterhin gibt sie Forschungsgutachten in Auftrag. Sie setzt sich aus jeweils drei stimmberechtigten Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie zwei beratenden Mitgliedern aus der Wissenschaft zusammen. Ferner wird ein stimmberechtigter Vorsitzender berufen. Bisher standen immer mögliche negative Beschäftigungswirkungen im Vordergrund.  Aber es gibt auch andere Anpassungskanäle (Löhne und Lohnstruktur, Einhaltung des Mindestlohns, offene Stellen und Arbeitszeit, "Aufstocker"). Vgl. Zilius, Jan/ Bruttel, Oliver: Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns - Bilanz nach vier Jahren, in: Wirtschaftsdienst 2018/10, S. 711ff. Ende Juni 20 legt die Kommission einen Vorschlag für einen höheren Mindestlohn vor: Er sollte in vier Stufen von derzeit 9,35 bis zum 1. Juli 2022 auf 10,45 € steigen. Die Mindestlohnkommission legt 2022 mehrere Studien über die Auswirkungen vor. Der Mindestlohn mindert das Armutsrisiko bei Paaren und jüngeren Beschäftigten. Arbeitsminister Heil fordert 2023 eine Erhöhung des Mindestlohns. Dafür ist er nicht zuständig. Er düpiert die neue Chefin der Kommission Christiane Schönfeld. Im Juni 2023 legt die Kommission eine Bericht vor. Sie schlägt eine Erhöhung in zwei Schritten vor (1.1.24; 1.1.25). Am Ende beträgt der Mindestlohn 12,82 €. Die Bundesregierung will der Empfehlung folgen. Die Gewerkschaften haben sich der Mehrheitsentscheidung nicht angeschlossen. Die SPD strebt 14 € an. Die FDP ist dagegen.

Mindestlohn von 12 Euro (bzw. 14 €): Er wird 2019 zunehmend gefordert und als Existenz sichernd bezeichnet. 2017 haben 11 Mio. Beschäftigte zu einem Stundenlohn von weniger als 12 Euro gearbeitet (u. a. geringfügig Beschäftigte, Teilzeitkräfte). Vgl. Schulten, T./ Pusch, T.: Mindestlohn von 12 Euro: Auswirkungen und Perspektiven, in: Wirtschaftsdienst 2019/ 5, S. 335ff. In der Corona-Krise 2020 fordern einige Experten, auch die CDU, eine Absenkung des Mindestlohns bzw. einen Aussetzung der Erhöhung. Das soll den Unternehmen die Erholung erleichtern. Im Koalitionspapier der Ampel sind 12 Euro vereinbart. Die Arbeitgeber erwägen eine Klage dagegen. Ein Viertel aller Arbeitnehmer in Deutschland liegen 2023 in der Nähe des Mindestlohnes. Quelle: Statistisches Bundesamt auf eine Anfrage der Partei Die Linke. In der Diskussion ist 2023 auch ein Mindestlohn von 14 €. Vgl. Brauchen wir in Deutschland einen Mindestlohn von 14 Euro (Dullien, Fuest, Diskussion), in: WiWo 41/ 6.10.23, S. 39. Ende Februar 2024 fordern die Grünen einen Mindestlohn von knapp 15 Euro.  auch Arbeitsminister Heil sieht im September 24 in den kommenden zwei Jahren einen Mindestlohn von 15 Euro (Folge von EU-Vorgaben). Es geht ihm auch um verpflichtende Tariftreue für Arbeiten im Auftrag des Bundes.

Europäischer Mindestlohn: Bundesarbeitsminister Heil will 2019 die Initiative ergreifen. Die Einführung eines solchen Mindestlohns will er während der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands 2020 durchsetzen. Es kommt zu einer Initiative der EU-Kommission für eine Lohnuntergrenze. Auf nationale Besonderheiten soll Rücksicht genommen werden. Es kommt die Einführungspflicht für den Mindestlohn in der EU. Es soll keine einheitliche Höhe geben. In ihrem neuen Sozialstaatskonzept fordert die SPD im Februar 2019 12€ Mindestlohn. Am höchsten ist der Mindestlohn in der Schweiz: In Genf beträgt er im September 2020 21 € die Stunde. In der EU liegt Deutschland 2024 an vierter Stelle. Am höchsten ist er in Luxemburg vor Niederland und Irland. Am geringsten ist er in Bulgarien, Rumänien und Ungarn.

Mindestlohn für Auszubildende: Im Mai 2019 plant die Bundesregierung einen Mindestlohn für Auszubildende in Höhe von 515€ im ersten Jahr (Reform des Berufsbildungsgesetzes, bis 630 Euro im dritten Jahr stufenweise steigen). Dieser soll von 2020 an gelten. Der Lohn soll langsam ansteigen. Man will damit die Rate der Abbrecher beeinflussen und mehr Auszubildende in die Lehre bringen (Attraktivität). Es gibt Kritik von ganz kleinen Unternehmen (Handwerk, Friseure im Osten), die fürchten, das nicht finanzieren zu können.

Card-Krueger-Experiment (natürliches Experiment mit dem Mindestlohn): Neue Methoden der Ökonometrie gewinnen an Boden. Die berühmte Ceteris-Paribus-Klausel, die ökonomische Wirkungszusammenhänge nur unzulänglich aufzeigen kann wird immer mehr durch natürliche Experimente ersetzt. Dabei werden Statistiken aus der realen Wirtschaft durchforstet. Berühmt ist das Experiment , das Wechselwirkungen zwischen Mindestlöhnen und Beschäftigung untersucht. Forscher entdeckten zwei aneinander grenzende Bezirke an der US-Ostküste, in denen wirtschaftlich fast alles gleich war (New Jersey, Pennsylvania). In einer Region war der Mindestlohn, in der anderen nicht. Die Erhöhung des Mindestlohns beeinflusste die Beschäftigungslage so gut wie nicht. Man spricht vom Card-Krueger Experiment. Card erhielt dafür den Wirtschaftsnobelpreis 2021 (Krueger ist tot). Vgl. Fischermann, Thomas: Nobelpreis, in: Die Zeit Nr. 42, 14.1021, S. 25.

Bürgereinkommen in Italien: 2019 kommt in Italien eine umfangreiche Sozialreform. Es ist ein neues System der Grundsicherung, das in seinen Grundzügen dem deutschen Hartz-IV-System ähnelt. Es soll vor allem die Armut bekämpfen (ca. 5 Mio. Menschen). Es soll Überleben und Eingliederung in den Arbeitsmarkt gewährleisten. Man kann bis zu 780 € im Monat erhalten. Es gibt strenge Vermögens- und Einkommensgrenzen. Zielgruppe sind die Menschen, die nicht von einer Arbeitslosenversicherung profitieren.

Auswirkungen der Flüchtlingskrise auf die Lohnhöhe: In der Forschung streitet man sich über die Auswirkung der Zuwanderung auf die Löhne. In den USA weist George J. Borjas, einer der führenden Migrationsforscher der Welt, auf Schwachstellen statistischer Analysen hin.

Lohnschub nach der Corona-Krise?: Nach der akuten Corona-Krise entspannt sich der Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenzahlen gehen zurück. Der Fachkräftemangel in vielen Branchen nimmt zu. Auch die steigende Inflation erzeugt Druck von den Gewerkschaften. Vieles spricht für einen Lohnschub. Gründe dafür sind zusätzlich ein Anstieg des Mindestlohnes, die Demographie. Dagegen sprechen die Globalisierung und das Schrumpfen des BIP.Vgl. Losse, Bert: "Es geht jetzt wieder vor allem ums Geld", in: WiWo 28/ 9.7.21, S. 38ff.

Niedriglohn: Er wird in Deutschland statistisch definiert, d.h. wer weniger als zwei Drittel des mittleren Lohns (Median) verdient ist Geringverdiener. Die Niedriglohnschwelle lag 2005 bei 1779 € im Westen und 1323 € im Osten. In den letzten Jahren ist ein deutlicher Anstieg festzustellen. Nach dem IAB (Beschäftigten - Panel der BA) lag der Anteil der Niedriglöhner an den sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten 2006 bei fast 20% (über 3,6 Mio., vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe und im Einzelhandel). Zu ähnlichen Zahlen kommt das IAQ, Duisburg. Es unterscheidet bei seinen 22%  für 2005 nicht zwischen Vollzeit und Mini-Jobs. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die Nominallöhne der Niedriglohnbezieher zwischen 2000 und 2006 um 4,8% gesunken. Immer mehr Niedriglohnbezieher können vom Erlös ihrer Arbeit nicht mehr leben und sind auf staatliche Zuschüsse angewiesen (2005  747.000, 2006  1,2 Mio.). Rheinland-Pfalz erwägt ein Tariftreuegesetz. Wer Aufträge der öffentlichen Hand will, darf keine Dumpinglöhne zahlen. Die Hans-Böckler-Stifung kommt 2011 auf 7,3 Mio. Mini-Jobber, davon 4,8 Mio., die ausschließlich auf 400 Euro-Basis arbeiten (3,2 Mio. Frauen). Mit weit über 80% ist der Niedriglohn am höchsten unter Taxifahrern, Friseuren und im Reinigungsgewerbe. Der Anteil an Niedriglohnbeziehern beträgt 2011 20,6% laut StBA (2006: 18,7%). Offenbar ist es für Männer einfacher dem Niedriglohnsektor zu entkommen als für Frauen. Vgl. Stephani, Jens: Wage Growth and Career Patterns of German Low-Wage Workers, IAB Discussion Paper. Aber der Niedriglohn ist allgemein eher Sackgasse als Sprungbrett. Nach dem Armutsbericht der Bundesregierung 2008 sind 13% der Deutschen inzwischen arm. Ohne Sozialleistungen wären es schon ein Viertel. 1,3 Mio. Menschen in Deutschland können 2010 nicht leben von ihrem Verdienst. Der Niedriglohnbereich wächst immer weiter. Eine Studie des IAB von 2013 (Daten von 2010) kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschland nahezu ein Viertel aller Beschäftigten (24,1%) zum Niedriglohnbereich gehören. Absolut entspricht dies 7,1 Mio. Beschäftigten. Nur in Litauen ist in den EU Ländern mit 27,5% der Anteil höher (nach anderen Studien auch in Lettland, Rumänien und Polen). Zwei Drittel der Niedriglohnbezieher sind in Deutschland Frauen, 40% Teilzeitbeschäftigte. Die abnehmende Tarifbindung wird als eine der Hauptursachen ausgemacht.  Der Mindestlohn könne nur bedingt abhelfen (in Skandinavien wenig Geringverdiener, kein Mindestlohn; in Ländern mit Mindestlohn trotzdem hohe Zahl von Geringverdienern). Viele Experten fürchten, dass bei Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns 200.000 bis 1,2 Mio. dieser Jobs vernichtet werden. Ende 2013 beträgt die Zahl der "Aufstocker" in Deutschland 218.000 (Vollzeitarbeiter, die auf Hartz IV angewiesen sind). Der Niedriglohnsektor ist 2015 am stärksten in Irland in der EU ausgeprägt (24%), vor Polen (22,5%), Portugal (20,3%). Deutschland hat 18,4% Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor. Absolut gibt es 2018 in Deutschland 4,2 Mio. Niedriglöhner im Vollzeitbereich (19,8%; Niedriglohn monatlich unter 2139 Euro, 2017: 20,1%; Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Partei "Die Linken" 2018). Im europäischen Vergleich hat 2018 Schweden den geringsten Anteil an Niedriglohnbeschäftigten (3%), vor Frankreich (9%). Spanien liegt schon bei 15%. In Deutschland sind es 23% (Lettland 26%). Das ist eine Schwachstelle des deutschen Sozialstaats. 

Lohnsklaverei (Menschenschinderei, Ausbeutung): Ausbeutung von Menschen/ Arbeitskräften, meistens Ausländer (bis zu 90% der Belegschaft), durch extrem niedrige Löhne, schlechte Arbeits- und Wohnbedingungen. Bekannte Beispiele sind die Fleischverarbeitungsbranche, Paketdienste, Baugewerbe, Reinigungsgewerbe  u. a. Es werden sowohl legale Möglichkeiten (Leiharbeit, Werkverträge, Subunternehmer) als auch illegale Wege (Schwarzarbeit, unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung, Aufhebungsverträge im vorhinein unterschreiben, Drohungen und Erpressung) genutzt. Hier würde der Mindestlohn eine bessere gesetzliche Handhabung bieten. In diesem Bereich herrscht eine hohe statistische Dunkelziffer. In der Regel fehlen Arbeitnehmervertretung und Arbeitgebervertretung.

Paketdienste: Großer Anwendungsbereich, wo der Mindestlohn nicht eingehalten wird. Durchschnittlich liegt der Lohn 2017 bei ca. 6,50 €. DHL zahlt normalerweise den Mindestlohn; andere, wie z. B. Hermes, nicht. Sie arbeiten mit Subunternehmern. Hier wird meist ein Festlohn vereinbart, der nach den Umständen zu niedrig ist. Das Problem sind die Art der Zustellbezirke (Land, weite Wege) und das nicht Antreffen der Kunden. Die Subunternehmen kommen oft aus Moldawien oder Rumänien. Es ist ein verschachteltes System, genannt werden die Unternehmen "Servicepartner". Der Verband der Paket- und Express-Logistik beschwert sich über Privilegien von DHL. Die Monopolkommission bestätigt dies in einem Gutachten. Verursacher der Misere sind also Verbraucher, die immer mehr online bestellen, der Wettbewerb und die Marktbeherrschung durch DHL ("Quasi-Monopol"). Alle gemeinsam haben Angst vor Amazon, das in einigen Ländern schon die Auslieferung beherrscht. Es gibt in der Branche ca. 230.000 Beschäftigte. In Ballungsgebieten verbessern sich die Arbeitsbedingungen aufgrund der Lage auf dem Arbeitsmarkt. 2018 fehlt massiv Personal. Die hohe Belastung und die niedrigen Löhne sind wenig attraktiv. 2019 soll ein Gesetz kommen, das die Missstände bei Paketdiensten bekämpft. Es richt sich vor allem gegen Verstöße über Subunternehmer (Lohndumping, Ausnutzen von Flüchtlingen). Die Nachunternehmerhaftung soll auf die Paketbranche ausgeweitet werden (funktioniert bei Fleischereien und Bauunternehmen). Paketdienst sollen auch die Sozialabgaben für ihre Subunternehmer nachbezahlen. Bundeswirtschaftsminister Altmaier will eher den Zoll in die Pflicht nehmen. Er fürchtet ein zu hohes Risiko für die Unternehmen. Die Nachunternehmerhaftung für Subunternehmer kommt. Wenn Subunternehmer Schwarzarbeit betreiben, keine Sozialabgaben abführen oder den Mindestlohn nicht einhalten (also illegal handeln), kann der Auftraggeber dafür belangt werden. Das Gesetz zum besseren Schutz der Paketboten kommt im September 2019.

Putzer, Babysitter, Gärtner, Altenpfleger: Typische Tätigkeiten, die häufig schwarz erledigt werden. Es handelt sich um haushaltsnahe bzw. personenbezogene Dienstleistungen. Ein Mittel dagegen ist die Steuerpolitik, auch in Deutschland. Ein anderes sind Subventionen des Staates (extrem hoch in Belgien).

Bedingungsloses Grundeinkommen: Es handelt sich um monatliches Geld ohne Gegenleistung. Als erster Forscher plädierte der Engländer Thomas Spence (1750-1814) für das Grundeinkommen auf kommunaler Ebene (finanziert durch die Verpachtung von Grundstücken). In der Schweiz steht ein Volksentscheid zu dieser Frage an. In Deutschland wird das Konzept schon lange intensiv diskutiert. Es ist eng mit dem Namen Götz W. Werner, dem Gründer der Drogeriekette DM, verbunden. Die Legitimation erfolgt über die Anthroposophie. Viele halten die Idee für utopisch. Streitpunkte sind die Höhe dieses Existenzminimums und die möglichen Verhaltensänderungen. Unklar ist auch die Finanzierung. Im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Arbeitswelt (u. a. Produktion 4.0) werden sogar in den USA Überlegungen zum Grundeinkommen angestellt. Es brechen immer mehr Jobs im mittleren Segment weg. Dadurch entsteht auch ein "great decoupling" (Realeinkommen halten nicht mehr mit der Entwicklung des BIP mit, immer mehr prekäre Löhne). In der Praxis gibt es so was wie Grundeinkommen bereits in Alaska und dem Iran. 2015 wird in Deutschland die Debatte durch ein Internetprojekt mit Schwarmfinanzierung (Gewinner werden mit einem Glücksrad für das Grundeinkommen ausgelost) neu entfacht. Mittlerweile wird die Idee auch von CEOs in Deutschland befürwortet (T. Höttges in Der Zeit, Nr. 1, 2016, S. 13ff.). Manche Ökonomen fürchten die Kosten und eine niedrige Motivation bei der Suche nach einer neuen Stelle. Umstritten sind auch die makroökonomischen Effekte: Lohn, Arbeits- und Kapitaleinsatz, Produktivität, Inflation, Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit. Die auswirkungen hängen davon ab, wie sich das Arbeits- und Kapitalangebot der privaten Haushalte verändert. Auf jeden Fall wäre die Einführung ein großes Wagnis (So: Thieß Petersen: Makroökonomische Effekte eines bedingungslosen Grundeinkommens, in: Wirtschaftsdienst 2017/ 9, S. 629ff.). Viele Experten sagen, dass das Konzept nur funktioniert, wenn die Menschen weiter arbeiten. Brasilien ist das erste Land der Welt, das ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Verfassung verankert. Es beginnt mit "Bolsa Familia". Sozialleistungen für die ärmsten Familien. Ein Pilotprojekt gibt es in Quatinga Velho. Wahrscheinlich wird durch die Digitalisierung auch wieder die Diskussion über die Umverteilung der Arbeit aufbrechen. Ökonomische Knappheit auf dem Arbeitsmarkt muss in jedem Falle den Verlust einer Aufgabe, die zum Gemeinwesen beiträgt, berücksichtigen. "Ein bedingungsloses Grundeinkommen kann eine Grundlage sein, um ein menschenwürdiges Leben zu führen", T. Höttges 2015 (Chef der Telecom). Anfang Juni 2016 stimmen die Schweizer darüber ab, das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen. Es gibt eine Volksinitiative für das bedingungslose Grundeinkommen (Sprecher Daniel Häni; 2260 Euro). Die Schweizer sagen ein klares Nein zum Grundeinkommen. 2017 startet ein fundierter Test (erstes Experiment in der Welt über die Auswirkungen auf menschliches Verhalten) in Finnland. Es soll zwei Jahre dauern und hat 10.000 Teilnehmer. Zunächst bekommen 2000 zufällig ausgewählte arbeitslose Finnen zwischen 25 und 58 Jahren zwei Jahre lang ein bedingungsloses Grundeinkommen (560€ monatlich). Es wird Mitbürgerlohn genannt. Die Teilnehmer behalten das Grundeinkommen, auch wenn sie Arbeit bekommen. Damit soll es positiv auf den Arbeitsmarkt wirken (mehr Motivation bei der Jobsuche). Der Versuch wird 2020 eingestellt und ausgewertet. Es gibt kein flächendeckendes Grundeinkommen. Die Erkenntnisse sollen in eine Reform des Sozialsystems einfließen. Es kommt ein neues Experiment mit einer negativen Einkommensteuer.1974 gab es das erste Experiment dazu in der kanadischen Stadt Dauphin. Dort bekamen 1000 Familien fünf Jahre lang ein Grundeinkommen ("Mincome"). Wegen einer massiven Rezession wurde es eingestellt. Ab 2017 läuft auch ein Versuch mit dem Grundeinkommen in Kenia in einigen Regionen. 2020 in der Corona-Krise führt Spanien ein Grundeinkommen ein. Es gilt für arme Familien. Er wird aus Entwicklungsmitteln bezahlt. "Finnland muss Experimente wagen, damit wir der Zukunft gewachsen sind", Hanna Mäntylä, Sozialministerin Finnlands. Auch Kanada führt ein Experiment durch. Es bringt positive Ergebnisse. Ein berühmtes Experiment findet in Brasilien statt Es ist die Stadt Marica. Ein Viertel der Bevölkerung bezieht Geld von der Stadt (42.000 2021). Die linke Stadtregierung wagt das Experiment. Das Geld stammt aus den großen ölvorkommen.

Experiment der Verlosung von bedingungslosen Grundeinkommen: Die Initiative "Mein Grundeinkommen" sammelt per Crowdfunding im Internet Geld. Jedes Mal, wenn 12.000 € zusammengekommen sind, kann kann ein Grundeinkommen in Höhe von 1000 Euro verlost werden. Das Projekt startete 2014 durch Michael Bohmeyer. Vgl. Bohmeyer/ Cornelsen: Was würdest du tun?, Econ 2019. Daran schließt sich dann ab 2020 ein Versuch in der Praxis an. Es soll eine Studie über das Experiment geben, das drei Jahre läuft. Sie wird vom DIW in Berlin angefertigt. Zunächst werden 1500 Teilnehmer gesucht. 120 von ihnen bekommen ab 2021 monatlich 1200 € Grundeinkommen. Voraussetzungen sind: Mindestens 18 Jahre alt und Wohnsitz in Deutschland. Die Studie soll klären: Wie verändert sich der Alltag der Menschen? Wie sind Familien- Arbeitsleben betroffen? Wie stehen die Finanzen, Sozialkontakte und Psyche? Es gibt 2020 schon 1,5 Mio. Bewerber. 122 Menschen kommen dann 2021 in das Experiment.  "Menschen verhalten sich anders, wenn sie unter Beobachtung stehen - vor allem wenn sie einer extrem kleinen Gruppe von Auserwählten angehören", Friedrich Breyer zur Kritik daran; er ist Professor für Wirtschafts- und Sozialpolitik an der Uni Konstanz und Mitglied im wissenschaftlichen Beirats des BMWi. 2021 ist die Utopie im Alltagstest in Deutschland. Ob sich das Modell finanzieren lässt, soll ein weiterer Versuch klären. Vgl. Macht ein Grundeinkommen faul? in: Die Zeit Nr. 53, 22.12.21, S. 28f.

Solidarisches Grundeinkommen: Die Grundidee ist, gemeinnützig arbeiten und dafür bezahlt werden. Es ist an die Annahme gemeinnütziger Jobs wie etwa der Reinigung von Parks oder Babysitten bzw. Dienste für alte Menschen gekoppelt. Diese Konzeption wird 2018 von Spitzengenossen bei der SPD vertreten (Ralf Stegner, Michael Müller hatte angeblich die Idee, Karl Lauterbach). Das Einkommen würde 2018 bei 1500 € Brutto liegen (Single). Darin enthalten wären ca. 400 €  für Arbeit in Projekten, kommunalen Jobs bzw. gemeinwirtschaftlicher Arbeit. Der erste Arbeitsmarkt würde Priorität behalten. Man würde vor allem die hohen Bürokratiekosten von Hartz IV einsparen. Auch Bundesarbeitsminister Heil zeigt sich offen für eine Diskussion. Die Union will eher Hartz IV beibehalten. In einigen Ländern laufen Experimente mit Modellen des Grundeinkommens: 1. Finnland (vgl. oben). Die Bürger sollen mehr Freiheit bekommen und der Staat weniger Bürokratie. 2. Niederlande. Forscher testen in Utrecht, welche Sozialhilfereform wirklich wirkt. 3. Kanada hat einen zweiten Anlauf unternommen. Die finanzielle Freiheit soll für Ausbildung und bessere Jobs genutzt werden (Quebec, Ontario).

Idee und Geschichte der Projekte zum Grundeinkommen: Die Idee geht auf Thomas Morus aus dem Jahre 1516 zurück, der in seinem Buch "Utopia" die Konzeption beschreibt, dass der Staat für den Lebensunterhalt aller Bürger aufkommt. 1974 startet in der kanadischen Stadt Dauphin (8000 Einwohner) ein Grundeinkommensexperiment. Es wurde nach 5 Jahren eingestellt. In der kalifornischen Stadt Stockton sind 125 Einwohner im Experiment "Seed" (Grundeinkommen). Schon in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts gab es in den USA Experimente. Das Grundeinkommen führte dort zu mehr Scheidungen.  Berlin plant ein Experiment mit bis zu 1000 Arbeitslosen, die ein solidarisches Grundeinkommen erhalten. Die Schweiz entscheidet sich in einer Volksabstimmung gegen ein Grundeinkommen (2016, 77%). In Kenia läuft ein Versuch mit 20.000 Teilnehmern. Finnland beendete 2018 ein weltweit beachtetes Experiment.

Systematik eines Grundeinkommens: Es gibt sehr unterschiedliche Ideen. Viele Dinge sind möglich. Eine Übersicht über die Konzeptionen: Befristet, Ausgelost, Verteilungswütig, Emanzipatorisch, Einfach, Finnisch, Bürgerlich.  Vgl. Viola Diem: Grundeinkommen, das, in: Die Zeit Nr. 45, 29.10.20, S. 28.

Reallohn: Eigentlich im Gegensatz zum Nominallohn der  von Inflation  bereinigte Lohn. Häufig wird er verwechselt mit dem Nettolohn, der sich vom Bruttolohn nach Abzug der Steuern und Abgaben errechnet. In den letzten Jahren sind auch die Nominallöhne gesunken, allein schon durch vermehrte Kurzarbeit und gestrichene Sonderzahlungen. Nach einer Studie des WSI sind die Reallöhne der Arbeitnehmer 2013 niedriger als 2000.  Die Bruttolöhne fielen innerhalb eines Jahres (August 2008 - August 2009) um 7,5% (nur Betriebe über 50 Beschäftigte). Im Jahr 2009 schrumpften die Bruttogehälter um 5% (Kurzarbeit, geringere Vergütungen durch die Rezession). Bereinigt um diese Faktoren schrumpften die Bruttolöhne 2009 erstmals seit 1949 um -0,4 Prozent. Zwischen 2000 und 2008 schrumpften die Reallöhne um 0,8% (in fast allen anderen EU-Staaten stiegen in dieser Zeit die Reallöhne). Zwischen 2008 und 2010 sind die Reallöhne in Deutschland um 1,5% gesunken (seit 2005 um 7%, DIW). 2011 ergab sich ein Rückgang von 0,3% (Inflation 2,3%). Das Statistische Bundesamt berechnet für 2011 einen Anstieg von 1% (Nominallöhne+3,3%, Inflationsrate 2,3%, 2010 +1,5%). Ab 2014 sollen die Reallöhne wieder steigen, weil das Arbeitsangebot zurückgeht. 2013 sind die Reallöhne erstmals seit 2009 wieder geschrumpft (um 0,2%, Statistisches Bundesamt; auch wegen gestrichener Sonderzahlungen). 2014 stiegen die Reallöhne wieder deutlich (1,6%; stärkster Anstieg seit drei Jahren, StBA). Experten rechnen für 2015 mit weiterem Kaufkraftzuwachs. Im ersten Quartal 2015 steigen die Reallöhne dann auch um 2,5%; im zweiten Quartal um 2,7%. Ursache ist hauptsächlich der Mindestlohn. Im dritten Quartal des Jahres 2015 stiegen die Reallöhne im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum um 2,4%. Im ganzen Jahr 2015 sind die Reallöhne in Deutschland um 2,5% gestiegen. Der Nominallohn legt um 2,6% zu (Quelle: Statistisches Bundesamt). Damit sind 2015 die Tariflöhne stärker als die Inflation gestiegen. Im Jahre 2017 gab es einen Reallohnanstieg um 0,8%. Von 2007 bis 2017 hatten die Reallöhne in Deutschland einen Zuwachs von 12,1% (Quelle: Statistisches Bundesamt, Reallohnindex). 2018 und 2019 steigen die Reallöhne ebenfalls. Im Corona-Jahr 2020 gibt es einen Rückgang der Reallöhne (-1% gegenüber 2019). 2021 werden die Reallöhne in Deutschland auch sinken (-0,2%).  Verantwortlich dafür ist die rückläufige Tariflohnentwicklung. 2022 (bis November) sinken die Reallöhne um 5,7%. Dafür verantwortlich ist die hohe Inflationsrate. Seit drei Jahren (2023 zurück) sinken die Reallöhne in Deutschland. 2022 hat die Inflation von 7,9% die Steigerung der Nominallöhne von 3,4% zunichte gemacht. Im 2. Quartal 2023 sind die Reallöhne erstmals seit zwei Jahren real wieder leicht gestiegen (Nominallöhne +6,6%, Verbraucherpreise +6,5%, Reallöhne +0,1%). 2023 ergibt sich ein leichter Reallohnzuwachs von 0,1% (erstmals seit 2019, Nominallöhne 6,0%, Inflationsrate 5,9%). Im 1. Quartal 2024 steigen die Reallöhne kräftig an  Es ist der höchste Anstieg seit 16 Jahren. Überdurchschnittlich profitieren Branchen mit einem hohen Anteil öffentlicher Dienst.

Managergehalt: Trend geht in Richtung Cafeteria-Systeme und  Erfolgsabhängigkeit. Mehr als die Hälfte der Vergütung besteht oft aus Variablen. Dazu gehören Boni, Altersversorgung, Nebenleistungen. Reform 2009 in Deutschland nach der Finanzkrise: Vorstandsgehälter vom gesamten Aufsichtsrat, auch zwischendrin kündbar, längerfristige Orientierung durch Verkauf von Aktienoptionen erst nach 4 Jahren, Verschärfung der Haftung, bessere Offenlegung. Gegen eine einheitliche weltweite Regelung gibt es Widerstände aus den USA und GB. allerdings verschärfen die USA auch ihre Regelungen: bei staatlich kontrollierten Firmen soll bei Top-Managern um 90% gekürzt werden. Als vorbildlich gilt die Regelung bei BMW, wo die Managervergütung an die Arbeiterlöhne gekoppelt ist. Das Grundproblem besteht darin, dass der Unterschied zwischen Chefgehältern und Normallöhnen zu groß geworden ist (darauf hat schon Peter Drucker vor 25 Jahren hingewiesen). Das System ist auch verzerrt: Nicht die Besten werden gut bezahlt, sondern die, die gut bezahlt werden, sollen die Besten sein. 2012 fordert die "Kommission für gute Unternehmensführung" eine Obergrenze für die Vorstandsbezahlung. Topverdiener unter den DAX-Vorständen ist der VW-Chef, dessen Gehalt aber 2013 gekürzt wird. Die Schweiz beschließt 2013 eine Regelung, die evtl. auch Deutschland übernehmen will: Gehälter werden von den Aktionären bestimmt. Abfindungen werden stark begrenzt. Bei einer Volksabstimmung im November 2013 sprechen sich 65,3% gegen eine Begrenzung von Managergehältern aus (1:12 Alternative). Die Bundesregierung will eine europäische Lösung. Theoretischer Hintergrund der Diskussion ist die Hypothese, dass Manager an ihrer Vergütung interessiert sind, nicht am Firmengewinn. Teilnahmslose Aktionäre verstärken das Versagen der Führung (Gardiner Means). 2017 will die SPD die Höhe von Managergehältern begrenzen ("Maxilohn"). 2017 gibt es Überlegungen, das Steuerrecht als Hebel gegen hohe Managergehälter einzusetzen (nur teilweise als Betriebsausgaben). Daraus formuliert die SPD einen Gesetzentwurf: Hauptversammlung der Aktionäre kann ein Maximalverhältnis festlegen und steuerliche Absetzbarkeit begrenzen. Als eines von wenigen Ländern hat China 2015 eine "salary cap" eingeführt. Das ist eine Deckelung von Managergehältern. Sie liegt 2018 bei 900.000 Yuan (115.000 Euro). Bundesjustizministerin Barlay lehnt im März 2019 eine Deckelung von Managergehältern ab. Diese Kompetenz soll eindeutig beim Aufsichtsrat liegen. In der Corona-Krise 2020 verzichten Vorstände nur beim Grundgehalt. 2022 entsteht die Furcht vor einer Gehaltsblase. Die Spezialisten werden zu Krisengewinnern (vor allem IT - Fachkräfte). Hier sind dei Gehaltssprünge besonders groß (über +20%).  "Wo Gier und Geiz verherrlicht werden, da ist der umsichtig handelnde der Dumme. Übersteigerter Egoismus ist eine Haltung, die eine Gesellschaft zerstört", Klaus-Peter Müller, Vorsitzender Corporate-Governance-Kommission. 2014 werden die zu hohen Boni bei der Deutschen Bank von der Finanzaufsicht Bafin gerügt. Die höchsten Einstiegsgehälter haben Ingenieure. Von der Stadt her liegen die Gehälter in Frankfurt in Führung. Am weitesten über dem Durchschnitt zahlen Banken. Die Boni (variablen Gehaltsanteile) sind zurückgegangen. 30 börsennotierte Firmen weisen 2016 in Deutschland keine individuellen Vorstandsgehälter aus. Bei VW kommt es 2016 zum Streit über Vorstandsboni nach dem Dieselskandal. Kräfte im Aufsichtsrat wie das Land Niedersachsen wollen die Boni streichen. 2016 geht der Wirtschaftsnobelpreis an Bengt Holmström (zusammen mit O. Hart). Er hat im Bereich der Vertragstheorie gearbeitet. Es geht auch um die Wirkung von Managerverträgen auf das Verhalten. 2016/ 2017 gibt es wieder viele Fälle von Managervergütung, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden: Hohmann-Dennhardt bei VW, Reitzle bei Linde, Winterkorn bei VW, Retzlaff bei Stada, Kengeter bei der Deutschen Börse. Gier, Maßlosigkeit und Opportunismus kennen keine Grenzen.

Vergütungspakete bei Führungskräften: Es gibt vier Dimensionen: 1. Variabel v. fix. 2. Langfristig vs. kurzfristig. 3. Anteile vs. Geldprämie. 4. Gemeinschaft vs. Einzelperson. Weltweit unterscheiden sich die Vergütungspakete in dieser Zusammensetzung: 1. Die Median-Vergütung von CEOs in Nord- und Südamerika besteht zu 75% aus langfristigen Leistungsprämien. 2. In Europa und Australien beträgt der Anteil der langfristigen Leistungsprämien an der Median-Vergütung von CEOs 36%. 3. Für die CEOs asiatischer Unternehmen sind langfristige Leistungsprämien nicht von Bedeutung (Staatsunternehmen, staatliche Vorgabe). 4. Das Median-Fixgehalt von CEOs ist in Nord- und Südamerika um 20% niedrige rals in Europa und Australien. In Asien liegt es deutlich unter der der anderen Regionen. Vgl. Groysberg, B./ Abbot, S./ Marino/ Aksoy: Da s1x1 der Vergütungspakete, in: HBM November 2021, S. 30ff. Bestandteile einer langfristigen Vergütung: Restricted Stocks, Aktienoptionen, Wertsteigerungsrechte, Performance Shares, Phantom-Anteile.

Quellen über das Managergehalt in Deutschland: Es gibt zwei Daten-Quellen: Kienbaum und Korn Ferry. Beides sind Unternehmensberatungen, die auf Personal spezialisiert sind. Kienbaum hat die Daten vor allem für den Mittelstand. Korn Ferry eher für größere Unternehmen. Es wird nach Branchen und hierarchischen Stufen unterschieden: Mittelmanagement und erfahrene Experten, Akademische Berufseinsteiger und Facharbeiter in leitender Position. Branchen sind Chemie, Konsumgüter, Pharma/ Gesundheit, Automobil, Industrie/ Maschinenbau.

Manager - Boni: Ölkonzerne koppeln inzwischen Manager - Boni an CO2-Emiissionen. Man könnte dies als grüne Unternehmenswende bezeichnen. Vergleichende Leistungsbewertungen sind nicht immer nur gut. Sie können dazu führen, dass Mitarbeiter gegeneinander arbeiten, um selbst am besten abzuschneiden. Firmen sollten Boni in kürzeren Abständen auszahlen. Jahresboni sind nicht mehr die besten. Vgl. Kölle, Felix: Schafft die Jahresboni ab! in: HBM September 2021, s. 14f.

Negative Wirkungen von Boni: Wenn kurzfristiges Gewinnstreben überhand nimmt, liegt dies an den Vergütungssystemen, für die Unternehmen selbst verantwortlich sind. Manager und Managerinnen erhalten erhebliche Boni für kurzfristige Gewinne. Sie dürfen eigene Aktien ohne große Beschränkungen veräußern. Wer die Topetage zu langfristiger Wertschöpfung motivieren will, muss diese Fehlanreize korrigieren. Vgl. Bebchuk, Lucian A.: Die Börse ist zu Unrecht der Buhmann, in: HBM Mai/2021, S. 22ff.

Gerechte Bezahlung: Unternehmen bezahlen ihre Mitarbeiter umso gerechter, je mehr strukturierte Managementmethoden sie einsetzen. Dieser Effekt kann durch drei Vermutungen erklärt werden: Profitable Unternehmen und Gewinn. Effizienz der Unternehmensführung. Neue Managementansätze könnten zu mehr Outsourcing führen (gering bezahlte Mitarbeiter verschwinden auf dem Papier). Quelle: Bloom, Nicholas et. al.: Research: Better - Managed Companies Pay Employees More Equally, hbr.org, März 2019.

Scheinbeförderungen: "Etwas Ehre, wenig dahinter". Gehaltsersatzbelohnung ohne Kosten. Neuer Titel, keine echte Verantwortung oder Gehaltserhöhung. Man spricht auch von Diversity Washing. Hauptsächlich sind wohl Frauen und People of Color betroffen. So können Talente frustriert  und aus dem Unternehmen vertrieben werden. Vgl. Mallik, Mita: Etwas Ehre, wenig dahinter, in: HBM April 22, S. 82ff.

Dienstwagen als Statussymbol: Der Dienstwagen gilt als Lohnersatzleistung und Statussymbol. Viele Führungskräfte genießen die Privilegien und dürfen die Wagen auch privat nutzen. 2022 wird der Dienstwagen zum Problemfall. Die Lieferzeiten werden immer länger, die Kosten steigen und  die Politik wird unberechenbarer. Autobauer produzieren wegen der Chipengpässe vor allem teure, margenstarke Fahrzeuge. Der Nachfrageüberhang bei Elektroautos verknappt das Angebot für bezahlbare Modelle zusätzlich.

Mitarbeiterbeteiligung als Kapitalbeteiligung: Es gibt zwei Grundmodelle. Das erste ist betriebsbezogen. Bei diesem Investivlohn verzichten die Arbeitnehmer auf einen Teil der Tariferhöhung und werden dafür am Unternehmen beteiligt (CDU). Für die Arbeitnehmer gibt es eine Einkommenshöchstgrenze für die Teilnahme und eine Steuerbegünstigung. Es besteht das Risiko des Verlustes. Das zweite Modell ist betriebsunanhängig. Es wird ein Fonds eingerichtet (Deutschlandfonds, SPD), der steuerbegünstigt ist und kein Verlustrisiko hat. Die Mitarbeiter erwerben Anteile, bekommen Erträge und Rückzahlungen; die Unternehmen Mezzanine- oder Beteiligungskapital, für das sie Zins und Tilgung zahlen. In der Praxis gibt es 2010 noch keinen einzigen Fall. Nach der Finanzkrise bauen die Gewerkschaften, insbesondere die IG Metall, die Kapitalbeteiligung an großen Firmen aus. So soll es Belegschaftsanteile bei Daimler (320 Mio. €), bei VW, Schaeffler und Opel geben. Als Vorteile der Mitarbeiterbeteiligung werden immer wieder die folgenden genannt: Aktionärsstruktur stabilisieren (AG); Identifikation mit dem Arbeitgeber erhöhen; mehr Engagement bei der Arbeit (Motivation); Anforderungen guter Unternehmensführung; Gewinnung der Mitarbeiter für eine Strategie; Mitarbeiterbindung; marktübliches Vergütungspaket. Neben den oben beschriebenen politischen Modellen gibt es noch die folgenden: Stille Beteiligung; Mitarbeiterguthaben; Belegschaftsaktie; GmbH-Beteiligung. Hinzu kommt noch die Rolle der Mitarbeiterbeteiligung in der Altersvorsorge. Zusätzlich sind noch die Betriebsrenten zu nennen. Durch die Minizinsen werden Pensionszusagen hier erschwert. Zunehmend höhere Rückstellungen belasten viele große Firmen. Viele Unternehmen stellen das System der Betriebsrenten deshalb um. wichtig ist in diesem Zusammenhang das Mitarbeiterbeteiligungsgesetz. Ganz wichtig ist der steuerliche Freibetrag. Es wäre sicher sinnvoll, ihn anzuheben. Betrachtet man das Firmenkapital, das von den Beschäftigten gehalten wird, in Prozent, so ergeben sich folgende Werte: Island (6,62), Frankreich 5,37), Österreich (5,13). Deutschland liegt weit abgeschlagen bei 1,83 (es folgen nur noch Dänemark und Portugal). Gerade bei Aktiengesellschaften könnte eine neue Aktienkultur der sozialen Marktwirtschaft gut tun. "Das Problem ist nicht der Kapitalismus, sondern, dass zu wenige an ihm teilhaben", Sven Huschke, Vorstand Cortado AG, 2019 (Quelle: WiWo 20, 10.5.2019, S. 35). 2021 gibt es einen Boom bei der Mitarbeiterbeteiligung. Gründer (Start-ups) beteiligen ihre Beschäftigten immer öfter am Unternehmen. Sie versprechen sich Vorteile im Kampf um Talente. Sie kopieren die Erfolgsstrategie des Silicon Valley.

Kurzarbeitergeld: Das Instrument dient dazu, Betriebe bei vorübergehenden Flauten von Entlassungen abzuhalten ("gekaufte Zeit"). Geht dem Betrieb die Arbeit aus, kann die Bundesagentur für Arbeit (BA) anstelle des vom Arbeitgeber gezahlten Lohns mit Kurzarbeitergeld einspringen. Dieses beträgt - wie das Arbeitslosengeld - je nach Familienstand 60 bis 67 Prozent des regulären Lohns.  Außerdem übernimmt die Agentur für Arbeit einen Teil der Sozialabgaben (30% des Bruttolohns). Ab dem 7. Monat sind die Arbeitgeber künftig von Sozialabgaben befreit. Die Höchstbezugszeit lag bei 18 Monaten. 2009 wird die Dauer auf 24 Monate (ab 07. 09) verlängert. Diese "Kurzarbeitergeld-Regelung Plus" gilt nur für Anträge bis Ende 2009 (diese Frist soll um 18 Monate verlängert werden). Der Betriebsrat muss der Kurzarbeit zustimmen. Der Betrieb muss die "wirtschaftlichen Gründe" oder das "unabwendbare Ereignis" belegen. Ein geplanter "Schutzschirm für Arbeitsplätze" soll noch ein einfacheres Antragsverfahren und geringere Sozialabgaben für Kurzarbeit bringen. Man unterscheidet konjunkturelles, Saison-, Transferkurzarbeitergeld (KuG). Verbessert werden müsste die Verknüpfung zur Qualifizierung.  Kurzarbeitergeld ist eine deutsche Besonderheit. Es wird nicht in den USA gewährt. In Großbritannien gibt es staatliche Beihilfen, die bei einem Arbeitspensum von weniger als 16 Stunden gezahlt werden können. Frankreich gibt Lohnzuschüsse. Das Kurzarbeitergeld trägt theoretisch zur Arbeitskräftehortung bei (Labor hoarding). Eine wichtige Frage ist, wie lange die aktuelle Krise anhält und damit die Arbeitslosigkeit nur verschoben ist. Es gibt auch über 110 verdächtige bzw. Betrugs-Fälle in Deutschland. Kurzarbeit hilft auch vielen kleineren Firmen. Im April 2010 wird die Kurzarbeit bis März 2012 verlängert. Im August 2012 meldet Opel im großen Rahmen Kurzarbeit an. Überwiegend kommt das Kurzarbeitergeld den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten größerer Betriebe zugute. Es wird aus Beitragsmitteln der Arbeitslosenversicherung finanziert (vgl. Zur Finanzierung des Kurzarbeitergeldes, Münstermann, L., in: Wirtschaftsdienst 11/2012, S. 763-769.). Im August 2019 legt Arbeitsminister Heil von der SPD einen Reformentwurf vor. Es soll das "Arbeit - von -morgen - Gesetz werden. Der Zugang zur Kurzarbeit soll besser und schneller werden. Die Zeit soll zur  Qualifizierung genutzt werden können (auch im Hinblick auf die Digitalisierung). Es soll mehr Förderungen für Weiterbildung geben. Das Geld soll aus Rücklagen der BA kommen. die Gewerkschaften sind dafür, die Arbeitgeber eher dagegen. Der Schutz für Arbeitnehmer in konjunkturellen Krisen soll so verbessert werden. Beschäftigte in Krisenbranchen sollen künftig leichter verlängertes Kurzarbeitergeld erhalten können (24 Monate). Im Zuge der Corona-Krise 2020 setzt man wieder stark auf das Kurzarbeitergeld (Prognose 1. Halbjahr 2020 2,15 Mio. Kurzarbeiter): Man macht im März 2020 Reformen. Erstattung von Sozialbeiträgen für Arbeitgeber. 60% des Arbeitslohns übernimmt die BA. Bei Familien mit Kind 67%. Erleichtertes Geld bei 10% betroffener Belegschaft. Die SPD erwägt für einzelne Monate das Kurzarbeitergeld auf 80% zu erhöhen (die Bundeskanzlerin ist dagegen).  Am 23.04. wird das Kurzarbeitergeld erhöht: ab 4. Monat 70% des letzten Nettolohnes, ab 6. Monat 80%. Es gibt auch Missbrauch beim Kurzarbeitergeld, der Millionen kostet. Zwischen März und August 2020 waren dies 2100 Fälle (BA). Der vereinfachte Bezug von Kurzarbeitergeld wird bis Juni 2023 verlängert. Es bleibt bei diesem Ablauftermin.  2008 sind die Kurzarbeitsfälle rapide auf über 50.000 gestiegen. Im Januar 2009 steigen sie um  1671% auf  290.636 an; im Durchschnitt des ersten Quartals 2009 auf 950.000. Im März 2009 sind rund 2,1 Millionen Menschen  für Kurzarbeit angemeldet. Für 2009 sind von der BA 2,1 Mrd. € eingeplant, wahrscheinlich werden 5 Mrd. benötigt (IAB). Seit 2007 wurden bis Mitte 2009 5 Mrd. € ausgegeben. Mitte 2009 gibt es 1,4 Mio. Kurzarbeiter in Deutschland. Die höchsten Anstiege melden die exportabhängigen Bundesländer B. -W.-, Bayern und NRW. Im Jahresdurchschnitt 2009 werden 1,1 Mrd. Kurzarbeiter erwartet. Im August 2009 sank die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden um 10,2% gegenüber August 2008. Die Kurzarbeit soll in Deutschland etwa 400.000 Arbeitsplätze gerettet haben (2009 allein 300.000).2010 sinkt die Empfängerzahl unter 300.000 (Prognose 2011 unter 200.000, Regelung gilt bis 2012). Nach einer Studie des IMK zusammen mit dem WSI  2010 konnten durch die Kurzarbeit ca. 3 Mio. Stellen in Deutschland gerettet werden. 2013 wird wieder wegen der Konjunkturflaute mit einer Zunahme der Kurzarbeit gerechnet (Jahresdurchschnitt 189.000?, im Etat 600 Mio. €)). Das Kurzarbeitergeld wird von sechs auf zwölf Monate verlängert (allerdings nur für Stammbelegschaft, nicht für Leiharbeiter). In der Corona-Krise 2020 beantragen rund 33% aller Betriebe in Deutschland Kurzarbeit (bis 13.4.20). Davon sind ca. 725.000 Unternehmen betroffen (Quelle: Sonderauswertung der BA). Im Mai sinkt die Zahl der Kurzarbeiter auf 6 Mio. Die Kurzarbeit war im März und April 2020 dort am höchsten, wo Tourismus und Automobilwirtschaft betroffen waren. Der Bundesfinanzminister erwägt im August 2020 die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate auszudehnen. Im Juli 2020 waren 5,6 Mio. Arbeitnehmer in Kurzarbeit (Höhepunkt). Im November 2020 wird das Kurzarbeitergeld bis Ende 2021 verlängert. Ab dem 4. Bezugsmonat wird es auf 70% erhöht (für Berufstätige mit Kindern von 67 auf 77%). Ab dem 7. Monat gibt es 80% bzw. 87 %. Minijobs bleiben anrechnungsfrei. Im Oktober 2020 gab es 1,99 Mio. Kurzarbeiter.  Im Januar 2021 gab es in Deutschland Kurzarbeit fast in jedem dritten Betrieb. Eine Studie des IMK der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung stellt eine Rettung von 2,2 Mio. Arbeitsplätzen durch die Kurzarbeit in der Corona-Krise fest. Der Arbeitsminister kündigt im Mai 2021 an, dass die Erstattung der Sozialabgaben bei der Kurzarbeit verlängert wird. Das geschieht auch über den Juni 21 hinaus bis Ende September 2021. "Das optimale Kurzarbeitskonzept gibt es nicht. Viel hängt von Ausmaß und Dauer der Krise ab", Alexander Hijzen, OECD. Im August 2021 gibt es einen deutlichen Rückgang der Kurzarbeit in Deutschland: Die Zahl sinkt auf 688.000 von zuvor 1,06 Mio. (Quelle: Ifo). Die Regierung verlängert die Regelung bis Ende des Jahres 2021. Dann wird es weiter bis Juni 2022 verlängert (erleichterte Bedingungen, Sonderegelungen). Besonders wichtig ist es für die Veranstaltungs- und Gastronomiebranche. Die BA schätzt die Gesamtkosten der Corona bedingten Kurzarbeit auf 46 Mrd. €.

Kurzarbeitergeld in der Corona-Krise 2020 und danach: Im Zuge der Corona-Krise 2020 setzt man wieder stark auf das Kurzarbeitergeld (Prognose 1. Halbjahr 2020 2,15 Mio. Kurzarbeiter): Man macht im März 2020 Reformen. Erstattung von Sozialbeiträgen für Arbeitgeber. 60% des Arbeitslohns übernimmt die BA. Bei Familien mit Kind 67%. Erleichtertes Geld bei 10% betroffener Belegschaft.  76.000 Betriebe beantragen sofort Kurzarbeit. Bis zu 3 Mio. Firmen könnten die Maßnahmen wahrnehmen. Darunter auch große Firmen wie VW: 80.000 Anträge auf Kurzarbeit allein bei VW. VW hat weltweit 650.000 Beschäftigte in 124 Betrieben. Die Fixkosten liegen bei 2 Mrd. € pro Woche. Der Umsatz stockt, weil zu der Zeit nur Autos in China verkauft werden (40% des Absatzes). Die Disziplin in China in der Krise ist höher. Man kann zu dem Kurzarbeit zusätzlich noch Geld bekommen: In großen Firmen gibt es oft betriebliche Ausgleichsmaßnahmen (Aufschläge) bis 100%. Man kann ergänzende Grundsicherung beantragen. Man kann auch dazuverdienen. Die Gewerkschaften fordern eine Aufstockung des Kurzarbeitergelds. Die EU will die Institution auf die EU ausdehnen (gemeinsame Rückversicherung?).  Am 23.04. wird das Kurzarbeitergeld erhöht: ab 4. Monat 70% des letzten Nettolohnes, ab 6. Monat 80%. Der vereinfachte Bezug von Kurzarbeitergeld wird bis Juni 2023 verlängert.  500.000 Unternehmen in Deutschland beantragen Kurzarbeitergeld schon im März 2020. Am 15.4.20 haben 725.000 Unternehmen Kurzarbeit. Das war der Höhepunkt. Am 22.4. sind es noch 718.000 Betriebe. Quelle: Bundesagentur für Arbeit. Dabei handelt es sich um 10,1 Mio. Menschen. Der Bundesfinanzminister erwägt im August 2020 die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate auszudehnen. Die Verlängerung wird vom Bundestag am 26.8.20 beschlossen. Die Kurzarbeit geht im August 2020 langsam zurück (von 42% im Juli auf 37% im August). Die Industrie und Teile der Dienstleister sind weiterhin stark betroffen. Eine Studie des IMK der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung stellt eine Rettung von 2,2 Mio. Arbeitsplätzen durch die Kurzarbeit in der Corona-Krise fest. Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums betragen die Ausgaben für das Kurzarbeitergeld in der Corona-Krise bis Mitte 2021 38 Mrd. €.

Kurzarbeitergeld in wirtschaftlich schwierigen und unsicheren Zeiten (Inflation, hohe Energiepreise, stockende Lieferketten): 2022 ist die Zahl der Empfänger zwar von 6 Mio. in der heftigsten Corona-Phase auf 500.000 zurückgegangen. Aber in Krisenzeiten sollen Arbeitsplätze weiterhin gesichert werden. Der Zugang soll weiterhin erleichtert werden. Vor allem im Winter 22/23 könnte es zu eine rezessiven Situation kommen.

EU-Kurzarbeitergeld: Weil die Kurzarbeitergeldlösung in vergangenen Krisen in Deutschland so hilfreich war. beschließen die EU-Finanzminister am 10.04.20 ein europäisches Kurzarbeitergeld. 100 Mrd. € stehen aus dem EU-Haushalt der Kommission zur Verfügung. Es ist eine Art Rückversicherung, auf die die nationalen Arbeitsagenturen zurückgreifen können.

Gewerkschaft: der deutsche Gewerkschaftsbund besteht 2009 60 Jahre. Insgesamt gibt es ca. 6,2 Mio. Mitglieder (2,26 in der IG Metall, 443 Mio. € Beiträge; 2,14 bei Verdi). Bei 694 Unternehmen sitzen Gewerkschafter im Aufsichtsrat (1253). 1,6 Mio. Beschäftigte haben 2008 ihre Arbeit niedergelegt. Die Gewerkschaften sind ein Akteur der Lohnpolitik zusammen mit den Arbeitgeberverbänden. Einige Gewerkschaften zerfallen in immer kleinere Splittergruppen, die alleine sehr viel Macht haben. Extrem ist dies am Frankfurter Flughafen, wo es 180 Gewerkschaften gibt. Die ersten Gewerkschaften entstehen im 18. Jahrhundert in Großbritannien (1793 "Friendly Societies"). Bei Betriebsratswahlen 2017 und 2018 erstarken AfD - nahe Listen. Der Druck auf die Beschäftigten hat zugenommen. Immer wieder kommt es zu Konflikten der Gewerkschaften mit Billiganbietern, die ihre Preise aufgrund niedriger Löhne kalkulieren können. Das betrifft 2018 die Billigfluglinie Ryanair. Sie sieht ihr Geschäftsmodell bedroht. 2022 wird Yasmin Fahimi DGB-Chefin. Sie folgt auf Hoffmann. Sie war vorher Generalsekretärin der SPD und bei der IG-BCE. Die derzeitige Vize Christiane Benner wird 2023 als Vorsitzende der IG Metall nominiert. Die Soziologin wird dann auch gewählt. Erstmals ist eine Frau Vorsitzende. Vgl. Plumpe, Werner: Das Dilemma der deutschen Gewerkschaften, in: WiWo 45/ 4.11.22, S. 39.

Kollektive Lohnverhandlungen: Der Prozess, in dem Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände über alle Bedingungen der Beschäftigung, insbesondere über den Lohn, verhandeln.

Tariftreueregelungen: Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen sollen soziale Mindest-Standards (nicht der billigste Anbieter) beachtet werden. die Regelungen sind sehr unterschiedlich in den einzelnen Bundesländern und müssen mit dem Europarecht übereinstimmen.

Tarifverhandlungen und Tariflöhne: In Deutschland gilt die Tarifautonomie, d. h. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände verhandeln unabhängig über die Lohnpolitik. Der Prozess ist langwierig und kompliziert (kann spieltheoretisch analysiert werden). In der Tabellenerhöhung wird die dauerhafte Erhöhung der Entgelte festgelegt. Daneben können Einmalzahlungen vereinbart werden. Weiterhin wichtig sind die Laufzeit, die Stufen, die Nullmonate (zwischen Ende des alten und Beginn des neuen Vertrags) und die Ausnahmeregeln. Als Vordenkerin der Bedeutung von Tarifverhandlungen gilt Beatrice Webb (gründete auch die London School of Economics und die Zeitung "The New Statesman"; zusammen mit Sidney Webb: Die Geschichte des britischen Trade Unionismus, 1894). Sie erkennt, dass die Arbeiter gemeinsam ihr Los verbessern können. 2014 fordern die Bundesbank und die EZB Lohnerhöhungen in Deutschland.  Die Tarifgehälter in Deutschland steigen 2014 so stark wie seit 15 Jahren nicht mehr. Die durchschnittliche Tarifsteigerung beträgt 3,1% (WSI der Hans-Böckler-Stiftung). Im zweiten Quartal 2015 steigen die Tariflöhne allein um 3,1% (gegenüber dem Vorjahr, vor allem bei Angestellten des öffentlichen Dienstes und bei Finanz- und Versicherungsdienstleistungen). 2015 wachsen die Tariflöhne real mit einem Plus von 2,1% (Statistisches Bundesamt). Immer weniger Beschäftigte arbeiten in Betrieben mit Tarifbindung in Deutschland (Anteil bei 51% 2016; 1996 noch 66,8%). In den Tarifverhandlungen 2017 spielt das Thema Lohnerhöhung eher eine Nebenrolle. Es geht zum Beispiel um Entgeltzuschuss bei Arbeitszeitverkürzung. Der Lohnzuschuss bei Arbeitszeitverkürzung bleibt auch 2018 der Knackpunkt, z. B. in der Metallindustrie. Es gibt einige Streiks. In Tarifbezirk B. - W. einigt man sich zuerst in der Metall- und Elektroindustrie: Arbeitszeit vorübergehend (maximal 2 Jahre) bis auf 28 Stunden reduzierbar bei einem gewissen Ausgleich, aber Lohnabzug. Kurzfristig müssen die Arbeitnehmer bereit sein, auch mal länger als 35 Stunden zu arbeiten. Der Tariflohn erhöht sich um 4,3%. Die Löhne sind insgesamt nur langsam gestiegen. Das hängt damit zusammen, dass die Produktivität langfristig nur langsam steigt. Das kann fatal sein, weil nur die Aktionäre davon profitieren. Die langsam steigende Inflation ab 2018 könnte Druck machen. Im April 2018 einigt man sich auf einen neuen Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst: Lohnerhöhung in drei Stufen (insgesamt 7,5%). Laufzeit 30 Monate. Einmalzahlung für Beschäftigte bis zur Entgeltgruppe sechs. Im ersten Halbjahr 2018 sind die Tariflöhne in Deutschland kräftig gestiegen (3,1%, Quelle: WSI-Tarifwerk). 2022 sind ie Tarifverhandlungen schwierig, wegen der hohen Inflationsrate. Die Chemietarife preschen im Oktober 22 vor mit 6,5% und 3000 Euro. Im November 2022 einigt man sich in der größten deutschen Branche: Metall- und Elektroindustrie. Vorreiter ist wie meist B.- W. Im Sommer 2023 gibt es Streiks bei der Bahn. Schließlich führt eine Schlichtung zu einer Einigung. Die Gewerkschaft erkennt die Schlichtungsergebnisse an: 410 € mehr für alle Bahnmitarbeiter. Im Oktober 2023 fordert der Öffentliche Dienst 10,5% mehr Gehalt. Im Dezember 23 kommt man zu einer Einigung. Im Dezember 23 gibt es wieder Streiks bei der Bahn. Die GDL fordert eine Wochen-Arbeitszeitverkürzung. Die Streiks sollen 2024 fortgesetzt werden (bis zu fünf Tagen). Der Streik wird ab 24.01024 6 Tage fortgesetzt. Es kommt scharfe Kritik von der Industrie. Die BASF sieht Brüche in ihren Lieferketten. In der Chemiebranche kommt es im Juni 2024 zu einem Tarifabschluss ohne Arbeitskampf. Erstmals bekommen Gewerkschaftsmitglieder einen Tag mehr Urlaub. 2024 steigen die Tariflöhne so stark wie seit Anfang der 90er-Jahre nicht mehr. Die Tariflöhne erhöhen sich nominal gegenüber dem Vorjahr durchschnittlich um 5,6%, real um 3,1%. Obwohl die Industrie in der Rezession steckt, fordert die IG Metall im September 24  7%. Kann das funktionieren? Vgl. Die Zeit 39/ 12.9.24, S. 29

Tarifpartnerschaft: Vor 100 Jahren 1918 wurde das Stinnes-Legien-Abkommen zwischen verschiedenen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften abgeschlossen. Es beinhaltete die Tarifautonomie und Kollektivvereinbarungen sowie die Einführung des Achtstundentages und von Betriebsräten. Es diente als Vorlage auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese Partnerschaft gerät durch verschiedene Entwicklungen in Gefahr: Arbeitgeber haben Mitgliedschaft ohne Tarifbindung, der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist rückläufig, prekäre Beschäftigungsverhältnisse breiten sich aus. Der Staat greift wieder mehr ein, wie beim Mindestlohn. Digitalisierung und flexible Arbeitsmodelle schmälern die Macht der Gewerkschaften. Mitgliederzahlen und Tarifbindung gehen weiter zurück. Wie groß ist die Bedrohung für die Tarifautonomie? Vgl. Losse, Bert: Geschäftsmodell von gestern, in: WiWo 18/ 29.4.22, S. 36f. Gewerkschaften streben eine Reform der Allgemeinverbindlichkeitserklärung an. Sie erwarten auch ein Tariftreuegesetz.

Streiks und Arbeitskämpfe in Deutschland: 2022 gab es 225 Arbeitskämpfe. Am häufigsten waren Energie und Verkehr/ Logistik betroffen. Die meisten Streikenden waren gar nicht Gewerkschaftsmitglieder. Vgl. Bublies, Pia/ Schenk, Arnfried: Nichts geht mehr! in: Die Zeit 4/ 18.01.24, S. 40. 2024 spitzen sich die Arbeitskämpfe zu. Ständig ist irgendwo Streik., Demo, Blockade. Dei rücksichtslose Durchsetzung von Einzelinteressen belastet zunehmend die Allgemeinheit. GDL, Bauern, Sicherheitspersonal an Flughäfen u. a. machen das. Vgl. Rohwetter, Marcus: Arbeitet hier noch jemand? in: Die Zeit 6/ 1.2.24, S. 19. Ab März 2024 will die GDL wieder streiken. Streiks legen zunehmend den Verkehrsbereich lahm. Es gibt sogar zeitgleiche Streiks bei Bahn und Lufthansa. Beide Streiks hemmen immer mehr den Verkehr. Die GDL setzt bei der Bahn schließlich die 35-Stunden-woche durch.

Reform des Streikrechts im Infrastrukturbereich: Arbeitsniederlegungen in der Infrastruktur sind schmerzhaft für die Allgemeinheit. Der wirtschaftliche Schaden liegt in keinem Verhältnis zum Lohnausfall. Die Selbstregulierungsmechanismen des Arbeitskampfs funktionieren nicht. Gewerkschaftskonkurrenz scheint eher zu schaden. Nötig ist vielleicht ein Gesetz, dass sowohl die Tarifautonomie als auch die verfassungsrechtlich geschützten Interessen aller Beteiligten sichert. Vgl. WiWo 1/2 2024, 5.1., S. 43. Der Ruf nach Grenzen des Streikrechts wird lauter. Juristen fordern ein Streikgesetz. Vgl. FAZ 13.3.24, S. 17. Die Debatte verschärft sich.

Konzertierte Aktion 2022: Der Fachbegriff kommt von Konzert, wo ein Gleichklang herrschen muss. Kanzler Scholz lädt 2022 die Tarifpartner ins Kanzleramt ein. Ähnliche Runden gab es Ende der Sechzigerjahre unter Karl Schiller oder in den Neunzigerjahren als "Bündnis für Arbeit". Man solle sich auf geringere Lohnanpassungen oder Sonderzahlungen einigen. Beides solle dann steuerfrei bleiben.  Die Kritik daran ist, dass es nicht Ziel gerichtet ist. Vgl. Mayr, Anna: Kein Geld für alle, in: Die Zeit 38.6.22, S. 1. Man spricht auch "Von einem Tisch der gesellschaftlichen Vernunft". Auch in den Sechzigerjahren war es eine Reaktion auf das Ende des Wirtschaftswunders. Die erste Zusammenkunft ist am 4.7.22 in Berlin. In Krisenzeiten ist es unabdingbar, dass sich Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gewerkschaften austauschen.

Lohnsteigerungen: Sie hängen vordergründig von den Tarifverhandlungen ab. Sehr wichtig sind immer die jeweiligen Rahmenbedingungen: Konjunkturaufschwung, Kauflust, Arbeitskräftemangel (zu geringes Angebot an Arbeit), Welthandel. 2018 stiegen die Löhne und Gehälter im Durchschnitt um 3 Prozent. 2020 sinken die Löhne erstmals seit 30 Jahren (Corona-Krise).

Flexible Regelungen, die eine Entscheidung zwischen Lohn und Freizeit beinhalten: In einigen Branchen gibt es solche Regelungen in Tarifverträgen. Etwa in der Metall- und Elektroindustrie kann man sich unter bestimmten Voraussetzungen für zusätzliche freie Tage entscheiden. Diese Regelung ist besonders interessant für Schichtarbeiter.

Überstunden: Im ersten Halbjahr 2019 haben Arbeitnehmer in Deutschland 960 Mio. Überstunden geleistet. Mehr als die Hälfte waren unbezahlt. Quellen: IAB, BA. 2023 wurden in Deutschland 1,3 Mrd. Überstunden geleistet. 775 Mio. dieser Stunden waren unbezahlt. Quelle: IAB/ Nürnberg, Mai 2024.

Überstunden und Arbeitsgesetz: In Ungarn gerät 2018 ein neues Arbeitsgesetz in die Diskussion und es gibt Proteste. Das Arbeitsgesetz ermöglicht es Arbeitgebern, bis zu 400 Überstunden im Jahr zu verlangen und Gehaltszahlungen bis zu drei Jahren hinauszuzögern. Das Gesetz wird von Gegnern als "Sklavereigesetz" bezeichnet.

Persönliche Zeitkonten: Mehrarbeit, Überstunden und nicht genutzte Arbeitstage sollen einfließen. Die Beschäftigten zahlen Arbeitszeiten ein, die sie zu viel geleistet haben. Die angesparte Zeit soll man für die Betreuung und Pflege von Angehörigen verwenden können, für Weiterbildung oder das Ehrenamt. Die Auszeiten sollen staatlich gefördert werden. Der Rechtsanspruch auf ein Zeitkonto wird im Arbeitsministerium geprüft. Der Staat soll die Konten verwalten. Das ist einer der Reformpläne von Bundesarbeitsminister Heil.

Kaufkraft: Beruht auf dem Reallohn. Die Löhne der Arbeitnehmer werden auf die Verbraucherpreise bezogen. die Berechnung führt das Statistische Bundesamt in Wiesbaden durch. 2017 stiegen die Löhne um durchschnittlich 2,5%. Die Verbraucherpreise erhöhten sich um 1,5% also lag der reale Zuwachs bei 0,8%. Auch 2019 steigen die Reallöhne an: im  2. Quartal 2019 um 1,3% gegenüber 2.Quartal 2018). Im 2. Quartal 21 stiegen die Reallöhne um 3% an.

Arbeitszeitverkürzung: Unter Experten hatte sich die Schlussfolgerung durchgesetzt, volkswirtschaftlich unter Umständen sinnvoll, betriebswirtschaftlich zu teuer un dineffizient. 2018 dürfte ein Jahr des Tarifkonflikts darüber werden. Arbeitszeitverkürzung soll nach der Position der Gewerkschaften eher für maximal zwei Jahre vereinbart werden. Nach zwei Jahren soll dann neu entschieden werden. Individuell kann man so Richtung 28-Stunden gehen. Welcher Kompromiss ist denkbar? Es kommt auf den Lohnausgleich an. Der individuelle Lohnausgleich auf Kosten der Firmen ist schwierig. Es könnte auch ein individueller Anspruch nach vorübergehender Teilzeit geschaffen werden. Die Arbeitgeber möchten im Gegenzug die Obergrenze lockern (generelle Flexibilität).  Ein Recht auf Rückkehr in die Vollzeit ist umstritten.

Arbeitszeit, Arbeitszeitverordnung, Corona-Krise: Grundsätzlich wird die Arbeitszeit in der Arbeitszeitverordnung geregelt. Sie stammt noch aus dem Jahre 1933. Normalerweise müssen 12-Stunden zwischen den Beginn der nächsten Arbeit liegen. In bestimmten Berufen kann die Arbeitszeit weiter ausgedehnt werden in der Corona-Krise. Das Arbeitszeitgesetz ist also eher auf den Arbeitstag bezogen. In der Corona-Krise 2020 wird mehr eine Ausrichtung auf die wöchentliche Arbeitszeit erwogen.

Tarifeinheitsgesetz: Die Bundesregierung plant dieses 2014. Damit könnte eine Monopolisierung der Tarifpolitik drohen. Denn es werden nur noch Tarifverträge mit der Gewerkschaft erlaubt, die die meisten Mitglieder hat. Damit werden die DGB-Gewerkschaften bevorzugt. Die Macht der so genannten Spartengewerkschaften, die ihre Interessen auf Kosten der Gesamtbelegschaft durchboxen, soll begrenzt werden. Das Problem beeinflusst auch den Streik der GDL bei der Bahn. Die GDL und die EVG liegen in hartem Wettbewerb. Während die EVG seit 2007 22,4% ihrer Mitglieder verloren hat, hat die GDL 8,2% gewonnen. Am 22.05.15 wird das Tarifeinheitsgesetz vom Bundestag beschlossen. Es wird Klagen kleinerer Gewerkschaften beim Bundesverfassungsgericht geben. Selbst für Laien drängt sich ein Verstoß gegen das Grundgesetz auf. Im Juli 2017 bestätigt das Bundesverfassungsgericht das Gesetz im Kern.

Entgelttransparenzgesetz: Es tritt am 06.01.2018 in Kraft (wurde im Sommer 2017 beschlossen). Es gilt für Betriebe ab 200 Beschäftigten. Es muss mindestens 6 Mitarbeiter mit vergleichbarer Tätigkeit geben. Dann kann der Durchschnitt des Lohnes dieser sechs Kollegen berechnet und als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Das Gesetz regelt die Auskunfts- und Berichtspflichten. Ziel ist es es, vergleichbare Löhne für Frauen und Männer zu schaffen ohne Diskriminierung. Als erstes Land der Welt macht Island ab 2018 Schluss mit den Unterschieden bei Bruttoverdiensten bei Frauen und Männern.

Tariftreuegesetz: Im Koalitionsvertrag der Ampel verabredet. 2024 ist es auf dem Weg (schon seit 2021 in Arbeit). Bei Auftragsvergabe des Bundes auf Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrags achten. Motiv: Nicht Tarif gebundene Firmen haben Wettbewerbsvorteil, weil sei günstigere Angebote machen können. Dei FDP hat noch Einwände, da sie mehr Bürokratie befürchtet.

Mitbestimmung und Streikrecht: Auch im Grundgesetz durch das Recht auf Koalitionsfreiheit begründet, zusätzlich andere arbeitsrechtliche Regelungen. Erster Weg: Arbeitnehmer können nicht mitbestimmen. Zweiter Weg: Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter handeln Tarife aus. Dies gilt für die meisten großen deutschen Unternehmen. Dritter Weg: Für Mitarbeiter in Kirchen und ihren Organisationen. Tarife werden intern ausgehandelt. Einigt man sich nicht, ist ein Schlichtungsverfahren vorgesehen. Außerdem ist einen Übereinstimmung mit den kirchlichen Glaubens- und Moralvorstellungen vorgesehen. Unter bestimmten Umständen sind Streiks möglich (Caritas, Diakonie). 2015 ist ein absolutes Ausnahmejahr, was Ausfalltage durch Streiks angeht: schon bis Juli 2015 gibt es 944.000 Ausfalltage (mehr als das Sechsfache von 2014; Quelle: IW). Im weltweiten Vergleich streiken Franzosen und Dänen am häufigsten. Japaner streiken praktisch nie.

Mitbestimmung und Gewinn: Gewinnmaximierung ist kein zwingender Gegensatz zwischen Shareholdern und Stakeholdern. Kluges Handeln kann einen Ausgleich der Interessen bewirken. Eine gerechte Teilhabe von Stakeholdern am Unternehmensgewinn ist nicht per se unökonomisch. Mitbestimmungsgesetze haben das Potential, das Erzielen langfristiger Gewinn zu fördern. Die Fokussierung auf das Finanzkapital ist zu eng. Interessenharmonisierung ist eine permanente Herausforderung. Vgl. Borchert, Margret: Mehr Gewinn durch Mitbestimmung, in: FAZ Nr. 32, 8.2.21, S. 18.

Lohnnebenkosten: Anteil der Arbeitgeber  zur Sozialversicherung (Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung). Spielt in der Diskussion über Standortwettbewerb der Industrie eine große Rolle. Wird als Hauptgrund für kosteninduzierte Abwanderung in Billiglohnländer genannt. Produktivität und Infrastruktur bleiben leider oft unberücksichtigt. Außerdem haben die vermeintlichen Billiglohnländer eine hohe Lohndynamik (Beispiel China: +25% pro Jahr Steigerung). 2017 will Merkel eine Deckelung der Lohnnebenkosten auf maximal 40 Prozent erreichen (in den Koalitionsverhandlungen, erst Jamaika, dann mit SPD). 2025 könnten die Lohnnebenkosten so stark steigen wie seit 20 Jahren nicht mehr.

Lohnfortzahlung: Sie wird von den Arbeitgebern geleistet für den Krankheitsfall. 2023 sind diese Kosten auf eine Rekordsumme von 77 Mrd. € gestiegen.

Arbeitskosten: Sie setzen sich aus Bruttolöhnen plus Lohnzusatzkosten zusammen. Im EU-Vergleich der Arbeitskosten (je geleistete Stunde) in Euro liegt Dänemark vor Belgien und Schweden an der Spitze. Hinten liegen Großbritannien, Spanien und Griechenland. Deutschland liegt im Mittelfeld (29,20€  2010). 2012 liegen die Arbeitskosten im Vergleich zum Vorjahr um 2,6% höher (StBA). Die Arbeitgeber zahlen pro Stunde um ein Drittel mehr als im EU-Durchschnitt. 2013 geht der Trend weiter. Die Arbeitskosten steigen wieder schneller. 2013 sind die Arbeitskosten in Deutschland mit 2,1% stärker gestiegen als im EU-Durchschnitt von 1,4%. Zwischen April und Juni 2014 stiegen die Arbeitskosten sogar um 1,7%. Im 2. Quartal 2015 stiegen die Arbeitskosten in Deutschland im Vergleich zum Vorjahresquartal um 3,1% (Statistisches Bundesamt). Seit Jahresbeginn 2016 (bis Juni 2016) weisen die Arbeitskosten den höchsten Anstieg seit drei Jahren auf (3,1%). 2016 stiegen die Arbeitskosten um durchschnittlich 2,5%. Diesmal stiegen vor allem die Lohnzusatzkosten. Der Anstieg lag über dem europäischen Durchschnitt. 2022 sind dei Arbeitskosten (Kosten je Arbeitsstunde) in der Privatwirtschaft um 6,4% auf 40 Euro gestiegen. Deutschland liegt auf Rang 6 der EU-Länder. In den ersten Monaten 2013 haben sich die Arbeitskosten um 3,9% erhöht, so stark wie seit 2009 nicht mehr. Die Arbeitskosten in der Privatwirtschaft sind in der EU in Schweden und Belgien am höchsten. am niedrigsten sind sie in Rumänien und Bulgarien. Im ersten Quartal 2014 verteuerte sich die Arbeit in der EU um 0,9%. Das größte Plus gab es in Lettland (7,0%). In der Euro-Zone sind die Arbeitskosten am höchsten in Belgien, Luxemburg und Frankreich. Am niedrigsten sind sie in Litauen und Lettland. Die aktuellen Zahlen von 2016 sehen wie folgt aus (Quelle: Eurostat): Am wenigsten kostet die Arbeitstunde in Bulgarien, am teuersten ist sie in Dänemark. In der gesamten EU lagen die Durchschnittskosten bei 25,40 €. Deutschland liegt im EU-Vergleich auf Rang sieben. 2018 liegen die Durchschnittskosten für eine Arbeitstunde in Deutschland bei 34,50 €. Sie liegen ein Drittel über EU-Niveau. 2020 betragen die Arbeitskosten in Deutschland 36,70 Euro. Rang 7 in der EU wird gehalten. 2021 kostete eine Arbeitsstunde durchschnittlich 37,30 € (einschließlich Lohnnebenkosten 41,9 €). Das ist 47% mehr als im Durchschnitt der 27 Staaten der EU. Quelle: Statistisches Bundesamt 2022. An der Spitze liegen Dänemark und Luxemburg.

Lohnstückkosten: Lohnkosten, die durchschnittlich für die Erstellung einer Einheit physischer Produktionsmenge aufgewendet werden müssen. Die Messung erfolgt durch die Relation aus Arbeitskosten und Arbeitsproduktivität. Sie sind zu einem wichtigen Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes geworden (sie haben allerdings auch einen Bias: wenn in Krisenzeiten unproduktive Unternehmen insolvent gehen, beeinflusst dies die Lohnstückkosten). So sind diese in Griechenland, Spanien und Portugal wesentlich höher als in Deutschland. Lohnstückkosten spielen auch in den Tarifverhandlungen eine Rolle. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes sind die Lohnstückkosten in Deutschland in den Jahren 1991 bis 2011 um mehr als 20% gestiegen (Sondereffekte der Krisenjahre 2008 und 2009: sinkende Produktion, mehr Kurzarbeit und Abbau von Überstunden). Im Mai 2012 empfiehlt die EU-Kommission sogar Lohnerhöhungen, um die Nachfrage anzuheizen. In den letzten drei Jahren sind die Lohnstückkosten in Deutschland gestiegen: 2016 1,2%, 2017 1,5%, 2018 2,6%; Quelle: Statistisches Bundesamt.

Irrtümer: Arbeitsmenge kann nicht beliebig verteilt werden. Insofern ist Arbeitszeitverkürzung immer auch betriebswirtschaftlich zu sehen. Löhne müssen auf Arbeitsproduktivität und Stücke bezogen werden. Niedrigere Steuersätze führen nicht notwendig zu größeren Arbeitsanstrengungen. Verallgemeinerungen sollten also gerade in diesem Bereich vermieden werden.

Lohndifferenzierung: Ein Lohnunterschied, der auf nichtmonetäre Eigenschaften verschiedener Tätigkeiten zurückgeführt werden kann. In Deutschland gibt es große Lohnunterschiede. Diese bestehen zuerst regional. Der Osten liegt unter dem Niveau des Westens. Am höchsten ist er in Hamburg, vor B.- W..

Lohnrigidität nach unten: Lohnkürzungen schaden der Arbeitsmoral und der Produktivität. Infolgedessen würden viele Unternehmen lieber Arbeiter entlassen, als ihre Löhne zu kürzen. Diesen Grund für Arbeitslosigkeit baute schon Keynes in sein Modell ein.

Gender Pension Gap: Indikator, der Unterschiede in der Rentenhöhe zwischen Frauen und Männern messen soll. Er wurde vom Bundesfamilienministerium entwickelt. In der Regel weisen aber Ausländer und Geringqualifizierte größere Rentenlücken auf als Frauen. Außerdem sind Kleinstrenten enthalten, die nicht nach dem Arbeitsvolumen normiert sind. Außerdem muss der Haushaltskontext stärker berücksichtigt werden. Beim geschlechtsdifferenzierten Gender Pension Gap liegt eine Ursache auch im Gender Pay Gap (nächster Abschnitt).

Gender Pay Gap: Die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern sind immer noch hoch in Deutschland. In Deutschland verdienen Frau durchschnittlich 74% des Gehalts von Männern (OECD; OECD-Mittel 79%). Je höher der Bildungsgrad, desto größer werden die Unterschiede. Ministerin Schwesig will die ungleiche Bezahlung beenden - durch mehr Transparenz (Entgeltgleichheitsgesetz). Die Gründe für die Diskriminierung liegen tief und sind komplex. Die Lohndifferenz, d.h. das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen, ist in Deutschland 2015 durch die Einführung des Mindestlohns leicht geschrumpft. Die Bundesregierung plant 2016 ein Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern. Es würde tief in Tarifstrukturen eingreifen und ist daher sehr umstritten. Trotzdem einigt man sich auf einen Kompromiss: Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten sollen verpflichtet werden, Arbeitnehmer auf Nachfrage über ungleiche Bezahlung für gleiche Arbeit zu informieren. Die Bundesregierung einigt sich Anfang Januar 2017 auf einen Gesetzentwurf für mehr Transparenz bei den Lohnunterschieden von Männern und Frauen. Der wichtigste Punkt ist, dass Frauen einen Auskunftsanspruch erhalten. es gibt wenig Bereiche, in denen der Gap andersherum gilt. Einer ist die Erotikbranche, ein zweiter die Modelbranche. Hier verdienen Frauen viel mehr. Der Vergütungsnachteil der Frauen wird geringer, wenn Faktoren wie Arbeitsbedingungen und Belastungen mitberücksichtigt werden (um 30%). Die EU-Kommission will 2021 die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen beenden. Das gilt für Arbeitgeber ab 250 Beschäftigten. Der Lohnunterschied muss regelmäßig offen gelegt werden. Arbeitnehmer sollen das Recht erhalten, sich zum durchschnittlichen Lohnniveau vergleichen zu können. Bei Abweichungen von mehr als fünf Prozent, soll es eine Bewertung geben. Bei Arbeitnehmern in leitender Stellung verdienen Frauen ca. 24% weniger. Bei ungelernten Arbeitnehmern sind es nur -5% (StBA). Freitag, der 20.03.15, ist der "equal pay day", also der Tag, bis zu dem Frauen über den Jahreswechsel hinaus arbeiten müssen, um rechnerisch auf das durchschnittliche Jahresgehalt männlicher Beschäftigten zu kommen. Sogar in Schweden gibt es den Gender Pay Gap: 15% beträgt der unbereinigte Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern. Bereinigt (vergleichbare Arbeit, Berufserfahrung und Qualifikation) 6% (Quelle: StBA). Die Bundesregierung bereitet 2015 ein Anti-Diskriminierungsgesetz vor: Ab 500 Beschäftigte müssen Unternehmen einen Lagebericht abgeben. Darin muss auch über die unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen berichtet werden. In Start-ups verdienen Frauen im Schnitt 25 Prozent weniger als Männer (Hochschule Aalen zusammen mit Jobspotting). Das wirtschaftsnahe IW kommt 2016 nur zu einem Gehaltsunterschied von 6,6 Prozent. Sie rechnen Verzerrungen raus: Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit und in Branchen mit geringerer Entlohnung (vor allem im Sozial- und Gesundheitswesen). Das Statistische Bundesamt errechnet für 2015 einen Durchschnitt von 21 Prozent beim Lohnunterschied von Frauen und Männern. Auch 2017 beträgt diese Lohnlücke noch 21% (Statistisches Bundesamt). 2022 sinkt die Differenz auf 18% (bei vergleichbaren Tätigkeiten 7%, also bereinigt; im Westen 19% unbereinigt, 6% bereinigt; im Osten ist die Differenz geringer). Quelle: Destatis. Im März wird jährlich der "Equal Pay Day" gefeiert. Innerhalb der EU ist der Unterschied der Bruttolöhne zwischen Männern und Frauen am höchsten in Estland und Tschechien. die geringsten Unterschiede sieht man in Luxemburg und Rumänien. Die Gehaltsdifferenz liegt auch darin begründet, dass Frauen sich auf besser bezahlte Jobs gar nicht bewerben oder viel mehr in Teilzeit arbeiten. Vgl. Rudzio, Kolja: Womit keine rechnet, in: Die Zeit Nr. 33/ 11.8.22, S. 25. 2024 verklagen Mitarbeiterinnen Mercedes. Es gibt Streit über Ungleichheit der Bezahlung. 2024 beträgt der Gender Pay Gap 376 Euro. So viel verdienen Frauen bei gleichem Job und gleicher Qualifikation weniger.

Gender Pay Gap bei Spitzenpositionen: In börsennotierten Firmen verdienen die Frauen in Topmanager-Position (Vorstandsmitglied) mehr als die Männer. Sie verdienen im Durchschnitt ein Drittel mehr als die Kollegen. Quelle: Umfrage von EY in börsennotierten Unternehmen 2021.

Gender Care Gap: Unbezahlte Sorgearbeit im privaten Bereich: Kinderbetreuung, Haushaltstätigkeit, Pflege von angehörigen. Der Zweite Gleichstellungsbericht der Bundesregierung 2017 kommt zu folgenden Ergebnissen: Frauen leisten für Kinder, Haushalt, Pflege und Ehrenamt täglich über 52 Prozent mehr unbezahlte Arbeit als Männer. Pro Tag bringen Frauen 87 Minuten mehr Zeit für unbezahlte Arbeit auf als Männer. Vgl. auch: Wirtschaftsdienst 101, 2021, Heft 10, S. 3.

Lohnlücke zwischen Deutschland Ost und West: In der Phase nach der deutschen Vereinigung wurde diese Lücke als Kostenvorteil für den Osten genutzt, auch um Investitionen anzuziehen. Nach einer aktuellen Studie 2019 (Quelle: IAB, Nürnberg: Betriebspanel) hat sich die Lohnlücke verringert. Der durchschnittliche Ostlohn lag 2018 bei 2790 €, der im Westen bei 3340.

Entgeltausgleich: Forderung von Gewerkschaften und vielen Politikern. Der Ausgleich soll für Beschäftigtem die Kinder oder Pflegebedürftige betreuen, als "selbstverständliche Sozialleistung" eingeführt werden.

Mindest-Honorare für kleine Handwerksunternehmen und Selbständige: Teile dieser Berufsgruppe sind durch eine Gebührenordnung geschützt. Das gilt für Anwälte, Apotheker und Ärzte. Grafiker, Maler oder Texter müssen oft mit minimalen Entlohnungen auskommen. Auch kleine Handwerksunternehmen sind teilweise einem ruinösen Wettbewerb ausgesetzt, so dass nur minimale Preise am Markt durchsetzbar sind.

Lohnzuschüsse: Sie stellen Arbeitsanreize dar. Hartz-IV (siehe bei Arbeitspolitik) funktioniert nach dem Prinzip. Andere Länder folgen dem deutschen Vorbild (Frankreich, Österreich). Man geht von einem impliziten Mindestlohn aus, von dem aus man dazuverdienen kann.

Arbeitsstunden: Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden erhöhte sich 2014 um 1,5% auf 58,5 Milliarden Stunden. Das ist der höchste Stand seit 1992 (Quelle IAB, Nürnberg). Grund ist die Rekordbeschäftigung von 42,7 Mio. Aber auch die Jahresarbeitszeit und die Zahl der Überstunden ist gestiegen. 2018 haben die Deutschen 61,1 Milliarden Stunden gearbeitet. Gegenüber 2017 stieg das Arbeitsvolumen um 1,4% (Quelle: BA). Bei den jährlichen Arbeitsstunden je Person im Erwerbsalter liegt Deutschland weit hinten (1022). Davor liegen Polen (1287), Japan (1262), USA (1243), Niederlande (1135), Großbritannien (1125), Spanien (1029). Vgl. WiWo 7/ 9.2.24, S. 34f. "I like work; it fascinates me. I can sit and look at it for hours",  Jerome K. Jerome (1859-1927), British author and humorist.

Arbeiten die Deutschen zu wenig?: 2024 entsteht ein Diskussion darüber. 31,6 Überstunden im Jahr 2023 haben im Schnitt die Arbeitnehmer gemacht - deutlich weniger früher. 67% der Mütter arbeiten in Teilzeit, bei den Vätern sind des neun Prozent. 1.340 Stunden haben die Deutschen 2023 im Schnitt gearbeitet. Einzig im Coronajahr 2020 war es noch weniger. 20 Tage waren Arbeitnehmer im letzten Jahr im Durchschnitt krankgeschrieben - ein Rekord. Umstritten ist, was daraus folgt. Die Viertagewoche ist kein Allheilmittel, weil sie in Mangelberufen nicht funktioniert. Der Finanzminister will dei Mehrarbeit steuerfrei stellen. Der Wirtschaftsminister will die Rentner zur Arbeit animieren. Der SRW will bei den Frauen in Teilzeit ansetzen (längere Kinderbetreuung fehlt).  Vgl. Die Zeit 19/ 2.5.24, S. 19

Great decoupling: Die digitale Revolution führt zu einem Anstieg des Lohnes insgesamt. Aber die Entwicklung des Realeinkommens des Mittelstands und unterer Einkommensgruppen hält nicht mehr stand mit der Entwicklung des BIP. Das führt zu einer kompletten Entkopplung von extrem Reichen und Massenarmut. Das führt auch zu erheblichen Problemen bei der Besteuerung, die heute überwiegend über die Einkommensteuer erfolgt. Eine Umschichtung zur Gewinnbesteuerung von Unternehmen ist aber wegen der globalen Plattform-Mobilität nicht mehr möglich.

Die Elefanten-Kurve: Sie soll beweisen, dass die Arbeiter der Industriestaaten die Verlierer der Globalisierung sind. Sie wird in ein Koordinatensystem gezeichnet, wo auf der senkrechten Achse das Wachstum der Einkommen abgebildet ist (1988-2008) und auf der waagerechten Achse die Position in der globalen Einkommensverteilung. Die Ökonomen Christoph Lakner und Branko Milanovic veröffentlichten sie erstmals 2013 in einem Forschungspapier für die Weltbank. Eine neuere Studie von der Brookings-Institution (Khras/ Seidel) kommt zu dem Ergebnis, dass es wenig nützt, eine Weltgraphik der Einkommensentwicklung aufzustellen. Vgl. auch: Die Zeit Nr. 19, 3. Mai 2018, S. 22.

Einkommen der Weltbevölkerung: Die folgenden Daten sind für 2016. Es sind Hochrechnungen der World Inequality Database. Das mittlere Einkommen der Welt beträgt 570 €. Das weltweit reichste Prozent hat ein Einkommen von 10.382 €. Ein Mensch in der ärmsten Hälfte der Weltbevölkerung verfügt heute über fast doppelt so viel Kaufkraft wie noch 1980. Die meisten Menschen holen auf.

Globalisierung und Lohnungleichheit: Die globale Verteilung der Einkommen zwischen Ländern und innerhalb von Ländern ändert sich mit dem Außenhandel. Die moderne Weltwirtschaft tauscht Komponenten, Zwischenprodukte und Dienstleistungen. Deren Produktionsstufen siedeln sich häufig in qualifikationsärmeren Ländern an, was zu einer erhöhten Lohnungleichheit innerhalb der Länder führt. Die meisten Lohnunterschiede sind nicht zwischen Wirtschaftszweigen oder Fertigungsstufen, sondern zu einem großen Teil innerhalb der Wirtschaftszweige und zwischen Unternehmen aufgetreten. Die Lohnunterschiede zwischen Betrieben gehen auf größere und stärker globalisierte Unternehmen zurück. Vgl. Mündler, Marc-Andreas: Außenhandel, Arbeitsmärkte und die globale Verteilung der Einkommen, in: Wirtschaftsdienst 2018/ Sonderheft, S. 50ff.

Lohnunterschiede nach Qualifikationen in der digitalen Wirtschaft: In Europa werden die Lohnunterschiede zwischen Hochschulabsolventen und Beruflichen Ausbildungsabschlüssen geringer. Die Expansion der Hochschulausbildung scheint zu aggressiv gewesen zu sein. Roboter bringen die Fertigung zurück in die reichen Industrieländer. Intelligente Maschinen erhöhen aber nicht die Arbeitsanforderungen. Der Preis der Arbeit (Lohn) wird deshalb längerfristig gesehen sinken. Vgl. Dalia Martin: Global Value Chains, the Rise of the Robots and Human Capital, in: Wirtschaftsdienst 2018/ Sonderheft, S. 46ff.

Lohn nach Qualifikation: Je qualifizierter, desto besser bezahlt. Akademike rhängen beim Geld weiterhin andere Berufs- und Bildungsgruppen ab. Monatliche Durchschnittsbruttoeinkommen: Ohne Berufsabschluss 2831 €; mit Berufsabschluss 3658 €; mit akademischem Abschluss 5688 €. Vgl. Entgeltatlas der BA 2023.

Einkommensschwache Personen: Der Anteil ist in Deutschland gestiegen, aber auch ihr Einkommen. Ostdeutsche sind eher einkommenschwach als Westdeutsche. Personen mit Migrationshintergrund haben im Vergleich zu Personen ohne weniger. Unter Rentnern ist der Anteil noch gering. Unter Erwerbslosen sehr hoch. Die Daten stammen aus dem Sozio - ökonomischen Panel (SOEP). Vgl. Brenke, Karl: Einkommensschwache Personen: die jüngere Entwicklung in Deutschland, in: Wirtschaftsdienst 2018/6, S. 418ff.

Working poor: Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) spricht dann von "working poor", wenn Beschäftigte trotz Job von Armut gefährdet sind (gefährdete Ausprägung) oder extrem arm sind (extreme Ausprägung). Oft stehen einem Haushalt pro Tag für Konsumausgaben nicht mehr als 1,90 US-$ zur Verfügung. Die meisten Beschäftigte dieser Gruppe leben im subsaharischen Afrika. 2017 hatten rund 3,38 Mio. Vollzeitbeschäftigte in Deutschland einen Arbeitslohn von unter 2000 Euro. Das waren 16 Prozent aus dieser Arbeitnehmergruppe. In Westdeutschland waren es 2,32 Mio., in Ostdeutschland 1,06 Mio. (27,5%). Der Anteil ist in den Branchen sehr unterschiedlich (unten die Reinigungsberufe, oben die Informatik-Berufe). Quelle: Bundesarbeitsministerium 2019.

Kafala - System: Es wird in arabischen Ländern auf Fremdarbeiter angewandt. Ursprünglich ist es ein System für Bürgschaft (Kafil). Heute ist es ein Gewohnheitsrecht, dass die Ausbeutung von Arbeitskräften aus Pakistan, Bangladesch, Indien und Afrika rechtfertigt. Der Arbeitgeber hat alle Rechte, der Arbeitnehmer kaum welche. Es gibt eine Diskussion anlässlich der WM in Katar. Kafala spielt auch in Saudi-Arabien eine große Rolle. Die Golfstaaten im Nahen Osten haben halt Geld ohne Ende, zu wenig Arbeiter aus der eigenen Bevölkerung und die Fremdarbeiter kommen aus Ländern, in denen die Löhne wesentlich niedriger sind. Die arabischen Länder achten darauf, dass die Fremdarbeiter aus muslimischen Ländern kommen.

Niedriglöhne in China: China hat 2024 Probleme bei den Niedrigverdienern. Die Löhne steigen nicht mehr an. Man lässt die Statistik abreißen und die Daten werden erst gar nicht mehr erhoben. Die Eliten konnten sich bereichern. Es fehlt eine Entwicklung wie in Japan (70er Jahre) und Südkorea (80er Jahre). Die Arbeiter müssen dafür zahlen, dass westliche Konzerne niedrige Löhne haben und die Gewerkschaften kurz gehalten werden.

Arbeitsproduktivität: Output pro eingesetzter Einheit Arbeit. Langfristig ist die Produktivitätszunahme die wichtigste Basis für Einkommenssteigerungen. Anstieg 2006 in D um 2%, im Schnitt der vergangenen 10 Jahre 1,7%, USA 2,3%.  Stark ist der Anstieg der Arbeitsproduktivität vor allem in der Landwirtschaft. Dazu beigetragen haben veränderte Produktionsmethoden (Maschinen), Düngemittel und Pflanzenschutzmittel. Ursprung der Arbeitsproduktivität ist die Arbeitsteilung, die Adam Smith anschaulich in seinem Stecknadelbeispiel beschreibt (Der Wohlstand der Nationen, München 1978, S. 11f). Durch verschiedene Maßnahmen kann man erreichen, dass in Betrieben mehr Beschäftigte gehalten werden als man braucht, gemessen am langfristigen Produktivitätstrend (Kurzarbeit, Arbeitszeitkonten). 2009 sind dies eineinhalb bis zwei Millionen. In der Industrie entdeckte F. W. Taylor als erster, dass Serienprodukte am billigsten hergestellt werden können, wenn die Arbeit in möglichst kleine Teilaufgaben zerlegt wird. Dies fand bei Henry Ford großen Anklang, der nach dieser Idee die Fließfertigung aufbaute. Schwieriger als nur die Arbeitsproduktivität ist die totale Faktorproduktivität zu ermitteln (vgl. Krugman: Die große Rezession a. a. O., Kap. 2), die als Maß für das technologische Niveau einer Volkswirtschaft gilt (Produktionsvolumen je Inputeinheit, wobei die verschiedenen Inputs mit ihren Faktoranteilen gewichtet werden). Die Änderung wird als Solow-Residuum gemessen. R. M. Solow (1924, Nobelpreis 1987) sah in der totalen Faktorproduktivität das Geheimnis des Wachstums. "His promotion came like a bolt from the blue - Seine Beförderung kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel". Das Wachstum der Arbeitsproduktivität verläuft immer langsamer: In den USA lag das Wachstum zwischen 1891 und 1972 bei 2,36%. Von 1972 bis 1996 wuchs sie um 1,38%. Von 2004 bis 2013 betrug die Wachstumsrate 1,33%. Damit wächst die Arbeitsproduktivität immer langsamer. Hängt das mit der Digitalisierung zusammen? Von der Entwicklung der Arbeitsproduktivität hängt stark unser Wohlstand ab. Nach Robert Gordon, einem der Experten aus den USA, hat sich die Arbeitsproduktivität in den USA (Jahresdurchschnittliche Wachstumsrate des BIP pro Stunde) wie folgt entwickelt: 1891 bis 1972 2,4%, 1972 bis 1996 1,2%, 1996 bis 2004 2,6%, 2004 bis 2013 1,3%, 2013 bis 2018 0.6%. Er sagt ein Ende der großen Innovationen voraus.

Arbeitsproduktivität nach Branchen: Gemessen mit Index,  2015=100 und Anstieg: Fahrzeugbau 99,2, +25 Punkte zu 2009; Metallgewerbe 101,6, +22 Punkte, Elektronik; Elektrotechnik 103,8, +21 Punkte; Investitionsgüter 1o1,3, +20 Punkte.

Arbeitsproduktivität und Wohlstand: Die Arbeitsproduktivität sinkt in Deutschland langfristig. 1971 lag sie noch bei +5,1%. Nach der letzten Weltwirtschaftskrise 2017 brach sie ein (-2,6%). 2017 lag sie unter 2%. Das kann sehr gefährlich sein, weil die Arbeitsproduktivität als eine wichtige Quelle unseres Wohlstands gilt. Es gibt jedoch eine Reihe von Gründen für diese Entwicklung: 1. Innovationschwäche (es wird nur auf gleichem Niveau ersetzt: Kohle-Energie auf Wind, Benzinantrieb auf Elektromotor; vgl. Robert J. Gordon). 2. Billige Arbeitskräfte (Investieren in billige Arbeit statt Maschinen). 3. Ungenaue Statistik (Produkte ohne Preis, manche Güter zu hoch bewertet). 4. Mehr Dienstleistungen. 5. Demographischer Wandel. 6. Zersplitterter Mittelstand (höher qualifizierte Mitarbeiter werden nicht ersetzt, arbeitsintensive Produktion). 7. Niedrige Zinsen. Vgl. Knuth/ Reiermann: Der Fortschritt ist eine Schnecke, in: Der Spiegel 12/2018, S. 78-80. Die Fähigkeit einer Gesellschaft, ihren Wohlstand zu erhöhen, hängt bei konstanter Bevölkerung und nicht beliebig auszuweitendem Kapitaleinsatz nahezu ausschließlich davon ab, ob es gelingt, den Output je Beschäftigten zu steigern.  "Produktivität ist nicht alles, aber auf lange Sicht fast alles", Paul Krugman, US-Ökonom, Nobelpreis 2008.

Klimawandel und Produktivität: Der Anteil der jährlichen produktiven Arbeitsstunden die im Jahr 2015 wegen Hitze ausfallen: In Westeuropa unter 0,1%, Nordamerika 0,1%, Zentralamerika 1,0%, Nordafrika/Mittlerer Osten 1,1%, China 1,1%, Ostafrika 2,2%, Südostasien 2,3%, Indien 4,9%, Westafrika 5,0%. Insgesamt sind auch immer mehr Menschen betroffen. Quelle: Kjelstron et. al.

Alturlaub: Er verfällt nicht automatisch. Das beinhaltet ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Dezember 2022. Damit wird die Dreijahresfrist aufgehoben. Es gebe eine Informationspflicht bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

 

Neue Arbeitsformen (Zukunft der Arbeit; Arbeit 4.0; Digitalisierung und Arbeit; IT und Arbeit; New Work, Ausbeutung; gerechte Besteuerung der Arbeit; industrielle Beziehungen; Organisation der Arbeit; Klimaschutz und Arbeitsmarkt; Arbeitswelt im Wandel, Innovation). Vgl. auch speziell Digitalisierung und Arbeit.

"Die Tätigkeit des Arbeiters auf eine bloße Abstraktion der Tätigkeit beschränkt, ist nach allen Seiten hin bestimmt und geregelt durch die Bewegung der Maschinerie, nicht umgekehrt. Die Wissenschaft , die die unbelebten Glieder der Maschinerie zwingt, durch die Konstruktion zweckgemäß als Automat zu wirken, existiert nicht im Bewußtsein des Arbeiters, sondern wirkt durch die Maschine als fremde Macht auf ihn, als Macht der Maschine selbst", Karl Marx, MEW 42, S. 599.

"Wähle einen Beruf, den du liebst, und du musst keinen Tag in deinem Leben arbeiten", Konfuzius.            "Jeder Mensch erfreut sich an der Arbeit, die ihm am besten liegt", Homer, griechischer Dichter.

Theorien über die Arbeit als Bezugspunkt: Die menschliche Arbeit bildete sich mit der Sesshaftigkeit des Menschen heraus, letztlich aus der Notwendigkeit, sein Überleben zu sichern (in der ersten Kultur der Sesshaftigkeit in Mesopotamien). In der Antike bei den Griechen und Römern stand die Würde des Menschen bei der Arbeit im Mittelpunkt (Stolz und Körperkult). Unabhängigkeit und Muße wurden angestrebt (die schwere, körperliche Arbeit erledigten Sklaven). Im Mittelalter wurde die Benediktinerregel berühmt: Ora et labora (Bete und arbeite). In der frühen Ökonomie (Hume, Locke, Smith) wurde auf die Identitätsstiftung der Arbeit hingewiesen. Ricardo und Marx perfektionierten die Arbeitswertlehre (Arbeit bestimmt den Wert des Produktes, Entfremdung, gerechte Löhne). Taylor sieht den Menschen dann im 19. Jahrhundert als Maschine (Taylorismus). Ernst Jünger entwirft in seinem Aufsatz "Der Arbeiter" von 1932 die Welt als einen Ort totaler Arbeit. Der in Ludwigshafen geborene Philosoph Ernst Bloch folgt Marx: Er sieht Arbeit als Mittel zu Menschwerdung ("nie entsagender Traum nach vorwärts"). In der Sozialen Marktwirtschaft kooperieren Arbeitgeber und Gewerkschaften und die Arbeitswelt wird humanisiert. In der "Kultur  des neuen Kapitalismus" (Richard Sennet), spätestens seit der Finanzkrise 2008, verschwinden die Strukturen einer geordneten Arbeitswelt. Die Instabilität wird zum Dauerzustand. Vgl. Joachim Bauer: Arbeit, München 2013, S. 133ff. Kernpunkt der Diskussion ist heute, dass die Menschen, die Arbeit haben, auch von dieser Arbeit leben können.  Als der Anfangspunkt der industriellen Arbeit gilt der Fluss Derby in Mittelengland. 1771 entsteht in Cromford (Dorf) die erste Fabrik, eine Textilfabrik. An diesem Fluss werden nach und nach weitere Textilfabriken gebaut (Waterframe). Es sind Spinnmaschinen, die mit Wasser angetrieben werden und erst viel später mit Dampfmaschinen. Die erste Fabrik in Deutschland entsteht in Ratingen und wird dann Cromford nach dem englischen Dorf genannt.

Arbeit als zentraler Begriff im Marxschen Kosmos: Für Marx ist Arbeit die bewusste Verwandlung der Welt durch die Menschen. "Der erste geschichtliche Akt dieser Individuen, wodurch sie sich von den Tieren unterscheiden, ist nicht, daß sie denken, sondern, daß sie anfangen, ihre Lebensmittel zu produzieren", MEW 3, 20f. Der Fluch der Arbeit beginnt nach Marx mit dem Aufkommen der Arbeitsteilung. Einerseits wird die Produktivität erhöht. Andererseits schafft sie Ungleichheit zwischen Individuen. Das Verhängnis liegt für Marx im ungerechten Tausch. Sehr scharfsinnig erkennt Marx auch, wo die Bedrohung liegt: "Da der Arbeiter zur Maschine herabgesunken ist, kann ihm die Maschine als Konkurrent entgegen treten", MEW 40, 474. In seiner Arbeitswerttheorie folgt Marx David Ricardo.

Ende der Arbeit: Künftig fällt viel Arbeit weg und die Bedeutung der Arbeit ändert sich grundlegend. Digitalisierung und die damit verbundene Automatisierung spielen eine zentrale Rolle. Einerseits wird Arbeit immer mehr zum Zentrum unserer Identität und des Selbstwertgefühls. Andererseits entleert uns die Arbeit (Burn-out). Wir brauchen die Freizeit, um wieder aufzutanken (Arbeitsintensität ist stark gestiegen). Erholung allein gibt uns aber keinen Sinn und keine Erfüllung. Insofern ist die Arbeit, wie wir sie kennen am Ende. Aber es ist nicht das Ende der Arbeit. Es wird etwas neues kommen. Vgl. Sven Böttcher: Was ist die Krise und wer sind wir danach, in: agora 42, 2018, S. 71. Es gibt aber eine Zwei-Klassen-Arbeitswelt. Die einen können sich mehr Zeit für Familie und Hobbys nehmen, während die anderen zur Schichtarbeit (die Hälfte aller Schichtarbeiter haben Erschöpfungszustände) oder gar zur saisonalen Pause gezwungen werden. Menschen sind glücklicher, wenn sie der Freizeit mehr Wert zumessen als dem Geld. "Fortgesetzte Arbeit wird dadurch leichter, dass man sich an sie gewöhnt", Demokrit, alt-griechischer Philosoph.

Zukunft der Arbeit: Es braucht gute Bildung für alle, zeitliche Flexibilität, gleiche Teilhabe für Männer und Frauen. Dafür muss die Arbeit neu gestaltet werden.

Gute Arbeitsplätze: Es scheint vier Regeln zu geben: Focus und Vereinfachung, Standardisierung und Entscheidungsspielräume, übergreifende Aus- und Weiterbildung, mit Personalpuffern arbeiten. Vgl. Zeynep Ton: Schafft endlich gute Jobs! in: Harvard Business Manager, Juni 2018, S. 64ff.

"Lovely and lousy jobs": Die Bezeichnung geht auf den Ökonomen Alan Maning zurück. Er prognostiziert eine noch tiefere Spaltung des Arbeitsmarktes, auch durch die Digitalisierung. Es gibt klare Gewinne rund Verlierer. Es gibt Super-Star-Firmen, wo die Besten arbeiten (the winner takes it all").

Arbeiterlosigkeit: Es zeichnet sich eine Trendwende in der Bevölkerungsentwicklung ab. Die Bevölkerung wird schrumpfen. In Deutschland, in Europa und bald auf der ganzen Welt. Sinkt mit ihr auch der Wohlstand? Droht uns eine jahrzehntelange Rezession, gar ein Jahrhundert des Rückschritts? Deutschland braucht qualifizierte Einwanderer, Investitionen in Innovation, automatisierte unproduktive Arbeit übernimmt der Roboter, der Mindestlohn als Booster für mehr Produktivität, mehr Flexibilität, das Ende der Unterschiede (Diversität). Weltweiter Handel, Export von Know-how, durch Bildung den Wohlstand in den letzten Winkel der Welt tragen.  Je schneller sich der Wohlstand auf der Welt ausbreitet, desto eher endet das Bevölkerungswachstum. Die Menschheit sollte aus der Armutsfalle befreit werden. Nicht durch Verzicht, sondern durch Fortschritt, durch Kooperation, durch Handel, durch Teilhabe. Vgl. Dettmers, Sebastian: Die große Arbeiterlosigkeit. Warum eine schrumpfende Bevölkerung unseren Wohlstand bedroht und was wir dagegen tun können, München (FBV) 2022.

Arbeitsstättenverordnung: Sie regelt die grundsätzlichen Anforderungen, die bei der Einrichtung von Arbeitsstätten zu beachten sind. Dazu zählen Fluchtwege, Raumklima, Beleuchtung u. a. Sie stammt aus dem Jahre 1975. 2004 wurde sie verändert.  Die geplante neue Arbeitsschutzreform wurde von Bundeskanzleramt im Februar 2015 auf Eis gelegt wegen absurder Vorgaben und überbordender Bürokratie. eine Arbeitstättenzählung wird immer zusammen mit der Volkszählung durchgeführt, in der Regel im Abstand von 10 Jahren.

Grundlegender Wandel des Arbeitsmarktes (atypische Beschäftigung, auch prekäre Arbeit genannt): Seit Mitte der Neunzigerjahre wandelt sich der Arbeitsmarkt in Deutschland und in anderen Industrieländern dramatisch. Die Normalarbeitsverhältnisse gehen zurück, dafür steigen die atypischen Beschäftigen (auch prekäre Formen genannt). Diese sind häufig mit Niedriglohn verbunden, sie treffen auch die Jugend und die niedrig qualifizierten Arbeitskräfte stärker. Außerdem nehmen die älteren Belegschaften zu. Hier steigt nicht die Krankheitshäufigkeit, sondern die Dauer. Unternehmen teilen ihre Beschäftigten implizit oder explizit in Kern- und Randbelegschaften. Mit anderen Worten: Die Kernbelegschaft schrumpft, die Randbelegschaft wird ausgebaut. Immer wichtiger wird die Weiter- und Fortbildung, auch um das Lernen nicht zu verlernen. Wir müssen auch immer mehr zu einem Einwanderungsland werden, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Noch ist die unbefristete Vollarbeitszeit (sozialversicherungspflichtige unbefristete Beschäftigung) die Regel. Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer liegt 2010 bei 10,8 Jahren. Vgl. generell zum Thema Norbert Blüm, Ehrliche Arbeit, Gütersloh 2011. 1,8 Mio. Arbeitskräfte könnten 2020 fehlen. 8,2 Prozent weniger Ausbildungsverträge wurden 2009 abgeschlossen. Im Jahre 2012 sind ca. 20% aller Beschäftigten in einer prekären Arbeit (unter 8,50 € Stundenlohn). 2012 gab es aber weniger Mini-Jobs und Leiharbeit und mehr reguläre Arbeitsplätze. Die Zahl der atypisch Beschäftigten nahm um 146.000 auf 7,89 Mio. ab (21,8% aller Erwerbstätigen). Stärkere Rückgänge gab es nur 1992 und 2009. Reguläre Arbeitsverhältnisse gab es noch 24,2 Mio. (+ 504.000). Angaben des StBA in Wiesbaden und des IAB in Nürnberg. Während 1993 fast 77 % der Erwerbstätigen zu den so genannten Normalarbeitnehmern gehörten und in Vollzeit oder in Teilzeit mit mindestens 21 Stunden pro Woche unbefristet angestellt waren, waren es 2013 noch 67,5 % (BA). Mehr als jeder Fünfte ging demnach einer atypischen Beschäftigung nach, innerhalb von 20 Jahren steigt der Anteil dieser Erwerbstätigen von 13,1 auf 21,4 Prozent. Absolut nennt das StBA aufgrund des Mikrozensus 2002 6,1 Mio. und 2015 7,5 Mio. (Normalarbeitnehmer: 2002 23,6 Mio.; 2015 24,8 Mio.). 2017 steigt die Zahl der atypisch Beschäftigten auf 7,7 Mio. (Anteil 20,8%; Frauen 30,5%). Quelle: Statistisches Bundesamt. Nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung 2018 leben rund vier Millionen Menschen in prekärer Beschäftigung (jeder achte Erwerbstätige, den höchsten Anteil haben Frauen).

Markt für "gute Arbeit": Verbraucher- und Arbeitnehmerinteressen können sich grundlegend unterscheiden. Die einen wollen möglichst preiswert einkaufen, während die anderen gute Arbeitsbedingungen wollen. Verbraucher sind oft nicht in der Lage, "gute Arbeit" zu erkennen. Insofern sollte mehr Markttransparenz geschaffen werden. Vgl. Kenning, Peter/ Thorun, Chr./ Meißner, L.: Der Markt für "gute Arbeit" - eine empirische Analyse, in: Wirtschaftsdienst 2018/6, S. 428ff.

Zeitarbeit (Leiharbeit): atypische Beschäftigung im Gegensatz zur unbefristeten und  sozialversicherungspflichtigen Vollbeschäftigung. Aus Unternehmenssicht auch Personalleasing und Fremdpersonal (Leiharbeiter). Es besteht ein Dreiecksverhältnis zwischen Leiharbeiter, Zeitarbeitsunternehmen und Entleihbetrieb. International ist die Zeitarbeit in allen Industrieländern stark angestiegen (Spitzenreiter Großbritannien). Zeitarbeiter sind deutlich häufiger krank und unzufrieden mit Einkommen und Perspektiven. Zur Blüte der Zeitarbeit trugen arbeitsrechtliche Änderungen bei. Mittlerweile gründen auch viele Unternehmen Zeitarbeitsfirmen, um eigene Mitarbeiter in Leiharbeitskräfte zu verwandeln (damit können Tariflöhne und Kündigungsschutz umgangen werden, Beispiel "Schlecker"). Von Mai 2011 gilt Freizügigkeit für alle europäischen Arbeitnehmer. Entweder einigt sich die Branche auf einen Mindestlohn-Tarifvertrag oder es gibt strengere Gesetze. Die Erhaltung der Zeitarbeit ist notwendig als Instrument der Flexibilisierung. Die Zeitarbeit - so zeigen empirische Studien des IAB - ist nur "ein schmaler Steg" in dauerhafte Beschäftigung.2010 kommt ein Gesetz gegen den Missbrauch: Verhinderung der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bei der so genannten Arbeitnehmerüberlassung.  In der Stahlindustrie wird 2010 als erste Branche gleicher Lohn für Leiharbeiter vereinbart. Die zwei Verbände "Bundesverband für Zeitarbeit (BZA)" und "Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP)" wollen sich zusammenschließen. Das Bündnis christlicher Gewerkschaften wird vom Gericht nicht anerkannt, was die Verträge ungültig macht (damit sind viele mittelständische Zeitarbeitsfirmen vom Konkurs bedroht). Der "Drehtüreffekt", das Unternehmen Stammbelegschaft abbauen, um sie anschließend als billigere Leiharbeiter einzustellen, soll durch ein Gesetz verhindert werden. Wahrscheinlich kommt auch ein Mindestlohn, wenn ab Mai 2011 die Dienstleistungsfreiheit für Mittel- und Osteuropäer kommt. Über die Regulierung in der Zeitarbeit wird 2011 verhandelt. Die BA bezeichnet die Zeitarbeit als "Steg" zu einem dauerhaften Arbeitsplatz.2011 geht es im Zusammenhang mit den Verhandlungen um den Hartz IV-Regelsatz um die Entlohnung der Zeitarbeit. Einig ist man sich in der Höhe des Lohnes (gleich hoch wie die Beschäftigten), gestritten wird um den Zeitpunkt. Eine Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes soll den Drehtüreffekt unterbinden. Die Flexibilisierung durch die Zeitarbeit war notwendig, die Lohnspirale nach unten muss gestoppt werden. Nach einem Entscheid des Bundesarbeitsgerichts gegen die Tarifgemeinschaft CGZP droht in der Leiharbeitsbranche eine Pleitewelle. 2011 findet man für den Westen einen Mindestlohn von 7,79, für den Osten von 6,89. Die großen Firmen arbeiten oft mit festen Leiharbeitsorganisationen zusammen, so Daimler in Wörth mit Gabis, Speyer. Toyota will allein 2011 4000 Leiharbeiter einstellen, um die Produktionsausfälle durch das Erdbeben aufzufangen. Nach einer Untersuchung des DGB 2011 ist Leiharbeit schlechter bezahlt bei schlechteren Arbeitsbedingungen. In den Koalitionsverhandlungen im November 2013 einigt man sich auf eine Beschränkung der Leiharbeit. Die Überlassung soll auf maximal drei Jahre beschränkt werden. Die bisherige Formulierung "vorübergehend" ist juristisch nicht handhabbar. Eine weitere Einschränkung für die Zeitarbeit ist beabsichtigt: Höchstdauer 18 Monate; nach 9 Monaten Bezüge wie Stammkräfte (Gesetzentwurf Herbst 2015). Der Gesetzentwurf ist in der Koalition noch umstritten. Er wird modifiziert beschlossen: Leiharbeiter dürfen höchstens 15 Monate im selben Betrieb beschäftigt sein. Nach neun Monaten muss ihnen der gleiche Lohn  wie den Stammbelegschaften gezahlt werden (die Beschäftigungsdauer liegt insgesamt bei 18 Monate). Abweichungen sind möglich, wenn sich Arbeitgeber und Gewerkschaften darauf verständigen. 2016 beträgt der Bruttolohn eines durchschnittlichen Leiharbeiters in Vollzeit nur 60 Prozent eines regulär Beschäftigen. 2015 gab es in Deutschland 0,7 Mio. Zeitarbeitnehmer (2006: 0,6 Mio.). 2020 sind es ca. 1 Mio. Erwerbstätige. Sie werden voll von der Corona-Krise getroffen, indem sie rasch reduziert werden. Sie fungieren als Puffer. Üblicherweise gibt es nach der Krise eine rasche Belebung. In der Fleischbranche wird Leiharbeit ab 01.01.2021 verboten. Die Bundespolizei macht im Herbst 2020 Razzien in der Fleischbranche. Es geht um illegale Leiharbeit aus Osteuropa. Der Europäische Gerichtshof lässt im September 2021 ein Gutachten erstellen. Es geht um die Frage, was ist vorübergehend. Es braucht dafür eine objektive Erklärung. Der Leiharbeiter habe aber keinen Anspruch auf unbefristete Beschäftigung. Ende 2022 kommt ein Urteil des EuGH zur Leiharbeit: Bekommt ein Leiharbeiter ein geringeres Gehalt als ein direkt eingestellter Beschäftigter, muss es einen Ausgleich geben. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet im Mai 2023 dagegen: Leiharbeiter dürfen schlechter bezahlt werden als regulär Beschäftigte, wenn sie andere Vorteile haben. Sie haben eine bessere gesetzliche Absicherung. 2023 gibt es 800.000 Leiharbeiter in Deutschland.  In Deutschland ist zwischen 1991 und 2007 das atypische Beschäftigungsverhältnis um 14% angestiegen (2008: 800.000 Leiharbeiter). In der Wirtschaftskrise ist die Zahl wieder auf 550.000 gefallen (Febr. 09). Nach der Finanz- und Weltwirtschaftskrise sind in Deutschland 35% der neuen Arbeitnehmer Zeitarbeiter. Im Juni 2010 steigt die Zahl gegenüber dem Vormonat um 32,8%. Es sind schon wieder 826.000 Menschen bei Zeitarbeitsfirmen beschäftigt (Juli 2010); im Dezember 2010 liegt die Zahl bei 1 Mio. (den höchsten Anteil haben Facharbeiter vor ungelernten Arbeitern und Hochschulabsolventen). Der Jahresdurchschnitt 2010 beträgt 793000 Arbeitnehmer, April 2011 873.000. Die Zahl geht 2011 noch über 900.000 (910.000, +13% gegenüber 2010). Eine DGB Studie kommt 2011 zu dem Ergebnis, dass die Zeitarbeiter im Schnitt die Hälfte des Lohnes verdienen wie die Vollzeitbeschäftigten. Nach einer Prognose der Bundesagentur für Arbeit soll es 2013 1.570.000 Zeitarbeiter in Deutschland geben. Der aktuelle unterste Mindestlohn soll ab 01.05.2011 im Westen bei 7,80 und im Osten bei 6,80 liegen für 2011, dann in Stufen bis 2013 steigen. Über 60% aller Zeitarbeiter haben einen Berufsabschluss. 11% haben einen Hochschulabschluss. 2012 kommt ein Tarifvertrag für die Zeitarbeit in der Elektro- und Metallbranche BW zustande (bessere Bezahlung). Dies könnte zum Vorbild anderer Branchen werden. 2013 gerät Amazon in Deutschland in die Kritik. Ausländische Leiharbeiter sollen drangsaliert worden sein. Außerdem ist von Knebelverträgen mit Zeitarbeitfirmen die Rede. Auch über Globus wird diskutiert, weil die Leiharbeiter der eigenen Tochterfirma nur ca. die Hälfte verdienen (8,30€). 2014 löst Globus seine Leiharbeitsfirma auf und macht den Mitarbeitern ein Übernahmeangebot. 800.000 Beschäftigte der Zeitarbeitsbranche erhalten ab dem 1.1.2014 neue Mindestlöhne (Westen +3,8% auf 8,50€, Osten 7,86€; bis 2016 weitere Steigerungen). Die Zahl der Zeitarbeiter sank 2013 gegenüber 2012 um 5,5% auf 704.000 (geringste Zahl seit 2009). 2014 steigt die Zeitarbeit wieder auf ca. 860.000 (2,5% der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten; 3 Monate dauert ein Einsatz im Schnitt; Quelle: BA). Bundesarbeitsministerin Nahles will die Leiharbeit auf 18 Monate begrenzen. Allein im Daimler-Werk Wörth sind 2015 800 Leiharbeiter beschäftigt. Wegen der Auftragslage müssen 350 zum Jahresende gehen. Besonders hoch ist der Anteil der Leiharbeiter und Werkverträgler in der Automobilindustrie (bei Porsche und BMW in Leipzig 55% 2016). Belegschaftsstruktur von Porsche Leipzig: Stammbelegschaft 46,2%, Stammbelegschaft Werkvertragsfirmen 22,4%, Leiharbeitnehmer bei Porsche 18%, Leiharbeitnehmer bei Werkvertragsfirmen 13,4% (Quelle: Unternehmen 2016). Von Juni 2014 auf Juni 2015 ist die Leiharbeit um mehr als fünf Prozent auf 961.000 gestiegen. Die Anzahl der Leiharbeitsbetriebe stieg auf über 50.000. 2015 waren 3% aller Beschäftigten (ca. 35 Mio.) Zeitarbeiter. Die Unternehmen begründen die zunehmende Nachfrage nach diesem Typ mit Flexibilisierung. Der Lohn ist meist deutlich niedriger als bei regulär Beschäftigten. Vor allem der Maschinen- und Fahrzeugbau beschäftigt Leiharbeiter. 2017 will VW 2000 von 5000 Leiharbeitern fest übernehmen. Ende 2016 ist die Zahl der Leiharbeiter in Deutschland auf ca. 1 Mio. gestiegen (sie verdienen knapp über 50% des normalen Durchschnittslohnes). Von 523.790 2017 angebotenen Vollzeitstellen der BA waren 216.294 Leihjobs. Ab 1, Oktober 2018 gilt die neue Höchstentleihdauer von 18 Monaten. Seit Ende 2017 sinkt die Zahl der Beschäftigten in der Zeitarbeit. Dies hängt mit der Neufassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zusammen, aber auch mit der schwachen Konjunktur. Vgl. Hutter, C./ Klinger, S./ Weber, E.: Zeitarbeitsbranche: rückläufige Beschäftigung, in: Wirtschaftsdienst 2019/6, S. 401ff.

Geringfügige Beschäftigung: Mini-Job oder Beschäftigung auf 400 €-Basis (seit 2013 450 €; seit 1999 ist vom Arbeitgeber eine Pauschale an die Sozialversicherung zu entrichten; 2022 soll ein eErhöhung auf 520 € kommen).  Die Beschäftigung wird geringfügig entlohnt oder sie ist kurzfristig (keine Sozialabgaben, aber Steuerpflicht). Bei Bezahlungen zwischen 450 und 800 € im Monat spricht man von Midi-Jobs. Diese zahlen reduzierte Beiträge zur Sozialversicherung. Am Jahresende 2007 waren dies 1,2 Mio. in Deutschland. Besonders betroffen sind Schulabbrecher Die Quote ist zwischen 2008 und 2009 geringfügig gesunken auf 7% (ohne Hauptschulabschluss). Eine Untersuchung von 2015 zeigt, dass der Mindestlohn bei knapp der Hälfte der Minijobber umgangen wurde (Quelle: WSI). Daneben gibt es noch "Midi-Jobs". Es geht um die Gleitzone zwischen Mini- und Maxi-Job. Es geht um die Einkommen zwischen 450 und 800 €. Die Sozialbeiträge steigen allmählich, die Menschen aber aber Anspruch auf Arbeitslosengeld. Zu den Minijobbern gehören immer mehr Rentner. Ihre Zahl beträgt 2012  761.000 (Steigerung seit 2000 um 60%). Ab 2013 dürfen Minijobber bis zu 450 Euro verdienen. In Kneipen und Restaurants sind schon mehr als ein Drittel aller Beschäftigten Minijobber. Sie erhalten extrem niedrige Stundenlöhne, haben nicht alle Arbeitnehmerrechte und Ansprüche  aus der Sozialversicherung erwerben sie kaum (Arbeitgeber zahlt pauschal 2% Lohnsteuer, Sozialabgaben im Privathaushalt 12 und in Betrieben 29%). Die Minijobs haben oft zwei unerwünschte Folgen: Erstens kann man davon nicht leben und muss noch einen anderen Job haben. Zweitens wird reguläre Arbeit verdrängt ("staatlich organisierte Steuerflucht"). "Jeder, der auch nur einen Besen halten kann, sollte einer bezahlten Arbeit nachgehen", Thilo Sarrazin, ehemaliger Vorstand der Bundesbank. Ende 2010 hatten 7,3 Mio. Menschen in Deutschland eine 400-Euro-Stelle. Nach der BA 1,6 Mio. mehr als 2003. 2011 hatten etwa 7,4 Mio. Menschen in Deutschland einen Minijob. Ende 2012 soll die Verdienstgrenze für Minijobs von 400 auf 450 Euro erhöht werden. 2013 ging die Zahl der geringfügig Beschäftigten um 2% zurück gegenüber 2012. In Deutschland arbeiten immer mehr Mini-Jobber: Ende 2013 waren es 7,65 Mio. (Bezahlungen bis 450 €). Verdoppelt hat sich die Zahl derer, die neben einem Hauptjob noch einen abgabefreien Minijob haben (2,4 Mio. gegenüber 1,2 Mio. 2003). Von 649.000 auf 2,44 Mio. stieg die Zahl der geringfügig Beschäftigten; BA. 2015 geht die Zahl der Mini-Jobs durch den Mindestlohn zurück (die Folgen sind regional sehr unterschiedlich). Die Zahlen schwanken auch je nach Quelle. Nach dem Statistischen Bundesamt, das den Mikrozensus auswertet, ergeben sich folgende Daten: 2002 1,9 Mio. geringfügig Beschäftigte; 2015 2,3 Mio. "Wenn Sie was Ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs", Peter Tauber, Generalsekretär der CDU im Juli 2017 auf die Frage "Bedeutet Vollbeschäftigung auch drei Minijobs. Die Antwort löst einen Shitstorm aus. Fast jeder vierte unabhängig Beschäftigte (23%) hat Ende 2016 einen Minijob (7,63 Mio., 60% Frauen, 22% waren über 60 Jahre alt). Der Anteil der Minijobber n allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten betrug 2018 (Ende März) 23% (7,6 Mio. von 32,7 Mio.). Das sind 35% mehr als vor 15 Jahren (Quelle: Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Partei "Die Linke"). Eine Studie des Ifo-Instituts 2020  kommt zu folgendem Ergebnis: Mehr arbeiten lohnt kaum. Für Gering- sowie Zweitverdiener in Deutschland lohnt sich wegen anfallender Steuern und Abgaben ein Minijob kaum. Sie mahnt Reformen bei Hinzuverdienstregelungen und Ehegattensplitting an. Arbeitgeber tragen nicht das Betriebsrisiko, wenn Geschäfte per allgemeiner Lockdown-Verordnung schließen müssen. Das hat gravierende Folgen für Arbeitnehmer mit Minijob. Vgl. auch: Spermann, Alexander: Minijobs: Unverzichtbare Flexibilität, in: Wirtschaftsdienst 1/ 2022, S. 4. Das BMA will zum 1.Oktober 2022 die Obergrenze für Minijobs auf 520 € anheben. Das soll zeitgleich mit der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 € sein (sonst müsste die Stundenzahl sinken). Die Gewerkschaften äußern Kritik: Verdrängung regulärer Arbeitsplätze, bringt nichts für die Rente.

Mini-Job-Falle: Sie tritt besonders deutlich in der Coronakrise 2020 zu Tage. Während bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigen der Rückgang nur -1% beträgt (aufgefangen durch die Kurzarbeit), sind die Rückgänge bei Mini-Jobs beträchtlich: Arbeitnehmerüberlassung -31,6%, Gastgewerbe -30%, Sonstige Dienstleistungen -17,7% usw. Es gibt Fehlanreize für Mini-Jobs: Ehegattensplitting, Abdeckung der Krankenversicherung über den Ehepartner. Aufgrund der demografischen Entwicklung werden aber wieder mehr Arbeitskräfte in der regulären Beschäftigung gebraucht. Weber vom IAB schlägt einen Sozialversicherungsbonus vor. Vgl. Enzo Weber:  Ein Sozialversicherungsbonus für den Neustart aus der Minijobkrise, in: Wirtschaftsdienst 2021, Heft 10, S. 828-830. Auch ausführlich: Krebs, T. und M. Scheffel (2021), Raus aus der Minijobfalle. Reformen zur Entlastung geringer Einkommen und ihre Auswirkungen auf Beschäftigung, Wachstum und Verteilung sowie öffentliche Finanzen, Bertelsmann Stiftung.

Ausweitung der Mini-Jobs oder eher nicht? Die Ampelkoalition will den Minijobsektor ausweiten. Dagegen gibt es folgende Argumente: 1. Minijobs sind kein Sprungbrett in reguläre Beschäftigung. 2. Mindestlohn kommt bei Minijobern nicht an. 3. Minijobs sind für viele verheiratete Frauen eine Teilzeitfalle. 4. Fehlende soziale Absicherung/ Corona. 5. Reformvorschläge. Vgl. Fedorets, A. u. a.: Die Makel der Minijobs, in: FAZ Nr. 272, 22.11.21, S. 18. Es entsteht sogar 2024 eine Diskussion über die Abschaffung von Minijobs in Deutschland. Vgl. WiWo 44/ 25.10.24, S. 38 (Riphan pro/ FAU Erlangen, Nürnberg;  und Schäfer kontra/ IW, Köln).

Ein-Euro-Jobs: Die Bundesagentur für Arbeit will damit die Beschäftigungsfähigkeit von Langzeitarbeitslosen erhöhen. Die Jobs müssen im öffentlichen Interesse sein ("gemeinnützig") und sollen keine regulären Arbeitsplätze verdrängen. Hartz-IV-Empfänger bekommen dafür zusätzlich zum Arbeitslosengeld II ein bis zwei Euro pro Arbeitsstunde. Der statistische Effekt ist, das diese Gruppe nicht mehr in die Arbeitslosenstatistik eingeht. Der Bundesrechnungshof kritisiert 2010 diese Jobs, weil sie im öffentlichen Sektor Arbeitsplätze doch vernichten. Zumindest entstehen kaum feste Arbeitsverhältnisse. Deshalb will die Bundesagentur 2011 die Jobs um ein Drittel reduzieren. Ab August 2016 sollen mehr Flüchtlinge Ein-Euro-Jobs übernehmen können. Es ist ein Programm der Bundesregierung über die BA für drei Jahre und 1 Milliarde Euro. Die Jobs sind bei Gemeinden und Vereinen angesiedelt.  2013 arbeiteten noch 297.000 Menschen in Deutschland in Ein-Euro-Jobs. 2012 waren es noch 350.000 (2010: 741.000). 2014 gibt es nur noch 136.000 Ein-Euro-Jobs. Diese Jobs haben in der Vergangenheit nur jeden Zehnten einen Dauerarbeitsplatz gebracht (Quelle: BA).

Mikro-Job: Mini-Job über Smartphone-Apps (Streetspotr.). Mini-Bezahlung bei kaum lohnenden Aufwand (Speisekarten fotografieren, Öffnungszeiten checken, Produktplatzierung im Regal überprüfen). Hinter den Aufträgen stecken Red Bull, Rewe und andere Unternehmen.

Es gibt auch einen Midi-Job. Es ist sozialversicherungspflichtig, aber mit abgesenkter Beitragslast (Gleitzonenregelung). Ab Oktobe r2022 wird die Höchstgrenze bei Midi-Jobs von 1600 auf 2000 Euro angehoben (bis zu dieser Grenze keine Sozialbeiträge).

Teilzeitarbeit: Immer mehr Beschäftigte in Deutschland arbeiten Teilzeit. Der Lohn garantiert oftmals keinen ausreichenden Lebensstandard. Es gibt 2008 ca. 7,72 Mio. atypisch Beschäftigte in Deutschland. Davon sind 4,9 Mio. Teilzeitbeschäftigte (die anderen befristet, geringfügig und Zeit- beschäftigt). Einen wesentlichen Einfluss hat der Strukturwandel zur Dienstleistungsgesellschaft. Die Formen sind mittlerweile sehr vielfältig (z. B. Job-Sharing, Sabbatical, Altersteilzeit, geringfügige Beschäftigung). 2013 wird diskutiert (Familienministerium, Arbeitsministerium), ob ein Rechtsanspruch auf Rückkehr in den Vollzeitjob für Eltern nach einer Kinderbetreuung eingeführt werden soll. Der Teilzeitjob soll auch keine "Karrierebremse" mehr sein. Das Bundesarbeitsministerium will die befristete Teilzeit einführen (Anspruch nach 6 Monaten, Betriebe über 15 Mitarbeiter, Gesetzentwurf). Betroffen sind vor allem Frauen. Die Teilzeit muss nicht begründet werden. Inzwischen scheint die Teilzeitreform mit dem Rückkehrrecht auf eine Vollzeitstelle 2017 vor dem Aus zu sein. Im Koalitionsvertrag vom Februar 2018 ist folgende Regelung vorgesehen: Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit bei Firmen ab 45 Mitarbeitern (mindestens 1 Jahr im Betrieb). Bei Firmen von 45 bis 200 Mitarbeiter soll dieser Anspruch für einen von 15 Mitarbeiter gelten (Zumutbarkeitsgrenze). Die Beratungen im Bundestag sollen im Mai 2018 starten. Das Gesetz zur Brückenteilzeit gilt ab 2019. Die vereinbarte Arbeitszeit kann für ein bis fünf Jahre verringert werden. Danach muss die Rückkehr in die Vollzeit möglich sein. 2023 wird die Teilzeit immer wieder diskutiert. In den kommenden Jahren wird jede Fachkraft dringend gebraucht. Man braucht allerdings auch moderne Arbeitgeber, die Flexibilität ermöglichen. Fünfmal so viele Frauen wie Männer arbeiteten 2009 in Teilzeit (80% Frauen). Von 2000 bis 2010 nahm die Zahl der Teilzeit-Jobber um 43% zu (DIW). Bei 22% aller Teilzeitarbeitskräfte war dies erzwungen. 2012 war jede fünfte neu besetzte Stelle eine Teilzeitstelle. Drei Viertel dieser Teilzeitstellen wurden mit Frauen besetzt (bei den Stellen mit weniger als 20 Wochenstunden waren es sogar 85%). Damit droht eine "Teilzeitfalle" (Rente, Altersarmut, Quelle: BA). 2015 arbeiten 38,7 % der Beschäftigten in Deutschland in Teilzeit. In absoluten Zahlen nennt das StBA aufgrund des Mikrozensus 2002 4,2 Mio. ; 2015 4,8 Mio. Es gibt einen deutlichen Geschlechterunterschied (jede zweite berufstätige Frau, Quelle: Uni Duisburg/ Essen). Extrem hoch ist die Zahl der Teilzeitjobs in Griechenland (zwei Drittel aller Arbeitnehmer 2016). 85% der Teilzeitarbeitenden Frauen sind sehr zufrieden mit dieser Situation. 75% dieser Frauen wollten auf keinen Fall Vollzeit. Quelle: Umfrage des Delta-Instituts für Sozialforschung und Ökologieforschung 2018 im Auftrag des Bundesfamilienministeriums. Im dritten Quartal 2023 beträgt die Teilzeitquote in Deutschland 39,2%. Damit ist sie so hoch wie nie zuvor. Quelle: Studie des IAB, Nürnberg. Von 1991 bis 2023 ist der Anteil der beschäftigten Arbeitnehmer in Teilzeit um 81% angestiegen. Vgl. Wiwo 15/5.4.24, S. 20.

Strukturelle Gründe für die Teilzeitarbeit von Frauen und Männern: Sowohl Frauen als auch Männer haben in Frauen dominierten Branchen höhere Teilzeitanteile. Beide Geschlechter arbeiten in Branchen mit hohen Anteilen an un- und angelernten Arbeitskräften häufiger unfreiwillig in Teilzeit. Dies spricht dafür, dass die Arbeitsorganisation in den Branchen in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber auch die Flexibilisierungsstrategien von Unternehmen wichtige strukturelle Bedingungen für die Teilzeitbeschäftigung sind. Vgl. Althaber, A.: Die Suche nach Gemeinsamkeiten. Strukturelle Gründe für die Teilzeitarbeit von Frauen und Männern, in: WZB Mitteilungen, Heft 161, September 2018, S. 17ff. Fachkräfte in Deutschland sind aus folgenden Grünen in Teilzeit: 34% Kindererziehung, 29% mehr Lebensqualität, 15% Krankheit/ Unfallfolgen/ Behinderung, 7% kein Vollzeitjob finden, 5% Pflege eines Angehörigen, 2% Aus- und Weiterbildung. Quelle: Bilendi - Umfrage vom Juli 2023.

Job-Sharing: Das Teilen eines Arbeitsplatzes durch in der Regel zwei Personen (kann auch ein Ehepaar sein). Viel diskutiert in der Personalwirtschaft und in der Wissenschaft insgesamt. Es kommt aber in der Praxis wenig vor. Es ist auch nur geeignet für Arbeitsfelder, wo der Arbeitsbereich nicht klar definiert ist, wie bei Führungskräften oder Kreativkräften. Beliebter sind dann eher zwei Teilzeitstellen oder mehrere Mini-Jobs. Sehr erfolgreich funktioniert das Modell bei Botschaftern. So etwa in Kanada. Es hat schon internationale Aufmerksamkeit gefundne (auch in Schweden und Slowenien).

Sechs-Stunden-Tag: Experiment in Schweden, vor allem in Göteborg. Es begann in einer Autowerkstatt. Mittlerweile hat das Experiment viele Teilnehmer. Die Kosten steigen dadurch an. Auf der positiven Seite stehen eine höhere Leistung, mehr Zufriedenheit und eine bessere Work-Life-Balance. Das Experiment wird von der Arbeitspsychologie gestützt: Menschen können nicht 8 Stunden volle Leistung bringen. In Deutschland gibt es 2017 eine Diskussion über weniger Stunden pro Tag bei vollem Lohn. die Arbeitgeber lehnen dies ab.

15-Stunden-Woche: Die Idee geht auf John M. Keynes zurück. 1930 sagt er in einem Essay voraus, dass die Menschen im Jahr 2030 nur noch 15 Stunden pro Woche arbeiten. Der Kapitalismus sollte irgendwann die Menschen so reich machen, dass die Arbeitszeit als Konsequenz blieb. Der Konsum bringt uns aber heute dazu, soviel wie möglich zu arbeiten, um Dinge zu kaufen, die wir nicht brauchen. "Es geht darum, weniger zu arbeiten, um mehr zu tun", Bregmann. Quelle: Der Spiegel Nr.2, 2019, 5.1., S. 19: Arbeit als Ideologie.

Vier-Tage-Woche: Versuche laufen in einigen Ländern. 2019 startet Microsoft einen solchen Arbeitsversuch in Japan. Die Vier-Tage-Woche bringt dort einen höhere Produktivität. Es soll eine Wiederholung geben. Die IG Metall schlägt die Vier-Tage-Woche vor, um die Folgen der Corona-Krise besser bewältigen zu können. Es geht um die Rettung der Jobs in der Metall- und Elektroindustrie. Es soll einen gewissen Lohnausgleich geben. Opel wäre bereit, die Vier-Tage-Woche in Deutschland umzusetzen. Die Wissenschaft zeigt: Kürzere Arbeitszeiten machen Mitarbeiter glücklich und erhöhen die Produktivität - wenn Unternehmen es richtig anstellen. Leitfaden: 1. Denkweise verändern. 2. Ziele definieren. 3. Kommunizieren. 4. Pilotprojekt starten. 5. Pilotprojekt auswerten. 6. Loslegen. Vgl. Whilliams, A./ Lockhart, C.: Der Weg zur Viertagewoche, in: HBM Februar 2022, S. 76ff. In Deutschland bleibt die Vier-Tage-Woche ein Reizthema. Es ist ein Streit zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern. Die IG Metall sieht so die Möglichkeit, dass Frauen mit Kindern sogar vermehrt Vollzeit arbeiten können. 81 % aller Beschäftigten wünschen sich die 4-Tage-Woche (Umfrage WSI). Es werden folgende Gründe aufgeführt: Mehr Zeit für sich selbst; mehr Zeit für die Familie; mehr Zeit für Hobbys, Sport, Ehrenamt; Verringerung der Arbeitsbelastung; gesundheitliche Probleme. Die 4-Tage-Woche birgt auch eine Reihe ökonomischer Risiken (Umlagesystem der Renten, Arbeitsknappheit). Vgl. Fuest, C: Die ökonomischen Fallstricke der Viertagewoche, in: WiWo 23/ 2.6.23, S. 39. Arbeitspsychologen sehen in der Viertagewoche ein Symptom für eine entfremdete Arbeitswelt, die Menschen häufig überfordert. Man müsse wieder Freude im Joballtag entwickeln. Vgl. HB 2.7.24, S. 16. Eine Civey - Umfrage vom 18. Juni 24 zeigt viel Skepsis im Arbeitnehmerlager:  Der Produktivitätsschub fällt aus. Lohnverzicht ist keine Option. Vgl. WiWo Der Volkswirt, 31/ 26.7.24, S. 36f. 2024 wird eine Studie der Uni Münster veröffentlicht. Sie hat ein Projekt über die Vier-Tage-Woche durchgeführt. teilgenommen hat auch die Stadt Ludwigshafen.   Belgien plant im Februar 2022 die Einführung einer 4-Tage-Woche. In GB wird eine große Studie dazu durchgeführt. Es handelt sich um ein Pilotprojekt mit 61 Unternehmen und insgesamt 2900 Mitarbeitern ("4 Day Week Global"). die Formel lautet: 100% Lohn, 80 % Arbeitszeit, bei zugesagten 100% Output. Die Ergebnisse sind überwiegend positiv: 1. Mehr Bindung ans Unternehmen. 2. Höhere Gesundheit (Entlastung, z. B. bei Pflege von Angehörigen, Kinderbetreuung). 3. Bessere Arbeitszufriedenheit. 4. Steigerung der Arbeitsproduktivität. Ein mittelständischer Maschinenbauer in Thüringen geht auch voran. Die Firma  Deguma, ein 30 Jahre alter Familienbetrieb, von 2 Frauen geführt, arbeitet ab 2023 mit der Vier-Tage-Woche. Man will Fachkräfte anlocken.

Schichtarbeit: In Deutschland arbeiten ca. 24 Prozent aller Beschäftigten in Schichtarbeit. Das ist natürlich keine neue Arbeitsform, aber wahrscheinlich eine, die immer notwendig sein wird. Schlafstudien zeigen, wie die Schichtarbeit die Gesundheit beeinträchtigt, vor allem über zu wenig Schlaf. Der Ausgleich erfolgt in vielen Berufen über einen früheren Renteneintritt. Die Hälfte aller Schichtarbeiter leidet unter Erschöpfungszuständen.

Neue Arbeitszeitkultur (flexiblere Arbeitszeiten ab 2019): Der Tarifabschluss im Tarifbezirk Baden-Württemberg bringt Innovationen: Die Möglichkeit besteht, auf 28 Stunden zu reduzieren bei weniger Lohn und für maximal 2 Jahre und ab 6 Monate (mindestens 2 Jahre Betriebszugehörigkeit; Regelarbeitszeit 35 Stunden, "verkürzte Vollzeit"). Das kann mit Grund (Pflege, Kind) oder ohne Grund passieren. Im Gegenzug haben die Arbeitgeber bei Bedarf die Möglichkeit, die Stundenzahl bis auf 40 zu erhöhen. Eine Begrenzung stellt das Arbeitszeitvolumen dar. Die Möglichkeit ist für die Beschäftigten wichtig, weil es ihnen nicht nur ums Geld geht. Es kommt mit der Verlängerung auch den Firmen entgegen. Wahrscheinlich wird das Modell auf andere Regionen ausgedehnt und auch auf andere Branchen.

Erfassung von Arbeitszeiten: Im Mai 2019 urteilt der Europäische Gerichtshof, dass die gesamte Arbeitszeit systematisch erfasst werden muss.

Befristete Arbeit: Die Zahl der befristeten Arbeitsverträge wird in Deutschland immer größer. Jüngere Arbeiter und Ausländer sind überdurchschnittlich häufig betroffen, ebenso die Dienstleistungssparte. Die Gründe sind sehr unterschiedlich: sie reichen von der Verlängerung der Probezeit bis zur besseren Kapazitätsanpassung. Vor allem Berufseinsteiger und Stellenwechsler starten häufig mit einem zeitlich begrenzten Vertrag. Experten plädieren mittlerweile dafür, befristete Arbeitsverträge nicht zu reduzieren oder zu verbieten, sondern auf sie höhere Beiträge für die Arbeitslosenversicherung zu erheben (vgl. Hausner, K.-H./ Hohendanner, C.: Ein neues Modell für den Arbeitsmarkt, in: Wirtschaftswoche 47/10.11.17, S. 70).Ein Diskussionspunkt ist immer wieder die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen (wurde 1985 eingeführt, Erweiterung im Zuge von Hartz, Grund: mehr Neueinstellungen; höchstens 2 Jahre; Beschäftigungsverhältnis endet ohne Kündigung). Sie spielt auch als Punkt eine Rolle in den Sondierungsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD. Die SPD kann die Abschaffung zunächst nicht durchsetzen (SPD will sie gar nicht ganz abschaffen, sondern die Regelung zur Ausnahme machen). Arbeitgeber sehen in der Befristung ein Instrument der Flexibilisierung. Das Problem würde auch nicht ganz gelöst. Es bliebe bei den "endlosen" Befristungen mit Sachgrund (vor allem im öffentlichen Dienst). Manche Experten empfehlen, die Firmen nicht mit Verboten einzuengen, sondern eher mit Geld zu richtigem Handeln anzureizen. Im Koalitionsvertrag vom Februar 2018 steht: Lange Ketten sollen nicht mehr geduldet werden. Eine Befristung ist nicht zulässig, wenn vorher ein normales Verhältnis bestand (5 Jahre). Es soll Ausnahmen geben (Fußballer, Künstler). Oberhalb einer Schwelle von 75 Mitarbeitern sollen befristete Arbeitsverhältnisse begrenzt werden (1,5%, 50277 Unternehmen betroffen). In Krisenzeiten gibt es in der Regel weniger Übernahmen. Dei Verträge laufen aus. Das zeigt sich auch in der Corona-Krise.   2008 hatten 2,7 Mio. oder 8,9% aller Erwerbstätigen eine zeitlich befristete Stelle (StBA). Der Anteil der Zeitverträge hat sich zwischen 2001 und 2009 vor allem bei Neueinstellungen kräftig erhöht (von 32 auf  47 Prozent). 2011 ist fast jeder zweite Arbeitsvertrag befristet (2,7 Mio.). Frauen sind mehr betroffen als Männer. Der Anteil der 25- bis 34-jährigen Beschäftigten mit einem befristeten Arbeitsvertrag hat sich binnen 15 Jahren von zehn auf 19% fast verdoppelt (StBA). 2013 gab es in Deutschland 2,7 Mio. befristete Verträge (gegenüber 876.000 1993). Bei Neuverträgen sind inzwischen 42% zeitlich begrenzt. Frauen sind davon stärker betroffen (Antwort auf Anfrage im Bundestag 2014). 2013 ist die Anzahl der befristet Beschäftigten um 5 Prozent zurückgegangen (auf 2,61 Mio., 20 Jahre vorher 1,8 Mio.). Jeder fünfte Arbeitnehmer unter 35 Jahren hat einen befristeten Job. 60 Prozent aller befristet Beschäftigten sind unter 35 Jahren. Dies wirkt sich auf die Lebensplanung aus (Quelle: Hans-Böckler-Stiftung 2016). Das Statistische Bundesamt arbeitet mit Mikrozensus-Daten. Sie sehen wie folgt aus: Befristet Beschäftigte 2002 2,1 Mio.; 2015 2,3 Mio.; 2016 gab es 3,4 Millionen sozialversicherungspflichtige Neueinstellungen, davon waren rund 45% befristet. 2018 macht die Deutsche Post die Entfristung von Arbeitsverträgen von den Krankheitstagen der Mitarbeiter abhängig. 2019 wurden knapp 40 Prozent der Neueinstellungen auf Zeit durchgeführt (befristete Neu-Verträge). Dies machen vor allem größere Unternehmen. Es ist häufiger bei einfachen Tätigkeiten.

Nebenjob (Zweitjob, Doppelbeschäftigung): Immermehr Arbeitnehmer in Deutschland haben zwei Jobs. Weniger als jeder Vierte hat eine betriebliche Altersvorsorge. Im März 2012 hatten laut der Statistik der BA 8,8% aller Beschäftigten (sozialversicherungspflichtig) einen Nebenjob mit geringfügiger Entlohnung. Im März 2003 waren dies noch 5,9%.  Im Juni 2013 gingen 2,63 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zusätzlich mindestens einem Mini-Job nach. Zehn Jahre zuvor waren es lediglich 1,16 Mio. In Deutschland arbeiteten 2013 erstmals über drei Millionen Menschen neben ihrem Hauptberuf zusätzlich (die Zahl hat sich seit der Wiedervereinigung verdreifacht; Rekordwert). Darunter sind auch viele Gutverdiener, die von der Abgabenfreiheit bei Zweitjobs profitieren. Seit 2003 (Hartz-Reformen) ist der Hinzuverdienst praktisch steuer- und abgabenfrei. Somit werden nicht nur Geringverdiener entlastet, sondern auch Gutverdiener. Die Nebenjobs liegen vor allem im Gastgewerbe und im Gesundheitswesen. Jeder zwölfte Deutsche hat 2015 einen Nebenjob, in der Regel einen Minijob ( 1,4 Mio. Frauen; 1,08 Mio. Männer; Quelle: BA). 2016 (Dezember) steigt die Anzahl der Nebenjobs auf 2,7 Mio. an. Weil keine Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt werden, könnte die Altersarmut ansteigen. Gründe sind zu niedrige Löhne und höhere Konsumwünsche (jeder vierte Haushalt verzichtet wegen zu wenig Geld auf die Urlaubsreise, StBA). In den USA ist diese Entwicklung schon lange zu beobachten. 2017 haben 3,2 Mio. Menschen in Deutschland einen Nebenjob (seit 2003 Verdopplung). 57% der Nebenjobber sind Frauen. Motive sind nicht nur zu wenig Einkommen im Hauptjob, sondern auch der boomende Arbeitsmarkt und steuerliche Begünstigung von 450-Euro-Jobs (Quelle: IW). Ende Juni 2019 waren rund 3.538.000 Mehrfachbeschäftigte registriert (Quelle: BA). Das waren 123.000 mehr als im Jahr davor. In den letzten 15 Jahren hat sich die Zahl verdoppelt. 2023 haben 13% der Fachkräfte in Deutschland einen Zweitjob. Meist wird das Geld gebraucht. In Japan haben wesentlich mehr Menschen einen Zweitjob.  "Würden wir unsere Mitarbeiter ausbeuten, wären wir nicht so erfolgreich", Ralf Kleber, Amazon-Deutschland-Chef. 2018 ist die Anzahl der Nebenjobs auf 3,4 Mio. gestiegen (von 1,4 Mio. 2003; Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion Die Linken). 2021 hat fast jeder zehnte Beschäftigte in Deutschland einen Zeitjob (9,1%). Seit dem Jahr 2003 verzweifachte sich der Anteil der so genannten Doppelbeschäftigten. Quelle: BA auf Anfrage der Linkspartei. Doppelbeschäftigung gibt es vor allem im Süden (B. - W. 11,1%, Bayern 10,8%).

Multi-Job: Es gibt Arbeitnehmer, die noch mehr als einen Nebenjob haben, also mindestens zwei Nebenjobs. Es geht also um die Kombination von zwei oder mehr so genannten Minijobs.  Das waren Ende Juni 2019 260.700 Fälle.

Solo-Selbständige (im englischen Freelancing): Von 1996 bis 2008 hat diese Zahl um 40% zugenommen (von 1,5 Mio. auf 2,1 Mio.). Der angestellte Selbstständige wird das Modell der Zukunft sein. Also muss der Angestellte von morgen denken und handeln wie Selbständige heute. Smartphone und Notebooks machen Büros immer mehr überflüssig und führen zum Arbeiten, wo immer man gerade ist. Immer mehr Selbständige beziehen 2011 Hartz IV ("Aufstocker"). Die Zahl ist von 2007 bis 2010 um mehr als 50.000 gestiegen (Jahresdurchschnitt 125.000). Dabei haben Selbständige mehr Möglichkeiten, ihr Einkommen herunterzurechnen (Betriebsausgaben). Auch viele Existenzgründungen seit dem Jahr 2000 waren fast ausschließlich Solo-Selbständige (2010 2,5 Mio.). 12,5% liegen laut IAB unter der Armutsgrenze von 925 Euro. Von den Solo-Selbständigen zu unterscheiden sind die Scheinselbständigen. Viele werden in Großstädten wie München, Frankfurt u. a. wie Tagelöhner angeheuert und auf der entsprechenden Basis beschäftigt. 2011 kommen die meisten Tagelöhner aus Bulgarien (türkische Minderheit). Scheinselbständigkeit breitet sich auch immer mehr im Pflegebereich aus. Sie werden von Agenturen vermittelt. Betroffene Kunden  riskieren hohe Nachzahlungen bei Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern.  Eine weitere Sonderform sind die Schein-Ehrenamtlichen. Hierdurch drücken insbesondere kirchliche Arbeitgeber ihre Abgabenlast. Mehr als eine Million Selbständige in Deutschland liegen mit ihrem Stundenlohn 2013 unterhalb von 8,50 € (Quelle: DIW, StBA). In Japan sind 2014 mehr als ein Drittel der Beschäftigten freiberuflich tätig oder in befristeten Werkverträgen beschäftigt. Das Crowdworking führt zu einer starken Zunahme von Solo-Selbständigkeit. 2016 gab es in Deutschland 2 Mio. Soloselbständige. 1996 waren es 1,5 Mio. (Quelle: Statistisches Bundesamt). Bei den Solo-Selbständigen überwiegen folgende Berufsgruppen in Deutschland: Makler, Finanzdienstleister, Steuerberater, Buchhalter (zusammen 244,3 Tsd., 2011), Händler (205,5 Tsd.), Künstler, Artisten, Musiker (196,9 Tsd.). Seit 2012 ist die Zahl der Ein-Mann-Unternehmen um acht Prozent zurückgegangen (Grund ist der Wechsel in einen festen Job bei guter Konjunktur). 2014 gab es noch 2,34 Mio. Solo-Selbständige in Deutschland (Quelle: Gutachten des DIW für das Bundesarbeitsministerium). 2017 gerät die irische Fluggesellschaft Ryanair in das Visier der Staatsanwaltschaft, weil sie Piloten zur Scheinselbständigkeit angestiftet haben soll, um Lohnsteuer zu hinterziehen. 2016 gibt es 2,31 Mio. Solo-Selbständige in Deutschland (2000: 1,84; 2012: 2,46). Das Nettoeinkommen betrug im Schnitt 1567 €. In der Corona-Krise 2020 gibt es auch Rettungsmaßnahmen für Solo-Selbständige. Nach einer Studie des ZEW-Leibnitz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim  2020 steht jeder vierte Soloselbständige trotzdem vor dem Aus. Arbeitsminister Heil kündigt im Dezember 2020 an, dass bei Selbständigen Pflichtbeiträge in die gesetzliche Rente anvisiert sind. Die Selbständigen sollen einbezogen werden, weil viele Selbständige im Alter nicht gut abgesichert sind. Es gibt auch Pläne, die Soloselbständigen in die Arbeitslosenversicherung aufzunehmen. diese Überlegungen verstärken sich Ende 2021: Viele in der Veranstaltungsbranche stehen in der Corona-Krise vor dem Abgrund.

Soloselbständigkeit im Handwerk: Sie ist nicht immer mit einer prekären Wirtschaftslage der "marginalen" Alleinunternehmer assoziiert. Beim Handwerk gibt es viele auffällige Untergruppen: EU-Ausländer, Erwerbstätige im Rentenbezugsalter, Frauen und Teilzeittätige. Die überwiegende Mehrheit erreicht persönliche Nettoeinkommen, die oberhalb der Armutsgefährdungsschwelle für einen Ein-Personen-Haushalt liegen. Es gibt aber eine Ungleichstellung unterschiedlicher Erwerbsformen im Hinblick auf die Pflichten zur sozialen Absicherung. Quelle ist der Mikrozensus 2014.  Vgl. Haverkamp, K.: Soloselbständige im Handwerk: Einkommensstrukturen und Altersvorsorge, in: Wirtschaftsdienst 2019/10, S. 717 ff.

Freie Berufe: 2023 arbeiten erstmals mehr als sechs Millionen Menschen in freien Berufen. Dazu gehören Ärzte, Apotheker, Notare, Anwälte, Ingenieure u. a.

Werkverträge: 2011 und 2012 expandieren in Deutschland die Werkverträge sehr stark. 2011 wurde das Gesetz zur Arbeitnehmerüberlassung geändert, um Missbrauch von Leiharbeit vorzubeugen. Werkverträge sind davon nicht erfasst. Bestimmte Branchen sind die Vorreiter (Fleisch- und Wurstindustrie, Automobilindustrie, Gebäudereinigung). Auch immer mehr IT - Fachkräfte werden in Werkverträgen angestellt (Beispiel Daimler 2013, es sollen soziale Grundsätze erarbeitet werden). Teilweise hängt dies mit der Bekämpfung der Auswüchse der Zeitarbeit zusammen. Arbeitsrechtlich besteht eine Grauzone zwischen Arbeits- und Werkvertrag. Schon lange werden Werkverträge als Übergangslösung eingesetzt (z. B. zwischen Renteneintritt und endgültigem Ruhestand in Japan). Unternehmen schließen auch Werkverträge ab, um die Löhne zu drücken (Umgehungstatbestand). Am meisten fällt immer wieder die Fleischindustrie auf. In den Schlachthöfen werden immer mehr Arbeitskräfte aus der Stammbelegschaft durch Beschäftigte per Werkvertrag ersetzt. Mittlerweile sind Werkverträge das wichtigste Instrument der deutschen Wirtschaft zur Flexibilisierung. Die Unternehmen stecken viele Ressourcen darin, sich rechtlich unangreifbar zu machen. Für die Arbeitsmarktstatistik ist es eine tickende Zeitbombe. Ein neues Gesetz gegen den Missbrauch von Werkverträgen soll kommen (Scheinselbständigkeit; Beispiel Fleischindustrie; Herbst 2015 Gesetzentwurf). Ein Informationsrecht für den Betriebsrat wird festgeschrieben. Für Werkverträge gelten acht Kriterien. Der Gesetzentwurf ist in der Koalition noch umstritten. Der Anteil an Werkverträgen steigt. Nach Ansicht der Unternehmen wegen zunehmender Notwendigkeit zur Spezialisierung. Im Mai 2016 plant die Regierung Neuregelungen bei Werkverträgen: Die Kriterien zur Abgrenzung von abhängiger und selbständiger Arbeit sollen verbessert werden. Es soll auch erschwert werden, Schutzstandards zu umgehen. Eine Arbeitnehmerüberlassung muss immer offen gelegt werden. Betriebsräte müssen unterrichtet werden. 2020 plant die Bundesregierung eine Regulierung von Werkverträgen. Hintergrund sind dei Zusände in den Fleischfabriken. Doch nun fürchten unbescholtene Personalvermittler um ihre Arbeitsgrundlage.  2013 sind allein in der Metall- und Elektroindustrie mehr als eine Million Menschen als Arbeiter zweiter Klasse beschäftigt (IG Metall). die Praxis der Werkverträge in den Schlachthöfen soll ab 2021 verboten werden.

Praktikum: Dient in der Regel dazu, Erfahrung in der Praxis zu sammeln. Es besteht eine Hoffnung, übernommen zu werden. Für die Unternehmen ist es eine gute Möglichkeit, potentielle Mitarbeiter zu testen. 2014 wird in Zusammenhang mit dem Mindestlohn beschlossen, dass dieser auch für Praktikanten gelten soll. Dann würde ein Monat Praktikum inklusive Sozialabgaben ca. 1600 € im Monat kosten. Ca. 40% der Praktikanten in deutschen Betrieben bekommen kein Geld für ihre Arbeit. 568.000 Praktika wurden 2013 in deutschen Betrieben absolviert. Die Durchschnittsvergütung lag bei 551 €. 1360 €  müssten sie nach dem neuen Mindestlohngesetz bekommen, wenn sie nicht als Ausnahme drin wären. 40% aller Praktika sind unbezahlt (Quellen: Hans Böckler-Stiftung, IAB-Betriebspanel). Die Mindestlohnregelungen für Praktikanten verunsichern die Arbeitgeber. Die Verbände befürchten eine starke Reduzierung von Angeboten. Die Einführung des Mindestlohnes hat auch das Angebot an Praktikumsplätzen geschmälert. Der Anteil an Firmen, die freiwillige Praktika anbieten, habe sich seither von 62 Prozent auf 34 Prozent fast halbiert (Quelle: Ifo-Institut, München in Kooperation mit Randstad, 2016). Als Hauptgrund werden genannt geschrumpfte Personalbudgets und zusätzliche Dokumentationspflichten. Die Größe des Betriebes spielt offenbar keine Rolle. 2018 gibt es wegen des Mindestlohnes mehr Geld, aber weniger Angebot. Praktikanten gelten aber weiterhin als ebenso billige wie willige Arbeitskraft. Im Vergleich zu 2015 ist danach die Anzahl der Praktikumsplätze zurückgegangen (Freiwillige Praktika von 70 auf 34%; Pflichtpraktika von 62 auf 34%). 96% aller Praktika sind vergütet. Ab 2024 will die EU für bessere Bezahlung in Praktika sorgen. Ein Gesetz soll verhindern, das junge Frauen und Männer als billige Arbeitskräfte ausgebeutet werden.

Ferienarbeit: Ferienjobs sind fester Bestandteil der Personalplanung vieler Unternehmen in der Hauptferien- und -urlaubszeit im Sommer.  Zahlreiche Schülerinnen und Schüler arbeiten nebenbei oder in den Ferien: In den Jahren 2018 bis 2020 hatten 41,7% der 17-Jährigen einen Nebenjob. Je wohlhabender die Eltern, desto eher besserten die Jugendlichen ihr Taschengeld durch Arbeit auf. Das Ergebnis ist überraschend, Haupotmotiv ist Geld. Der Autokonzern Daimler bietet etwa 2017 bundesweit 18.000 jungen Menschen Ferienjobs an (2000 mehr als 2016, allein in Wörth 1500 Stellen). 2023 fordert Kevin Kühnert von der SPD den Mindestlohn für Ferienarbeit.

Arbeit am Wochenende und an Feiertagen: 6,1 Mio. Menschen arbeiten 2017 regelmäßig an Wochenenden. Typische Berufe sind Verkäufer und Taxifahrer.

Überstunden: Arbeitnehmer leisten im Schnitt vier Überstunden pro Woche. Das kann mit Stress und ständiger Erreichbarkeit verbunden sein. Als besonders belastet gelten Lastwagenfahrer und Paketboten. Sie leisten durchschnittlich bis zu 7,2 Überstunden pro Woche. Auch Beschäftigte im Gesundheits-, sicherheits- und Überwachungsgewerbe sind überdurchschnittlich betroffen. Quelle: Studie der BA für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund 2018.

Mehrarbeit: Deutschland fehlen 2022 Fachkräfte. 1,9 Mio. offene Stellen gab es im Sommer. Vielen Arbeitnehmern ist aber nicht nach Mehrarbeit zumute. Die Bereitschaft zu Mehrarbeit ist stark gesunken. Quelle: Umfrageinstitut Yougov für den Versicherer HDI 2022

Au-pairs: 2016 gab es 7000 Au-pairs aus EU-Ländern und 5833 aus Nicht-EU-Ländern in Deutschland (quelle: Auswärtiges Amt). Sie sind weitgehend auf sich allein gestellt. Der Staat hält sich raus. Ausbeutung ist an der Tagesordnung.

Bürgerarbeit: Modellprojekt der Bundesregierung, um Langzeitarbeitslosen einen Weg auf den ersten Arbeitsmarkt zu ebnen. Sie werden zuerst sechs Monate beraten und qualifiziert. Dann bekommen sie für maximal 36 Monate eine sozialversicherungspflichtige Stelle. Die Arbeiten müssen im öffentlichen Interesse liegen. Von Juli 2010 bis Ende 20111 konnten die Job-Center bundesweit 28.000 Hartz-IV-Empfänger in Bürgerarbeit vermitteln.

Dienstjahr (soziale Dienstpflicht, soziale Pflichtzeit): 2019 kommt der Vorschlag von der CDU in Deutschland. Die Frage ist, ob verpflichtend oder freiwillig als Ehrenamt. Der Vorschlag lebt immer wieder auf. Es gibt schon viele junge Menschen, die freiwillig helfen. Es gibt drei Formen: Freiwilliges Soziales (FSJ), Bundesfreiwilligendienst (BFD), Ökologisches Jahr ((FÖJ). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lässt hier nicht locker. Er macht wiederholt Aufrufe dazu. Er sieht sich von Umfrageergebnissen bestätigt. 2023 sind die Freiwilligendienst in der Krise (100.000 Freiwillige). Die Bundesregierung hat bisher die Vereinbarung im Koalitionsvertrag nicht umgesetzt. Der Dienst könnte ein Einstieg ins soziale Umfeld sein.

Verpflichtendes Gesellschaftsjahr und Wehrpflicht: Das hat die CDU in ihrem Grundsatzprogramm 2024. Schrittweise zurücknehmen der Wehrpflicht. Sie war 2011 unter von Guttenberg ausgesetzt worden.

Gesellschaftsdienst für alle: Die Religion kann heute nicht mehr die Gesellschaft zusammen halten. Der Zusammenhalt nach den Werten der französischen Revolution (Brüderlichkeit) wirkt auch nicht mehr. Deshalb der Vorschlag des Gesellschaftsdienstes. Darüber gibt es einen Streit. Vgl, Schlink, Bernhard: Was uns zusammenhält, in: Die Zeit 6/2023, 2.223, S. 11.

Freiwilligendienst: FSJ. Ab 2024 will die Bundesregierung massiv beim Freiwilligendienst sparen. In Kitas, Schulen, Pflegeheimen könnte bald jede vierte FSJ-Stelle fehlen. Diese Kürzungen werden dann fast vollständig zurückgenommen.

Ehrenamt: 31 Mio. Menschen engagieren sich in Deutschland ehrenamtlich. Der Gegenwert, der durch ehrenamtliche Arbeit jedes Jahr in Deutschland erbracht wird, entspricht Schätzungen zufolge einer hohen zweistelligen Milliarden-Euro-Summe. Noch viel höher ist der Gewinn für die Gesellschaft. Bisweilen ist das Ehrenamt auch Ersatz für Lohnarbeit. In RLP sind 48,3 Prozent der Rheinland-Pfälzer ehrenamtlich tätig. So hoch ist der Anteil nirgends sonst in Deutschland. Bundesinnenministerin Faeser schlägt 2022 eine frühere Rente für Ehrenamtler vor.

Negative Einkommensteuer: Niedriglohnbezieher bekommen eine Einkommensteuergutschrift, die ihnen ein existenzsicherndes Einkommen ermöglicht. Es handelt sich um ein Kombilohnmodell, das mit der Förderung durch Steuergutschrift das Ziel verfolgt, die Armut zu bekämpfen und neue Arbeitsanreize zu schaffen. Entsprechende Modelle waren in den USA (earned income tax credit) und Großbritannien (working families tax credit) erfolgreich. In Frankreich bekommen Arbeitgeber die Sozialbeiträge erstattet und die Arbeitnehmer einen kleinen Zuschuss. Die Idee stammt von M. Friedman. Nach der OECD-Studie "Taxing Wages" 2007 haben in Deutschland von den Steuer- und Sozialreformen der letzten Jahre vor allem Gutverdiener profitiert. Die Belastung sinkt insgesamt, aber es gibt höhere Abgaben bei kleinen Einkommen. Im März 2007 beschließt die Bundesregierung einen Kombilohn für junge Arbeitslose (Qualifizierungs-Kombilohn) und Lohnzuschüsse für besonders schwer Vermittelbare.

Kalte Progression: Wenn der Einkommensteuertarif nicht kontinuierlich angepasst wird, führt ein Einkommensplus als Inflationsausgleich wegen des progressiven Tarifs zu einem höheren Steuersatz und damit zu einer größeren Steuerbelastung, obwohl das Realeinkommen gleich bleiben kann. Dies ist eine Art heimliche Steuererhöhung. Mikroökonomisch wird dies in der Grenzbelastung gemessen. Makroökonomisch ist dies eine "Built-in-Flexibility" in Boomzeiten. Auch Einkommensteuer-Freibeträge müssten ständig angepasst werden. Im Schnitt können 2% Lohnerhöhung zu 4% mehr Steuerbelastung führen (überproportional=progressiv). Die Progression steigt besonders stark oberhalb der Freibeträge. Jede Korrektur zugunsten der Steuerzahler hat aber ihren Preis: Irgendjemand muss zahlen. Im so genannten "Mittelstandsbauch" (Steuerkurve steigt zunächst steil an zwischen 14% und 24% und verläuft dann flacher bis 42% und dort ist die Mehrzahl der Steuerzahler angesiedelt). Hinter dem Progressionsvorbehalt stand ursprünglich das Bemühen um Steuergerechtigkeit. Die Anwendung ist mittlerweile zu kompliziert (Kurzarbeitergeld, Kapitaleinkommen mit Abgeltungsteuer, Anwendung bei Ehegatten - Splitting und AL eines Partners). Eigentlich müsste die "kalte Progression" abgeschafft werden durch einen "Tarif auf Rädern" (Verschieben gemäß der Inflationsrate) Unter 8354€ gilt der Grundfreibetrag (danach Eingangssteuersatz von 14%); über 250.731€ gilt ein Spitzensteuersatz von 45%. Die Mehrbelastung durch kalte Progression ist von 2011 bis 2014 stark gestiegen (2011 kalte Progression, kumuliert 2,7 Mrd. €; 2014  8,8 Mrd. €). Die Prognose für 2017 lautet 20,4 Mrd. €. (Quelle: Die Welt 01.08.2014, S. 4).  "In der modernen Gesellschaft sind Selbstvertrauen und sozialer Status untrennbar mit unserer Arbeit und unserem Einkommen verbunden", Robert Solow.

Spitzensteuersatz und Ehegatten-Splitting: In Anbetracht der insgesamt zu geringen Steuereinnahmen der öffentlichen Haushalte geraten immer wieder diese beiden Aspekte in die Diskussion. Der Spitzensteuersatz könnte von 42% auf 49% erhöht werden (aber bei welchem Einkommen? 80.000, 100.000?). einige Vorschläge gehen sogar bis 53%. Viele wollen das Ehegatten-Splitting zugunsten des Familien-Splittings reformieren. Auch eine Vermögensabgabe und eine Reform der Erbschaftsteuer werden in diesem Zusammenhang genannt. In allen Industrie- und Schwellenländern wurde das Aufkommen der Ertragsteuern (z. B. Körperschaftsteuer) heruntergefahren (Internationale Wettbewerbsfähigkeit, Direktinvestitionen). Der Trend geht in Richtung Einkommensteuern und indirekte Steuern, deren Aufkommen ansteigt. Dies ist eine wichtige Rahmenbedingung. Die staaten müssen insofern ein großes Interesse daran haben, möglichst viele Arbeitsplätze auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen zu können.

Abgabenlasten und Steuergerechtigkeit:  Die Durchschnittssteuerlast wird ermittelt, indem der Belastungsbetrag durch das Haushaltsbruttoeinkommen dividiert wird. Zu den Abgaben zählen Sozialversicherungsbeiträge, Kraftfahrzeugsteuer, Mineralölsteuer, Mehrwertsteuer, Einkommensteuer, Gebühren und Beiträge. Bestimmte Akteure können sich auch der Steuerüberwälzung bedienen und andere tragen Zusatzlasten der Besteuerung.

Zwangsarbeit: Einsatz von Arbeitskräften in Zwangsorganisationen (Gefängnisse, Zuchthäuser, Lager) unter Zahlung keines oder eines sehr geringen Lohnens. Häufig findet die Zwangsarbeit in totalitären Staaten statt, die die Menschenrechte weniger oder gar nicht beachten. Zwangsarbeit ist auch sehr verbreitet in Kriegen, in denen die eroberte einheimische Bevölkerung unterdrückt wird (im 2. Weltkrieg in eroberten Gebieten im Osten, Koreanische Zwangsarbeit nach der Eroberung durch Japan). Zwangsarbeit gab es auch in der DDR. Zahlreiche westdeutsche Firmen haben davon profitiert. Die Bewertung der Zwangsarbeit ist relativ und schwierig, da das Kontinuum von Erziehung/ Umerziehung bis Ausbeutung und Vernichtung reicht. Neuere Beispiele sind der Einsatz von Zwangsarbeitern bei den Sportstätten für der Olympischen Spiele in Peking, Zwangsarbeit in DDR-Gefängnissen für IKEA, Lagerarbeit in Russland u. a. Wer in China unangenehm auffällt, kann ohne Gerichtsurteil bis zu drei Jahre in ein Lager eingewiesen werden, das der "Umerziehung durch Arbeit" dient (Bezahlung ca. ein Euro pro Monat, Umerziehungslager sollen ab 2014 abgeschafft werden). Sie bestehen aber weiter, z. B. zahlreich in Xinjian im Nordwesten Chinas. Hier sitzen viele Uiguren ein und müssen Zwangsarbeit verrichten. Bei der Baumwollernte in Usbekistan werden jedes Jahr Millionen Menschen zur Arbeit gezwungen. Baumwolle gilt als "weißes Gold" des Landes. Die Bewässerung über den Fluss "Amurdaja" trocknet den Aralsee aus. Ein Boykott großer Konzerne würde hier ins Leere gehen, weil die Lieferketten kaum zu kontrollieren sind. Nach einer Studie des ILO 2014 werden jährlich 150 Mrd. $ durch Zwangsarbeit verdient. Zwei Drittel (99 Mrd. $) kommen durch Zwangsprostitution. 34 Mrd. $ durch Zwangsarbeit im Bauwesen, Fabriken und Bergbau. Dann folgen Landwirtschaft und Fischerei sowie private Haushalte. 2014 spekulieren russische Medien über Pläne zum Bau einer Brücke zur Halbinsel Krim. Hier sollen in großem Ausmaß Häftlinge zum Einsatz kommen. Nordkorea verkauft Zwangsarbeiter in die ganze Welt, damit sie Devisen beschaffen. Sogar in Polen, mitten in der EU, gibt es nordkoreanische Zwangsarbeiter. Nach Angaben der ILO gibt es 2017 40 Mio. Zwangsarbeiter ("Sklaven") auf der Erde. Die meisten leben in Afrika. Drei Viertel sind Frauen. Im September 2022 bringt die ILO einen neuen Bericht: 2021 gab es 28 Mio. Zwangsarbeiter und 22 Mio. Menschen in Zwangsehe. Das betrifft viele Länder und auch Länder mit hohem und mittlerem Einkommen. Die EU verbietet im September 2022 Produkte aus Zwangsarbeit. Dadurch müssen Lieferketten von Firmen noch besser durchleuchtet werden.  "Viele Menschen können überhaupt nicht ausspannen. Die Welt ist voll von freiwilligen Zwangsarbeitern", Karl Heinrich Waggerl. 2018 werden C&A und H&M an den Pranger gestellt. Angeblich haben sie Produktion hinter Gittern in China. Die Zwangsarbeit hat historisch in Deutschland eine große Tradition. Weit mehr als 20 Mio. Menschen in Europa wurden vom NS-Regime zur Zwangsarbeit herangezogen. 12 Mio. in den besetzten Gebieten, 13,5 Mio. in Deutschland. Darunter waren 1,7 Mio. KZ-Häftlinge. Erst 1998 beschloss der Bundestag Zahlungen für erlittenes Unrecht. Gefängnisse und Straflager in Belarus sind 2024 voll. Was die Häftlinge herstellen, geht häufig in den Export. Möbel aus den Lagern haben sogar eine FSC - Zertifizierung und werden immer noch in Europa verkauft.

Inhumane Arbeitsbedingungen auf dem globalen Markt: Selbstmorde bei Computer-Zulieferern, Brände in Textilfabriken, Hungerlöhne in Nähereien, Gebäudeeinstürze in Bangladesch. Als Maßnahmen gegen diese Missstände werden Sozialkapital in Handelsverträgen, Gütesiegel, Selbstverpflichtung der Unternehmen und ethische Mindeststandards diskutiert. Nationales Ordnungsrecht (Transparenz), Druck auf die Mutterkonzerne von Tochterfirmen, Reputationsdruck u. a. werden ebenso aufgeführt. Gerade auch die neue Rohstoffe, wie seltene Erden ("Blut im Handy"),  führen zu Kriegskonflikten und Bürgerkriegen. Besonders in Afrika hängen sich immer neue Kriegsfürsten an der Profit. Gegen diese Entwicklung steht die Fairphone-Bewegung. Deren Handys entsprechen ethischen, sozialen und ökologischen Standards. Sie können im Internet ( www.fairphone.com ) gegen Vorauszahlung bestellt werden.  Sehr schwierig ist im Einzelfall zu bewerten, was inhumane Arbeitsbedingungen sind. Die Deutsche Bahn hatte 2013 am Bahnhof Schwäbisch Gmünd ein Projekt: Kofferschleppen von Asylbewerbern für 1,05 € die Stunde.  2013 gerät der amerikanische Spielzeughersteller Mattel in die Kritik. In den asiatischen Zulieferbetrieben würden Arbeitern mit unterschiedlichen Methoden zustehende Löhne und Leistungen gekürzt. Weitere Negativbeispiele sind El Ejito in Spanien (Tomaten) und La Chureca in Nicaragua. 2013 rücken die Missstände beim Stadionbau für die WM im Fußball in den Mittelpunkt (sowohl in Brasilien als auch in Katar; Amnesty International; Wanderarbeiter, ohne Pässe, Hungerlöhne u. a.). Sklaverei soll auch beim Sportstättenbau in Brasilien für die olympischen  Spiele vorkommen. Gerade in der Textilindustrie der Entwicklungs- und Schwellenländer werden immer wieder Missstände bekannt: So etwa das "Sumangali" in Indien ("glückliche Braut"). Junge Frauen der untersten Kaste werden von inseriösen Arbeitsvermittlern für die Textilindustrie angeworben. Sie wollen sich Aussteuer verdienen , um einen Mann zu bekommen. Sie werden dann um die Bezahlung geprellt und vollkommen abhängig gemacht. Anfang 2014 machen Textilarbeiterinnen in Kambodscha einen Streik. Es geht um Lohn und Arbeitsbedingungen. Oft dabei genannt wird das Unternehmen "Kik". Am Beginn 2014 wird auch massive Ausbeutung beim Bau der Sportstätten in Sotschi aufgedeckt. Viele Fremd-Arbeiter aus den zentralasiatischen Republiken und auch Arbeiter aus Russland haben keinen Lohn ausgezahlt bekommen und wurden ausgewiesen. Im Februar 2014 kommt ein EU-Gesetz, das die Einreise und den Aufenthalt von Arbeitskräften aus Drittländern regelt. Ausbeutung und dauerhafte Einreise sollen verhindert werden. Mitte 2014 wird bekannt das auch Hugo Boss Armutslöhne zahlt. Das internationale Netzwerk "Clean Clothes Campaign" deckt dies auf. Betroffen sind Löhne in der Türkei und Kroatien. Die Bundesregierung will im Herbst 2014 ein Textilbündnis in die Wege leiten. Es ist ein Aktionsplan des Entwicklungshilfeministeriums mit Firmen, um ökologische und soziale Mindeststandards in der Produktion in Billiglohnländern zu erreichen. 2014 werden die Missstände auf Rosenplantagen in Kenia bekannt. Der Einsatz von Insektiziden liegt weit über den Grenzwerten und verursacht Krankheiten wie Krebs, Atemwegserkrankungen usw. Eine Studie aus den Niederlanden 2014 hat Menschenrechtsverstöße bei Spinnereien in Südindien aufgedeckt. Viele unter 18-Jährige werden eingesetzt (ohne Arbeitsvertrag, nur Aufenthalt in betriebseigenen Unterkünften). Die Spinnereien sind Zulieferer für H&M und C&A. 2015 wird Kik in Deutschland verklagt. Die Klage geht von den Angehörigen der Opfer aus, die bei einem verheerenden Brand in einer pakistanischen Textilfabrik ums Leben kamen. KiK zahlt 5,15 Mio. Dollar im September 2016 für die Fabrikbrand-Opfer. 2015 rückt in den Mittelpunkt, dass im Kongo beim Abbau wichtiger Rohstoffe Kinder eingesetzt werden. Ebenso werden Kinder eingesetzt beim Abbau von Grabsteinen in Indien und China. Hier versucht man, Zertifikate aufzubauen. In Ghana holen Arbeiter mit bloßen Händen Blei aus alten Autobatterien. Auch deutsche Unternehmen profitieren davon. Das Blei gelangt in den Körper und hemmt Blutbildung und schädigt die Nerven. 2013 legt die Weltbank ein Programm auf, das die Arbeitsbedingungen in asiatischen Schwellenländern verbessern soll. Es funktioniert über die Zulieferer westlicher Markenhersteller. Bis 2016 wurden 700 Zulieferer mit 2 Mrd. $ unterstützt. Vgl. auch Gisela Burckhardt: Todschick, München 2014.

Kinderarbeit: In vielen Teilen der Welt noch an der Tagesordnung (nach Bericht des US-Arbeitsministeriums in 71 Ländern). Die höchsten Anteile gibt es in Indien, Bangladesch und Philippinen. Bei großen ausländischen Firmen war die Bekämpfung durch Marketing erfolgreich, z. B. durch Label. Weitere Bekämpfungsmaßnahmen sind Einfuhrverbote, faire Kredite für Familien, Verbesserung des Bildungssystems. Die ökonomischen Verhältnisse in den Ländern verhindern eine Ächtung.  Sehr verbreitet ist diese Arbeit in Afrika (z. B. in den Minen des Kongo beim Abbau von Tantal, in Ostafrika bei der Arbeit in Goldminen, in Kenia/ Nairobi beim Sammeln von Plastikmüll), in China und Indien  (in der Landwirtschaft, im Haushalt und in Steinbrüchen, vor allem Mädchen, auch für Grabsteine in Deutschland) und in Pakistan (Sportartikel, T-Shirts nähen). In Kasachstan gibt es Kinderarbeit in Zigaretten-Firmen. Laut UN soll mittlerweile jedes zweite hungernde Kind in Indien leben. Millionen indischer Kinder, hauptsächlich Mädchen, arbeiten als Sklaven in Fabriken, Bordellen oder bei Familien (laut Volkszählung arbeiten 12,6 Mio. Kinder in Indien). Häufig hungern auch die Eltern. Wer hungert, der braucht sein Kind als Arbeitskraft . Die Wirtschaftskrise verschlimmert die Situation. Besonders nachteilig ist die Verhinderung des Schulbesuchs (ab 2012 bekommen in Indien alle Kinder das Recht auf einen kostenlosen Grundschulplatz). In Bangladesch arbeiten vielen Mädchen in Nähereien. Einfluss auf die Kinderarbeit haben auch niedrige Erzeugerpreise (z. B. bei Kakao). Das gilt vor allem für brasilianische Kakaoplantagen. Kinderarbeit gibt es auch auf Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste und ganz West-Afrika (Krankheiten durch zu schwere Säcke und Spritzmittel; Ebola verschärft die Situation, weil keine Arbeiter mehr aus Nachbarländern kommen dürfen). Es gibt weltweit ca. 218 Mio. arbeitende Kinder (ILO, Genf). Zu diesem Thema habe ich eine Sonderveranstaltung in Internationale Wirtschaft durchgeführt. Die Kinderarbeit hat eine lange Tradition in Zusammenhang mit den Kindersklaven in der Antike. Schon 500 v. Chr. gab es sie im antiken Griechenland, auch später im Römischen Reich. Die G8 beschließen 2010 in Huntsville/ Kanada rund 4 Mrd. € zur Verfügung zu stellen (Deutschland über 5 Jahre mit 400 Mio. € beteiligt). Als erstes Vorbild einer Kampagne in der Geschichte gilt das Vorgehen von E. D. Morel gegen den Kautschukabbau in der belgischen Kolonie Kongo zwischen 1890 und 1907. Er gründete sein eigenes Magazin und eine Vereinigung (Congo Reform Association). Die Kinderrechtsorganisation "Save the Children" gibt 2012 bekannt, dass 59 Millionen Kinder unterernährt sind. Am besten geht es Kindern in Japan, am schlechtesten in Somalia. 2012 kritisiert die Organisation China Labor Watch, dass systematisch Minderjährige in Fabriken von Samsung in China beschäftigt werden. 2013 fordert das Kinderhilfswerk "Unicef", ein gesetzliches Mindestheiratsalter von 18 Jahren, um Zwangsehen zu verhindern. Nach dem ILO-Bericht über Kinderarbeit 2013 gab es 2012 168 Mio. Kinderarbeiter. Damit ist die Zahl gegenüber früheren Jahren gesunken (bessere Gesetze in den Ländern, Schutz-Label beim Absatz in den Industrieländern). Die meisten Kinder arbeiten in der Landwirtschaft (59%), gefolgt von Dienstleistungen (33%) und Industrie (8%). In vielen Ländern gibt es auch einen florierenden Menschenhandel mit Kindern. Zum Beispiel werden in China immer wieder Banden aufgelöst (lukratives Geschäft bei der Ein-Kind-Politik). Vgl. auch http://www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de . In Deutschland versucht man mit der Kinderarbeitsschutzverordnung und dem Jugendschutzgesetz gegen Kinderarbeit vorzugehen. In Bolivien wird 2014 ein Gesetz beschlossen, dass Kinder ab dem zehnten Lebensjahr legal arbeiten können (bei Garantie der körperlichen und geistigen Gesundheit; 850.000 Kinder arbeiten anstatt zur Schule zu gehen). Kinderarbeit gibt es auch in türkischen Haselnussplantagen (in Hanuta und Duplo drin). 2015 rückt in den Mittelpunkt, dass im Kongo beim Abbau wichtiger Rohstoffe Kinder eingesetzt werden. Besonders hervorzuheben sind die Kobalt - Minen (das Metall braucht man in der Handy-Produktion). Ebenso werden Kinder eingesetzt beim Abbau von Grabsteinen in Indien und China. Hier versucht man, Zertifikate aufzubauen ("Fair Stone"). In der Türkei werden syrische Flüchtlinge zu Dumping-Löhnen in Textilunternehmen eingesetzt. Häufig werden auch Minderjährige beschäftigt. Es gibt keine staatliche Unterstützung für Flüchtlinge und die Kinder dürfen nicht in die Schule. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation gibt es 2016 in Indien 14 Mio. Sklaven in der Arbeit in Indien. Die meisten Sklaven sind Kinder. Das hindert viele Unternehmen an Direktinvestitionen. 2016 kommt ans Tageslicht, dass in türkischen Textilfabriken Flüchtlingskinder schuften (z. B. bei Zara). Viele Kinder (ca. 1 Mio. geschätzt) arbeiten in der Goldförderung (China, Peru, Südafrika, Ghana, Indonesien). Leider werden in der Kakao-Wirtschaft Millionen Kinder eingesetzt (Ghana, Elfenbeinküste). Die großen "Nachhaltigkeitssiegel" messen das nicht. 2017 gerät die deutsche Autoindustrie in Verruf. Sie bezieht Rohstoffe, die mit Kinderarbeit gewonnen werden: Kobaltminen im Kongo. Grafitminen in China. Man müsste für Transparenz in der ganzen Lieferkette sorgen. Nach einer Statistik der UN 2017 müssen in einer Minute 15 Mio. Kinder zwischen 5 und 11 Jahren weltweit arbeiten. Bolivien ist das einzige Land der Welt, in dem Kinderarbeit gesetzlich erlaubt ist. Der Bundesentwicklungsminister Gerd Müller will ab 2019 die Kinderarbeit bekämpfen: Wenn eine Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, soll ab 2020 ein Gesetz kommen. 187 Staaten der ILO ratifizieren im August 2020 eine Konvention gegen Kinderarbeit (152 Mio. Mädchen und Jungen zwischen 5 und 17 Jahren). Explizit verboten wird Prostitution für Kinder, ihr Einsatz in Konflikten und als Sklaven. Im Juni 2021 legen das ILO und das Weltkinderhilfswerk einen neuen Bericht vor: 160 Mio. Kinder arbeiten weltweit. Oft sind es gefährliche Tätigkeiten. Die Zunahme ist besonders stark in Afrika und den arabischen Ländern. Auch in den USA werden Kinder ausgebeutet. Sie schuften in Schlachthöfen, Autofabriken und Wäschereien. Einige Politiker wollen die Schutzbestimmungen sogar noch weiter aushöhlen. Vgl. Buchter, Heike: Amerikas ausgebeutete Kinder, in: Die Zeit 31/ 20 7.23, S. 19.  2014 wird bekannt, dass ein chinesischer Zulieferer von Samsung Kinder beschäftigt (Dongguan Shinyang Electronics). Samsung legt sofort die Lieferverträge auf Eis.2014 bekommt Kailash Satyarthi aus Indien den Friedensnobelpreis. Er ist Menschenrechtsaktivist und gründete 1998 die "Bewegung zur Rettung der Kindheit".  Heute verlangen Kunden in Deutschland und weltweit die Garantie "kinderarbeitsfrei" von fast allen Herstellern. Laut einer Studie des Weltkinderhilfswerks Unicef 2014 sind durch die Finanzkrise mindestens 2,6 Mio. Kinder unterhalb die Armutsgrenze gerutscht. In den reichsten Industrieländern leben 76,5 Mio. Kinder unter der Armutsgrenze. 

Ausbeutung der Arbeit: Das Konzept lautet: Billige Produkte, billige Arbeiter. Als die Pioniere gelten die beiden amerikanischen Handelsriesen Wal-Mart und Amazon. Wal-Mart begann in den Achtzigerjahren Einkäufer nach China zu schicken. Schon vorher hatte man billige Ware aus anderen asiatischen Ländern importiert (Japan, Taiwan, Südkorea). Durch die Größe hatten Wal-Mart und Amazon großen Einfluss auf den US-Arbeitsmarkt. Durch den systematischen Bezug von Billigwaren aus Asien wurden Millionen von Industriearbeitsplätzen in den USA vernichtet. Profitiert haben ärmere Konsumenten. Diese sind aber häufig bei den Handelsriesen beschäftigt. Sie drücken das Lohnniveau und helfen gleichzeitig die Lebenshaltungskosten zu senken. So sieht moderne Ausbeutung heute aus. Zunehmend werden Flüchtlinge ausgebeutet. In Libyen werden 2017 Flüchtlinge als Bauarbeiter und Hausdiener verkauft. Das ist Zwangsarbeit bzw. Sklaverei. Ausgebeutet werden Arbeiterinnen auch in Hongkong. In jedem achten Haushalt arbeitet 2016 eine ausländische Hilfskraft rund um die Uhr für wenig Geld und ohne Rechte (viele Filipinas). 2017 läuft ein Prozess in Brüssel. Dabei zeigt sich, dass Arabische Prinzessinnen Dienstboten wie Leibeigene halten.

Arbeitssicherheit: In Betrieben ist sie eher gegeben. Probleme mit der Arbeitssicherheit gibt es auf Baustellen. Die Bauwirtschaft hat dei meisten meldepflichtigen Arbeitsunfälle vor den bereichen Verkehr und Holz/ Metall. Quelle: Berufsgenossenschaften.

Prostitution: 250.000 Prostituierte arbeiten nach Schätzungen 2023 in Deutschland. Angemeldet sind 23.700. 2003 wurde das Geschäft von der Bundesregierung legalisiert. Die brutale Realität zeigt, dass das wohl ein Fehler war. 41% der befragten Prostituierten haben körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. Nur ein Bruchteil der Frauen arbeitet selbst bestimmt. Vgl. Langhans, Katrin: "Wir werden uns schämen", in: Der Spiegel 26/ 24.6.23, S. 44ff.

Digitalrevolution in Unternehmen: Supercomputer können selbständig lesen (z. B. alle Studien zu einem Thema, was Menschen heute nicht mehr möglich ist). Sie können unvorstellbare Datenmengen bewältigen. Sie können schon selbständig Werbung machen und Jobbewerber aussuchen. Neue Programme übersetzen live und machen damit teure Dolmetscher überflüssig. Werden die Menschen im Unternehmen davon profitieren oder eher ihren Job verlieren? Selbst in Billiglohnländern ersetzen Computer mehr Arbeitsplätze in der Fertigung (z. B. bei Foxconn in China). Die künstliche Intelligenz könnte aber auch zunehmend Arbeitsplätze im gehobenen Bereich kosten. So plädieren Experten (wie Brynjolfson vom MIT) wieder für die Idee des Grundeinkommens. Die Arbeitsmärkte werden sich weiter spalten: Die, in denen "Out-of-the-Box"-Denker und Hochqualifizierte die gut bezahlten Jobs haben, und die, in denen gering qualifizierte Arbeitskräfte unter prekären Bedingungen arbeiten müssen (ohne Aufstiegschancen mit hohem Risiko des Jobverlusts). Eine Studie der Commerzbank 2016 kommt zu dem Ergebnis, dass die Digitalisierung ein Job-Motor ist. 43 Prozent der Mittelständler brauchen mehr Personal.

Aspekte des technologischen Wandels und Arbeit: Vor allem vier technologische Entwicklungen werden die Arbeit und  die Arbeitsanforderungen rapide verändern: 1. Künstliche Intelligenz (KI, Maschinen simulieren intelligentes menschliches Verhalten). 2. Robotik (Roboter ersetzen oder entlasten menschliches Personal; Landwirtschaft, Dienstleistungen, Medizin). 3. Internet der Dinge (Vernetzung von Geräten, die ohne menschliche Steuerung funktionieren). 3-D-Druck (Objekte durch digitale Baupläne). Vgl. Fischer Weltalmanach 2019, S. 12ff.

Digitalisierung der Arbeitswelt (Zukunft der Arbeitswelt): 1. Maschinen können Menschen auch das Denken abnehmen. 2. Arbeitstag muss nicht mehr zwangsläufig im Büro verbracht werden. 3. Es entstehen eine Reihe neuer Berufe (Clickworker, Crowdfunder u. a.). 4. Die Digitalisierung kann die Ausbeutung der Arbeit erhöhen und führt zur Totalüberwachung (auf der anderen Seite ist sie eine Chance für Autonomie). 5. In der Internetwelt wird der Mindestlohn nicht greifen. Es wird nicht nach Zeit, sondern nach Projekten und Produkten gezahlt. Fünf Trends werden die Arbeit von morgen mit prägen: 1. Das Homeoffice (lockere Bürogemeinschaft, "Coworking-Space"). 2. Vertrauensarbeitszeit (selbst Einteilung der Arbeitszeit in einem gewissen Rahmen). 3. Familienarbeitszeit und -Pflegezeit (orientiert an den Lebensphasen der Menschen; z. B. arbeiten beide Elternteile 80%, die Lücke schließt der Staat). 4. Job-Sharing (auf Führungsebene "Top-Sharing" mit Plattform, z. B. tandemploy.de ). 5. Flexible Übergänge in die Rente ("Flexi-Rente"). Die Weltbank hat eine Studie über den Zusammenhang zwischen Digitalisierung der Wirtschaft und Arbeit weltweit 2016 machen lassen: Der Anteil der Jobs, die durch Digitalisierung und Automatisierung gefährdet sind beträgt in %: Äthiopien 85, China 77, Thailand 72, Indien 69, Argentinien und Nigeria 65, OECD-Durchschnitt 57, USA 47, Großbritannien 35. Am besten gewappnet sind die Länder, die auf Complex Problem Solving, Critical Thinking und Creativity setzen (Quelle: Weltbank: World Development Report 2016).

Veränderung der Arbeitswelt durch Digitalisierung: 1. Backoffice: Durch direkte Erfassung und Verarbeitung von Daten verschwinden traditionelle Bürotätigkeiten. 2. Deep Learning: Systeme sind mit Datenbanken verknüpft und erkennen Muster. Dies kann auch höher qualifizierte Fachkräfte ersetzen. 3. Gig-Economy: Freie Mitarbeiter suchen auf virtuellen Plattforen nach Arbeit, die Unternehmen global ausschreiben. 4. Selbstfahrsysteme (Drohnen) ersetzen Taxi- und LKW-Fahrer, Lageristen, Post- und Paketboten. 5. Robotisierung: 3-D-Drucker ersetzen hoch qualifizierte Handarbeit (Zahntechnik, Wartungs- und Arbeitsroboter in Fertigungsstraßen). In der digitalen Arbeitswelt könnten sich viele Tätigkeitsprofile an der Mensch-Maschineschnittstelle wieder ähneln. Annäherung ersetzt feste Berufsstrukturen. Berufsbilder können sich von Brachengrenzen lösen. Jobwechsel wird so einfacher, die Möglichkeiten beruflicher Mobilität nehmen zu. Die Digitaliiserung führt auch zu neuen Managementkonzepten der Arbeitswelt: Agiles Management, Hierarchiefreies Arbeiten, Permanent Beta, Experimentierräume, Diversity.  In den nächsten fünf Jahren von 2016 an will das Bundesbildungsministerium fünf Milliarden Euro in digitale Bildung investieren. 16 Prozent aller Arbeitsplätze können laut Schätzungen in den nächsten zehn Jahren (ab 2017) ersetzt werden (Quelle: Rise-Konferenz, Hongkong). Eine McKinsey-Studie von Ende 2017 kommt zu folgendem Ergebnis: Bis 2013 könnte rund ein Viertel der Arbeit in Deutschland durch Roboter erledigt werden. Die Automatisierung habe für Deutschland besonders große Folgen, weil das höhere Lohnniveau besonders große Anreize bilde.

Beschäftigungseffekte der Digitalisierung: Die aktuelle Entwicklungen der digitalen Technik eröffnen große Rationalisierungspotenziale. Ob der Arbeitsplatzverlust tatsächlich eintritt, ist bisher offen. Denn Digitalisierung schafft auch viele neue Arbeitsplätze, insofern ist ein Strukturwandel sicher. die Wirkungen dürften auch entscheidend von den Reaktionen der Beschäftigten abhängen: Es ist ein strukturiertes und zertifiziertes Weiterbildungssystem erforderlich. Sinnvoll ist auch ein Flexicurity-Konzept. Zur Anwendung kommen sollte auch eine integrative regionale Strukturpolitik. Vgl. Kurt Vogler-Ludwig: Beschäftigungseffekte der Digitalisierung - eine Klarstellung, in: Wirtschaftsdienst 2017/12, S. 861ff. Die Beratung PwC legt 2018 eine Studie vor. Sie macht folgende Prognosen: 37% der Arbeitsplätze in Deutschland werden bis Mitte der 2030er-Jahre mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Maschinen ersetzt. Kurzfristig werden aufgaben in Finanz- und Versicherungsunternehmen automatisiert, langfristig trifft es die Transportbranche, die Industrie und den Bau. Mehrere neue Studien schüren Zweifel, ob die Digitalisierung tatsächlich so viele Jobs vernichtet: Institut der deutschen Wirtschaft (IW), 2018. Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie, 2018.  Im April 2018 legen das IAB der BA und das BIBB eine gemeinsame Studie zu der Folgen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt vor: Fazit ist, dass die Jobs kaum weniger, aber anders werden. Regional soll sogar ein Plus an Arbeitsplätzen möglich sein. Vor allem im Bereich Information  und Kommunikation könnte es zu einem deutlichen Stellenaufbau kommen.  Eine Studie des ZEW/ Mannheim 2018 mit dem Thema "Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit" kommt zu folgenden Ergebnissen: Die jüngsten Investitionen in vernetzte Produktionstechnologien haben zwischen den Jahren 2011 und 2016 etwa 1 Prozent zusätzliche Beschäftigung geschaffen. Die Ungleichheit steigt. In erster Linie profitieren Hochlohn-Berufe. Bis 2030 wird jeder vierte Job in Deutschland durch die Digitalisierung wegfallen (24%; Quelle: Korn Ferry 2019; andere Prognosen sind optimistischer). Eine Studie der OECD 2019 kommt zu folgenden Ergebnissen: Ab 2019 ist weltweit durch die Digitalisierung jeder siebte Arbeitsplatz bedroht. In Deutschland sind 18,4% aller Arbeitsplätze in Gefahr. Den geringsten Anteil bedrohter Jobs hat Norwegen mit 5,7%. Den höchsten Anteil hat die Slowakei mit 33,6%.

Smarte Belegschaft: Die Arbeitswelt verändert sich auf jeden Fall durch Digitalisierung. KI kann Jobs schaffen. Die Technik in Büros wird anders werden, vor allem einfacher. Business-Apps werden kommen. So wird es WhatsApp fürs Büro geben. Die IT - Anforderungen werden sicher steigen. Umlernen wird ständig nötig sein. Die Security nimmt an Bedeutung zu. Es gibt mehr Flexibilität. Es wird den Digital Workplace geben.

E-Mobilität und Arbeitskräfte: Die Autobauer brauchen anderes Personal. Insgesamt könnten bis zu 350.000 Arbeitsplätze wegfallen. Quelle: Birgit Henschel-Neumann: Elektromobilität und die möglichen Auswirkungen auf den Personalbestand der deutschen Automobilindustrie, El-Net, 2018. Eine Studie der Fraunhofer Gesellschaft von 2018 kommt zu dem Ergebnis, dass bis 2030 110.000 Stellen in der Automobilindustrie durch E-Autos verloren gehen können.

Mehr Freizeit oder Scheitern einer Gesellschaft, die auf Arbeit basiert (Prognose): 1. Roboter werden  Menschen unterstützen aber auch ersetzen. Umstritten ist, wie viele Menschen ihre Arbeit verlieren. Marx sah ein vollständiges Ersetzen der menschlichen Arbeitskraft voraus (Maschinenfragment). 2. Kann die Gesellschaft, die heute noch auf Arbeit basiert, anders organisiert werden? Werden Internetgiganten aus den USA wie Google, Facebook und Amazon zusammen mit den chinesischen Giganten einen Großteil der Arbeitsplätze auf sich ziehen? 3. Wird die mehr zur freien Verfügung stehende Zeit die Lebensqualität verbessern? Wird sie wirklich mit Gemeinsinn ausgefüllt? 4. Welcher neue Gesellschaftsvertrag kann geschlossen werden? Vgl.  Was machen wir morgen? in: Die Zeit Nr. 18, 26.04.2018, S. 25ff.

Arbeit und Muße: So heißt ein neues Buch von Birger P. Pridat von der Uni Witten/ Herdecke (2020). Er fragt, ob sich die große Epoche der Arbeit in Europa dem Ende zuneigt. Geht uns die Arbeit aus? Mit Luther beginnt die Aufwertung der Arbeit, mit Paul Lafargue (Schwiegersohn von Karl Marx) beginnt das "Recht auf Faulheit". Bürger werden die freie Entscheidung über ihr Leben und ihre Zeitverschwendung bekommen (Diskussion über Grundeinkommen). Pridat beantwortet aber nicht wichtige Fragen: Können wir ohne Arbeit leben? Wird die freie Zeit für soziale und kreative Projekte genutzt? Was machen wir konkret den ganzen Tag?

Arbeitsplätze mit hohem Automatisierungspotential nach ausgewählten Staaten (in Mio.): China 395,3, Indien 235,1, USA 60,6, Japan 35,6, Russland 35,4, Deutschland 20,5, Großbritannien 11,9, Italien 11,8, Frankreich 9,7, Spanien 8,7. (Quelle: McKinsey). Am stärksten bedroht sind dabei folgende Arbeitsplätze: Körperliche Arbeit/ Führen von Maschinen (81%); Datenverarbeitung (69%); Datenerhebung (64%).

Qualifikationsentwicklung (bzw. Gestaltungsoptionen) bei Arbeit 4.0: Verschiedene Szenarien werden diskutiert: 1. "Upgrading" von Arbeit. 2. Polarisierung von Arbeit. 3. Flexibilisierung und Entgrenzung von Arbeit. Gestaltungsoptionen bestehen an den Schnittstellen "Mensch-Technik" Komplementarität, Kontextsensitivität) und "Mensch-Organisation" (Ganzheitlichkeit, Dynamik von Tätigkeiten). Vgl. Hartmut Hirsch-Kreinsen: Arbeit 4.0 - Qualifikationsentwicklung und Gestaltungsoptionen, in: Wirtschaftsdienst 2017/7, S. 473.

Künstliche Intelligenz und Faktor Arbeit: Aus Unternehmensperspektive verläuft der Wandel der Arbeitswelt durch künstliche Intelligenz weitaus langsamer und weniger disruptiv (im Gegensatz zu wissenschaftlichen Studien, die an schlechter Datenqualität und fragwürdiger Methodik leiden). Der Einfluss der künstlichen Intelligenz läuft über drei Kanäle: 1. Ersatz menschlicher Arbeit. 2. Effizienzsteigerung durch intelligente Zuarbeit. 3. Neue Aufgaben für Unternehmen und Arbeitnehmer durch neue Geschäftsmodelle. Künstliche Intelligenz besteht aus folgenden Kognitiven Technologien: 1. Mustererkennung (pattern recognition; Algorithmen). Maschinelles Lernen (machine learning; Computerprogramme verbessern sich selbst). Unternehmen verfolgen drei Schritte: 1. Tätigkeitsprofile erfassen. 2. Tätigkeitsprofile auf Ersetzbarkeit untersuchen. 3. Zeitpfade bestimmen. Vgl. Heinen, N./ Heuer, A./ Schautschick, P: Künstliche Intelligenz und der Faktor Arbeit, in: Wirtschaftsdienst 2017/10, S. 714ff.

Berufliche Herausforderungen durch KI: Trotz Automatisierung, Robotik und Algorithmen wird der Mensch die Arbeitswelt beherrschen. Trotzdem werden Berufsbilder verschwinden und neue entstehen. Die typisch menschlichen Tätigkeiten werden Kontroll-, Entwicklungs- und Steuerungsarbeiten sein. Hinzu kommen kommunikative und interaktive Tätigkeiten. Psychosoziale Kompetenzen werden noch wichtiger. Es braucht eine Kombination von Hightech und Menschlichkeit. Vgl. Marion Weissenberger-Eibl: Welche Berufe werden wir ausüben? in: digital pioneers 1/2019, S. 44f. Auch die Menschen werden sich bilden müssen, die man auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr braucht. Sie müssen aufpassen, nicht zu verblöden. Insofern wird das Bildungssystem dafür sorgen müssen, dass wir Menschen bleiben und nicht "Konsumparasiten". Millionen Menschen könnten aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden und es könnte eine Klasse von scheinbar Nutzlosen entstehen.

Künstliche Intelligenz und Arbeitsmarkt: Die KI könnte sich sehr positiv auf den globalen Jobmarkt auswirken. Bis 2020 werden weltweit 1,8 Mio. Arbeitsplätze verloren gehen. Gleichzeitig entstehen aber 2,3 Mio. neue, vor allem in Bildung, Gesundheitswesen, und im öffentlichen Dienst. Siehe Poltevin, Helen et al.: Predicts 2019: AI and the Future of Work, Gartner, Dezember 2018.

Plattform - Kapitalismus und Arbeitsmarkt: Dies ist eine weitere Bezeichnung für die Sharing Economy oder die digitale Ökonomie. Hier geht es speziell um Online-Plattformen. Sie ändern rapide den Büroalltag. Einerseits schaffen sie große Freiheiten, andererseits führen sie zu neuen Abhängigkeiten. Sie revolutionieren Märkte wie z. B. den Wohnungsmarkt (Airbnb) oder Taximarkt (Uber). Sie bringen auf dem Arbeitsmarkt direkt Arbeitnehmer und Auftraggeber zusammen (Upwork in den USA, Freelancer in Australien). Arbeitnehmer werden so von angestellten zu Freiberuflern. Wer via Plattform arbeitet konkurriert mit Millionen anderer Anbieter. Das dereguliert radikal den Arbeitsmarkt. Scheinbar hohe Stundenlöne relativieren sich dadurch, dass man sich selbst für Alle versichern muss und oft noch die Ausrüstung stellt. Die Ratings geben den Plattformen noch mehr Macht. Vgl. O. V. : Immer auf Abruf, in: Wirtschaftswoche 29.7.16, S. 87ff.

Industrie 4.0 und Arbeit 4.0 (Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt): Zukunft der Arbeit in der Produktion. Der technologische Wandel verändert die Industrie (Industrie 4.0). Neue Software-Lösungen und vernetzte Fertigungsmaschinen lassen den Automatisierungsgrad steigen. Die Verbindung von Privatleben und Arbeit muss anders organisiert werden. Wie viel Raum wird in Zukunft für Freizeit da sein? Das soziale Leben wird sich verändern. Die Industrie 4.0 wird massive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben:  Die Arbeitsnachfrage wird sich verändern (mehr höherwertige Jobs, Zunahme planerischer Tätigkeiten, mehr Interaktionstätigkeiten, die nicht rationalisierbar sind). Die akademischen Bereiche werden also gewinnen, Verluste treten im mittleren Qualifikationsbereich auf. Die interne Flexibilität wird ansteigen, auch in Unternehmen (lebensbegleitend). Es wird auch eine Dynamik der regionalen Entwicklung geben ("smart regions", z. B. Erlangen, Jena). Die Löhne werden sich weiter spreizen (schon seit Mitte der Neunziger Jahre zu beobachten). Die Verlagerbarkeit der Jobs ist wichtig (hoch bei manuellen Tätigkeiten und bei Routinetätigkeiten). Eine zunehmende Wertschöpfung scheint mit Industrie 4.0 verbunden zu sein. Insgesamt ist sie aber weder eine Job-Maschine noch ein Job-Vernichter. Nach einer Studie des Weltwirtschaftsforums (WEF) 2016 könnten bis 2020 fünf Millionen Arbeitsplätze in den wichtigsten Industrieländern durch die Industrie 4.0 vernichtet werden (7 Mio. alte Arbeitsplätze fallen weg; 2 Mio. neue werden geschaffen). "Die digitale Wirtschaft hat Potential - aber nur, wenn sie angemessen gesteuert wird. Sonst wirken sich diese Dienste verheerend auf die Mittelschicht aus", Steven Hill, American Academy, Berlin (Handelsblatt, 26.27.28. Februar 2016, Nr. 40, S. 72). Sehr einflussreich ist folgende Studie: Carl Benedikt Frey/ Michael Osborne, Oxford: The Future of Employment (Ursprünglich und heute noch im Internet). Danach sollen etwa die Hälft der Arbeitsplätze von 2013 bis 2030 wegfallen. Die Studie umfasst 72 Seiten und wurde als Thesenpapier veröffentlicht. Es wird eine Liste von 702 Berufen in den USA aufgestellt. Dann wird gesagt, welche Berufe gefährdet sind. Die Methode ist "eyeballing" (Pi mal Daumen). Diese Studie hat sich verselbständigt, weil ein Mangel an Alternativen vorliegt. Vgl. Wetzel, Detlef: Arbeit 4.0. Was Beschäftigte und Unternehmen verändern müssen, Herder 2015.

Industrie 4.0 und Jobwandel: Die Industrie 4.0 schichtet die Arbeitsplätze um. Am ehesten sind Routinearbeiten gefährdet. Andererseits können die Lohnkosten sinken (pro Stunde um 25 bis 30 %). Die Einsparungen kann die Wettbewerbsfähigkeit und die Höherqualifizierung fördern. Die Ergonomie am Arbeitsplatz kann verbessert werden. Das ermöglicht die Reintegration erfahrener und funktionsgeminderter Mitarbeiter. Die Krankheitstage können reduziert werden. Mut, Kreativität und Fleiß sind digital nicht zu ersetzen. Der Handlungsspielraum kann steigen. Die Transparenz und Effizienz steigen und geben neue Chancen. Es entstehen auch neue Berufsbilder. so benötigt die digitale Wirtschaft eine neue Art von Architekt, Digital Design.  Im Grunde ist der Wahlsieg von Trump in den USA zum Teil der Automatisierung in den US-Fabriken geschuldet. Sogar in den USA gab es den Hemmschuh Mobilität. Es gibt Gewinner und Verlierer der Automatisierung. Die Verlierer können sich das Wohnen in prosperierenden Regionen nicht mehr leisten. Mittlerweile leben Ober- und Unterschicht in verschiedenen Städten (kognitive Segregation). Die Technologiestädte erleben einen Aufwind. Die Städte der traditionellen Industrien ("Rust-Belt") leiden unter Nichtbeschäftigung, Verbrechen und früherer Sterblichkeit. Der Wert der Männer dort auf dem Heiratsmarkt sank. Immer mehr Frauen heiraten nicht oder suchen reichere Männer.

New Work: Volatilität, Komplexität, Vernetzung, Flexibilität, Unsicherheit, Ambiguität und Dynamik als zentrale Merkmale der modernen Arbeitsgesellschaft ("der Job organisiert uns"). Vgl. Markus Väth: Arbeit. Die schönste Nebensache der Welt, Offenbach 2016. New Work soll uns vor Depression, Burn-out und anderen Psycholeiden bewahren. New Work bedeutet nach einem Konzept des US-Philosophen Frithjof Bergmann Kritik am Lohnarbeitssystem, Selbstversorgung (high-tech self-providing) und arbeitsbezogene Berufung (Calling). Zum Gelingen von New Work sollen folgende Elemente beitragen: Life-Blending (den eigenen Bedürfnissen folgen), systemrelevante Kompetenzen (Methoden- und Handlungskompetenz neben personalen Kompetenzen wie Fach-, Selbst- und Sozialkompetenz), Akzeptanz in der Organisation (Vertrauen), die Qualität der Arbeit für den Menschen verbessern. Eine wichtige Rolle spielt die Arbeitszeit. Sie soll sich mehr an den Lebensphasen der Menschen orientieren. Vgl. auch: Brandes-Visbeck, C./ Thielecke, S: Fit für New Work: Wie man in der neuen Arbeitswelt erfolgreich besteht, Redline Verlag, Oktober 2018. Es gibt auch eine New-Work-Charta. Danach sollen sich im Alltag fünf Prinzipien spiegeln: Freiheit, Selbstverantwortung, Sinn, Entwicklung und soziale Verantwortung. Sie gehen auf den Philosophen Frithjof Bergmann zurück.

New Work und Freelancer: Wir leben immer mehr in einer Outsourcing-Gesellschaft. Dies bietet sich etwa in der Buchhaltung, bei Texterstellung und Design an. Mittlerweise gibt es eine Absicherungsmöglichkeit über Factoring.

New Work SE: Name eines Hamburger Unternehmens. Es besteht aus zehn Marken. Dazu gehören zum Beispiel Xing und Kununu, Die Zukunft der Arbeit soll im Sinne des Menschen gestaltet werden (eigene Angabe).

Messung und Wirkung von New Work: Die Messung kann über Fragen auf vier Ebenen erfolgen: Bedeutsamkeit, Kompetenz, Selbstbestimmung, Einfluss. Die Wirkung hängt von Maßnahmen, den Persönlichkeitsfaktoren, Kontextfaktoren ab. Vgl. Schermuly, Cardten C.: Wann New Work funktioniert, in: HBM Dezember 2020, s. 22ff.

Next Work: Zukunft der Arbeit in der digitalen Revolution. Arbeit sollte neu gedacht werden. Es handelt sich um eine gesellschaftspolitische Augabe.

Eco-Working: Die menschliche Zivilisation hat mittels Technologie jede Form von Naturzwang beseitigt. Nahrung, Wasser, Strom, Licht sind jederzeit verfügbar. Der Mensch ist aber mit der endlichen Logik der Natur verbunden. Diese beiden Welten müssen versöhnt werden. Das steckt hinter der Idee des Eco-Working. Co-Working, digitale Nomaden u. a. gehen in die Richtung. Vgl. Melanie Petersen: Arbeiten unter Ameisen, in: t3n, digital pioneers, 1/2019, S. 64ff.

Brain Engineering: Man spricht auch von fünfter industrieller Revolution. Computer können auch Gefühle und Empfindungen einprogrammiert werden. Damit sind sie in der Lage, die Steuerung der Menschheit zu übernehmen.

Arbeit auf Abruf: Die Beschäftigten werden "Flexkräfte" genannt. Ihnen wird eine Mindeststundenzahl pro Woche zugesichert (Rahmenarbeitsvertrag). Oft zahlreiche Einzelarbeitsverträge geschlossen. Nach oben ist je nach Bedarf keine Grenze gesetzt. Die Stunden werden von den Unternehmen bezahlt. Konzerne wie H&M und die Post nutzen dieses Modell. Nach Schätzungen (Quelle: DIW, Berlin) sind 1,5 Mio. Menschen in Deutschland betroffen.

Mobiles Arbeiten: Mobiles Arbeiten ist eng mit Flexibilität verbunden. Es geht auch nur über die modernen Kommunikationsmittel mit gestiegenen Arbeitsanforderungen und führt zu einer größeren Verdichtung der Arbeit. Es erfordert Selbstorganisation und Leistungsbewusstsein. Angestellte, die gelegentlich von zu Hause arbeiten, haben eine längere Wochenarbeitszeit als Angestellte, die dies nie tun (43,5 Stunden gegenüber 39,4). Die Frage ist, ob die Regeln für diese Arbeitsform verstärkt werden müssen, damit nicht ein immer größerer Teil der Freizeit verloren geht. Das Arbeitsministerium prüft im Herbst 2019, einen gesetzlichen Anspruch darauf einzurichten.

Heimarbeit (Homeoffice): 2019 will das Bundesarbeitsministerium ein Recht auf Heimarbeit schaffen. Die Niederlande haben ein solches Gesetz. Continental erlaubt den Mitarbeitern die Entscheidung.  Das Recht auf Homeoffice ist in Deutschland heftig umstritten. Bundeswirtschaftsminister Altmaier lehnt die Pläne ab. Auch der Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer ist dagegen. Heil strebt einen Rechtsanspruch auf mindestens 24 Tage Homeoffice im Jahr für Arbeitnehmer an. Das Gesetz ist im Entwurf ferig und soll "Mobile - Arbeit - Gesetz" heißen. Die Erfahrungen in der Corona-Zeit sind eingeflossen. CDU und Merkel sind gegen das Gesetz, so dass es höchstwahrscheinlich in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommt. Das Gesetz hat in der Tat große Schwächen: nicht überall anwendbar, besser freiwillig durch die Firmen, Bedarf individuell, Bezahlung der Infrastruktur. Arbeitsminister Heil knickt im November 2020 ein: Er rückt vom Rechtsanspruch ab. Er wird zum Erörterungsanspruch. 2022 scheitert wieder der Rechtsanspruch. Das Angebot ist nicht verpflichtend. Bei der Frage, ob das Homeoffice auf dem Rückzug ist, scheiden sich empirische Studien. Ein IIfo-Studie 2024 widerlegt den Trend zum Rückzug.

Pendler: Im Mikrozensus 2020 erfasste das Statistische Bundesamt die Pendler. Es wurde erfragt, wie lange Berufstätige brauchen, um zur Arbeit zu kommen. 50% brauchen 10 bis 30 Minuten. 22,1% 30 bis unter 60 Minuten. 21,1% unter 10 Minuten. 4,9% benötigen 60 Min. und mehr. 1,95 haben eine wechselnde Arbeitsstätte. Weit über eine Arbeitswoche im Jahr verbringen Pendler in einigen deutschen Großstädten im Stau. Dei Staus kosten Pendler Milliarden. Dazu kommen noch die Spritkosten.

Jobhopping: Die Lust auf Jobhopping ist in  Deutschland begrenzt. Dei Betriebstreue der Beschäftigten ist hoch. 31% sind von 10 bis 19 Jahre im Betrieb. 22% sind schon über 20 Jahre im Unternehmen. Vgl. WiWo 25/ 14.6.24, S. 39.

Intrapreneurship: "Arbeitskraftunternehmer", "Binnenunternehmertum". Aus den englischen Begriffen "intracorporate" und entrepreneurship". Unternehmerisches Verhalten von Mitarbeitern im Unternehmen. Der Begriff soll 1978 von Pinchot Gifford III geprägt worden sein. Er umfasst Verantwortungsbewusstsein, Selbständigkeit, unternehmerisches Handeln im Unternehmen. Folgen sind flachere Hierarchien und besondere Anreizsysteme.

Grenzmanagement: Selbststeuerung: Abstimmungsprozess zwischen Freiheiten und Selbstausbeutung.

Work-Life-Blending: Hochflexible Joblösungen erlauben ein Arbeiten ohne Büro. Angestellte werden zunehmend zu Mini - Entrepreneuren. Die Autonomie ist aber oft eine Selbsttäuschung und gerät zur Mogelpackung mit Selbstausbeutung. Ständige Grundanspannung verhindert einen Erholungseffekt. Als neue Arbeitsformen hierzu gehören unter anderen: Fluide Teams, virtuelle Teams, individualisierte Arbeit, Desksharing, Homeoffice, flexible Arbeitszeiten. Die Mitarbeiter werden an der langen Leine geführt ("indirekte Steuerung").

Clickworking (Crowdworking): Internetnutzer übernehmen freiberuflich bestimmte Arbeiten für Unternehmen (Freelancer). Die Arbeitskräfte werden "on demand" zusammengestellt. Beachtliche Dynamik in den USA. Vor allem im Zusammenhang mit den Betreibern von Plattformen. Für die Arbeitnehmer gelten keine Mindestlöhne und keine sozialen Standards. Da Kapital hoch mobil ist, muss es dafür internationale Lösungen geben. Unternehmen vergeben Aufgaben und Projekte über Onlineplattformen an Externe. Was früher Festangesellte oder Freiberufler erledigten, übernimmt die "Crowd", auf die Unternehmen mittels digitaler Plattformen zugreifen können. Insgesamt spricht man auch von "gig economy". Arbeit besteht aus vielen kurzen Einsätzen. Die Folgen für die Sozialsysteme dürften dramatisch sein. Sie beruhen nämlich auf einem stabilen Verhältnis von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Dieses Verhältnis wird infrage gestellt. Der Sozialstaat ist für diese Vielfalt nicht gedacht. 2016 zeigt sich, dass mittlerweile auch Großunternehmen in Deutschland Arbeiten in kleine Projekte zerlegen und an Freie vergeben. Beispiele sind Arbeiten für Schreibkräfte, Produktdesign, Marktforscher, IT-Experten zur Fehlerprüfung in Software, Produkttester, Wirkstoffentwickler (Chemiker, Mediziner). Nimmt dieser Trend zu, muss man sich Sorgen um die Arbeitnehmer machen. Crowdworking ist eine völlig neue Form der Arbeitsorganisation. Die durchführenden Unternehmen verweisen auf Innovation als Begründung (die Kostenersparnis dürfte aber im Vordergrund stehen). Arbeitnehmervertreter sprechen von Ausbeutung. Vgl. als Beispiel die Plattform "Jovoto". Auch folgenden Artikel: Florian Alexander Schmidt: Arbeitsmärkte in der Plattform-Ökonomie, 2016 (Friedrich-Ebert-Stiftung).  Dort wird zwischen Gigwork (ortsgebunden) und Cloudwork (ortunabhängig) unterschieden. Der Auftrag kann jeweils an ein Individuum oder eine Crowd gehen.  Gewerkschaften wollen in Zukunft auch Solo-Selbständige aufnehmen. Im Dezember 2019 fällt das Landesarbeitsgericht München ein Urteil zu so genannten Crowdworker. Sie haben kein klassisches Arbeitsverhältnis zu ihrem Auftraggeber. Es bestehe kein Schutzrecht wie in einem regulären Arbeitsverhältnis. Es bestand keine Pflicht zur Annahme des Auftrags noch eine Verpflichtung des Internetdienstes. Eine Revision beim Bundesarbeitsgericht ist zugelassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung. Die sozialen Sicherungssysteme prägen die Plattformarbeit in Deutschland und den USA. Vgl. Krzywdzinski, Martin/ Gerber, Christina: Unterschiedlich prekär, in: WZB Mitteilungen H. 172, Juni 2021, S. 43ff. In den letzten Jahren ist der Anteil der Unternehmen in Deutschland gesunken, die Crowdworking ablehnen: 2016 und 2018 40%; 2020 nur noch 24%. Vgl. Erdsiek, Daniel: Unternehmen setzen verstärkt auf Crowdworking, in: Wirtschaftsdienst 11/2021, S. 912-914. Clickworker sind auch stark bei der digitalen Drecksarbeit von ChatGPT und anderen Systemen im Einsatz. Ihre Bezahlung ist schlecht und ihr Job psychisch belastend. Sie setzen sich 2023 immer mehr zur Wehr. Vgl. Beuth, Patrick u. a.: Die Gesichter hinter der KI, in: Der spiegel 29/ 15.7.23, S. 58ff.

Crowdsourcing: Teilaufgaben des Unternehmens werden auf Vermittlungsplattformen im Netz ausgelagert. Das Netz bietet Spezialisten für fast alles.

Coworking: In Coworking-Spaces arbeiten Freelancer in der gleichen Umgebung. Sie sollen sich gegenseitig auf Ideen bringen. Mittlerweile gibt es Start-ups für Coworking. Eines davon ist WeWork. Die Coworking-Nachfrage steigt 2018 in Deutschland an. Auch große Unternehmen arbeiten mittlerweile mit Coworking Spaces, so Porsche, Beiersdorf, TUI.

Stillarbeiter: Wissensarbeiter, die sich eher in Einzelbüros oder in einer Mischform mit verschiedenen Raumangeboten wohl fühlen.

Digitale Nomaden: Generation von Selbständigen, die ortunabhängige Arbeiten überall auf der Welt durchführen. Sie sind hypermobil und globalisiert. Sie haben keine Bindung zu einem geographischen Gebiet (keine nationale Loyalität oder Identität). Langfristig könnten 5 bis 10 Prozent der Menschen auf diese Art und Weise ihren Lebensunterhalt verdienen. Von einem Randphänomen hat sich dies zu einem Trend entwickelt. Die Berufswelt könnte sich nachhaltig verändern. Die Tätigkeiten reichen von Online-Marketing, Software-Entwicklung und -Betreuung bis zum Bloggen.  Der Vorteil der Arbeit ist die gewonnene Freiheit (auch für die Familie) und die größere Selbstbestimmung. Das Problem sind die Kosten. Vgl. Patrick Dixon: The Future of Almost Everything. 2023 entdecken die digitalen Nomaden Mexiko-Stadt. Zum Leidwesen der Einwohner. Die Mieten steigen unaufhörlich. Die Einheimischen werden verdrängt.

Ortsungebundenes Arbeiten: In der digitalen Welt steigt die Zahl der digital-mobil arbeitenden Menschen rapide an. 2016 liegt der Anteil in Schweden schon bei 32%, in Deutschland bei 12%, in Italien bei 5% (Quelle: ILO).

Einzelunternehmer: Immer mehr Beschäftigte werden zu Einzelunternehmern. Das verändert Arbeitsmarkt und Firmenstrukturen (On-Demand-Economy). Man spricht auch vom Uber - Geschäftsmodell. Aber nicht alle Arbeitnehmer müssen digitale Tagelöhner werden. Nach einer Studie von Bertelsmann und Kantar 2019 ist der durchschnittliche Plattformarbeiter kein Fall für die Fürsorge. 70% haben Abitur, jeder zweite ist Hochschulabsolvent, 31% haben ein Nettoeinkommen über 3000 €. 

Open Space: Offene, große Büros. Sie sollen Kreativität und Kommunikation fördern. Früher sprach man von Großraumbüros. sie waren Teil der US-Unternehmenskultur (z. B. auch IBM in Deutschland).

Desksharing: Keine festen Arbeitsplätze mehr. Weniger Schreibtischplätze als Mitarbeiter. Je nach Bedarf werden die Plätze genutzt.

Büroformen: Einzelbüros 33%), Kombibüro (Einzelbüro mit Glastür, Multifunktionszone, 9%), Gruppenbüro (17%, Zweipersonenbüro (16%), Mehrpersonenbüro (3 bis 5 Personen, 14%), Großraumbüro (ab 21 Personen, 6%), flexibles Arbeitskonzept (4%). Quelle: Fraunhofer-Institut IAO, Online-Umfrage 2017, 7545 Befragte.

"Arbeit ohne Grenzen": 1. Veränderte Kommunikationsgewohnheiten durch Smartphone und Notebook, aber auch neue Produktions- und Dienstleistungsrhythmen, führen zu einer Entgrenzung der Arbeitszeit. Verbindliche Arbeitszeitgrenzen weichen auf, Kontrolle und Selbstkontrolle werden schwieriger. 2. Die Globalisierung und Internationalisierung der Wirtschaft  erfordern eine mobilere Arbeit. Für den Einzelnen verlieren nationale Grenzen an Bedeutung. Beide Phänomene verändern die Arbeit. Sie lassen auch die Personalführung und Unternehmenskultur nicht unbeeinflusst.

Downshifting: Abkehr vom Gewinn- und Konsumstreben. Flucht aus einem beruflichen Alltag mit Stress, Hektik und Geld verdienen. Zuwendung zu einem bescheideneren, einfacheren Leben. Spanne zwischen Komplettausstieg und kritischem Normalverbraucher. "Die Freiheit fängt da an, wo die Arbeit aufhört", Karl Marx.

IT - Jobs mit Zukunft: Blockchain-Architect (Programmierung von Blockchain bzw. Distributed Ledger-Anwendungen). Chief Digital Officer (CDO): Seine Aufgabe besteht darin, analoge Prozesse ins digitale zu transformieren.  Er soll Innovationen hervorbringen und das Geschäftsmodell des Unternehmens für die Digitalisierung umbauen. Er muss sowohl technisches als auch kaufmännisches Verständnis haben. Chief Distribution Manager (ähnliche Aufgaben wie CDO, Disruption umsetzen). Data Scientist (Entscheidungen aufgrund von Datenanalysen). Data Strategist (Big Data, Verwaltung: Server, Cloud u. a.). Mobile Developer (mobile Betriebssysteme). Security Manager (Verleiden von Datenlecks). Social Media Manager (Geld für Surfen im Netz). 

Echtzeit: Die permanente Verfügbarkeit von Informationen und Nachrichten im Netz und die ständige und gleichzeitige Kommunikation.

Lockerung der Arbeitszeit (Flexibilisierung): Starre Strukturen und Hierarchien weichen im Zuge der Digitalisierung auf. Damit verbunden soll die Arbeitszeit vom Bundesarbeitsministerium gelockert werden. Es soll zunächst mehr Flexibilität erlaubt werden. Es sollen auch größere Anstrengungen bei der Qualifizierung und Weiterbildung unternommen werden. Die Gewerkschaft IG Metall will eine zeitweilige Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden erreichen.

Moderne "Sklaverei" und Ausbeutung in der Share Economy (Motto: Teile und Leide): Angebot von - haushaltsnahen - Dienstleistungen (Hilfe beim Lohnsteuerjahresausgleich, Vermittlung von Reinigungskräften, Vermittlung von Wohnungen; z. B. Helpling). Es kommt zu einem Kontrakt zwischen Plattformunternehmen (im Internet) und Mikrounternehmer.  Gegenwärtig sind diese Kontrakte kaum reguliert. Der Mikrounternehmer muss ein Gewerbe anmelden, sich selbst versichern (einschließlich Haftpflicht) und oft kostenlos Probearbeiten. Dadurch kann der Mindestlohn unterlaufen werden. Nach Abzug seiner Kosten bleibt dem Mikrounternehmer kaum was.  Der Plattformunternehmer versucht, immer mehr Mikrounternehmer zu gewinnen und dreht dann an der Provisionsschraube. Gelockt wird mit der freien Zeiteinteilung. Die Plattformunternehmer arbeiten zum Teil mit Kunstwährungen (z. B. Ricks). Verantwortung wird in der Regel vom Plattformunternehmer abgelehnt und auf den Mikrounternehmer geschoben. Die großen Plattformen wie Uber (Taxivermittlung, in über 50 Ländern, 40 Mrd. $ Firmenwert) und Airbnb (Wohnungsvermittlung) agieren global und versuchen, eine Monopolstellung zu erreichen. Es fehlt weltweit eine Definition der Plattformen und des unlauteren Wettbewerbs. Am 06. Dezember 1865 trat der 13. Verfassungsakt in den USA in Kraft, mit dem die Sklaverei verboten wurde. 1860 lebten in den USA vier Millionen versklavter Menschen. Die befreiten Menschen standen vor dem Nichts. Erst rund 100 Jahre später wurden Gleichheit und Freiheit schrittweise Wirklichkeit. Weltweit leben 46 Mio. Menschen in 167 Ländern in moderner Sklaverei (Walk Free Foundation, Australien).

Arbeit der Lieferboten: Arbeit für Firmen wie Uber, Lieferando und Bolt. Die EU will ab 2024 diese Menschen besser vor Scheinselbständigkeit schützen. Dei digitale Plattformwirtschaft wächst sehr schnell.

Nebentätigkeit als Finanz- und Warenagent: Verlockende Jobangebote hängen oft mit Geldwäsche zusammen. Beliebt ist die Masche, die digitale Währung Bitcoin mit fremdem Geld zu erwerben. Es handelt sich zum Teil um Geld aus gehackten Bankkonten.

Collaboration: Zusammenarbeit zwischen Kollegen und unterschiedlichen Projekten unter Einbeziehung von Kunden und Lieferanten ("Gemeinsam sind wir stark"). Die Peer Collaboration hat die Wissensgesellschaft schon revolutioniert. Elemente sind der asynchrone Mitarbeiter, die Distributed Company, aber auch Disziplin.

Sozialwirtschaft (Non - Profit): Hier werden die Jobs der Zukunft wahrscheinlich angesiedelt sein. Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft werden durch die digitale Revolution durch Analytik und Algorithmen ersetzt werden. Der Staat wird seine Beschäftigung wegen fehlenden Geldes stark rationalisieren müssen.  Es wird Sozialkapital geschaffen. Non-Profit-Krankenhäuser, Non-Profit-Schulen, Pflege der Alten, Sport, Umweltschutz. Die entscheidende Frage ist, wer zahlt wie viel. Es wird eine Mischung zwischen Spenden, Staatsgeld und Gebühren für Dienstleistungen geben.

Kirchen als Arbeitgeber: Die Mitgliedschaft in einer Kirche darf bei Bewerbern nicht pauschal und unbegründet verlangt werden. Auf die Tätigkeit kommt es an. Der EuGH entscheidet im April 2018 grundsätzlich darüber.

Dienstleistungen im Haushalt (haushaltsnahe Dienstleistungen): Diese Dienstleistungen entlasten zunehmend Haushaltsmitglieder. Es geht um Putzen und Aufräumen, Waschen, Bügeln und Nähen, Behördengänge, Lebensmittel und tägliche Bedarfsgüter, Waschen und Anziehen, Haushaltsplanung und -organisation, Kochen. Gut verdienende Deutsche beschäftigen Helfer. Oben ist, wer bestellt. Es ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts" (siehe Der Spiegel, 48/ 2017, S. 54). Es entsteht ein Heer neuer Diener. Die Beschäftigung ist legal, schwer einschätzbar (Nachbarschaftshilfe, Freundschaftsdienste) oder illegal. Vieles läuft über Plattformen. Die Kunden wollen den Service, keine Person. Teil dieser Dienstleistungen ist die globale Migration. Aus den USA kommt der Begriff "Global Care Chain" (Mexikaner, Kubaner u. a.). Entscheidend ist die Ausgestaltung der Jobs.

Unbezahlte Arbeit in Haushalt und Pflege (Caring Economy): Care - Arbeit sollte in die normale Ökonomie übernommen werden. Arbeiten, die das tägliche Überleben sichern. Nahrung kaufen, zubereiten, waschen, sich und andere pflegen. Menschlichkeit sollte nicht aus dem ökonomischen Handeln gestrichen werden. Vgl. Riane Eisler: Die verkannten Grundlagen der Ökonomie, Marburg 2020 (Ursprünglich "The real Wealth of Nations, 2007). 2024 im Februar legt das Statistische Bundesamt eine Studie vor. Im Schnitt verbringen Frauen 44% mehr Zeit mit unbezahlter "Sorge-Arbeit" als Männer. Die Erfassung erfolgt alle zehn Jahre. 

Sorgearbeit: Vor allem Kinderbetreuung. In der Corona-Pandemie tragen Mütter die Hauptlast. Entlastung ist nicht in Sicht. Vgl. Kohlrauch, Bettina: Die große Leerstelle der Pandemie, in: Wirtschaftsdienst 3/2022, S. 157.

Wohlstandsarbeit: Private Dienstleistungen Armer für reiche US-Bürger im Haushalt. Die Nachfrage geht 2019 zurück wegen des Handelsstreites. Die Superreichen sparen..

Kinderarbeit, vgl. Globalökonomik/ Entwicklungsländer, Kinderarbeit . Auch weiter oben.

Freeter: Arbeitsform in Japan. Abgeleitet aus dem englischen Begriff "free" und aus den deutschen Wort "Arbeiter". Es handelte sich ursprünglich um eine Bewegung, die Mitte der Achtzigerjahren entstand. Hintergrund war der Protest gegen die Nachkriegsgeneration, die von harter Arbeit und Fleiß geprägt war. Weil eine Übernachfrage nach Arbeit in der Hochkonjunktur bestand, stiegen Jugendliche bewusst aus, um sich selbst zu verwirklichen und mehr zu vergnügen. Als die Rezession kam, bekamen die Freeter ein schlechtes Image und wurden ungern von Unternehmen eingestellt. Jetzt wurde der ursprünglich freiwillige Nebenjob zum Zwang.

"Taylorismus" von Dienstleistungen: Hierunter werden verschiedene neue Arbeitsformen subsumiert, die im Vorhergehenden noch nicht behandelt werden konnten. Zerlegung der Arbeit in kleine Projekte, Mitarbeiter - Sharing, Gelegenheitsarbeit, Gutscheinsysteme, Portfolioarbeit, Interimsmanagement. Vgl. Eurofound in Dublin 2015. 

Bullshit-Jobs: Der Begriff stammt von dem US-Anthropologen David Graeber. Es handelt sich um Jobs mit großartigen Bezeichnungen, deren Sinn  sich aber kaum noch erschließt. Es geht also um sinnlose Arbeit der Arbeit wegen. Einige Bezeichnungen sind "Data Facility Hierarchical Storage Manager" oder "Human Resources Management Consultant". Diese Jobs werden vielleicht zu einer Notwendigkeit. Ein gutes Beispiel ist auch die seltsame Vermehrung der Juristen. Komplexere Rechtsfälle steigern den Bedarf an spezialisierten Juristen (jährliche Zuwachsrate von 1990 auf 2018 4,6%). Vgl. Mathias Binswanger: Arbeit ohne Sinn, in: Die Zeit, Nr. 46, 8. November 2018, S. 31. Ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt Menschen mit sinnvollen Jobs mehr Verhandlungskapital und kann Menschen von sinnlosen Dingen abhalten.

Saisonkräfte (Saisonarbeiter): Sie werden hauptsächlich in der Landwirtschaft eingesetzt. Es gibt auch viele Saisonarbeiter in der Bauindustrie und im Schlachtgewerbe. Sie dienen in der Landwirtschaft  meist als Erntehelfer (Weinbau, Spargel, Obst, Gemüse). In Deutschland kommen sie meist aus Ost-Europa. In der Corona-Krise gibt es bei den Kräften Masseninfektionen. Deshalb geraten die Wohn- und Arbeitsbedingungen in den Mittelpunkt. Sie wohnen oft in Gemeinschaftsunterkünften auf engstem Raum. In Schlachthöfen kommen die Klimaanlagen hinzu, die die Viren verbreiten. Bundesarbeitsminister Heil will Mindeststandards einführen. Die Saisonkräfte werden vielfach ausgenutzt. Vor allem Osteuropäer leisten in der Landwirtschaft harte Arbeit ohne entsprechende Sozialleistungen.

Erntehelfer in Südeuropa: Sie helfen bei der Ernte von Orangen, Erdbeeren oder Tomaten. Dei Arbeitsbedingungen sind oft miserabel. Sie verdienen etwa 40 € am tag. Sie kommen meist aus Afrika und werden in Italien und Spanien eingesetzt. Sie arbeiten in der Regel ohne Vertrag und bauen sich ihre Unterkunft selbst. Deutschland kann sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen. Dei Einkäufer deutscher Supermärkte drücken die Preise. Vgl. Die Zeit 13.6.24, S. 18.

Generationen: Generation Y: Dazu zählen die nach 1980 geborenen Beschäftigten. Sie sind mit dem schnellen Wandel groß geworden und wollen nicht nur für die Arbeit leben. Sie suchen Sinn, Spaß und Zeit für Familie und Freunde. Sie könnten die Arbeitswelt verändern und neue Formen der Arbeit durchsetzen, weil sie als Erwerbstätige knapp sind. Vgl. Kerstin Bund: Glück schlägt Geld, 2014/ Murmann Verlag. Eine interessante Frage ist, ob die Generation y nur national oder auch ein globales Phänomen ist. Wahrscheinlich kommt sie schichtenspezifisch in allen Industriestaaten vor.  Generation Z: Die nächste Generation wird oft als Z bezeichnet (nach 1995 geboren). Sie bildet sich vorwiegend selbst, sie hat keine Vorbilder, sie hat andere Werte. Sie ist in sozialen Netzwerken zuhause und bevorzugt die digitale Kommunikation (sie sind als Kinder mit Computer und Internet aufgewachsen). Sie legt Wert auf die strikte Trennung zwischen Beruf und Privatem. Gegenüber dem Unternehmen gilt das Motto "Don´t manage me unterstand me". Die Wünsche dieser Generation sind aufgrund der Arbeitsmarktsituation auch einforderbar. Entsprechende Wertemuster finden sich auch bei Älteren. Mittlerweile werden auch andere Bezeichnungen kreiert (in GB Katnis Everdeen - Generation K; Werbebranche spricht von iGeneration; auch Selfie - Generation). Sie erwartet nicht viel von der Zukunft. Sie fürchtet sich vor der Berufswelt. Armut und soziale Ungleichheit sind der Normalzustand. Ängstlichkeit prägt. 2020 wird der Begriff "Generation Corona" geprägt. Dazu rechnen die 20- bis 30-Jährigen. Ihnen lagen die Unternehmen zu Füßen. - bis Corona kam. Nun sind sie hart getroffen. Jobs und Ausbildungsplätze brechen weg. Man wird Jahrzehnte brauchen, um die Einkommensverluste auszugleichen. "Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten", Sokrates, griechischer Philosoph, vor weit über 2000 Jahren. "Bei der Generation y geht es um Ergebnisse, denn man will das Beste aus seiner Lebenszeit machen, seine Fußspuren hinterlassen", Constanze Buchheim, Personalberaterin i-Potentials. "Kaum eine Generation ist so fokussiert auf sich und so wenig bereit, sich mit anderen Generationen einzulassen wie die Generation Z", Christian Scholz, Uni Saarbrücken.

Generation Z: Nach 1995 (bis 2010) geboren. Die nächste Generation wird oft als Z bezeichnet. Sie bildet sich vorwiegend selbst, sie hat keine Vorbilder, sie hat andere Werte. Sie ist in sozialen Netzwerken zuhause und bevorzugt die digitale Kommunikation (sie sind als Kinder mit Computer und Internet aufgewachsen). Sie legt Wert auf die strikte Trennung zwischen Beruf und Privatem. Gegenüber dem Unternehmen gilt das Motto "Don´t manage me unterstand me". Die Wünsche dieser Generation sind aufgrund der Arbeitsmarktsituation auch einforderbar. Entsprechende Wertemuster finden sich auch bei Älteren. Sie fordern Sabbaticals und hohe Gehälter, verabscheuen Hierarchien, sie fühlen sich an niemanden gebunden. Sie arbeiten sehr stark mit der Plattform TikTok. Der Anteil der 15- bis 24-jährigen beträgt 2021 nur noch 10,1% (1981 16,3%). Diese Gruppe wird noch aktuell strukturell ignoriert, bis diskriminiert. Vgl. Deters, Jannik u. a.: Diese jungen Leute..., in: WiWo 37/ 9.9.22, S. 15ff. Sie sind flexibel und digital affin. Sie sind neugierig und wollen was bewegen. Viele sind für eine Vier-Tage-Woche und wollen eher keine Verantwortung. Vgl. auch Susanne Nickel: Verzogen Verweichlicht. Verletzt. Wie die Generation Z die Arbeitswelt auf den Kopf stellt und uns zum Handeln zwingt, 2024.

Schwarzarbeit: Arbeit an der Steuer vorbei. Dadurch kann die Arbeit billiger angeboren werden. In Deutschland kontrolliert der Zoll. Die Schwarzarbeit gehört zur Schattenwirtschaft. Die Abgrenzung in der Praxis ist oft nicht einfach zur Nachbarschaftshilfe und Freundschaftsdiensten. Es gibt wirksame Rezepte zur Bekämpfung: 1. Bürgergeld kürzen. 2. Haushaltsschecks wie in Belgien oder Schweden. 3. Streichung der kostenlosen Mitversicherung von Ehepartnern. 4. Abbau von Hürden für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.  2016 entgingen dem Fiskus in Deutschland  875 Mio. Euro durch Schwarzarbeit. Im Januar 2017 gelingt dem Zoll ein großer Schlag gegen ein Netzwerk von Schwarzarbeit in NRW am Bau. Die meisten Haushaltshilfen, insbesondere Reinigungskräfte, werden in Deutschland schwarz beschäftigt. Der Markt ist leergefegt. Die Gefahr erwischt zu werden, ist sehr gering. Viele Haushaltshilfen wollen keine Anmeldung. Bei Sozialleistungsbezug sind die Zuverdienst - Grenzen zu niedrig, Deshalb sind die meisten Putzhilfen illegal beschäftigt.

Folgen von Unternehmensinsolvenzen für die Arbeitnehmer: Die Arbeitnehmer verlieren ihre Arbeitsplätze. 2018 waren deutschlandweit fast 20.000 Unternehmen und 200.000 Arbeitsplätze betroffen. Das Risiko erhöht sich danach, arbeitslos oder atypisch beschäftigt zu sein. Es sind anhaltend geringere Löhne nach Wiedereintritt in die Beschäftigung zu beobachten. Insofern besteht Handlungsbedarf für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Vgl. Unternehmensinsolvenzen: Welche Folgen haben sie für Arbeitnehmer? in: Wirtschaftsdienst 2019/6, S. 440ff.

Klimaschutz und Arbeitsmarkt: Konkrete Beispiel sind der Braunkohleabbau in der Lausitz und die Automobilindustrie samt Zulieferern in Baden-Württemberg. Das Center Automotive Research (CAR) der Universitäten Duisburg und Essen rechnet durch die Elektromobilität mit einem Verlust von 120.000 Stellen in der Automobilindustrie. Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Verbindung mit der Prognos AG/ Basel 2019 hält die Befürchtungen für übertrieben: Es handelt sich um eine Modellrechnung. Der Klimaschutz schade dem Arbeitsmarkt nicht. Es fallen zwar Jobs in der Automobilindustrie und im Bergbau weg, Dafür entstehen aber neue. Durch Klimaschutz entstehen viele neue Jobs - etwa in der regenerativen Energiewirtschaft. Die Energiewende sei beschäftigungsneutral machbar - die wichtigste Folgerung aus der Studie.

Berufswechsel: Viele Menschen würden gerne in einem neuen Beruf von vorne anfangen. Darauf muss man vorbereitet sein, wenn es funktionieren soll. Gründe für den Wechsel gibt es viele: Veränderung der Branche  (Beispiel Banken), berufliche Midlife-Crisis, Digitalisierung, Alter, Dauer der Beschäftigung bei einem Arbeitgeber Unzufriedenheit. Den Berufswechsel umzusetzen, ist sehr schwer. Es braucht viele Entschlossenheit und Disziplin.

Familienfreundliche Arbeitsbedingungen: Flexible Arbeitszeit, Rücksichtnahme auf Eltern bei Urlaubs- und Dienstplänen, flexible Arbeitsorte, Teilzeitangebote, Erleichterung des Wiedereinstiegs nach Elternzeit, gezielte Förderung weiblicher mitarbeiter, Unterstützung von pflegebedürftigen Angehörigen, Kinderbetreuung, aktive Ermutigung von Vätern zu Eltern-/ Teilzeit/ Homeoffice.

Kernarbeitsnormen (Core Labour Standards) der ILO (International Labour Organization): Diese Normen von 1998 legen für alle 185 Mitgliedsstaaten der ILO autoimatisch Mindeststandards wie Vereinigungsfreiheit, Beseitigung von Zwangs- und Pflichtarbeit, Abschaffung von Kinderarbeit und die Beseitigung der Dikriminierung im Beruf fest und machen damit acht internationale IAO-Übereinkommen verbindlich. In vielen Ländern schwierig durchzusetzen, da es dort eine stark ausgeprägte informelle Ökonomie oder Schattenwirtschaft gibt, in der Gewerkschaften keine Rolle spielen.  Vgl. Vgl. Ernst, D./ Sailer, U./ Gabriel, R.: Nachhaltige Betriebswirtschaft, München 2021, S. 408.

 

Personalpolitik (Human Resource Management, Personalökonomik, Personalwirtschaft, Personal-Management, Personalwesen, Evidenzbasierte Personalwirtschaft, Unternehmergeist; viele Jahre hatte ich Veranstaltungen in diesem Bereich in der Weiterbildung Westpfalz der HS Kaiserslautern und an der HWG Ludwigshafen sowie der Hochschule des Mittelstands in Bielefeld bzw. Detmold: In dieser Zeit hat sich die Rolle der Personalwirtschaft in Unternehmen ziemlich gewandelt. Heute ist die Personalwirtschaft eher reaktiv an die Unternehmenspolitik angehängt. Das behindert auch die Karrierechancen von Personalern. Ich habe viele Fachaufsätze und Bücher in diesem Bereich geschrieben. Die Digitalisierung wird das Fach weiter verändern: einfachere Prozeduren kann die KI übernehmen, das Arbeitsfeld dichotomisiert sich. Es ist aber eine grundsätzliche Frage, inwieweit es in dem Bereich nicht ohne menschliche Kontakte geht).

Arbeitsteilung: Eine der wichtigsten Grundbegriffe der Ökonomie. Schon Adam Smith sah hierin die Quelle aller Produktivität. Berühmt ist sein Stecknadelbeispiel (siehe unten). Karl Marx sah in der Arbeitsteilung eher ein Fluch der Menschen. Er macht sie für die Ungleichheit verantwortlich. Man unterscheidet betriebliche, zwischenbetriebliche und internationale Arbeitsteilung. Berühmt ist die Gliederung der Arbeit nach dem deutschen Wissenschaftler Bücher von 1919: Arbeitsvereinigung, Arbeitsgemeinschaft und Arbeitsteilung. Perfekte Arbeitsteilung zeigt das Bienenvolk: es gibt Berufe, Leistungsträger und Krisen (wenn Rohstoffe fehlen). Jeder macht das, was er am besten kann. In vielen Entwicklungsländern, wie z. B. in Kenia,  müssen die Frauen die Defizite ausgleichen, die die Ehe-Männer hinterlassen, die trinken, Drogen nehmen oder einfach faul sind. Dadurch werden sie "Mädchen für alles". Sie kommen damit wieder der Form der Arbeitsvereinigung nahe. "Last jedermann das tun, was er am besten versteht!", Cicero.

Arbeitsverdichtung: Eine Folge von Job - Enridgement und Job - Enlagement. Die Arbeitsintensität nimmt zu, der Arbeitsdruck steigt. Nach einer Studie des WSI, Düsseldorf (gewerkschaftsnah) 2020 war das im Jahr 2018 bei 81 Prozent der Unternehmen so. Gründe waren dünne Personaldecke, Führungsmängel, mehr Multitasking u. a.

Unternehmergeist: Unternehmer und Führungspersönlichkeiten, die die Produktionsfaktoren zusammenbringen und den Produktionsprozess starten. Manchmal auch dispositiver Faktor genannt (Gutenberg). Vgl. auch Mittelstandsökonomik.

Arbeitsplatzkultur: Sie entwickelt sich im laufe der Zeit. Elemente sind Methoden (Arbeitsabläufe, Praktiken), Ort (Arbeitsumgebung), Werte (ethische Standards), Vision (Selbstbild), Führung (Stile), Mitarbeiter (gleiche Werte teilen). Jede Kultur mischt Macht, Rollen, Aufgaben und Mitarbeiter. Vgl. Management einfach erklärt, München 2021, S. 58f.

Gruppenarbeitsmodelle vs. Fließbandarbeit: Letztere wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von dem Ingenieur Frederik M. Taylor konzipiert und zuerst von Henry Ford in seinem Unternehmen umgesetzt. Gruppenarbeitsmodelle wurden vor allem in Japan konzipiert . Kein Modell dürfte grundsätzlich dem anderen überlegen sein. Es kommt auf die Rahmenbedingungen an. Vgl. zu den Gruppenmodellen aus Japan auch Management/ Japan auf der Asienseite.

Wissensmanagement: Mittlerweile ein Begriff, der zuerst definiert werden muss. Er kann für alles verwendet werden, was mit dem Wandel und der Beeinflussung von menschlichem Wissen zu tun hat. Das Phänomen hat schon immer eine Rolle gespielt. Nach dem Griechen Pythagoras, der auch die Erde schon fast als Kugel sah und auf den π zurückgeht, ist Lernen eine Sache zwischen Alten und Jungen: Ich bin alt und gebe euch etwas. Ich verliere dabei nichts, und ihr gewinnt etwas, deshalb ist Lernen schön - womit die "Modeidee" des Wissensmanagements uralt ist. Neben der Übergabe von Wissen (spielt in der Personalwirtschaft eine große Rolle) ist auch die Anpassung von Wissen an sich verändernde Anforderungen wichtig. Viele verstehen heute Wissensmanagement auch als die Bearbeitung und Konservierung von Wissen durch die Informationstechnologie. Wenn wir heute in einer Wissensgesellschaft leben, ist auch das Wissensmanagement extrem wichtig. Zuerst hatte der amerikanische Soziologe Daniel Bell 1973 Wissen als "zentrale Achse" der Wirtschaft postuliert. Bahnbrechend war das Buch der japanischen Innovationsforscher Ikujiro Nonaka und Hirotaka Takeuchi von 1995 mit dem Titel "The Knowledge-Creation Company". Danach ist der Innovationsprozess ein Prozess, in dem Wissen erfasst, erzeugt, wirksam eingesetzt und bewahrt wird. Mittlerweile ist Wissen ein vierter Produktionsfaktor. Vgl. hierzu den klassischen Aufsatz von Friedrich August Hayek: The Use of Knowledge in Society, in: AER, 1945. "El saber no ocupa lugar" - Wissen schadet nicht. "Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt", Albert Einstein. "Das Gegenteil von Wissen ist nicht Unwissen, sondern der Glaube zu wissen", Stephen Hawking.

Mentoring: Profitieren vom Wissen erfahrener Mitarbeiter. Helfen können Mentorenprogramme. Wichtig ist es, den richtigen Mentor zu finden.

Soft Skills: Fähigkeiten, die eine erfolgreiche Führung von Mitarbeitern und eine gute Zusammenarbeit mit Kollegen und Vorgesetzten besser machen.

Fähigkeiten in Zukunft: 1. Disruptionskompetenz (Unsicherheit ertragen, von alten Denken trennen). 2. Diversitätsakzeptanz vielfältige Teams). 3. Empathie. 4. Frustrationstoleranz (Rückschläge aushalten). 5. Optimismus. 6. Selbstmanagement (eigene Freiheiten nutzen). 7. Technologieaffinität. Vgl. Freitag/ Schmidt: Das müssen sie morgen können! in: Wirtschaftswoche 35, 24.8.2018, S. 88ff.

Startup-Spirit: Das Ende der "dummen Arbeit" könnte kommen. Im "smarten Unternehmen" muss der Angestellte Intrapreneurship und ein bisschen Ownership miteinander verbinden. Gefragt sind Verantwortung, Empathie, Leidenschaft und Begeisterung, Offenheit und Respekt sowie Kollaboration. Intrapreneurship ist der Karriereweg der Zukunft. "Holacracy" ist die angestrebte Entwicklungstufe im Unternehmen: selbst bestimmte Arbeit. Vgl. Felix Plötz: Das Ende der dummen Arbeit. Wie du als Angestellter zu mehr Sinn, Geld und Freiheit kommst, Berlin (Econ) 2018.

Employee Experience: Sie rückt immer mehr in den Focus 2018. Zufriedene Mitarbeiter sind von elementarer Bedeutung für Unternehmen. Mitarbeiter sollten auch motiviert und an das eigene Unternehmen gebunden werden. Zusammen schlagen sich diese Faktoren zusammen mit der Qualität von Führungskräften in der Employee Experience nieder.

Employability (Beschäftigungsfähigkeit, Arbeitsfähigkeit): "Die Summe aller Faktoren, die einen Mann oder eine Frau in einer bestimmten Situation in die Lage versetzen, eine gestellte Aufgabe erfolgreich zu bewältigen" (Ilmaringen 2000). Es gibt dabei physische und  kognitive Faktoren. Häufig wird es als Ansatz verstanden, der die Eigenverantwortlichkeit der Menschen für ihren Arbeitsplatz und ihre Qualifizierung in den Vordergrund stellt. So gibt es Initiativen (z. B. Selbst), die Netzwerke von Unternehmen, Wissenschaft und öffentlicher Hand zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit darstellen (die Gewerkschaften kritisieren das Abrücken von der Arbeitsplatzsicherheit). Im Vordergrund steht das Wissensmanagement. Es gibt auch Kollegen, die den Ansatz auf die gesamte Personalpolitik anwenden. Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass man den Arbeitsmarkt ausschließlich aus dieser Perspektive betrachtet. Dann würde das Konzept zur Ideologie, vor allem, wenn die Definition nicht klar herausgestellt wird. "A man who misses his opportunity, and a monkey who misses his branch, cannot be saved", Hindu proverb.

Braindrain: Die weltweite Wanderung von Talenten hat zugenommen. Besonders gut ausgebildete Migranten wandern. Ziel sind vor allem die USA und andere englischsprachige Länder. Rund 50% aller Gründer und Technikexperten im Silicon Valley sind Zuwanderer. Vgl. Sari Pekkala Kerr et al.: Global Talent Flows, National Bureau of Economic Research, Working Paper, HBP

INSEL: Fünf systemrelevante Kompetenzen nach einer Framework der OECD. 1. Informativität (Information und Aktivität). 2. Netzkompetenz (Interaktion in heterogenen Gruppen). 3. Selbstorganisation (Selbstmanagement, Lernfähigkeit, Selbstvermarktung). 4. Ethos (sittliche Verfasstheit). 5. Leadership.

General Knowledge: Information, die nicht teuer zu kommunizieren ist. Specific Knowledge: Information, die kostenreich zu kommunizieren ist. Subjective Information: Information, die schwer zu beschreiben oder zu quantifizieren ist. Private Information: Information, die nur bei einer Partei ist (z. B. wenn ein Arbeiter schon weiß, dass er Ende des Jahres geht, nicht aber der Arbeitgeber).

Modern job design: intrinsisch motiviert. Charakterisiert durch hohen Abwechslungsreichtum bei Aufgaben und Fähigkeiten. Betont vor allem das Lernen. Kann durch Performance evaluation gemessen werden, bei der numerisch oder subjektiv die performance des Arbeiters zu Feedback- oder Anreizzwecken beurteilt wird. "Wenn die Arbeit sinnlos ist, nähert sich auch das Leben der Sinnlosigkeit", A. Maslow, US-Psychologe.

Die Mitarbeiterbindung an die Unternehmen sinkt in Deutschland beständig. 2008 fühlten sich neun von zehn Beschäftigten kaum an ihr Unternehmen gebunden (Umfrage von Gallup, 2000 Arbeitnehmer, seit 2001). Damit geht auch die Motivation der Mitarbeiter zurück. Davon ist die Leistungsfähigkeit und  die Zahl der Fehltage abhängig, ebenso die Fluktuation. Gallup ermittelt die Zahlen international: Deutschland liegt im unteren Mittelfeld. Mitarbeiterbindung kann gesteigert werden durch folgende Faktoren: Gemeinsame Idee, Mitarbeiterziele berücksichtigen, freundliche Unternehmenskultur, branchenübliches Gehalt, persönliche Weiterbildungsziele berücksichtigen. Ein besonders Problem ist die Mitarbeiterbindung in China. Als Faktoren, die Bindung herstellen können, gelten Einkommen, betriebliche Sozialleistungen, Personalentwicklung, Arbeitszeitflexibilität und Mitarbeiterbeteiligung. Folgende Instrumente gelten als beste Mittel der Bindung: 1. Gutes Betriebsklima. 2. Marktgerechte Entlohnung. 3. Flexible Arbeitszeiten. 4. Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. 5. Betriebliche Zusatzleistungen. 6. Mobiles Arbeiten.   "People are definitly a company`s greatest asset. It doesn´t make any difference whether the product is cars or cosmetics. A company is only as good as the people it keeps", Mary Kay Ash (1918-2001), Founder of the cosmetics com pany Mary Kay Inc.

Fluktuation: Verlassen des Unternehmens durch die Entscheidung des Mitarbeiters. Die Fluktuation verursacht hohe Kosten für das Unternehmen. Nach Kobi sind mit der Fluktuation 5 Risiken verbunden: Austritt, Anpassung, Motivation, Engpass als Potentiallücke und Engpass als Bedarfslücke. Vgl. Kobi, J. M.: Personalrisikomanagement, Heidelberg u. a. 2012. Besonders hoch ist die Fluktuation in der VR China (insbesondere von ausländischen Unternehmen zu einheimischen). Grundsätzlich gibt es zwölf Gründe, warum Mitarbeiter kündigen. Diese muss man systematisch angehen: 1. Entwicklungsmöglichkeiten. 2. Feedback fehlt. 3. Ziele sind nicht klar kommuniziert. 4. Fehlende Zukunftsaussichten. 5. Gehalt passt nicht. 6. Konstellation im Team hat sich verändert. 7. Unternehmenskultur passt nicht mehr. 8. Unternehmen verheißt Leistungsträger. 9. Mitarbeiter will lieber fachlich Karriere machen. 10. Job unter anderem Vorzeichen angetreten. 11. Individuelle Wünsche werden nicht erfüllt. 12. Grundsätzlich eigene Nationalität.

Flexibilisierungsinstrumente, die Kündigungen verhindern: Arbeitszeitkonten, Werksstilllegung, Abbau der Leiharbeiter, Kurzarbeit. Davon zu unterscheiden sind flexible Arbeitsplatzmodelle. 2013 war von allen flexiblen Arbeitsplatzmodellen das Home Office am verbreitesten (ZEW). Eine Untersuchung der Manpower Group 2014 zeigt, dass Deutschland hinsichtlich der Flexibilität des Arbeitsmarktes abgeschlagen ist: Es führen Hongkong, die USA, China, Neuseeland und Singapur. Dann erst kommt Deutschland.

Kündigung: Das deutsche Kündigungsrecht verstößt gegen EU-Recht, weil es die Arbeitnehmer  diskriminiert, die unter 25 Jahren in einen Betrieb eingetreten sind (Dauer der Kündigungsfrist). Die Kündigungsnormen zählen zu den umstrittensten Regulierungsmaßnahmen des Arbeitsmarktes. Es gibt auch den Begriff "Innere Kündigung". Er steht für die Unlust an der Arbeit (geringe Motivation). Die größte Schuld daran haben die direkten Vorgesetzten, die Mitarbeiter nicht respektvoll behandeln oder vernachlässigen. Nach einer Studie des Beratungsunternehmens Gallup 2013 haben 24% der Mitarbeiter innerlich gekündigt (2001 15%). Eine Vorstufe der inneren Kündigung ist der "Dienst nach Vorschrift". Ein erster Schritt zur Kündigung ist in der Regel die Freistellung: Die Mitarbeiter erhalten monatlich ihre Vergütung, dürfen aber nicht ihrer Arbeit nachgehen. Sie sind von der Arbeitspflicht freigestellt. Langfristig ist das mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbunden. Eine Studie (RWI, Essen 2015) zeigt, dass bei betriebsbedingten Kündigungen Alleinerziehende und Behinderte benachteiligt werden. Bei 40 Jahren liegt die Schwelle, ab der sich das Alter negativ auf die Jobchancen auswirkt. Wirtschafts-Nobelpreisträger Jean Tirole macht 2015 den Vorschlag, eine Entlassungssteuer einzuführen (wer kündigen will, soll zahlen). 2019 kommt ein bahn brechendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Die zweite Ehe darf an einem katholischen Krankenhaus kein Kündigungsgrund sein (nicht in jedem Falle Selbstbestimmungsrecht der Kirche)..

Kündigungsschutz: Es geht um das Niveau und die Flexibilität. Es gibt große Unterschiede zwischen den Ländern. Relativ niedrig ist er in den USA. Relativ hoch ist er in Frankreich und Deutschland. Lars Feld aus dem SRW tritt 2017 für einen niedrigeren und flexibleren Kündigungsschutz ein.

Offboarding: Unternehmen geben sich bei der Verabschiedung ihrer Mitarbeiter, dei gekündigt haben, wenig Mühe. Durch einen gut strukturierten Offboarding-Prozess können aus ehemaligen Mitarbeitern loyale Alumni werden., die dem Unternehmen als Kundinnen, Lieferanten oder Markenbotschafter sowie potentielle personelle Verstärkung verbunden bleiben. Unternehmen sollten sich frühzeitig auf das Ausscheiden ehemaliger Mitarbeiter vorbereiten. Vgl. Dachner, A. M./ Makarius, E. E.: Aussteigen und an Bord bleiben, in: HBM Juli 2021, S. 40ff.

Personalstruktur: Die Belegschaft eines Unternehmens nach Merkmalen. Besonders wichtig sind Alter, Geschlecht, Ausbildung/ Qualifikation, Diversität. Die Personalstruktur ist eine wichtige Grundlage für Personalplanung und Personalrekrutierung. Die Personalstruktur der BASF 2017 hat folgendes Problem in der Altersstruktur: Ab 2020 ist die Hälfte der Belegschaft älter als 50 Jahre. Bis 2030 sind rund 50% der Mitarbeiter in der Produktion in Ruhestand.

Personalrekrutierung: Die meisten festen Arbeitsstellen in Deutschland werden nicht ausgeschrieben. 27 Prozent aller Neueinstellungen kommen über persönliche Bekanntschaften in Deutschland zustande (IAB). Extrem wichtig ist der Weg über persönliche Kontakte und Bekanntschaften im Mittelstand. Jeder Achte findet einen Job durch blinde Bewerbung bei einem Unternehmen. Auch Plattformen, wie z. B. Xing, haben an Bedeutung gewonnen. Viele Hochschulabsolventen finden direkt über die Hochschule, z. B. durch Praktika oder Veranstaltungen, eine Stelle. Erfahrene Führungskräfte werden häufig durch "Headhunter" vermittelt. In größeren Organisationen steht am Anfang die Grundsatzentscheidung, eine frei werdende Stelle aus dem internen Arbeitsmarkt oder extern zu besetzen. 2012 läuft ein Versuch in der Wirtschaft mit anonymen Bewerbungen. Dadurch soll die Verhinderung von Diskriminierung (Frauen, ältere Arbeitnehmer, Migranten) verhindert werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass gerade Frauen und Migranten von anonymen Bewerbungen profitieren. Rheinland-Pfalz will einen Feldversuch mit zweijähriger Dauer durchführen (für die Unternehmen eher aufwendig und teuer). Einzelne Unternehmen in Deutschland verzichten mittlerweile auf Bewerbungsfotos.  "I sent the club a wire stating, Please accept my resignation. I don`t want to belong to any club that will accept me as a member", Groucho Marx, 1959. "Jedes Mal, wenn ich eine Stelle vergebe, mache ich hundert Unzufriedene und einen Undankbaren", Ludwig XIV., König von Frankreich. Zeugnisnoten spielen bei der Rekrutierung eine immer geringere Rolle. Personalverantwortliche verlassen sich immer mehr auf ihr "Bauchgefühl". Dadurch haben Selbstdarsteller und Vortänzer Vorteile. Motto: "Fail again, fail better".

Mitarbeiterauswahl: Sie verändert sich ständig, weil sich Kriterien wandeln. Die Jobsuche könnte zukünftig Menschen auch ermutigen, das Wirtschaftssystem zu verändern, statt ihm blind zu folgen. Viele Menschen sehnen sich nach eine rArbeit, die sinnstiftend ist und ein höheres ziel verfolgt, als nur Geld zu verdienen oder zum Unternehmensergebnis beizutragen. Vgl. Christina Breitenbücher: (R)evolution in der Mitarbeiterauswahl, in: agora 42, 2018, S. 57ff.

Andere Kriterien beim Recruiting: 1. Sie Fähigkeiten, die für viele Jobs gebraucht werden, haben immer kürzere Halbwertzeit. 2. Die Quellen oder Talentpools, aus denen sich Personalverantwortliche früher bedient haben, sind weitgehend überholt. 3. Arbeitskräfte werden zunehmend wählerischer, für wen sie arbeiten. Vgl. Advancing Recruiting`s Value Trough Uncertain Times. Shaping the Workforce, Gartner White Paper.

Start-ups für die bessere Bewerbung: Sie schreiben Lebensläufe oder fertigen Motivationsschreiben an. Plattformen dürften eine immer größere Bedeutung bekommen.

Bedeutung von sozialen Medien: Die Bedeutung bei der Rekrutierung und Personalauswahl steigt. Wichtige Karriere-Netzwerke sind LinkedIn (global) und Xing (eher national). 2016 wird LinkedIn von Microsoft übernommen. Schüler sollen ab 2018 fit werden für die digitale Welt. Smart Phones sollen im Unterricht eingesetzt werden.

Speed-Dating: Immer mehr Unternehmen laden alle interessierten möglichen Bewerber ein, um mit ihnen kurze Gespräche zu führen und sie kennen zulernen. Als erster Schritt eines Bewerbungsverfahrens hat sich diese Technik bewährt. Als eines der ersten Unternehmen arbeitet in Deutschland die Deutsche Bahn damit.

Mobil Rekruiting: Bewerbung übers Handy. Auch verbunden mit Nutzen von beruflichen Netzwerken wie Xing oder LinkedIN. Nutzung hält sich bisher in Grenzen.

Shuukatsu: In Japan das Wettrennen um den Job. Etwa eineinhalb Jahre vor dem Ende des Studiums beginnen sie mit dem Kräfte und Nerven zehrenden Bewerbungsmarathon. Die "Job-Jagdsaison" wird mit einem zeremoniellen Halali eröffnet: Dazu gehören Schreie und gestreckte Fäuste. Damit soll demonstriert werden, wie schwungvoll man in die Arbeit strebt.

Personalführung: Sie veranlasst die Mitarbeiter zu einem Handeln im Hinblick auf bestimmte Betriebsziele. Hauptdimensionen sind Aufgabenbezogenheit und Personenbezogenheit (Managerial Grid). Hauptziel ist die Mitarbeitermotivation. Zur Führung gehört auch die Personaleinführung. Es können vier idealtypische Führungsstile unterschieden werden, deren Effizienz von der Situation abhängt. Wichtiges Element der Führung ist die Personalbeurteilung. Hier ist besonders auf die Vermeidung möglicher Fehler zu achten. "Wer Menschen führen will, braucht drei Eigenschaften: Menschlichkeit, Klarheit und Mut", chinesische Weisheit. Eine Studie 2014 der EU zeigt, dass 78% der Chefs eine grundlegend neue Führungspraxis für notwendig halten. Sie wünschen sich weniger Hierarchie.

Personalbeurteilung: Sie kann aus einem konkreten Anlass oder periodisch erfolgen; sie kann frei oder gebunden sein. Besonders interessant sind die Fehler: Tendenz zur Mitte, Tendenz zur Milde, Tendenz zur Strenge, Halo-Effekt, Vor-Urteil, Korrekturfehler. Als richtungweisend kann das Beurteilungsgespräch eingestuft werden. Arbeitszeugnisse sind oft wenig aussagekräftig, weil sie selten individuell angefertigt werden. und eine einheitliche Sprache fehlt. 2021 verlieren die Arbeitszeugnisse weiter an Bedeutung. Es gibt mittlerweile bessere Alternativen. Personio vertreibt eine Software zum Ersatz. Andere perfektionieren die Referenzen. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entscheidet 2014, dass ein Arbeitszeugnis nicht zwingend gut sein muss, sondern die Leistung adäquat widerspiegeln sollte. Ein Unternehmer aus Hessen geht 2021 vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Er will im Arbeitszeugnis erhebliche Verfehlungen eintragen. Arbeitgeber fordern Standardformulierungen. Eine Alternative wäre die Abschaffung von Arbeitszeugnissen und ein Ersetzen durch das aus den USA bekannte System von Empfehlungsschreiben.

Personaleinführung: Sie wichtig für neue Mitarbeiter. Es gibt in der Regel Einführungsprogramme. Fehlende Einführung ist eine der Ursachen für Mobbing. Es gibt verschiedene Konzepte der Personaleinführung: Bekannt sind Onboarding - Programme und Das Paten-System-

Personalbewertung, neuere Ansätze (Teil des Talentmanagement): Der Wettbewerbsdruck zwingt Unternehmen dazu, das Talent ihrer Mitarbeiter aktiv zu entwickeln, statt nur zu beurteilen. Teamarbeit und gemeinsames Lernen werden in der täglichen Arbeit immer bedeutender. Beides kann gefördert werden, indem schnelles Feedback gegeben wird und regelmäßige Gespräche zwischen Vorgesetzten Mitarbeitern stattfinden. Im Talentmanagement schwankt das Pendel zwischen individueller Verantwortlichkeit und Betonung der Weiterentwicklung. Heute versucht man oft hybride Mittelwege. Vgl. Capelli, Peter/ Tavis, Anna: Die Bewertung von Mitarbeitern revolutionieren, in: Harvard Business Management, Nov. 2016, S. 40ff.

Personalplanung: Sie umfasst die Planungsfristen, den Personalbedarf (Arten), die organisatorischen Hilfsmittel (z. B. Stellenpläne), die statistischen Instrumente (z. B. Manpower Requirement). Für betriebliche Teilbereiche gibt es Formeln (z. B. von Rosenkranz). Die Personalplanung enthält Personalstrategien, eine Personaleinsatzplanung, eine Personalbeschaffungsplanung, eine Personalkostenplanung und eine Personalentwicklungsplanung.

Personalentwicklung: Die moderne Personalentwicklung umfasst die Bildung (Ausbildung, Fortbildung), Aufgabenstrukturierung, Karriereplanung. Wichtige Komponenten sind die Bedeutung, die Maßnahmen, die betriebliche Bildung (Ablauf, Bildungsbedarfsanalyse), Erfolgskontrolle. Die Personalentwicklungsmaßnahme Nummer 1 ist mittlerweile das "Coaching". Es ist allerdings keine geschützte Bezeichnung und damit auch keine geschützte Berufsbezeichnung.

Schulungen: Unternehmen geben sehr viel für Schulungs- und Personalentwicklungsprogramme aus. Diese Investitionen zahlen sich oft nicht aus. Es fehlt an der Umsetzung in die Praxis. Also sollten zuerst auf organisatorischer Ebene die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Mit einer klaren Strategie, ein Mitarbeiterfeedback und der Beseitigung der größten Hindernisse kann das Coaching beginnen und dann folgt eine Prozessberatung. Dann können Schulungen mit Erfolgsmessung folgen Vgl. Beer, M./ Finnström, M./ Schrader, D.: Woran Schulungen scheitern, in: Harvard Business Manager, Nov. 2016, S. 30ff.

Auslandsentsendung (Expats): Der Auslandsaufenthalt ist heute gut für die Karriere. Dauer und Zufriedenheit des Aufenthalts unterscheiden sich nach Kulturen. 2017 sinkt die Bereitschaft zu Auslandsaufenthalten in Deutschland. Expats sollten sollten bestimmte Regeln einhalten (Forderungen klären, flexibel sein, Kontakt halten).

Expats nach Corona: Nach Corona überdenken viele Unternehmen die Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland. Könnte der Expat zum Auslaufmodell werden? Das wird wahrscheinlich nicht kommen. Aber der Anteil, der durch Homeoffice und Videokonferenz geregelt wird, dürfte größer werden. Bei Nicht-Kennen und in der Anbahnungsphase von Geschäften wird der Face-to-face-Kontakt weiterhing notwendig sein. Außerdem ist Entsendung auch ein Statussymbol.

Arbeitnehmer-Entsendung: Wer nur vorübergehend für seinen Arbeitgeber ins Ausland geht und weiterhin von diesem bezahlt wird, bleibt nach deutschem Recht sozial- und rentenversichert. Die so genannte Entsendung darf voraussichtlich nicht länger als 24 Monate dauern und nicht der Ablösung eines anderen Arbeitnehmers dienen. Als Nachweis der Zugehörigkeit zum deutschen Sozialsystem dient die Entsendebescheinigung (Formular A1). Gesetzlich versicherte Arbeitnehmer erhalten die Bescheinigung von ihrer jeweiligen Krankenkasse.

Auslandsjobs und Sozialversicherung: Die 28 EU-Mitgliedsstaaten sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz haben gemeinsame Regeln erarbeitet, das so genannte Europarecht. Auslandsjob heißt längerfristig im Ausland arbeiten. Diese Jahre gelten in der deutschen Rentenversicherung wie Inlandsjahre. Bewertet wird die Auslandszeit mit dem Durchschnittsertrag, die dem Versicherten für sein Renten-Beitragszeit im Inland gutgeschrieben wird (Entgeltpunkte). Teilrenten ergeben eine europäische Gesamtrente.

Altersbezüge für Auslandszeiten: Die Arbeitswelt wird immer internationaler. Immer mehr Deutsche arbeiten zeitweise im Ausland. Dafür kann im Alter Rente fließen. Aber man muss sich darum kümmern. Schon bald nach der Rückkehr sollte man seine Ansprüche bei der Deutschen Rentenversicherung geltend machen. Nachweise sind viel besser zeitnah zu beschaffen. Sogar für Praktika kann man Rente beziehen. In der EU zählt das Europarecht. In Ländern ohne europarecht ist entscheidend, ob Deutschland mit dem Gastland ein individuelles Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat.

Frauenquote: 2011 sind 55,7% eines Abiturjahrgangs Frauen, 51,0% haben ein abgeschlossenes Studium, aber nur 21,7% aller Führungspositionen sind von Frauen besetzt (StBA). In den Top-Gremien der größten börsennotierten Unternehmen sind in Deutschland 13% Frauen. Der Durchschnitt in der EU liegt bei 12%. Am höchsten ist der Anteil in Norwegen mit 39%. Als erstes deutsches Unternehmen führt die Telekom 2010 eine Frauenquote für Führungspositionen ein. In den Vorständen der 30 DAX - Unternehmen ist nur eine Frau. Änderungen streben Eon, Daimler, Bosch, BMW und Airbus an. Die besseren Noten der Frauen in Gymnasium und Hochschule finden noch kaum eine Auswirkung in den Führungsstrukturen der Betriebe. Interessant ist der Einfluss des Frauenanteils an den Führungskräften auf die Unternehmenskultur. In Skandinavien und den Niederlanden ist der Frauenanteil wesentlich höher (siehe oben). Die Selbstverpflichtung folgt auch betriebswirtschaftlichen Zielen. 2010 wirkt auch die Bundesregierung auf eine Frauenquote hin (Regierungskommission Corporate Governance): bis zum Jahr 2015 sollen Unternehmen jeden dritten Vorstandssessel mit einer Frau besetzt haben. Notfalls Gesetz, wenn Regelwerk nicht wirkt. Im Jahre 2011 sollte die Frauenquote gesetzlich eingeführt werden (30%-Schlüssel als Mindestmarge für Frauen und Männer, scheitert). Man legt nur ein Bekenntnis zur Förderung von Frauen in Führungspositionen ab (30 DAX-Unternehmen). Die gesetzliche, feste Quote soll laut CDU ab 2020 kommen (wenn bis dahin nicht freiwillig; damit ist eigentlich das Gesetz überflüssig, weil bis dahin die Quote ohnehin erreicht wird). Vorher spricht man von Flexi-Quote.  In der Personalökonomie ist dadurch das Konzept "Diversity" in den Vordergrund gerückt. Es geht dabei um die zentrale Frage, ob Frauen bei Karriereerfolg männliche Verhaltensweisen annehmen müssen. Viel intensiver müsste hier über Messinstrumente und -verzerrungen diskutiert werden. Der Monitor Familienleben 2011 des Instituts für Demoskopie in Allensbach zeigt auf, dass Job und Familie immer noch schwer zu vereinbaren sind. 2012 droht die Justizkommissarin der EU Viviane Reding mit einer Frauenquote. Es entsteht ein Gesetzentwurf für die EU, der mindestens 40% weibliche Aufsichtsräte vorsieht. Dieser scheitert erstmal in der EU-Kommission; wird aber im November 2012 doch beschlossen.  In der EU haben Finnland, Schweden, Frankreich und die Niederlande den höchsten Frauenanteil in Entscheidungsgremien der größten börsennotierten Unternehmen. Nimmt man die Geschlechtergleichheit insgesamt liegen Island, Finnland, Norwegen, Schweden und Irland an der Spitze. In den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD einigt man sich im November 2013 auf eine Frauenquote (Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen ab 2016 mindestens 30% Frauen). Die Unternehmen sind darauf vorbereitet (in vielen Unternehmen schon erfüllt oder knapp drunter). 2013 ist der Frauenanteil in den Vorständen der 30 DAX-Unternehmen um 1,5 Prozentpunkte gefallen (6,3%). Ab 2016 müssen die Aktiengesellschaften in Deutschland 30 Prozent in den Aufsichtsräten mit Frauen besetzen. Ausgenommen bleiben Unternehmen mit der Rechtsform S. E. 2014 gerät die Frauenquote immer mehr in die Kritik: Eigentlich Mütterquote; Nutzen nur für kleine Elite; Unternehmen nicht erfolgreicher; es gibt nicht genug Kandidatinnen; weniger Karriereinteresse; Förderung der falschen Frauen; vgl. Die Zeit Nr.42, 9.10.14, S. 23. Ende 2014 schließt die Koalition einen Kompromiss bei der Frauenquote: Ab 2016 für die Aufsichtsräte von 100 Firmen, deren Aktien an der Börse gehandelt werden. Die Quote soll bei 30% liegen. 3500 mittelgroße Firmen sollen sich eigene Vorgaben setzen. Die Quote wird am 06.03.15 vom Bundestag beschlossen und gilt von 2016 an. Der "Global Gender Gap Report" 2014 des Schweizer Weltwirtschaftsforums beschäftigt sich mit der Wirkung der Frauenquote: Er stellt "eine evidente Beziehung zwischen der Höhe des Gender Gap und der Höhe des Pro-Einkommens fest", in dem Sinne, dass eine "zunehmende Gleichstellung von Frauen und Männern die Produktivität und das Wirtschaftswachstum fördert". Das sind aber vorerst sicher nur Indizien (statistisch ungenau). Das DIW zieht Anfang 2018 eine positive Bilanz. Ende 2017 sei der Frauenanteil in Aufsichtsräten auf durchschnittlich 30 Prozent gestiegen. Es fehlten aber Frauen in Vorständen. 9% der Vorstände in den 200 umsatzstärksten Unternehmen des Landes sind weiblich. Nur vier Prozent dieser Firmen werden von einer Frau geführt. Keinem der 30 größten DAX-Konzerne steht 2019 eine Frau vor. Die Koalition einigt sich im November 2020 auf eine Frauenquote für Vorstände: In Vorständen börsennotierter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern muss demnach künftig ein Mitglied eine Frau sein. Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes müssen eine Aufsichtsratsquote von mindestens 30% Frauen haben. Unter Deutschland Headhuntern herrscht Ende 2020 schon Nervosität. Man spricht von Operation "Goldrock". Die Managerinnen für die Top-Jobs sind rar.   "Der beste Kandidat unabhängig von Nationalität, Hautfarbe oder Geschlecht", Siemens AG zu ihrer Personalpolitik. Ca. 27% aller Führungskräftepositionen sind in Deutschland 2010 von Frauen besetzt. Sie verdienen rund 28% weniger als Männer auf vergleichbaren Positionen (DIW, "Gender Pay Gap").  2012 sind in den DAX-Konzernen in den Vorständen 7,2% Frauen, in den Aufsichtsräten 19,4%. Den höchsten Anteil an weiblichen Mitarbeitern hat mit 40% die deutsche Bank. "Wenn ein Mann in der Politik mit der Faust auf den Tisch haut, ist das männlich. Wenn eine Frau auf den Tisch haut, ist sie hysterisch", Viviane Reding, EU-Justizkommissarin 2010 zu ihrer Reaktion auf die Abschiebung französischer Roma. Erste Universitätsprofessorin Europas wird 1732 Laura Bassi in Bologna. Sie macht sich als Physikerin einen Namen (erster Blitzableiter Italiens). Nach einer Umfrage des britischen Instituts "Experian" 2014 gibt es in keiner anderen Wirtschaftsnation weniger Frauen in Führungspositionen. Nahles will für Frauen ein Rückkehrrecht in Vollbeschäftigung schaffen. Der Frauenanteil in den Firmen mit Bundesbeteiligung ist 2015 eher niedrig: KfW 8%, Deutsche Bahn 15%, Bundesdruckerei 17%, Berliner Flughafen 20%. Nach einer Studie von McKiney 2015 könnten gleiche Chancen für Frauen und Männer das BIP in West-Europa um 23% steigern. "Die Frauenquote ist ein guter erster Schritt und die beste Förderung für die Unternehmenskultur, die die Wirtschaft in Deutschland erfahren kann", Christiane Benner, Vorstandsmitglied der IG Metall 2015. "Wenn wir in Frauen investieren, investieren wir in ganze Gesellschaften", Melinda Gates 2015, Ehefrau des Microsoft-Gründers Bill Gates. Eine Frauenquote in der EU scheitert. Frauenquoten sollen national geregelt werden. Das dürfte eher der Gleichberechtigung nützen (implizit kein Wettbewerbsnachteil). 2017 ist auf Vorstandsebene von 105 börsennotierten Unternehmen der Frauenanteil bei 6,1%. Erstmals bleibt 2018 wegen der Frauenquote ein Aufsichtsratsposten unbesetzt (bei Villeroy & Boch). Bis 2019 hat sich seit der Einführung der Frauenquote vor 4 Jahren in Deutschland bei den 30 DAX-Konzernen der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten um elf Prozentpunkte erhöht. Der Frauenanteil in Vorstanden hat sich nur um 4,2 Prozentpunkte gesteigert (9,2%). 2019 erscheint eine Studie zur Frauenquote in kommunalen Unternehmen (Zeppelin Uni Friedrichshafen): In Berlin ist die Frauenquote mit übe r40% am höchsten, im Schnitt liegt sie in Deutschland knapp unter 20%. "Frauen tragen die Hälfte des Himmels", Mao Zedong, 1893-1976. "Wo keine feste Quote greift, passiert auch nichts", Familienministerin Katarina Barley 2017. Am 12.11.2018 gibt es das Frauenwahlrecht in Deutschland 100 Jahre. 2019 sind 13,3 % der Vorstandsposten in DAX-Konzernen von Frauen besetzt. In acht Vorständen sitzt keine Frau. Höher als 25% liegt der Anteil nirgends. Die Hans-Böckler-Stiftung legt im Mai 2020 eine Studie vor. Deutschland hat die schwächsten Vorgaben bei einer gesetzlichen Frauenquote. In vielen Ländern gibt es Kodizes für Unternehmensführung mit Empfehlungen einer Quote. Am weitesten ist insgesamt Norwegen. Auch in den Parteien in Deutschland werden zunehmend Frauenquoten eingeführt. Eine verbindliche Frauenquote von 50% soll etwa in der CDU bis 2023 kommen.  2022 legt das IAB in Nürnberg eine neue Studie vor: Der Anteil der Frauen auf der ersten Führungsebene ist 2020 auf 27% gestiegen. Das ist der bislang höchste Wert. Seit Beginn der Erfassung 2004 ist aber nur ein Anstieg um 35 zu beobachten. Auf der zweiten Führungsebene ist der Anteil auf 40% gestiegen. Die Pandemie hat weibliche Beschäftigte stark belastet. 2021 betrug der Frauenanteil im Vorstand bei in unternehmen des MDax 11,7%. Im Dax40 ist er auf 19,1% gewachsen.

Frauenanteil in Vorständen von Unternehmen: 2019 führen die USA (27,8%), vor Schweden (22,7%), Großbritannien (22,3%), Frankreich (19,8%). In Deutschland liegt der Frauenanteil bei 14,7%. Jennifer Morgan ist die erste Frau an der Spitze eines Dax - Konzerns bei SAP. 2021 kommt ein Gesetz in Deutschland, dass mehr Frauen in Vorstände bringen soll. Ab vier Vorstandsmitglieder muss mindestens eine Frau am Tisch sitzen. Die Regelung betrifft alle börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY erhebt 2021 deutlich mehr Frauen im Top-Management börsennotierter Unternehmen. Genau: 44 Dax, 21 MDax, 29 SDax. Zu Jahresbeginn 2024 sind wesentlich mehr Frauen in Dax - Vorständen. Es sind 23,5%. Im MDax sind es 17,9%, im SDax 13,8%. Quelle: EY.  Banken mit mindestens drei Frauen im Vorstand begehen seltener Betrug. Vgl. Casu, Barbara: Kritische Masse, in: HBM Juli 2021, S. 16f. Vgl. insgesamt zum Thema: Sondergeld, Virginia: Fortschritte bei Frauen in Führungspositionen - doch weitere Anstrengungen nötig, in: Wirtschaftsdienst 2/ 2024, S. 136-138.

Frauen in der Geschäftsführung (börsennotierter Unternehmen): Bei den 100 größten Familienunternehmen beträgt der Anteil der Frauen nur 8% (am niedrigsten). Dann kommen die 160 größten (außer Dax) Börsenunternehmen (14%). Bei den Dax - Unternehmen 20%. Quelle Allbright-Stiftung 2022.

Frauen in Aufsichtsräten: Im DAX liegt ihr Anteil 2023 bei 38,3%. An der Spitze liegt Frankreich (45,3%) vor Norwegen (43,2%) und Italien (42,6%). Ganz hinten liegt die Schweiz mit 35,0%.

Frauen in Erwerbstätigkeit: In jedem siebten deutschen Haushalt war 2017 die Frau die Hauptverdienerin. 14,4% Frauen hatten mehr Einkommen als ihr Partner. Elf Prozent der Paare verdienen ähnlich viel. Quelle: Destatis 2019.

Mütter in Erwerbstätigkeit: Mütter nehmen durchschnittlich 14,5 Monate Elternzeit, Väter nur 3,7 Monate. 27,4 Stunden unbezahlte Arbeit im Haushalt leisten Frauen pro Woche. 450.000 € weniger verdienen ostdeutsche Frauen weniger als Männer im Laufe ihres Lebens. 774 Euro Rente bekommen Frauen in Westdeutschland im Schnitt. 60% der Frauen überlassen ihrem Mann langfristige finanzielle Entscheidungen. Siehe: Die Zeit Nr. 19/ 5. Mai 2022, S. 19.

Kinderbetreuung: Die Organisation der Kinderbetreuung hat nachweislich einen Einfluss auf die Geburtenrate und die Frauenerwerbstätigkeit in einem Land. Als Vorbild in der EU gilt Frankreich. Die Geburtenquote liegt 2012 bei zwei Kindern. Die Frauenerwerbstätigkeit lag im gleichen Jahr bei 65 Prozent. Die Inanspruchnahme öffentlich finanzierter Betreuung (unter Dreijährige) betrug 30 Prozent. Spanien hat eine Geburtenquote von 1,4 Kindern (2011). Die Frauenerwerbstätigkeit lag 2012 (Quelle: Eurostat) bei 54 Prozent. Die Inanspruchnahme der Kinderbetreuung hat einen Wert von 30 Prozent. Immer mehr Frauen bleiben zu Hause. Die Niederlande haben 2011 eine Geburtenquote von 1,8 Kinder. die Frauenerwerbstätigkeit beträgt 71,9 %. Öffentliche Kitas sind sehr selten. In Deutschland gibt es immer mehr betreuende Väter. 2009 lag der Anteil der Kinder, deren Väter Elterngeld bezogen, bei 23,4%. 2012 waren es 29,2% (StBA). Je länger Frauen wegen der Kinder in ihrem Job aussetzen, desto weniger Lust haben sie hinterher auf eine Karriere (Studie Uni Frankfurt, Daten des soziökonomischen Panels)

Ältere Arbeitnehmer: Unternehmen, die mehr Ältere beschäftigen, sind nicht weniger leistungsfähig. Dies gilt für Dienstleistungssektor und Industrie (vgl. C. Göbel/ T. Zwick: Age and Productivity-Sector Differences? ZEW-Discussion Paper 11-058, Nov. 2011). Die Gruppe stellt ein wichtiges Potential bei schrumpfender Bevölkerung dar (auch im Hinblick auf die Rentenversicherung). Im Wissensmanagement geht es auch um "Vererbung" von Wissen an die nachfolgende Generation. Auch die Einstellung zur Weiterbildung in dieser Gruppe muss sich ändern.

Zeitmanagement bzw. Zeitpolitik: Falsche Zeitpolitik oder Zwänge von außen führen zu Stress. Arbeitswelt und gesellschaftliche Entwicklungen haben sich nicht gleich entwickelt. Besonders in Familien ist der Wunsch nach mehr gemeinsamer Zeit mit den Kindern sehr groß. 40 Prozent der Eltern leiden unter Zeitdruck. (vgl. 8. Familienbericht: "Zeit für Familie"). 2013 wurde in Deutschland so lange gearbeitet wie seit 1994 nicht mehr. Die Zahl der Arbeitsstunden summierte sich auf 58,1 Mrd. (Quelle: IAB, Nürnberg). Das letzte Arbeitszeitgesetz in Deutschland ist aus dem Jahr 1994 (das erste Gesetz wurde 1933 gemacht).

Arbeitszeiterfassung: Im September 2022 entscheidet das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Grundsatzurteil, dass die Arbeitszeit erfasst werden muss (Stechuhr wird zur Pflicht). Das entspricht auch EU-Recht. Die Bundesregierung muss die Arbeitszeitverordnung noch anpassen. Das urteil hat große Auswirkungen auf die Arbeitswelt.

Überstunden: Sie nehmen zu in Zeiten des Personalmangels. Sie können vom Arbeitgeber angeordnet werden. Wer sich weigert, riskiert eine Abmahnung. Für einen Ausgleich muss gesorgt werden (Vergütung, Freizeit). In manchen Arbeitsverträgen sind Überstunden ohne Ausgleich drin (Führungskräfte). Die Obergrenze zieht das Arbeitszeitgesetz.

Präsentismus und Absentismus: Das Ausmaß und die Gründe dieses Präsentismus- und Absentismus-Verhaltens sind vielschichtig und variieren zwischen Arbeitnehmergruppen, Betrieben und Sektoren. Es zeigt sich, dass Präsentismus und Fehlzeiten relativ schwach zusammenhängen und dass es jeweils gezielter Maßnahmen bedarf, um diese Phänomene zu beeinflussen. Vgl. Schnabel, C./ Lechmann, D. S.: Präsentismus uns Absentismus von Arbeitnehmern: zwei Seiten derselben Medaille? in: Wirtschaftsdienst 2019/6, S. 404ff. Noch nie fehlten so viele Beschäftigte wie 2023 (Krankenstand als Index, 2025=100; Deutschland 157, Kanada 136, USA 121, Schweden 103). Es führen Atemerkrankungen. 19,4 Tage gehen im Schnitt pro Jahr wegen Krankheit verloren. Deutschland kostet das viele Milliarden Euro. Ein Grund ist die Leichtigkeit an ein Attest zu kommen. Vgl. Die Zeit 34/ 8.8.24, S. 17.

Arbeitszeit in Deutschland: Die durchschnittliche Vollzeit beträgt 40,3 Stunden in der Woche. Das liegt fast im EU-Durchschnitt (40,5). Mehr arbeitet man in Österreich und der Schweiz. Die durchschnittliche Teilzeit liegt wöchentlich bei 20,8 Stunden. Die Regeln sind grundsätzlich im Arbeitszeitgesetz festgelegt. Davon gibt es aber Ausnahmen (Selbstständige, Leitende Angestellte, Häusliche Betreuung). Andere Regeln gelten für Beamte, unter 18-Jährige, Seeleute, Luftfahrt. Transparenz kann nich gewährleistet werden (betrieblich, selbst, nicht erfasst).  Vgl. Die Zeit Nr. 6/ 2.2.2023, S. 46.

Resource-Based View (in der Personalpolitik): Die aktuelle Weltwirtschaftskrise wirkt sich auf die Personalpolitik aus, indem die Personalkapazitäten an die verringerte Güternachfrage angepasst werden müssen. Mit Personalfreisetzungen geht wichtiges Know-How verloren. Hier muss ein strategisches Management der Personalpolitik ansetzen. Ausbildung, Engagement und Loyalität müssen optimal kombiniert werden. "Manchmal reicht es schon, wenn man kein Arschloch ist", Dieter Zetsche, Daimler.

Parkinson-Gesetz: Arbeit lässt sich wie Gummi dehnen, um die Zeit auszufüllen, die für sie zur Verfügung steht. Das heißt, Arbeit expandiert mit dem Zweck, die Zeit bis zu ihrer Vollendung auszufüllen, C. N. Parkinson im Jahre 1955 im "Economist". "Eine Kommission ist ein Gremium, das sich mit dem Entwerfen des Entwurfs für den Entwurf zum Entwurf beschäftigt".

Peter - Prinzip: "In a hierarchy every employee tends to rise to his level of incompetence", Laurence Peter & Raymond Hull, 1969. "Je höher Sie aufsteigen, desto eher sind Ihre Probleme Verhaltensprobleme", M. Goldsmith, Bestsellerautor.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf: spielt eine besondere Rolle bei der Erwerbstätigkeit von Frauen. Wird als wichtig für eine befriedigende Geburtenrate angesehen. Umstritten sind die Instrumente: z. B. genügend Kita - Plätze, Betreuungsgeld u. a. Das thema wird auch unter dem Begriff Work-Life-Balance behandelt. Nach einer Allensbach-Studie 2015 möchte fast die Hälfte der Eltern mehr Zeit für die Familie verbringen und die Zeit zwischen Familie und Beruf gleichmäßiger aufteilen. Aber nur ein Drittel der Paare bekommt dies hin.

Work Life  Balance: Viele Unternehmen in Deutschland bemühen sich um dieses Ziel für ihre Mitarbeiter. Es ist zunächst eine leere Formel. Die Prämisse, nämlich die Trennung von Arbeitsleben und Privatleben, ist nicht möglich. In der Regel scheitert das Konzept an der Praxis. In KMU ist die Reduktion auf gute Arbeit, die Sinn stiftet, wichtig. Gute Arbeit gibt den Menschen Selbstachtung und Identität. Im Vordergrund des Konzeptes sollte immer die Sicht des Arbeitnehmers stehen (individuelle Entscheidung). Entspannungsmöglichkeiten, Sport, Familie Kinderwunsch, usw. sollen in Einklang gebracht werden. Das Konzept kann auch Flucht vor Frust am Arbeitsplatz sein. "Solange man etwas tut, was einem Spaß macht, fühlt es sich nicht wie Arbeit an", Lena Heuermann, Google-Pressesprecherin. Eine Studie der UN 2017 zeigt einen Rückstand in Deutschland. Vor allem in den ersten zehn Jahren der Berufstätigkeit besteht sowohl bei Frauen als auch bei Männern zu wenig Flexibilität bzw. wird zu wenig ermöglicht.

Homeoffice: Es gibt viele positive Aspekte, vor allem was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie das Pendeln angeht. Wer ständig zu Hause arbeitet gefährdet seine Gesundheit und seine Karriere. Probleme sind: keine zufälligen Gespräche, keine Kontrolle, keine Grenzen, keine Freizeit. Die SPD will in ihre Sozialreformen ein Recht auf Homeoffice verankern. Außerdem macht Pendeln unkreativ. Vgl. Hongyo Xiao et al.: Commuting ans Innovation. Are closer inventors are more productive? in: Journal of Urban Economics, Januar 2021. 2024 wollen immer mehr Unternehmen die Präsenz im Büro erhöhen. Das sorgt bei den Beschäftigten für Unmut. Vgl. HB 27.8.24, S. 18f.

Familienarbeitszeit: Partnerschaftliche Aufteilung der Arbeitszeit in der Lebensgemeinschaft. Es soll ermöglichen, in gleichem Umfang erwerbstätig und sich gleichermaßen um Haushalt und Familie zu kümmern. Es soll zur Entlastung der "Gestressten Generation" beitragen. Eine öffentliche Förderung würde etwa 140 Mio. Euro im Jahr kosten (DIW).

Lebensphasenorientierte Personalpolitik: Sie  sollte nachhaltig und ganzheitlich jeden Mitarbeiter fördern, sowie auch an ein Unternehmen binden. Unabhängig davon, ob ein Mitarbeiter Single, Berufseinsteiger oder Elternteil ist, ein Ehrenamt bekleidet, sich weiterbildet oder die Pflege Angehöriger übernimmt bzw. krank ist oder ein Hobby ausüben will – jede Lebensphase wird dabei individuell unterstützt und mit verschiedenen Berufsphasen kombiniert. Diese Kombination wird als „Matching“ bezeichnet und bietet die Grundlage für unterschiedliche Konzepte der Personalentwicklung, welche beispielsweise je nach Unternehmensgröße oder den betreffenden Mitarbeitergruppen Anwendung finden.

Karriere(-determinanten): Über beruflichen Erfolg entscheiden Ausbildung, Intelligenz und innere Einstellung. Letztere wird als Charakter bezeichnet. Die Karrieredeterminanten unterscheiden sich in den einzelnen Organisationstypen. In der öffentlichen Verwaltung spielt auch die Parteimitgliedschaft eine große Rolle. In der Wirtschaft ist die Herkunft nicht zu vernachlässigen (Zusammenhang mit Privathochschulen). Bei Männern macht Karriere auch glücklicher. Wichtig ist in Unternehmen die gesellschaftliche Schicht aus der man kommt. Die Elite sucht Menschen aus ihrer Mitte (Ergebnisse der US-Soziologin Lauren Rivera). Besonders wichtig ist auch der erste Job (das konnte ich schon vor 35 Jahren in einer Studie feststellen; es gilt heute noch). Die entscheidende Phase der Karriere liegt meist vor dem 35. Lebensjahr. Frauen schaden kurze und lange Elternzeiten bei ihrer Karriere - Männern nicht. Eine sinkende Bedeutung als Karrieredeterminante hat die Promotion. Sie verbessert nicht mehr unbedingt die Berufschancen. Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass Frauen mittlerweile inen Karrierevorteil haben. Ist die Förderung von Frauen noch zeitgemäß?  "Unter Managern ist die Herkunft oft wichtiger als die Eignung. Dabei hätten wir sicher weniger Wirtschaftskrisen, wenn es umgekehrt wäre", Elsbeth Stern, Psychologin an der ETH Zürich. "Seit Jahren frage ich, warum ich immer wieder auf einen Gipfel muss, zum Endpunkt. Ich denke, dass jeder Mensch zum Gipfel will. Ich meine damit nicht unbedingt den Gipfel eines Berges, sondern Punkte, wo ein Ende ist, wo alle Linien zusammenlaufen und sich die Materie verjüngt, förmlich entstofflicht", Reinhold Messner. "Wer im zwanzigsten Jahr nicht schön, im dreißigsten Jahr nicht stark, im vierzigsten Jahr nicht klug, im fünfzigsten Jahr nicht reich ist, der darf danach nicht hoffen", Martin Luther, deutscher Reformator.

Zufall: Der Zufall bzw. das Glück spielt im Beruf und bei der Karriere eine große Rolle. Der Anteil kann allerdings neben Talent, Eifer, Pioniergeist, Offenheit, Geduld, Disziplin, Geld und Mut nur schwer gemessen werden. Man muss halt zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.

Neue Karrierekriterien: Eckbüro, Dienstwagen und Titel haben ihre Anziehungskraft verloren.  definieren ihre Karrieren neu. Sie wollen Werte schaffen, sich selbst entdecken und Verantwortung übernehmen. Und: Sie sind bereit zum Risiko. Auf Planbarkeit wird zugunsten von Freiheit verzichtet. Diese Haltung zieht sich durch alle Generationen und Hierarchieebenen. Unternehmen müssen sich den neuen Realitäten stellen.  Vgl. Kestel, Christina: Wie viel Karriere passt zu mir? in: HBM September 2021, S. 18ff.

Flexicurity: Ein Kunstwort, zusammengesetzt aus Flexibility und Security. Beides soll in Einklang gebracht werden. Es wird als Konzept gegen die Trennung in Kern- und Randbelegschaften entwickelt. Die Gewerkschaften kritisieren die Betonung auf Beschäftigungssicherheit statt Arbeitsplatzsicherheit verbunden mit einer Deregulierung des Arbeitsrechts.

Headhunter: Personaler, die Fach- und Führungskräfte aus bestehenden Arbeitsverhältnissen abwerben. aus dem gezahlten Kopfgeld bestreiten die Personaler ihren Lebensunterhalt.

Gender Gap Index: Auf Anregung des Weltwirtschaftsforums in Davos seit 2006 erhoben. Er misst die Ungleichheit von Geschlechtern in Gesellschaften und Kulturen. Deutschland steht 2014 auf Platz 11. Kuwait ist als erstes arabisches Land auf 117. Syrien hat mit Platz 143 den drittletzten Platz. In arabischen Kulturen gibt es das Phänomen des "Taharrush gamea". Es handelt sich um gemeinschaftliche Belästigung von Frauen in der Öffentlichkeit. Es tritt in Kulturen auf, die ein Dreieck von religiösem Druck, Sex als Tabuthema und eine patriarchalische Gesellschaftsform haben. Industriearbeiter im Westen sind die Verlierer des vergangenen Jahrzehnts. Sie laufen zunehmend zu Populisten über. Gleichstellung muss sich so zunehmend um die Männer kümmern. #MeToo, eine Kampagne von Schauspielerinnen, die von Hollywoodproduzent Harvey Weinstein missbraucht wurden, macht die Emanzipation und die Beziehung zwischen den Geschlechtern sicher nicht einfacher. 2018 rügen EU-Parlamentarier Bulgarien, weil es die Istanbul - Konvention (Gewalt gegen Frauen) nicht ratifiziert hat. Im März 2018 entscheidet das BGH, dass ein "Kunde" auch eine "Kundin" sein kann. Es liegt keine Diskriminierung vor, weil kein Nachteil entsteht.

Gender und Sex: Gender fällt in den Bereich der Kultur (kulturell bedingte Geschlechterrollen), Sex ist der Begriff der Biologie. Biologisch gibt es nur zwei Geschlechter. Man sollte normative und soziale Fragen nicht auf kosten naturwissenschaftlicher Erkenntnisse debattieren: Vgl. Vollbrecht, Marie-Luise: Der Vortrag, den ich nicht halten konnte, in: Die Zeit Nr. 28/ 7.7.22, S. 11.

Mitarbeiterressourcengruppen (Employee Resource Groups, ERGs): Gruppen von Mitarbeitern, die gemeinsame Eigenschaften und Lebenserfahrungen an ihrem Arbeitsplatz haben. Sie begannen in den 1960er Jahren als Rasse-basierte Mitarbeiterforen (schwarze Frauen). Heute gibt es viele Arten von ERG. Sie sind vor allem in US-Firmen anzutreffen. ERGs sollen auch informelle Bestrebungen in Firmen auffangen. Informelle Gruppen haben eine große Bedeutung in der Personalwirtschaft, auch historisch gesehen. "Be friendly - but not friend: keine Freundschaften in der Firma", Kasper Ronsted, ab Oktober 2016 neuer adidas - Chef.

Teamentwicklung: Es gibt ein Phasenmodell im Entwicklungsprozess eines Teams: 1. Kontakt (Forming). 2. Konflikt (Storming). 3. Kontrakt (Norming). 4. Kooperation (Performing). Wichtig ist auch eine Teampflege: Neuzugänge, Coaching - Sitzungen, Gelegenheiten, Aufgaben delegieren, Wechsel in andere Abteilungen, Mentor, Schulungen, Mitgliedschaft in beruflichen Organisationen fördern. Vgl. Management einfach erklärt, München 2021, S. 146f.

Teamzusammensetzung: Die Komplexität heutiger Produkte und Prozesse erfordert auch in der Firmenorganisation ein Umdenken. Es braucht herausragende Teams mit unterschiedlichen Charaktertypen, die sich perfekt ergänzen und zum lob der Produktivität harmonisieren. Wie formen Manager das perfekte Team? Prinzipien sind: Mehr Harmonie wagen. Auf der Suche nach lücken. Blick ins Innere. Gewissenhafte Programmierer. Eine Frage der richtigen Umgebung. Vergesst die Grautöne nicht. Beschnuppern. Vgl. Reintjes, Dominik: Der Mix macht` s, in: WiWo 4/20.1.23, S. 15ff.

Digitalisierung und HR: Daten müssen homogen sein. Advanced Analytics wird kommen, etwa kognitive Agenten zur Beratung bei Weiterbildungsmöglichkeiten. Auswirkungen von Digitalisierung, künstlicher Intelligenz und Globalisierung müssen besser berücksichtigt werden. Talente sind der entscheidende Wettbewerbsfaktor. HR muss alle geschäftsrelevanten HR-bezogenen Informationen sammeln und analysieren.

Tool zur Messung der digitalen Führungsreife: Gemessen wird mit dem LEADT (Leadership-Index for Digital Transformation). Das ist ein Online-Analyseverfahren. Es geht um digitale Skills. Durchgeführt wird die Messung vom Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ).

Erfahrung und Routine im Bezug zu Industrie 4.0: Die fortschreitende Digitalisierung verlangt von den Beschäftigten, mit Komplexität und Wandel umzugehen. Bisher weiß man wenig über die dafür notwendigen informellen Anforderungen. Erste Ansätze bringt ein Index des Arbeitsvermögens mit folgenden Elementen: Situatives Umgehen mit Komplexität, Situative Unwägbarkeiten, Strukturelle Komplexitätszunahme, Relevanz Erfahrungslernen. Vgl. Pfeiffer, S./ Suphan, A.: Erfahrung oder Routine? Ein anderer Blick auf das Verhältnis von Industrie 4.0 und Beschäftigung, in: BWP 6/ 2015, S. 21ff.

Digitalisierung und Arbeitszeit: Erwartet werden längere Wochenarbeitszeiten und eine höhere Arbeitsleistung (Produktivitätsgewinne). Das Homeoffice wird mehr genutzt werden. Vgl. Lutz Bellmann: Digitalisierung und Arbeitszeit, in: Wirtschaftsdienst 2017/7, S. 470.

Arbeitszeit 4.0: Der Achtstundentag ist nicht mehr zeitgemäß. Schnellerer Takt ist besser. Die verkürzten Arbeitszeiten können Kreativität steigern ("Freier Kopf"). Neben dem Einführen müssen auch die Rahmenbedingungen verändert werden. Die Maßnahmen müüsen gefüördert werden, die effizienter, effektiver und konzentrierter machen. Es braucht eine Unternehmenskultur der Akzeptanz und des Respekts. Das Gemeinschaftsziel muss in den Focus gerückt werden. Vgl. managerSeminare, März 2018, S. 30ff.

People Analytics: Bewältigung der Personalauswahl und -entwicklung mit Big Data. IT-gestützte, automatisierte Analyse und Steuerung von Personalmaßnahmen (Bewerberauswahl, Personaleinstellung, Messung der Mitarbeiterzufriedenheit, Karriereplanung). Vielleicht können die quantitativen Analysen für mehr Fairness sorgen. Die Firmen sind noch eher vorsichtig (Angst vor Betriebsräten?). Die Algorithmen können natürlich Foto und Namen nicht auswerten.

Tools für HR-Manager: Cloud-Lösungen: Sage, Lohnabrechnung; Zep, Projekte abwickeln, Arbeitszeiten erfassen, Reisekosten verwalten; Xpenditure, Reisekosten. auch HR-Analytics der Personalabteilungen wird zunehmen. 

Organisationsformen für Digitalteams: Grundsätzlich gibt es folgende drei Organisationsformen: 1, Internes Team. 2. Externes Team. 3. Kombiniertes Team. Entscheidende Kriterien sind Disruptivität und Digital Readiness. Vgl. Jörg Schumacher: Megatrend Digitalisierung, in: bdvb aktuell, Nr. 137, S. 24f.

Einfluss der Digitalisierung auf professionelle Jobs: Die Aufgabenbereiche der Verantwortlichen für die digitale Transformation verändern sich. Es entstehen neue und andere Jobs bis in die Vorstandsebene von Unternehmen: 1. CIO: Chief Information Officer. Leiter für Informationstechnologie. Verantwortlich für alle IT-Projekte auf strategischer und operativer Ebene. 2. CTO: Chief Technical Officer. Verantwortlich für die technische Infrastruktur. 3. CDO: Chief Digital Officer. Identifiziert Zukunftsmärkte. Plant und steuert die digitale Transformation. 4. CFO: Chief Financial Officer. Rechnungswesen und Finanzen. Braucht tiefes Verständnis für die Auswirkungen der digitalen Technologien.

Agile Personalführung: Eine agile Personalführung baut darauf, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und diesem alle notwendigen Freiräume zu schaffen, damit dieser eigenverantwortlich oder gemeinsam in einem Team selbst organisierte Entscheidungen im Sinne des Unternehmens treffen kann. Vgl. Ernst, D./ Sailer, U./ Gabriel, R.: Nachhaltige Betriebswirtschaft, München 2021, S. 405.

Recruiting as a Service: Fachkräfte finden mit Cloud, KI und Social Media. Die Vorteile liegen vor allem in der Zeitersparnis. Die Unternehmen werden auch zu diesen Wegen gezwungen, weil die Personalmärkte angespannt sind. Es gibt eine Reihe spezieller Anbieter: CVlizer, LinkedIn Talent Solutions, Xing E-Recruiting, Workable, Talentwunder, Softgarden. Prescreen.

Die wichtigsten Themen in der Personal-Branche 2022: Digitalisierung, Agiles Arbeiten, Nachhaltigkeit, Diversity, Female Leadership, E-Mobility, New Work, Cybersecurity, KI und Robotik, Metaverse. Handelsblatt Research Institute 2022, HB Nr. 95/ 17.5.22, S. 43. 

Der "neue Arbeitnehmer": 1. Wohlstand ist kaum noch zu errechen. Also andere Gegenwerte: Selbstverwirklichung, Sinn, Work-Life-Balance. 2. Vernetzung in der ganzen Welt. 3. Gutes Arbeitsklima, Fairness, Feedback. 4. Bezahlung nicht ausschlaggebend. 5. Homeoffice. 6. Kürzere Arbeitszeit. Vgl. Kempkens, S./ Parnack, P.: "Die sind wie Plankton", in: Die Zeit Nr. 51/ 8. 12.22, S. 24f.

 

Gymnasium in Salamis im Norden der Insel Zypern beim heutigen Famagusta. Das antike Salamis wurde von Homer gepriesen (von einem Held von Troja, der von der Insel Salamis kam, gegründet) und war Aushängeschild der antiken Zivilisation. Die Stadt wurde erst im 19. Jahrhundert aus den Dünen ausgegraben. Der Deutsche Max Ohnefalsch-Richter entdeckte die Stätte und machte Ausgrabungen. Das Gymnasium war im antiken Griechenland ein Ort der körperlichen, charakterlichen und intellektuellen Erziehung. "Gymnos" bedeutet nackt. Unser Begriff Gymnasium für Schule leitet sich davon ab. In einer digitalen Welt kann Bildung immer weniger die direkte Vorbereitung auf den Beruf und seine Anforderungen sein, weil niemand die Anforderungen der Zukunft kennt. Insofern denkt man heute wieder mehr in Richtung allgemeine Bildung, Denkschulung und Methoden., weniger natürlich Richtung Wissen, das im Internet leicht verfügbar und zugänglich ist. Bildung und Ausbildung stehen so in einer digitalen Welt vor einem radikalen Wandel. Das gilt auch für die Institutionen , die Bildung vermitteln und für die Mittel, die sie einsetzen. Viele sind darauf noch unzureichend vorbereitet.

Ausbildung der Arbeit (Bildung, Bildungsökonomik; Weiterbildung; Fortbildung; Qualität der Arbeit; Bildungswesen, Schulen und Hochschulen; Wandel der Weiterbildung in der Digitalisierung: Eigeninitiative und Nutzen von Angeboten; Skills, Weiterbildung als Holschuld, Bildung in der Welt; vgl. auch EL)

Humankapital: Humankapital ist der Bestand an Wissen und Fähigkeiten, die die Produktivität eines Arbeitnehmers determiniert. Es entsteht durch Investitionen in Menschen (Schule, Studium, Berufsausbildung, Beruf). Das Konzept  führte zur Auflösung des Leontief-Paradoxons. Der Begriff wurde vor allem vom amerikanischen Ökonomen Harry G. Johnson (1923 - 1977) entwickelt: "Die Weigerung, den Investitionscharakter eines Problems anzuerkennen, weil es dabei um Menschen geht, könnte dazu führen, dass Menschen künftig schlechter behandelt werden als Maschinen". Weitere wichtige Vertreter waren Gary Becker und Jacob Mincer. Eine Erhöhung des Humankapitals durch Investitionen in die Ausbildung und Schulung führt zu mehr Privatvermögen und einer vermögenderen Wirtschaft. Die Bedeutung von Humankapital und Qualifikationen steigt mit der Globalisierung: dadurch hat  sich einerseits die Nachfrage in Richtung qualifizierte Arbeit in Industrieländern erhöht (unqualifizierte Arbeit kann in Entwicklungs- und Schwellenländern gemacht werden) und andererseits wird durch den immer schnelleren technologischen Wandel unqualifizierte Arbeit durch Maschinen ersetzt. Deutschland hat nur den Rohstoff "Intelligenz" und sollte ökonomisch mit ihm umgehen. Man kennt auch den Begriff "Sozialkapital". Hierbei handelt es sich um den intrinsischen ökonomischen Wert, den ein Netzwerk aus Beziehungen mit Kollegen, Kunden und anderen ökonomischen Agenten haben kann. Es besonderes Problem stellt die Humankapitalbewertung dar. Möglich sind eine quantitative Bewertung, nicht-monetäre Ansätze, Nachhaltigkeitsbericht und Mitarbeiterbefragungen.  "Und wenn du auch die Kraft hast, einen Berg zu versetzen, so brauchst du doch einen Verstand, der so groß und ruhig ist wie ein Ozean", Chinesisches Sprichwort. Einer der ersten Ökonomen, der auf die Idee des Humankapitals kam, war Friedrich List (1789-1846). Hier ein Zitat dazu: "Wer Schweine erzieht, ist  (nach Adam Smiths Theorie) ein produktives, wer Menschen erzieht, ein unproduktives Mitglied der Gesellschaft. Ein Newton, ein Watt, ein Kepler sind nicht so produktiv wie ein Esel oder ein Pferd", zitiert nach Wirtschaftswoche, Nr. 11/2012, S. 41. "Der bloße Gedanke, Menschen als Investment zu betrachten, ist für einige von uns anstößig. Unser Glaube und unsere Werte verbieten uns, Menschen als Kapital zu sehen", Theodore W. Schultz, Wirtschaftsnobelpreisträger 1979.

Bildungsökonomik: Gegenstand ist der Zusammenhang zwischen Bildung und Wirtschaftswachstum, Bildung als Humankapitalinvestition und die Finanzierung der Bildung. Die Bildungsökonomie, die in Deutschland in der 70er Jahren boomte, erlebt in letzter Zeit wieder eine Renaissance. Vgl. z. B. Piopiunik, M./ Wößmann, L.: Folgekosten unzureichender Bildung durch entgangenes Wirtschaftswachstum, in: Wirtschaftsdienst 2011, Sonderheft, S. 34-41. Vgl. auch den Beitrag von R. Schettkat im gleichen Heft (Bildung, Wirtschaftswachstum, Arbeitsmarkt, S. 4ff.). Das wichtigste Institut ist das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin, das 1963 gegründet wurde. Der erste Direktor Hellmut Becker hat die Bildungsforschung und Bildungspolitik maßgeblich geprägt. Mittlerweile hat auch das ifo-Institut einen Schwerpunkt in der Bildungsökonomik (Bildungs- und Innovationsökonomik, Ludger Wößmann). Ein besonderes Augenmerk ruht auf Entwicklungen im Schulsystem. Bekannt sind auch die Erkenntnisse des US-Bildungsökonomen Eric Hanushek, dass die Qualität der Lehrer den Lernerfolg der Schüler bestimmt - und nicht die finanzielle Ausstattung der Schulen. Bekannt ist ebenfalls das Ergebnis, dass gute Mathematikausbildung und -noten die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes positiv beeinflussen. Ein der größten Probleme der Bildungsökonomik ist die Ergebnismessung von Reformen. Die Bildungsexpansion (immer mehr mit Abitur, immer mehr mit Studienabschluss) dürfte in Zukunft dazu führen, dass die Titel weniger zählen. Man wird auf Kriterien wie Selbstbewusstsein, Ausstrahlung, Schönheit und Herkunft zurückgreifen (vgl. David Labaree: Someone has to fail). So liegen Schulen und Hochschulen wieder im Trend, die Distinktion und Kultivierung vermitteln, was erkauft werden kann. Das ist ein Rückfall in alte Zeiten. Mittlerweile beschäftigt sich die Bildungsökonomik auch immer mehr mit der Frage, wenn Bildung sich nicht mehr lohnt. Die Angriffe auf den kategorischen Bildungsimperativ mehren sich. Viele fordern, die Duale Berufsausbildung wieder zu stärken. Bei den Zertifizierungsprozessen für einen Abschluss und Studiengang spielt die Nachfrage am Arbeitsmarkt eine Rolle. Das ist ein großes Manko.  Eine Untersuchung der OECD 2014 kommt zu dem Ergebnis, dass die Bildungsausgaben in Deutschland unter dem OECD-Durchschnitt liegen. Zu wenige Kinder erreichen auch den Abschluss der Eltern ("Bildungsabsteiger"). Allerdings gibt es Ungenauigkeiten bei der Messung (z. B. Duales Studium). Das ifo - Institut stellt ab 2014 ein Bildungsbarometer auf. Ergebnis ist unter anderem, dass die Bundesbürger ein leistungsorientiertes Schulsystem wünschen. Bildung ist mittlerweile zu einem Riesenmarkt geworden: Die US-Bildungsschulden, d. h. Studentenkredite, liegen 2014 (1160 Mrd. US-Dollar) direkt hinter den Hypotheken. Die US-Universitäten liegen in einem harten Wettbewerb um Studenten aus aller Welt. Das deutsche Modell der überwiegend kostenlosen Bildung hat sich weltweit herumgesprochen und führt zu einem Rum auf deutsche Hochschulen. Im internationalen Vergleich investiert Deutschland zu wenig in das Bildungssystem: 4,2% des BIP liegt unter dem OECD-Durchschnitt von 4,8%. Zu wenig Mittel fließen in den vorschulischen Bereich.

Qualifikation und Arbeit: Die Hälfte der Deutschen (45%) arbeiten 2017 in Berufen, die eine hohe Qualifikation erfordern. Dabei arbeiten Frauen häufiger in solchen Berufen (vor allem durch Lehrerberuf). Durch den steigenden Anteil der Teilzeitarbeit sinkt die wöchentliche Arbeitszeit insgesamt auf 35 Stunden. 8,5% waren in einem zeitlich befristeten Job (Daten des Statistischen Bundesamtes, Studie "Qualität der Arbeit", Wiesbaden  2017).

Lebensbegleitende Berufsberatung: Ein Modell-Projekt für Jugendliche. Es wird in einigen BA-Bezirken eingerichtet.  Es soll frühzeitig auf die Anforderungen und Möglichkeiten des Berufslebens vorbereiten.

Personalentwicklung: Die moderne Personalentwicklung umfasst die Bildung (Ausbildung, Fortbildung), Aufgabenstrukturierung, Karriereplanung. Wichtige Komponenten sind die Bedeutung, die Maßnahmen, die betriebliche Bildung (Ablauf, Bildungsbedarfsanalyse), Erfolgskontrolle. Die Personalentwicklungsmaßnahme Nummer 1 ist mittlerweile das "Coaching". Es ist allerdings keine geschützte Bezeichnung und damit auch keine geschützte Berufsbezeichnung.

Bildung und Bildungspolitik: Für Deutschland ist Bildung der wichtigste Faktor. Kultur und Bildung haben Deutschland zu einem der führenden Industrieländer gemacht. Bei anderen Ressourcen, wie etwa Bodenschätzen oder Energie, haben wir nur sehr wenig. Also müssen wir, um unseren technologischen Vorsprung zu halten, immer viel in Bildung investieren. Eine sehr wichtige Grundlage dafür ist die Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft. Um diese zu wahren, sollte Bildung von der Kita bis zur Uni möglichst kostenlos sein. In der Hauptsache sind in Deutschland die Bundesländer für die Bildungspolitik zuständig. Dadurch hängt die Politik häufig an der Finanzsituation der Länder. Viele (auch Kanzlerkandidat Schulz 2017) fordern daher eine stärkere Rolle für den Bund. Bildungserfolg und soziale Herkunft sollten entkoppelt werden. Vor allem die digitale Bildung sollte sehr ernst genommen werden. Die Bildungsfinanzierung soll durch eine Grundgesetzänderung für den Bund erweitert werden. Das BAFÖ soll erhöht werden (auch für Meister).2018 kommt ein neuer Bildungsbericht: Es gibt zu wenig Lehrer und Erzieher. Die Experten fordern höhere Investitionen.  Im Jahre 2016 hat der Staat in Deutschland (Bund und Länder) 128 Mrd. € für die Bildung ausgegeben. "Education is the most powerful weapon which you can use to change the world", Nelson Mandela. Bildung muss immer wieder neu definiert werden. Dies problematisiert Konrad Paul Liessmann (Professor am Institut für Philosophie der Uni Wien) in seinem Buch "Bildung als Provokation" (Wien 2018). Er reflektiert über das gegenwärtige Bildungsverständnis. Er sieht die digitale Fitness in Konkurrenz zur klassischen Bildung. Diese erlebe einen Statusverlust. Die persönlichkeitsverändernde Kraft der Literatur werden nicht mehr gesehen. "Es ist erschreckend, wie wenig gebildet Menschen heute sind. Ich treibe mich ja viel in Politikerkreisen rum. Da bin ich oft baff", Markus Lüpertz, Quelle: Der Focus 38/2019, S. 94. Im März 2023 findet ein Bildungsgipfel in Berlin statt. Eine Bildungsstudie des IW 2023 (Bildungsmonitor, seit 10 Jahren) stellt alarmierende Tendenzen fest: Das Bildungsniveau habe sich deutlich verschlechtert. Im September 2023 findet ein bundesweiter "Bildungsprotesttag" statt. Ein Bildungsbündnis fordert mehr Investitionen in Bildung.

Nationaler Bildungsrat: Das Gremium sollte 2019 fest installiert werden, was im Koalitionsvertrag vereinbart war. Es sollte für Transparenz und Vergleichbarkeit in der deutschen Bildungspolitik sorgen, die von den Bundesländern dominiert wird. Mit dem Ausstieg von Baden-Württemberg und Bayern im November 2019 ist das Gremium erstmal auf Eis gelegt. Sie befürchten ein Sinken des Bildungsniveaus ihrer Länder und pochen auf die Bildungshoheit der Länder. Sie haben offenbar nicht begriffen, dass weniger die Bundesländer konkurrieren als Deutschland mit den USA, China und anderen Ländern. Die restlichen Länder wollen an der Institution festhalten. Im -Mai 21 kommt der Bildungsrat dann doch. Die Einsicht erwächst aus der Corona-Krise.  Es handelt sich um eine ständige wissenschaftliche Kommission. Sie soll die KMK und die Bildungsminister der Länder beraten. Ihr gehören 16 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an (5 Männer, 11 Frauen). Es geht u. a. um Bildungslücken durch Corona, Verbesserung von Inklusionsprogrammen und Digitalisierung in den Schulen. Sie sollen unbequem sein und sich den großen ungelösten Problemen widmen. Es droht allerdings der Widerstand der Kultusminister.

Bildungsgerechtigkeit: Die 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks zeigt, welchen Bildungshintergrund die Studierenden haben. Demnach werden die deutschen Hochschulen immer elitärer. Stammten 1991 immerhin noch 21 Prozent der Studenten aus einer Familie mit niedriger Bildung, waren dies 2016 nur noch 12 Prozent. Auch der Anteil mit einer mittleren Bildungsherkunft sank. Erhöht hat sich hingegen der Anteil der Akademikerkinder. Eine OECD-Studie 2018 sagt etwas über den Schulerfolg sozial benachteiligter Schüler. Es ist besser geworden.

Alphabetisierungsbewegung: Es gibt sie in vielen Ländern. Am berühmtesten ist "Literacy Volunteers" (1967) von Ruth Johnson Colvin in den USA. Sie stirbt mit 102 Jahren 2024 in Syracuse bei New York.

Bildungsinvestitionen und soziale Ungleichheit: Bildungsinvestitionen in Deutschland werden überwiegend öffentlich finanziert. Sie leisten einen Beitrag, soziale Ungleichheiten zu mildern. Ganz wichtig ist die soziale Durchlässigkeit. Ganz wichtig ist der vorschulische Bereich. Bildungsinvestitionen spielen auch eine große Rolle bei der Integration von Migranten. Vgl. Bildungsinvestitionen - wirksames Heilmittel gegen soziale Ungleichheit?, in: Wirtschaftsdienst 2016/ 7, S. 455ff. "Wenn eine freie Gesellschaft den vielen nicht helfen kann, die arm sind, wird es jene wenigen nicht retten können, die reich sind", John F. Kennedy, 1961. Ende 2023 fordert die SPD auf ihrem Parteitag einen Bildungs-Pakt. Budn, Länder und Kommunen sollen sich zusammentun, um Defizite aufzuholen. Sie will das Geld von Vermögenden nehmen.

Bildungstrichter: Metapher für den Einfluss der Herkunft auf den Bildungsverlauf.  100 Kinder von Akademikern und Nichtakademikern besuchen die Grundschule. 80 der ersten Gruppe besuchen ein Gymnasium, 46 der zweiten Gruppe. 78 der ersten Gruppe nehmen ein Studium auf, 25 der zweiten Gruppe. Vgl. Die Zeit 29/ 4.7.24, S. 42.

Aufruf des SRW für Bildungsinvestitionen nach Corona: Die vier Mitglieder Veronika Grimm, Monika Schnitzer, Achim Truger und Volker Wieland veröffentlichen am 15. März 2021 einen Artikel (FAZ, S. 16). Sie sprechen davon, dass der Lockdown Kompetenzen kostet. Sie wollen, dass schnell alle Hebel in Gang gesetzt werden, um die Lernrückstände aufzuholen (hohe Kosten entgangener Bildung). Sie konzipieren drei Phasen: 1. Zeitnah Strukturen und Personal zur Verfügung stellen. 2. Mittel zum Aufholen der Lernrückstände bereitstellen. 3. Chancengleichheit verbessern, mehr Digitalisierung.

Bildung nach Corona: Bildung spielt eine zentrale Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes, daher hat die Ampelregierung im Koalitionsvertrag diverse Vorhaben in der Bildungspolitik angekündigt. Neben dem DigitalPakt Schule, der die digitale Infrastruktur an Schulen verbessern soll, sollen das Programm „Startchancen“ für bessere Bildungschancen sorgen und ein Kooperationsgebot die Zusammenarbeit von Ländern und Bund erhöhen. Jedoch haben sich zum einen große Bildungslücken durch die Lockdowns in der Pandemie aufgetan und zum anderen klagen Schulen weiterhin über einen akuten Lehrkräftemangel. Hinzu kommen neue Herausforderungen wie z. B. die zunehmende Zahl an Kindern, die aus Krisenregionen geflohen sind. Mit Blick auf den demografischen Wandel und den drohenden Arbeits- und Fachkräftemangel müssen junge Menschen jedoch bestmöglich auf ihr Berufsleben vorbereitet werden. Siehe Zeitgespräch, in: Wirtschaftsdienst 4/ 2023, S. 232ff.

Bildung und moralisches Bewusstsein: Die Grundfrage ist, ob Bildung den besseren Menschen macht. Lernt man nur durch Bildung, mit den Schwachen zu fühlen und sich für die Welt zu begeistern? Besitzt also Bildung moralische Kraft? Vgl. Ross, Jan: Macht mich Bildung zum besseren Menschen? in: Die Zeit Nr. 4, 16.01.20202, s. 35ff. Vielleicht ist der Bildungsbegriff auch veraltet. Er hat mit Literatur, Kunst und Religion zu tun, auch mit innerer Reifung. Der klassische Bildungsbegriff klammert aber viele Bereiche aus: Macht, Geld, Naturwissenschaften. Es fehlt auch statistisches Denken, Umgang mit Risiko, Fähigkeit, selbständig zu denken

Erziehermangel: 2022 und 2023 ist er drastisch. Einrichtungen machen dicht, Betreuungszeiten werden gekürzt. Die Folgen sind auch volkswirtschaftlich verheerend. Jedes zusätzlich Schuljahr bringt 10% mehr Lebenseinkommen. Auch die Firmen müssten mehr für eine gute Betreuung tun. sie wollen, dass die Mütter zur Arbeit kommen. Vgl. Parnack, C./ Widmann, M.: Was kostet uns der Fachkräftemangel in den Kitas, in: Die Zeit 10/ 2.3.23, S. 19

Schulen: Die Schulen haben eine zentrale Funktion für den Arbeitsmarkt. Die Nachfrager nach Arbeit klagen zunehmend (2017) über mangelnde Grundkenntnisse. Diese fehlen in Mathe, Physik und Deutsch. Die Politik vernachlässigt vor allem auch die Duale Ausbildung. Unsere Zukunft hängt maßgeblich von der Bewältigung der Probleme ab. Bildung ist Deutschlands entscheidender komparativer Vorteil. Eine Ursache für die Misere könnte in der Kleinstaaterei liegen. Die Verwaltung und Leitung der Schulen muss dringend besser bezahlt werden (vor allem die Schulleiter aller Schultypen). Der Koordinator der internationalen Pisa-Studie bei der OECD Andreas Schleicher macht 2018 folgende Verbesserungsvorschläge: Ganztagsschulen und kostenfreie Kita als Bausteine für mehr Bildungsgerechtigkeit. Stärkere Eigenverantwortlichkeit der Lehrer. Einsatz interaktiver Plattformen. Mehr direkten Kontakt zu den Schülern. Im November 2018 ist der Digitalpakt für Schulen in Reichweite. Der Bund soll den Ländern künftig stärker mit Finanzhilfen für die Bildung unter die Arme greifen können. Bund und Länder helfen den Schulen in der Corona-Krise mit 100 Mio. €. Zum Schuljahresbeginn nach den Sommerferien 2022 fehlen Lehrkräfte. Der Deutsche Lehrerverband spricht von bis zu 40.000 Lehrern. Kürzung der Stundentafel sind an der Tagesordnung. 2017 sind an 1800 deutschen Schulen die Schulleiterstellen vakant. Am gravierendsten ist das Problem in NRW, wo 15% nicht besetzt sind (780 von 5100). Schweden schließt 2017 die Migranten - Schulen. Klassen mit Schülern aus allen sozialen und ethischen Gruppen sind besser. Im Abschlusspapier für Sondierungen zwischen CDU/CSU und SPD einigt man sich auf eine Investitionsoffensive für Schulen. Es gibt besonders eine Offensive für Ganztagesschulen. Der neue Präsident der Kultusministerkonferenz fordert im Januar 2018 einen innerdeutschen Schüleraustausch. Immer mehr Chinesen schicken ihre Kinder auf deutsche Internate. Für Privatschulen sind sie eine willkommene Einnahmequelle. In Berlin ist die Sekundarschule Friederich-Bergius-Schule sehr begehrt. Sie hat wesentlich mehr Bewerber als sie aufnehmen kann. Die Regeln sind streng: kein Handy, kein Essen und Trinken im Unterricht, wer zu spät kommt, muss den Schulhof kehren. Die Quote an Schulschwänzern geht gegen Null. 2018 macht jeder vierte Abiturient ein Einser-Abitur (2008: noch jeder Fünfte, 20,2%). Am höchsten ist der Einser-Anteil in Thüringen. 258 Mio. Kinder können weltweit nicht zur Schule gehen. Die Anzahl ist seit der Jahrtausendwende aber zurückgegangen  (350 Mio.). Quelle: Weltbildungsbericht der Unesco. 2020 nach der Corona-Krise warnt die OECD vor den Folgen langer Schulschließungen. Bei den Bildungsausgaben liegt Deutschland unter dem OECD-Durchschnitt. 2022 steuert Deutschland auf einen Bildungsnotstand zu. Das belegen verschiedene Studien. Die Lage an zahlreichen Schulen ist problematisch (Lehrermangel, Flüchtlingskinder, Bezahlung, Gewalt). Um dem dramatischen Lehrermangel zu begegnen, schlagen Experten ein höheres Unterrichtspensum vor (weniger Teilzeitarbeit).  Weiterhin besteht ein besonderes Problem: Bundesweit sind rund 1400 Schulleitungen unbesetzt. Vgl. Der Spiegel 41/ 7.10.23, S. 35.

Schulen im Ausland: 2023 zu Schulbeginn nach den Ferien müssen in GB mindestens 150 Schulen schließen, weil der Beton bröselt. Die Schulen sind Einsturz gefährdet.

Wichtige Daten zu Schulen Im Jahre 2021 haben 47.500 Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen. 45,6 Mrd. € beträgt der Bildungsstau an Deutschlands Schulen. 41% der Lehrkräfte in Deutschland arbeiten in Teilzeit. 68.303 € beträgt das Anfangsgehalt von Lehrern in Deutschland in der Sekundarstufe I, 31.529 € in Frankreich. Im Jahre 2035 soll der Lehrkräftemangel in Deutschland ca. 24.000 betragen (KMK) oder ca. 130.000 (Klemm). Den größten Rückgang bei Lehramtsabsolventen hat 2021 gegenüber 2010 Bremen, den höchsten Zuwachs im gleichen Zeitraum hat Brandenburg. Bei Viertklässlern in Deutschland wachsen die Defizite rapide an: Orthographie, Mathematik, Lesen, Zuhören.  Vgl. Fokken, Silke u. a.: Die Leeranstalt, in: Der Spiegel 12/ 18.3.23, S. 8ff.

Verpflichtendes Vorschuljahr: Die Schulen sind mit den unterschiedlichen Voraussetzungen überfordert. Deshalb müsste ein verpflichtendes Vorschuljahr eingeführt werden. Dafür spricht auch, dass dei kinder in diesem Alter sehr gut lernen können, Vgl. FAZ 10.1024, S. 7.

Grundschulen: Dei Grundschulen haben eine entscheidende Bedeutung bei der Herstellung von Chancengerechtigkeit. Gerade hier müsste mehr investiert werden in der Beseitigung von Handicaps bei Migranten - Kindern und Kindern aus sozial benachteiligten Schichten. Der Lehrerverband fordert im Sommer 2019 Sprachtests an Grundschulen. Kinder, die kein Deutsch sprechen, sollten nicht aufgenommen werden. Zehn Prozent der Grundschüler verlassen das Haus ohne Frühstück (Quelle: Umfrage des Allensbach-Instituts 2019). Nach einer Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung (Bildungsforscher Klemm, Zorn) im September 2019 fehlen an den Grundschulen bald bis 2025 26.300 Lehrer, mehr als von der KMK prognostiziert (11.000 mehr). Der Bevölkerungszuwachs durch Geburten und Zuwanderung ist größer als erwartet.   Bis zum Jahre 2025 fehlen rund 35.000 Lehrer für die Grundschulen (Studie der Bertelsmann-Stiftung 2018). Der geplante Rechtsanspruch für Grundschulkinder auf einen Ganztagsplatz würde nach Berechnungen der Länder (KMK) zusätzliche Kosten von 7,7 Milliarden Euro verursachen. Insofern dürfte eine Anschubfinanzierung durch den Bund (2 Mrd. €?) nicht reichen. 2019 feiern die Grundschulen in Deutschland ihr 100jähriges Bestehen (seit 50 Jahren dazugehöriger Fachverband). Ab 2025 soll ein Anrecht auf Ganztagesbetreuung kommen. In der Corona-Krise stehen die Grundschulen im Mittelpunkt, da digitaler Unterricht hier schwierig ist. Einige Länder arbeiten mit Wechselunterricht oder auch hybriden Formen. 2022 steigt die Zahl der Grundschüler stark an durch die Ukraine-Flüchtlinge (Frauen mit Kleinkindern). Die Studie "Iglu" 2023 bringt zu Tage, dass 25% der 4.-Klässler nicht richtig lesen können (die Zahl hat sich stark erhöht). 2024 gibt e seinen Widerspruch bei Prognosen über den Lehrerbedarf bis 2035. Die Bertelsmannstiftung prognostiziert einen erheblichen Überschuss an Lehrern, die Kultusministerkonferenz nur einen ganz leichten. eigentlich kann das keiner genau wissen, da die Kinder noch nicht geboren sind.

Chancengleichheit in Schulen: In Deutschlands Schulen haben 2023 40% der Kinder ausländische Wurzeln. Viele Schüler scheitern im Schulsystem. Was sind die Ursachen? 1. Sie soziale Herkunft. 2. Sprache. 3. Zu späte Förderung. 4. Folgen der Coronapandemie. Vgl. Der Spiegel 48/ 25.11.23, S. 49ff.

Milliardenpaket für Brennpunkt-Schulen (Start-Chancen-Programm): Bund und Länder wollen 2024 Brennpunktschulen mit 20 Mrd. € stärken. Man spricht auch von Start-Chancen-Programm. 4000 Schulen sollen gefördert werden. Im Juni 24 wird der offizielle Startschuss gegeben (Bildungsministerin, Kultusministerkonferenz). Das Programm läuft über10 Jahre. Die konkrete Auswahl der Schulen treffen die Bundesländer. In RLP werden 200 Schulen gefördert.

Förderschulen: Gedacht für Schüler, die an normalen Schulen nicht mitkommen. Sie haben oft einen hohen Migranten - Anteil. Die Bonner Siebengebirgschule erhält 2024 den Deutschen Schulpreis.

Handschrift und Denken: Smartphones und Sprachnachrichten bedrohen die Handschrift. Sogar in den Schulen gerät sie ins Hintertreffen. Dabei soll das Schreiben das Denken vorantrieben und eine Persönlichkeit abbilden. Hirnforscher und Psychologen weisen darauf hin, das die Schrift wichtig für Denken und Gedächtnis ist. Vgl. Schnabel, U./ Scholz, A.- L.: Die Anspitzung des Denkens, in: Die Zeit 40, 26.09.2019, S. 43.

Schüler, Lehrer und Klassen: Eine neue Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung 2017 sieht einen Schüler-Boom in Deutschland. Bis 2030 steige die Anzahl der Schüler viel stärker als angenommen. Die Autoren warnen vor einem Mangel an Lehrern und Räumen. Die offizielle Prognose der Kultusministerkonferenz (KMK) für 2025 sei mit 7,2 Mio. Schülern erheblich zu niedrig. Der Investitionsstau bei Schulgebäuden sollte abgebaut werden. Das Schulsterben auf dem Land sollte beendet werden. Eine Pisa-Studie der OECD bescheinigt 2017 deutschen Schülern. dass sie gute Teamarbeiter sind. Sie liegen zwischen dem siebten und zehnten Rang (an der Spitze liegen Schüler aus Singapur und Japan). Manche Städte lassen Zuwanderer in separaten Schulen unterrichten. Unklar ist, ob das die Integration fördert oder behindert. In einem Pilotprojekt werden 2018 von Bund und Ländern 125 Millionen Euro für besonders talentierte Schüler bereitgestellt. Eine Umfrage von Forsa bei 1200 Schulleitern kommt zu dem Ergebnis, dass die Note 5 für die Schulpolitik vergeben wird. Der Mangel an Lehrern gilt als das größte Problem. Die Arbeitsbedingungen für die Schulleitung sind nicht attraktiv genug. Nach Angaben der Kultusministerkonferenz lag 2018 der Bedarf an Lehrkräften um 11.510 über dem Angebot. Seiteneinsteiger sind eher die Ausnahme.  Nach Angaben des Deutschen Lehrerverbandes fehlen 2023 bundesweit 32.00 bis 40.000 Lehrer. Das Fehlen des pädagogischen Personals ist derzeit das größte Problem an den Schulen. Bayern hat schon einen Abwerbe - Plan. Die Schulen laufen auf eine Katastrophe zu (ausgebrannte Lehrkräfte, zu wenig Lehrer, ideenlose Bildungspolitiker). Vier von zehn Lehrern arbeiten im Schuljahr 21/22 in Teilzeit. 2023 führt eine Werbekampagne des baden-württembergischen Kultusministerium für Streit. Es erwecke den Eindruck, dass es Lehrkräften nur um Ferien gehe. Das Plakat wird geändert. 2023 gibt es noch immer Bundesländer, die ihre Vertretungslehrer am Ende des Schuljahres in die Arbeitslosigkeit schicken, um sie nach den Sommerferien wieder einzustellen (Hamburg, Hessen, Niedersachsen).

Lehrerberuf und Lehrermangel: 2023 fehlen 40.000 bis 80.000 Lehrer in Deutschland. Die Kultusministerkonferenz plant eine neue Ausbildung für Quereinsteiger. 4.500 Euro beträgt das Einstiegsgehalt im Schnitt. 75% der Lehrkräfte  sind zufrieden mit ihrer Arbeit. 42% arbeiten in Teilzeit. Es gibt drei Vorurteile über Lehrer: 1. Lehrer arbeiten wenig und sind dennoch ständig überlastet. 2. Dauernd krank und ausgebrannt: Lehrersein ist eine Diagnose. 3. Niemand will diesen unattraktiven Job. Vgl. Die Zeit 7/ 8.2.24, S. 30. Der Mangel an Fachpersonal wird immer größer. Es muss verstärkt auf Quereinsteiger gesetzt werden.

Mädchenschulen: Die Meinungen dazu gehen weit auseinander. Manche halten sie für antiquiert. Andere schätzen das Lernen klassischer Rollenbilder und das starke Wir-Gefühl. Absolventinnen sind oft erfolgreicher.

Schulabbrecher: Die Zahl der Schulabbrecher steigt. Ihr Risiko, in Armut abzurutschen, ist groß. Die Ost-Bundesländer haben die höchsten Quoten (Sachsen-Anhalt 10,0%; Mecklenburg-Vorpommern 8,8%). Die geringsten Quote haben Hessen mit 4,9% und Bayern mit 5,5%. 2022 hat Deutschland mit mehr als 12% erneut die vierthöchste Schulabbrecherquote in der EU (52.300 Schulabbrecher, am höchsten in Rumänien, vor Spanien und Ungarn). Quelle: Eurostat, Luxemburg.

Antisemitismus an Schulen: Er hat stark zugenommen. Immer mehr jüdischen Schüler werden in Deutschland gemobbt. Genaue Zahlen liegen aber nicht vor, weil die betroffenen Schüler die Schulen oft verlassen. Eltern halten ihre muslimischen Kinder an, lieber zu schweigen. Im Gaza-Krieg werden die Schulen allein das Problem des Antisemitismus nicht lösen können. Es gibt einseitige Bewertungen bei muslimischen Schülern. Lehrer zweifeln daran, dass sie den Anforderungen gerecht werden. Vgl. Schnakenberg, Ulrich: Das große Schweigen, in: FAZ 21.12.23, S. 6.

Digitale Bildung in den Schulen: Die großen Technologiekonzerne drängen in die Schulen, in dem sie die digitale Infrastruktur sponsern. Sie hoffen so auf künftige Fachkräfte und Kunden. Insbesondere Google tut sich hervor. Vom Marketing her ist das verständlich, aber die Grenzen verschwimmen. Lehrer werden zu Markenbotschaftern. Kanzlerin Merkel sagt im Februar 2018 zu, die Schulausstattung aus Mitteln des "Digitalpaktes" zu fördern. 3,5 Mrd. € sollen dafür zur Verfügung stehen. Ab 2019 zahlt der Staat für die digitale Bildung in Schulen.  Es generell mehr Bundesmittel in den Bereich Bildung fließen. Die dafür nötige Mehrheit ist zwar im Bundestag da, nicht aber bei den Ländern. Einige (vor allen B.-W-) sind gegen die erforderliche Grundgesetzänderung. Der Widerstand gegen den Digitalpakt wächst. Er muss modifiziert werden. Es kommt vorerst keine Änderung der Verfassung zustande. Im Februar 2019 kommt es zu einer Annäherung im Streit um den Digitalpakt. Ko - Finanzierungspflichten für die Länder sollen entfallen. Der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag vereinbart eine Grundgesetzänderung. Milliarden werden ausgegeben, u, die Schulen zu digitalisieren. Doch viele Kinder und Jugendliche können mit den neuen Medien kaum umgehen. Bei der digitalen Bildung liegt Deutschland weiterhin gang hinten (vorne sind die skandinavischen Länder). Große Lücken hat auch der WLAN -Zugang in Schulen. Vgl. Der Spiegel 47/ 16.11.24, S. 42ff. Als Pionierin der digitalen Bildung gilt die Britin Kathryn Parsons. Sie will, dass alle Menschen programmieren lernen. Sie bietet Kurse in ihrer Firma an. Sie ist Mitbegründerin von Decoded, die 2011 gegründet wurde.Heute bietet die Firma weltweit in 85 Städten (2019) Kurse in Digitalisierung an. Man arbeitet auch mit der Geschichte von Ada Lovelace, die 1843 als Mathematikerin die erste Programmiererin der Welt war. Parsons hat in GB durchgesetzt, dass die Schüler schon in Grundschule "Codieren/Programmieren" lernen. In der Corona-Krise 2020 ist digitaler Unterricht gefragt denn je. Aber es zeigt sich auch, dass die Mittel unzureichend sind. Die Lehrer arbeiten meist mit privatem PC und die Schulen haben eine schlechte Infrastruktur. Im Juli 2020 werden 500 Mio. € für ein Sofortprogramm für Schüler-Laptops zur Verfügung gestellt. Das Programm wird erweitert: Es soll Computer vom Staat für alle Lehrer geben. Die Telekom will einen Schülertarif anbieten. Am 21.9.20 treffen sich die Kultusminister mit der Bundeskanzlerin und der Bundesbildungsministerin. Die Digitalisierung der Schulen muss schneller kommen (Dienst-Laptops, Schulungen, Infrastruktur, Schülertarife). Auch die Lüftung der Klassenräume soll verbessert werden. Beim Digitalpakt Schule werden zu wenig Mittel abgerufen. Der Datenschutz könnte den digitalen Unterricht in Zukunft einschränken. Für Videokonferenzen setzen Schulen oft nicht datenschutzkonforme Systeme von US-Anbietern ein. "Der Unterschied zwischen Kollateralschaden und -nutzen der Pandemie für unser Bildungssystem liegt im Adjektiv: Wir brauchen nicht digitales Lernen, sondern soziales Lernen mit digitalen Mittel", Robert Simanowwski, Vgl. Ders.: Digitale Revolution und Bildung für eine zukunftsfähige Medienkompetenz, Beltz 2021.

Schulbildung und soziale Unterschiede: "Bildungsgerechtigkeit spielt eine wichtige Rolle für die soziale Mobilität in einer Gesellschaft. Die Ergebnisse zeigen, dass in Deutschland Performancelücken zwischen Kindern unterschiedlichen sozioökonomischen Hintergrunds bereits früh vorhanden sind und diese sich über die Schullaufbahn hinweg nicht wesentlich verändern. Das bedeutet zum einen, dass bereits vor Schulbeginn wichtige Faktoren den Werdegang eines Kindes beeinflussen. Zum anderen implizieren die Ergebnisse auch, dass das deutsche Schulsystem die bestehende Performancelücke zwar nicht verringert, gleichzeitig aber ein weiteres Auseinanderdriften der kognitiven Fähigkeiten unterschiedlicher sozioökonomischer Gruppen verhindert. Für geeignete Reformen bedeutet dies: Gezielte Maßnahmen in der frühen Kindheit – Mentoring-Programme, Elterntraining, qualitativ hochwertige Förderung im Kindergarten – könnten zu einer Verringerung der Leistungslücken zum Schulbeginn führen. Da Performancelücken sich über die Schullaufbahn nur wenig verändern, könnte dies eine langfristige Steigerung sozialer Mobilität bewirken." Siehe Mergele, L./ Raith, J./ Zierow, L.: Gleicht Schulbildung soziale Unterschiede aus? Leistungsunterschiede in der Kindheit nach sozioökonomischem Hintergrund, in: Wirtschaftsdienst 12/2020, S. 932-936.

Schule in Corona-Zeiten: Das Schulpolitik Ländersache ist, gibt es im Föderalismus große Unterschiede. Mal sind die Schulen geschlossen, mal nicht und mal zum Teil (Hybrid). Einige Länder erstatten den Eltern die Kita-Beiträge. Manchmal dürfen auch die Kommunen entscheiden. Die Grundschulen sind in der Regel früher oder länger offen, weil digitaler Unterricht schwer möglich ist. Man öffnet oft wegen der Arbeitgeber. Die werden aber auch gebeten, Rücksicht zu nehmen. Die Schulschließungen haben psychologische, soziale und ökonomische Kosten. Nur sind sie schwer zu beziffern. Der Ifo-Bildungsökonom Wössmann schätzt einen  Verlust von 1,5% der Wirtschaftskraft. Vgl. Wössmann, Ludger: Schulen auf? Schulen zu? in: WiWo 3, 15.01.21, S. 42f. Das Ifo-Institut versucht sich an einer Prognose der ökonomischen Folgekosten des Schulausfalls durch Corona. Als Folgen werden der Rückgang des BIP und der Ausfall Lebenseinkommen gesehen. Man macht drei Szenarien (12 Wochen, 18, 22). Man sollte aber sehr vorsichtig mit solchen Prognosen umgehen. Ein milliardenschweres Förderprogramm des Bundes soll Wissenslücken durch Corona stopfen (bundesweites Nachhilfeprogramm). Das Förderprogramm, das im Mai 2021 beschlossen wird,  umfasst 2 Mrd. €. 1 Mrd. € sind dafür, Lernrückstände zu verringern (insbesondere bei Schülern mit Migrationshintergrund; Erhöhung der Zahl der Kitas mit Spracherwerb und -verbesserung). Die zweite Mrd. ist für psychische Unterstützung der Schüler (Erholungsurlaube für Familien, Ferienfreizeit, Schulsozialarbeit). Eine Studie der Frankfurter Uni kommt im Juni 2021 zu dem Ergebnis, dass Distanzunterricht so effektiv wie Sommerferien ist.

Montessori-Schulen: Maria Montessori wurde 1870 in Italien geboren und starb 1952 in den Niederlanden. In Deutschland arbeiten ca. 600 Kindergärten und 400 Schulen nach Montessori. Das originale Lernmaterial wird von einer niederländischen Firma produziert. 2024 kommen ein Kinofilm (ab 7.3.24) über sie und ein Sachbuch auf den Markt. Das Buch "Der lange Schatten Maria Montessoris" von Sabine Seichter erschien im Beltz-Verlag. Man spricht auch von einer Montessori-Pädagogik. Sie war mit Sicherheit nicht die Vorreiterin von Integration und Inklusion behinderter Kinder. Sie wollte das "neue Kind" schaffen und sprach vom Erlöserkind. Sie hatte auch eine Schattenseite (Rassentheorie, Nähe zu Mussolini). Vgl. Interview mit Ullrich, Heiner: "Sie sprach von Erlöserkind", in: Die Zeit 10/ 29.2.24, S. 30. Sie gilt auch als ein Vorbild der Emanzipation der Frau. Sie lehnt die Ehe mit ihrem Kollegen und Vater ihres behinderten Kindes ab, um ihre Freiheit zu bewahren. Sie hatte schon als eine der ersten Frauen in Italien Medizin studiert.

Handy-Verbot an Schulen: 2024 sind 60% der Bundesbürger dafür. Die Meinungen gehen nach Bundesländern extrem auseinander: Sachsen 72% dafür, Bremen nur 31%. Vgl. Bild 21.2.24, S. 2. Eine Kindheit ohne soziale Medien ist heute so gut wie undenkbar. Man weiß noch zu wenig über die langfristigen Folgen. Es gibt nur Thesen, die unbewiesen sind. Bildschirmnutzung macht dick. Digitale Medien verursachen Schlafstörungen. Bildschirme machen abhängig. Bildschirmnutzung macht dumm. Vgl. Schönert, Ulf: Handy weg von meinem Kind, in: Die Zeit 10/ 29.2.24, S. 27.

OECD und Pisa-Test an Schulen: Im PISA - Test 2016. sind die Deutschen überdurchschnittlich. Spitzenreiter sind Singapur, Estland, Japan oder Kanada. Die Pisa-Studie 2019 zeigt, dass deutsche Schüler unbedingt aufholen sollten. Sonst fehlen bald die Tüftler. Erstmals nach der Corona-Pandemie erhält Deutschland wieder ein neues Pisa-Zeugnis 2023: Das Ergebnis ist verheerend. In Mathematik, im Lesen und in Naturwissenschaften sind ei Leistungen der Jugendlichen drastisch gesunken.

Bildungsmonitor: Er untersucht jährlich die Bildungssysteme der 16 deutschen Bundesländer und vergleicht sie. An der Spitze der Vergleichsstudie steht die arbeitgebernahe Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Es führen in der Regel Sachsen und Bayern. Kriterien sind unter anderen Reduzierung der Bildungsarmut, Beitrag zur Sicherung des Wohlstands, Fachkräftesicherung.

Mint-Berufe: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik. Interessant sind die Ergebnisse eine Studie an der Uni Saarbrücken (Schröder, 2023). Unterdrückte Frauen in den arabischen Ländern bevorzugen in Studium und Beruf die Mint - Bereiche. Emanzipierte Frauen in den skandinavischen Ländern halten sich eher davon fern. Es gibt also einen großen kulturellen Einfluss.   Im April 2018 gab es einen Rekordmangel: 314.800 Arbeitskräfte fehlten. In Deutschland steigt die MINT - Zuwanderung deutlich. 2012 kamen 70.000 kräfte aus dem ausland, Ende 2022 waren es schon 202.000. Im gleichen Zeitraum wuchs der Anteil an Ingenieuren aus dem Ausland von 6,0% auf 10,5%. Quelle: IW, Köln.

UN-Bildungsfonds: Mehr als 220 Mio. Kinder weltweit im Schulalter sind von Naturkatastrophen, Krisen und Konflikten betroffen (z. B. Ukraine, Afghanistan, Syrien, Region Horn in Afrika). Sie alle brauchen Zugang zu Bildung. Auf einer internationalen Konferenz im Februar 2023 haben Geber 772 Mio. Euro zugesagt. Deutschland ist mit 210 Mio. € größter Geber. Das Geld ist für den Bau von Schulen, Unterrichtsmaterialien, Mahlzeiten und psychosoziale Betreuung.

Ingenieure: Deutschland hatte eine exzellenten Ruf in Ingenieurwissenschaften. Ingenieure waren ein Symbol des deutschen Aufstiegs. Deutsche Ingenieure galten als die Erfinder an sich: Telefon, Elektrolokomotive, Auto, S-Dübel  und viele andere. Der gute Ruf ist heute noch spürbar bei Ingenieuren in Asien, die oft in Deutschland studiert haben. Durch den Dieselskandal gerät der Berufsstand in Verruf.

Double Shift: Modell in Jordanien zur Ausbildung von Flüchtlingslindern. Kinder verschiedener Nationalitäten werden an Schulen in Doppelschichten unterrichtet. Vgl. die Webseite " double-shift.org " .

Kooperationsverbot: Bestandteil der Föderalismusreform von 2006. Bildungspolitik ist von jeher Sache der Länder. Ausnahmen gibt es, z. B. wenn der Bund sich an wissenschaftlichen Projekten beteiligt. Ansonsten ist dem Bund eine dauerhafte Beteiligung an bildungspolitischen Maßnahmen der Länder untersagt. Die Kritik an diesem Kooperationsverbot wächst. Der Bildungsföderalismus scheint überholt zu sein.

Duales System: Die Kombination von Schulunterricht und Praktikum bzw. Lehre im Betrieb gilt als Erfolgsrezept. Hier lieht eine der Hauptursachen der Qualität und Effizienz der deutschen Industrie. Qualitätsmängel zeigen sich überall dort, wo dieses System nicht ist. Etwa in den USA und China. Mit dem System arbeiten in Europa auch Österreich und Dänemark. Das Duale System ist in den letzten Jahren unter Druck geraten in Deutschland. Man spricht von einer "Sandwich-Position". Von oben kommt der Druck, weil gute Schulabgänger lieber studieren (Akademisierung). Von unten herrscht Druck, weil die Anforderungen in der Ausbildung steigen und die Leistungsschwächern nicht mehr mitkommen. Frankreich hat schon die Situation einer zu hohen Akademikerquote, was mit ein Grund ist für die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Die Berufsausbildung im Handwerk muss wieder angesehener werden, damit nicht nur gescheiterte Akademiker bestimmte Berufe ergreifen. Im OECD-Bildungsbericht 2016 wird das deutsche, duale Ausbildungssystem ausdrücklich gelobt. Es sei ein großer Erfolg am Arbeitsmarkt. Eine weitere Studie der OECD zeigt an, dass jeder Achte Jugendliche fürs Erwerbsleben kaum gerüstet ist (kann keine duale Ausbildung machen). Wirtschaftsminister Gabriel will ab 2017 die Berufsschulen stärker fördern. Auch Trump lässt sich bei seinem Deutschlandbesuch 2017 bezüglich Duale Ausbildung informieren. Man erkennt immer mehr, dass hier ein Erfolgsgeheimnis des deutschen Exporterfolges steckt. Im Koalitionspapier der GroKo vom Februar 2018 ist ein Mindestlohn für Lehrlinge vorgesehen. Das könnte Handwerksbetriebe zum Ausstieg aus der Ausbildung bewegen. 2019 fordert das Handwerk eine Ablöse für Azubis (Handwerksverband). Die Ausbildung sei teuerer als der Nutzen für die Betriebe. Der Bundesarbeitsminister erklärt das Jahr 2021 zum Jahr der Ausbildung. 2023 können nicht alle Ausbildungsstellen besetzt werden. Es entsteht eine Art Wettbewerbssituation zwischen Dualer Ausbildung und Hochschulen. dei zahl der Studienanfänger ist gesunken. Zwei Drittel aller Auszubildenden sind im Jahr 2013 von ihrem Betrieb übernommen worden (höchster Stand seit 1996). Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung 2015 gerät das System der dualen Ausbildung immer mehr unter Druck. Nur die Hälfte der Hauptschüler findet direkt einen Job. Der Trend zur Akademisierung scheint nicht zu stoppen. Viele Betriebe finden keine Bewerber für Lehrstellen mehr. 2015 haben so wenig Menschen eine Berufsausbildung begonnen wie noch nie seit der Wiedervereinigung 1990:  516.200 Männer und Frauen (0,4% weniger als 2014). Die Studienneigung hat zugenommen. Bis Anfang August 2016 waren allerdings wieder 6,9% mehr Ausbildungsverträge im Handwerk abgeschlossen. Die Werbung zeigt Wirkung. Der Betriebsrat der BASF fordert 2018, dass das Unternehmen mehr ausbildet. Baby-Boom-Jahrgänge gingen demnächst in Rente. Es drohe ein Lücke beim Wissenstransfer im Stammwerk. Mehr als jeder vierte Auszubildende bricht vorzeitig seine Lehre ab (25,8%). Die Zahl stammt von 2016. Es ist der höchste Wert seit Anfang der 90er Jahre. 2019 fordert die SPD einen besseren Lohn in der Ausbildungszeit. 2020 geht durch die Corona-Krise die Zahl der Ausbildungsangebote um -39.000 zurück. Aber auch die Zahl der Bewerber geht zurück. Die Ausbildung ist in der Krise. Eine neue Ausbildungsprämie soll 2021 helfen (6000 € für KMU bis 499 B.). Die Corona-Krise hat zu der geringsten Zahl an Ausbildungsverträgen seit der Wiedervereinigung geführt (465.200 2020). Der Ausbildungsmarkt ist am Boden. Branchen, die unter Lockdown - Maßnahmen leiden, verbuchen immense Nachwuchsrückgänge. 2022 werden in fast allen Branchen Azubis benötigt. 2023 wirbt Arbeitsminister Heil für die duale Ausbildung. Es fehlen Fachkräfte im Handwerk. 2024 spitzt sich der Azubi-Mangel zu. Laut DIHK konnten schon2023 jeder zweite ihrer Ausbildungsbetriebe nicht alle Plätze besetzen. Es gibt mehr Abiturientinnen (34%) und weniger Hauptschüler  (16%). Großbetriebe sind im Vorteil. Das Niveau sinkt. Vgl. WiWo 36/ 30.8.24, s. 14ff.

Daten zum dualen System in Deutschland: 2021 wurden 536.000 Ausbildungsstellen angeboten. 63.200 Stellen waren 2021 unbesetzt. 327 duale Ausbildungsberufe gibt es in Deutschland, davon 130 im Handwerk. Vgl. Die Zeit Nr. 36/ 1.9.22, S. 39. Auch 2023 sind Tausende von Lehrstellen nicht besetzt. Mitte 2023 sind es 35.000. Mehr als 73.400 Lehrstellen konnten 2023 nicht besetzt werden.

Berufsschule: Die Berufsschulen in Deutschland kämpfen mit vielen Problemen. Es gibt zu wenig Geld und dei Perspektive ist zu wenig. Zehntausende Lehrer fehlen auch. 2,6 Mio. Menschen zwischen 20 und 35 Jahren haben in Deutschland 2023 keine berufliche Ausbildung. Das System der Schweiz gilt als noch besser.

Duales System als Exportschlager: Deutsche Außenhandelskammern vermitteln die duale Ausbildung im Ausland. In besonders wichtigen Ländern wie USA und China kooperieren sie mit den deutschen Direktinvestitionen. So gibt es das Projekt des Bundeswirtschaftsministeriums "Skills Expert Project", das die duale Ausbildung bei KMU in Afrika fördert.

Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung 2023: Hiermit soll eine Garantie für alle jungen Menschen auf einen Ausbildungsplatz verankert werden. Notfalls soll das über außerbetriebliche Einrichtungen laufen. Es soll auch eine Mobilitätsprämie geben, damit Stellen in weiter entlegenen Regionen erreichbar sind. Es soll ein Qualifizierungsgeld als Lohnersatz geben. 2,3 Mio. Menschen zwischen 20 und 34 Jahren waren 2020 ohne Berufsabschluss. 47,5 Tsd. Schülerinnen und Schüler verpassten 2021 ihren Hauptschulabschluss. 50 Tsd. Ausbildungsverträge gab es im Jahr 2021 weniger im Vergleich zu 2019 (Vor - Corona - Jahr).

Stärkung des Ausbildungsmarktes: "Die Probleme der Betriebe, junge Menschen für eine Ausbildung zu gewinnen, sind in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Um dem entgegenzusteuern, werden derzeit unterschiedliche Maßnahmen in Politik und Wissenschaft diskutiert. Die Ausbildungsgarantie zielt insbesondere auf Personen ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulabschluss ab. Um die Attraktivität der dualen Ausbildung für Personen mit Studienberechtigung zu erhöhen, werden neben dem Ausbau der Berufsorientierung die Erhöhung der Ausbildungsvergütung sowie die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Ausbildung am häufigsten genannt. In diesem Kontext wird die aktuelle Lage auf dem Ausbildungsmarkt betrachtet. Dabei wird die Aufmerksamkeit auf einen ganz wesentlichen Punkt gelenkt: Die Berufswünsche der jungen Menschen passen oft nicht mehr zu den Bedarfen der Wirtschaft." siehe Schuß, Eric: Die schwierige Lage auf dem deutschen Ausbildungsmarkt, in: Wirtschaftsdienst 8/ 2023, S. 553-559.

Ökonomische Bildung in der Schule: 2019 bildet sich ein ungewöhnlicher ökonomischer Zusammenschluss aus Wirtschaft, Wissenschaft und Lehrerverbänden. Er will künftig dafür kämpfen, das oft mangelhafte Wirtschaftswissen von Schülern und Lehrern zu verbessern. Am 29. November 2019 stellt sich in Berlin das Bündnis Ökonomische Bildung der Öffentlichkeit vor. Es hat 40 Mitglieder. Kernforderung: Ökonomische Bildung muss für alle Schülerinnen und Schüler in hinreichendem Umfang und verpflichtend im Schulunterricht verankert werden. 2020 führt NRW an allen weiterführenden Schulen das Fach Wirtschaft ein. Doch es mangelt noch an Lehrern mit ausreichendem Sachverstand.  Das Bündnis ist ein eingetragener Verein (e. V.). Erster Geschäftsführer wird der Geschäftsführer des bdvb, Düsseldorf (auch Vereinsadresse).

Jugendliche (20 - 34-Jährige) ohne Berufsausbildung: 2021 wird ein neuer Negativ-Rekord erreicht. 2,52 Mio. Menschen in Deutschland haben keinen Berufsabschluss. Das wird im Berufsbildungsbericht 2023 (BIBB) bekannt gegeben (Daten stammen aus dem Mikrozensus). Das sind immerhin 17.0 % der Altersgruppe.

Weiterbildung: Fachkräftemangel und  Kapazitätsunterauslastung rücken die Weiterbildung als wichtige Investition in die Zukunft wieder in den Mittelpunkt. Besonders die betrieblichen Qualifizierungsanstrengungen sollten verstärkt werden, wobei das Duale System im Mittelpunkt stehen sollte. In Deutschland wird 2009 die erste Hochschule für Weiterbildung in Berlin gegründet. Sehr umstritten ist die Weiterbildungsindustrie im Zusammenhang mit Transfergesellschaften (Bildungsträger sind auch häufig in der Hand von Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbänden). Transparenz und Qualität sind verbesserungswürdig. Europaweit haben die skandinavischen Länder, die Niederlande und Frankreich prozentual mehr Weiterbildende Unternehmen. Vgl. Behringer, F.: Betriebliche Weiterbildung in Europa, in: Wirtschaftsdienst 2011, Sonderheft, S. 15-19. Gute Daten über die Weiterbildung in Deutschland liefert die Erwachsenenbefragung des Nationalen Bildungspanels (NEPS). Hier gewinnt man Informationen über Bildungs- und Erwerbsverläufe von Personen (ca. 11700 Personen zwischen 23 und 64 Jahren) und wichtige Kontextdaten. Der Weiterbildungsatlas 2018 (Stiftung) kommt zu dem Ergebnis, dass 2015 nur jeder Achte (12,2%)  ab 25 Jahren an Weiterbildung teilgenommen hat. Bei den Geringqualifizierten sind dies nur 5,6%. Die Mitarbeiter müssen zunehmend ihre Karriereentwicklung selbst in die Hand nehmen, um sich neues Wissen anzueignen. Dabei müssen sie neue Wege nutzen (zunehmend digital). Dadurch ändert sich der Selbstverständnis (Bewusstsein für Investitionen in die Karriere). Die BASF löst 2019 die Weiterbildungsabteilung auf.

Weiterbildung 4.0: Lernen für die digitale Zukunft. Es geht um die Automatisierung und die digitale Fabrik. Die Integration des Menschen steht im Mittelpunkt. Der Mittelständler Festo hat schon vor 50 Jahren eine eigene Bildungssparte gegründet. Sie beschäftigt 2016 über 900 Menschen. Auch die Formen der Weiterbildung passen sich dem an. Neue App - Angebote kommen hinzu. Aber auch Online-Selbststudium, Training am Computer, virtuelles Klassenzimmer gewinnen an Boden neben Einzelcoaching, Workshop, Action Learning in Präsens und Lernen im Team. Weiterbildung für die digitale Zukunft muss ein soziales Problem bewältigen helfen: Viele Jobs wird es nicht mehr geben, neue werden entstehen. Darauf muss die Weiterbildung ausgerichtet werden.

Nationale Strategie "Weiterbildung": Bund, Länder, Arbeitgeber und Gewerkschaften kooperieren. Die Koordination liegt beim Bundesministerium für Arbeit. Arbeitssuchende sollen einen Anspruch auf Förderung bekommen, wenn sie einen Berufsabschluss nachholen.  Die Weiterbildungsangebote von Bund und Ländern sollen auch besser vernetzt werden und transparenter werden. Das Kurzarbeitergeld soll stärker mit Weiterbildung verknüpft werden.

Kosten der Weiterbildung: Weiterbildungskosten in Betrieben im Europäischen Vergleich in Prozent der Gesamtarbeitskosten: Dänemark 2,7%, Frankreich 2,5%, Deutschland 1,4%, Italien 1,3%, Österreich 1,3%. Deutschland liegt beim lebenslangen Lernen also zurück. Quelle: Eurostat.

Qualifizierungsgeld 2024: Ab 1.4.24 sollen Mitarbeiter und Betriebe bei der Weiterbildung unterstützt werden. Es geht um die Unterstützung eines Strukturwandels in der deutschen Wirtschaft. Es ist Lohnersatz. Die BA zahlt (605 des Nettogehaltes). .

Weiterbildung und Zukunft der Arbeit: 1. Schneller technischer Fortschritt (kostenlose Leistungen, Verschiebung von Kundenbedürfnissen, neue Technologien). 2. Wachsende Nachfrage nach Kompetenzen (Anstieg der Arbeitsanforderungen, Knappheit an Arbeitnehmern). 3. Arbeitsmodelle im Umbruch (Fernarbeit, Freiberufler), Demografische Veränderungen (ältere Arbeitnehmer, Frauen, Migranten). Veränderte Erwartungen der Arbeitnehmer (flexible Arbeitsformen, sinnvolle Tätigkeiten). Wirtschaftsumfeld (Regulierungsvorschriften, Volatilität).

Bildungszeit (Bildungskarenz in Voll- und Teilzeit): Es ist ein neues Weiterbildungsgeld ab 2023. Das Modell stammt aus Österreich. Dort gibt es die Bildungskarenz seit 1998. Die Mittel sollen von der BA kommen. Arbeitnehmer erhalten für maximal ein Jahr 60% bzw. 67% (mit Kindern) des letzten Nettogehalts. Damit soll dem Fachkräftemangel und Strukturwandel in Unternehmen begegnet werden. Grundlage soll ein Weiterbildungsgesetz sein. Es soll darauf reagieren, dass sich die Anforderungen im Job immer schneller ändern.

Weiterbildungswunsch der Mitarbeiter: 1. Schaffen sie eine Kultur des Lernens. 2. Beteiligen sie die Mitarbeiter aktiv an der Transformation. 3. Halten sie auch intern nach Talenten Ausschau. 4. Entwickeln sie gemeinsam firmenübergreifend einen Talentpool. 5. finden sie Möglichkeiten für den Umgang mit chronischer Unsicherheit. Vgl. Fuller, J. B. et al.: Mitarbeiter wollen Weiterbildung, in: HBM, März 2020, S. 70ff.

Berufliche Weiterbildungsmethoden: Der HR Report von Hays 2020 (Personalberatung) ermittelt folgende Rangfolge und Anteile: 1. Learning on the Job (41%). 2. Externe Präsenzseminare (40). 3. Interne Präsenzseminare (39). 4. Webinare (34). 5. Lernvideos (21). 6. Virtueller Austausch iin Foren (9). 7. Blended Learning (9). 8. Virtual Reality (7). 9. Gamification (4).

Digitale Lernmethoden: 1. Adaptive Learning: Web-Based Training mit Assistenzfunktionen. Stoff und Schwierigkeit kann dem individuellen Wissensstand angepasst werden. 2. Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR). 3. Blended Learning. Mischung aus Präsensseminaren und anderen digitalen Methoden. 4. Digitale Lernassistenten: Begleitung durch Lernprozesse im Internet. 5. Gamification. Lerninhalte in Spielen verpackt. 6. Mobile Apps: Lernsoftware für Smartphones. 7. Soziale Netzwerke. 8. Video-Schulungen. 9. Virtuelle Klassenräume/ Webinare. 10. Web-Based Trainings inklusive Video.

Chief Learning Officer (CLO): Weil sich die Arbeitswelt gerade rasant verändert, ist eine kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiter für den Unternehmenserfolg entscheidend. Dabei hat der CLO eine immer größere Rolle. Sie und die Bezeichnung beinhaltet, dass er mehr Transformer ist. Er muss Veränderungen in den Lernzielen, Lernmethoden und Weiterbildungsabteilungen umsetzen. Konkret geht es um folgende Fähigkeiten für die digitale Welt: 1. Digitale Kommunikation. 2. Agile Praktiken. 3. Digitale Geschäftsmodelle. 4. Compliance und Risiken. 5. In Abläufen denken. 6. Digitale Technologie. 7. Datenbasiertes Denken. Vgl. Lundberg, A./ Westermann, G.: Vom Trainer zum Transformer, in: HBM Mai 2020, S. 48ff.

Menschen lernen von Maschinen (Schattenlernen): Immer öfter setzen Unternehmen auf Künstliche Intelligenz und Robotertechnik. In der Medizin, bei der Polizei und in anderen Bereichen entwickeln Mitarbeiter Methoden zum Erwerb von Fachwissen, die mit Vorschriften brechen. Schattenlernen funktioniert dort gut, wo offizielle Methoden scheitern. Vgl. Beane, Matt: Wenn Menschen von Maschinen lernen, in: HBM April 2020, S. 38ff.

Selbst-Entrepreneurship: Der unternehmerisch denkende Freelancer bekommt eine immer größere Bedeutung. Alle Berufe, die durch einen hohen Anteil an Routineaufgaben gekennzeichnet sind, sind massiv betroffen. Die Rettung der Jobs ist nur durch Weiterbildung möglich, meist in Selbstinitiative und Selbstdurchführung. Niemand wird sonst bereit sein, die Kosten zu übernehmen. Sogar ein Teil der IT - Qualifikationen wird in Zukunft nicht mehr gebraucht.

Die Zukunft des Lernens in der Digitalisierung:  Das stetig wachsende Angebot an Onlinekursen, sozialen Plattformen und Lernwerkzeugen trägt dazu bei, die entstandene Lücke in der Weiterbildung von Führungskräften zu schließen. Anbieter sind sowohl traditionelle Unternehmen aus der Branche als auch Neueinsteiger. Man spricht von einer persönlichen Lernwolke: Diese hat vier Eigenschaften. 1. Das Lernen ist personalisiert. 2. Lernen läuft gemeinschaftlich. 3. Lernen ist in einen Kontext eingebunden. 4. Lernergebnisse können transparent verfolgt und überprüft werden. Die persönliche Lernwolke ist im Vergleich zu traditionellen Angeboten wesentlich günstiger. Vgl. Moldoveanu, M./ Narayandas, D. in HBM Juni 2019, S. 30ff.

Digitale Kompetenzen: Die Trends in der Weiterbildung 2021 sind weniger Präsenz (Folge von Corona), Lern-Nuggets (häppchenweise lernen), Personalisierung (individuell zugeschnitten). Einige Anbieter unterscheiden zwischen Mindset (Grundinventar der Einstellungen und Eigenschaften ) und Skills. Es gibt online zahlreiche Anbieter von Weiterbildung: Bitkom Akademie, Fraunhofer Academy, Haufe Akademie, SAP Education und viele andere. Vgl. Mauerer, Jürgen:  Digitale Kompetenzen für die Mitarbeiter, in: com!professional 2/2021, S. 14ff.

Lernen mit Youtube - Videos: Dieses Lernen nimmt in allen Bildungsinstitutionen zu. Immer mehr Schüler nutzen Internet-Videos zum Lernen. Das wird auch zunehmend in die Lernkonzepte von Schulen eingebaut. Auch an den Hochschulen spielen diese Videos eine immer größere Rolle.

Lernerfolg: Schüler lernen am besten, wenn sie zugleich intelligent und interessiert sind. Quelle: Leibnitz-Institut für Sozialwissenschaften (4500 Schüler der 7. bis 9. Klasse). Eine hohe Intelligenz könnte ein fehlendes Interesse nicht wettmachen.

Edutainment: Neue, moderne Art des Lernens. Man könnte sagen Lernen mit Unterhaltung. Sie basiert auf Coaching. Die Berufsbezeichnung "Coach" ist in Deutschland nicht geschützt. Die Szene blüht. Sie entspricht dem Zeitgeist. Jeder glaubt, sich damit verbessern zu können. Früher sprach man von Motivationsseminaren. 

Master of Business Administration (MBA): 2018 sind sie eher in der Krise. Die Bewerberzahlen sinken. Viele fragen sich, ob der Abschluss noch lohnt. Vielleicht ist das nur ein Zwischentief, das zu einer Marktbereinigung führt.

Zweite Ausbildung und Auszeit: In Zukunft wird es mehr Brüche geben müssen. Man nimmt sich eine Auszeit, um sich weiterzubilden oder um sich zu erholen. Das geht auch nicht anders, wenn wir länger arbeiten müssen. Man kann dies kaum mit ununterbrochener Erwerbszeit erreichen. Vollzeitmodelle wir es im 21. Jahrhundert wahrscheinlich immer weniger geben.

Schulungen: Unternehmen geben sehr viel für Schulungs- und Personalentwicklungsprogramme aus. Diese Investitionen zahlen sich oft nicht aus. Es fehlt an der Umsetzung in die Praxis. Also sollten zuerst auf organisatorischer Ebene die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Mit einer klaren Strategie, ein Mitarbeiterfeedback und der Beseitigung der größten Hindernisse kann das Coaching beginnen und dann folgt eine Prozessberatung. Dann können Schulungen mit Erfolgsmessung folgen Vgl. Beer, M./ Finnström, M./ Schrader, D.: Woran Schulungen scheitern, in: Harvard Business Manager, Nov. 2016, S. 30ff. "Wer aufhört zu lernen ist alt. Er mag zwanzig oder achtzig sein", Henry Ford, Gründer von Ford/ USA, 1863-1947.

Studienneigung: Anteil der jungen Menschen mit Voraussetzungen zum Studium, vor allem Abitur, die dann wirklich studieren. Die Studienneigung ist kontinuierlich gestiegen. Bis 2020 (von 2017 an gerechnet) beginnen 40.000 Flüchtlinge ein Studium (Quelle: McKinsey). 2024 beschleunigt sich der Studentenmangel. Das Angebot steigt, die Nachfrage sinkt: Das Angebot an Studienabschlüssen an allen Hochschulen geht im WS 23/24 gegen 22.000. Die Nachfrage liegt bei ca. 6000. Es gibt etwa 400.000 Studienanfänger: 300.000 Deutsche, ca. 100.000 Ausländer. Lieblingsfach ist BWL. Vgl. Focus 10/ 2024, 2.3.24, S. 67. 2024 stagniert die Akademisierung (Nachfrage nach Hochschulbildung).

Hochschulpakt und Hochschulen (Investitionen in Forschung und Entwicklung): Der Hochschulpakt zur Schaffung neuer Studienplätze läuft bis 2020. 600 Mio. € will die Koalition in Deutschland investieren, um ihn bis Ende der Legislaturperiode zu finanzieren.  Bis 2025 sollen mindestens 3,5% des BIP für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden.

Bachelor und Master auf dem Arbeitsmarkt: Die meisten Unternehmen scheinen keinen großen Unterschied zu machen. An der Hochschule erwirbt die Mehrheit aber einen Masterabschluss. Berufsbegleitende Master sind wenig bekannt.  Studenten benötigen mehr Informationen über die Komplexität der Karrierefaktoren. Vgl. Konegen-Grenier, C.: Bachelor und Master auf dem Arbeitsmarkt: Ergebnisse aus zwei Unternehmensbefragungen, in: Wirtschaftsdienst 2011, Sonderheft, S. 20-26. Nach einer Studie 2017 des IAB, Nürnberg, rechnet sich ein Masterabschluss. Im WS 2017/2018 studieren 2,85 Mio. Studenten in Deutschland, so viele wie vorher nie. Vgl. zur Kritik an Bologna uns den abschlüssen: Baecker, Dirk: Viele Fächer - aber keine Brücke von der Universität in die Wirklichkeit, in: WiWo 8/ 17.2.23, S. 42f.

Fachhochschulen (in einigen Bundesländern jetzt Hochschulen): Jede zweite Professur bleibt 2017 nach der ersten Ausschreibung unbesetzt (Quelle: Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung). Nach mehreren Ausschreibungen bleibt jede sechste Stelle unbesetzt.  Die Stellen sind einerseits nicht attraktiv genug und andererseits fehlt oft die Praxiserfahrung. Bundesbildungsministerin Wanka kündigt ein Bund-Länder-Programm an, das allerdings frühestens ab 2018 greift. Es taucht 2018 der Vorschlag auf, die angewandten Hochschulen generell mit der ersten Phase des Studium zu betrauen (Arbeitsteilung mit Unis). 2016 gab es 27.000 Professoren an Deutschlands Hochschulen. Die Anzahl der Studenten lag bei 1,81 Mio. (Destatis). In Deutschland studieren immer mehr Menschen ohne Abitur. 2018 wurde der rekordwert von 62.000 erreicht. Das waren gegenüber 2013 +35%. Der Anteil bei den Studenten in Deutschland lag bei 2,2%. Anrecht zum Studium hat man etwa mit einem Meisterbrief. Bei den Bundesländern lag Hamburg vorne (5,8%; Quelle: Centrum für Hochschulentwicklung, CHE).

Hochschulen: Ein Problem in vielen Ländern sind die Pensionen des Lehrpersonals. In Deutschland hat man unter anderem aus diesem Grund eine Besoldungsreform durchgeführt. Die neue W-Besoldung rechnet weniger auf die Alterssicherung an. 2023 sinkt die Zahl der Studienanfänger. Da sist für die Hochschulen ein Problem. Es gilt die Kapazitätsverordnung. Die Gelder von Bund und Länder sowie die Stellen hängen von der Zahl der Studenten ab.  In Großbritannien streiken im Februar 2018 die Professoren aller Universitäten. 64 Universitäten sind lahm gelegt (42.000 Professoren und Lehrbeauftragte). In der Pensionskasse der Universitäten klafft ein Loch von 7,5 Milliarden Pfund. Die Renten werden aufgrund der Gehälter der letzten zehn Jahre berechnet. Zukünftig soll die Altersvorsorge durch die Anlage an Aktienmärkten finanziert werden. Zwischen 2011 und 2016 gingen 23,6% mehr Studenten ins Ausland. Seither stockt der interkulturelle Austausch an den Unis. Nach Deutschland kamen 5,2% aller Austauschstudenten. Die meisten wollten in englischsprachige Länder (USA, GB, Australien). Haben weder Mutter noch Vater studiert, schafft es nur jedes vierte Kind an die Hochschule (DZHW). Noch krasser ist der Unterschied bei Migranten - Kindern. 2017 gibt es 502.000 Hochschulabsolventen in Deutschland. Ende 2018 gab es so viele Studierende an Deutschlands Hochschulen wie noch nie vorher (2,87 Mio. , Quelle: Destatis 2018). Die Corona-Pandemie führt dazu, dass viel weniger Studenten aus dem Ausland nach Deutschland kommen. 2021 gibt es weniger Studienanfänger als 2011 (-9%, 471.604; 52% der Studienanfänger sind Frauen; rund ein Viertel der Studienanfänger kommen aus dem Ausland; Quelle: Statistisches Bundesamt). 20.951 Studiengänge gab es 2021 in Deutschland. 2,9 Mio. Studierende waren 2021 an den Hochschulen. 2023 soll ein Milliardenpaket für Hochschulen kommen: Einmalzahlung von 200 €. Zukunftsvertrag Studium und Lehre (ZSI). 676 Mio. € von 2023 bis 2027. Anzahl der Professorinnen erhöhen. 

Bildungsmisere und Hochschulen: Die Bereitstellung von Studienplätzen kann für viele Bundesländer ein Verlustgeschäft darstellen. Es kann unter Umständen attraktiver sein, Absolventen aus andern Ländern abzuwerben. Die Schuldenbremse engt den finanziellen Spielraum ein und damit auch eine eigenständige Politikgestaltung. Der Ertrag aus Bildungsinvestitionen ist für die Bundesländer ungewiss.

Angebotene Studiengänge an den Hochschulen: Im Wintersemester 2007/08 gab es in Deutschland 4108 Bachelor und 2778 Master (insgesamt 11.265 mit Sonstigen). Im Wintersemester 2023/24 waren es 9893 Bachelor und 10,333 Master (insgesamt 21.958). Es hat also fast eine Verdoppelung stattgefunden. Quelle: HRK-Hochschulkompass.

Elitehochschulen: 2019 gibt es in den USA einen Aufsicht erregenden Skandal. Man kann in den USA Plätze an den Elite-Unis wie Yale oder Harvard mit viel Geld kaufen. Die Vermutung bestand immer, war aber schwer nachzuweisen. Das FBI ermittelt. 2020 gibt es eine Untersuchung mit folgenden Ergebnissen: Wer von einer Elite-Uni kommt, verdient deutlich mehr. Allerdings ist das Gehaltsplus nicht durch Leistungen zu rechtfertigen. Vgl. Rau Kristin: Teure Egoisten, in: WiWo 51, 11.12.2020, S. 98.  Wissenserwerb ist selten der Grund für den Besuch einer Elite-Uni. Wichtiger ist der erlernte Habitus und das Netzwerk.

Studiengebühren in den USA: 2023 und 2024 treiben die Studiengebühren immer mehr junge Menschen in den Ruin. 1,602 Mrd. $ betragen die ausstehenden Studienkredite. ein Ingenieurstudium von vier Jahren kostet durchschnittlich 393.704 $. 20 Jahre brauchen Studierende im durchschnitt, um ihren Kredit abzubezahlen. 40% der Studenten brechen ihr Studium vorzeitig ab 51% aus finanziellen Gründen). Vgl. Die Zeit 22/ 16.5.24, S. 22.

Personal an Hochschulen: Es ist überdurchschnittlich häufig befristet beschäftigt. 78% der Wissenschaftler und 16% der Mitarbeiter in Technik und Verwaltung waren dies 2018. Quellen: Hochschulreport des DGB, Statistisches Bundesamt.

FIBAA: Akkreditierungsagentur. Foundation for International Business Administration Accreditation. Sie begutachtet Studiengänge im tertiären Bildungsbereich hinsichtlich formaler und fachlich-inhaltlicher Kriterien. Ziel ist eine Qualitätsverbesserung und Employability. Die agentur wurde 1994 von den deutschen, österreichischen und schweizerischen Spitzenverbänden der Wirtschaft gegründet. Stiftungssitz ist Zürich, es gibt eine Geschäftsstelle in Bonn.

Wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung in Deutschland: Im WS 2017/18 studierten 350.000 Studenten , 50% mehr als vor 10 Jahren. 24.000 studierten VWL, 240.000 BWL, 91 Wirtschaftswissenschaften. Bemängelt werden von Experten das Fehlen von sozialwissenschaftlichem Grundlagenwissen, Fächer übergreifende Interessen, Praxisbezug. "Es gibt unzählige spannende und hochrelevante Fragen, zu denen Ökonomen etwas beitragen können", Isabel Schnabel, Professorin Uni Bonn.

"Aktives Lernen": Studenten einfach machen lassen, korrigieren, weitermachen lassen, wieder korrigieren. eine Art Autodidaktum unter Anleitung eines Mentors. Die Methode wird vom US-Physik-Nobelpreisträger Carl Wieman gefördert. Er behauptet, jeder könne alles lernen. Diese Methode ist das Gegenteil zur klassischen Vorlesung.

70:20:10-Framework der Lernaktivitäten (von Charles Jennings): Das Modell besagt, dass 70 Prozent aller Lernaktivitäten im Arbeitsprozess und "on the job" stattfinden; 20 Prozent im Austausch mit anderen; und nur 10 Prozent im Rahmen formaler Bildungsmaßnahmen wie Kurse, Seminare oder Web Based Trainings.

Bafög und Studienkredite: Immer weniger Studenten bekommen Bundesausbildungsförderung und jobben deshalb neben dem Studium (Quelle: Studentenwerk). 2017 bekommen nur noch 18 Prozent der Studenten Bafög (historischer Tiefststand) bei einem Rekord an Studentenzahlen. Die Bildungsförderung müsste reformiert werden. 2016 sank die Anzahl der Bafög-Empfänger schon um 5,5% auf 823.000 (Quelle: Destatis). Auch Wohnheime müssten dringend gebaut werden. Im Jahre 2017 gab es noch weniger Bezieher als 2016. Das hängt auch damit zusammen, dass sich junge Menschen nicht verschulden wollen. Die Regierung plant mehr Bafög ab Herbst 2019. Bis 2020 soll der Bafög-Höchstsatz auf rund 850 € steigen. 2023 werden Kürzungen beim Bafög geplant (insgesamt -404 Mio. €). Daneben gibt es Studienkredite über die KfW. Der Zinssatz steigt 2023 auf neun Prozent. Studienkredite verteuern sich massiv. Dafür kommt aber eine Bafög-Reform. Im März 2024 werden weitere Änderungen am Bafög beschlossen: einmalige Hilfe von 1000 € für Bedürftige. Keine Anrechnung von Einkommen minderjähriger Geschwister. Leichte Erhöhung der Freibeträge bei Elterneinkommen. Keine höheren Regelsätze. Im Juni 2024 wird doch eine Erhöhung der Regelsätze beschlossen. Der Höchstsatz steigt auf 855 €. Vgl. Dennis, H. u. a.: Bafög: Wirkungsanalysen überfällig, in: Wirtschaftsdienst 8/ 2024, S. 555-561.

Notlagenfonds für Studierende: In der Corona-Krise wird ein solcher Fonds gefordert. Viele Studenten finden keine Arbeit mehr, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Fonds soll auch auf junge Wissenschaftler ausgedehnt werden. die Überbrückungsmaßnahmen für Studierende werden bis zum Ende des Wintersemesters 2021 verlängert. Studierendenkredite der KfW sollen bis Ende 2021 zinsfrei bleiben. Von Juni bis September 2020 wurde die Überbrückungshilfe 155.000 Mal gezahlt, die zinsfreien Studienkredite zwischen Mai und November 2020 30.000 Mal zugesagt.

Lotterie für Bildung: Im Rahmen des Stifterverbandes der Wirtschaft wird eine Lotterie für Bildung gegründet, die Menschen fördert, die im staatlichen System zu kurz kommen. Maßgeblich beteiligt sind die Unternehmen  Boehringer/ Ingelheim, Würth-Gruppe, Trumpf. Profitieren können alle Bildungsprojekte.

Vergabe von Studienplätzen: Das Bundesverfassungsgericht entscheidet am 19.12.17, dass das Zulassungsverfahren für das Medizinstudium neu geregelt werden muss. Das bisherige System verstoße gegen den Grundsatz der Chancengleichheit. Das Verfahren muss bis Ende 2019 verbessert werden.

Akademisierungswahn: 2017 und auch 2018 gibt es eine solche Debatte. Die akademische Bildung boomt. Es studiert ca. die Hälfte eines Altersjahrgangs. Neben der Zahl steigt aber auch die Heterogenität der Studierenden. Das Prinzip "One size fits all" hat ausgedient. Studierende brauchen Angebote für eine individuelle Bildungsbiographie. Hochschulausbildung wird auch zum Normalfall.

Studenten aus dem Ausland in Deutschland: An den deutschen Hochschulen waren im Wintersemester 2019/20 rund 410.000 Studierende aus dem Ausland. Davon gehören rund drei Viertel zu so genannten Bildungsausländern. Sie haben eine ausländische Studienberechtigung. 110.000 Studenten haben 2019 begonnen. Zum Vergleich: 2015 waren es noch etwa 10.000 weniger. Wichtige Einflussfaktoren sind: Trumpismus in USA, Brexit in GB, kostenloses Studium in Deutschland. Aufgrund von Corona geht die Zahl wieder zurück. Dann kann sie wieder ansteigen: im Wintersemester 2022/23 auf 360.000.

Interkulturelle Kompetenz: Fähigkeiten, sich zurecht zu finden, im Wirtschaftsleben einer globalisierten Welt. Dazu gehört die Kompetenz, kulturelle Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern und Unternehmen herauszufinden und zu berücksichtigen. Unterschiedliche Esskultur, Trink- und Ausgehkultur, Arbeitskultur müssen beachtet werden. Diese Fähigkeit ist auch immer mehr im Mittelstand erforderlich.

Future Work Skills: Flexibilität, Urteilskraft, Digitale Teamfähigkeit, Denken wie ein Computer, Sinn für Prioritäten, Medienkompetenz, Kooperationsbereitschaft, Interkulturelle Kompetenz, Soziale Intelligenz (Quelle: IFTT, University of Phoenix, 2020). "Die Digitalisierung beginnt in den Köpfen und setzt die Bereitschaft zu ständiger Veränderung und Innovation voraus", Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des IT - Branchenverbands Bitkom 2017.

Soft Skills: Mitgefühl (Empathie), Interkulturelle Kompetenz, Blick in den Spiegel (eigene Grenzen), Professionalität, Respekt u. a.. Ergänzung zu den Fachkenntnissen. In den Krisen (Pandemie, Fachkräftemangel) gewinnen diese Fähigkeiten an Bedeutung. Quelle: Jobmonitor der Bertelsmann - Stiftung 2022. Durch den Vormarsch von KI könnte die Bedeutung von Soft Skills anwachsen. Nach Ansicht von Personalern in unternehmen sind das (Rangfolge): Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Lösungsorientiertes Denken, Teamfähigkeit, Selbstständigkeit, Analysefähigkeit, Engagement und Leistungsbereitschaft, Kritikfähigkeit, Führungskompetenz, Kreativität. Quelle: Universum 2024.

Interdisziplinarität: In Unternehmen verschwimmen die Trennlinien zwischen Fachgebieten. Immer dringender werden Mitarbeiter gesucht, die Interdisziplinarität beherrschen. Besonders wichtig ist geistige Flexibilität und die Kommunikationsfähigkeit zwischen den Fachgebieten. . Erste Universitäten stellen ihre Curricula darauf ein.

Qualifikationsentwicklung (bzw. Gestaltungsoptionen) bei Arbeit 4.0: Verschiedene Szenarien werden diskutiert: 1. "Upgrading" von Arbeit. 2. Polarisierung von Arbeit. 3. Flexibilisierung und Entgrenzung von Arbeit. Gestaltungsoptionen bestehen an den Schnittstellen "Mensch-Technik" Komplementarität, Kontextsensitivität) und "Mensch-Organisation" (Ganzheitlichkeit, Dynamik von Tätigkeiten). Vgl. Hartmut Hirsch-Kreinsen: Arbeit 4.0 - Qualifikationsentwicklung und Gestaltungsoptionen, in: Wirtschaftsdienst 2017/7, S. 473.

Entwicklungsmodell der Arbeitswelt 4.0: Organisationskultur und Lernkultur müssen optimal harmonieren. Der optimale Reifegrad kann auf vier ebenen erreicht werden: 1. Systemisch (Arbeiten 4.0, New Work, fluide Strukturen verbunden mit individualisiertem Lernen im Netzwerk, Barcamps, Working Out Loud). 2. Gleichheit (Agiles Management, Plattform-Ökonomie verbunden mit Peer-Learning, Social Collaboration). 3. Leistung (Optimierungsdenken, Changemanagement verbunden mit Blended Learning, Lernplattformen). 4. Autorität (Expertenwissen, Fachbereichsdenken verbunden mit klassischen Trainings, Seminare). Vgl. ManagerSeminare, März 2018, S. 78.

Job-Transformer: Die Innovationsgeschwindigkeit der Digitalisierung und die Engpässe bei Fachkräften setzen dem Suchen von außen fast ein Ende. Unternehmen sind eher auf bestehende Mitarbeiter angewiesen und müssen diese fit für Technologien und Abläufe von morgen machen. Lebenslanges Lernen wird zur Selbstverständlichkeit und zwingt die Unternehmen zur Transformation. Im Blickpunkt stehen dabei E-Learning-Plattformen, die die Mitarbeiter selbst abrufen. Jeder wird in Zukunft eine digitale Grundausbildung brauchen. Umschulen wird üblicher und alltäglich. Das Internet übernimmt die Hauptrolle der Bildung. Die Firmenkultur muss die diese Weiterbildung massiv unterstützen. Meta Skills fürs Lernen müssen bereitgestellt werden.

Die Organisation des selbst organisierten Lernens:  Weiterbildung nach den Prinzipien Selbstverantwortung, Musterbrüche, Agilität. Regeln sind: Do it yourself, Musterbruch für mehr Musterbrüche, Leadership - Training, Change-Schmerzen, Vertrauen, Schneeball-Effekt. Wichtige Rahmenbedingungen sind: Grobstruktur, feste zeitliche Struktur, Trainersupport, Mindfull Leadership, Teamarbeit, Coachings, Fachlicher Input. Vgl. ManagerSeminare, März 2018, S. 60ff.

Blended Learning: Online- wird mit Präsensunterricht verbunden. Vier Bausteine gehören dazu: Flipped Classroom: Der Stoff wird online vorbereitet. Gamification: Elemente aus Computerspielen erleichtern das Lernen. Präsenszeit: Im Hörsaal werden Praxisbeispiele besprochen und diskutiert. E-Assessment: Durch eine Plattform werden die Lernfortschritte überprüft. Lernen wird personalisierbar.

Skilling und Reskilling: Ohne Bildung ist alles nichts. Diese beiden Begriffe beherrschen das World Economic Forum 2019 in Davos. Die Belegschaften sollen fit gemacht werden für den digitalen Wandel - auch um Abstiegsängste und Populismus zu bekämpfen. Einem IT-Fachkräftemangel soll entgegengewirkt werden. "Wir erleben eine Vertrauenskrise und gleichzeitig eine Qualifizierungskrise", Gina Rometty, IBM-Chefin 2019 auf dem World Economic Forum. 

Digitalexperte: Wahrscheinlich wird ein neues Berufsbild entstehen, das des Digitalexperten. Die Gradwanderung zwischen Spezial- und Basiswissen wird nicht einfach sein. Studiengänge in Data Science müssen in Deutschland entstehen (Informatik, Statistik, Datenbanken, Rechtskenntnisse im Umgang mit Informationen). Fernhochschulen müssen für kreative Eigeninitiativen und -reaktionen zur Verfügung stehen. Lernplattformen müssen mithelfen. 

Digitalisierung im Bildungswesen: Das Schließen von Schulen und Hochschulen während des Lockdowns und danach im Zuge der Corona-Krise hat das Potenzial, die Digitalisierung zu beschleunigen. Lernprozesse werden digitalisiert durch Kombination von Hardware (Notebooks) mit Video- und Audio-Unterstützung. Digitale Whiteboards, Video live, freigegebene und geteilte Dokumente finden mehr Verbreitung. Plattformen, Lerntools, Chats und Emails ergänzen. Lernende und Lehrende müssen sich auf neue Formen einlassen.

Digitale Lernplattformen: 1. Lecturio: Karriere- und Softwarethemen. Online-Repetitorium für Jura und Medizin. 2. EDX: Seit 2012. Von Harvard und MIT. Kostenlos. 3. Masterplan: Deutsches Start-up. Kostenpflichtige Kurse zur Digitalisierung. 4. Udemy: Globale Weiterbildungsplattform. 210 gegründet. Auch breites Angebot auf Deutsch. 5. Usacity: Schwerpunkt IT. Kostenpflichtig. Vom Deutschen Thrun in Stanford 2012 gegründet.

Selbstmanagement: 7 Fähigkeiten, die keine Maschine beherrscht: 1. Kommunikation. 2. Inhalte (Themen, Fachwissen). 3. Kontext (Zusammenhänge erkennen, Urteilskraft). 4. Emotionale Intelligenz. 5. Lehre. 6. Beziehungen (Netzwerke). 7. Ethischer Kompass (moralisches Urteil). Vgl. Gutstein, Adam J./ Sviokla, John: 7 Fähigkeiten, die keine maschine beherrscht, in: HBM Januar 2019, S. 76ff.

Coaching: Vier einfache Tipps: 1. Bewerten Sie die Situation. 2. Hören Sie zu. 3. Stellen Sie offene Fragen. 4. Üben Sie nicht direktes Coaching. Es gibt vier Coaching-Stile: 1. Direktiv: Mehr Informationsinput, weniger Energiegewinn. 2. Laisser-faire: Weniger Informationsinput, weniger Energiegewinn. 3. Nicht direktiv: Weniger Informationsinput, nicht direktiv. 4. Situativ: Mehr Informationsinput, mehr Energiegewinn. Vgl. Ibarra, Herminia/ Scoular, Anne: Führen wie ein Coach, in: HBM Juli 2020, S. 22ff. Zentrale Plattform der Branche ist Greator. Experten sprechen oft von Quacksalber (Falsche Prediger). Aber die Branche boomt. Die Nachfrage wächst und mit ihr das Angebot. Es drängen auch kapitalstarke Digitalkonzerne auf den Markt. Zu Coaching gehören Führung, Strategie und Beratung. In der Corona-Krise arbeiten Executive Coaches auch per Video-Konferenz. Wichtig ist die Abgrenzung zum Psychotherapeuten.  Vgl. auch Fischer, Konrad: Du kannst es besser, in: WiWo 12, 19.3.2021, S. 14ff. Der Markt liegt 2020 weltweit bei 12 Mrd. Dollar.2020 gibt es 10.000 Business Coaches in Deutschland. Der Begriff ist nicht geschützt. Die Branche ist nicht zentral organisiert. Viele Führungskräfte, die ihren Job verlieren, bilden sich zu Coaches fort. Mit Coachhub gibt es mittlerweile auch eine Plattform.

Lebenslanges Lernen: Lust aufs Lernen sollte keine Ausnahme sein, sondern Bestandteil jeder Firmenkultur. Dabei sollten Regeln beachtet werden: 1. Jeder darf sich kompetent fühlen. 2. Niemand muss alleine lernen. 3. Jeder darf lernen wie er will. Vgl. Binner, Miriam: Das Büro als Spielwiese, in: t3n Magazin Nr. 53, S. 51ff.

Lernen auf der Überholspur (Lernkurven in S-Form): Die S-Kurve beschreibt die typische Entwicklung von Mitarbeitenden in eine rneuen Rolle: schwieriger Anfanbg, schneller Lernerfolg, schließlich beherrscht der Kollege oder die Kollegin den Aufgabenbereich. Man sollte Teams als ein Portfolio von Lernkurven betrachten. Vgl. Johnson, Whitney: Lernen auf der Überholspur, in: HBM April 2022, S. 30ff.

Expertenfalle: Fachwissen kann veraltern. Wer aufhört, sich zu hinterfragen und dazuzulernen, wird selbstzufrieden und verliert den Anschluss. Man sollte sich den Blick bewahren für Neues, kreativ bleiben und leistungsfähig. Hinterfragen sollte man immer sein Fachwissen Man sollte auch immer nach neuen Ideen suchen. Auch experimentieren sollte man immer. Quelle: Finkelstein, Sydney: Wege aus der Expertenfalle, in: HBM Juli 2019, S. 74ff.

Working-Out-Loud-Methode (WOL): John Stepper nennt fünf Elemente dieser Methode: 1. Relationships. 2. Visible Work. 3. Generosity. 4. Purposeful Discovery. 5. Growth Mindset. Die Methode soll Arbeitsergebnisse besser sichtbar machen. Kompetenzen sollen gestärkt und Hemmungen abgebaut werden. 

Bildungsniveau der Flüchtlinge: Knapp ein Viertel der Migranten hat entweder keine Schule besucht oder nur eine Grundschule. Studie 2017 im Auftrag des Bundesbildungsministeriums, durchgeführt von IAB, Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration, DIW. Der Wille, sich fortzubilden ist je nach Herkunftsland sehr unterschiedlich. 12% der Männer und 14% der Frauen verfügen über einen Hochschulabschluss.

Reglementierte Berufe: Die EU-Kommission hat im Rahmen ihrer Binnenmarktstrategie die unterschiedlichen Berufsreglementierungen im Bereich freier Berufe im Fokus. Man betrachtet in der Regel frei Indikatoren: Unternehmensgröße, Betriebsüberschuss, OECD-Reglementierungsindex.

Geringqualifizierte: In Deutschland arbeiten Geringqualifizierte deutlich häufiger im Niedriglohnsektor als in anderen europäischen Staaten. 2016 betrug ihr Anteil 50 Prozent. In GB 33%, in Dänemark 25, in Frankreich 18 und in Schweden 5. Quelle: Studie für die Bertelsmann-Stiftung 2019. Der Hauptgrund für Deutschland liegt in der Zeitarbeit oder in Jobs mit geringen Arbeitszeiten. In Frankreich etwa sorgen höhere Mindestlöhne für weniger Geringverdiener. In den skandinavischen Ländern investiert der Staat viel Geld in aktive Arbeitsmarktpolitik, Weiterbildung und berufliche Bildung vor allem gering qualifizierter Menschen. 

Coaching und Mentoring: Coaching umfasst: Kurzfristiges Training, spezifisch, gibt die Schritte klar vor, der Manager kann sofort Feedback geben. Mentorimg beinjaltet: Langfristiges Programm, richtet sich auf berufliche und persönliche Entfaltung, gibt fließende Ziele vor, die Inhalte entwickeln sich mit der Zeit. Vgl. Management einfach erklärt, München 2021, S. 158f.

 

Arbeitspsychologie (Arbeitswissenschaft, Betriebspsychologie, Organisationspsychologie, Sozialpsychologie; psychologische Rahmenbedingungen vgl. auch Psychologie in einem Gesamtüberblick auf der Site "Cult,Socio,Psycho", auch auf der Seite "method").

"Die Grundlage der politischen Ökonomie und, im Allgemeinen, jeder Sozialwissenschaft ist offensichtlich die Psychologie. Es mag ein Tag kommen, an dem wir in der Lage sein werden, die Gesetze der Sozialwissenschaften aus den Prinzipien der Psychologie abzuleiten", Vilfredo Pareto, Manual of Political Economy: A Variorum Translation and Critical Edition, herausgegeben von Aldo Montesanto et. al.. Oxford University Press, (1906) 2013, Kap. 2, S. 21.

"Ökonomie ist die Wissenschaft von der Charakterbildung", Ernst Fehr, Professor für Mikroökonomik und experimentelle Wirtschaftsforschung an der Uni Zürich.

Psychologische Grundlagen bieten wichtige Lösungsansätze: Für den Einzelnen ist die Identität wichtig. Mit anderen zählt das Arbeiten im Team. Störungen im Führungsverhältnis können gelöst werden.  Schwierige Situationen können gemeistert werden, wie Mobbing, Machtspiele, Konflikte und Manipulationen. Stress im Beruf muss bewältigt werden, im Idealfall mit Work-Life-Balance.

Die Psychoanalyse von Freud: Er unterschied "Ich", "Über-Ich" und "Es". Wichtig war auch die Unterscheidung zwischen Bewusstsein, Unterbewusstsein und Vorbewusstsein. Mit der Traumdeutung und der Hypnose sollten Neurosen (Hysterie, Depression) geheilt werden.

Das Unbewusste: Es steuert den größten Teil unseres Verhaltens. Heute spricht man sogar von einer Ära des "Neuen Unbewussten". Unbewusste Prozesse können uns auch klug und effizient lenken. Es kann eine Art Autopilot sein. Auch in den Vorurteilen spielt das Unbewusste eine große Rolle. Die Angst vor dem Fremden ist in jedem Menschen.

Sozialpsychologie: Sie beschäftigt sich mit den sozialen Ursachen von und den Einflüssen auf unser Verhalten. Welche Auswirkungen haben unsere Mitmenschen auf unser individuelles Verhalten? Wie hängt z. B. menschliches Verhalten von Geschlechtsrollen, Konformismus und Gruppenzwang ab? Normalerweise liegt heute ein biopsychosoziales Modell zugrunde: die Rolle des Körpers (Gehirn), die Rolle des Geistes (Gedanken, Gefühle, Wünsche, Überzeugungen), die Rolle des sozialen Umfelds (andere Menschen, materielle Umwelt).

Zentrale Konzepte der Sozialpsychologie: Wahrnehmung, Personenbeurteilung, Sympathie (interpersonale Attraktion), soziale Macht, Status und Schicht, Normengenese und Konformität, Führung, Rolle (Rollendruck), Aggression, Sozialisation (soziales Lernen, kognitive Kontrolle, das Selbst), Prozess der sozialen Beeinflussung (Stereotyp, Vorurteil), Kommunikation.

Arbeitspsychologie: Die Arbeitspsychologie befasst sich forschend, lehrend und Praxis bezogen mit psychologischen Problemen, die im Zusammenhang mit menschlicher Arbeit entstehen (Carl Graf von Hoyos). Man spricht auch von einem Dreischritt der Arbeitspsychologie: 1. Arbeitsplatz analysieren. 2. Arbeitsplatz bewerten. 3. Arbeitsplatz (um-) gestalten. Arbeit bringt psychosoziale funktionen mit sich: Zeitstrukturierung, Kooperation und sozialkontakte, soziale Anerkennung, Status, Motivation/ Freude/ Begeisterung, persönliche Identität. Vgl. Waldbrühl, Ulrich: Wirtschaftspsychologie für dummies, Weinheim 202, S. 283ff.

Kognitive Dissonanz (Leon Festinger): Wenn Menschen eine Diskrepanz zwischen Erwartungen und der Realität erleben, die sich praktisch nicht beseitigen lässt, erzeugt das ein tiefes Unbehagen. Um dies zu beseitigen oder wenigstens zu reduzieren, wird die Wahrnehmung der Realität der eigenen Überzeugung angepasst.

Bedürfnisse: Sicherheit, Zugehörigkeit, Selbstverwirklichung, Transzendenz. Im Unternehmen muss allen vier Bedürfnissen Rechnung getragen werden. Wenn dies geschieht, spricht man von Life-Blending.

Motivation: Motivation ist grundsätzlich auf zwei Weisen möglich: intrinsisch und extrinsisch. Intrinsisch ist aus eigenem Interesse. Extrinsische Motivation beruht auf äußeren Umständen. Sie funktioniert nach dem Prinzip "Zuckerbrot und Peitsche". Psychologische Experimente haben hier nachgewiesen, dass in der Regel Strafe besser als Belohnung wirkt. Vgl. Anne Rooney: Der Psychologe, Crumbach 2017, S. 115.

Arbeitsmotive: Warum arbeiten Menschen? Sicher nicht nur für Geld. Hinzu kommen intrinsisch, Status, Macht, Soziales, Kontakt, Anerkennung. Vgl. Kals, E./ Gallenmüller, J.: Arbeits- und Organisationspsychologie, Beltz 2017.

Persönlichkeitstypen: Die Persönlichkeitstypen sind wichtig für die Personalauswahl, für Kooperationen und für Konflikte. In der Regel werden die Typen in Persönlichkeitstests ermittelt. Grundsätzlich kann man erst mal zwischen extrovertierten und introvertierten Typen unterscheiden. eines der einflussreichsten Testmodell ist der Myers-Briggs-Typen-Indikator. Er unterscheidet 16 verschiedene Charaktertypen: Techer/ Lehrer, Berater, Denker, Lenker, Kämpfer, Heiler, Architekt, Erfinder, Entertainer, Verfasser, Handwerker, Macher, Verkäufer, Konservator, Treuhänder, Promoter. Vgl. Management einfach erklärt, München 2021, S. 130f.

Bewertung der Arbeit: Im Alten Testament ist Arbeit eher Fluch und Strafe Gottes für den Sündenfall. Im Neuen Testament wird die Arbeit eher positiv bewertet. Sie sollte auch gerecht belohnt werden. Eine Sonderolle spielt das Sklaventum. Im Mönchtum der römischen Kirche gilt "Ora und Labora". In der protestantischen Ethik zeigt Max Weber, wie wichtig der Protestantismus für die Arbeitsmoral war (was man auf der Erde schafft, wird im Jenseits angerechnet). Die Bewertung der Arbeit hat große Bedeutung für den Umgang mit Arbeitslosigkeit und für Stressverhalten. Vgl. Gerhard Brinkmann: Ökonomik der Arbeit 1, Stuttgart 1981, S. 45ff.

Wahrnehmung in zwei Systemen: Das menschliche Intellekt ("mind") funktioniert in zwei Teilen. System 1 arbeitet automatisch und schnell. System 2 geht mit subjektivem Erleben einher und setzt anstrengende mentale Aktivitäten in Gang. Vgl. Daniel Kahneman: Schnelles Denken, Langsames Denken, München 2012, S. 33.

Zwei Selbste: Diese können in Konflikt treten. Das eine ist das erinnernde Selbst, das Buch führt und die Entscheidungen trifft. Das andere ist das erlebende Selbst, das die Erfahrungen macht. Vgl. Ebenda, S. 505ff.

Negativitätsdominanz: Der Mensch hat eine natürliche Neigung zum Negativen. Wir leiden mehr an Verlusten, als wir uns an Gewinnen freuen. Vgl. ebenda.

Zufriedenheit: Traditionell standen bei Führungskräften die Ziele Haus, Auto, Boot u. a. im Vordergrund. Das Glück führte über Macht, Status, Geld. Es scheint ein Wandel stattzufinden. Es geht heute allgemeiner um ein gutes und zufriedenes Leben. Beruf wird wieder mehr als Berufung gesehen. In Europa am zufriedensten sind die Dänen (97 Prozent). die Unzufriedensten sind die Griechen (38 Prozent). In Deutschland ist die Zufriedenheit beständig gestiegen (1973 82%; 2016  90%: Quelle:  Eurobarometer). Nach einer Untersuchung des arbeitgebernahen IW waren 2017 88% der Beschäftigten in Deutschland mit ihrer Arbeit zufrieden (am höchsten ist die Zufriedenheit in Österreich und den Niederlanden; 93 bzw. 92%).

Dankbarkeit: Dankbarkeit erlebt eine Renaissance. Es geht um die Entdeckung eigener Kraftquellen und darum versöhnlich mit den Grenzen des Machbaren zu sein. Dankbarkeit führt nachhaltig zu Zufriedenheit. Dankbarkeit kann glücklicher machen, ist aber nicht gleich Glück.  "Dankbarkeit ist das Gefühl des Staunens, des Dankbar-Seins und der Feier des Lebens", Robert Emmons, Professor für Psychologie an der University of California. Vgl. Ursula Richard: Dankbarkeit macht glücklich, Scorpio Verlag 2015. Es gibt auch ein Dankbarkeits-Onlinetraining: www.geton-training.de/dankbarkeit.php

Welche Merkmal sind im Job am wichtigsten?: 1. Wertschätzung. 2. Gutes Verhältnis zu den Kollegen. ...6. Gehalt. Umfrage der Boston Consulting Group 2018 (366.000, Befragte, hier Ergebnis für Deutschland).

Was brauchst du? Viele Unternehmen sind stolz darauf, wie viel Geld, Bonus oder Urlaub sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bieten. Noch besser für Leistung und Miteinander wäre es allerdings, wenn sie darauf achten würden, worauf die Leute wirklich Wert legen. Da sPrivatleben der Mitarbeiter müsste also mehr mit  einbezogen werden. Autonomie muss sichergestellt werden. Die persönliche Entwicklung muss gefördert werden. Die Pandemie hat die Zeit der rein transaktionalen Arbeitsbeziehungen beendet. Vgl. von Gartner: Reinventing the Employee Value Proposition: The Human Deal, Whitepaper 2021.

Karriere(-determinanten): Über beruflichen Erfolg entscheiden Ausbildung, Intelligenz und innere Einstellung. Letztere wird als Charakter bezeichnet. Die Karrieredeterminanten unterscheiden sich in den einzelnen Organisationstypen. In der öffentlichen Verwaltung spielt auch die Parteimitgliedschaft eine große Rolle. In der Wirtschaft ist die Herkunft nicht zu vernachlässigen (Zusammenhang mit Privathochschulen). Bei Männern macht Karriere auch glücklicher. Wichtig ist in Unternehmen die gesellschaftliche Schicht aus der man kommt. Die Elite sucht Menschen aus ihrer Mitte (Ergebnisse der US-Soziologin Lauren Rivera). Besonders wichtig ist auch der erste Job (das konnte ich schon vor 35 Jahren in einer Studie feststellen; es gilt heute noch). Die entscheidende Phase der Karriere liegt meist vor dem 35. Lebensjahr. Frauen schaden kurze und lange Elternzeiten bei ihrer Karriere - Männern nicht. Entscheidend für Top-Karrieren scheint der Habitus zu sein. Bürgerkinder sind im Vorteil, da sie das richtige Auftreten haben. "Unter Managern ist die Herkunft oft wichtiger als die Eignung. Dabei hätten wir sicher weniger Wirtschaftskrisen, wenn es umgekehrt wäre", Elsbeth Stern, Psychologin an der ETH Zürich. "Seit Jahren frage ich, warum ich immer wieder auf einen Gipfel muss, zum Endpunkt. Ich denke, dass jeder Mensch zum Gipfel will. Ich meine damit nicht unbedingt den Gipfel eines Berges, sondern Punkte, wo ein Ende ist, wo alle Linien zusammenlaufen und sich die Materie verjüngt, förmlich entstofflicht", Reinhold Messner. "Wer im zwanzigsten Jahr nicht schön, im dreißigsten Jahr nicht stark, im vierzigsten Jahr nicht klug, im fünfzigsten Jahr nicht reich ist, der darf danach nicht hoffen", Martin Luther, deutscher Reformator.

Die Angst vor Erfolg: Das theoretische Konstrukt der Frau, die Angst vor Erfolg hat, stammt aus der Doktorarbeit von Matina Horner (geb 1939). 90% der Männer reagierten positiv auf den männlichen Erfolgshinweis. 65% der Frauen schrieben über soziale Ablehnung, Verlust der Fraulichkeit oder persönliche Notlagen. Folgen der Erfolgsangst zeigten sich in mehreren Untersuchungen.

Familiendynamik und Coaching: Wer wir einst waren, hat Einfluss auf unser Verhalten im Job - und auf die Karriere. Also sollte man Muster aus der Kindheit analysieren, um Probleme zu erkennen und zu lösen. Das kann auch im Beruf helfen. Sechs Faktoren beeinflussen: 1. Werte und Überzeugungen. 2. Rollen. 3. Geheimnisse. 4. Grenzen. 5. Triaden. 6. Erwartungen. Vgl. Ancona, D./ Perlins, D. T.: Weg mit den Geistern der Vergangenheit, in: HBM April 2022, S. 18ff.

Ehrgeiz und Leistungswillen: Die meisten Menschen scheitern an ihren Zielen., weil sie sich von ihrem Leistungswillen leiten lassen - und sich dadurch zu viel vornehmen. Der Weg zum Erfolg führt über Mikrogewohnheiten und kluge Anker. Man sollte in fünf Schritten vorgehen: 1. Nehmen Sie sich Einfaches vor. 2. Binden Sie die Aktion ein. 3. Messen Sie ihre Fortschritte. 4. Zügeln Sie ihren Ehrgeiz. 5. Suchen Sie Unterstützung. Vgl. Nawaz, Sadina: Vergessen Sie ihren Ehrgeiz, in: HBM Januar 2021, S. 38ff.

Führung und psychische Krankheitsbilder: Erstaunlich viele Chefs und Führungspersönlichkeiten sind psychisch auffällig. Nassir Ghaemi, Psychiatrieprofessor in Boston, hat über die Zusammenhänge zwischen psychischen Störungen und Führungsfähigkeiten ein Buch geschrieben ("A first -rate madness, erstklassiger Wahnsinn). Er nennt seine Theorie "the inverse law of sanity" (das umgekehrte Gesetz der Vernunft). Typische Krankheitsbilder sind Psychopathie und Autismus. Vgl. Die Zeit, Nr. 34, 14. August 2013, S. 19ff.

Würde: Wer sich seiner eigenen Würde bewusst ist, behandelt auch seinen Nächsten und Kollegen würdevoll. In einer von Effizienzdenken und Erfolgsstreben geprägten Zeit ist die Wiederentdeckung der eigenen Würde wichtiger denn je geworden. Die Würde ist der innere Kompass, der uns durch Turbulenzen, Verlockungen und scheinbare Notwendigkeiten hindurchführt. In unserer Kultur wird das häufig durch das Symbol "sich noch ohne Probleme im Spiegel zu besehen" umschrieben. Vgl. Gerald Hüther: Würde. Was uns stark macht - als Einzelne und als Gesellschaft, Knaus Verlag 2018.

Stress: Der Begriff kommt vom österreichisch-kanadischen Mediziner Hans Selye (später gestand er, dass "Strain" besser gewesen wäre).  Zunächst stieß er auf Unverständnis. Er entdeckte auch das Adrenalin und die Hormonklasse der Corticoide. Er unterschied schon 3 Phasen der Stressreaktion: Alarmreaktion, Widerstandsstadium, Erschöpfungsphase. Heute herrschen drei Modell zur Erfassung von Stress am Arbeitsplatz vor: Das "Job Demands-Control"-Stressmodell, das "Job-Demands-Resources"-Stressmodell und das "Effort-Reward"-Stressmodell; vgl. Bauer, Joachim:  Arbeit, München 2013, S. 83ff. Führt Stress zur massiven Bedrohung der psychischen Gesundheit spricht man von Burn-out (auch bei Tieren und Insekten kann Stress zu Depression führen). Herausragende Forscher auf diesem Gebiet sind Kurt Lewin, Herbert Freudenberger und Christina Maslach. Immer mehr Konzerne schulen inzwischen Manager, dass sie Gespür für psychische Probleme der Mitarbeiter zeigen. In jüngster Zeit wird der Stress nicht mehr so sehr als Krankmacher verteufelt, sondern eher als Lebensretter gesehen. Stress hält die Evolution auf Touren. Eine Studie an der UCLA (Laura Klein) zeigt, dass Frauen und Männer unter Stress unterschiedlich reagieren, weil unterschiedliche Hormone freigesetzt werde. Bei Männern Testosteron, das aggressiver und aktiver macht. Bei Frauen Oxytocin, das das  soziale Verhalten steigert und sich positiv auf das allgemeine Wohlbefinden auswirkt (Argument für eine weiblichere Welt). Bei Führungspersonen und Managern steigt der Stress, wenn sie sich der Verantwortung ihres Jobs bewusst sind.   Im Auftrag der Technikerkrankenkasse macht 2013 das Meinungsforschungsinstitut Forsa eine Umfrage zu Stress in Deutschland ("Bleib locker Deutschland"). Immer mehr Menschen kommen an die Belastungsgrenze. Im Süden Deutschland gibt es mehr Stress. Der Job ist der größte Stresstreiber. Psychische Leiden der Beschäftigten lassen den Krankenstand in den Betrieben seit Jahren steigen (Leistungsdruck und schlechter Führungsstil der Vorgesetzten). "Ohne Leid ändert sich nichts, schon gar nicht die menschliche Natur", C G. Jung. "Beim Burn-Out warst du damals nicht so gut drauf", Sepp Maier, Torwartlegende. Ein europäisches Forscherteam kommt 2014 mit Experimenten zu folgendem Ergebnis: Stehen Männer unter Stress, denken sie zuerst an sich selbst. Bei Frauen ist genau das Gegenteil. 2012 lag die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage, die auf psychische Probleme und Verhaltensstörungen zurückgehen, bei rund 61,5 Mio. (mehr als jeder sechste Krankheitstag: Bundesarbeitsministerium). 2015 nehmen die Diagnosen von Burn-out und Depression dramatisch zu: Jede siebte Krankschreibung in Deutschland hat seelische Ursachen. Binnen zehn Jahren (von 2018 zurück) hat sich die Krankschreibung wegen psychischer Probleme mehr als verdoppelt (von 48 Mio. auf 101 Mio.).   "Spannst du eine Saite zu stark, wird sie reißen. Spannst du sie zu schwach, kannst du nicht auf ihr spielen", Gautama Buddha.

Burn-out: Überforderung und psychischer Zusammenbruch durch die Arbeit. Besonders Gebertypen sind anfällig dafür (Hilfsbereitschaft ist aber eine Management-Tugend). Selbstlosigkeit kann zu dauernder Erschöpfung führen. Deshalb sollte man mehr tun, was einen selbst interessiert, die Belastung möglichst breit verteilen, auf eigene Bedürfnisse achten, Widerstand maximieren und Nehmer auf Abstand halten. Vgl. Harvard Business Manager, Mai 2017, S. 22ff. Durch Überlastung und Erschöpfung gibt es immer mehr Fehltage. Zwischen 2012 und 2016 stieg deren Zahl von 19,97 auf 30,53 Millionen (Bundesgesundheitsministerium).

 Boreout: Dauerleerlauf. Chronische Langeweile und Unterforderung im Job. Das ist genauso schlimm wie ein Burnout. In der Corona-Krise forscht man wieder dazu. Zählt bloße Anwesenheit mehr als tatsächliche Leistung? Unsere Forschungen Ende der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts zeigten dies schon eindrücklich.

Stressfaktoren: In der modernen, agilen Berufswelt schuften sich viele kaputt. Folgen können Burn-out, Herzinfarkte und schmerzen sein. Moderne Technik, die Erleichterung bringen sollte, bewirkt oft das Gegenteil. Die meisten Fehltage aufgrund von Burn-out-Erkrankungen haben folgende Berufe: Sozialarbeit/ Sozialpädagogik (310 Tage), Haus- und Familienpflege (303 Tage), Heilerziehungspflege, Sonderpädagogik (296). Stressfaktoren sind lange Arbeitszeiten, Termindruck/ Hetze, zu viel Arbeit, Unterbrechungen/ Störungen. Weitere Stressgründe sind: Schule, Studiem; hohe Ansprüche an sich selbst; schwere Krankheit von jemanden, der nahe steht. Vgl. Endres, Helene u. a.: Zu viel, zu lang, zu hektisch, in: Der Spiegel Nr. 20/ 14.5.22, S. 10ff.

Fehlzeiten aufgrund psychischer Krankheiten: 2022 und 2023 steigen die Fehlzeiten wegen psychischer Belastung stark an. 2022 waren es 130 Mio. Tage. Das waren 4 Mio. mehr als 2021. Dei volkswirtschaftlichen Kosten durch psychische und Verhaltensstörungen lagen bei 17,2 Mrd. €.

Suizid: Selbstmorde können auch ansteckend sein, wenn Bücher oder Filme sie ästhetisieren. Dass berühmteste Beispiel der Literaturgeschichte ist Goethes Werther. Die Kombination von Handlungsanleitung und Idealisierung ist besonders gefährlich. Wenn man sich dem Opfer ähnlich fühlt und es sympathisch erscheint, kann es gefährlich werden. In Japan ist die Selbstmordrate unter Jugendlichen besonders hoch, die dem Leistungsdruck nicht gewachsen sind. Statistisch wird mit kaum einer anderen Quote mehr manipuliert. Entscheidend ist hier der Wechsel des Nenners. Nirgendwo in den USA gibt es mehr Selbstmorde als von der Golden Gate Bridge in San Franscisco. Seit der Einweihung der Brücke vor 80 Jahren sprangen 1700 Menschen von ihr in den Tod (bis 2017).

Useless: Nutzlos fühlen. Das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. Viele Experten befürchten, dass durch die Digitalisierung immer mehr schlechter Qualifizierte davon betroffen sein könnten.

Job insecurity: Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes. ein großes Stressphänomen. Es kann psychisch und körperlich krank machen. Es erhöht die Gefahr für einen Herzinfarkt. spielt in der Corona-Krise eine große Rolle: Künstler, Wirte, Selbständige werden anfällig.

Diabetes und Depression: Heute weiß man, das beide Krankheiten eng zusammen hängen. Sie bedingen einander und haben oft die selben Ursachen. Gegen beiden Krankheiten helfen dieselben Methoden: Sorgenvolle Gedanken vertreiben, selbst aktiv werden, den Lebensstil ändern und Körper und Seele natürlich ins Lot bringen. Sport kann sehr gut Depression bekämpfen.

Fettphobie: Stigma des Dicken: wird mit Faulheit, Dummheit und Verfressenheit verbunden. Dies kann zum Unglücklichsein führen. Man sollte zu seinem Gewicht stehen und die Vorteile sehen.

Hochsensibilität: Hochsensible reagieren auf Sinnes- und Umwelteindrücke stärker als andere. Geprägt hat den Begriff die amerikanische Psychologin Elaine Aron in 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Etwa 10 bis 20% der Bevölkerung sind betroffen.

Psycho-Neuro-Immunologie: Relativ neue Forschungsdisziplin. Sie beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen von Psyche, Nerven- und Immunsystem. Mittlerweile konnte man nachweisen, dass unsere Psyche und unser soziales Umfeld einen immensen Einfluss auf unser Immunsystem haben. Das gilt für das ganze Leben - schon von Geburt an. Die Psyche nimmt also unmittelbaren Einfluss auf den Körper und umgekehrt.

Darmflora und Psyche: Die Bakterien im Verdauungstrakt kommunizieren mit dem Nervensystem und beeinflussen unser Wohlbefinden. Über 100 Millionen Neuronen bilden ein "zweites Hirn".

Überqualifizierung: Ausbildungsniveau liegt über dem Tätigkeitsniveau. In einer empirischen Studie bei Führungskräften in KMU, die ich 1979 durchführte,  war dies eine der Hauptursachen für Stress (W. Krämer, Der Zusammenhang zwischen Berufsausbildung und Berufstätigkeit, Göttingen 1984). Rund ein Drittel der Hochschulabsolventen bezeichnet sich heute als viel zu gut für den Job ausgebildet. Das Phänomen tritt vor allem beim Berufseinstieg auf. Die erste Jobwahl scheint einen dauerhaften Einfluss zu haben. Vgl. Daniel Erdsiek: Dynamics of overqualification: Evidence from the early career of graduates, ZEW Mannheim, März 2017. Insofern ist es nicht egal, wenn die Hochschule zu viele Akademiker ausbildet.

Achtsamkeit: Modethema in der Wirtschaft ab 2013. Achtsamkeit soll vor Stress und Überforderung schützen. Es werden viele Kurse bei den und für die großen Unternehmen international eingerichtet ("Search inside yourself", Google). Es geht um Stressbewältigung und Meditation. Die Konzeption und der Grundgedanke stammt aus dem Buddhismus.

Entspannung: Wichtig zum Stressabbau und um neue Energie zu tanken. Als Methoden haben sich bewährt: Planen, eigne Regeln, Meditieren, Verstehen der Ursachen.

Abschalten: Dies ist in der Regel eine Voraussetzung für Entspannen. Wer zu Hause im Homeoffice arbeitet, kann abends oft nicht abschalten. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 45% (Studie der Hans-Böckler-Stiftung 2017; 10.000 Befragte des Sozioökonomischen Panels). Bei völlig selbst bestimmter Arbeit haben Männer mehr Probleme mit dem Abschalten.

Arbeitssucht: Jeder zehnte Erwerbstätige zeigt bei der Arbeit suchthaftes Verhalten. Es ist gekennzeichnet durch Getriebenheit und Unfähigkeit zur Entspannung. Studie des BIBB und der TU Braunschweig 2022.

Tagträume: Es gibt drei Arten von Tagträumen: Positive schöpferische Tagträume. Schuldbeladene, missgestimmte Tagträume. Tagträume durch Aufmerksamkeitsverschiebung (Jerome Singer). Grundsätzlich tun Tagträume gut, man kann Dampf ablassen. Es ist das Denken, wenn man an nichts denkt. Menschen mit Asperger und Autismus tun dies wesentlich seltener. Kombinatorische Spiele können zu Ideen führen (Einstein beim Violinespielen). Oftmals entsteht ein Bezug zu Ideen in Tagträumen. "Was den Menschen wahrhaft ausmacht, seine größte Gabe, die er im Laufe der Evolution entwickelt hat, und die reichhaltigste Quelle, aus der sich die Beherrschung der Umwelt und seiner selbst speist, ist seine Fähigkeit zur Fantasie", Jerome Singer (vgl. Anne Rooney, Der Psychologe, Crumbach 2017, S. 66.

Gelassenheit: Ein wichtiges Element der Lebenskunst, deren Behandlung bis in die antike Philosophie reicht. Man sprach im Lateinischen von "ars vitae, ars vivendi". Gelassenheit wird in diesem Zusammenhang zuerst bei Epikur behandelt (altgriechisch "ataraxia" = Nicht-Unruhe). Diese Gedankengänge werden in der christlichen Theologie 4./3. Jahrhundert von Meister Eckart fortgesetzt (gelazenheit). "Gelassenheit ist das Gefühl und der Gedanke, sich in einer Unendlichkeit geborgen zu wissen, für die es nicht wichtig ist, welchen Namen sie trägt", s. Wilhelm Schmid, Gelassenheit, Berlin 2014, S. 106. Gelassenheit kann man vor allem beim älter werden erlangen. Bei einer immer älter werdenden Gesellschaft ist der Begriff immer wichtiger. Stress lässt sich nicht vermeiden, man sollte die Belastungen richtig einschätzen. "Jedes Problem erlaubt zwei Standpunkte: unseren eigenen und den falschen", Channing Pollock, US-Autor.

Meditation: Weg zur Gelassenheit, Lebensqualität und Gesundheit. Meditation ist ein Weg der inneren Regeneration, der zurückführt in einen "mittigen", ausgewogenen inneren Zustand - in die Balance, in der jeder Mensch gesund, heil und intakt ist. 500 v. Chr. verankert sich die Meditation im Hinduismus und Buddhismus. 1922 setzt Hermann Hesse dem Buddhismus und der Meditation in "Siddharta" ein Denkmal. 1957 gründet Maharishi Mahesh Yogi die Transzendentale Meditation. 1979 etabliert Jon Kabat-Zinn die Meditation MBSR (Achtsamkeit). Es gibt immer mehr Studien, die positive Effekte nachwiesen (gegen Bluthochdruck, Altern, Krankheit, Stress, Migräne, Depression). Meditation hilft auch gegen chronische Krankheiten. "Wir tun viel um des reinen Tuns willen. Denn wir fürchten die Langeweile sehr", Ralf Konersmann, Philosoph.

Indianische Weisheiten: Ein anderer Weg, um angesichts der schnellen und beängstigenden Entwicklung in der heutigen Welt, sich richtig zu verhalten. "Sei leise, beobachte, lausche und lerne..." lautet die Grundweisheit aus indianischen Überlieferungen. Gefordert werden Woicu (Toleranz), Wohwahwa (Frieden), Wowicala (Glaube und Vertrauen), Wiiciglusna (Selbstlosigkeit), Wacintanka (Geduld) und Wawislolye (Wissen). Vgl. Joseph M. Marshall: Der stille Pfad. Indianische Weisheitsgeschichten. Herder 2014.

Heileurythmie: wirkt ähnlich wie die Meditation. Die Methode wurde von Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie entwickelt. Das Verfahren ist darauf ausgerichtet, den Menschen seelisch und körperlich wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die Methode hilft auch gegen Allergien. Gereizte Schleimhäute durch Pollen können Folgen eines fehlenden Selbstschutzes sein. Kern sind lautmalerische Bewegungen.

Geduld: Sie gilt auch als indianische Grundtugend. "Geduld ist eine Tugend des Indianers und bringt einem christlichen Weißen keine Schande", James Fenimore Cooper, US-amerikanischer Literat.

Slowness: Gilt als Trend der Zukunft. Könnte auch die Wirtschaft erreichen. Man spricht von Slow City, Slow Creativity, Slow Travel, Slow Food. Es könnte eine Gegenbewegung gegen die sonst steigende Dynamik im Leben sein.

Schlagfertigkeit: Dient zur Herstellung der eigenen Souveränität. Manchmal hilft es, irgendetwas zu sagen. Es muss nicht immer ein Witz sein. Berechtigte Kritik sollte aber erst mal angenommen werden. Schlagfertigkeitsseminare sind in der Regel nicht empfehlenswert. Ganz entscheidend ist der Kreis, in dem etwas geäußert wird.

Stottern: Die Ursache liegt zu 70 bis 80 Prozent in den Genen. Die Heilungschancen ist umso größer, je früher mit einer Therapie begonnen wird. Für Erwachsene besteht nur wenig Aussicht auf Heilung. Rückzug und soziale Phobien können die Folge sein.

Lifelogging (Vermessung des Selbst): Vermessung möglichst vieler Aktivitäten des Lebens, um das Leben zu optimieren. Ruhepuls, Cholesterinwerte, Joggingzeit, Schritte usw. Balkendiagramme und Statistiken geben die Illusion, das alles beherrschbar sei. Vgl. Stefan Selke: Lifelogging. Wie die digitale Selbstvermessung unsere Gesellschaft verändert, Ullstein 2014. Es kommt zu einer umfassenden Kontrolle des Menschen, auch am Arbeitsplatz.  Hinzu kommen Entscheidungsmaschinen in Apps, die ein Leben nach Gebrauchsanweisung nahe legen. 

Empathie: Einfühlungsvermögen. Wichtigste Aspekt der interkulturellen Kompetenz. In einer globalisierten Welt eine notwendige Eigenschaft. Wie die Fähigkeit optimal in der Ausbildung vermittelt werden kann, ist umstritten. Forscher warnen neuerdings vor zu viel Einfühlungsvermögen (laugt aus, macht einsam, manipuliert, grenzt aus). Sich in andere Menschen hineinversetzen können, also Gefühle und Gedanken in anderen Menschen vermuten. Etwa mit 4 Jahren entwickelt sich diese Fähigkeit. Sie hängt an einer Faser (Fasciculus Arcuatus), die sich zwischen 3 und 4 Jahren entwickelt und zwei Hirnregionen miteinander verknüpft (Quelle Max Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften).  In der Führung wird mittlerweile vor übertriebenem Einfühlungsvermögen gewarnt. Zu viel Menschlichkeit stresst, hemmt und lähmt (Quelle: Umfrage der Stellenbörse Stepone und von Kienbaum 2017). Bei der Empathie gibt es auch einen viralen Effekt: Stimmungen springen von Mensch zu Mensch. Emotionale Ansteckung nennt man das Phänomen. Bedingung für Immunität ist Ignoranz. 

Mitgefühl: Teilhaben und zeigen, dass man mit anderen leidet. Berühmt wird der Spickzettel von US-Präsident Donald Trump, auf dem nach dem Amoklauf in Florida im Februar 2018 steht: "I hear you" - Ich respektiere euch, ich höre euch zu. Traurig ist, dass man einen Präsidenten daran erinnern muss.

Kraft des Mitgefühls: Leadership im Geist des Franz von Assisi. Strahlkraft seines Führungsverhaltens. Modernes Management mit gelebten Werten, Menschenliebe und Spiritualität. Vgl. Brigitte van Baren/ Fritz Lietsch: Die Kraft des Mitgefühls, Altop-Verlag 2017

Sozial sein: Wer anderen hilft, tut sich selbst etwas Gutes. Besonders im Alter kann soziales Engagement zum Wohlbefinden und länger Leben beitragen. Eine Mitgliedschaft im Verein kann helfen, Kontakte zu knüpfen und so vor Vereinsamung zu schützen.

Barmherzigkeit: Herzensbildung, Aufrichtigkeit, Bescheidenheit. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung und unendlicher Möglichkeiten wichtige Fähigkeit.

Gerechtigkeitsempfinden: Menschen haben ein angeborenes Gerechtigkeitsempfinden. Noch stärker ist das Ungerechtigkeitsempfinden. Menschen verhalten sich aber immer mehr passiv im Hinblick auf das Ungerechtigkeitsempfinden. Die Individualisierung schreitet voran. Die Solidarität in der Gesellschaft nimmt ab. So tun Menschen oft aktiv erst etwas, wenn ihnen selbst Ungerechtigkeit widerfährt.

Berührungen: Nord- und Mitteleuropa hat eher eine "low touch culture". Berührungen sind aber wichtig für eine normale psychische Entwicklung. Das Berühren und das Sich-berühren-Lassen sind erlernbar. Wichtig sind die Gefühle, die damit verbunden sind. Mittlweile gibt es in Deutschland Ateliers bzw. Praxen mit "Berührerinnen". Vgl. Cem Ekmekcioglu: Drück mich mal. Warum Berührungen so wichtig für uns sind, Westend Verlag 2015.

Intelligenz: Etwa zwei Prozent aller Menschen gelten als hochbegabt. Ein Vorteil für die Karriere und das Berufsleben ist das jedoch nicht. Intelligenztests spielen in der Personalauswahl in der Regel keine Rolle (Ausnahmen: Militär und Polizei, um nicht die Dümmsten zu rekrutieren). Es gibt viele verschiedene Arten der Intelligenz, die oft schwer voneinander zu trennen sind: Emotionale Intelligenz (I.), Interpersonale I., Intrapersonale I., Musikalische I., Existenzielle I., Kinästhetische I., Naturalistische I. Je intelligenter ein Mensch ist, desto weniger vernetzt sind die Nervenzellen in der Großhirnrinde (Uni Bochum 2018).

Intelligenz in der Diskussion: Mit Intelligenz wird heute vieles erklärt. Es gibt eine Inflation des Begriffes. Dabei ist eine Grunderkenntnis der Psychologie, dass Intelligenz immer das ist, was ein Test jeweils misst. In der Schule sollen alle Kinder hochintelligent sein. Das drückt sich dann auch in einer Inflation guter Noten aus, die aber auf ein Zurückfahren der Anforderungen beruht. Noch schlimmer ist der Missbrauch des Begriffes in der Internetökonomie: Man spricht von Scharmintelligenz. Das meint eigentlich, dass viele Menschen zusammen besser denken können. Andererseits weiß die Massenpsychologie, dass die Masse Mensch eigentlich dumm ist. Auch der Begriff Künstliche Intelligenz ist arg missverständlich: Denn in Wirklichkeit werden programmierte Rechenschritte ausgeführt. Das heißt, es wird nur das getan, was vorher von Menschen programmiert wurde oder wenn die Maschine diesen Algorithmus selbstständig weiterentwickelt. Der Verfasser plädiert insofern nur dafür, entsprechende Begriffe klarer zu definieren.

Soziale Intelligenz: Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen. Wer mit anderen mitfühlt, hat mehr vom Leben. Diese Fähigkeit muss allerdings immer wieder genutzt und trainiert werden. Auch das Gehirn strukturiert sich erfahrungsabhängig. In Organisationen immer wichtiger.

Resilienz: Vom Lateinischen "resilire" = zurückspringen, abprallen. In der Systemtheorie die Fähigkeit eines Systems, mit Veränderungen umzugehen. In der Arbeitspsychologie die Fähigkeit, Krisen durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressoursen zu meistern und als Anlass zu Entwicklungen zu nutzen. Es handelt sich um die Toleranz gegenüber Störungen. Der Wandel in der Arbeitswelt wird immer schneller und Innovationen werden immer mehr, so dass man damit umgehen muss. Das Resilienz - Training kommt aus der Armee. Bei dieser Fähigkeit wird eine Privilegierung bei der Mittel- und Oberschicht vermutet. Vgl. Heller, Jutta: Resilienz, München 2013. Die Ursachen der Resilienz sind noch nicht klar. Womöglich wird eine starke Psyche geerbt. Eine Rolle scheint auch das Gehirn zu spielen (korrigieren von Fehlschaltungen). Negativ auf die Psyche wirkt sich Lieblosigkeit der Eltern aus. In Mainz gibt es seit 2014 das Deutsche Resilienz Zentrum. Es erforscht Stressfaktoren (Stressoren, neurobiologische Forschungserkenntnisse). "Du musst eine positive Haltung wahren und das Beste aus der Situation machen, in der du dich befindest", Stephen Hawkins, britischer Astrophysiker im Rollstuhl, gestorben 2018. "Was mich nicht umbringt, macht mich härter", Nietzsche. Der Spruch konnte empirisch bestätigt werden. Quelle: Yang Wang et al.: Early-career setback and future career impact, Nature Communications, Oktober 2019.

Trennung: Hier beruflich. Sie fordert irgendwann Klarheit. Man sollte eine Strategie für den Schlussstrich haben. Was zählt, ist das Ziel. Man sollte Verantwortung für das eigene Wohl haben, weil man auch Schmerzen und Wut bei anderen Menschen verursacht. Es sollte Schluss mit der Selbsttäuschung sein. Am wichtigsten ist aber der Blick nach vorn. Vgl. Annette Ostermann: Ein Neuanfang sollte immer bei mir selbst anfangen, in: Focus 33/2019, S. 66f.

Wechselseitige Verbundenheit: Gewissheit, dass eine schönere Welt möglich ist. Wichtig bei Ratlosigkeit, Frustration und innerer Resignation. Abhängigkeit zwischen uns und anderen Lebewesen.

Kreativität: Mit richtigem Führungsstil und passender Arbeitsumgebung kann Kreativität gefördert werden. Kreativität ist eine wichtige Führungsqualität. Bestimmte Methoden führen zu mehr Kreativität: Brainstorming, Mind Map, Methode 653, Sechs-Hüte-Methode, Umkehrmethode u. a. Besonders förderlich ist Bewegung. In Experimenten in den USA haben sich Spaziergänge als besonders förderlich erwiesen. Abstraktes Denken und körperliche Aktion sind eng miteinander verzahnt.

Gehirnleistung und Sport: Die Medizin weiß, dass Bewegung die geistige Gesundheit (Schutzschild gegen Stress) und die Leistungsfähigkeit des Gehirns fördert (frische Nervenzellen, Gehirnvolumen wird vergrößert). Sport kann auch beim Lernen helfen. Es besteht eine Verbindung zwischen Muskeln und Gehirn.

Funktionsweise des Gehirns: 1. Das Gehirn ist weniger geschlechtsspezifisch als bisher angenommen. Es ist also gleichzeitig Mann und Frau. 2. Die erste erlernte Sprache prägt das Denken. Genvarianten beeinflussen das Suchtverhalten.

Gedächtnis: Es arbeitet auf vier Wegen: Episodisches Gedächtnis (Erinnerungen an Erlebnisse); Assoziatives Gedächtnis (verknüpft Dinge und Emotionen); Semantisches Gedächtnis (Faktenwissen); Prozedurales Gedächtnis (Bewegungsabläufe). Das Gehirn merkt sich Informationen länger, wenn diese wiederholt werden. Mit zunehmendem Alter lässt die Merkfähigkeit nach. Der Mensch hat wenig Einfluss auf den Wahrheitsgehalt von Erinnerungen. Vgl. Julia Shaw: Das trügerische Gedächtnis, Hanser 2016. Wir müssen vergessen, um Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden zu können. Wir können auch selbst Erinnerungen im Inhalt verändern, ebenso wie andere Menschen Einfluss haben.

Trainieren des Gedächtnisses: Es stehen eine Reihe von Methoden zur Verfügung. Einmal kann man das natürliche Gedächtnis schulen durch Üben. Daneben gibt es die Weg-Methode, die Bildergeschichte, der Zahlencode, das Gesichter - Memory und der Denksport.

Fitness für das Gedächtnis: Bereits ab Ende dreißig baut der Gedächtnisspeicher langsam ab. Abschalten und Entspannen ist wichtig. Achtsamkeitsübungen und Meditation helfen auch dem Gedächtnis. Weiterhin wichtig sind kraftvolle Kontakte und Begeisterung. Vgl. Brant Cortright: Das bessere Gehirn. Scorpio Verlag 2017. Michelle Schoffro Cook: Futter fürs Gehirn, Books4sucess 2017.

Millersche Zahl: Unter normalen Umständen können wir uns aus einer Reihe von Dingen etwa sieben gleichzeitig merken, bei Aufteilung in "Teile" allerdings wesentlich mehr. Das ist das Ergebnis von Experimenten von George Miller (geb. 1920).

Beschleunigung: In der Moderne steigen Erstarrung und Beschleunigung an. Obwohl wir immer mehr Frei-Zeit haben, haben wir keine Zeit mehr. "Wir laufen nicht mehr auf die Verheißung zu, sondern vom Abgrund weg", Hartmut Rosa (Uni Jena, Max Weber-Kolleg Erfurt, Wirtschaftswoche, Nr. 52, 21.12.13, S. 49). Der Autor hat 2006 eine Theorie der Beschleunigung vorgelegt. Beschleunigung ist auch das verbindende Element der soziologischen Klassiker (Karl Marx, Max Weber, Emile Durkheim). Die Synchronisation von Alltagszeit, Lebenszeit und historischer Zeit fällt immer schwerer. Heute fordern Millionen Arbeiter mehr Zeit für sich selbst, weil die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr verschwimmen (kürzerer Schlaf, schnelleres Essen, E-Mails am Feierabend und Wochenende). "Take a moment to behold", Spruch auf einem Stein in Schottland in den Cairngorms.

Fähigkeit zum Müßiggang: Unabdingbare Voraussetzung für jeden Aufbruch (Phase der Besinnung vorher). Es ist der Mut zur Denk- und Atempause, die in einer Welt der Rastlosigkeit immer wichtiger wird. Das Innehalten muss aber immer wieder gelernt werden.

Innere Uhr: Jeder hat eine innere Uhr, die individuelle ist, und die die Abläufe im Körper steuert. Es gibt Nachteulen und Lerchen. Teenager haben eine andere innere Uhr (sie schlafen länger; in der Pubertät ist das Gehirn Veränderungen ausgesetzt). Es gibt auch eine Körperuhr. Diese sollte im Beruf genutzt werden. Die Körperuhr von Schichtarbeitern wird permanent unterbrochen. Dadurch können sowohl körperliche wie psychologische Schäden auftreten.

Disziplin: Zielstrebig bestimmte Vorhaben sofort und rechtzeitig angehen und erledigen. Unabdinglich in jedem Berufsleben. Das Gegenteil kann Prokrastination sein: Dinge konsequent auf morgen verschieben. Diese Haltung kann durch nützliche Rituale bekämpft werden.

Angst: "Die rieselnde Angst vor dem eigenen Ungeschick" (Vgl. Bude, Heinz: Gesellschaft der Angst, Hamburg 2014). Einerseits steht der Deutsche heute einem Reichtum an Lebenschancen gegenüber, andererseits ohne inneren Kompass, so dass er ständig besorgt ist, etwas falsch zu machen. Er empfindet Unbehagen über den eigenen Typ. Man fürchtet sich auch vor den Unwägbarkeiten der modernen Arbeitswelt. Die R+V-Versicherung befragt seit 1992 rund 2400 Deutsche ab vierzehn Jahren nach verschiedenen Ängsten. 2015 haben die Deutschen am meisten Angst vor Terror, Naturkatastrophen und Euro-Krise. 2017 ist der "Angst-Index" gesunken: Besonders viel Angst haben die Deutschen vor Terrorismus (71%) und vor Spannungen mit Ausländern (62%). Die Angst vor Arbeitslosigkeit ist erheblich gesunken.

Einsamkeit: Man muss unterscheiden zwischen dem subjektiven Gefühl und der tatsächlichen Einsamkeit. Einsamkeit ist wahrscheinlich in vielen Gesellschaften Todesursache Nummer eins. Sie beeinflusst als psychosomatisches Phänomen stark körperliche Symptome wie Bluthochdruck und Krebs. In GB wird 2018 ein Ministerium für Einsamkeit eingerichtet. Im Koalitionspapier der GroKo gibt es einen Beauftragen für Einsamkeit. Gerade soziale Medien wie Facebook können Einsamkeit verstärken. Auch neue stark steigende Lebensformen wie Singledasein verstärken das Problem. Einsamkeit beeinflusst stark das Schmerzzentrum im Gehirn. Vgl. Manfred Spitzer: Einsamkeit - die unerkannte Krankheit, Droemer 2018.

Zeitmanagement: Wird immer wichtiger. Gilt für Arbeitnehmer, Elternteil, Verbraucher oder Partner. Grund ist der immer komplexer werdende Alltag. Techniken, die Überforderung verhindern, werden immer wichtiger. Dazu gehören: Technik abschalten, Nein sagen, Aufgaben eliminieren, Leistungen auslagern. In Frankreich wird ab 2017 ein Gesetz verankert, das das Recht auf Abschalten beinhaltet. Arbeitgeber müssen nicht mehr rund um die Uhr erreichbar sein. "Laufe nicht der Vergangenheit nach, verliere dich nicht in der Zukunft. Die Vergangenheit ist nicht mehr. Die Zukunft ist noch nicht gekommen. Das Leben ist hier und jetzt", Laotse. "Zähle nicht die Tage, sondern sorge dafür, dass die Tage etwas zählen", Muhammad Ali.

Erfahrung: Erfahrung wird allgemein als wichtig und positiv angesehen ("alt gediente Experten"). Erfahrung steckt auch in der Definition von Qualifikation (zusammen mit Aus- und Weiterbildung). In manchen Bereichen kann aber ein Neuling besser sein. "Eine starke Managementriege lebt von einer angemessenen Mischung aus Experten und Neulingen", Lars Thiele, Kienbaum (Quelle: WiWo, 38, 8.9.17, S. 92).

Intros und Extros in der Arbeit: Gemeint sind Extrovertierte und introvertierte Menschen. Die extrovertierten Menschen sind normalerweise erfolgreicher im Beruf. Sie sind gesellig, teamfähig und Alphatiere, insofern ideal für die Arbeit. Zusätzlich sind sie Risiko affiner und entscheidungsfreudiger. Die introvertierte Menschen ertragen sozialen Austausch nur in Maßen. Sie sehen sich eher nach Ruhe und Alleinsein. Natürlich gibt es auch Mischtypen. Fruchtbar ist die Zusammenarbeit beider Gruppen.

Ehe- bzw. Lebenspartner: Die Zeit der arrangierten Ehen ist in unserer Kultur vorbei. Heute entscheiden Liebesbeziehungen, die voller Überlegungen sind, ob ein Partner der Richtige ist. Die oder der Richtige ist immer ein eigenes Bild, eine Erweiterung des Selbstspiegels. Die Partnerschaft hat eine große Bedeutung für den Beruf und den beruflichen Erfolg. Sie sollte Kraftquell, Ruhepol, Inspiration und Anreiz sein.

Freundschaft: Freunde begleiten us auch bei Triumphen und Niederlagen im Beruf. Sie sind für die Psyche unersetzbar. In Freunden spiegeln wir uns und vertrauen ihnen intimste Dinge an. Einem wahren Freund kann man in der Regel nichts vorspielen.

Networking: Netzwerke strategisch pflegen. Die Vernetzung von Mitarbeitern im Unternehmen. Es gibt Unternehmen, die den Mitarbeitern dabei helfen. Netzwerke können bei der Karriere helfen.

Work-Life-Balance: Wahrung eines Gleichgewichts zwischen denen verschiedenen Lebenswelten und Rollen, insbesondere zwischen Arbeit und Privatleben. Die Personalwirtschaft muss mehr auf Lebensphasen orientiert ausgerichtet werden. Ein großes Ungleichgewicht kann zum Burn-Out-Syndrom führen. Dieses reicht von Erschöpfung über Verhaltensänderungen zur Depression. Der Stress im Beruf macht sicher öfter krank. Psychische Belastungen sind auch die Hauptursache dafür, dass Arbeitnehmer vorzeitig Rente beantragen müssen (Quelle: Stressreport Deutschland 2012). Im Zeitalter der Globalisierung ist Schnelligkeit und maximale Flexibilität zur gesellschaftlichen Norm geworden. Traditionelle Netzwerke wie Familie, Vereine und Kirche verlieren an Bedeutung. Die Gesellschaft individualisiert. Viele sprechen auch von Work-Family-Balance. Es geht um die Vereinbarkeit der Lebensbereiche "Beruf" und "Familie". Im Vordergrund stehen flexible Arbeitszeiten zur Selbstgestaltung und der Telearbeitsplatz als Arbeitsstätte der Zukunft. "Aristoteles glaubte daran, dass seelische Zufriedenheit und bezahlte Arbeit unvereinbar sind", Alain De Botton, Philosoph, London, in : WiWo 24, 9.6.17, S 87. Ebenso: "Arbeit macht uns selten glücklich".

Work-Life-Blending: Ein Zustand, in dem Arbeit und Freizeit miteinander verschmelzen. Es kommt zu dauernden Führungswechseln. Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung stehen im Vordergrund.

Die Dimensionen des Alters: Es betrifft unterschiedliche Aspekte des Lebens. Es gibt ein chronologisches oder biographisches Alter. Ebenso kennt man ein Biologisches Alter (Alterung hinterlässt Spuren). Weiterhin ist ein Soziales Alter bekannt (Zugehörigkeit zu anderen Personen). Zuletzt spricht man von einem Psychologischen Alter (Veränderung kognitiver Funktionen, gefühltes Alter).

Alter und Leistungsfähigkeit: Zwei Faktoren bestimmen, wie produktiv ein Mensch ist. Die physische und kognitive Leistungsfähigkeit, die mit steigendem alter sinkt. Und das Erfahrungswissen, das mit steigendem Alter wächst. Wie sich der Saldo beider Größen entwickelt, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Wie lange jemand im job produktiv sein kann, hängt von den spezifischen Anforderungen des Jobs ab. die Robotisierung und der technische Fortschritt könnte in Segen für die Älteren sein. Besonders wichtig ist darüber hinaus die Motivation.

Glück und Beruf: Wer seinen Beruf gerne ausübt, ist zufriedener als jemand, der keine Arbeit hat. Glück erlebt der, der die Aufmerksamkeit auf etwas angenehmes richtet. Wissenschaftler und verwandte Berufe haben die höchste Zufriedenheit. Hoch zufrieden sind auch abhängig Teilzeitbeschäftigte. Bekannt ist Howard Gardner von der Harvard University; in Deutschland Joachim Bauer, Uni Freiburg. "Oh Glück, Du unseres Lebens Zweck und Ziel", Alexander Pope, Vom Menschen, Hamburg 1993, S. 70.

Psychological Safety: Der Begriff von von der Harvard-Professorin Amy Edmondson eingeführt. Er bezeichnet das subjektive Gefühl, innerhalb einer Gruppe gut aufgehoben zu sein. Man kann Ideen einbringen ohne Zurückweisung und frei seine Meinung äußern.

Wert der Arbeit: Arbeit gibt dem Leben Sinn. Der Mensch zeigt, welche Talente in ihm stecken. Arbeit liefert Anerkennung. Wer mit Freude arbeitet, bringt etwas Gutes zustande. Die Würde eine Menschen hängt maßgeblich davon ab, ob er sich in seinem Beruf entfalten kann. Arbeitslose reagieren in der Regel mit Resignation. "Solange man etwas tut, was einem Spaß macht, fühlt es sich nicht wie Arbeit an", Lena Heuermann, Google-Pressesprecherin.

Purpose - Diskussion: Echte Sinnstiftung ist vielschichtiger als angenommen und eine zentrale Führungsaufgabe. Sinn ist individuell, jeder einzelne entscheidet aufgrund seiner Situation, Perspektive und Prägung., ob seine Arbeit sinnstiftend ist. Die quellen von Sinn sind höchst unterschiedlich, es gibt eine Beitrags-, eine Gemeinschafts- und eine Leidenschaftsorientierte. Purposeorientierte berücksichtigt diese Tatsache und ermöglicht ein Umfeld, welches Mitarbeitern erlaubt, für sich persönlich Sinn zu finden. Führungskräfte müssen Menschen mögen und Interesse zeigen. Das ist die Voraussetzung. Vgl. Jennewein, W./ Strecker, M./ Leisin, A. C.: Raum für Sinn, in: HBM Januar 2021, S. 54ff.

Selbstverwirklichung: Eine Art Erleuchtung oder Rettung. Es geht darum, wie man ein zufriedenes Leben führen kann. Jeder hat aber eine individuelle Aufgabe, für die es keine allgemeine Lösung gibt. Grundlegend auf diesem Gebiet waren die Forschungsarbeiten von Maslow. Er stützte sich auf Biographien von 18 Personen. Dabei identifizierte er folgende Eigenschaften: Sie haben eine realistische Einschätzung. Sie sind ideenreich, unabhängig und eigenständig. Sie sind spontan. Sie neigen zu Eigenwilligkeit. Sie halten Unsicherheit aus. Sie brauchen Privatsphäre und Zeit für sich selbst. Sie sind in höchstem Maße kreativ. Sie haben einen ungewöhnlichen sinn für Humor. Ihr blick auf die Welt ist von Hochachtung und Ehrfurcht geprägt. Sie pflegen tiefe und befriedigende Kontakte. Sie sind besorgt um das Wohlergehen der Menschheit. Sie können auf eine Reihe von Schlüsselerlebnissen zurückblicken. Verwirlicht man sich in der arbeit, spricht man von intrinsischer Motivation. "Es gibt keine perfekten Menschen", Maslow, 1970.

Entfremdung: Marx nennt vier Dimensionen zunehmender Entfremdung: Erstens die Entfremdung vom Produkt der Arbeit. Zweitens entfremden sich die Menschen in ihrem Job durch eintönige Tätigkeiten. Drittens wird der Mensch vom menschlichen Wesen entfremdet. Viertens entfremdet sich der Mensch vom Menschen. Der Ursprung allen Übels liegt in der Produktion.

Arbeitsmoral: Die Unternehmensberatung Gallup macht regelmäßig Befragungen. In Deutschland erledigten 2013 zwei Drittel der Befragten ihren Job lustlos (Grad der emotionalen Bindung von Mitarbeitern an ihre Arbeitgeber). Jeder Sechste hat innerlich gekündigt. Neuere Umfragen von Gallup (2015) zeigen wieder einen Anstieg des Arbeitsengagements (2014: nur noch 15% keine emotionale Bindung/innere Kündigung, 70% geringe innere Bindung, 15% hohe Bindung).

Ethisches Verhalten: Einen großen Einfluss hat die wirtschaftliche Situation in der Zeit des Erwachsenwerdens (Adoleszenz). Wer sein Examen in rosigen wirtschaftlichen Zeiten gemacht hat, neigt später eher zum Schummeln und Tricksen. Vgl. Emily C. Bianchi/ Aharon Mohliver: Do Good Times Breed Cheats?, in: Organization Science, Dezember 2016.

Psychologisches Empowerment: Verschiedene Maßnahmen, die die Zielsetzung haben bei den Mitarbeitern folgende Fähigkeiten zu steigern: Erleben von Sinnhaftigkeit, Selbstbestimmung, Einfluss und Kompetenz am Arbeitsplatz. Für einige Experten ist dies gleich New Work. Vgl. Schermuly, Carsten C.: Wann New Work funktioniert, in: HBM Dezember 2020, S. 22ff.

Konkurrenzkampf: Frauen neigen weniger als Männer dazu, sich in Wettbewerbssituationen zu begeben. Dabei spielen eine geringere Risikobereitschaft und ein schwächer ausgeprägtes Selbstbewusstsein von Frauen eine bislang wenig beachtete Rolle. Vgl. Veldhuisen, Roel van: Konkurrenzkampf? Frauen verhalten sich im Wettbewerb anders als Männer, in: WZB Mitteilungen, Heft 161, September 2018, S. 39ff.

Teamzugehörigkeit und Leistung: Forscher haben untersucht, worin sich die engagiertesten Beschäftigten von anderen unterscheiden. Der bei weitem wichtigste Faktor war die Zugehörigkeit zu einem Team. Allein: In der modernen Arbeitswelt formen sich Teams andauernd neu. Sie sind abteilungsübergreifend, projektbezogen und lösen sich schnell wieder auf. Unternehmen müssen neue Technologien nutzen, um die wahren Teams in ihrer Organisation sichtbar zu machen. Dann müssen sie die Teamleiter darin schulen, wie sie eine Vertrauensbasis schaffen, Mitarbeitern Aufmerksamkeit schenken, gemeinsames Lernen fördern, das Teamerlebnis in den Mittelpunkt stellen und neue Arbeitsformen unterstützen können. Vgl. Buckingham, M./ Goodall, A.: Die Stärke unsichtbarer Teams, in: HBM, Januar 2020, S. 20ff.

Ausbeutung: Ausbeuter erscheinen oft als nette Kollegen. Sie sind besonders freundlich. Quelle: Max-Plack-Institut für Evolutionsbiologie in Plön.

Kritisches Feedback und Wirkung: Kritisches Feedback verleitet die Mitarbeiter dazu, sich mit Leuten zu umgeben, die sie besser beurteilen. Mitarbeiter scheinen Kritik aus dem Weg zu gehen. Vgl. Paul Green: Negative Feedback Rarely Leeds to improve, in: Harvard Business Review, Nr. 1, Januar/ Februar 2018.

"Workaholic"/ Arbeitssucht: Arbeitssüchtig. Pathlogische Fixierung auf die Arbeit. Wird oft erst durch Folgeschäden wie Depressionen und Angststörungen entdeckt. Mittlerweile gibt es auch anonyme Arbeitssüchtige. Während der Coronapandemie von 2020 bis 2022 hat sich die Krankheit weiter verbreitet. Die Erkrankung zu erkennen, ist ebenso schwierig, wie sie zu überwinden. Ein problem ist, dass sie im Unterschied zu anderen Süchten zunächst Anerkennung in der Gesellschaft findet. 

Konzentration und Durchhaltevermögen: Diese psychologischen Fähigkeiten werden immer wichtiger. Immer mehr Menschen sind abgelenkt (Phänomen des "wandernden Geistes": wie reagiert des Gehirn auf Ablenkung?). Dies ist auch eine Begleiterscheinung der modernen Internet- und Kommunikationstechniken. "Was zählt, sind Ausdauer und Widerstandsfähigkeit. Das Leben ist kein Sprint. Es ist ein Marathon. Was im Leben zählt, ist Dranbleiben", James Heckman, Wirtschaftsnobelpreisträger (s. Der Spiegel 11/ 2015, S. 110).

Lustlosigkeit/ Einsatzfreude: Homeoffice, Viertagewoche, mehr Urlaub, fehlender Biss. 42% der deutschen Führungskräfte sagen,  ihre Mitarbeiter seien nicht einsatzfreudig genug. Der Fachkräftemangel stattet sie mit neuer Macht aus - un damit wachsen die Ansprüche. Vgl. Adamsen, Henrike u. a.: Lustlos und begehrt, in: WiWo 46/ 11.11.22, S. 17ff.

Lambda-Hypothese: Zusammenhang zwischen Aktivierungsniveau eines Individuums und dessen Leistungsfähigkeit. In Abhängigkeit von der Aufgabenkomplexität existiert ein optimales Aktivierungsniveau.

Baumeisters Ego-Depletion: Wie das Benzin im Tank unseres Autos ist auch die Willenskraft eine endliche Ressource. einmal aufgebraucht, fällt es uns schwerer, einer Versuchung zu widerstehen. Sie ist von Roy Baumeister (geb. 1953). Vgl. Jarret, C.: Psychologie, Librero 2019, S. 62.

Arbeitszufriedenheit: Am bekanntesten ist die Zweifaktorentheorie von Herzberg. Für die Hypothese liegen auch die meisten empirischen Studien aus der ganzen Welt vor. Herzberg unterteil in Arbeitszufriedenheit und Nicht-Arbeitsunzufriedenheit. Auf diese Ebenen wirken Motivatoren und Hygienefaktoren. Mensch Abraham und Tier Adam sind die Ausgangstypen. Die Grundhaltung "Zufriedenheit" wird teilweise vererbt.

Worthülsen schaden dem Betriebsklima: Man sollte nicht mit Buzzwords um sich schmeißen. Solche sind etwa "Mindset, Insights, Impact". Es meist nicht ganz klar, eas damit gemeint ist. Das wirkt sich auf Arbeitsengagement und psychische Gesundheit der Mitarbeitenden aus. Vgl. Elia, Alexander: Irritierendes Blabla, in: HBM Mai/2022, s. 18ff.

Vertrauen: In der Psychologie ein aufeinander verlassen können. Dadurch kann erheblich Teamarbeit und Produktivität gefördert werden. Auch die Krankheitstage sinken. Vgl. Paul J Zak: Wie Vertrauen die Leistung steigert, in: Harvard Business Manager, Mai/2017, S. 72ff.

Mobbing: Psychoterror am Arbeitsplatz. Schikanierung durch Kollegen und Chefs, bis der Arbeitsplatz verlassen wird oder die betroffenen Person krank wird. Besonders in sozialen Berufen wird gemobbt. In Deutschland sind ca. 1,8 Mio. Menschen betroffen (EU, Statistisches Bundesamt). 2,5 Mrd. € könnten die Fehltage durch Mobbing kosten. 20% aller Suizidfälle in Deutschland könnten auf Mobbing zurückgeführt werden. Eine der Hauptursachen ist Intransparenz bei der Einstellung neuer Mitarbeiter (Funktion, Konkurrenz).

Hawthorne-Effekt: Die Art des Experiments beeinflusst seinen Ausgang. Er wurde nach Studien von 1924 bis 1932 in der Hawthorne-Fabrik in Chicago benannt. Man wollte untersuchen, wie man die Arbeitsleistung steigern kann. Dabei setzte man zunächst besseres Licht ein. Tatsächlich stieg die Arbeitsleistung, aber auch in der Kontrollgruppe.  Die Anwesenheit der Forscher motivierte in diesem Fall.

Milgram - Experiment: Der Psychologe Stanley Milgram brachte Freiwillige dazu, wildfremden Menschen scheinbar Elektroschocks zu verpassen. Die Probanten sollten immer schlimmere Schmerzen zufügen. Diese gehorchten, weil ein anwesender Wissenschaftler die Schocks als harmlos einordnete. Das Experiment sollte die Gehorsamkeit (Autoritätsgläubigkeit) messen. Auslöser war der Eichmann Prozess und die These von Hannah Arendt von der "Banalität des Bösen". Milgram wurde aus Sicht der Wissenschaftsethik kritisiert und galt als isoliert. Das Experiment wurde in New Haven durchgeführt. Es gibt Lehrfilme und Originalaufnahmen dazu auf Apps.

Marienthal-Studie: Sie wurde von Marie Jahoda (1907 - 2001) u. a. durchgeführt. Zu Beginn der 1930er Jahre untersuchte das Forscherteam in dem kleinen österreichischen Dorf Marienthal den Einfluss von Langzeitarbeitslosigkeit. 1933 wurde die Monographie "Die Arbeitslsoen von Marienthal" veröffentlicht. Die forscher fanden statt revolutionäres Klassenbewusstsein Apathie und Schicksalsergebenheit. Das Buch wurde während der Nazi-Zeit verbrannt (Jahoda war Jüdin) und erschien fast 40 Jahre später wieder auf Englisch.

Macht: Macht gilt als wichtiges Motiv in der Arbeit und als großer Einflussfaktor in Organisationen. Die klassische Machtdefinition geht auf Niccolo Macchiavelli (1469-1527; italienischer Philosoph)) zurück: "Man soll den Menschen entweder schmeicheln oder sie sich unterwerfen".

Farben: Sie können arbeitspsychologisch eingesetzt werden. Gelb gilt als Wachmacher, Grün als eher einschläfernd. Farben haben auch eine große kulturelle Bedeutung. Gelb war in China dem Kaiser vorbehalten, Blau die Farbe des Himmels. Von den alten Römern bis zu den russischen Zaren war Rot die Farbe der Reichen und Mächten; bis die Arbeiterbewegung Rot zur Farbe des Protestes machte. Farben haben heute bei Verpackungen oder Produkten auch im Marketing eine große Bedeutung.

Phase des Kindes im Mutterleib: Damit kommt in der modernen Psychologie noch eine Phase zu den berühmten Entwicklungsphasen von Siegmund Freud dazu. Das Ungeborene kann träumen, eine Beziehung aufbauen, Sport treiben, Musikgeschmack entwickeln und Gefühle haben. Sehr umstritten ist der "Mutterleib als erstes Klassenzimmer". Die Einen wollen fördern, die Anderen fordern Ruhe in dieser Entwicklungsphase.

Freitod (Selbstmord): Die Verhältnisse am Arbeitsplatz, vor allem Stress, Mobbing, Überforderung, können zu Selbstmord führen. Freitod ist ein globales Phänomen. Nach Angaben der WHO scheiden jährlich 800.000 Menschen freiwillig aus dem Leben. In vielen Gesellschaften ist er ein Tabu. Es müsste mehr in Prävention investiert werden. Gefährdet sind vor allem 15- bis 29-Jährige und Männer und Frauen über 70. Manche Selbstmorde in der Geschichte geschahen auch auf Druck. So die Selbstmorde von Sokrates und Seneca. Lucius Anneus Seneca beging auf Befehl Neros Freitod (19. April des Jahres 65). Berühmt ist sein Motto: "vindica te tibi" (Befreie dich zu dir selbst).

Matriarchat: Matriarchate, das heißt Frauenherrschaft, gibt es vereinzelt auf der Welt. Bekannt sind ein Dorf in Brasilien (Noiva Do Cordeiro) und ein Dorf in der VR China. Sehr interessant sind die Entstehungsgeschichten. Empirische Untersuchungen (Teilnehmende Beobachtung, qualitative Interviews) können zur Prognose betriebswirtschaftlicher Entwicklungen in Personalwirtschaft und Organisation führen.

Schizophrenie: Immer schwieriger zu diagnostizieren. Stimmen im Kopf können viele Ursachen haben und sind nicht automatisch gefährlich. Symptomkataloge legen fest, wann jemand als gestört gilt. Die Definitionen sind über 100 Jahre alt. Man weiß heute noch immer zu wenig. Die Krankheit ist ein Sammelbecken für alles Mögliche. Manchmal lösen Autoimmunerkrankungen dieselben Symptome aus im Gehirn.

Cyberpsychologie: Der Bereich der Psychologie, der sich mit den Veränderungen der Psyche durch das Internet beschäftigt. Vor allem folgende Aspekte müssen betrachtet werden: 1. Das Internet verändert unser Koordinatensystem: Ständiger Wechsel zwischen realem Leben und Cyberspace, Rhythmus des Internets als Zeitgefühl, virtuelle Fremdbestimmung. 2. Netzeffekte: Empathielosigkeit, Voyeurismus, kein Vergessen mehr, Ermüdung des Gehirns, Gier. 3. Neue virtuelle Bühne: Online-Identität, 4. Wege aus der Netzfalle: Soziales Versagen, Internetdschungel. Vgl. Katzer, Catarina: Cyberpsychologie, München 2016. Ein nicht zu vernachlässigendes Phänomen ist Cybermobbing. Inzwischen neben Polizei und Justiz die Sache ernst.

Digitales Fasten (Digital Detox): Der bewusste Verzicht auf digitale Medien eine bestimmte Zeit. Dies soll der Erholung und Entspannung dienen. 20 Prozent der Deutschen haben das 2017 schon ausprobiert (Branchenverband "Bitkom").

Multitasking: Ein Begriff aus dem Zeitmanagement. Es betrifft die Kunst der Gleichzeitigkeit. Es gibt die Hypothese, das Multitasking die Effektivität erhöht. Manche schreiben die Fähigkeit nur den Frauen zu. Das Gehirn kann aber grundsätzlich Aufgaben gleichzeitig erledigen.

Flexibilität: Berufliche Flexibilität betrifft die inhaltliche und niveaubedingte Fähigkeit sich anzupassen. Entweder stimmen Ausbildungsrichtung und Inhalt der Tätigkeit nicht überein oder Ausbildungsniveau und Tätigkeitsniveau. Auch beides kann nicht übereinstimmen. Liegt das Ausbildungsniveau erheblich über dem Tätigkeitsniveau, kann dies zu Stress führen. Man kann Flexibilität auch als psychische Fähigkeit sehen.  "Flexibilität gibt uns die Möglichkeit, zu lernen und uns zu erkennen, dass alle Situationen, die wir erleben, uns etwas lehren - falls wir bereit und fähig sind, zu lernen. Auf diese Weise werden wir uns nicht, wenn wir Problemen begegnen von unserer Angst aufhalten lassen, sondern in der Lage sein, das Positive in Allem wahrzunehmen", Dadi Janki, 365 Days of Wisdom.

Warten: Warten ist unangenehm, weil man sich fremdbestimmt fühlt. Warten ist aber ein Bestandteil des Lebens. Wir warten in allen Lebensabschnitten. Vgl. Friederike Gräff: Warten: Erkundungen eines ungeliebten Zustands, Links Verlag 2016. Die digitale Welt verändert das Warten: Schon werden Schöner-Warten-Apps angeboten.

Gefühl individueller Selbstverantwortung: Das Gefühl verdrängt die gesellschaftliche Solidarität. Es ist Sache des Einzelnen geworden, für sein persönliches Überleben in einer zersplitterten Welt zu sorgen. Ökonomische Deregulierung in vielen Bereichen hat zwischenmenschliche Bande aufgelöst. Jeder wird als potentieller Gegner und Konkurrent gesehen.

Prinzipienreiter: Sie machen stark in "schwarz" und weiß". Oft fehlt die Erfahrung, sowohl die richtig gute als auch die richtig schlechte. "Es ist immer ein heiter stimmender Anblick, wenn Prinzipienreiter abgeworfen werden", Werner Finck, deutscher Kabarettist

Perfektionismus: Zu hohe Ansprüche an sich selbst kann einen mächtigen Druck erzeugen odet sogar krank machen. Aber man kann lernen, mit einem übertriebenen Perfektionismus umzugehen. Er kann genetisch bedingt sein oder durch die Rolle im Elternhaus ausgelöst worden sein.

Postfaktisch: Neue Sprachschöpfung im digitalen Zeitalter. Man spricht auch vom postfaktischen Zeitalter. Gemeint ist, dass sich die Menschen nicht mehr für Fakten interessieren, sondern allein ihren Gefühlen folgen. Die Portale wie Facebook, Twitter deuten dies an. Im Wahlkampf oder bei Volksabstimmungen spielt dies heute schon eine große Rolle (amerikanischer Präsidentschafts-Wahlkampf, Brexit - Abstimmung).

Flow: Die Arbeit läuft wie von selbst. Es gilt die Hypothese: Je größer die Identifikation mit dem Unternehmen ist, desto leichter erleben Mitarbeiter einen Flow. Die Arbeitsumgebung muss passen. Vor allem muss die Aufgabe den Kompetenzen des Mitarbeiters entsprechen. Je öfter ein Flow vorkommt, desto weniger gestresst fühlen sich Menschen.

Schönheit: Zu allen Zeiten der Menschheit gab es ein Ideal von Schönheit. Oft war dieses verbunden mit Wahrhaftigkeit, Güte, Ethik. Schönheit wurde auch als göttlich angesehen. Bei den alten Griechen war Aphrodite die Göttin der Schönheit. Arbeitsökonomisch im Vordergrund steht die Frage, ob Schönheit der Karriere förderlich ist. Studien in den USA scheinen dies zu belegen. Die Frage ist, was in einer Gesellschaft als schön gilt. Statistisch liegt das Schönheitsideal exakt im Durchschnitt des Aussehens einer Gesellschaft.

Sitzordnung: Sie zeigt Macht, Ansehen und Strategie. Berühmt sind die Regeln des Feng Shui: Höchstrangige Person möglichst weit von der Tür weg. Daneben der höchste Gast. Einige andere Grundregeln sind: Rechts vom Chef sitzt seine rechte Hand (manchmal auch ein Schleimer). Links vom Chef sitzt ein loyaler Verbündeter - aber mit eigener Meinung. Der Ranghöchste sitzt am Kopfende. Manchmal auch in der Mitte. Die meisten Menschen zieht es instinktiv in Richtung Ecke. Räumliche Nähe kann zu Sympathie und Vertrauen führen (Experimente).

Kleidung und Parteibuch: Das Grundgesetz garantiert Meinungs- und Religionsfreiheit. Das ist auch Privatsache. Das zur Schau stellen einer politischen oder religiösen Meinung kann aber zu Ärger mit dem Arbeitgeber führen. Der Arbeitgeber muss nicht alles akzeptieren. Besondere Regeln gelten für kirchliche Arbeitgeber.

Erster Eindruck (Moment): Der erste Eindruck und das Entstehen einer Einstellung in Sekunden ist ein psychologischer Grundtatbestand. Darauf sollte man sich einstellen, um aktiv beeinflussen zu können (öfter lächeln, um sympathisch zu wirken).

Lachen: Psychologisch ist Lachen das menschliche Signal der Begrüßung schlechthin. Es vertreibt auch Furcht. Es ist eine komplexe emotionale Ausdrucksform. Schon Babys lächeln uns an. Lachen ist auch soziales Schmiermittel. Hierüber kommt man schnell mit Wildfremden in Kontakt. Lachen kann auch subversiv sein, wenn eine  Regierung oder Herrschaft ihre Autorität eingebüßt hat.  Lachen und Humor hilft auch, im job mit Stress oder Aggression besser zurechtzukommen. Quelle: Experiment der Australian National University.

Aussehen und Name: These: Wir passen unser Erscheinungsbild unserem Namen an. Diese These versucht Anne-Laure Sellier von der Pariser Wirtschaftshochschule HEC zu beweisen. Vgl. Harvard Business Manager, November 2017, S. 18,19.

Persönlichkeitstests:  Der berühmteste Test ist der MBTI, den Millionen von Menschen jährlich absolvieren. Damit wird die menschliche Psyche auf ein paar Typen reduziert. Die größte Schwäche liegt also in der Simplifizierung. In der Regel arbeiten bestimmte unternehmen mit bestimmten Tests. Manche dienen auch nur dem Müdemachen, um offenere Gespräche zu führen. Beim Rorschachtest deutet man Kleckse, woraus Rückschlüsse auf die Persönlichkeit möglich sind. Der Amthauertest gehört zu den Intelligenzstruktur-Tests und wurde in vielen Unternehmen eingesetzt (Lufthansa).

Wenn-dann-Pläne: Sie sorgen dafür, dass regelmäßige Abgabetermine und Zielvorgaben auch eingehalten werden können. Gute Absicht alleine reicht nicht aus. Am besten macht man Flusspläne. Man arbeitet mit folgenden Etappen: 1. Organisatorisches Ziel festlegen. 2. Da sZiel in Etappenziele aufteilen. 3. Maßnahmen festlegen - einschließlich wer, wann, wo -, um die einzelnen Etappenziele zu erreichen. 4. Wenn-dann-Pläne formulieren, die die Maßnahmen auslösen. Vgl. Grant, Heidi: Wie sie ihr Gehirn überlisten, in: HBM Januar 2021, S. 34ff.

Parkinson Gesetz: 1955 in der Zeitschrift Economist veröffentlicht. Es besagt, dass Arbeit sich in dem Maße ausdehnt, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht. Sie dehnt und verdichtet sich nach der Zeitvorgabe.

Pareto-Prinzip: Bei jeder beliebigen Aktivität kann 80% Output mit nur 20% Input erreicht werden. Daher müssen die produktivsten 20% ermittelt werden.

Drogen: Es gibt eine schnell wachsende Dienstleistungsbranche. Sie bietet Hirnreisen auf LSD, Ketamin und Pilzen. Die Leute sollen kreativer werden. Mit Pilzen könne man vielleicht auch Firmen verändern. Vielleicht gehört das bei den Leistungsträgern von morgen dazu. Vgl. Fischermann, Thomas: Drogen für den Chef, in: Die Zeit Nr. 34/ 18. August 2022, S. 22.

 

Arbeitsmarkttheorie und -statistik  (Allokation der Arbeit; Modelle des Arbeitsmarktes; Funktionsweise; Erwerbstätigkeit; Arbeitslosigkeit)

Auf dem (fiktiven) Arbeitsmarkt tauschen die Anbieter der Arbeit (Arbeitskräfte, Haushalte) ihre Arbeitskraft (Zeit, Fähigkeiten, Kenntnisse, Erfahrungen) gegen das Arbeitsentgelt der Nachfrager nach Arbeit (Arbeitgeber, Unternehmen). Auf dem Arbeitsmarkt werden also die Dienste der Arbeiter gekauft und verkauft. Das Arbeitsangebot wird vom Lohnsatz, den Präferenzen, den Lohnersatzeinkommen, den Sozialversicherungsbeiträgen, Nichtarbeitseinkommen (mikroökonomisch) und von der Bevölkerungs- und Erwerbspersonenentwicklung (makroökonomisch) beeinflusst; die Arbeitsnachfrage vom Lohnsatz, den Lohnnebenkosten, der Produktivität der Arbeitnehmer, den Arbeitschutzbestimmungen, den Kündigungsschutzgesetzen (mikroökonomisch) und der Konjunkturlage, Nachfrage nach Gütern (makroökonomisch) bestimmt. "Die Angst, arbeitslos zu werden, frisst sich durch die Gesellschaft", Wilhelm Heitmeyer, Soziologe Uni Bielefeld.

Arbeitslosenquote in Deutschland (statistische Erfassung der Arbeitslosigkeit): im Zähler stehen die offiziell arbeitslos Gemeldeten (Registrationsmethode), im Nenner sind die Erwerbspersonen ausgewiesen. In der Statistik erscheinen folgende Gruppen nicht: berufliche Weiterbildung, Trainingsmaßnahmen, Ein-Euro-Jobs, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Förderung der Selbständigkeit, Vorruhestand, Stille Reserve, Arbeitslose über 58 Jahren (gesetzlich festgelegt im SGB, nicht Versagen der BA). Im Zähler müssten die freiwillig Arbeitslosen (oft Sozialleistung - induziert)  abgezogen werden. Neben den gemeldeten Arbeitslosen gibt es in Deutschland eine hohe Zahl versteckt Arbeitsloser (2009 etwa 1 Mio.). Weiterhin verzerrt die Zahl der Kurzarbeiter die Arbeitslosenquote. Es gibt viele verschiedene Arbeitslosenquoten für Deutschland. Sie werden von verschiedenen Organisationen berechnet: von der BA, vom StBA, von Eurostat, vom ILO, von der OECD. Die ALQ der ILO berücksichtigt auch weder die verdeckte Arbeitslosigkeit noch den Anteil der Unterbeschäftigten (weniger als 15 Std. in der Woche). Allein die BA berechnet eine Quote mit zwei Ausprägungen: saisonbereinigt und nicht saisonbereinigt. An dieser Stelle können die Methoden nicht näher erläutert werden. Die Arbeitslosen in den USA werden durch Umfragen ermittelt. Als notwendige Bedingung gilt auch die Jobsuche. So kann die paradoxe Situation eintreten, dass die ALQ sinkt, wenn die Zahl der Jobsuchenden zurückgeht. Weltweit ist die Definition der Internationalen Arbeitsorganisation der UN in Genf (ILO) üblich. Sie wird auch vom Statistischen Bundesamt verwendet. Danch gilt arbeitslos, wer bei einer umfrage angibt, dass er keinerlei bezahlter Beschäftigung nachgeht und sich in den vergangenen vier Wochen um einen job bemüht hat. Das ergibt im März 2017 nur 1,8 Mio. Arbeitslose. Daneben gibt es noch das "ungenutzte Arbeitskräftepotential" (StBA).   ( Das Risiko, arbeitslos zu werden, hängt in allen EU-Ländern vom Bildungsniveau ab. Von den niedrig Gebildeten waren 2007 in der EU 9,2% arbeitslos, von den höher Gebildeten nur 3,6%. Arbeitslosenzahlen lassen sich auch anhand von Suchbefehlen bei Google vorhersagen (Askitas, N./ Zimmermann, K.: Prognosen aus dem Internet, IZA Standpunkte Nr. 13, Bonn 2009. Für 2010 prognostiziert die OECD eine ALQ von 12% und über 5 Mio. AL. In der EU hat Dänemark mit 1,8% 2008 die geringste und Spanien mit 11,2% die höchste Quote (2011 schon 24,5% vor Griechenland mit 22.3%). 2010 rechnet das IAB mit einem nur geringen Anstieg der Arbeitslosigkeit in Deutschland (ca. 3,5 Mio., + 120.000). Schon im Herbst 2010 zeichnet sich allerdings ein deutlicher Rückgang ab: schon bald könnten es weniger als 3 Mio. sein: erstmals im November 2010 mit 2,9 Mio. und 7%. Im Jahresdurchschnitt 2010 lag die Zahl der Arbeitslosen bei 3,24 Mio. (Prognose 2011 3 Mio.). Im April 2011 liegt die Arbeitslosenzahl bei 3,078 Mio. Arbeitslosen (7,3%), sie sinkt im Juni 11 unter 3 Mio. auf 2,893 (6,9%) und erreicht im Oktober den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung (6,5%). Im Jahresdurchschnitt 2011 lag sie auf dem niedrigsten Stand seit 20 Jahren unter 3 Mio. (2,98 Mio.). Anfang 2012 steigt sie wieder saisonbedingt auf 7,4% im Februar 12 (3,11 Mio.), dann sinkt sie wieder im April 12  auf 7,0% (2,963 Mio.) und im Mai auf 6,7% (2,86); Juni 6,6% (2,809); November 2012 6,5% (2,751 Mio.). Für 2015 wird von einigen Experten Vollbeschäftigung in Deutschland erwartet (Bevölkerungsrückgang und Wirtschaftsentwicklung). Das IAB rechnet nach 2011 mit kaum noch sinkender Arbeitslosigkeit, weil die Dynamik der Hartz-IV-Reformen beendet ist und die Lohnpolitik weniger zurückhaltend sein wird. Im Jahresdurchschnitt waren 2012 2,9 Mio. Menschen arbeitslos. Allein wegen des Bevölkerungsrückgangs könnte 3,0 Mio. eine Obergrenze bleiben. Im Januar 2013 steigt die Arbeitslosenzahl saisonbedingt doch wieder auf 3,138 Mio. (ALQ 7,4%). Im Februar 2013 bleibt die Quote gleich (nur Anstieg um 18.000). Im März sinkt die Arbeitslosenzahl auf 3,089 Mio. (die Quote fällt auf 7,3%). Im April 2013 sinkt die Quote weiter auf 7,1%. Im Mai 2013 liegt sie bei 6,8%. Im Juni sinken die Arbeitslosenzahlen leicht (-72.000, 6,6% die Quote). Im Juli 2013 sind 49.000 Menschen mehr arbeitslos als im Juni (und 38.000 mehr als vor einem Jahr). Im August 2013 steigt die Arbeitslosenzahl auf 2,946 Mio. (um 32.000). Die Arbeitslosenquote bleibt unverändert bei 6,8%. Diese sinkt im September 13 auf 6,6% (2,894 Mio. AL); im Oktober auf 2,79 (ALQ 6,5%). Im November 2013 steigt die absolute Zahl der Arbeitslosen saisonbedingt auf 2,806 Mio. Die Quote bleibt unverändert. Im Dezember steigt die Arbeitslosenzahl um 67.000 auf 2,87 Mio. (6,7%). Im Januar 2014 steigt die Arbeitslosenquote saisonbedingt auf 7,3% (3,14 Millionen). Für das ganze Jahr 2014 rechnet die Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht Januar 2014 mit 6,8% Arbeitslosenquote. Im Februar 2014 entwickelt sich der Arbeitsmarkt günstig (-14.000 Arbeitslose). Im April sank die Arbeitslosenzahl auf 2,943 Mio. (das ist der niedrigste Stand seit 1992; Arbeitslosenquote 6,8%; im Mai 2014 sinkt die Quote sogar noch auf 6,6%). Im Juni 2014 beträgt die Quote 6,5% (2,83 Mio. AL). Im Juli steigt sie saisonbedingt wieder leicht an auf 6,6%; im August sogar 6,7%. Im September wird wieder 6,5% saisonbedingt erreicht. Die OECD prognostiziert bis Ende 2015 unter fünf Prozent. Im Oktober 2014 sinkt die ALQ in Deutschland auf 6,3% (2,733 Mio. Arbeitslose, Herbstbelebung). So hoch bleibt sie auch im November 2014 (2,717 Mio. Arbeitslose, Arbeitsmarkt Spätindikator der Konjunktur). Im Dezember 2014 steigt die ALQ saisonbedingt ganz leicht an. Im Februar hat die Zahl der Arbeitslosen abgenommen (6,9%, 3,017 Mio.; überraschend für den Monat, da tiefster Stand seit der Wiedervereinigung). Im März 2015 waren deutschlandweit 2,9 Mio. Menschen arbeitslos (6,8%;  niedrigster März-Stand seit 24 Jahren). Im April 2015 sinkt die Quote weiter auf 6,5% (2,84 Mio.; sowohl gegenüber März 15 als auch April Vorjahr -0,3). Im Mai 2015 wird der niedrigste Mai-Wert der Arbeitslosigkeit seit 24 Jahren erreicht (2,76 Mio.; ALQ 6,3%). Im Juni 2015 sinkt die Quote sogar noch einmal auf 6,2% (-51.000 AL). Im Juli 2015 steigt sie wieder leicht wie meist in diesem Monat auf 6,3% (2,77 Mio. AL, +61.000). Im August 2015 kommt es saisonbedingt zu einem leichten Anstieg auf 6,4% (viele junge Menschen suchen nach der Ausbildung eine Stelle). Im September 2015 sinkt die Quote wieder auf 6,2% (2,7 Mio. AL). Im Oktober 2015 fällt die Quote auf 6,0% (weniger als 2,7 Mio. AL; niedrigster Stand seit 24 Jahren). Bei 6,9% bleibt die Quote im November 2015, aber die Arbeitslosenzahl fällt noch mal auf 2,633 Mio. Im Jahresdurchschnitt 2015 erwartet das IAB 2,79 Mio. Arbeitslose. Tatsächlich waren es 2,795 Mio. (BA; niedrigster Stand seit 1991). Erstmals seit 25 Jahren liegt im Januar 2016 die Anzahl der Arbeitslosen in Deutschland unter der Drei-Millionen-Marke (2,92 Mio.). Im Februar 2016 sinkt die ALQ um 0,1 Prozentpunkte auf 6,6%. Im Februar stieg die Anzahl der arbeitslos gemeldeten Flüchtlinge auf 103.000. Im März 2016 sinkt die ALQ noch mal auf 6,5% (niedrigster Stand seit 1991). Im April 2016 erreicht sie sogar 6,3% (natürlich wiederum niedrigster Stand). Im Mai erreicht sie 6,0% (2,664 Mio. Arbeitslose). Im Juni sinkt sie auf 5,9% (niedrigster Wert seit der Wiedervereinigung, 2,614 Mio. Arbeitslose). Am niedrigsten ist die ALQ in Bayern (3,2%). Am höchsten ist sie in Bremen (10,5%). Im Juli steigt die ALQ saisonbedingt um 0,1 Prozentpunkte auf 6,0% an. Im August 2016 steigt die Arbeitslosenzahl wieder an (2,684 Mio.; ALQ 6,1%), ist aber robust (niedrigster Augustwert seit 25 Jahren). Im Oktober 2016 liegt die Quote wieder bei 5,8%; im November 2016 bei 5,7%. Der Arbeitsmarkt hat insgesamt 2016 das beste Jahr seit 25 Jahren erlebt: Im Jahresdurchschnitt waren 2,691 Menschen arbeitslos (ALQ 6,1%, -0,3% gegenüber dem Vorjahr; Quelle: BA). Für 2017 prognostiziert das IAB einen weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit (2,62 Mio., -70.000). Im Januar steigt die Arbeitslosenquote auf 6,3% (um 0,5 Prozentpunkte, weniger als in den vergangenen Jahren im Winter). Im Februar 2017 bleibt die ALQ unverändert bei 6,3% (aber niedrigster Februarstand seit 1991; 2,762 Mio. AL). Im März 2017 sinkt die Quote auf 6,0% (-0,3%; 2,662 Mio.). Im April 2017 fällt die Quote weiter auf 5,8% (2,569 Mio. AL). Im Mai 2017 sinkt sie auf 5,6% (die Zahl der AL unter 2,5 Mio.). Im Juni 2017 fällt sie weiter auf 5,5% (2,473 Mio. Arbeitslose). Im August 2017 steigt die Quote saisonal wieder auf 5,7% (+27.000 AL). Im September wird der niedrigste Stand seit Juni 1991 erreicht (2,45 Mio. Arbeitslose; ALQ 5,5%, -0,2 Prozentpunkte). Im Oktober sinkt die Quote weiter auf 5,4%/ 2,389 Mio. Im November geht sie noch einmal runter auf 5,3% (im Dezember wieder gering hoch, Quote gleich). Im Durchschnitt von 2017 waren 2,533 Mio. Menschen ohne Job (5,7% im Jahresdurchschnitt). Im Januar 2018 sind wieder saisonbedingt mehr Menschen ohne Arbeit (2,57 Mio.; BA). Im Februar 2018 waren noch 2,55 Mio. Menschen ohne Arbeit (ALQ 5,7%, -0,1%). Im April 2018 liegt die ALQ bei 5,3% (2,38 Mio.). Im Mai 2018 sinkt sie um 0,2 Prozentpunkte auf 5,1% (niedrigster Wert seit der Wiedervereinigung; 2,315 Mio.). Auf dieser Höhe bleibt sie auch im Juli 2018 (niedrigste Juli-AL seit 25 Jahren; 2,325 Mio. AL). Im August 2018 steigt die Quote saisonbedingt wieder leicht an (5,2%: 2,351 Mio. AL). Im September 2018 sinkt die Quote auf den niedrigsten Stand seit 1991 mit 5,0% 2,256 Mio. Arbeitslose). Im Oktober 2018 sinkt die Quote unter 5% (4,9%, 2,4 Mio. AL). Im November 2018 fällt sie auf 4,8%. Im ganzen Jahr 2018 hatte die Arbeitslosigkeit den niedrigsten Stand seit 28 Jahren: durchschnittlich 2,34 Mio. Menschen. Fast die Hälfte des Rückgangs ging auf Langzeitarbeitslose zurück. Im Februar 2019 betrug die ALQ 5,3% (geringste Zahl in diesem Monat seit der Wiedervereinigung, 2,37 Mio. AL). Im März 2019 sinkt die ALQ weiter auf 5,1% (2,301 Mio., niedrigste Stand seit 28 Jahren; -72.000 gegenüber Februar; Quelle: BA, Nürnberg). Im April 2019 sind 2,229 Mio. Menschen arbeitslos (ALQ 5,1%). Im Mai sind wieder 2,315 Mio. Menschen arbeitslos (5,1% ALQ). Im Juni 2019 liegt die Arbeitslosenquote bei 4,9% (2.216.000, -20.000 gegenüber Mai). Im Juli 2019 steigt sie wieder saisonbedingt an (5,0%; +0,1%; aber geringer als im gleichen Monat vor einem Jahr). Experten erwarten mehr Arbeitslose in den nächsten Monaten (technische Rezession). Im August 2019 sind in Deutschland 2,32 Mio. Menschen ohne Arbeit (ALQ 5,1%; 0,1% unter Vorjahreswert; 44.000 mehr als im Vormonat). Quelle: BA, Nürnberg. Im September 2019 ist der niedrigste September-Stand seit der Wiedervereinigung: Die Anzahl der Arbeitslosen ist saisonbedingt auf 2,234 Millionen Arbeitslose gesunken (ALQ -0,2% im Jahresvergleich auf 4,9%). Es gibt aber Anzeichen für eine konjunkturelle Schwäche, das Beschäftigungswachstum verliere an Schwung. Quelle: BA. Im November 2019 liegt die ALQ bei 4,8% (2,18 Mio. Arbeitslose). Im Dezember 2019 steigt sie erstmals seit langer Zeit wieder leicht an (2,23 Mio., +47.000, ALQ 4,9%). Zu Jahresbeginn 2020 (Januar) setzt die Flaute (Winter, Konjunkturabkühlung)  dem Arbeitsmarkt zu. Die Arbeitslosenquote steigt um 0,4 Punkte auf 5,3 %. Im März 2020 gibt es 2.335.000 Arbeitslose (Quote: 5,1%, Quelle BA; die Corona-Krise wirkt sich noch nicht aus). Im April 20 zeigt sich die Corona-Krise: Die ALQ steigt auf 5,8% (2.644.000 Al). Im Mai geht die Arbeitslosigkeit auf 6,1% (2.813.000; + 169.000). Hinzu kommen noch die Kurzarbeiter (6 Mio.). Im Juni steigt die Arbeitslosigkeit weiter: 2.853.000. In den 3 Monaten der Corona-Krise ist die Zahl der Arbeitslosen um 863.000 gestiegen. Im Juli 2020 erhöht sich die Zahl der Arbeitslosen auf 2,91 Mio. (um 57.000, ALQ 6,3%, +0,1% gegenüber Juni). Die Anzahl der Beschäftigten in Kurzarbeit stieg auf 6,7 Mio. Im September 2020 geht die Anzahl der Arbeitslosen zurück: 2.847.000 (-108.000, -0,2 Prozentpunkte; +613.000 gegenüber September 2019). Die Arbeitslosenquote liegt bei 6,2%. Im Oktober fällt die ALQ trotz Corona weiter auf 6% (AL: 2,760.000; -87.000 gegenüber Vormonat). Im November 2020 trotzt der Arbeitsmarkt der zweiten Corona-Welle: Die Arbeitslosenquote sinkt auf 5,9%. Erstmals seit 14 Jahren steigt die Arbeitslosenzahl im Jahr 2020 durch die Corona-Krise: 2,7 Mio. Arbeitslose, + 429.000 im Jahresdurchschnitt. Die Arbeitslosenquote liegt bei 5,9%. In Westdeutschland ist die Arbeitslosigkeit geringer (5,6%) als in Ostdeutschland (7,3%). Hinzu kommen noch die Kurzarbeiter (1,99 Mio. im Oktober 2020). Diese verhindern eine höhere Arbeitslosigkeit. Im Januar 2021 liegt die Arbeitslosenquote bei 6,3% (2,901 Mio.; +0,4 Prozentpunkte; BA). Im Februar steigt die Arbeitslosigkeit ganz leicht an (ALQ 6,3%, 2,904 Arbeitslose). Im März 2021 zeigt sich die Frühjahrsbelebung trotz Corona: Die Quote sinkt auf 6,2%. Allerdings ist die Kurzarbeit hoch (197.000 im März). Im April 21 sinkt die Quote auf 6,0% (2,7 Mio. Arbeitslose). Sie sinkt im Mai 2021 leicht weiter auf 5,9%. Im Juni 2021 geht die Quote weiter runter auf 5,7%. Zum ersten Mal seit 15 Jahren sinkt die Quote auch im Juli 21: 5,6% (2,59 Mio. Arbeitslose). Im Mai 21 wurde noch 2,23 Mio. Arbeitnehmern Kurzarbeit gezahlt (April 2020 6 Mio.). Im August 21 bleibt die Quote bei 5,6%. Im September sinkt sie auf 5,4%. Das entspricht 2,465 Mio. Arbeitslosen (viel weniger als im August 21 oder September 20). Im Oktober 2021 sinkt die Quote weiter auf 5,2% (2,377 Mio. Arbeitslose, Herbstbelebung). Sie sinkt im November 21 weiter auf 5,1%. Im Dezember 2021 bleibt die Arbeitslosenquote gleich, saisonbedingt gibt es aber mehr Arbeitslose. Im Januar 2022 sind 2,462 Mio. Menschen arbeitslos. Das sind nur noch 37.000 mehr als Januar 2020, insofern wird das Vorkrisenniveau erreicht (5,4% ALQ, saisonbedingt). Im Februar 2022 sinkt die Quote um 0,1 Prozentpunkte auf 5,3% (2,428 Mio. AL). Im März 2022 sinkt die ALQ weiter auf 5,1% (2,362 Mio. AL, Frühjahrsbelebung). So auch im April 2022 auf 5,0% (2,309 Mio. Arbeitslose). Der Aufwärtstrend am Arbeitsmarkt ist trotz Krieg ungebrochen. Im Mai 2022 sinkt die Quote auf 4,9% (2,26 Mio. AL). Im Juni 22 steigt sie allerdings wieder auf 5,2%. Die Arbeitsmarktstatistik erfasst auch die Ukraine-Flüchtlinge. Deshalb steigt die Quote auch im Juli 22 auf 5,4% (um 107.000). Im August 2022 steigt sie auf 5,6% (aus den gleichen Gründen). Im September 2022 geht sie wieder auf 5,4% zurück (Saison bedingt). Im Oktober 2022 sinkt sie weiter auf 5,3%. Bei diesem Wert bleibt es auch im November 22. Im Dezember 2022 erhöht sich die ALQ leicht auf 5,4% (2,454 Mio., +20.000 gegenüber November). Quelle: BA. Im Januar 2023 steigt die ALQ saisonbedingt auf 5,7% (2,62 Mio. Arbeitslose). Ukrainer entlasten den Arbeitsmarkt. 65.000 sind im Februar 2023 sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 21.000 in Minijobs. Im Februar 2023 bleibt die ALQ gleich (5,7%). Auch im März 2023 bleibt die Quote bei 5,7% (schwache Frühjahrsbelebung, -26.000 Al). Genauso so hoch ist die ALQ im April (5,7%, -8000 AL). Im Mai 2023 sinkt sie leicht auf 5,5% (2.544.000). Im Juli 2023 steigt die Quote wieder auf 5,7% an (+0,2 Prozentpunkte, 2,6 Mio., maue Konjunktur, Saison). Im August 23 geht sie sogar auf 5,8% (schlappe Konjunktur). Im September gibt es nur eine leichte Verbesserung (-0,1% zum August, Quote 5,7%). Die Herbstbelebung fällt also gering aus. Im Oktober 23 bleibt die Quote gleich (aber 20.000 weniger Arbeitslose). Im November 2023 liegt die ALQ bei 5,6% (-1000AL, +172.000 zum Vorjahresmonat). Übers ganze Jahr 2023 liegt die ALQ bei 5,7% (2022: 5,3%; +191.000 AL). Im Januar 2024 steigt die ALQ saisonbedingt auf 6,1% (+189.000 AL gegenüber Vorjahresmonat). Das ist angesichts der schwachen Wirtschaft stabil. Im Februar 2024 bleibt die ALQ unverändert 6,1%. Das schwache konjunkturelle Umfeld verhindert eine Belebung. Im März 2024 liegt die ALQ bei 6,0%. So bleibt sie auch im April 24. Im Mai 2024 fällt die Frühjahrsbelebung nicht so stark wie üblich aus: Die ALQ sinkt im Vergleich zum April um -0,2  Prozentpunkte auf 5,8%, im Vergleich zum Vorjahresmonat erhöht sie sich um +0,3 Prozentpunkte. Im Juni 24 bleibt die Quote bei 5,8%. Im Juli 2024 steigt die Arbeitslosigkeit stärker als üblich (2,809 AL, ALQ 6,0%; schwache Konjunktur). Auch im August 24 geht sie weiter nach oben: +63.000, 2,872 Mio., 6,1% ALQ. Im September 24 geht die Arbeitslosigkeit durch durch die Herbstbelebung nur leicht zurück: 2,806 Mio. AL (ALQ 6,0%; -0,1).

Statistische Methode der ALQ: Man unterscheidet die Umfrage- und die Registrations - Methode. In Deutschland wird nach der Registrationsmethode gemessen (zu den Schwächen vgl. oben). Die USA arbeiten mit der Umfragemethode: Grundlage ist die Befragung privater Haushalte. Gezählt werden nur die Arbeitslosen, die sich tatsächlich um eine Stelle bemühen. Auch die Zahl der potentiell Erwerbstätigen und der neu geschaffenen Jobs wird durch Befragungen ermittelt. In der Europäischen Union wird die Arbeitslosenquote nach einer etwas anderen Methode als in Deutschland berechnet. Mit 4,7% erreicht Deutschland nach dem EU-Berechnungsschlüssel im Juli 2015 die geringste Arbeitslosenquote in der EU.

Natürliche Arbeitslosenquote: Die normale (gleichgewichtige) ALQ, um die herum die ALQ zyklisch schwanken (auch Hypothese). Diese begründet nach M. Friedman und E. Phelps langfristig eine senkrechte Phillips-Kurve. Es besteht eine enge Beziehung zur friktionellen Arbeitslosigkeit, die daraus resultiert, dass Arbeitnehmer Zeit brauchen, um einen Arbeitsplatz zu suchen (vgl. auch Aktuelles, Namen). Daneben gibt es noch Keynesianische bzw. konjunkturelle , strukturelle und wachstumsdefizitäre Arbeitslosigkeit. "Eine der schauerlichsten Folgen der Arbeitslosigkeit ist wohl die, dass Arbeit als Gnade vergeben wird. Es ist wie im Kriege: Wer die Butter hat, wird frech", Kurt Tucholsky. Viele Ökonomen in Deutschland erwarten 2017, dass in Deutschland ab 2021 die Arbeitslosenquote unter 3 Prozent fallen könnte. Das würde nahezu Vollbeschäftigung bedeuten. "Vollbeschäftigung ist besser als Gerechtigkeit", Peter Tauber, CDU-Generalsekretär, im Juli 2017.

Erwerbslosenquote: Die Erwerbslosenquote ist für das Jahr 2018 im neunten Jahr in Folge gesunken. Sie betrug bei den 15 - 74 Jährigen Erwerbspersonen 2018 nur noch 3,4%. Quelle: Statistisches Bundesamt, Mai 2019. Das ist die zweitniedrigste Erwerbslosenquote in der EU. Im Unterschied zur Arbeitslosenquote unterscheidet die Erwerbslosenquote nicht zwischen registrierten und unregistrierten Arbeitslosen. In der Arbeitslosenquote sind alle Menschen, die mal berufstätig waren und sich als arbeitslos registriert haben. Sie wird auch von der Bundesagentur für Arbeit ermittelt.

Prognose der Arbeitslosenzahlen: Für 2023 wird erstmal wieder ein Anstieg der Arbeitslosen erwartet. Das könnte im Vergleich zum Vorjahr 2022 ein Plus von 190.000 sein. Ursachen des Anstiegs sind die hohe Inflation, steigende Zinsen sowie eine schwache Auslandsnachfrage. die Faktoren schwächen die wirtschaftliche Entwicklung. Im Jahr 2024 wird dei Anzahl der Arbeitslosen noch einmal um +60.000 steigen. Quelle: IAB, Nürnberg, September 2023.

Arbeitsmarktbarometer: ES wird von IAB der BA ermittelt. Vom Januar 2024 auf Dezember 2023 entwickelt es sich positiv: um 0,2 auf 100,3 Punkte. 100 ist der neutrale Wert. Der Index gilt als Frühindikator für die Arbeitsmarktentwicklung.

Jugendarbeitslosigkeit: Sie hat eine entscheidende Bedeutung für das Wachstum und den sozialen Frieden eines Landes. Gemessen wird die Quote bei der EU in % bei den 15- bis 24-Jährigen. Insgesamt geraten die Nachwuchskräfte in Deutschland mehr unter Druck. Junge Beschäftigte unter 35 Jahren sind zur Hälfte mit dem Einkommen unzufrieden (jeder Vierte unter1500 € im Monat). Rund ein Fünftel ist befristet beschäftigt (Befragung des DGB unter 1200 jungen Arbeitskräften). Die Entwicklung der Arbeitslosenquote der Jugendlichen in der EU ist sozialer Sprengstoff für die EU. Die EU-Kommission will dafür sorgen, dass EU-Bürger grenzüberschreitend in allen Mitgliedsstaaten schneller an Jobs kommen. Die EU legt ein Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit im Mai 2013 auf: Kleine und mittlere Unternehmen sollen günstigere Kredite bekommen. Die duale Ausbildung soll speziell gefördert werden. Die Mobilität für Lehrlinge soll erhöht werden. Ende Juni 2013 wird ein Programm mit 6 Mrd. € beschlossen. Herzstück ist eine "Jugendgarantie". Binnen vier Monaten sollen junge Frauen und Männer entweder eine Arbeit, einen Praktikums- oder Weiterbildungsplatz haben. Europäische Jobvermittlungsbörsen sollen besser arbeiten. Im Juli 2013 findet Berlin eine Konferenz der EU zu diesem Thema statt. Merkel verweist besonders auf Arbeitsmarktreformen und Qualifizierung. Vgl. auch Dietrich, Hans: Qualitative und quantitative Dimensionen von Jugendarbeitslosigkeit in Europa, in: Wirtschaftsdienst 8/ 2013, S. 572ff. Im November 2013 gibt es ein Folgetreffen in Paris. 6 Mrd. Euro werden bis 2020 bewilligt. Das Geld soll der Aus- und Weiterbildung, der Arbeitsvermittlung und staatlich subventionierten Jobs zugute kommen. Weltweit suchen Unternehmen nach neuen Wegen, die Arbeitslosigkeit junger Menschen zu bekämpfen. Knapp 75 Mio. junge Menschen sind global ohne Job. Häufig haben die Bewerber die falsche Qualifikation. Dringend muss die Berufsberatung verbessert werden. 2014 versucht Peter Hartz, der Namensgeber der Hartz-Reformen, einen Hartz-Plan zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu platzieren: Er will die europäische Finanzindustrie mit ins Boot nehmen (215 Mrd. € für 5,5 Mio. Jugendliche). In Deutschland sind junge Menschen weniger arbeitslos, aber dafür häufig prekär beschäftigt. Für viele junge Erwachsene dehnt sich der sichere Übergang ins Beschäftigungssystem aus. Sie sind häufiger geringfügig und befristet beschäftigt (Quelle: 15. Kinder- und Jugendbericht des Familienministeriums).  Die höchste Jugendarbeitslosigkeit in der EU haben 2011 die Slowakei (35,6%), Griechenland (36,1%) und Spanien (44,4%). Am positivsten ist die Situation in den Niederlanden (6,9%) und Deutschland (7,9%, -0,9% gegenüber 2011, Juni 2012 immer noch 7,9%). 2012 steigt die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland auf 51,2%, in Spanien auf 51,1% (März). Die Slowakei, Portugal und Italien erreichen fast 40%. Der EU-Sozialkommissar empfiehlt Ende 2012 eine Beschäftigungs- und Ausbildungsgarantie für alle Menschen unter 25 Jahren. Die EU beschließt daraufhin 2013, für Jugendliche schneller Jobs und Praktikumsplätze zur Verfügung zu stellen (so genannte "Jugendgarantie"). Dazu wird ein Fonds eingerichtet (Mittel aus dem Sozialfonds). Die USA haben 2012 eine Jugendarbeitslosigkeit von 16,8% (Arbeitslosigkeit 7,7%). 2012 steigt die Jugendarbeitslosigkeit in der EU noch einmal dramatisch an: auf 23% (gegenüber 18% 2004). Im Folgenden einige Werte einzelner Staaten: Spanien 53%  (22% 2004), Italien 35% (24% 2004), Griechenland 55% (27% 2004). 2013 sind 5,6 Mio. Europäer unter 25 Jahren ohne Arbeit (Quelle: Eurostat). 2014 beginnt ein Forschungsprojekt am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung. Es wird vier Jahre dauern (Prof. Jale Tosun; Werte- und Strukturproblem; Auswege). Schon im April 2014 ist der Fördertopf für arbeitslose europäische Jugendliche vorerst leer. Profitiert haben bisher vor allem kleinere Firmen. Ab Mai 2014 werden die Programme zur Förderung des Jugendaustausches  zusammengelegt: Aus Erasmus, Comenius, Leonardo da Vinci und Jugend in Aktion werden Erasmus+. Bis 2020 werden 14,8 Mrd. € zur Verfügung gestellt, um ca. 4 Mio. Jugendliche zu erreichen. Vgl. www.erasmusplus.de. Am 08.10.14 findet ein EU-Sondergipfel in Mailand zur Jugendarbeitslosigkeit statt. die Programme der EU wirken viel zu langsam. Man spricht von der "verlorenen Generation" in Südeuropa. 2015 hat Deutschland die beste Erwerbslosenquote für Jugendliche  in der EU: 7,7% unter 15- bis 24-Jährigen. Durchschnitt in der EU 22,2%. 2016 gibt die EU-Kommission bekannt, dass 2016 1,5 Mio. Menschen weniger arbeitslos sind als vor drei Jahren (ALQ sinkt von 24,4 auf 18,9%).  2016 sinkt die Jugendarbeitslosenquote sogar auf 6,5% (am höchsten in Griechenland mit 44,2% vor Spanien 42,9% und Italien). 2018 sinkt die Jugendarbeitslosigkeit insgesamt deutlich (unter 40% in den Spitzenreitern Griechenland. Spanien, Italien).

Jugendarbeitslosigkeit weltweit: Die Daten liefert das ILO in Genf. Es wird die Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen betrachtet. Am höchsten ist die Jugendarbeitslosigkeit in den Arabischen Staaten (33,2%) und in Nordafrika (31,2%). Das liegt daran, dass Frauen oft nicht arbeiten dürfen. An der dritter Stelle liegt Südasien mit 26,4%. Der Durchschnitt weltweit liegt bei 20,4%. Über diesem Durchschnitt liegt noch Afrika südlich der Sahara. Alle anderen Räume liegen unter dem Durchschnitt (Lateinamerika, Zentral- und Westasien, Südostasien und Pazifik, Osteuropa, Norsamerika, Ostasien, Nord-, Süd- und Westeuropa.

Corona-Generation und Arbeitsmarkt: Es sind die 20- bis 30-Jährigen in der EU, die härter als jede andere Altersgruppe von der Corona-Pandemie betroffen ist. Jobs und Ausbildungsplätze brechen weg und die Generation wird Jahrzehnte brauchen, um die Einkommensverluste auszugleichen. Vorher rissen sich die Unternehmen um diese Altersgruppen. Vor der Krise im März 2020 war die Jugendarbeitslosigkeit wie folgt: Spanien 33,1%, Griechenland 32,4%, Italien 28, Schweden 21,1, Frankreich 20,4. Durchschnitt EU 15,2. Quelle: Eurostat. Experten rechnen damit, dass durch die Krise in Deutschland bis zu 1 Mio. AL zusätzlich kommen. In Branchen, die besonders stark betroffen sind, werden auch viel weniger Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt (Schüler mit Hauptschulabschluss). Bis September 2020 zeigt sich der Arbeitsmarkt in Deutschland robust. 150.000 Menschen haben ihren Arbeitsplatz verloren (Quelle: BA).

Arbeiterwanderung durch die Corona-Krise: Die Corona-Krise hat keinen radikalen Stellenabbau provoziert - aber eine große Wanderung von Arbeitskräften. In der Gastronomie sind dei meisten Arbeitsplätze weggefallen (-27,5%). Dann folgen Reinigung, Handel, Bau und Landwirtschaft/ Forst/ Gartenbau. Neue Arbeitsplätze sind entstanden in folgenden Bereichen: Verkehr/ Logistik, Sicherheit, IT, Gesundheit, Unternehmensbezogene Dienstleistungen. Quelle: IAB, Nürnberg 2022.

Stigma Arbeitslosigkeit: Wer ungewollt seinen Arbeitsplatz verliert, den kostet das auch Selbstvertrauen. Oft ändert sich auch die Wahrnehmung in der Umgebung. Man wird als faul und oder unselbständig eingestuft. Noch 2019 halten 55% der Deutschen Arbeitslose für faul (Quelle: Umfrage der BA, Nürnberg).

Stille Reserve: Personen, die eine Arbeit suchen, aber nicht beim Arbeitsamt registriert sind (meist sind sie entmutigt und geben die Suche auf; es gibt eine aktive und passive stille Reserve). sie sind zwischen 15 und 74 Jahre alt. Den größten Anteil an dieser Gruppe haben Frauen, die wegen eines Kindes eine zeitlang beruflich ausgesetzt haben  und den Einstieg nicht mehr schaffen (2023 56%). Andere Gründe sind: Versorgung naher Angehöriger, Hoffnung auf positiven Erfolg fehlt. Auf die Stille Reserve wird es in Zukunft ankommen: die Anreize zur Aufnahme von Arbeit müssen weiter verstärkt werden. Daneben werden zunehmend ausländische Arbeitskräfte angeworben werden müssen.  Nach einer Studie von McKinsey 2007  könnten in Deutschland bis 2020  6 Mio. Arbeitskräfte fehlen. 2023 wird die Stille Reserve in Deutschland auf 3,1 Mio. geschätzt.

Arbeitszeitkonten: Viele Unternehmen flexibilisieren hiermit den Arbeitseinsatz. Sie wirken als Puffermechanismen in Rezessionen. Die Zeitarbeit stellt auch einen Puffer dar, Arbeitslosigkeit in diesem Bereich tritt zeitlich verzögert auf. Die Reformen auf dem Arbeitsmarkt haben die Beschäftigungsschwelle weiter sinken lassen, so dass weniger Wachstum gebraucht wird, um auf dem Arbeitsmarkt Verbesserungen zu erreichen. "Mit drei Arbeitstagen pro Woche hätten wir mehr Zeit, uns zu entspannen, und mehr Lebensqualität", Carlos Slim, reichster Mann der Welt aus Mexiko.

Okuns Gesetz (nach Arthur Okun, 1929-1979): negative Beziehung zwischen Arbeitslosigkeit und realem BIP. Es handelt sich um eine empirisch beobachtete Regelmäßigkeit (Faustregel: + 2,5% BIP, -1% AL). Umgekehrt gilt die Relation auch, wodurch Sockelarbeitslosigkeit entsteht. "Im Jahre 2010 wird die Marke von fünf Millionen übertroffen", OECD-Prognose zur Arbeitslosigkeit in Deutschland.

Googlemetrie: Weil Wirtschaftsprognosen in Krisen besonders schwierig sind, entwickelte das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn alternative Frühindikatoren für den Arbeitsmarkt. Das IZA - Arbeitslosigkeitsbarometer stützt sich auf Suchaktivitätsstatistiken von Google Insight. Dieses Instrument kann mit dem DAX und dem Ifo - Beschäftigungsbarometer kombiniert werden. Vgl. Googlemetrie und Arbeitsmarkt, in: Wirtschaftsdienst 2009/7, S. 489 ff.

Regionales Arbeitsmarktmonitoring (Ramon): Es wird im Herbst 2009 von der Bundesagentur für Arbeit eingerichtet und schätzt Chancen und Risiken regionaler Arbeitsmärkte. So werden Beschäftigungsrisiko und Entwicklungspotential beurteilt. Ebenfalls wird der Stellenindex der BA entwickelt, der die Nachfrage nach Arbeitskräften anzeigt (BA-X). "Wir befinden und auf der Schnellstraße zur Vollbeschäftigung", Rainer Brüderle, Bundeswirtschaftsminister im November 2010.

Regionale Arbeitslosigkeit: Kernfrage ist, ob ein Stadt-Landgefälle besteht. Das Pendeln macht eine Analyse schwierig. Arbeitslosenquoten müssen Wohnortbezogen und Arbeitsortbezogen berechnet werden. Vgl. Grözinger, Gerd: Regionale Arbeitslosigkeit: falsche Eindrücke von Stadt-Land-Differenzen, in: Wirtschaftsdienst 2018/1, S. 68ff.

Strukturelle Arbeitslosigkeit (und andere Arten):  Längerfristige Arbeitslosigkeit, die aus strukturellen Faktoren (auch Löhnen) in der Wirtschaft resultiert. Dazu gehören ein Missverhältnis von Fähigkeiten und Jobs (entsteht häufig bei rückläufigen Industrien wie z. B. Bergbau). Viele Faktoren tragen zur strukturellen Arbeitslosigkeit bei. Genannt seien z. B. Mindestlöhne, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, Effizienzlöhne, Nebenwirkungen der Wirtschaftspolitik. Die Arbeitslosigkeit bei der Stellensuche führt zu friktioneller Arbeitslosigkeit. Beide zusammen führen zur natürlichen Arbeitslosenquote. Daneben gibt es noch konjunkturelle und saisonale Arbeitslosigkeit. "Verdeckte Arbeitslosigkeit" entspricht in etwa der "Stillen Reserve". Dies sind 2011 in Deutschland ca. 1,4 Mio. Versteckte Arbeitslosigkeit gab es in Planwirtschaften (geringe Arbeitsproduktivität).  2010 scheint die Wende am Arbeitsmarkt in Deutschland geschafft. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel rechnet für 2011 mit weniger als 3 Mio. Arbeitslosen (zuletzt 1992). Dies tritt schon im Mai 2011 ein (2,96 Mio.). Anfang 2012 steigt die Arbeitslosenquote in Deutschland saisonbedingt wieder auf 7,4% (3,11 Mio.). Das Risiko arbeitslos zu werden, wenn man einen Job hat,  ist in den in den vergangenen Jahren auf 0,84% monatlich gesunken (RWI-Essen).

Zyklische Arbeitslosigkeit: Die Abweichungen der Arbeitslosenquote von der natürlichen Arbeitslosenquote.

Kosten der Arbeitslosigkeit: in Deutschland sind es der Finanzbedarf der Bundesagentur für Arbeit und Mehrausgaben für das steuerfinanzierte Hartz -IV - System. Hinzu kommen die Opportunitätskosten der Steuerausfälle. Die Kosten steigen mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Bundesagentur für Arbeit braucht bis 2013 insgesamt 52,4 Mrd. € mehr als vor der Krise geplant. Hartz IV kostet in dieser Zeit 34,5 Mrd. € mehr. Ende 2010 werden 4,4 Arbeitslose erwartet.

Langzeitarbeitslose: in allen Industrieländern die Problemgruppe des Arbeitsmarktes. Ein markantes Merkmal ist die geringe Qualifikation. Auch die Hartz-IV-Reform in Deutschland hat kaum zu besseren Chancen für diese Gruppe geführt. 2009 sind laut IAB 75% aller Arbeitslosen in Deutschland Langzeitarbeitslose. Die Eingliederung dieser Gruppe in den Arbeitsmarkt stellt eine große Herausforderung dar. Als besonders positiv haben sich die Betreuungsintensität und die Kooperation von öffentlicher und privater Arbeitsvermittlung bewährt. Insgesamt ist die Langzeitarbeitslosigkeit durch die Hartz - Reformen zurückgegangen. Die Langzeitarbeitslosen bemühen sich intensiv, wieder eine neue Stelle zu bekommen. Aber die Vermittlung ist nicht optimal. 2010 gibt es Überlegungen, die Langzeitarbeitslosen in Bürgerarbeit zu beschäftigen. Dies soll vor allem im Pflegebereich, Tourismus, in Sportvereinen und in der Straßenreinigung passieren (Modellprojekte, 900 € für 30 Std. in der Woche, sozialversicherungspflichtig, bis zu drei Jahre, ab 2011). 197 Jobcenter beteiligen sich. Trotz des absehbaren Mangels an qualifizierten Nachwuchskräften gehören 2012 mehr als zwei Millionen der 20- bis 34-Jährigen zu den ungelernten. Eine bundesweite Studie der BA zu Erfahrungen der Unternehmen mit Hartz IV-Empfängern räumt mit einigen Vorurteilen auf: zwei von drei Arbeitgebern waren auch mit eingestellten längere Zeit Arbeitslosen sehr zufrieden. Sie erwiesen sich als pünktlich, teamfähig, flexibel, zuverlässig und motiviert. ein großes Problem ist, dass viele Langzeitarbeitslose gesundheitliche Einschränkungen haben. Die Arbeitslosigkeit und Bewegungsmangel verstärken dies (Studie der BA). Einige Ökonomen bezeichnen diese Gruppe als Elends-Sockel bzw. "German Trash" (von einigen auf das gesamte Prekariat ausgeweitet). Für die nächsten zehn Jahre ab 2014 wird der Arbeitsmarkt in Deutschland sehr positiv eingeschätzt. Davon abgehängt dürften die Langzeitarbeitslosen bleiben (einziger Ausweg wohl Aus- und Weiterbildung). Nach Angaben des IAB gibt es 2012 unter den 25- bis 64-Jährigen nur 2,6% Langzeitarbeitslose (2008 waren es noch 3,8%). Besonders schwierig ist die Lage für Arbeitssuchende ohne Ausbildung. Ihre Aussichten sind schlechter als in Dänemark, Großbritannien und Schweden. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen hat durch die Hartz-Reformen abgenommen (von 1,7 Mio. 2005 auf 1 Mio. 2015). 2016 sollen die Hartz-IV-Leistungen für Langzeitarbeitslose reformiert werden. Ab 63 sollen sie leichter verrentet werden können (gegen ihren Willen und mit großen Abschlägen). Eine Studie der Bertelsmann Stiftung 2016 kommt zu folgenden Ergebnissen: Langzeitarbeitslose bleiben von der guten Entwicklung des Arbeitsmarktes abgekoppelt. 796.00 Menschen waren 2015 lange ohne Job und oftmals vergleichsweise alt (46% sind mindestens 56 Jahre alt). Der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist aber von 3,7 % 2008 auf 1,9% gesunken. Jeder dritte Langzeitarbeitslose ist ohne Berufsabschluss. Geringe Qualifikation und Langzeitarbeitslosigkeit erhöhen stark das Risiko für Arbeitslosigkeit. Zum Abbau gibt es keine Patentlösung. Es ist an vielen Stellschrauben zu drehen: 1. Aufnahmefähigkeit des AM, 2. Berücksichtigung von regionalen Effekten, 3. Aus- und Weiterbildung und gesundheitliche Vorsorge, 4. Wechsel von prekären Arbeitsverhältnissen, 5. Abbau von Risikomerkmalen, 6. effektive Arbeitsmarktinstitutionen. Vgl. Walwei, Ulrich: Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit: Der Weg ist steinig und schwer, in: Wirtschaftsdienst 2017/9, S. 621ff.  2006/ 2007 haben nur 25 Prozent derjenigen, die 12 Monate oder länger arbeitslos waren, wieder einen Job bekommen (Jutta Allmendinger 2009 in einer Untersuchung am Wissenschaftszentrum Berlin). 2010 ermittelt das IAB in einer empirischen Studie, dass die Vermittlung an den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Menschen vorbei arbeitet. Der Bildungsbericht der Bundesregierung 2010 weist darauf hin, dass jeder sechste Schulabgänger keinen Abschluss hat, bei Ausländern sogar jeder Dritte. Hieraus rekrutieren sich viele Langzeitarbeitslose. Es soll mit Bildungslotsen geholfen werden. 1,5 Mio. junge Menschen in Deutschland zwischen 20 und 29 Jahren sind ungelernt (729.00 Frauen, 2010). Langzeitarbeitslose über 58 Jahren tauchen in der Statistik der Arbeitslosigkeit oft nicht mehr auf. "Rund ein Viertel unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen regulären Job finden", Hannelore Kraft, SPD-Chefin NRW (Begründung für den Vorschlag, Hartz-IV-Empfänger zum Vorlesen in die Schulen zu schicken). Die Bezugsdauer von vier Jahren wurde Ende 2012 bei 46,5 Prozent der Bezieher von Arbeitslosengeld II erreicht (BA). Vor allem ältere Arbeitslose fallen in diese Gruppe. Die Probleme einen Job zu finden, werden für Ungelernte immer größer. So steigt die Arbeitslosigkeit bei den Ungelernten (ca. 1,2 Mio. Menschen ohne Berufsausbildung in D) an, obwohl es immer mehr Erwerbstätige und immer weniger Arbeitslose gibt. Je länger sie ohne neuen Job sind, desto höher ist das Risiko, arbeitslos zu bleiben. 2013 will die Arbeitsagentur Langzeitarbeitslose im Netz ausspähen. Sie will vom Finanzministerium Daten über die Ebay-Aktivitäten haben. Eine Studie des IAB im Juni 2014 kommt zu dem Ergebnis, dass 45% aller Arbeitslosen keine berufliche Qualifikation haben. Es gibt aber zu wenig Stellen für Hilfsarbeiter (nur 14% aller Stellen fallen in diese Kategorie). Die Langzeitarbeitslosigkeit liegt nach einer Studie der OECD im September 2014 in Deutschland über dem Durchschnitt (fast 45% über ein Jahr arbeitslos; im Durchschnitt der OECD 35%). Die Bundesagentur fährt eine Reihe von Sonderprogrammen, die regional aufgesplittert sind. Dazu gehört etwa das Intensiv-Coaching des Jobcenters Landau. Ende 2014 gibt das Arbeitsministerium bekannt, den Dauerarbeitslosen mit besserer Betreuung und EU-Geldern helfen zu wollen (öffentlich geförderte Jobs, neue Aktivierungszentren, Rechtsvereinbarung). In einzelnen Bundesländern entstehen Projekte wie das Modellprojekt "Perspektiven in Betrieben", das ab 2015 auf bis zu 33.000 Teilnehmer ausgeweitet werden soll. 470 Mio. Euro kommen aus dem Europäischen Sozialfonds. Die BA flankiert die Offensive mit umfangreichen Lohnkostenzuschüssen.  2015 schichtet das Bundesarbeitsministerium um: 750 Mrd. € werden bei den Job-Centern gespart. Damit werden direkt die Langzeitarbeitslosen gefördert. Nur 13% der Langzeitarbeitslosen sind in den Arbeitsmarkt integrierbar. Viele werden wegen Erwerbsunfähigkeit oder Nichtverfügbarkeit aus der Statistik gestrichen (Antwort der BA auf Anfrage der Partei "Die Linken" im Juli 2016). Rückgänge im Osten Deutschland bei den Dauerbeziehern von Hartz IV sind vor allem darauf zurückzuführen, das viele in Rente gegangen sind. Im August 2017 gibt es noch 0,9 Mio. Langzeitarbeitslose in Deutschland. Trotz Arbeitsmarktboom steigt die Dauer der Langzeitarbeitslosigkeit an: 2011 wurde die Grundsicherung im Durchschnitt 555 Tage. 2017 waren es 650 Tage. Durch Corona gibt es 2021 deutlich mehr Langzeitarbeitslose. Von den 193.000 zusätzlichen Arbeitslosen fallen 60.000 in diese Kategorie. 2021 sind wieder mehr als eine Million Menschen in Deutschland langzeitarbeitslos (Februar 21 +41% gegenüber Februar 2020). Das ist ein beunruhigender Trend. Struktur (gleicher Zeitraum): +93% bei unter 25-Jährigen, +60% bei Ausländern, +63% bei Menschen mit akademischer Ausbildung. Die Corona-Pandemie scheint für etwa 500.000 Arbeitslose verantwortlich zu sein. Immer mehr davon rutschen in Hartz IV (Quelle: BA). Corona hat das Niveau deutlich angehoben. 2024 spürt man die Wirtschaftskrise auch am Arbeitsmarkt: Knapp 1 Mio. Menschen sind wieder langzeitarbeitslos.

Chronisch Arbeitslose: Wenn Langzeitarbeitslose allenfalls für kurze Zeit einen Job finden oder in einem Trainingsprogramm landen und dann wieder arbeitslos sind hat die BA das Wort "chronisch arbeitslos" geschaffen. Ende 2017 gelten 1,2 Mio. Menschen als chronisch arbeitslos. Seit 2006 hat sich die Zahl halbiert.

Freiwillig Arbeitslose: Menschen, die ihre Arbeitskraft nicht anbieten wollen, weil sie durch die soziale Unterstützung (Arbeitslosengeld II + Kindergeld + andere Leistungen) ein höheres Einkommen beziehen. Diese Situation kann für Familien mit Kindern gegeben sein, wo die Erwachsenen eine geringe Qualifikation haben. Ihnen wird oft nur prekäre Arbeit angeboten. Bei der Berechnung der Arbeitslosenquote müssten die freiwillig Arbeitslosen im Zähler eigentlich abgezogen werden. Die statische Häufigkeit lässt sich aber schwer ermitteln. In Deutschland dürfte die Zahl nicht höher als bei 100.000 Haushalten liegen. Schwierig sind die Chancen für die Kinder dieser Familien, die oft die gleiche Karriere anstreben, weil sie in der Grundschule den Anschluss aus familiären Gründen verpassen.

Ältere Arbeitslose: Die Arbeitslosigkeit bei Menschen über 55 Jahre ist in Deutschland weiter auf dem Rückmarsch. Im August 2019 waren 495.768 Männer und Frauen über 55 Jahre arbeitslos gemeldet. Die Anzahl sinkt seit 2011. 2014 lag sie noch im Durchschnitt bei 584.085 Die Erwerbsquote der 55 bis 65 Jährigen ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Immer mehr Menschen bleiben auch nach dem Erreichen des Rentenalters noch im Beruf. Quelle: Statistisches Bundesamt.

Alterung und Arbeitsmarkt: Die alternde Gesellschaft wird den Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren prägen. Der Gesundheits- und Sozialbereich wird vom Jahr 2040 an der größte Wirtschaftsbereich in Deutschland sein. Dann werden 7 Mio. Menschen in diesem Sektor arbeiten. In den nächsten 20 Jahren (ab 2020) erhöht sich die Anzahl der Beschäftigten in diesem Bereich um 660.000. im Verarbeitenden Gewerbe wird die Anzahl der Erwerbstätigen abnehmen (auf 6,4 Mio.). Die Zahl der Erwerbstätigen wird insgesamt zurückgehen, vor allem in Ostdeutschland. Quelle: Prognose des IAB, Nürnberg 2021.

Abkopplung des Arbeitsmarktes von der Wirtschaftsentwicklung: Ab 2022 verselbständigt sich der Arbeitsmarkt aufgrund der Bevölkerungsentwicklung, insbesondere des Erwerbspersonenpotentials. Bei Rezessionen wird dei Arbeitslosigkeit wahrscheinlich kaum noch ansteigen.

Sozialer Arbeitsmarkt: Öffentlich geförderter Arbeitsmarkt. Statt Hartz IV und Wohnung regulär Arbeitsplätze schaffen. Motto "Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren". Die Idee wird von BA, SPD und Diakonie unterstützt. In NRW gibt es mittlerweile viele Projekte. Im Abschlusspapier der Sondierungen im Januar 2018 ist eine Stärkung dieser Konzeption vorgesehen. 1,5 Mio. Menschen sind 2018 länger als sechs Jahre arbeitslos und Empfänger von Hartz IV. Diese Menschen - auch bei zwischenzeitlich kurzer Erwerbstätigkeit - sollen staatlich bis zu fünf Jahren lang gefördert werden. Im ersten Jahr übernimmt der Staat 100% der Lohnkosten. In den vier Folgjahren schmilzt der Zuschuss jeweils um 10 Prozentpunkte ab. Der Gesetzentwurf wird am 18.07.18 vorgestellt: 150.000 Jobs sollen geschaffen werden (ab 2019). Bis 2022 werden 4 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt. 800.000 Menschen könnten in Frage kommen. 4,6 Mio. Menschen bekommen 2018 Grundsicherung.

Arbeitslosigkeit und technologischer Wandel: Durch den technologischen Wandel werden viele Jobs überflüssig. Dies geht vor allem zu Lasten gering qualifizierter Arbeitnehmer. Die Globalisierung führt dazu, dass auch in den Industrienationen für viele Tätigkeiten keine Löhne mehr gezahlt werden, mit denen man überleben kann.  Eine besondere Bedrohung stellt der Jobabbau durch Digitalisierung dar. Digitale Arbeitslosigkeit wird in den nächsten Jahren zunehmen. Die Digitalisierung führt auch zu zunehmender Kontrolle und Erreichbarkeit. Das Crowdsourcing verstärkt die Prekarisierung der Arbeit. Nach einer Studie der OECD 2017 werden mittlere Qualifikationen weniger nachgefragt. Insofern kommt es in den Industrieländern zu einer Polarisierung auf Arbeitsmärkten ("Spreizung" des Arbeitsmarktes).

Jobturnover: Summe aus den absoluten Brutto-Stellengewinnen und den Brutto-Stellenverlusten. Der funktionale Zusammenhang zwischen der Quote der Vakanzen und der Arbeitslosenquote wird als Beveridge-Kurve bezeichnet.

Jobwunder: 2011 ist der deutsche Arbeitsmarkt so gut wie lange nicht mehr. Die Arbeitslosenquote ist mit 6,5% sehr niedrig; die Zahl der offenen Stellen ist hoch. Für das Jahr 2012 wird mit einer Konjunkturabkühlung gerechnet. Bankenkrise, Energiewende, Euro-Krise, Schuldenkrise trüben die Stimmung.

Internetökonomie und Innovationen am Arbeitsmarkt:  Neue Informations- und Kommunikationstechnik verändert die technischen Möglichkeiten bei der Arbeit. Jobsuche und Job-Matching verändern sich. Es bilden sich neue persönliche Netzwerke über Soziale Medien. Die Kommunikationskosten sinken durch dezentrale Verfügbarkeit, die Abstimmungskosten steigen. Die Auswirkungen auf die Arbeitsproduktivität sind noch nicht abzusehen. Menschengerechte Arbeitsformen werden einfacher ermöglicht (z. B. Hilfe durch Navigationssysteme). Vgl. Klein, S. u. a. Neue Informations- und Kommunikationstechnik: Lösung für den Arbeitsmarkt der Zukunft?, in: Wirtschaftsdienst 11/2012, S. 723-736.

Arbeitskräftemangel und Job-Innovationen: 1. Einsatz von Robotern. Das hilft z. B. in der Pflege. 2. Kooperation zwischen Handwerksbetrieben beim Personal. Man hilft sich gegenseitig aus nach Kapazitäten. 3. Erhöhung der Arbeitsproduktivität: Wenn weniger mehr ist. 4. Einsatz von KI. Vgl. Der Spiegel 4/ 20.01,24, S. 56ff.

Arbeitsmarktinstitutionen: Arbeitsmarktinstitutionen in verschiedenen Ländern unterscheiden sich erheblich und sorgen für eine unterschiedliche Performance. R. Freeman, Harvard: Labor Market Institutions around the World, Working Paper, July 2007. Zu den Institutionen gehören Arbeitsanbieter und Nachfrager (Unternehmen), Interessensverbände der Arbeiter und Arbeitgeber, Arbeitsgerichte, Staat (mit Sozialversiche-rungen) u. a. Auch Tarifautonomie, Tarifvertrag und Verhandlungsprozess gehören dazu. Vgl. hierzu meine Veranstaltung Arbeitsökonomik und den Aufsatz: Wagner, T./Jahn, E., Institutionen des Arbeitsmarktes, in: WISU 5/09, S. 726 ff. Radikaler Gegner der Macht von Institutionen auf dem Arbeitsmarkt war F. A. von Hayek (1899-1992): Arbeitskräfte gehören seiner Ansicht nach auf den freien Markt. Löhne sollen sich frei durch Angebot und Nachfrage bilden. Er ist folglich ein Gegner von Sozialleistungen.

In Deutschland ist die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg die wichtigste Institution. In Konjunkturhochs bildet sie Rücklagen aus den Mitteln der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (bis 2010 2,8%, 2009 sind die Rücklagen in Höhe von 17 Mrd. € aufgebraucht, das Defizit beträgt schon im ersten Halbjahr 10 Mrd. €, im ganzen Jahr 18 Mrd. €). In Rezessionen werden die Mittel als Arbeitslosengeld und Kurzarbeitergeld ausgezahlt. Bis 2015 sollen 10.000 der insgesamt 115.000 Stellen bei der BA gestrichen werden, wegen der anhaltend guten Arbeitsmarktlage. Die BA will sich zukünftig auf den Kampf gegen Fachkräftemangel konzentrieren. Die klassische Vermittlung tritt dann in den Hintergrund (Positionspapier BA 2020). 2013 sind die Rücklagen noch relative gering (sind vielleicht zur Finanzierung von Kurzarbeit notwendig).   "Irgendwann ist nicht mehr klar, wer Arbeiter ist und wer Unternehmer", H. Schneider, Arbeitsmarktforscher. Vgl. auch Arbeitsmarktpolitik mit weiteren Infos über die BA. Die Bundesagentur für Arbeit hat 2017 viel mehr eingenommen als ausgegeben (Überschuss von 4,7 Mrd. €). Der Überschuss betrug für 2018 6,2 Mrd. €.  2018 wächst die Rücklage der BA auf den Rekordwert von 23,5 Mrd. €.

Arbeitsmarkt - Segmentation: Aufspaltung des gesamten Arbeitsmarktes in voneinander abgrenzbare Teilarbeitsmärkte. Vor allem institutionelle Besonderheiten sind Trennungskriterien und können Diskriminierung und Langzeitarbeitslosigkeit erklären. Am bekanntesten ist die Theorie des Dualen Arbeitsmarktes, die vor allem auf die USA zugeschnitten ist (Piore). Besonders dramatisch ist Jugendarbeitslosigkeit. Am höchsten ist sie in der EU in Spanien mit 44,6% (2011, bis 25 Jahre, 2012 steigt sie auf 46%).

Arbeitsdiskriminierung: Bestimmte Gruppen werden beim Zugang zu besser bezahlten Stellen benachteiligt. Hier sind z. B. Schwarze oder Frauen in vielen Ländern benachteiligt. In Deutschland gibt es Versuche mit anonymisierten Bewerbungen, um die Diskriminierung auszuschließen. Sie ist empirisch kaum nachzuweisen, weil sie sich nicht in den Stellenausschreibungen äußert. Personalauswahlprozesse müssen weder transparent sein noch werden sie objektiv überwacht. Bei der Bewerbung um Arbeitsplätze in Deutschland haben Menschen mit Migrationshintergrund einen Nachteil gegenüber ihren Mitbewerbern ohne Migrationshintergrund. Die Wahrscheinlichkeit einer positiven Rückmeldung variiert in Abhängigkeit von Herkunftsland, der Religionszugehörigkeit und dem Phänotyp, da diese Signale mit bestimmten Gruppeneigenschaften korrelieren. Dabei stützen Arbeitgeber ihre Auswahlentscheidung verstärkt auf Gruppenmerkmale, die weniger mit Leistung und Produktivität, sondern vielmehr mit Kultur und Werten zu tun haben - was ein Indiz für präferenzbasierte Diskriminierung ist. Siehe Koopmans, Ruud/ Veit, S./ Yemane, R.: Andere Wertre, weniger Chancen. Kulturelle Distanz erklärt Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, in: WZB Mitteilungen , Heft 160, Juni 2018, S. 39ff. 2018 müssen Gerichte über religiöse Diskriminierung in Deutschland entscheiden. Inwieweit dürfen konfessionelle Einrichtungen von ihren Arbeitnehmern Kirchenzugehörigkeit fordern? Generell kann die Kirchenzugehörigkeit nicht verlangt werden, entscheidet das BAG. Ein Gang vors Bundesverfassungsgericht wird geprüft.  "In the end, anti-black, anti-female, and all forms of discrimination are equivalent to the same thing - anti-humanism, Shirley Chrisholm, US-Politikerin (1924 - 2005). Mütter werden bei der Jobsuche in Deutschland massiv benachteiligt, wenn sie nur kurz in Elternzeit waren. 25% der Arbeitnehmerinnen geben in einer Studie des Gewerkschaftsbundes DBB an, im Berufsleben diskriminiert worden zu sein. Die Mehrheit gab als Grund das Geschlecht an. Soziale Kontrolle kann die Diskriminierung reduzieren. Vgl. Baker, Edmund/ Grimm, Veronika: Does Monitoring Decrease Discrimination, Working Paper, Mai 2021.

Suchtheorie: Auf dem Arbeitsmarkt müssen die Individuen ihre Such auf freie Stellen eingrenzen. Dies so, weil die Suche Zeit und Geld kostet. Der einfache Zugang fehlt aus Mangel an Informationen. Die Arbeitsplatzsuche ähnelt der Suche nach einem Partner. Theoretische Modelle gibt es von Christopher Pissarides, Dale Mortensen und Peter Diamond.

Struktur des deutschen Arbeitsmarktes: Es gibt in Deutschland 2009 30,9 Mio. Arbeiter und Angestellte in der Privatwirtschaft. Daneben sind 4,5 Mio. Selbstständige und 4,5 Mio. im öffentlichen Dienst. Größter staatlicher Arbeitgeber ist die Bundeswehr (359.000), die größte Behörde ist die Bundesagentur für Arbeit (100.000 Mitarbeiter). Darunter sind 15.000 Arbeitsvermittler. Ein Problem ist die ungünstige Relation Vermittler zu Arbeitslosen. Im April 2009 gab es 39,96 Mio. Erwerbstätige in Deutschland. In Prozent sind Selbständige 10,8 West, 11,6 Ost, Normalarbeitnehmer 65,5 West, 68,2 Ost, Befristet Beschäftigte 7,2 West, 10,5 Ost, Teilzeitbeschäftigte 15,4 West, 9 Ost, Geringfügig Beschäftigte 7,5 West, 7,1 Ost Zeitarbeitnehmer 1,7 West, 1,9 Ost. Durch die zunehmende Volatilität der Wirtschaft und das Wachsen des Dienstleistungssektors werden die atypischen Beschäftigungsformen in Zukunft  zunehmen. Frauen sind häufiger in Teilzeit als Männer (tragen die Hauptlast der Familienarbeit). Frauen verdienen immer noch für gleiche Tätigkeiten fast ein Viertel weniger als Männer. Die Hartz - Reformen und andere Entwicklungen haben die Struktur des deutschen Arbeitsmarktes bis 2009 völlig verändert: 5,1 Mio. haben Mini-Jobs, 4,9 Mio. Teilzeitarbeit, nur noch 22,1 Mio. Menschen Vollzeit-Arbeitsplätze. 72% der Frauen und 28% der Männer sind teilzeitbeschäftigt (2011). 69,9% aller Frauen im erwerbsfähigen Alter arbeiten in Erwerbsarbeit. Nur noch unter 5 Mio. Beschäftigte arbeiten 2010 im Verarbeitenden Gewerbe (Industrie). 2011 steigt diese Zahl allerdings wieder auf 5,2 Mio. Insgesamt gibt es in Deutschland 2010 40,3 Mio. Erwerbstätige. Die Zahl der offenen Stellen beträgt Ende 2010 1 Mio. 2011 steigt die Zahl der Erwerbstätigen auf 41,041 Mio. (+535.000, +1,3%; höchster Stand in Deutschland, im April 2012 sogar 41,4 Mio.). Ende 2013 steigt die Zahl auf 41,84 Mio. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt 2011 aber nur bei 29,0 Mio., davon Vollzeit 23,2 Mio. Im September 2012 gibt es Warnsignale am Arbeitsmarkt. Die normale Herbstbelebung fällt schwächer aus. Das IAB erwartet für 2014 keinen Boom am Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosigkeit werde leicht sinken (2,901 AL bei einem Wirtschaftswachstum von 1,8%). Sie sinkt auch durch ein statistisches Artefakt: wegen mehr Zuwanderung. Es gelingt auch zunehmend, die Stille Reserve anzubauen: Frauen und Menschen, die die Suche aufgegeben hatten. Ältere scheiden später aus dem Berufsleben aus. Auch 2020 dürfte die Lage am Arbeitsmarkt stabil bleiben. Dennoch wird es auch Verlierer des Strukturwandels geben.

Erwerbstätige: Erwerbspersonen, die mittelbar oder unmittelbar eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausüben. Dazu zählen abhängig Beschäftigte (auch Beamte und Soldaten), mithelfende Familienangehörige und Selbständige. Ende 2012 gab es so viele Erwerbstätige in Deutschland wie nie zuvor mit 41,5 Mio. Davon sind 37 Mio. unselbständig tätig. Erstmals seit der Wiedervereinigung sind im September 2013 mehr als 42 Mio. Menschen in Deutschland erwerbstätig (StBA). Nicht als Erwerbstätigkeit gilt die ehrenamtliche Tätigkeit und die Tätigkeit im Privathaushalt. 2002 gab es nur 39,3 Mio. Erwerbstätige (+5,9% Steigerung bis 2012). 2013 und 2014 erwartet der DIHT eine halbe Million neuer Arbeitsplätze. Ende 2013 steigt die Zahl der Erwerbstätigen auf 41,84 Mio. Die Bundesregierung rechnet für Sommer 2014 mit der Rekordzahl von 42,1 Erwerbstätigen (+240.000). Aber schon im vierten Quartal 2013 meldet das Statistische Bundesamt 42,2 Millionen Erwerbstätige. 2014 sind 41,7 Mio. Menschen erwerbstätig: 29,4 Mio. Beschäftigte haben davon eine sozialversicherte Stelle. Hinzu kommen Beamte, Selbständige und Minijobber. 414.000 sozialversicherte Jobs sind 2013 entstanden. Ende 2014 erreicht die Zahl der Erwerbstätigen sogar 42,6 Mio. (Jahresdurchschnitt; Statistisches Bundesamt). Tatsächlich waren es dann am Jahresende sogar über 43 Mio. 2015 wird die Anzahl der Erwerbstätigen bei dem Rekordwert von 43 Mio. bleiben (Prognose IAB). Die Zahl der abhängig Beschäftigten lag Ende 2013 bei 31,7 Mio. Normalarbeitsverhältnisse hatten 24,1 Mio. (Quelle: Statistisches Bundesamt). 2014 erreicht die Zahl der Erwerbstätigen ein Rekordhoch: Im Durchschnitt des Jahres waren 43 Mio. Erwerbstätige gemeldet (+ 324.000). Die Zahl steigt noch mal im Durchschnitt 2015: 43,03 Mio. standen im Erwerbsleben (StBA). Im Dezember 2015 sogar 43,43 Mio. Im Mai 2016 lag die Anzahl aller Erwerbstätige in Deutschland bei 43,46 Mio. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (Sozialabgaben) betrug 31,33 Millionen (+681.000 gegenüber dem Vorjahresmonat). Nach einer Prognose des IAB steigt die Zahl der Erwerbstätigen 2017 auf 44,03 Mio. um 480.000. Davon wären 31,93 Mio. sozialversicherungspflichtig beschäftigt. 2016 waren im Jahresschnitt 43,5 Mio. Menschen erwerbstätig. Im Jahresvergleich entspricht dies einem Zuwachs von 425.000 (Quelle: Destatis). 2017 wird mit einem Zuwachs von 320.000 gerechnet. Die deutsche Industrie geht sogar von 500.000 neuen Stellen aus. Im ersten Quartal 2017 hatten mit 43,7 Mio. Menschen so viele Arbeit in Deutschland wie noch nie vorher  am Jahresanfang. Gegen den Trend bauen Banken und Versicherungen Beschäftigte ab. Im Frühjahr 2017 ist die Zahl der Erwerbstätigen stärker angestiegen als saisonal üblich. Das Niveau liegt bei 44,2 Mio. Vor allem im Dienstleistungsbereich nahm die Zahl zu (Erziehung, Gesundheit, Öffentlicher Dienst). Weiter zurück ging die Zahl bei Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (Destatis). 2019 soll die Zahl der Erwerbstätigen auf 45,3 Mrd. ansteigen (IfW, Kiel; BMF, Bundesbank). 2018 steigt der Altersdurchschnitt der Erwerbstätigen. Er liegt bei 44 Jahren. 2018 waren 44,8 Mio. Menschen erwerbstätig. Damit steigt die Zahl seit 13 Jahren an. Ende 2019 wird ein neuer Höchststand erreicht: 45,3 Mio. Erwerbstätige gab es. Quelle: StBA, Wiesbaden. Die Corona-Krise 2020 stoppt den Anstieg der Erwerbstätigkeit. Erstmals seit 14 Jahren geht die Zahl zurück: 44,8 Mio. 2022 erreicht die Zahl der Erwerbstätigen ein Rekordhoch: 45,6 Mio. 2023 gibt es so viele Erwerbstätige wie nie: 45,9 Mio. (+330.000; +0,7%, Quelle: StBA).   Der größte private Arbeitgeber der Welt ist Wal-Mart (US-Einzelhändler) mit 2.200.000 Beschäftigten. Es folgt Hon-Hai/ Foxconn (China, Elektronikhersteller) mit 1.100.000. Die BA rechnet für 2017 mit einem Plus von Erwerbstätigen von 667.000. Die Zahl der Erwerbstätigen lag Mitte 2017 bei 44,1 Mio. Im November 2017 liegt die Zahl schon bei 44,74 Mio. (Quelle: Destatis). Am Bau wurden 43.000 neue Jobs geschaffen. Die Dienstleister sorgen für die meisten Arbeitsplätze. Im November 2017 erreicht die Erwerbstätigenzahl im Verarbeitenden Gewerbe einen neuen Höchststand mit 5,5 Mio. (Quelle: Destatis). Im Januar 2019 lag die Erwerbstätigkeit bei 44,78 Mio. (sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 33,32 Mio.). Im Jahresdurchschnitt  2021 liegt die Anzahl der Erwerbstätigen bei 44,9 Mio. (Höchststand Ende 2019 mit 45,3, Sinken durch Corona).  Künftig wird es weniger Erwerbstätige geben aufgrund der Bevölkerungsentwicklung. 400.000 Zuwanderer pro Jahr wären ab 2023 notwendig. Ende 2022 wird noch mal ein neuer Rekord errecht: 45,9 Mio. Erwerbstätige in Deutschland. Es gibt weniger Selbständige.

Erwerbsarbeitszeit: Im Zuge der Corona-Krise sinkt die durchschnittliche Erwerbsarbeitszeit von Frauen. Männer wechsel seltener in Kurzarbeit. Frauen übernehmen eindeutig den größten Anteil der anfallenden Kinderbetreuung. Quelle: Hans-Böckler-Stiftung 2020 (Umfrage bei 6100 Erwerbspersonen im November 2020)

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte: Alle Arbeitnehmer (+Auszubildende), die Beiträge in die Sozialversicherungen entrichten. In einigen Fällen können auch Selbstständige dabei sein. 2017 gab es in Deutschland 32 Mio. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (Quelle: Destatis). 2019 im Juni lag die Zahl bei 33,41 Mio.

Sozialversicherungspflichtig beschäftigte Ausländer in Deutschland (Stand September 2022): Insgesamt sind 5,142 Mio, so beschäftigt. Das sind rund 15% der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Die meisten sind aus der Türkei (562.000) vor Polen (518.000) und Rumänien (511.000). Dann folgen Italien (285.000), Kroatien (213.000), Syrien (199.000), Bulgarien (186.000), Griechenland (156.000), Ukraine (118.000), Ungarn (113.000). Quelle: BA, Nürnberg.

Arbeitsvolumen: Es wird in Arbeitstunden gemessen. Es betrug 2002 56,6 Mio. Stunden pro Jahr. 2012 lag es bei 58,1 Mio. Std./Jahr (+2,7%). Das Arbeitsvolumen pro Kopf beträgt 2002 1441,4 Std./Jahr. 2012 sinkt es auf 1397,1 Std./Jahr (-3,1%).

Ungenutzte Arbeitskräftepotential: Zu den Erwerbslosen werden noch die Stille Reserve und die Unterbeschäftigten dazugerechnet.  Letztere sind zwar erwerbstätig, sie würden aber gern ihre Stundenzahl erhöhen. 2013 lauten die Zahlen (ermittelt durch Umfragen des StBA): 2,3 Mio. erwerbslos; 1,1 Mio. Stille Reserve; 3,3 Mio. unterbeschäftigt.

Stellenindex BA-X: Er misst die Nachfrage nach Arbeitskräften in Deutschland. Er erreicht im April 2022 mit 138 Punkten einen neuen Höchststand. Der Index liegt damit um zwei Punkte höher als im März und 33 Punkte über dem Wert des gleichen Vorjahresmonats.

Arbeitsmarktbarometer: Konstruiert und gemessen vom IAB in Nürnberg. 100 ist die neutrale Situation. 90 wäre eine schlechte Situation. 110 eine extrem gute Situation. Im März 2023 liegt der Wert bei 103,4. 2.

Mismatch: Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage weichen in regionaler oder qualifikatorischer Hinsicht voneinander ab, so dass gleichzeitig auf dem Arbeitsmarkt Arbeitslosigkeit und viele offene Stellen vorkommen. Seit 1970 ist diese Ursache immer bedeutsamer geworden (Verschiebung der Beveridge-Kurve nach außen). Steigt die gleichgewichtige Arbeitslosigkeit an, liegt die Ursache in Hysterese (kurzfristiger Schock führt zu dauerhafter Verschiebung der NAIRU). Vgl. Baßeler/Heinrich/Utecht, Volkswirtschaft, Stuttgart 2010, Kapitel 26. Man spricht auch von Matching-Effizienz und bezeichnet damit das Zusammenfinden von Arbeitssuchenden und offenen Stellen.

Wandel des Arbeitsmarktes durch die technologische Revolution und den demographischen Wandel: Firmenbewertungsportale wie "Glassdoor" und "Kununu" (gehört zu Xing) verschieben die Macht vom Arbeitgeber hin zum Arbeitnehmer. Mitarbeiter bewerten Chefs, Gehälter werden transparent, Arbeitsklima und Aufstiegschancen werden diskutiert. Natürlich können Bewertungsportale auch von Firmeninteressen unterwandert werden.

Arbeitsmarkt als Konjunkturindikator: Als Spätindikator gilt der Arbeitsmarkt. Frühindikator ist der Auftragseingang. Präsensindikator ist die Entwicklung des BIP pro Monat oder Quartal. Es gibt allerdings auch ein Wandel in den Indikatoren. 2019 scheint sich der Arbeitsmarkt von der Konjunktur abgekoppelt zu haben. Obwohl die Wirtschaft schrumpft, entstehen neue Arbeitsplätze. 

Arbeitsmarkt nach der Corona-Krise: Durch die Kurzarbeit erweit sich der deutsche Arbeitsmarkt als robust in der Krise. Was aber kommt nach der Pandemie? 2020 gehen 300.000 Menschen aus Altersgründen. Das hilft. Ab 2025 gehen die Geburtenstarken Jahrgänge in Rente, das ist auch gut. Wir brauchen aber dann noch ausreichende Zuwanderung. Schlecht qualifizierte Arbeitnehmer müssen in Weiterbildung gebracht werden. Der Fachkräftemangel dürfte 2022 zunehmen. Eine Jobkrise dürfte es nicht geben.

Arbeitsmarktprognose in Deutschland: 2019 ist der Aufschwung zu Ende. DAX-Konzerne streichen Tausende von Arbeitsplätzen. Doch die Massenarbeitslosigkeit dürfte nicht zurückkommen. Gründe dafür sind die Demographie (Babyboomer gehen in Rente) und eine veränderte Wirtschaftsstruktur (Arbeitsmarkt entkoppelt sich von der Konjunktur). Quelle: IAB, Nürnberg.

Demografische Effekte (Verzerrungen) am Arbeitsmarkt: Fast die Hälfte des Rückgangs der Arbeitslosigkeit lässt sich auf demografische Effekte in Ostdeutschland zurückführen. Viele Arbeitslose in Ostdeutschland gehen nach und nach in Rente. Der Beschäftigungszuwachs speist sich aus einem stetigen Anstieg der Frauenerwerbsbeteiligung und einer beachtlichen Zuwanderung aus den EU-Staaten. Man sollte diese Effekte auch offen benennen.

Verdrängungseffekte: Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Menschen aus der EU. Der Ausdruck dafür ist "Freizügigkeit". 2007 wurde der deutsche Arbeitsmarkt zuletzt für Menschen aus Polen, Ungarn und anderen mittel- und osteuropäischen Ländern geöffnet. 2020 gab es 1,63 Mio. sozialversicherungspflichtig oder ausschließlich geringfügig Beschäftige aus diesen Ländern in Deutschland. Das waren +26.203 gegenüber dem Vorjahr. Das hat nicht zu einer Überlastung des deutschen Arbeitsmarktes geführt  (Verdrängungseffekte). für den Sozialstaat gibt es Vorteile.

Gespaltener Arbeitsmarkt (Polarisierung): Viele Experten sehen in Zukunft nur noch Jobs für Hochqualifizierte und für Hilfskräfte. Auslöser ist eine Studie der OECD 2017. Zwischen 1995 und 2015 ging in den Industrieländern der Anteil der Jobs zurück, die mittlere Qualifikation benötigen. Für Deutschland gibt es viele Gegenargumente gegen diese These.

Arbeitsmarkttheorie: Die neoklassische Theorie sieht den Lohn als Ursache. Löhne über dem Gleichgewichtslohn werden auf Deregulierung, Lohnnebenkosten, Effizienzlohn und bilaterales Monopol zurückgeführt. Keynes bezieht auch Lohnstarrheiten nach unten in die Betrachtung ein, sieht die Ursache aber mehr in fehlender Nachfrage, die durch Staatsnachfrage stabilisiert werden sollte. Zusätzlich analysiert er die Liquiditätsfalle, in der die Geldpolitik wegen der Zinsen auf unterstem Niveau wirkungslos ist. Die Duale Arbeitsmarkttheorie  geht von einer Spaltung in einen ersten (Stammbelegschaft)  und zweiten Arbeitsmarkt (Randbelegschaft, schlechtere Bedingungen, Diskriminierung)."Es gibt weltweit nicht ein einziges Beispiel dafür, dass Kürzungen von Löhnen, Renten und Sozialleistungen ein krankes Land gesunden ließen", Joseph Stiglitz, US-Ökonom, Nobelpreisträger.

Phillips-Kurve: Beziehung zwischen Arbeitslosenquote (ALQ)  und Inflationsrate (IR): normalerweise sind eine hohe IR mit niedriger ALQ und Preisstabilität mit hoher ALQ verbunden A. W. "Bill" Phillips (1914-1975, in Neuseeland geboren; Erkenntnis 1958):  "The Relationship between Unemployment and the Rate of Change on Money Wages in the United Kingdom, 1861-1957", Economica (für die USA von Samuelson und Solow festgestellt). Auf dieser Kurve basiert auch das Modell des politischen Konjunkturzyklus von W. Nordhaus (geb. 1941, The Political Business Cycle, Review of Economic Studies 1975). Der Nobelpreisträger von 2006 E. Phelps (geb. 1933) kritisierte die unterstellte Geldillusion und untersuchte die Rolle von Inflationserwartungen: Als einer der ersten bezeichnete er den Trade-off als kurzfristig und nannte als Bedingung, dass die tatsächliche Inflation von den Inflationserwartungen abweicht. 2017 scheint sich das Phänomen der Phillips-Kurve aufzulösen. Die Arbeitslosigkeit befindet sich in allen Industrieländern auf dem Rückzug. Doch die Löhne und die davon beeinflusste Preisinflation steigt nicht wie gewollt (2%) an. Das könnte mit der Globalisierung der Löhne zusammenhängen. "Wenn man jemanden sucht, der auf eine Inflation von null Prozent zielt, während die Arbeitslosigkeit auf 13 Prozent steigt, dann ist Weber der richtige Mann", Paul Krugman, in: Handelsblatt, 21.06.2010, S. 4.

Offene Stellen: basieren auf einer Statistik des IAB unter Betrieben und Verwaltungen. Die Statistik ist ungenau, weil einerseits viele Betriebe die freien Stellen nicht mitteilen (besetzen selbst), andererseits die Meldung nichts kostet und daher überzogen ist. Deshalb entwickelt die BA den Stellenindex BA-X. Er zeigt die unbesetzten Stellen an (seit 2005). Er erreicht 2016 mit 219 Punkten einen Höchstwert.  2011 fehlen ca. 500.000 Arbeitskräfte. Engpässe gibt es bei Ingenieuren, Altenpflegern, Erziehern und Sozialarbeitern. Im Jahre 2016 steigt die Anzahl der offenen Stellen stark an. Vor allem Stellen im Umfeld des "Flüchtlingsmanagements" stehen zur Verfügung. Im Juli 2016 waren bei der BA 674.00 offene Stellen gemeldet, 85.00 mehr als vor einem Jahr. Im Februar 2017 erreicht die Zahl der offenen Stellen den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung (1,044 Mio.). Diese Zahl steigt 2017 noch mal an (1,1 Mio., zweite Quartal 2017). Im vierten Quartal 2017 gab es 1,2 Mio. unbesetzte Stellen. Im zweiten Quartal 2018 gab es mit 1,12 Mio. offenen Stellen einen neuen Rekord (Quelle: IAB Nürnberg). Die Zahl der offenen Stellen bleibt auch 2019 sehr hoch, obwohl sich die Konjunktur eintrübt: Im zweiten Quartal von April bis Juni gab es bundesweit 1,39 Mio. offene Stellen. Quelle: BA, Nürnberg. Ende November 2019 lag die Zahl der gemeldeten offenen Stellen bei 736.000 (Quelle: BA). Im Sommer 2022 ist die Zahl der offenen Stellen so hoch wie nie zuvor: 1,93 Mio. Bis Jahresende steigt die Zahl noch auf 2,0 Mio., dann geht sie wieder leicht runter. 2022 betrug die Zahl der offenen Stellen pro arbeitsuchende Person 0,56 (2010 0,17). 2022 gab es rund 2 Mio. offene Stellen. Gleichzeitig ging die Anzahl der Arbeitssuchenden um 28% auf 4 Mio. Menschen zurück.

Beveridge-Kurve: Der statistische Zusammenhang zwischen der Vakanzquote (Anzahl der offenen Stellen an den gesamten bekannten Arbeitsplätzen) und der Arbeitslosenquote. In der Regel wird die Kurve saisonbereinigt dargestellt.

Arbeitskräftemangel und Auswege (Vgl. auch den 2. Abschnitt: Demographie, Bevölkerungsentwicklung): Er ist ab 2022 eine große Herausforderung. Deutschland gehen die Arbeitskräfte aus. Das kostet Wachstum und Wohlstand. Zehn Wege, um aus dem Mangel herauszukommen: 1. Der Beruf zählt mehr. 2. Mehr Zeit in junge Menschen investieren. 3. Frauen endlich raus aus dem Haus. 4. Wer länger lebt, muss auch länger arbeiten. 5. Das große Potential der Rentner nutzen. 6. Den Behördenweg für Zuwanderer ebnen. 7. Mehr Strafen gegen Arbeitsverweigerer. 8. Mehr Geld und Mühe für Recruiting. 9. Den Roboter zum Freund gewinnen. 10. Weniger Peitsche - und viel mehr Möhren. Vgl. Bernau, Varinia u. a.: Wir stellen ein! in: WiWo 36/ 2.9.2022, S. 15ff.

Regionale Disparitäten und Arbeitskräftemobilität: Erhebliche regionale Disparitäten werden in Deutschland von einer Abwanderung aus strukturschwachen Regionen begleitet. Empirische Befunde zeigen, dass die Mobilität zu einem Abbau der unterschiede beitragen kann. Selektive Wanderungen können Disparitäten allerdings auch vertiefen. Eine effektive regionalpolitische Unterstützung ist notwendig. Regionalpolitik und Arbeitsmarktpolitik sollten koordiniert werden. Vgl. Niebuhr, Annekatrin: Regionale Disparitäten und Arbeitskräftemobilität, in: Wirtschaftsdienst 2019/ Sonderheft, S. 31 ff.

Corona-Krise 2020 und Arbeitsmarkteffekte in Deutschland: Deutschland hatte bis 2020 fast Vollbeschäftigung. Die Krise bringt die Angst vor der Massenarbeitslosigkeit zurück. Bis Anfang Mai 2020 sinkt die Beschäftigung in Deutschland um -0,9%. 26,9 % aller Beschäftigten sind in Kurzarbeit (im Jahresdurchschnitt 2020 2,5 Mio. Menschen, Quelle: IAB). In jedem Falle fallen Arbeitsplätze weg in Hotels und Gaststätten, in der Automobilindustrie und Zulieferern. Der demographische Wandel kann die Veränderungen abmildern. Im Juli 2020 erhöht sich die Zahl der Arbeitslosen auf 2,91 Mio. (um 57.000, ALQ 6,3%, +0,1% gegenüber Juni). Die Anzahl der Beschäftigten in Kurzarbeit stieg auf 6,7 Mio.

Arbeitsmarkteffekte der geplanten Transformation (Klimafonds 2023): Studie von IAB/ Nürnberg, BIBB/ Bonn und GWS 2023 (QuBe-Projekt, seit 2007). Bis 20240 würden knapp 3,29 Mio. neue Jobs entstehen. Eine Studie von Bertelsmann 2023 (Scheemann u. a.) errechnete, was passiert, wenn die 60 Mrd. € wegfielen: Sie errechnen ein Delta von bis zu - 1,2 Mio. Arbeitsplätze bis zum Jahr 2040.

Bedeutung der DAX-Konzerne für den Arbeitsmarkt: Mehr als 10.000 Stellen werden wohl allein die Deutsche Bank, Bayer und BASF in den nächsten Jahren (ab 2019) in Deutschland abbauen. Die 30 DAX-Konzerne verlieren an Bedeutung für den deutschen Arbeitsmarkt. Staatdessen bauen sie ihr Personal im Ausland auf. Der Anteil an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ging von 2009 (5,6%) auf 2018 (4,7%) zurück. Die meisten zusätzlichen Stellen in Deutschland hat VW geschaffen (120.105, +70%, seit 2009). Den höchsten Zuwachs in Deutschland hatte Adidas (+123%, Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Deutschland, Reshoring, auch Digitalisierung). 2018 gab es 2,52 Millionen Mitarbeiter in DAX-Unternehmen im Rest der Welt (2009: 1,99). Den größten Stellenabbau in Deutschland hatten in dieser Zeit die Deutsche Telekom und RWE. Quelle: WiWo 30, 18.7.2019, S. 8.

Beschäftigungsquote: Sie wird von der OECD für ihre Mitgliedsländer gemessen. In Deutschland ist die Quote 2023 allgemein höher als im Schnitt der OECD-Staaten. Auffällig ist die besonders hohe Quote bei Menschen mit mittlerem Bildungsabschluss. Von den 25- bis 64-jährigen mit mittlerem Bildungsabschluss sind 83% erwerbstätig. Der OECD-Schnitt liegt bei 77%. Auch bei hohen Bildungsabschlüssen liegt Deutschland mit 89% leicht über dem Durchschnitt (87%). Bei niedrigem Bildungsabschluss arbeiten in Deutschland 66% (Durchschnitt 60%). Die Daten können auch vom StBA zur Verfügung gestellt werden.

Weltarbeitsmarkt: Bisher gibt es den nur im Bereich hoch qualifizierter Arbeitskräfte (HQA, wie Künstler, Wissenschaftler u. a.). Die nationalen Arbeitsmärkte haben sich durch Regulierungen und Zugangsbeschränkungen abgeschottet. Global gibt es nach der großen Weltfinanzkrise 2008/2009  30 Millionen mehr Arbeitslose als vor der Krise (ILO, Genf). Ein Drittel der mehr als 200 Millionen Arbeitssuchenden weltweit ist unter 25 Jahre alt. 900 Millionen Beschäftigte verdienen weniger als nötig, um ihre Familien oberhalb der Armutsgrenze zu halten. Ende 2012 waren 197 Mio. Menschen ohne Job.  2013 soll diese Zahl auf 210 Mio. steigen (ILO, Genf). Für 2016 erwartet die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) 199,4 Mio. Arbeitslose in der Welt (schlechte Konjunktur).  Nach der OECD sind seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2007 in den Industrieländern 13 Mio. Arbeitsplätze vernichtet worden. Nur in Deutschland und Chile sind die Arbeitslosenquoten 2011 niedriger. In der EU hat 2013 Österreich die niedrigste Arbeitslosenquote mit 4,7%, die höchste gibt es in Griechenland mit 22,5%.  "Die Beschäftigungssituation verschlechtert sich in Europa, und in vielen anderen Ländern verbessert sie sich nicht mehr", Raymond Torres, Direktor der Internationalen Arbeitsorganisation der UN 2012.

Arbeitsmarkt in den USA: Viele Arbeitsmarkttheorien sind in den USA entwickelt worden. So kommt es, dass sie oft speziell auf die USA zugeschnitten sind: "Hire and Fire"- Prinzip, Arbeitsmarktsegmentation, Dualer Arbeitsmarkt. Andererseits ist die USA in vielen Bereichen Vorreiter, so dass Entwicklungen später zu uns kommen (Arbeitsmarkt in der digitalen Wirtschaft. Vgl. Kasarda, J. D. (Ed.): Jobs, Earnings, and Empoyment Growth Policies in the United States, Dordrecht 2013. Gegenwärtig, im Jahre 2018, gibt es den Trend, das Zuhause zu verlassen und im Auto zu leben. Mache Arbeitgeber werben gezielt um diese Kräfte. Lagerarbeit, Rübenernte, Parkplatzwache - die jobbenden Camper sind gefragt. Hintergrund sind auch die hohen Immobilienpreise in reicheren Städten. Vieles ist auch Myzhos, was über den US-Arbeitsmarkt berichtet wird: 90% der Beschäftigten hatten 2018 eine traditionelle Festanstellung. Nur 0,5% der Beschäftigten lebten 2018 von Jobs in der prekären Gig-Ökonomie ("Click - Worker"). Im US-Erwerbsleben haben Geschlecht und Herkunft eine große Bedeutung. Schwarze Männer und Frauen sind stärker von sozialer Ausgrenzung bedroht. Dieser Nachteil kann nicht durch andere arbeitsmarktbezogene Faktoren und familiäre umstände erklärt werden. Vgl. Wege aus der Erwerbsarmut in den USA, in: WZB Mitteilungen, Heft 164, Juni 2019, S. 23ff. Die Corona-Krise 2020 lässt die Arbeitslosenzahlen rapide in die Höhe schnellen: 07.05.20  33 Mio. Arbeitslose allein durch Corona (ALQ 16%, März noch 4%). Experten rechnen noch 2020 mit einer ALQ von 25%. Offiziell sind Ende 2020 noch 10,7 Mio. Menschen arbeitslos. Die Zahl ist sehr ungenau, weil viele überhaupt nicht mehr nach Arbeit suchen. Im Paket vom Dezember 2020 sind auch Mittel für Arbeitslose (300 $ pro Woche). 2021 stehen die USA nach einer Rekordarbeitslosigkeit 2020  vor dem gegenteiligen Problem: Unternehmen finden keine Mitarbeiter für einfache Jobs. Das kann den Aufschwung gefährden. Die Arbeitslosigkeit ist 2023 auf ein historisch niedriges Niveau gefallen. Das kommt auch den am schlechtesten bezahlten Jobs -Gastronomie, Einzelhandel, Pflege - zugute. Seit 2021 haben Löhne um 9% in den unteren Lohngruppen angezogen (Durchschnitt 6%). Im April 2021 betrug die Arbeitslosigkeit 6,1%, im April 2020 14,8%.

Arbeitsmarktreform und Arbeitsmarkt in Frankreich: Im April 2018 kommt ein Gesetzentwurf zum Umbau der Berufsausbildung und der Arbeitslosenversicherung. Im 1. Quartal 2018 steigt die Arbeitslosigkeit überraschend auf 9,2%. Die Arbeitsmarktreform wird aber durchgesetzt nach Protesten und Streiks. Es wird auch eine Bahnreform verabschiedet. Paris entwickelt sich zum attraktivsten Standort in Europa. Die Arbeitsmarktreform besteht aus folgenden Elementen: 1. Flexibilität (mehr möglich vor allem bei kleinbetrieben). 2. Abfindungen (steigen). 3. Kündigungsschutz (Erleichterung bei betriebsbedingten Kündigungen bei Multis). 4. Betriebsräte (nur ein Betriebsrat bei Unternehmen ab 50 Beschäftigten). Die Franzosen proben Ende 2018 den Aufstand. Die Menschen demonstrieren gegen die Erhöhung der Steuern und die hohen Benzinpreise. Eigentlich ist Präsident Macron gemeint, der immer unpopulärer wird. Besonders umstritten ist die Einführung einer Ökosteuer, die Benzin verteuert. Nach Ausschreitungen der "Gelbwesten" Anfang Dezember 2018 setzt Macron eher auf Gespräche als den Ausnahmezustand zu verhängen. Steuerentlastungen werden in Aussicht gestellt. Die geplanten Steuererhöhungen werden ausgesetzt. Macron erwägt sogar finanzielle Zugeständnisse, um die Gelbwesten zu beruhigen (soziale Maßnahmen). Dei geplante Rentenreform könnte die nächste Protestwelle der Gelbwesten auslösen. Es geht vor allem um den Abbau von Privilegien (Lehrer: Berechnung der Rente nach dem letzten Gehalt, Lehrer sind schlecht bezahlt, dürfen aber mit 62 in Rente; Rente nach eingezahlten Beiträgen insgesamt; schlechte Lage des Personals im Gesundheitsbereich). Die Arbeitsmarktreform zeigt 2019 zunehmend Erfolge: Lehrlinge können ohne Begründung entlassen werden. Es gibt viel mehr Lehrstellen. Das Wirtschaftswachstum ist 2018 (1,7%) und 2019 (1,2% geschätzt) höher als in Deutschland. Im Dezember 2019 kommt es zu einem Generalstreik: Das Renteneintrittsalter von 62 soll nicht angetastet werden (aber einheitlich, bei Bahn 55); aber es sollen Abschläge kommen. Der Arbeitsmarkt in Frankreich krankt unter dem starken Rückgang der Industrie. Der Industriesektor betrug 2019 nur noch 13,5% (Deutschland 24,3%, EU 19,7%). Im Oktober 2021 legt das Land einen Investitionsplan von 30 Mrd. € auf. Das dürfte auch dem Wahlkampf geschuldet sein. Im Herbst 2022 regelt Frankreich die Arbeitslosenversicherung neu. Sie soll künftig flexibler sein. Wenn die Lage auf dem Arbeitsmarkt entspannt ist, sind die Regeln flexibler und umgekehrt. ende 2023 verschärft das Land auch die Migrationsregeln: Familiennachzug wird erschwert und die Sozialleistungen eingeschränkt.   Die Corona-Krise führt 2020 zu 10 Mio. Kurzarbeitern in Frankreich. Die Verwaltungshochschule ENA soll ab 2021 abgewickelt werden. Es war die Kaderhochschule des Landes. Geht es um die Durchlässigkeit des Hochschulsystems oder um die Präsidentschaftswahlen? Macron plant 2023 eine Rentenreform: Verlängerung der Lebensarbeitszeit von 62 auf 64. Es folgen heftige Proteste. Hunderttausende demonstrieren gegen die Reform. Ein Generalstreik droht. Macron drückt die Reform mit einem Trick durch.

Man kann in Europa noch nicht mal von einem EU-Arbeitsmarkt sprechen. Die Mobilität der Arbeitskräfte ist nicht vorhanden, teilweise auch durch staatliche Reglementierung. Frankreich plant 2016, seinen Arbeitsmarkt zu flexibilisieren. Es soll ein neues Arbeitsgesetz kommen: Weitere Kündigungsmöglichkeiten, Begrenzung der Abfindung, Ausweitung der Wochenarbeitszeit, neue Vergütung für Überstunden. Der Widerstand ist groß. Im Mai 2016 lähmt ein Streik gegen die Arbeitsrechtsreform Frankreich. Ende 2016 liegt die Arbeitslosenquote in der Eurozone auf dem tiefsten Stand seit sieben Jahren (9,8%; 2013 noch 12,1%). Allerdings sind die Unterschiede in den einzelnen Staaten groß (Deutschland niedrigste Quote, Griechenland höchste Quote). 2018 bringt die EU neue Regeln gegen Lohn- und Sozialdumping. 2018 versucht die EU, die Rechte von Beschäftigten zu stärken, die außerhalb ihres Heimatlandes arbeiten (mobile Arbeitskräfte).  Ende 2012 lag die Arbeitslosenquote in der EU bei 11,7%. Die niedrigsten Quoten meldeten Österreich mit 4,3% sowie Deutschland und Luxemburg (5,3%). In den 17 Euro-Ländern ist die Arbeitslosenquote im April 2013 auf 12,2% angestiegen. Die höchsten Quoten hatten Griechenland (27,0%) und Spanien (26,8%). Dramatisch ist in beiden Ländern die Jugendarbeitslosigkeit (Griechenland: 62,5%; Spanien: 56,4%). Die Arbeitslosenquote in der Euro-Zone liegt im Juli 2013 bei 12,1% (19,23 Mio. Arbeitslose). Im Februar 2014 ist die Arbeitslosenquote in Österreich und Deutschland am niedrigsten (4,8%; 5,1%). Am höchsten ist sie in Spanien (25,6%), Kroatien (17,6%) und Großbritannien (17,1%). In den 19 Euro-Staaten sank die Arbeitslosigkeit im Dezember 2015 auf 10,4% (16,7 Mio. AL). Das ist der niedrigste Stand seit September 2011. Das Austauschprogramm "Erasmus" soll die Mobilität auf dem EU-Arbeitsmarkt erhöhen. 2016 steigt die Arbeitslosigkeit in Frankreich deutlich an (Ende Februar 3,6 Mio.). Eine Arbeitsmarktreform wird ohne Votum des Parlaments durchgedrückt. Es soll das Arbeitsrecht gelockert und mehr Flexibilität geschaffen werden. Die entsprechende Verordnung wird Ende September 2017 unterzeichnet. Wegen der schweren Finanzkrise wanderten 427.000 Griechen in andere Länder aus. In der Mehrheit sind es gut ausgebildete Menschen. Sie gehen nach Großbritannien, Deutschland und in die Vereinigten Emirate. Im August 2016 steigt die Arbeitslosigkeit in Frankreich stark an (3,56 Mio. +1,4% gegenüber Juli). In Griechenland liegt die Arbeitslosigkeit 2016 noch bei 23,4% (Jugendliche 48%). Ende 2017 sinkt die Arbeitslosigkeitsquote in allen Euro-Staaten zusammen auf 8,7% (niedrigster Stand seit 9 Jahren). Am niedrigsten ist die ALO in Deutschland (3,6%), Malta und Tschechien. Am höchsten ist sie in Griechenland (20,5%) und Spanien (16,7%), Italien (9,7%). Im Januar 2018 erreicht die Arbeitslosigkeit in der EU den niedrigsten Stand seit 9 Jahren (Quote 8,6%). Im August 2018 sinkt die Quote weiter auf 6,8%. Im Mai 2019 liegt die ALQ in den 19 Eurostaaten der EU bei 7,5% (-0,1% gegenüber April; Quelle: Eurostat, Luxemburg). In der ganzen EU lag die Arbeitslosigkeit im Mai 2019 bei 6,3% (April 7,1%). Positiv gesehen hatten im ersten Quartal 2019 240,7 Millionen EU-Bürger einen Job. Das ist ein neuer Höchststand. 2019 gab es im September über alle EU-Staaten im Schnitt 6,3% Erwerbslose. Damit waren EU-weit in diesem Monat 15,6 Mio. Menschen ohne Arbeit (quelle: Statistisches Bundesamt). Im April 2021 sinkt die Arbeitslosenquote in der Eurozone auf 8,0%. Im Juni 2022 fällt die Arbeitslosenquote in der EU auf das Rekordtief von 6,6%. Im März 2024 liegt die Quote wie schon in den Vormonaten bei 6,5% (angesichts der schwachen Wachstumsrate von 0,5% stabil).

Brexit und Ausländerbeschäftigung in Großbritannien: Großbritannien hatte in großen Ausmaß die Möglichkeiten der Arbeitnehmerfreizügigkeit genutzt. Diese Strategie war erfolgreich. Die Arbeitsmigration aus den Beitrittsländern war kein entscheidender Faktor beim Brexit - Votum. Es war mehr die Angst vor einem Statusverlust der weniger gebildeten Wähler, die eine Bedrohung ihres sozialen Status und ihrer nationalen Identität fürchteten. Wahrscheinlich wäre eine Diskussion über eine EU unterschiedlicher Geschwindigkeiten ratsam. Vgl. Schrader, Klaus: Brexit und Ausländerbeschäftigung in Großbritannien: von Musterland zum Bollwerk?, in: Wirtschaftsdienst 2018/8, S. 558ff.

Brexit und Beschäftigung in Deutschland: Ein EU-Austritt GB ohne Abkommen (harter Brexit) würde mehr als 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland kosten (Quelle: Studie des Leibnitz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH)). Vor allem die Autoindustrie wäre betroffen. Besonders betroffen seien die Standorte Wolfsburg (VW) und Dingolfing-Landau (BMW). Viele Betrieb in Deutschland produzieren auch für den Export nach GB. Auf der Angebotsseite werden die innereuropäischen Migrationsströme beeinflusst werden. Das IAB in Nürnberg schätzt die folgen für den deutschen Arbeitsmarkt moderat ein (Bossler Mario u. a.: Mögliche Brexit-Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt, in: Wirtschaftsdienst 2019/10, S. 687ff.)

Arbeitsmarkt in Griechenland: Infolge der Krise zwischen 2009 und 2011 gingen 1,1 Mio. Stellen verloren. Dies fast ausschließlich im privaten Sektor. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit hat auch mit Auswanderung zu tun. 427.000 Griechen haben bis 2014  (von 2008 an) das Land auf der Suche nach Arbeit verlassen. Es entstanden auch wieder viele neue Arbeitsplätze im Tourismus, Gastronomie, Einzelhandel. Das Lohnniveau ist gesunken. Es gibt weniger Vollzeitstellen.

Arbeitsmarkt in Italien: Italien will Hunderttausenden illegal eingewanderten Migranten in der Corona-Krise und danach Aufenthaltspapiere geben. Die Maßnahme soll auch eine neue Corona-Infektionswelle verhindern. Das betrifft 2020 670.000 Menschen. Diese Migranten werden vor allem für einen Hungerlohn auf den Tomaten-, Früchte- und Zitrusplantagen als Erntehelfer eingesetzt. Weitere 200.000 ausländische Arbeitskräfte werden als Dienst- und Kindermädchen bei wohlhabenden Familien eingesetzt, Hinzu kommt noch die Landwirtschaft mit 200.000 regulären Saison-Arbeitern aus Rumänien, Bulgarien und Polen. Die genaue Zahl der Illegalen kennt kaum jemand. Hinzu kommen noch chinesischen Arbeiter in den Textilfabriken Norditaliens.

 

Arbeitsmarktpolitik (Regulierung des Arbeitsmarktes, staatliche Arbeitspolitik, BA in Deutschland; Arbeitsgerichte; andere Akteure: Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände; Bürgergeld; vgl. auch Lohn)

Arbeitsmarktpolitik: Hier als Beispiel Anstöße für eine zukunftsorientierte AM-Politik (Petersberger Erklärung, Dez. 2008): Arbeit fördern statt Arbeitslosigkeit finanzieren, Förderung von frühkindlicher Bildung und lebenslangem Lernen, Soziale Dienste marktfähig machen, Zuwanderung stärker an wirtschaftlichen Interessen Deutschlands ausrichten, Trennung von Umverteilung und Sozialversicherung im Steuer- und Transfersystem, Soziale Sicherung ermöglicht Risikobereitschaft). Ab 2014 wird erwogen, eine EU-Arbeitslosenversicherung einzuführen. Die EU-Kommission arbeitet an einem Modell. Deutsche käme das Konzept wahrscheinlich teuer zu stehen: Das Arbeitslosengeld in Frankreich oder den Niederlanden ist zur Zeit viel höher. What does no man want, yet no man wants to lose? Solution: work, employment.

Regulierung des Arbeitsmarktes: Eingriffe des Staates in den Arbeitsmarkt. Grundsätzlich herrscht in Deutschland von der Verfassung her Tarifautonomie. Sie garantiert eine möglichst hohe Flexibilität. Es gibt in Deutschland folgende Eingriffe: 1. Mindestlohn. 2. Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (begrenzt die Zeitarbeit, 18 Monate mit Öffnungsklausel). 3. Kündigungsschutz. 4. Entgelttransparenzgesetz. 5. Rückkehrrecht auf Vollzeit bei Frauen in Teilzeitarbeit (Vorhaben). Die gute Arbeitsmarktlage in Deutschland wird auf Deregulierung des Arbeitsmarktes zurückgeführt. Macron will in Frankreich nach dem Wahlsieg ebenso eine Deregulierung durchführen.  Nach der Corona-Krise 2020 fürchten die Arbeitgeber einen Neo-Dirigismus auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland. Dabei halten sie die Politik in der Krise für gut.

Steuerung der Lohnzusatzkosten: Sie entstehen überwiegend durch die Beiträge zur Sozialversicherung. Hier kann der Staat in hohem Maße eingreifen. Normalerweise tragen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Deutschland je 50% der Beiträge. Teilweise wurde das Prinzip schon durchbrochen (bei der Rente wurde der betriebliche Beitrag eingefroren, später wurde wieder die Parität hergestellt). Die Arbeitgeber möchten die Lohnsatzkosten bei 40% stabil halten (Wettbewerbsfähigkeit). 

Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung: Anfang 2017 beträgt der Beitragssatz noch 3,0%. In den Koalitionsvereinbarungen hat man sich auf eine Reduktion auf 2,7% geeinigt. dies würde Arbeitnehmer und Arbeitgeber entlasten. Die Rücklagen der Versicherung waren bis Ende 2017 auf 20 Mrd. € angestiegen.

Bundesagentur für Arbeit: Die frühere Bundesanstalt für Arbeit. Die Arbeitsamtsbezirke stimmen nicht mit anderen Verwaltungsgrenzen überein. Im wesentlichen wird die Organisationsstruktur durch die Zentrale, die Regionaldirektionen und die Agenturen gebildet. Die Zentrale ist in Nürnberg. BA-Chef ist Frank-Jürgen Weise. 2017 wird Detlef Scheele sein Nachfolger. Dazu gehört auch eine Forschungsinstitut, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Seit der Hartz-Reform wird die Agentur auf Effizienz getrimmt. Die Leistungsprämien (6,2 Mio. € 2013) und andere Anreizsysteme führen jedoch auch zu Fehlentwicklungen. Schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose werden durch Tricks aus der Statistik rausgerechnet (Programme wie IFLAS und INGA). Die Agenturen stürzen sich auf einfache Kunden, die leicht einen Arbeitsplatz finden ("Creaming"). Vgl. Der Spiegel 26/ 2013, S.30ff. Die Reform der Bundesanstalt zur Arbeit hin zur Agentur für Arbeit (Hartz III), die ein Jahr vor Hartz IV schon einsetzte, gilt als großer Erfolg zur Verringerung der Arbeitslosigkeit. Vgl. Launov, A./ Wälde, K.: Beachtlicher Erfolg der Hartz-II-Reform, in: Wirtschaftsdienst 2016/ 7, S. 510ff.

Jobcenter: Junge Arbeitslose sollen zukünftig nicht mehr von den Jobcentern betreut werden. Diese aufgabe sollen die Arbeitsagenturen übernehmen. Dadurch wird der Etat des Ministeriums spürbar entlastet. Es gibt Kritik an dem radikalen Systemwechsel. Es bestehen vor allem Sorgen um junge Geflüchtete.

Qualifizierung durch die BA: In Deutschland gibt es 2009 drei Säulen. Erstens können Arbeitslose qualifiziert werden (932 Mio. €). Zweitens können Arbeitnehmer in Beschäftigung (WEGebAU) und Arbeitnehmer in Zeitarbeit qualifiziert werden (600 Mio. €). Drittens können auch Arbeitnehmer in Kurzarbeit qualifiziert werden (150 Mio. €, 16,5 Mio. € vom ESF). Herausforderungen liegen in der Verknüpfung von Umsetzung im Betrieb, Umsetzung durch Bildungsträger, rechtlicher Komplexität und Einstellungen. In der Qualifizierung sind auch Prozesse, die eigentlich nicht zu den Aufgaben der BA gehören, z. B. Finanzierung des Erwerbs von Hauptschulabschlüssen. 2013 will die BA Geringqualifizierten eine Weiterbildungsprämie zahlen. Arbeitslose zwischen 25 und 35 Jahren, die eine Anschlussprüfung bei einer der BA-Maßnahmen bestehen, sollen einen Bonus bekommen. 2017 wird das Konzept umgestellt. Man spricht von "Lebensbegleitender Berufsberatung".

Agenda 2010: 2003 waren 4,7 Mio. Menschen in Deutschland arbeitslos. Die Regierung beschloss ein Paket zur Deregulierung des Arbeitsmarktes und zum umbau des Sozialstaates. Die Bedingungen für Arbeitslose wurden verschärft. In der Folge kam es zu einem Boom bei den Mini-Jobs und die Zeitarbeit erlebte einen Aufschwung. Die Befürworter weisen auf das Mehr an Beschäftigung hin, die Gegner warnen vor einer Zunahme der prekären Arbeit. 

Arbeitsmarktpolitik in der Wahlprogrammen der Parteien vor der Bundestagswahl 2017: CDU - weniger Bürokratie; SPD - Arbeitslosengeld Q; Grüne - Wahlarbeitszeiten; FDP - Langzeitkonten; AfD - Obergrenze bei Leiharbeit.

Hartz - Reform: Arbeitsmarktreform in Deutschland (Agenda 2010) zur Deregulierung und Verbesserung der Effizienz des Arbeitsmarktes, die aus vier Teilreformen besteht: Hartz I (Umverteilung der Arbeit), Hartz II (mehr Beschäftigung, z. B. Ich -AG), Hartz III (Umorganisation der BA, Umbenennung, Personal-Service-Center, Beratungs- und Vermittlungsgespräche), Hartz IV (Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, ALG I und II). Neu bei Hartz IV sind auch die so genannten Ein-Euro-Jobs. Diese und andere Teile der Reform werden 2011 reformiert (mehr Kann-Leistungen). Die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I war sehr umstritten (Änderungs-Modell der CDU nach der Einzahlungsdauer, Modell der SPD nach Alter und Lebensumständen). Die tatsächliche Änderung kommt dem SPD-Modell nahe.  Die Reform ist insgesamt nach dem ehemaligen Personalvorstand von VW benannt, der eine Regierungskommission leitete (Expertengruppe 2002). Von 2005-2007 war schon einmal jeder Siebte Hartz - IV - Empfänger. Hartz VI steht inoffiziell für das Korrumpieren von Betriebsräten über sexuelle Dienste. Der größte Vorteil der Hartz - Reformen war, dass sie regionalen Destabilisierungseffekten der Sozialhilfe entgegengewirkt hat. Positiv werden auch die Zumutbarkeits- und Mitwirkungspflichten der Arbeitnehmer gesehen, die den Anreiz zur Arbeitssuche und -aufnahme erhöhen sollen. Das Arbeitslosengeld II ist keine Versicherungs- sondern eine Fürsorgeleistung. Probleme bereitet immer wieder das Lohnabstandsgebot. 2010 wird erwogen, die Zuverdienste neu zu regeln. Die SPD beschließt 2010 ein Reformkonzept: ALG I bis 24 Monate mit Weiterbildung, ALG II ohne Vermögensanrechnung, Mindestlohn 8,50 €, 200.000 soziale Arbeitsplätze. Das Motto der Agenda war "Fördern und Fordern". Der SPD hat das Reformpaket wahrscheinlich die Macht gekostet.   "Ein großer Fehler, ein Betrug, wenn Sie so wollen, an denen, die jahrelang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben", Peter Hartz in seiner Autobiographie über Hartz IV. Die Empfänger von Hartz IV bestehen aus drei Gruppen: Zu den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zählt, wer zwischen 15 und 65 Jahren alt ist und täglich mindestens drei Stunden arbeiten kann (2007: die Hälfte mit 5,1 Mio.). Die andere Hälfte ist erwerbslos, weil sie dem Arbeitsmarkt vorübergehend nicht zur Verfügung steht (Arbeitsförderung, Kindererziehung). 1,9 Mio. Menschen gelten als erwerbsunfähig. Anfang 2010 sind 6,75 Mio. Menschen Hartz-IV-Empfänger. Dies kostet 45 Mrd. € im Jahr. Bei 1,4 Mio. Menschen stockt der Staat 2010 den Lohn auf, weil sie so wenig verdienen (+4,4% gegenüber 2009). Im Jahr 2010 gab es insgesamt 4,18 Mio. Arbeitslose (2,18 Hartz IV, 1,06 Arbeitslosengeld I, 649.000 AL in Maßnahmen, 294.000 Stille Reserve im engeren Sinne, Quelle: IAB). Am Anfang 2014 korrigiert die BA die Zahl der Niedriglöhner in Deutschland von 331.000 auf 218.000 (Zahl der Vollzeitarbeiter, die auf Hartz IV angewiesen sind).Hartz - IV - Verwaltung: Den Kern bilden die Jobcenter. Sie werden von ARGEn (Arbeitsgemeinschaften) betrieben, die von Arbeitsagentur und Kommune gemeinsam gebildet werden. Daneben gibt es Optionskommunen, die Alles in eigener Regie machen (Modellversuch). Formal arbeiten Arbeitsagentur (Bewilligung von ALG II, Arbeitsvermittlung, Arbeitsförderung) und Kommune (Wohnkostenhilfe, Schuldnerberatung, Suchtberatung) getrennt. Die Organisation bereitet in der Praxis  immer wieder Probleme. 2010 sollen die Job-Center reformiert werden (Zusammenarbeit von Arbeitsagentur und Kommunen freiwillig). Die Grundgesetzänderung soll die Zusammenarbeit weiter ermöglichen. Bund und Länder einigen sich 2010 auf eine Beibehaltung der Joncenter mit Grundgesetzänderung. Die Jobcenter sind jetzt schwerpunktmäßig für das ALG II zuständig (früher Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe). Die Kommunen klagen 2014 gegen Kontrollen von Job-Centern in kommunaler Hand durch die BA. Die Bundesagentur für Arbeit gab 2008 25% ihres Haushalts für versicherungsfremde Leistungen aus (dafür ist eigentlich der Staat zuständig). 2010 werden die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wohl angehoben werden müssen (derzeit 2,8%, zwischen 3 und 4%). Im Zusammenhang mit Hartz IV beim ALG II kommt es zu Prozessen um den Regelsatz für Kinder und um die pauschale Festsetzung. 2009 in der Wirtschaftskrise wird von Fachleuten zu einer Verlängerung der Bezugsdauer geraten (in Zukunft immer automatisch nach Konjunkturzyklus). 2009 in der Koalitionsvereinbarung wird das Schonvermögen verdreifacht. Bezieher des Arbeitslosengeldes II sind zur Annahme jeder zumutbaren Arbeit verpflichtet. Wenn sie dies ablehnen oder die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter verweigern, wird ihnen das Geld um 30% oder mehr gekürzt. Die Sanktionsquote schwankt stark zwischen den Job-Centern und den Bundesländern. Jüngere arbeitslose Empfänger werden häufiger sanktioniert. 2010 steigt die Zahl der Reduzierungen um 14% auf 829.000. Jeder vierte Arbeitslose erhält 2011 sofort Hartz IV (Arbeitslosengeld II), weil er wegen Leiharbeit oder geringfügiger Beschäftigung keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I hat (2008: 21,5%, 2011: 26,4%). Umstritten ist die Auszahlung von Hartz IV an Ausländer. Für Bürger der EU und der Türkei wird der Zugang 2012 erschwert. Betriebliche Trainingsmaßnahmen erhöhen deutlich die Chancen von Hartz-IV-Empfängern. Schulische Trainingsmaßnahmen und Ein-Euro-Jobs hätten dagegen eine wesentlich geringere Wirkung (IAB). 15% aller Kinder in Deutschland sind 2013 auf Hartz-IV angewiesen. Tausende von Anwälte haben mittlerweile Hartz-IV zu ihrem Geschäftsmodell gemacht. 39,6 Mio. € gab die BA 2012 für Honorare von Anwälten aus. Die Erfolgsquote lag 2011 bei 44% (Gesetzte schlampig und zu komplex). Mit einem Rechtsgutachten unterstützt der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof im Mai 2014 die deutsche Position: Deutschland kann Zuwanderern aus der EU unter bestimmten Umständen Sozialleistungen verweigern. 2014 steigen die Zahlungen an Südosteuropäer rapide an (Bulgaren, Rumänen). Sie leben vor allem in bestimmten Großstädten wie Dortmund und Duisburg. Eine Untersuchung im Auftrag des DGB kommt 2014 zu dem Ergebnis, dass viele Hatz-IV-Empfänger suchtgefährdet und psychisch krank sind. Es wird mehr Fürsorge empfohlen. 2014 will das Arbeitsministerium die Sanktionen bei Hartz IV entschärfen: Einfachere Regeln, insbesondere für Langzeitarbeitslose; gleiche Bedingungen für unter 25-Jährige. Die Einführung der Grundsicherung im Sozialgesetzbuch II (SGBII) kann nach 10 Jahren sicher als Erfolgsmodell angesehen werden (Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe).  2010 war die Änderung der Bezeichnung von Hartz IV geplant. Es kursierten Begriffe wie Basisgeld, Leyengabe, Ursel I, Twix (Hartz IV heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix) oder Alles Ömesöns. Daraufhin wurde der Plan fallengelassen. Eine Studie des DGB 2014 kommt zu dem Ergebnis, dass 230.000 Menschen in Deutschland ohne Job keinerlei staatliche Unterstützung bekommen (weder ALG I noch ALG II, obwohl bei der Arbeitslosenversicherung gemeldet). Betroffen waren 119.000 Männer und 116.000 Frauen. 2014 drohen Mehrausgaben von bis zu einer Mrd. €. Auch 2015 drohen vergleichbare Mehrausgaben wegen zu optimistischer Annahmen. 2005 bis 2014 haben 6,1 Mio. Menschen Hartz-IV erhalten. 16% dieser Menschen leben seit 10 Jahren von dieser Sozialleistung. Von diesen Dauerbeziehern sind 81% Deutsche und 19% Ausländer. Im Schnitt gibt es folgende Hartz IV-Zahlungen 2015: In Thüringen mit 757 Euro den geringsten Satz und in Hamburg mit 929 Euro den höchsten. Dazu kommen durchschnittlich 512 Euro Mietzuschuss und Geld für Kinder. Bei einem Vierpersonen-Haushalt können dies fast 1800 Euro sein, was dem Lohn im Einzelhandel etwa entspricht. Im Jahr 2016 sind im Sozialhaushalt 2 Mrd. € für Mehrausgaben veranschlagt (Flüchtlinge, Sprachkurse, Hartz-IV-Leistungen). Die Sanktionen im Rahmen von Hartz-IV werden von den Gerichten häufig als rechtswidrig eingestuft. Im Juni 2016 verabschiedet der Bundestag eine Reform von Hartz IV (Ergebnisse einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe): Leistungen werden zwölf Monate gewährt statt bisher sechs. Ziel des Gesetzes ist eine Entlastung der Job-Center, damit sie mehr Zeit für die Vermittlung der Arbeitslosen haben. Ursprünglich vorgesehene Passagen zu allein erziehenden Langzeitarbeitslosen fehlen. 2016 wird ein Bußgeld eingeführt beim Verschweigen von Informationen (bis zu 5000,- €). SPD-Kanzlerkandidat Schulz will die Agenda 2010 insbesondere beim Arbeitslosengeld ändern. Die Bezugsdauer soll verdoppelt werden (auf zwei Jahre bzw. vier Jahre bei über 58 Jährigen), wenn die Arbeitslosen Qualifizierungsprozesse durchlaufen. Es gibt eine Vorlage des Parteivorstands (Arbeitslosengeld Q; Kosten etwa 1 Mrd. € jährlich?)). Gegner dieser Reform warnen vor einer "Warteschleife" in Frühverrentung (von 2005 auf 2016 ist der Anteil der 50- bis unter 65-Jährigen bei den Arbeitslosen auf 31,1% gestiegen von 24,9%). Von 2007 bis 2016 wurden fast 2 Milliarden Euro durch Hartz-IV-Sanktionen einbehalten. Nahles ist 2018 gegen Strafen für junge Hartz-IV-Bezieher. Bezieher unter 25 Jahren wird schon beim ersten Verstoß die Leistung gesperrt. Sie trifft auf viel Widerspruch.

Arbeitsmarkteffekte der Hartz-IV-Reform: Die meisten Experten sehen die Hartz-IV-Reform als ein deutsches Erfolgsmodell zur Senkung der Arbeitslosigkeit. Die sehen positive direkte und indirekte Arbeitsmarkteffekte. Sie empfehlen daher auch anderen Ländern der Währungsunion, wie zum Beispiel Frankreich, ähnliche Reformen. Es gibt aber auch Gegenmeinungen. So wird etwa auf die weitgehende überwundene Transformation nach der Wiedervereinigung in Deutschland hingewiesen. Vgl. Peter Bofinger: Hartz IV: die Lösung für die Probleme der Währungsunion? in: Wirtschaftsdienst 2017/ 6, S. 404ff. Die BA räumt im Juli 2017 selbst die beschränkte Wirkung ein: Die Perspektivlosigkeit der Hartz-IV-Empfänger hat zugenommen. Sie bleiben immer länger arbeitslos (2017 629 Tage im Schnitt). Damit steigt auch die Erwerbsarmut an.

Aufstocker: Die Anzahl der Bundesbürger, die trotz eines Vollzeit- oder Teilzeitjobs, auf Hartz IV angewiesen sind. 2012 waren dies 1,324 Mio. Menschen. Gegenüber 2011 waren es 30.000 weniger. 323.000 Aufstocker verdienen mehr als 800 €. Darunter sind viele Singles. In der Öffentlichkeit wurden die Fälle von Daimler, Amazon und dem Bundestag diskutiert. Leiharbeiter werden zu Dumping-Löhnen beschäftigt. Die Zahl der Aufstocker hat sich in den letzten Jahren nur wenig verändert. 2016 können rund 1,2 Mio. Menschen von ihrem Gehalt allein nicht leben. Der Mindestlohn, gerade auf 8,84 Euro pro Stunde angehoben, ändert an der Zahl der Aufstocker nur wenig. Die meisten Aufstocker hat Berlin mit 60.621 (Stand September 2015, Quelle: BA). Bei der Branche führt der Einzelhandel. Die weiblichen Aufstocker sind in der Mehrzahl. Vom alter her liegen die meisten Aufstocker zwischen 25 und 50 Jahren.

Sanktionen bei Hartz-IV: Sie sind umstritten. Die einen sprechen von Schikanierung, die anderen von Notwendigkeit. Dahinter steckt auch ein Streit über das Menschenbild: Ist es humaner, Menschen ohne Pflicht zu alimentieren? Oder sollen sie alles tun, um in Arbeit zu kommen? Alle Sanktionen abzuschaffen, wäre sehr gewagt. sie zu modifizieren, wäre sinnvoll. Das ist die Meinung an der Front der Job-Center. 30% kann vom Hartz-IV-Satz gekürzt werden, wenn jemand eine Fördermaßnahme ablehnt. Im Januar 2019 entscheidet das Bundesverfassungsgericht darüber, wie viel das Jobcenter kürzen darf. Im November 2019 kommt dann ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes: Die Hartz -IV - Sanktionen sind zum Teil verfassungswidrig. Den Hartz-IV-Empfängern kann bei Pflichtverletzung bei der Jobsuche das Geld nur um maximal 30 Prozent gekürzt werden. Abschläge von 60 oder sogar 100% in Wiederholungsfällen verstoßen gegen das Grundgesetz. Das gilt ab sofort. Im Mai 2022 setzt der Bundestag die Sanktionen aus. Das gilt für ein Jahr.

Alternativen zu Hartz IV: Alle Parteien arbeiten an Alternativen. Klassische Erwerbsbiographien sind immer seltener. Die Richtung geht gegen Grundeinkommen, das an Bedingungen geknüpft ist.  Z. B. bei der SPD: Zwölf Jahre Arbeit, dann Anspruch auf ein Sabbatical für Ehrenamt oder Lernen. Der Begriff bei der SPD lautet "Bürgergeld". Leistungen sollten auskömmlich sein. Kürzungen als Sanktionen sollten weitgehend entfallen. Das läuft im Rahmen von "Sozialstaatsreform 2025" (mehr Großzügigkeit, Abstieg verhindern, größere Klarheit).  Die Grünen sprechen von neuer "Garantiesicherung". Menschen sollen nicht mehr gezwungen werden, Termine im Jobcenter zu machen oder Arbeit zu suchen. Beratung und Weiterbildung sollen freiwillig sein. Nötig sein sollte aber der Nachweis der Bedürftigkeit. Die FDP ist für eine Bündelung von unterschiedlichen Leistungen zu einer Zahlung. Die CDU will an Hartz IV, so wie es ist, festhalten. Im November 2018 beziehen rund sechs Millionen Menschen Hartz-IV-Sozialleistungen.

Reform von Hartz - IV: Hartz - IV ist seit 2005 in Kraft. Die Arbeitslosigkeit ist seitdem deutlich zurückgegangen. Es ist umstritten, welchen Anteil daran Hartz - IV hat. Die Zahl der Hilfsbedürftigen insgesamt ist kaum gesunken und die Erwerbsarmut ("working poor") hat sich deutlich erhöht. Deshalb werden verschiedene Änderungen vorgeschlagen (Vermögen nicht so stark angerechnet, mehr Hinzuverdienste, Erwerbsbiographie berücksichtigen, Bevorzugung langjährig Beschäftigter, Erhöhung steuerlicher Grundfreibetrag, bessere Abstimmung mit dem gesamten Transfersystem, Sanktionen verhältnismäßig einsetzen, anreizkompatibel arbeiten). Vgl. Hartz IV - Reform einer umstrittenen politischen Maßnahme, in: Wirtschaftsdienst 2019/4, S. 235ff. Arbeitsminister Heil legt im Januar 2021 eine Reform vor. Die Regeln für Langzeitarbeitslose sollen entschärft werden. Die Sanktionen sollen gemildert werden. Die CDU ist dagegen (Wahlkampf). Es ist eine grundsätzliche Frage, ob man Arbeitslose von der Eigenverantwortung entbinden soll. Eine "Vollversicherungsagentur" entmündigt irgendwie auch den Bürger. Vgl. Ronnie Schöb (Prof für VWL FU Berlin): Eigenverantwortung? Welche Eigenverantwortung? in: WiWo 8, 19.2.21, S. 43.

Arbeitslosengeld I: Es ist eine Versicherungsleistung, die an Arbeitslose gezahlt wird (man hat vorher in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt). 2024 sind das etwa 900.000 Menschen in Deutschland. Sie mussten in der Regel ortsnah erreichbar sein, um von der BA in einen job vermittelt zu werden. Da ssoll sich ändern. Es soll mehr Beratung und Vermittlung online geben.

Bürgergeld: Die SPD beschließt auf ihren Parteitag 2019 ein neues Sozialstaatskonzept. Das Arbeitslosengeld I soll länger gezahlt werden für die, die länger eingezahlt haben. Es soll ein Recht auf Heimarbeit und Home-Office kommen. Die Sanktionen bei Pflichtverletzungen sollen gemildert werden. Im Sondierungspapier für eine Koalition vereinbaren SPD, Grüne und FDP im Oktober 2021 dieses Bürgergeld. Kritiker merken an, dass das überholt sei. Die Sozialpolitik fördere die Personalnot. Sie helfe denen, die zu wenig Arbeit haben. Knapp sind künftig Arbeitskräfte und nicht -plätze. Vgl. Creutzburg, Dietrich: Fördert der Staat Personalnot? in: FAZ 29.7.22, S. 19. Vgl. auch: Butterwege, Christoph: Bürgergeld: Kein neues Grundsicherungssystem, in: Wirtschaftsdienst H. 10/ 2022, S. 740. Der Start des Bürgergeldes (geplant 2023) könnte sich wegen des Widerstandes der CDU verzögern. Um das zu verhindern, ist man kompromissbereit. Es sollen Änderungen kommen: Angemessenheit der Heizkosten, Kosten von Umzügen. Vgl. zu massiver Kritik: Sarna Röser: Liebe Ampel, das Bürgergeld passt nicht in die Zeit, in: WiWo 45/ 4.11.22, S. 10. Kritik aus ganz andere Richtung: Bolz, Norbert: Eine Polemik gegen plakative Politik, in: WiWo 32/ 4.8.23, S. 40f. Er sieht einen politischen Paternalismus, der dem liberalen Credo der Selbstverantwortung Hohn spricht. Die Bürger sollen von den eigentlichen Problemen abgelenkt werden. Das Hantieren mit Scheinproblemen und Scheinlösungen gehört dazu. Im Juni 2024 hält die Bundesregierung am Bürgergeld für Ukraine-Flüchtlinge fest. 2025 wird es beim Bürgergeld eine Nullrunde geben. Das hängt mit den Lebenshaltungskosten zusammen. Das Existenzminimum muss abgedeckt werden.   "Angestrebt wird eine Opfergemeinschaft, in der Bürger als Empfänger politsicher Fürsorge bewirtschaftet werden, um ihnen dafür Respekt bezeigen zu können"

Neue Elemente im Bürgergeld und umstrittene Aspekte: Die Ampelkoalition plant eine Reform von Hartz IV hin zu einem Bürgergeld. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass es ein Sanktionsmoratorium geben wird, die Regelsätze nicht gesondert erhöht werden, die Anrechnung des Zuverdienstes reduziert wird und der Vermittlungsvorrang abgeschafft wird. Damit würden sich die Bedingungen der Grundsicherung an mehreren Stellen ändern. Dabei ergeben sich entscheidende Fragen:  Wie wirken sich diese Veränderungen auf die Arbeitssuche und den Arbeitsmarkt aus? Bestehen für Arbeitssuchende noch genug Anreize, eine Arbeit anzunehmen? Welche weiteren Anpassungen sollte es im Zuge der Reform geben? Vgl. Blömer, M. u. a.: Von Hartz IV zum Bürgergeld - mehr als nur ein neuer Name, Zeitgespräch,  in: Wirtschaftsdienst 2/2022, S. 77ff. Ende Juli 2022 offenbart Bundesarbeitsminister Heil seine Pläne für das Bürgergeld. 1. Das Bürgergeld soll höher als Hartz IV sein. 2. Kooperationsplan von Arbeitsagentur und Arbeitssuchendem mit halbjähriger Vertrauenszeit. 3. Vermittlungsvorrang entfällt, Weiterbildung leichter. 4. In den ersten 24 Monaten wird Vermögen nicht angerechnet. 5. Die Zuverdienst - Möglichkeiten werden erhöht. Es gibt von einigen Verbänden scharfe Angriffe. Vor allem vom Arbeitgeberverband: "Kein Zeichen von Fairness gegenüber arbeitenden Menschen". Das Kabinett beschließt im September 2022, dass das Bürgergeld ab 2023 Hartz-IV ablösen soll. Vgl. auch: Butterwege, Christoph: Bürgergeld: Kein neues Grundsicherungssystem, in: Wirtschaftsdienst H. 10/ 2022, S. 740. Die Union pocht auf Änderungen, was den Start verzögern könnte. Der Deutsch Städtetag fordert eine Einigung, da er das System von Mindestlohn, Bürgergeld und Kindergrundsicherung für stimmig hält. Einige Verbände sind anderer Ansicht und befürchten einen Missbrauch. Umstritten sind die Karenzzeit (angedrohter Leistungsentzug, viele fordern mehr Sanktionen bei Pflichtverletzungen) am Anfang und das Schonvermögen (Vermögenshöhe, Wohnungsgröße, Berechtigte: Selbständige). Man will im Vermittlungsausschuss Kompromisse finden, damit der Bundesrat zustimmen kann. Im Zentrum stehen stärkere Arbeitsanreize (Prinzip des Forderns und Fördens) und Zuverdienst - Möglichkeiten. Wichtige Fragen sind: Inwieweit braucht man Sanktionen? Lohnt sich Arbeit noch? Ist das der Einstieg in ein bedingungsloses Grundeinkommen? Bei den Verhandlungen zeichnet sich ab, dass sich die FDP Richtung CDU bewegt: Verzicht auf die "Vertrauenszeit" ohne Sanktionen. Kürzung beim Schonvermögen. So sieht dann auch der Kompromiss aus: es gibt keine Vertrauenszeit (mit Staffelung der Sanktionen), das Schonvermögen wird auf 40.000 € gesenkt (Haushaltsvorstand, + für weitere Mitglieder der Familie 15.000 €). Die Zuverdienst - Möglichkeiten bleiben. Die Grundversorgung wird angehoben (knapp über 500€, um ca. 50€). Es gilt eine Karenzzeit von einem Jahr. Darauf einigt man sich im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag. Damit kann die Nachfolgereform von Hartz IV zum 1.1.23 in Kraft treten. Vgl. auch: Beste, Jonas u. a.: Zahlreiche Faktoren verringern die Erfolgsaussichten von Grundsicherungsbeziehenden, in: Wirtschaftsdienst 2/ 2023, S. 123-129. 2023 gibt es wieder eine Diskussion in Deutschland, ob das Bürgergeld eine Art Hängematte ist (Lohnabstand). Die FDP fordert im Dezember 23 einen Stopp der Bürgergeld-Erhöhung angesichts der angespannten Haushaltslage (Urteil Bundesverfassungsgericht). Die CSU fordert eine Generalüberholung. An der Höhe des Bürgergelds lässt sich kaum sparen wegen einem Bundesverfassungsgerichtsurteils. Die Sanktionen sind zurückgefahren worden, was ausgenutzt werden kann. Kaum noch einer kann das Gesamtsystem überblicken (Dickicht des Sozialstaats). Vgl. Dettmer, Markus u. a.: Mehr brutto, weniger netto, in: Der Spiegel 51/ 16.12.23, S. 64ff.. Die CDU will die staatliche Unterstützung von Arbeitslosen in Deutschland mit radikalen Änderungen reformieren. Es soll eine neue Grundsicherung kommen. Vgl. NZZ 20.3.24, S. 2. Im Juli 2024 mit dem Haushalt 25 kommen schärfere Regeln für das Bürgergeld: Sanktionen bei Schwarzarbeit, drei Stunden Pendeln zumutbar, zumutbare Arbeit annehmen (bei Ablehnung Kürzung um 30%). Es soll eine neue Härte gezeigt werden. Die Regeln sind teils strenger als bei Hartz IV. Die SPD macht mit, weil sich die Stimmung im Land dreht. Die härtere Gangart wird vom Kabinett im Oktober 24 genehmigt. Über die Prämie für Jobaufnahme gibt es eine lange Debatte. Wahrscheinlich kommt sie nicht.

Fakten zum Bürgergeld: 2022 gibt es 5,6 Mio. Hilfsempfänger (noch Hartz IV). Davon sind 3,8 Mio. erwerbsfähig (keine Kinder, nicht langfristig krank). Von den 3,8 Mio. sind 42% arbeitslos, 13% in Maßnahmen, 10% in Schule und Ausbildung, 7% erziehend, 7% kurzfristig arbeitsunfähig, 10% Sonstiges. Quelle: BA, Nürnberg. 2023 dürfte man für das Bürgergeld 2,1 Mrd. € mehr ausgeben als zuvor geplant. Gründe sind die hohe Inflation, die schwache wirtschaftliche Entwicklung und die hohe Anzahl von Geflüchteten aus der Ukraine. Tatsächlich gibt es 2023 3,95 Mio. Erwerbsfähige im Bürgergeld. 43% davon sind arbeitslos (1,7 Mio.), Von den Arbeitslosen sind 950.000 Deutsche. 750.000 sind Ausländer. 13% befinden  in Weiterbildung und Qualifizierung, 11% in ungeförderter Erwerbstätigkeit, 11% in Schule, Studium, Ausbildung. Quelle BA 2023.

Bürgergeld für Zuwanderer, die anerkannt und erwerbsfähig sind: Im März 2023 bezogen 587.000 Zuwanderer Bürgergeld (hauptsächlich aus Syrien, Afghanistan und Irak). Dafür wurden 436 Mio. € Bürgergeld ausgegeben. 467.074 sind davon arbeitslos. 87% davon haben keine Berufsausbildung. Quelle: Migrationsmonitor der BA 23. Immer mehr Politiker fordern, dass der Staat auch was verlangen soll. Die Menschen sollten für Bürgerarbeit in Kommunen, Pflege oder Krankenhäuser eingesetzt werden.

Bürgergeld für Ukrainer: Es gibt 2024 in Deutschland eine Diskussion über das Bürgergeld für Flüchtlinge aus der Ukraine. CDU und FDP wollen das Geld streichen. Im Februar 2024 zahlte die BA 723.000 Flüchtlingen aus der Ukraine Bürgergeld, darunter 506.000 Menschen im erwerbsfähigen Alter. Etwa zwei Drittel sind Frauen. 2024 leben 260.000 ukrainische Männer in Deutschland zwischen 18 und 60 Jahren. 185.000 ukrainische Staatsangehörige hatten einen Job mit Sozialbeiträgen. Es gibt zwei wichtige Fragen: 1. Wären Asylleistungen günstiger als Bürgergeld? 2. Bremst das Bürgergeld die Arbeitsaufnahme bzw. gibt es dadurch einen hohen Anteil an Schwarzarbeit ? Vgl. WiWo 26/ 21.6.24, S. 30ff. Viele Ukrainerinnen arbeiten auch nicht, weil Sprachkurse und Kita-Plätze fehlen. Hie rmüsste mehr investiert werden.

Arbeitspflicht im Bürgergeld: Die CDU will im November 2023, dass eine Arbeitspflicht beim Bürgergeld-Bezug kommt (Generalsekretär Linnemann). Nach 6 Monaten Karenzzeit soll ein Freiwilligendienst (sozial) oder eine Erwerbsarbeit folgen, wenn Erwerbsfähigkeit besteht. Ansonsten wird das Bürgergeld gestrichen. Kritiker befürchten den Kontrollaufwand und mögliche Verdrängungseffekte.

Bürgergeld-Streichung für Job-Verweigerer: 2024 kommen schärfere Sanktionen beim Bürgergeld. Die Regelleistung kann 2 Monate gestrichen werden, wenn jegliche Jobangebote abgelehnt werden. Die Neuregelung ist umstritten. Die einen fordern noch härtere Sanktionen. Die anderen reden von einer großen Grauzone und einer Verfestigung von Arbeitslosigkeit.

Arbeitsunwillig und Bürgergeldempfänger: Ein Merkmal "arbeitsunwillig" gibt es in der Statistik nicht. Insofern bleiben immer nur Schätzungen, meist als Restkategorie. Es gibt Arbeitslose im Bürgergeldbezug nach Vermittlungshemmnissen auf dem Arbeitsmarkt. Es gibt Arbeitslose, auf die keines von Merkmalen zutrifft wie Alter ab 55 Jahre, Schwerbehinderung, mangelnde Qualifikation. Alleinerziehende gelten noch als voll vermittelbar, wenn die Kinder älter als drei Jahre sind. Die Zahl der Totalverweigerer lässt sich nicht ermitteln. Vgl. Der Spiegel 32/ 3.8.24, S. 43.

Vergleich Bürgergeld - Arbeitseinkommen (Anreiz zur Arbeit): Im Januar 2024 legt das Ifo-Institut eine Studie vor (Andreas Peichel, Zentrum für Makroökonomik). Arbeiten lohnt sich immer. Erwerbstätigkeit führt immer zu höherem Einkommen als Sozialtransfers. Die Bild-Zeitung veröffentlicht eine konkrete Tabelle (am 21.2.24), bei der genau zu entnehmen ist, ob sich Arbeit lohnt.

Garantiesicherung: Die Grünen wollen Hartz IV durch ein garantiertes Einkommen ersetzen, das höher ist als das derzeitige Arbeitslosengeld II und nach Einkommen, Vermögen und Bedarf gewährt wird, ansonsten aber bedingungslos und ohne Sanktionen ist. Die kosten dafür sind umstritten (Habeck: 30 Mrd. €, viele Experten schätzen mehr). Aktive Beschäftigungspolitik und Mindesteinkommenspolitik sind in diesem Konzept strikt getrennt. Vgl. Cremer, Georg: Garantiesicherung - zweifelhafte Vision zur Überwindung von Hartz IV, in: Wirtschaftsdienst 2019/8, S. 570ff.

Basisgeld plus Steuergutschriften: Die Kombination aus Basisgeld und Steuergutschriften verbindet die bedingungslose Absicherung des Existenzminimums mit einem hohen Anreiz, Vollbeschäftigung aufzunehmen. Damit wäre die sanktionsfreie Gewährung des Existenzminimums ohne Stigmatisierung möglich. Vgl. Spermann, Alexander: Basisgeld plus Steuergutschriften statt Hartz IV, in: Wirtschaftsdienst 2019/3, S. 181ff.

Bezieher von Hartz IV (nur Grundsicherung): Ende 2018 fällt die Zahl seit langer Zeit erstmals seit Einführung von vor 14 Jahren wieder unter 3 Mio. Das ist erstaunlich, weil 700.000 Asylbewerber hinzugekommen sind.

Bildungskarte: Ab dem 01. Januar 2011 haben Kinder und Jugendliche aus Hartz-IV-Familien einen Rechtsanspruch auf eine individuelle Bildungsförderung. Die zusätzliche Kaufkraft kann nicht zweckentfremdet werden. Die Begünstigten können zwischen verschiedenen Anbietern wählen (Wettbewerb). Im Bildungspaket sind Zuschüsse für Schulmaterial, Mittagessen und Nachhilfe. 10€ gibt es für die Mitgliedschaft in einem Sportverein oder Unterricht in einer Musikschule. Rund 2,5 Mio. Kinder hätten Anspruch, der aber nur selten 2011 geltend gemacht wird. 19 Prozent der berechtigten Geringverdiener zeigen kein Interesse. Der bürokratische Aufwand ist relativ hoch. Es sollen Werbebriefe verschickt werden. Bis November 2011 wurden dann für gut 44% der Kinder aus Hartz-IV-Familien Anträge gestellt.

Arbeitszeitpolitik: Insgesamt setzt man weniger Hoffnungen auf neue Arbeitsplätze. Volkswirtschaftlich positive Effekte werden von betriebswirtschaftlich negativen Effekten dominiert. Trotzdem gibt es einen Paradigmenwechsel bei Gewerkschaften und Arbeitgebern. Beschäftigte wünschen sich mehr Flexibilität. Die Teilzeitfalle soll vermieden werden. Zeitdiebstahl durch den Verfall von Arbeitszeitkonten wird beendet. Belastungen der Schichtarbeiter sollen abgebaut werden. Vgl. Paradigmenwechsel in der gewerkschaftlichen Arbeitszeitpolitik, in: Wirtschaftsdienst 2017/8, S. 530f.

Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel: In Deutschland wird derzeit intensiv über Fachkräftemangel diskutiert. Höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen sowie mehr Wettbewerb am Arbeitsmarkt können einen wichtigen Beitrag zur Lösung des Problems Fachkräftemangel leisten. Andere Maßnahmen zur Bekämpfung der Fachkräfteknappheit, wie Reformen des Einwanderungssystems, der Kinderbetreuung, des Bürgergelds oder des Ehegattensplittings, sind aber keineswegs überflüssig. Da sich aber durch den demografischen Wandel eine weitere Verknappung des Arbeitskräfteangebots abzeichnet, ist eine wettbewerbliche Anpassung an diese Verknappung besonders wichtig. Neben diesen Instrumenten zur Stärkung des Wettbewerbs um Arbeitskräfte, die in der Hand des Gesetzgebers und der Bundesregierung liegen, gilt aber vor allen Dingen: die Tarifparteien haben es selbst in der Hand, dort, wo Arbeitskräfte fehlen, der Knappheit durch Lohnerhöhungen und Verbesserungen von Arbeitsbedingungen entgegenzuwirken. Vgl. Fuest, Clemens/ Jäger, Simon: Können höhere Löhne zur Überwindung des Fachkräftemangels beitragen? in: Wirtschaftsdienst 4/ 2023, S. 253-258.

Sozialer Arbeitsmarkt: Öffentlich geförderter Arbeitsmarkt. Statt Hartz IV und Wohnung regulär Arbeitsplätze schaffen. Motto "Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren". Die Idee wird von BA, SPD und Diakonie unterstützt. In NRW gibt es mittlerweile viele Projekte. Im Abschlusspapier der Sondierungen im Januar 2018 ist eine Stärkung dieser Konzeption vorgesehen. Es geht hierbei vor allem um Langzeitarbeitslose (2018 gibt es z. B. über 1,2 Mio. offene Stellen und über 800 Mio. Langzeitarbeitslose). Der Anreiz zur Arbeitsaufnahme soll erhöht werden. 150.000 Langzeitarbeitslose sollen mit Lohnkostenzuschüssen einen Job in Unternehmen, gemeinnützigen Einrichtungen und Kommunen bekommen. Hier ist der Zusammenhang zum "solidarischen Grundeinkommen". Das Bundesnetzwerk Jobcenter geht allerdings davon aus, dass nur 80.000 bis 100.000 Fälle gefördert werden können. Kritisiert wird, dass es eine Förderung öffentlicher Beschäftigung ist. Der Bund will nur bis zum Mindestlohn fördern. Man will die Sockelarbeitslosigkeit aufbrechen. Voraussetzung für die Förderung im Jobprogramm ist sechs Jahre Bezug von Hartz IV innerhalb von sieben Jahren. Das Programm soll vorerst bis 2024 befristet sein. "Ein Wirtschaftsystem ist am Ende, wenn es in der Arbeitslosigkeit eine Tugend oder einen Wert sieht", Jimmy Carter, ehemaliger US-Präsident.

Instrumente bei Langzeitarbeitslosen: Die klassischen Maßnahmen wie Weiterbildung oder Lohnkostenzuschüsse sind als Instrument gegen Langzeitarbeitslosigkeit gescheitert. Man sollte sich mehr in die Perspektive der Betroffenen hineinversetzen. Jeder Jobverlust wird als Verletzung dr persönlichen Würde und als Kontrollverlust empfunden. Deshalb kann das Scheitern eines Bewerbungsgesprächs auch herbeigeführt werden, um die Kontrolle zu behalten. Man sollte sich von Programmen verabschieden und in eine Eins-zu-eins-Betreuung gehen. Vielleicht könnte teilweise auch die Zeitarbeit helfen, wenn man die Stigmatisierung aufgibt. Vgl. Schneider, Hilmar: Im Teufelskreis der nutzlosen Staatshilfen, in: WiWo 35, 23.8.2019, S. 41.

Kurzarbeitergeld: Das Instrument dient dazu, Betriebe bei vorübergehenden Flauten von Entlassungen abzuhalten ("gekaufte Zeit"). Geht dem Betrieb die Arbeit aus, kann die Bundesagentur für Arbeit (BA) anstelle des vom Arbeitgeber gezahlten Lohns mit Kurzarbeitergeld einspringen. Dieses beträgt - wie das Arbeitslosengeld - je nach Familienstand 60 bis 67 Prozent des regulären Lohns.  Außerdem übernimmt die Agentur für Arbeit einen Teil der Sozialabgaben (30% des Bruttolohns). Ab dem 7. Monat sind die Arbeitgeber künftig von Sozialabgaben befreit. Die Höchstbezugszeit lag bei 18 Monaten. 2009 wird die Dauer auf 24 Monate (ab 07. 09) verlängert. Diese "Kurzarbeitergeld-Regelung Plus" gilt nur für Anträge bis Ende 2009 (diese Frist soll um 18 Monate verlängert werden). Der Betriebsrat muss der Kurzarbeit zustimmen. Der Betrieb muss die "wirtschaftlichen Gründe" oder das "unabwendbare Ereignis" belegen. Ein geplanter "Schutzschirm für Arbeitsplätze" soll noch ein einfacheres Antragsverfahren und geringere Sozialabgaben für Kurzarbeit bringen. Man unterscheidet konjunkturelles, Saison-, Transferkurzarbeitergeld (KuG). Verbessert werden müsste die Verknüpfung zur Qualifizierung.  Kurzarbeitergeld ist eine deutsche Besonderheit. Es wird nicht in den USA gewährt. In Großbritannien gibt es staatliche Beihilfen, die bei einem Arbeitspensum von weniger als 16 Stunden gezahlt werden können. Frankreich gibt Lohnzuschüsse. Das Kurzarbeitergeld trägt theoretisch zur Arbeitskräftehortung bei (Labor hoarding). Eine wichtige Frage ist, wie lange die aktuelle Krise anhält und damit die Arbeitslosigkeit nur verschoben ist. Es gibt auch über 110 verdächtige bzw. Betrugs-Fälle in Deutschland. Kurzarbeit hilft auch vielen kleineren Firmen. Im April 2010 wird die Kurzarbeit bis März 2012 verlängert. Im August 2012 meldet Opel im großen Rahmen Kurzarbeit an. Überwiegend kommt das Kurzarbeitergeld den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten größerer Betriebe zugute. Es wird aus Beitragsmitteln der Arbeitslosenversicherung finanziert (vgl. Zur Finanzierung des Kurzarbeitergeldes, Münstermann, L., in: Wirtschaftsdienst 11/2012, S. 763-769.). Im August 2019 legt Arbeitsminister Heil von der SPD einen Reformentwurf vor. Es soll das "Arbeit - von -morgen - Gesetz werden. Der Zugang zur Kurzarbeit soll besser und schneller werden. Die Zeit soll zur  Qualifizierung genutzt werden können (auch im Hinblick auf die Digitalisierung). Es soll mehr Förderungen für Weiterbildung geben. Das Geld soll aus Rücklagen der BA kommen. die Gewerkschaften sind dafür, die Arbeitgeber eher dagegen. Im März 2020 wird im Zusammenhang mit der Corona-Krise überlegt, die Schwelle zu ändern: von zwei Drittel der Belegschaft Arbeitsausfall auf 10%.  2008 sind die Kurzarbeitsfälle rapide auf über 50.000 gestiegen. Im Januar 2009 steigen sie um  1671% auf  290.636 an; im Durchschnitt des ersten Quartals 2009 auf 950.000. Im März 2009 sind rund 2,1 Millionen Menschen  für Kurzarbeit angemeldet. Für 2009 sind von der BA 2,1 Mrd. € eingeplant, wahrscheinlich werden 5 Mrd. benötigt (IAB). Seit 2007 wurden bis Mitte 2009 5 Mrd. € ausgegeben. Mitte 2009 gibt es 1,4 Mio. Kurzarbeiter in Deutschland. Die höchsten Anstiege melden die exportabhängigen Bundesländer B. -W.-, Bayern und NRW. Im Jahresdurchschnitt 2009 werden 1,1 Mrd. Kurzarbeiter erwartet. Im August 2009 sank die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden um 10,2% gegenüber August 2008. Die Kurzarbeit soll in Deutschland etwa 400.000 Arbeitsplätze gerettet haben (2009 allein 300.000).2010 sinkt die Empfängerzahl unter 300.000 (Prognose 2011 unter 200.000, Regelung gilt bis 2012). Nach einer Studie des IMK zusammen mit dem WSI  2010 konnten durch die Kurzarbeit ca. 3 Mio. Stellen in Deutschland gerettet werden. 2013 wird wieder wegen der Konjunkturflaute mit einer Zunahme der Kurzarbeit gerechnet (Jahresdurchschnitt 189.000?, im Etat 600 Mio. €)). Das Kurzarbeitergeld wird von sechs auf zwölf Monate verlängert (allerdings nur für Stammbelegschaft, nicht für Leiharbeiter). Im September 2022 wir d das Kurzarbeitergeld vorläufig verlängert. "Das optimale Kurzarbeitskonzept gibt es nicht. Viel hängt von Ausmaß und Dauer der Krise ab", Alexander Hijzen, OECD.

Corona-Krise und Jobsterben (fünf Ideen dagegen): 1. Einfrieren des Mindestlohns. 2. Neueinstellungen attraktiver machen. 3. Rührt die Hartz - Reformen nicht an. 4. Forciert Weiterbildung jetzt wirklich. 5. Flexibilisiert das Arbeitsrecht. Vgl. Haerder, Max: Fünf Ideen gegen Jobsterben, in: WiWo 22, 22.5.2020, S. 32f.

Reform der Arbeitsmärkte in den Südländern der EU (Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, "Agenda del Sol"): Hauptziel ist die Bewältigung der Schuldenkrise und die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit. Spanien reduziert drastisch die gesetzlichen Abfindungen, lockert den Kündigungsschutz, lässt ein Aushandeln von Löhnen und Arbeitszeiten in Unternehmen zu und gibt staatliche Prämien für neu eingestellte Jugendliche. Griechenland strecht Lohnzuschüsse, verkürzt die Laufzeit von Tarifverträgen, senkt die Mindestlöhne ab und schafft unkündbare Arbeitsverträge ab.  In Spanien fällt die Arbeitslosigkeit auf das niedrigste Niveau seit 8 Jahren (3,41 Mio.). 2018 soll die Wirtschaft um 2,4% wachsen.  Portugal streicht Feiertage und Urlaubstage, erhöht nicht den Mindestlohn, lockert den Kündigungsschutz und differenziert Tarifverträge nach Branchen. Italien lässt untertarifliche Löhne zu, macht befristete Arbeitsverträge teurer, lässt betriebsbedingte Kündigungen zu und richtet Schnellverfahren bei Arbeitsprozessen ein. Das Parteiensystem hat sich europäisiert. Links und rechts von den Volksparteien gibt es weitere Kräfte. Dadurch wird die Gesellschaft immer differenzierter und notwendige grundlegende Arbeitsmarkt-Reformen lassen sich immer schwerer umsetzen. Im Finanzrahmen der EU für 2014 bis 2020 gibt auch ein Programm für Beschäftigung und Innovation (Easi). Hierfür stehen in den den nächsten 7 Jahren 920 Mio. € bereit. Kernpunkt ist die Unterstützung grenzüberschreitender Netzwerke (Arbeitnehmer, Unternehmer, Regionen). Politiker aus Südeuropa fordern eine europäische Arbeitslosenversicherung. Diese würde aber schlechte Arbeitsmarktpolitiken belohnen. Frankreich will unter Macron den Arbeitsmarkt reformieren. Er soll dereguliert werden. Notfalls will Macron den Widerstand der Gewerkschaften mit Volksabstimmungen überwinden. Im August 2017 sind die Maßnahmen konkret absehbar: härtere Regeln beim Arbeitslosengeld, weniger Steuern für Reiche, mehr Entscheidungsmacht für Firmen. Insbesondere internationale Firmen sollen in ihren französischen Filialen leichter Personal abbauen können. Bei KMU mit weniger als 50 Beschäftigten können Vereinbarungen direkt mit dem Betriebsrat geschlossen werden. Generell sollen betriebsinterne Abstimmungen ohne Beteiligung von Gewerkschaften durchgeführt werden können. Ende September 2017 unterzeichnet Macron die entsprechende Verordnung. Wegen der geplanten Rentenreform kommt es zu großen und vielen Demonstrationen Ende 2019 und 2020. Die Rente mit 64 wird vorerst verschoben. Der Jobmotor brummt 2020. Die Wirtschaft wurde mit einem Maßnahmenpaket angekurbelt (17 Mrd. €, hohe Binnennachfrage). Ärmere Bevölkerungsschichten wurden steuerlich entlastet. Die Verschuldung steigt auf 100% des BIP. Die Arbeitslosenquote in Griechenland geht 2017 zurück (Mai 21,7%, gleicher Vorjahresmonat 23,6%; Boom beim Fremdenverkehr).

Internationale Arbeitsorganisation (ILO, International Labour Office): Gründung 1919, Sitz Genf. Mitglieder sind ca. 182 Staaten. Aufgaben sind die Formulierung und Durchsetzung internationaler Arbeits- und Sozialnormen, also eine soziale und faire Gestaltung der Globalisierung mit menschenwürdiger Arbeit. Wichtigstes Organ ist die Internationale Arbeitskonferenz. 2010 nach der Krise schätzt die ILO die weltweite Arbeitslosigkeit in den Industrieländern auf 213,4 Mio. (durchschnittliche ALQ von 6,5%, +34 Mio. im Vergleich zu vor der Krise). Die weltweite Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen (15- bis 24-Jährigen) steuert 2010 mit 13% auf den höchsten Wert seit dem 2. Weltkrieg zu (Folge der Finanz- und Weltwirtschaftskrise). 2012 kritisiert die ILO die Arbeitsmarktpolitik in der EU. Vor allem in den südeuropäischen Ländern würde zu viel gespart. Die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien steigt auf den Rekordwert 46%.

Kompensation für Globalisierungsverlierer: Es geht vor allem um Jobverluste. IWF, Weltbank, WTO sprechen sich gegen progressivere Besteuerung der Einkommen, sondern für "Trade Adjustment Assistance" aus. die Programme sollen betroffene Beschäftigte unterstützen, durch Umschulung schnell neue Jobs in attraktiven Bereichen zu finden. Regionale Arbeitsmarktunterschiede werden dabei allerdings nicht berücksichtigt.

 

Sozialpolitik, Soziales (Sozialversicherungen, Renten, Sozialstaat, Umverteilung, sozialer Wohnungsbau; Pflege: hauptsächlich bei Gesundheit), Sozialwirtschaft, Sozialökonomik

Soziale Sicherung global: Die Vereinten Nationen (UN) geben darüber einen Überblick, insbesondere die Internationale Arbeitsorganisation (ILO). Rund 4,1 Mrd. Menschen (53%) der Weltbevölkerung seien komplett ohne soziale Schutz wie Kranken- und Rentenversicherung. Nur 47% der Weltbevölkerung seien durch mindestens eine Sozialleistung geschützt. Quelle: ILO-Weltbericht zur Sozialen Sicherung 2021. Vor allem in Asien, dem Pazifik, den arabischen Staaten und in Afrika bestünden große Lücken beí der sozialen Absicherung.

Bereiche der Sozialpolitik: Man unterscheidet internationale/ supranationale und nationale Sozialpolitik. Die nationale Sozialpolitik wird in staatliche und betriebliche Sozialpolitik unterteilt. Zur staatlichen Sozialpolitik zählen die Arbeitspolitik, die gruppenorientierte Politik (Jugend, Alte, Familien, Kinder) und sonstige Bereiche (Wohnungen, Vermögen, Bildung). Vgl. Lampert, H.: Lehrbuch der Sozialpolitik, Berlin 1998. Als das Symbol für soziales Verhalten gilt die Mantelteilung von Martin mit einem Armen. Martin, in Ungarn geboren, musste zunächst zur Armee. Dort machte er auch Karriere in einer Elitetruppe. Er wollte aber Jesus nachfolgen und schwenkte in eine kirchliche Karriere ein. Später wurde er Bischof von Tour. Viele Kirchen wurden nach St. Martin benannt, weil er der Schutzheilige der fränkischen Könige war. Das prominenteste Beispiel ist der Mainzer Dom.

Sozialpolitik aus einem Guss: Bei der Sozialpolitik in Deutschland wurde in den letzten Jahren immer an einzelnen Aspekten reformiert. Es fehlte der Gesamtzusammenhang. Oft wurde Klientelpolitik betrieben. Einig ist man sich in dem Ziel ein "gutes Leben". Auch die soziale Marktwirtschaft soll als Grundordnung erhalten bleiben. Böhmer macht folgende Vorschläge für einen Maßnahmenkatalog: 1. Mehr Mut zur Pauschalierung. 2. Keine einkommens- und Vermögensprüfung für alle, aber gezielte Kontrollen mit scharfen Sanktionen. 3. Personal- und Sachausstattung der öffentlichen Schulen so steigern, dass das öffentliche Bildungswesen wieder attraktiv wird und für alle hervorragende Bildungsmöglichkeiten bietet. 4.Bildungsinhalte und Leistungsanforderungen bundesweit weiter angleichen und vereinheitlichen. 5. Personelle Verstärkung von Polizei und Justiz. 6. Priorität für Infrastrukturinvestitionen. 7. Mehr Pragmatismus bei Infrastrukturvorhaben wagen. 8. Nur noch dort zusätzlich bauen, wo die Nachfrage gestiegen ist; keinen zusätzlichen Wohnraum in schrumpfenden Regionen schaffen. 9. Die neue Grundsteuer muss eine Bodenwertsteuer sein. 10. Veräußerungsgewinne von Grundstücken und Immobilien muss der Einkommensteuer unterliegen. 11. Wohnungsmarktpolitik in den Städten muss mit Regionalpolitik auf dem Land beginnen. 12. Reform des Wohngeldes mit echter regionaler Differenzierung und Ausweitung in mittlere Einkommensgruppen. 13. Absenkung der Steuerquote auf das Niveau von 2009, 50 Mrd. Euro zurück an Unternehmen und Haushalte. 14. Festschreibung der Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz bei mindestens dem Zweieinhalbfachen des Durchschnittseinkommens. 15. Auch bei der Besteuerung des Arbeitseinkommen müssen wir uns dem internationalen Wettbewerb stellen. 16. Steuer auf alle Erbschaften ohne Freibeträge mit einem moderaten Steuersatz von 5 bis maximal 10 Prozent. 17. Koppelung des gesetzlichen Renteneintrittsalters an die Entwicklung der Lebenserwartung. 18. Kommunikationsoffensive für die Rente mit 67+. 19. Jede Rentenanwartschaft muss sich auszahlen. Vgl. Böhmer, Michael: Die Wirtschaft wächst, der Wohlstand nicht. wie Deutschland wieder glücklich wird, München (FBV) 2020, S. 155ff.

Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland: Das heutige Sozialstaatssystem entstand in seinen Grundzügen im Kaiserreich aus politischen Konflikten und Kompromissen. Es entstand die gegliederte Sozialversicherung, die Verpflichtung unter staatlicher Regie, die Finanzierung primär durch Beiträge u. a. zur Zeit von Bismarck. Das ehemalige Reichsversicherungsamt in Berlin verwaltete die Bismarck` schen Sozialversicherungen (in den 1880er Jahren). Bismarck wollte ursprünglich der oppositionellen Arbeiterbewegung das Wasser abgraben. Vgl. Kocka, Jürgen: Der Sozialstaat, ein Langzeitprojekt, in: WZB Mitteilungen Heft 170, Dezember 2020, S. 6ff.

Sozialbeirat: Wichtigste Expertengremium der Bundesregierung in sozialpolitischen Fragen. 2018 spricht er sich für mehr Geld und eine Verbesserung der Pflege aus.

Working Poor: Erwerbspersonen, die trotz einer regulären Beschäftigung unter der Armutsgrenze leben. Viele von ihnen sind in Deutschland Hartz-IV-Aufstocker.

Transferzahlungen: Zahlungen des Staates an Wirtschaftssubjekte, hier Haushalte, die nicht im Tausch gegen Güter erfolgen. "Transfer payments" an Haushalte, die nicht im Marktprozess bestehen können (Kranke, Alte), ist ein wesentliches Element der Sozialen Marktwirtschaft. Zahlungen an Unternehmen werden Subventionen genannt. Aktuell geht es z. B. um die Fragen, ob uns der Sozialstaat glücklicher macht und ob er zugleich einfach und gerecht sein kann. Das Entstehen von Notlagen müsste wirksamer verhindert werden. 2023 in einer Wirtschaftskrise gibt es eine Diskussion, ob der Sozialstaat verschlankt werden sollte. Die Leistungsbereitschaft solle wieder in den Vordergrund rücken. Die CDU beschließt auf ihrem Parteitag 2024 eine "Agenda der Fleißigen" statt Bürgergeld.  Fast jeder Zehnte ist 2014 auf Unterstützungen vom Staat angewiesen (7,38 Mio.; 9,1%; Quelle: StBA). "Nur der Staat kann die Würde des Einzelnen gewährleisten", Gustav Horn, Wirtschaftsforscher.

Transferentzugsrate: Sie spielt eine große Rolle bei Lohnerhöhungen bei Familien an der Transfergrenze. So kann die Rate unter Umständen über 100% liegen. Man spricht auch von einer Twilight Zone.

Grundsätzliche Strategien der Sozialpolitik: Es gibt zwei Denkschulen: das Targeting und der Universalismus. Beim Targeting werden knappe öffentliche Mittel an diejenigen gerichtet, die es am meisten brauchen. Beim Universalismus werden im Prinzip alle Menschen berücksichtigt, unabhängig von ihrem Einkommen (großzügig). Das Targeting ist weniger wirkungsvoll bei der Armutsbekämpfung, weil viel Geld in die Kontrolle der Mittel fließt. Vgl. Brady, David: Mehr ist mehr, in: WZB Mitteilungen Heft 170, 12/2020, S. 10ff.

Grundsicherung: Sicherung des Existenzminimums. Es gibt verschiedene Arten: 1. Grundsicherung für Arbeitssuchende (Bürgergeld). 2. Grundsicherung im Alter. 3. Grundsicherung bei Erwerbsminderung.

Entlastungen im Rahmen der Sozialpolitik in Krisenzeiten: "In außergewöhnlich starken Krisen kann es notwendig sein, dass der Staat im Sinne der gesellschaftlichen Solidarität die von einkommensschwächeren Haushalten getragenen finanziellen Lasten stärker abfedert, als es automatische Stabilisatoren und diskretionäre (nach Ermessen getätigte), rein konjunkturpolitische Eingriffe vermögen. Die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste Inflation ist eine solche Krise. Da der Staat über keine eigenen finanziellen Mittel verfügt, kann dies – abgesehen von zeitlicher Streckung – nur durch verstärkte Umverteilung von oberen zu unteren Einkommen geschehen. Was sind die Wirkungen dieses zusätzlichen staatlichen Umverteilungshandelns, wenn nicht nur die Ausgaben für die von der Bundesregierung angestrengten diskretionären Entlastungspakete, sondern auch die – nur modelltechnisch zu ermittelnden – dazu verwendeten Einnahmen entlang der Einkommensverteilung betrachtet werden?" Siehe Isaak, Niklas/ Jessen, R./ Schmidt, C. M.: Eingebaute Solidarität: "Starke Schultern" finanzieren Entlastungen in Krisenzeiten, in: Wirtschaftsdienst 6/ 2023, S. 380-385.

Hartz IV-Regelsätze: 2010 werden die Regelsätze von Hartz IV vom Bundes - Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, insbesondere die Regelsätze für Kinder (60-70% eines Erwachsenen, Bildung fehlt). Bis Ende 2010 muss eine Änderung erfolgen. Die EVS als Grundlage darf weiter genommen werden. Die Sätze müssen auch nicht zwingend höher ausfallen, die Berechnung muss aber transparenter werden.  Die Bundesregierung koppelt nach dem Verfassungsgerichtsurteil die Steigerung von Hartz IV statt an die Renten an Preise und Löhne (70 - 30). Erwogen wird, die Leistungen für Kinder zum großen Teil als Sachleistungen (Gutscheine für Bücher, Essen, Kleidung) zu geben, um den Missbrauch auszuschließen. Ein erhöhter Hartz-IV-Satz für Erwachsene wäre sehr teuer und auch wohl das falsche Signal (Lohnabstandsgebot). Der Arbeitsanreiz verbunden mit der Mindestsicherung ist ein Dauerproblem. Der Satz sollte insgesamt besser in das Sozialsystem integriert werden (Kindergeld degressiv, Sozialabgaben progressiv). Viele Hartz-IV-Empfänger haben - nach empirischen Studien - Probleme mit bezahlbarem Wohnraum, fehlerhaften Bescheiden und dem Ermessensspielraum bei Zusatzleistungen (Härtefallregelung, vor allem für Kranke und Kinder). Tatsache ist auch, dass viele Migranten von Hartz IV leben. Im September 2010 legt die Bundesregierung den Regelsatz auf 364 € fest. Dieser wird vom Statistischen Bundesamt berechnet (Nahrungsmittel, Bekleidung, Wohnen, Haushaltsgeräte, Gesundheit, Verkehr, Freizeit, Telefon, Gaststätten, Bildung, Anderes). Hinzu kommt ein Bildungspaket für Heranwachsende. Die Hinzuverdienstregelung wird auch geändert ("Aufstocker"). Der Bundesrat drängt auf Modifikationen. Am 21.02.2011 einigt man sich: 5 + 3 €, Bildungspaket, Mindestlöhne in einigen Branchen. Die ständigen Korrekturen setzen das Hartz-IV-System in Stress und verschlingen hohe Verwaltungskosten. Mittlerweile geht es auch vielen Selbständigen so schlecht (über 270.000 unter 500 €, IfM-Bonn 2011), dass sie die Grundsicherung beantragen. Für  allein stehende Arbeitslose wird der Regelsatz zum 1. Januar 2013 auf 382 € erhöht. Bei den übrigen Bedarfsstufen erhöhen sich die Sätze zwischen zwei und acht Euro. Ab 2014 wird der Hartz-IV-Regelsatz um 2,3% auf 391€ für Alleinstehende erhöht. Ab 01.01.2015 wird der Hartz-Regelsatz um 8 Euro erhöht (399€; für Kinder bis zu 6 Jahren 234€). 2016 werden die Regelsätze für sechs- bis 13-jährige Kinder angehoben (von 270 auf 291 Euro). Der Regelsatz für Erwachsene steigt auf 409 Euro. Die Krankenkassenbeiträge für Hartz-IV-Empfänger sind nicht kostendeckend. Der Bund entlastet sich auf Kosten der Krankenkassen (zahlt 90€). Die CSU will das ändern.  "Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein", Guido Westerwelle, FDP-Vorsitzender 2010. Eine OECD-Studie 2010 stuft die Arbeitslosenhilfe in Deutschland als vergleichsweise gering ein. Der Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen, sei für Hartz-IV-Empfänger mit Kindern gering. Dies liege auch an den hohen Sozialabgaben für Geringverdiener.  2014 will die Bundesregierung den Zugang zu Sozialleistungen für Zuwanderer erschweren (6 Monate Arbeit vorher, Steueridentifikationsnummer). Von April 2013 auf April 2014 ist die Zahl der Hartz-IV-Bezieher aus ärmeren EU-Staaten um 22% gestiegen. Städte, die besonders betroffen sind wie z. B. Duisburg, Offenbach und Mannheim, sollen Zuschüsse vom Bund bekommen. DEr EuGH entscheidet im September 2015, dass Deutschland arbeitssuchenden EU-Bürgern Sozialhilfe verweigern darf. Vorschüsse zum Arbeitslosengeld können ab 2017 auch an der Supermarktkasse ausgezahlt werden. "Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort unserer Solidargemeinschaft auf Armut", Jens Spahn, Gesundheitsminister 2018, der einen Shitstorm auslöst. Die wenigsten Hartz-IV-Empfänger hat 2021 Erlangen (2,8 pro 100 Einwohner). Primus ist Gelsenkirchen mit 13,3 pro 100).

Hartz-IV-Aufstocker: Zwischen 2007 und 2011 hat der Staat mehr als 53 Mrd. € für Aufstocker ausgegeben. Die bisher höchste Summe wurde 2010 ausgezahlt (11,4 Mrd. € an 1,23 Mio. Bezieher).

Hartz IV-Diskussion: Einmal geht es um die Höhe der Regelsätze. Diese Diskussion wird 2018 wieder von dem neuen Gesundheitsminister Jens Spahn angestoßen.  Zum anderen geht es um das Kontroll- und Sanktionssystem dahinter. Es führt zu Verunsicherung und verändert die Einstellung zum Staat. Drittens geht es um eine optische Verbesserung der Arbeitslosenstatistik. Im Mittelpunkt steht aber immer das Arbeitslosengeld zwei, das der früheren Sozialhilfe entspricht. Viertens geht es um die Anziehung dieses Systems auf Flüchtlinge aus armen Ländern. Fünftens werden Alternativen ins Gespräch gebracht. So das solidarische Grundeinkommen. Sechstens besteht in der Regel Konsens über einige Kriterien: Es muss einen Weg geben, um in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Es muss eine Möglichkeit des Hinzuverdienens geben. Soziale Teilhabe könnte über kostenlose Kultur, Bildung u. a. gesteigert werden. Auf Lohnabstand sollte geachtet werden. 2016 und 2017 beziehen immer mehr Ausländer Hartz IV, auch dies wird zunehmend diskutiert.

Reform des Sozialstaates (Sozialpläne; "Ein neuer Sozialstaat für eine neue Zeit"; Konzept für Sozialpolitik der SPD 2019): 1. Bürgergeld ersetzt Hartz-IV (weniger Sanktionen, längere Bezugsdauer von ALG I, weniger Zugriff auf Ersparnisse). 2. Grundrente. 3. Kindergrundsicherung. 4. Erhöhung des Mindestlohns (12,- €). 5. Festgeschriebenes Recht auf Heimarbeit und Weiterbildung (gezieltere Qualifizierung). Offen ist die Finanzierung des Konzeptes. Wahrscheinlich schielt man auf die Steuereinnahmen.

Bürgergeld: Es steht im Mittelpunkt des Hartz-IV-Umbaus. Sogar die FDP feiert es als Modernisierung des Sozialstaats. Es ist im Koalitionsvertrag der Ampel geregelt. Andrea Nahles ist als zukünftige Chefin der BA im Gespräch. Die Bildungschancen für Jugendliche sollen verbessert werden. Bei der Grundsicherung soll das Vermögen noch unangetastet bleiben. Erleichterungen soll es beim Zuverdienen geben. Das Problem ist, dass laufend neue Empfänger ins System kommen: durch Zuwanderung/ Ukraine. Künftig kommt eine Familie mit drei Kindern mit allem Drum und Dran auf 3000 €uro netto im Monat. Damit kommt man voll in den Alltag der unteren Mittelschicht. Der Sozialstaat n nicht beliebig erweitert werden, weil es künftig weniger zu verteilen gibt.

Folgen der Arbeitslosigkeit: Deutlich größer als angenommen sind die gesundheitlichen Schäden. Vor allem psychisch bedingte Arbeitstage steigen an. Arbeitslosigkeit ist ein Stress besonderer Art. Eine DGB-Untersuchung (Wilhelm Adamy) 2010 kommt zu dem Ergebnis, dass allein 2009 1,7 Mio. Arbeitslose sich krank gemeldet haben. Jeder siebte Arbeitslosengeldempfänger erhält Psychopharmaka verordnet.

Hartz-IV- in der Corona-Krise: Die Vermögensprüfung und die Prüfung der Wohnungsgröße bei Hartz-IV-Empfängern soll für ein halbes Jahr entfallen. Man rechnet mit 1,2 Mio. neuen Hartz-IV-Empfängern (+1 Mio. AL).

Sozialpaket II im Rahmen der Corona-Krise 2020: Am 14.05.20 werden die sozialen Abfederungen der Corona-Folgen vom Bundestag beschlossen. Es sieht Verbesserungen für Kurzarbeiter, Erwerbslose und auch für sozial schwache Familien vor. nDas Kurzarbeitergeld wird erhöht. Der Zuverdienst wird verbessert. Das Arbeitslosengeld (siehe oben) wird erhöht. Es gibt Prämien für Pflegekräfte. Pflegende Angehörige bekommen die Mindestarbeitszeit weg. Tests werden ausgeweitet. Der Gesundheitsdienst wird verstärkt.

Sozialpolitik in Corona-Zeiten: Die Corona-Hilfen der Bundesregierung enthalten zahlreiche sozialpolitische Maßnahmen. Zuletzt gab es im Februar 2021 noch mal folgende Unterstützungen: 1. Kinderbonus 150 €. Schon 2020 waren 300 € gezahlt worden. 2. Corona-Zuschuss für Hartz-IV-Empfänger. Einmalig 150 €.

Entlastungspakete 2022 (Inflation, Energiepreise): Erstes Paket: Abschaffung EEG-Umlage zum 1. Juli 2022. Heizkostenzuschuss für Wohngeld- und Bafög-Empfänger sowie Azubis. Höhere Pendlerpauschale, steigender Arbeitnehmerpauschbetrag und Grundfreibetrag. Zweites Paket: Energiepreispauschale von 300 €. Tankrabatt. Neun-Euro-Ticket.

Klimageld: Das Bundesarbeitsministerium plant 2022 Entlastungen für Menschen mit geringen und mittlerem Einkommen Einkommen. Ein monatliches Bruttoeinkommen von 4000 Euro soll die Fördergrenze sein. Das Geld  soll einmal im Jahr ausgezahlt werden. Es soll die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise ausgleichen. Wegen der Hauhaltsprobleme wird dei Zahlung Anfang 2024 auf 2027 in die nächste Legislaturperiode verschoben.

Sozialpaket (3. Paket) 2022: Sozialer Ausgleich für Energiepreiserhöhungen und Inflation. Ingesamt 65 Mrd. €. Rentner Einmalzahlung von 300 €, Studierende und Fachschüler 200. Erhöhung des Kindergeldes. Heizkostenzuschuss im Wohngeld. Nachfolge von 9-Euro-Ticket. Strompreisbremse. Die Verbraucher von Gas werden vielleicht zu wenig entlastet. Die untere Mittelschicht, die über der Sozialhilfegrenze liegt, dürfte ungerecht behandelt werden. Es werden verschiedene Analysen durchgeführt über die Gerechtigkeit des Paketes. Welche Einkommensgruppe profitiert wie stark? Eine stammt vom DIW/ Berlin im Auftrag der Zeit. Weil Menschen mit mehr Geld in Deutschland auch mehr Steuern zahlen (Leistungsfähigkeit), profitieren sie auch am meisten vom Paket.

Dreiklang der Sozialversicherung in Deutschland: 1. Versichertenkreis: sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. 2. Finanzierung: paritätisch, lohnzentriert. 3. Sicherungsniveau: Lebensstandard. Die Sozialversicherungen basieren auf dem Solidarprinzip. Da Versicherungen aber immer mehr Daten sammeln, wird die "Gläsernheit" mit Prämien belohnt. Privatsphäre könnte es bald nur für Gutverdiener geben.

Zuschüsse zur Sozialversicherung: Geringverdiener sollen einen Zuschuss bis 100 € monatlich bei den Sozialversicherungsbeiträgen bekommen. Um die Gewerkschaften zu stärken, sollen Mitgliedsbeiträge an Gewerkschaften künftig als Sonderausgaben Steuer mindernd eingesetzt werden können. Reformidee von Arbeitsminister Heil 2019.

Beiträge zur Sozialversicherung (Sozialabgaben): In der Coronakrise hatte die Regierung die Summe der Beiträge zur Sozialversicherung auf höchstens 40 Prozent des Einkommens festgeschrieben. Doch diese Marke könnte schon bald fallen. Eine moderate Anhebung des Pflegebeitrag ist bereits angekündigt. Der Gesamtsatz liegt Anfang 2022 bei 39,95%: Rente 18,6%, Pflege 3,05%, Gesundheit 15,9%, Arbeit 2,4%. Bei den gesetzlichen Pflegekassen ist der Beitragsanstieg am wahrscheinlichsten. Die Gesamtausgaben der Pflegeversicherung waren 2021 um knapp 2 Mrd. € höher als die Einnahmen. Die Sozialbeiträge könnten bis 2030 auf 45%, bis 2040 sogar auf 50% der beitragspflichtigen Löhne ansteigen. Ein alterndes Deutschland braucht Zuwanderer. Vgl. Werding, Martin: ein alterndes Deutschland braucht Zuwanderer - und zieht immer weniger an, in: WiWo 48/ 25.11.22, S. 39. Bis 2035 könnten die Sozialbeiträge auf 48,6% des Bruttolohns steigen. Arbeitsminister Heil plant 2024, die Sozialbeiträge für Gutverdiener zu erhöhen. Finanzminister Lindner stoppt den Verordnungsentwurf und fordert einen neue Berechnungsmethode. Vgl. HB Nr. 188, S. 8f. Das Motto höher, älter, teurer ist nicht zu stoppen. 2024 bezahlen (kinderlose) Arbeitnehmer und Arbeitgeber 40,9% an Sozialleistungen. Vgl. WiWo 43/ 18.1024, S. 10.

Sozialleistungen und Kommunen: Durch das Teilhabegesetz werden die Kommunen sehr stark belastet. Sie müssen Sozialhilfeleistungen für Kinder und Jugendliche zahlen, die in Kindertagestätten sind sowie Kinder aus Familien, die nur Wohngeld beziehen. Das Bundesverfassungsgericht verfügt im August 2020 eine Neuregelung. Es gibt der Verfassungsbeschwerde von 10 Kommunen Recht.

Typologie der Alterssicherung: Man unterscheidet grundsätzlich folgende Typen, die kombinierbar sind: Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren, staatliche versus private Alterssicherung, Zwangsversicherung versus freiwillige Versicherung, Verfahren mit und ohne Risikoausgleich, Verfahren mit versus ohne Umverteilung.

Alterssicherung in Deutschland: 1. Man kann privat vorsorgen. 2. Es gib die Möglichkeit der Betrieblichen Altersversorgung und Altersvorsorge. 2. Altersversicherung für Landwirte. 4. Gesetzliche Rentenversicherung: Handwerkerversicherung, Künstlersozialversicherung, Arbeiter- und Angestelltenversicherung. Knappschaftliche Rentenversicherung. 5. Berufsständische Versorgungswerke. 6. Beamtenversorgung. 7. Altersversorgung der Politiker. 8. Bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Vgl. Rürup, Bert: Rentenpolitischer Irrweg, in: Handelsblatt Nr. 231, 27./28./29. November 2020, S. 12.

Finanzierungsgleichung der Rentenversicherung (Rentenformel): Anzahl der Beitragszahler x durchschnittliches Einkommen x Beitragssatz + Bundeszuschüsse = Anzahl der Rentner x durchschnittliches Rentenniveau.

Probleme der Rentenversicherung: Das Umlageverfahren funktioniert gut, wenn die Altersstruktur der Bevölkerung eine Pyramide hat. Durch den demographischen Wandel sind immer mehr staatliche Zuschüsse notwendig. Deshalb gilt international ein Drei-Säulen-Modell als "Benchmark", bei dem Betrieb und Versicherte selbst mehr aufbringen. Die Altersbezüge sind an Lohnzuwächse gekoppelt. Die Lohnentwicklung wird auf Grundlage der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) ermittelt. Revisionen der VGR können so zu Sondereffekten führen. Dieser treibt 2020 die Rente nach oben und würde 2021 negativ wirken. Der Bundesarbeitsminister will diese Verzerrungen 2019 vermeiden. 2020 ist die Bezugsdauer für die Rente weiter gestiegen, obwohl die Rentner in den letzten Jahren immer später in Rente gegangen sind. 2021 wird der Sonderstatus für Bundestagsabgeordnete diskutiert. Ihre Rente fließt aus Steuermitteln. Eine Gruppe von Parlamentariern verschiedener Parteien findet das nicht zeitgemäß.   So steigen die Renten etwa 2018 zum 1. Juli in den alten Bundesländern um 3,22%. Für 2024 wird ein Gleichstand der Renten in Ost- und Westdeutschland erwartet. 2018 sind die Rentenreserven auf Rekordhoch (Rücklagen der gesetzlichen Rentenversicherung). Dafür hat der stabile Arbeitsmarkt gesorgt. Doch die Mütterrente und die Rente mit 63 werden in Zukunft noch viel Geld kosten. Doch auch 2018 hat die gesetzliche Rentenversicherung Rekordeinnahmen zu verzeichnen. So beliefen sich die Einnahmen aus Beiträgen der Erwerbstätigkeit im Jahr 2018 auf rund 212 Mrd. € (Löhne gestiegen, Beschäftigung zugenommen). Die Nachhaltigkeitsrücklage ist auf einem Höchststand (38,2 Mrd. €). 2019 zahlte die Deutsche Rentenversicherung 319 Mrd. € aus (es gab 21 Mio. Rentner und 55 Mio. Beitragszahler). 72 Mrd. € zahlte der Bund als Zuschuss in die Rentenkasse (bis 2023 Anstieg auf 114 Mrd. €). Das aktuelle Rentenniveau 2020 von 48% des Durchschnittseinkommens wird nicht zu halten sein. Die Renten sollen 2022 um 5,2% steigen (es gibt 2021  21 Mio. Rentner in Deutschland, im Osten sogar 5,9%). So stark sind die Renten schon seit 40 Jahren nicht mehr gestiegen. 2023 sollen die Renten um 4,39% in Westdeutschland und um 5,86% in den neuen Ländern steigen (robuster Arbeitsmarkt, Lohnzuwächse). 2024 zum 1.7. sollen die Renten um 4,57% steigen (angelehnt an die Lohnsteigerungen). Die Renten steigen zum ersten Mal gleich in Ost- und Westdeutschland. 2024 kommt es in der Ampel-Koalition zum Streit um die Rente. Die FDP will Einschränkungen im Haushalt 2025 - was der Kanzler strikt ablehnt.

Eck-Daten zum Wandel der Rente: Im Jahre 1962 gab es 6 Beitragszahler pro Altersrentner. 2021 waren es 2,1 Beitragszahler. 2030 sollen es noch 1,5 Beitragszahler sein. Die durchschnittliche Rentenbezugsdauer hat sich von 9,9 Jahren 1960 auf 20,2 Jahre 2021 geändert. Vgl. Die Zeit 11/ 9.3.2023, S. 4f. 2022 betrug das durchschnittliche Renteneintrittsalter 64,4 Jahre (2000 62,3). Die durchschnittliche Altersrente lag 2022 bei 1054 euro (Männer 1295, Frauen 836). Quelle: Deutsche Rentenversicherung.

Rentenmodelle: Im Zuge der schleichenden Altersarmut bei Langzeitarbeitslosen, Solo-Selbständigen und Niedriglohn-Bezieher ist eine Diskussion über das "richtige" Rentenmodell entstanden. Grundsätzlich wird 1. eine Grundrente bzw. ein Grundeinkommen (G. E. Werner von DM), 2. eine Grundsicherung mit "Riesterbonus", 3. ein  Rürup - Modell mit Rentenaufstockung, 4. eine Sockelrente mit Pflichtversicherung und 5. eine Versicherung für alle Erwerbstätige diskutiert. Natürlich sind auch weitere Kombinationen möglich. Die Rentenreformen der vergangenen Jahre haben die Nachhaltigkeitslücke mehr geschlossen. 2035 wird die gesetzliche Bruttorente nur noch knapp 40% des letzten Bruttoeinkommens betragen (B. Raffelhüschen, Freiburg). Die Parteien haben Rentenkonzepte. Die SPD rückt von dem starren Konzept der Rente mit 67 ab (nach 45 Jahren abschlagsfrei). Solidarrente von mindestens 850 €. Im Jahre 2020 Beitragssätze und Rentenniveau überprüfen. 2013 fordern Bevölkerungsforschungsinstitute eine Kopplung der Rente an die Lebenserwartung. In den Koalitionsverhandlungen 2013 spielen eine Reihe von Spezialkonzepten eine Rolle: 1. Rente mit 63 Jahren nach 45 Beitragsjahren (wie Berücksichtigung der Arbeitslosigkeit?), Mütterente für Mütter mit Kindern vor 1992, 3. Erwerbsminderungsrente für Menschen, die ihren Beruf nicht mehr ausüben können (Risikogruppen müssen bisher hohe Beiträge in Zusatzversicherungen zahlen), 4. Aufschlag für Geringverdiener. Die Frage ist, ob die junge Generation diese Belastung tragen kann (auch Kritik der OECD aus Sicht der Generationengerechtigkeit). Ende 2013 wird der Rentenbeitrag eingefroren (sollte gesenkt werden; rechtswidrig?). Schon Anfang 2014 wird deutlich, dass zur Umsetzung der Rentenpläne ab 2018 Steuergelder gebraucht werden. Die Gesamtkosten des neuen Rentenpakets belaufen nach Berechnungen des BMA auf 160 Mrd. € bis 2030. Gerade bei der Rente mit 63 fehlen wichtige Daten. Experten sehen technische und verfassungsrechtliche Probleme. Das Arbeitsministerium will die Frühverrentungswelle mit 63 durch ein Begleitschreiben zum Gesetz stoppen. Die Rentengesetze gehen am 29.01.14 beim Kabinett durch. Die Prognosen für die Inanspruchnahme im ersten Jahr liegen zwischen 50.000 (Regierung) und 200.000 (Süddeutsche Zeitung). Die CDU will eine Stichtagsregelung (bis zum 1. Juli 2014), um eine Frühverrentungswelle zu verhindern. Dazu kommt es auch, so dass Arbeitslosenzeiten direkt vor der Rente nicht anerkannt werden (auch insgesamt keine Hartz-IV-Zeiten). Auch Zeiten der freiwilligen Versicherung werden als Beitragszeiten eingerechnet (wichtig für Handwerker). Eine Flexi-Rente soll für die Zukunft entwickelt werden (länger arbeiten soll attraktiver werden). Am 23.05.14 werden die Renten im Bundestag beschlossen. Bis zum Jahre 2030 kostet das Paket den Steuerzahler und Rentner 160 Mrd. €. 2014 wird auch die Teilrente (von anderen auch Flexi-Rente genannt) vom DGB in die Diskussion gebracht (allmählicher Übergang schon ab 60). Auch der Chef der BA Weise fordert flexible Rentenübergänge (63 bis 70). Ende 2014 stellt sich heraus, dass die Kosten der Rente mit 63 höher als erwartet sind. Es gibt große Vorzieheffekte. Die offiziellen Rentenberechnungen der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen sich auf die nächsten 15 Jahre. Es ist an sich Zeit darüber hinaus zu planen. Die Arbeitswelt verändert sich, so dass es immer weniger Angestellte geben wird, die in die Rentenkassen einzahlen. 2016 setzt ein Umdenken bei der Rente ein. Die Frage ist, ob das sinkende Rentenniveau bei steigender Altersarmut politisch durchzuhalten ist, zumal die Abfederungselemente versagen (z. B. Riesterrente). Reformbedarf besteht auch bei der zweiten Säule, den Betriebsrenten. Wegen der Nullzinspolitik stockt auch die dritte Säule, die private Vorsorge. Die Flexi-Rente wird in der Grundstruktur im Mai 2016 von der Bundesregierung beschlossen: Ab dem 63. Lebensjahr kann eine Teilrente stufenlos gewählt werden. Mehr vom Zuverdienst darf behalten werden (40% wird auf die Rente angerechnet). Um hohe Abschläge bei der Teilrente auszugleichen, können freiwillig höhere Beiträge eingezahlt werden. Die neuen Regelungen gelten ab 2017. Bis 2020 sollen in allen Bundesländern die Altersbezüge nach dem gleichen Muster berechnet werden. Die Höherbewertung der Löhne im Osten fällt dann weg, allerdings steigen die Renten dort stärker als im Westen. Die Rentenangleichung soll nicht aus Steuern, sondern Beiträgen finanziert werden. Ab 2025 haben Rentner im Osten dann die gleich hohen Renten wie im Westen. Nur jeder zehnte Deutsche arbeitet bis zum 65. Lebensjahr. Von den 63- bis 65- Jährigen waren im September 2008 nur 10,6% sozialversicherungspflichtig beschäftigt. 400.000 über 65-Jährige sind 2009 auf die staatliche Grundsicherung angewiesen, weil die Rente nicht reicht. Unsere europäischen Nachbarstaaten haben ähnliche oder größere Probleme. In Frankreich soll das Renteneintrittsalter 2010 auf 62 hoch gesetzt werden von 60. 2010 liegt der durchschnittliche Renteneintritt in Deutschland bei 55 Jahren. Bei jedem Vierten ist Krankheit Grund für den vorzeitigen Ruhestand. An der Spitze der Frühverrentung liegen die Bauberufe. 2011 steigt die eiserne Reserve der Rentenversicherung auf einen der höchsten Werte in der Geschichte der Bundesrepublik. Jeder zweite Beschäftigte geht mittlerweile (2011) früher in den Ruhestand und nimmt Abschläge bei der Rente in Kauf. 2012 ist die Zahl derjenigen, die bis 65 Jahre arbeiten, stark gestiegen (41%). Allerdings gibt es in der Altersgruppe der 55 bis 64 Jährigen 800.000 Minijobber. Immer mehr Rentenzahlungen fließen ins Ausland. 2013 waren dies 1,72 Mio. von insgesamt 25,2 Mio. monatlichen Renten. Zurückgeführt wird der Anstieg auf die in den 1960er und 1970er angeworbenen Gastarbeiter, die inzwischen die Altersgrenze erreicht haben und in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Der Beitragssatz für die gesetzliche Rentenversicherung sinkt ab Januar 2015 auf 18,7%. Bis Ende 2014 haben 206.000 Menschen die Rente mit 63 beantragt. Der Hauptteil dieser Rentner kommt aus dem Öffentlichen Dienst (Zusatzrente), der Wasser- und Abfallwirtschaft und dem Maschinenbau. Es handelt sich um höher qualifizierte Fachkräfte (Quelle: IAB 2015). 2017 erreichen die Anträge einen Rekordwert (253.000 Anträge, +5%). "Der jetzigen Rentnergeneration geht es insgesamt so gut wie niemals zuvor! Die Gekniffenen sind die 25- bis 35- Jährigen, die Kinder in die Welt setzen wollen", Peer Steinbrück, Ex-Bundesfinanzminister im Sommer 2009.

Rentenelemente: Elemente, die in den Rentenkonzepten enthalten sind. Dazu gehören: Angleichung Ostrenten an Westrenten, Teilrente ab dem 60. Lebensjahr, Verbesserung bei der Erwerbsminderungsrente, Aussetzung der Rente mit 67, Abschlagfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren, Einfrieren des Rentenniveaus, Solidarrente aus Steuermitteln. Als Vorbild der Rentenversicherung gilt das System in der Schweiz: Gesetzliche Rente, Betriebliche Rente, Kapital gedeckte Rente. Irgendwann wird man auch nicht um eine neue Ruhestandsformel herum kommen: 2:1-Formel der Demographieforschung als Lösung? (wenn die Lebenserwartung um drei Jahre steigt, muss zwei Jahre länger gearbeitet werden). Die Bundesregierung plant 2016 einen Zuschuss für Geringverdiener zur Betriebsrente. Hessen will Ende 2015 eine "Deutschland-Rente". Es handelt sich um ein neues Modell für eine privat finanzierte zusätzliche Altersvorsorge, die bei der gesetzlichen Rentenversicherung verwaltet werden soll. Die Bundesregierung denkt 2016 an eine verpflichtende Betriebsrente. Die Frage ist, ob KMU sich das leisten können. Auf jeden Fall will die Bundesregierung die betriebliche Altersvorsorge stärker fördern (Zuschuss für Niedrigverdiener, Ausweitung der Steuervorteile). Ein einfacher Weg wäre es, die Sparerfreibeträge bei der Abgeltungssteuer hoch zusetzen, um eine einfache Altersvorsorge zu ermöglichen. Die private Vorsorge muss dringend neu geordnet werden (den Entwicklungen an den Finanzmärkten angepasst).

Mindestrente und Rentenhöhe: 2016 bringen verschiedene Verbände und auch das Arbeitsministerium eine Mindestrente in die Diskussion. Gewarnt wird vor einer drohenden Altersarmut. Verschiedene Vorschläge werden erörtert: Steuerfinanzierung der Mütterrente, Zuwanderungsgesetz (mehr Einzahler), Erwerbstätigenversicherung (mit Beamten und Selbständigen als Einzahler). Das Thema könnte zum Schlüsselthema im Wahlkampf 2017 werden. In den Mittelpunkt rückt auch die Finanzierung. Das Umlagesystem müsste durch eine Steuerfinanzierung ergänzt werden.  2015 sind bereits 536.000 Rentner auf Grundsicherung angewiesen. Im Alter erhalten Frauen noch 2017 durchschnittlich 47 Prozent von dem, was Männer bekommen. Man muss in Deutschland 37 Jahre arbeiten für 1200 Euro Rente. Durchschnittsverdiener müssen rechnerisch mehr als 27 Jahre lang arbeiten, um eine Altersversorgung zu bekommen, die höher liegt als das Sozialhilfeniveau. Lohn und Rente stehen in einem Missverhältnis. Mehr als 7 Mio. Rentner müssen 2023 mit monatlich weniger als 1250 € auskommen. Das sind 42% aller Rentenempfänger. 25% kommen auf weniger als 1000€. Quelle: Statistisches Bundesamt. Die durchschnittliche Brutto-Rente lag 2023 bei den Männern bei 1728€, bei den Frauen bei 1316€€. Quelle: Deutsche Rentenversicherung.

Flexi-Rente: Teilrente. Wird von der Bundesregierung grundsätzlich eingeführt und immer wieder verändert. Sie gilt ab 2017. Sie regelt die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Ruheständler. Wer in Rente ist, kann 6300 Euro ohne Kürzungen hinzuverdienen. Wer mehr verdient, dem werden 40% der Altersversorgung abgezogen, von dem Beitrag, der über 6300 € liegt.  Wer weiterarbeitet erhöht seinen Rentenanspruch. Das Prinzip Prävention soll in der Gesundheit gestärkt werden; durch einen individuellen Gesundheitscheck ab dem 45. Lebensjahr können dadurch die Rentenansprüche erhöht werden. Die Renten sind in den vergangenen 10 Jahre (von 2021 rückwärts) i, Schnitt um ein Drittel gestiegen. Zuwächse haben vor allem Langeinzahler (35 Jahre und länger). 2020 betrug ihr Anteil 72 % (2010: 65%). Quelle: Deutsche Rentenversicherung. .

Rentner im Ausland: 2019 fließen 240.000 Renten an Deutsche ins Ausland. Noch nie vorher hatten so viele Rentner ihren Wohnsitz im Ausland. 2022 steigt die Zahl auf über 250.000. Quelle: Rentenatlas 2022. Lieblingsland ist Österreich. Dann folgen die Schweiz, Spanien und dei USA. Die meisten Zahlungen gehen an ausländische Versicherte (Italiener, Spanier). In Zukunft dürfte die Türkei ganz nach vorne rücken. Ende 2022 wurden 1,71 Mio. Renten ins Ausland geschickt. Ganz oben stehen ehemalige Gastarbeiter aus Italien, Spanien, Griechenland und der Türkei. 15% der Auslandsrenten werden an Deutsche ausgezahlt.

Verlängerung der Lebensarbeitszeit/ Renteneintrittsalter: These: Ein späterer Rentenbeginn lässt uns älter werden. Wenn die Menschen nur ein Jahr länger - also bis 66 - arbeiten, sinkt ihre Mortalitätsrate um 11 Prozent. Vgl. US-Längsschnitterhebung "Health and Retirement Study", Oregon State University, 2017 (zitiert nach Harvard Business Manager, Juli 2017, S. 16,17. Das Renteneintrittsalter ist einer der großen Hebel neben Mindestniveau und Beitragssatz. Das Renteneintrittsalter ist ein ständiges Diskussionsthema (wird vor Wahlen oft ausgeklammert). Mathematisch ist klar (und wird von allen Experten bestätigt), dass das heutige Rentensystem nur aufrechterhalten werden kann, wenn längerfristig bis 70 Jahre gearbeitet wird. Das Problem ist, dass nur in wenigen Berufen diese Altersgrenze erreichbar ist. So läuft eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf eine Rentenkürzung hinaus. Gerade in Berufen mit hoher körperlicher und psychischer Belastung (Krankenschwester, Altenpfleger) sind die Löhne normal so niedrig, dass die Rente im Alter ohnehin kaum die Existenz sichert. Im April 24 kommt wieder eine Debatte über das Eintrittsalter. Die FDP fordert eine Motivierung, bis 72 zu arbeiten. Die Flexibilisierung soll verstärkt werden.   Das tatsächliche Renteneintrittsalter ist in Schweden am höchsten (über 65 Jahre). Dann folgen Großbritannien (über 64) und die Niederlande (63 Jahre).  Deutschland liegt knapp unter 63 Jahre (Quelle: OECD, 2014). Die Jamaika-Koalition will 2017 vereinbaren, dass der Renteneintritt flexibler gemacht wird und will damit die Altersgrenzen aufbrechen. Während der Fußballweltmeisterschaft in Russland erhöht die Regierung das Renteneintrittsalter in Russland um8 Jahre für Frauen. Die Wirtschaftsforschungsinstitute empfehlen im April 2021 in der Corona-Krise eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 69 Jahre. Zwei Bedingungen beeinflussen stark das Renteneintrittsalter: 1. In vielen Branchen herrscht Digitalisierungs- und Automatisierungsdruck. Ältere Arbeitnehmer werden aussortiert. 2. Kopfarbeiter wollen später aufhören. Sollen auch Arbeiter und Pfleger länger arbeiten, muss die Arbeitswelt umgestaltet werden. Die Bezugsdauer der Rente steigt von Jahr zu Jahr: 2019 19,9 Jahre im Schnitt. 2020 liegt sie schon bei 21,5 Jahren. Die Anzahl der Menschen, die 100 Jahre und älter sind, hat einen neuen Höchststand erreicht. Quelle: Deutsche Rentenversicherung. Vgl. auch: Schmergal, Cornelia: Der Renten-Sisyphus, in: Der Spiegel Nr. 39, 25.9.21, S. 58ff. "Das Rentenalter suggeriert - du bist nicht mehr gebrauchstüchtig", ebenda, S. 60. Der BDI fordert Anfang 2022 eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Er hält alle drei jetzigen Ziele für unvereinbar: keine Verlängerung der Lebensarbeitszeit, keine Sozialversicherungsbeiträge über 40%, Rentenniveau von mindestens 48%. Andere Experten fordern eine Koppelung an die steigende Lebenserwartung oder eine Entkoppelung der Altersbezüge von der Lohnentwicklung. Bis 2025 gilt die "doppelte Haltelinie" (Rentenniveau nicht unter 48%, Beitragssatz nicht über 20%). Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall fordert im August 2022 die Rente ab 70 Jahre.

Gesetzliche Rentenkasse: 2016 hatte die Rentenkasse ein Minus von 2,2 Mrd. Euro. Ursache war die Reform der Rentenversicherung (Mütterrente, Rente mit 63, Rentenerhöhung). Die Renten finanzieren sich aus Beiträgen (18,7% Beitragssatz) und Steuern. Die Corona-Krise leert die Rentenkasse. Wegen Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit wird es bald zu einem Finanzloch kommen. 2017 wird die gesetzliche deutsche Rentenversicherung voraussichtlich 293,2 Mrd. € umfassen (in etwa fast der Umfang des Bundeshaushaltes). 31% davon werden steuerfinanziert. Durch den Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung wird die Verweildauer in der Rente immer länger, ein großes Problem für die Rentenkasse. Die gut 20 Mio. Rentner in Deutschland erhalten ab 1. Juli 2019 mehr Rente: 3,18% im Westen, 3,91% im Osten. Damit steigt das Rentenniveau leicht auf 48,16%. Bis 2024 könnte sich das Rentenniveau im Westen und Osten angeglichen haben. 2019 sind die Rentenkassen gut gefüllt. Man rechnet mit stabilen Beitragssätzen bis 2023. Die Renten steigen 2020 um über drei Prozent. Die Rente mit 63 ist 2019 stark gefragt: 253.492 Versicherte gingen in diese Rente. Ein Viertel des Etats sind 2021 Rentenzuschüsse. In 20 bis 25 Jahren könnte es die Hälfte sein, was nicht funktionieren kann. 21 Mio. Rentner bekommen ab 1. Juli 2022 eine Rentenerhöhung um mehr als 5%. Grund ist die Berechnung des zentralen Rentenwerts. 2024 beschließt die Regierung bei der Rentenversicherung zu sparen (staatliche Einsparungen durch Verfassungsgerichtsurteil,  -600 Mio. €, vorher 1 Mrd.). Die Rentenbeiträge könnten dadurch früher als geplant steigen. In der Rentenkasse fehlen damit ab 2024 jährlich 1,1 Mrd. € bis zum Jahre 2027. Trotzdem will die Ampel ihre Rentenwahlversprechen doch noch erfüllen. Die SPD will das Rentenniveau halten. Die FDP will den Kapitalmarkt einbeziehen. Vgl. Buchsteiner, Rasmus: Teure Formel, in: Der Spiegel 7/10.2.24, S. 27. Die mehr als 21 Mio. Rentner in Deutschland erhalten zum 1. Juli 2024 um 4,57 % steigende Bezüge. 2023 haben 22,1 Mio. Menschen Renten bezogen. Das sind gesetzliche, private und betriebliche Renten. In der Summe waren das 381 Mrd. €.

Rentenreform in Deutschland: Armutsgefährdet in Deutschland sind Erwerbsgeminderte, Soloselbständige, Alleinerziehende und Menschen mit Migrationshintergrund. Umstritten ist, ob gezielte Verbesserungen des bestehenden Systems helfen oder eine grundlegende Reform notwendig ist. Einigkeit herrscht darüber, dass die zweite (betrieblich) und dritte Säule (privat) gestärkt werden müssen. Bei der ersten Säule (gesetzliche) geht es um eine Stärkung der umlagefinanzierten Rente oder um einzelne Anpassungen. Die Sozialministerin Nahles holt sich in drei Expertenrunden Rat. Es geht um Verbesserungen bei Geringverdienern Schritte gegen Altersarmut. Die CDU bringt eine Klimaschutzrente ins Gespräch. Anlagen von Betriebsrenten sollen bei dem niedrigen Zinsniveau höhere Erträge durch Aktien abwerfen dürfen. Weiterhin wird diskutiert, ob es Kinderfreibeträge in der gesetzlichen Rentenversicherung geben sollte. Damit will man eine ähnliche Regelung wie im Steuerrecht einführen. Im Bundestags-Wahlkampf 2017 haben die Parteien unterschiedliche Schwerpunkte: CDU/CSU Renten bis 2030 gesichert. linke 1050 Euro Mindestrente. Grüne Bürgerversicherung. FDP Flexibler Renteneintritt. AfD tödliche Zinspolitik. 2018 kann eventuell der Rentenbeitrag gekürzt werden, um zu entlasten (Absenkung um 0,1%; starke Zunahme der Beschäftigung, höhere Löhne). In den Verhandlungen für "Jamaika" spielt die Rente eine große Rolle (Renten von Geringverdienern aufwerten?). Sowohl in der Rentenversicherung als auch in den Jamaika-Verhandlungen gibt es Differenzen über über die Senkung des Rentenbeitrags (zumindest bis 2023 18,6% statt 18,7%). Die Rentner in Deutschland beziehen im Durchschnitt fast 20 Jahre Rente (+3,6 Jahre in 20 Jahren; steigende Lebenserwartung). Im April 2022 kündigt Arbeitsminister Heil ein neues Rentenpaket an. In einem neuen Gesetz soll das Rentenniveau in Deutschland langfristig stabilisiert werden. Unterdessen müssen 2024 244.000 Rentner keine Steuern mehr zahlen, weil sie von der Erhöhung des Grundfreibetrags profitieren. Das Rentenpaket II wird am 28.5.24 beschlossen: 1. Rente soll sich auch künftig mit den Löhnen entwickeln. 2. Rentenniveau wird gesetzlich garantiert. 3. Rentenbeiträge steigen. 4. Keine Rentenbeiträge an der Börse, aber Einführung einer Kapitalkomponente. 5.  Das Paket muss noch durch den Bundestag. Die FDP stellt die Pläne immer wieder in Frage. Im Juni 2024 plant die Regierung einen Bonus für längeres Arbeiten (Anreize schaffen). An der Binsenweisheit "Wir müssen länger arbeiten" führt kein Weg vorbei. Man sollte auch Renteneintritt und Arbeitsende rechtlich voreinander entkoppeln, wie in Schweden und den USA. Vgl. Sinn, H.-W.: Schluss mit der Frührente!, in: WiWo 35/ 23.8.24, S. 39. 2024 kritisiert der Bundesrechnungshof die Rentenpolitik der Ampel scharf: Babyboomer profitieren, jüngere und künftige Generation werden belastet. Vgl. Der Spiegel 38/ 14.9.24, S. 56.   Der DGB startet im September 2016 eine Rentenkampagne. Sie ist für höheres Altersgeld und höhere Beiträge. Immer wieder werden eine jährliche Anhebung des Beitragssatzes um 0,2 Prozentpunkte empfohlen. Das Bundesarbeitsministerium will im November 2016 ein Gesamtkonzept vorlegen. Einige Experten fordern einen staatlichen Altersvorsorgefonds. Der soll aus den Ersparnissen der öffentlichen Hand durch die aktuelle Zinspolitik gespeist werden. Die Koalition einigt sich im November 2016 auf folgende Eckpunkte: Angleichung der Renten  Ost und West bis 2025 (in sieben Schritten, Beginn 2018). Die Erwerbsminderungsrente soll fiktiv auf 65 Jahre hochgerechnet werden (bis 2025 stufenweise). Es soll eine Solidarrente entstehen, die die Renten von Geringverdienern mit Zuschlägen von zehn Prozent versieht, damit sie über der Grundsicherung liegen. Bundesarbeitsministerin Nahles ist darüber hinaus für eine Untergrenze von 46% (bis 2045; geht nur mit Steuerfinanzierung). Ab 2018 soll die Riester-Rente attraktiver gemacht werden. Im Abschlusspapier der Sondierrungen von CDU/CSU und SPD Mitte Januar 2018 einigt man sich darauf, dass das Rentenniveau bis 2025 nicht unter 48% sinken soll (Grundrente für langfristige Geringverdiener ab 35 Jahre Mitgliedschaft). Das scheint eine "Milchmädchenrechnung" zu sein, denn die wirklichen Probleme der RV kommen nach 2025. Weitere verabredete Änderungen sind:  mehr Mütterrente, Aufstockung der Erwerbsminderungsrente, verpflichtende Altersvorsorge für Selbständige. Bis 2025 wird eine Obergrenze in den Rentenbeiträgen vereinbart (20%, je hälftig Arbeitnehmer und Arbeitgeber). Im Mai 2018 richtet die Bundesregierung eine Expertengruppe ein, die bis März 2020 Vorschläge für die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung erarbeiten soll. Im Juli 2018 legt die große Koalition ein Rentenpaket vor: Demographiefonds, Verbesserung bei der Mütterrente, niedrigere Sozialabgaben für Geringverdiener (Kosten 32 Mrd. Euro). Finanzminister Scholz will 2018 eine Garantie des Rentenniveaus bis 2040. Er droht mit einem "Rentenwahlkampf". Eigentlich ist dies seriös nicht planbar. Bei einer Festschreibung des Beitragssatzes ab 2020 von 20% und einem Rentenniveau von 48% müsste der Bund extrem viel zuschießen (2040 etwa 90 Mrd. €). Die große Koalition einigt sich Ende August 2018 auf Eckpunkte: Alle Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, erhalten in der Rente einen halben Prozentpunkt mehr (10 Mio. Frauen profitieren davon). Der Beitrag zur Rentenversicherung wird um 0,5% gesenkt (wird aber wieder von der Erhöhung des Pflegebeitrags aufgefressen). Renteniveau (48%) und Beiträge (maximal 20%) bleiben bis 2025 stabil. Die Erwerbsminderungsrente wird angehoben (Hochrechnung eines hypothetischen Renteneintrittsalters von 65+ statt 63). Allerdings ist diese Regelung extrem ungerecht, da der Stichtag 01.01.2019 gilt und Altrentner nicht einbezogen sind. 2019 sollen die gesetzlichen Renten um 3,18% angehoben werden. Der Rentenbeitragssatz sinkt nicht. Viele deutsche Rentner leben im Ausland: Schweiz, USA, Österreich, Spanien. Vgl. auch: Krebs, Tom: Grundzüge einer effizienten Altersvorsorge, in:  Wirtschaftsdienst 1/2019, S. 32ff. Die Bundesregierung hat eine Rentenkommission aus Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Experten und Politikern eingesetzt, die Vorschläge über die künftige Absicherung der Altersvorsorge machen soll. Arbeitsminister Heil kündigt im Dezember 2020 an, dass bei Selbständigen Pflichtbeiträge in die gesetzliche Rente anvisiert sind. Die Selbständigen sollen einbezogen werden, weil viele Selbständige im Alter nicht gut abgesichert sind. Ihnen droht Altersarmut. Getrennte Systeme für Beamte sind schwer zu rechtfertigen und erschweren den Wechsel zwischen öffentlichem Sektor und Privatwirtschaft. "Es ist dringend notwendig, die Rentenversicherung zu reformieren. Wir müssen auch die frühkindliche Bildung verbessern. Das bringt mehr Chancengerechtigkeit für die kommende Generation und führt dazu, die Erwerbsbeteiligung von Frauen aufgrund guter Betreuungsangebote steigt". Veronika Grimm, Uni Erlangen-Nürnberg, 2023.

Rentenpaket II: Großreform der Rente in der Ampel-Koalition. Es enthält viele oben beschriebene Elemente. Es bricht aber immer wieder Streit in der Ampel aus, vor allem zwischen SPD und FDP. Zuletzt geht es um den Rentenbeitragssatz. Nach dem Plan soll er bis 2028 auf 20,0% steigen; 2030 20,6%; 2035 22,3% .  Es geht auch um Änderungen den Beitragsgrenzen.

Reformoptionen der GRV: "Der demografische Wandel und damit die Alterung der Bevölkerung schreitet in Deutschland stark voran. Daher wird eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) immer dringlicher. Die Bundesregierung hat bereits 2021 in ihrem Koalitionsvertrag versprochen: „Die Rente muss verlässlich und auskömmlich sein“. Zuletzt hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mehrere Reformoptionen in seinem Jahresgutachten vorgestellt, die eine angemessene Alterssicherung bei nachhaltiger Finanzierbarkeit ermöglichen sollen. Allerdings blieben diese Vorschläge selbst innerhalb des Rates nicht ohne Einwände. Daher stellt sich die Frage, wie die GRV reformiert werden kann, um eine auskömmliche Rente auch dauerhaft stabil zu finanzieren." Siehe O. V.: Reformoptionen der gesetzlichen Rentenversicherung, in: Wirtschaftsdienst 2/ 2024, S. 76. Axel-Börsch-Supan (a. a. O, S. 102-105) hat dazu folgende Thesen: 1. Haltelinie auf einkommensschwache konzentrieren. 2. Rentenalter dynamisieren. 3. Frührente nur für gesundheitlich Angeschlagene. 4. Spätrente nicht verbieten. 5. Betriebsrenten stärken. Deutsche beziehen immer länger Rente. Neurentnerinnen und -rentner können nach Abgaben der Rentenversicherung längere Bezüge erwarten als noch vor 20 Jahren. Vor allem bei Männern ist die Bezugsdauer deutlich gestiegen.

Grundsätzliche Optionen einer Reform der Renten: 1. Evtl. in Zukunft nur noch Inflationsausgleich. 2. Renten stärker staffeln (Geringverdiener mehr). 3. Frührente einschränken. 4. Lebensarbeitszeit erhöhen. 5. Neue Beitragszahler finden (Beamte). 6. Renditen steigern. 7. Vom Ausland lernen (freiwillig mehr zahlen?). Vgl. WiWo 42/ 11.10.24, S. 16ff.

Einkommen der Rentner in Deutschland (2019): 1. Gesetzliche Rentenversicherung: 61%. 2. Andere Altersversicherungsleistungen: 14%. 3. Private vorsorge: 7%. 4. Betriebliche Altersvorsorge: 8%. 5. Transferleistungen: 1%. 6. Restliche Einkommen: 9%. Quelle: BMAS. Empfänger einer vorgezogenen Rente können künftig beliebig Geld dazuverdienen. Die Neuregelung gilt schon ab Januar 2023.

Grenze für Hinzuverdienst bei der Rente: Der Bundesarbeitsminister will 2022 die Hinzuverdienstgrenzen für alle Arbeitnehmer strechen, die nach einem vorzeitigen Renteneintritt nebenher noch arbeiten.Bishe rkönnen Rentner erst nach Erreichen der regulären  Altersgrenze unbeschränkt nebenher arbeiten. Dies betrifft zum Beispiel auch Bezieher der Rente ab 63 für langjährig Versicherte.

Riester-Rente: sie wurde um die Jahrtausendwende eingeführt udn galt damals als neue, nachhaltige Alterssicherung mit dem Element der Kapitaldeckung. Sie ist nach dem ehemaligen Arbeitsminister der SPD benannt. Mehr als 16 Mio. Menschen haben sie genutzt. Durch das Zeitalter der Niedrigzinsen geriet sie in Misskredit. Ab 2023 soll es einen Umbau geben. Die staatliche Förderung soll geändert werden.

Rentenkommission: Die Bundesregierung hat eine Rentenkommission aus Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Experten und Politikern eingesetzt, die Vorschläge über die künftige Absicherung der Altersvorsorge machen soll. Ökonomen in der Kommission sind Axel Börsch-Supan und Gerd Wagner. Am umstrittensten ist ein "dynamisiertes gesetzliches Rentenalter " (Automatismus: Steigt die Lebenserwartung, steigt die Altersgrenze ein Stückchen). Das Gremium hat sich vollkommen zerstritten. Es plädiert dann auch für die Aufnahme neuer Beamter in die Rentenversicherung. Die Altersversorgung soll gleich hoch bleiben. Am 27.3.20 wird er Schlussbericht vorgelegt: Standardrente zwischen 44 und 48%; Beiträge zwischen 20 und 24%.

Wissenschaftlicher Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium: Im Juni 2021 schlägt der Beirat (Vorsitzender Axel Börsch-Supan) eine Reform der Rentenversicherung vor (Gutachten zur Zukunft der Rente). Man empfiehlt die Rente mit 68, allerdings auch mehr Flexibilität beim Übergang in die Rente. Ab 2025 dürften die Finanzierungsprobleme schockartig zunehmen. Wenn die jetzigen Haltelinien (Beiträge, Rentenniveau) bestehen bleiben, müssen stark steigende Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt kommen. Nach geltender Rechtslage würde die Altersgrenze für die Rente ohne Abschläge bis 2029 schrittweise von ursprünglich 65 auf 67 Jahre angehoben. Die Rente wird zum Wahlkampfthema der Parteien im Bundestagswahlkampf 2021 werden: Wie groß ist da sLoch in der Rentenkasse? Kommt die Rente mit 68? Sollten Beamte und Selbständige mit aufgenommen werden? Wie kann man die Rente stabilisieren? Wie sicher sind langfristige Prognosen? Vgl. Rudzio, Kolja: Wer hat Angst vor dieser Zahl? in: Die Zeit Nr. 25, 17. Juni 2021, S. 23.

Rentenvorschlag der CDU Ende 2020: Es soll eine Rentenversicherung für alle kommen. Beamte, die jünger als 30 Jahre alt sind, sollen in die Gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Es handelt sich um eine Arbeitsvorlage von Referenten.

Minirente: 2022 bekommen knapp 2,7 Mio. Rentnerinnen und Rentner mit mindestens 40 Versicherungsjahren weniger als 1200 € Rente. Das 38% von denjenigen mit der entsprechend langen Versicherungszeit. Es gibt große Unterschiede zwischen Ost und West (im Westen jeder Dritte, im Osten jeder Zweite). Quelle: RND.

Grundrente: In der Koalitionsvereinbarung vom Februar 2018 zeichnet sich diese ab. Langjährige Versicherung soll honoriert werden (langjährige Arbeit und Einzahlungen sollen deutlich über der Grundsicherung liegen). Damit wird eine Mindestsicherungskomponente eingeführt. Aber die 10% auf das Existenzminimum ist eher ein Rentenzuschlag. Also ist es weder eine Mindestrente noch eine Grundrente. So etwas gibt es noch in keinem OECD-Land. Vor allem im Hinblick auf die Landtagswahlen in den neuen Ländern 2019 sollen konkretere Vorschläge kommen. An der Grundrente haben sich bereits mehrere Bundesregierungen die Zähne ausgebissen. Anfang Februar 2019 legt Bundesarbeitsminister Heil ein Konzept vor: Die Rentenansprüche von Geringverdienern sollen bis zu 447 € aufgestockt werden (Bedingung: 35 Jahre Beschäftigung, Beitragsjahre inkl. Pflege- u d Erziehungszeiten). Das würde mehrere Milliarden kosten. Etwa 4 Millionen Geringverdiener könnten davon profitieren (75% davon Frauen). Die Grundrente soll spätestens zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Das Konzept verstößt gegen den Koalitionsvertrag. Die Bundeskanzlerin ist skeptisch. Vor allem die Vermeidung falscher Anreize dürfte nicht einfach sein. Sie ist auch zu wenig zielgenau (Bedürftige aus der Armut helfen). Der Aspekt Bedürftigkeit oder Belohnung von langer Erwerbstätigkeit müsste zuerst geklärt werden. Es ist schon problematisch, wenn man sich weder an gezahlten Beiträgen noch an individueller Not orientiert. Ohne Kompromisse wird es nicht gehen. Die Arbeitgeber machen Front gegen Heils Plan. Die CSU legt einen Alternativentwurf vor ("Rentenschutzschirm für das Alter"). Es sollen großzügigere Freibeträge eingerichtet werden. Der Knackpunkt ist in der Tat die Finanzierung: Die Grundrente würde ca. 4 bis 10 Mrd. Eurojährlich kosten. Geld soll unter anderem von der Kranken- und Arbeitslosenversicherung abgezweigt werden (+normale Mehrwertsteuer bei Hotels). Aber auch die Steuern sollen zur Finanzierung herangezogen werden. Unsozial ist der Plan, weil er normale Arbeitnehmer belastet (nicht Beamte und Selbständige). Die Union lehnt den Plan ab. Es könnte aber einen Kompromiss geben: Im Gespräch ist eine vereinfachte Bedürfnisprüfung (Vermögen soll nicht extra ausgewiesen werden). Dafür soll eine "harte Einkommensprüfung" kommen (nicht Vermögen). Doch die jüngere Generation wird überproportional belastet und die Kosten sind sehr hoch. Am 10.11.19 einigt sich die Koalition auf eine Grundrente: Einkommensprüfung automatisch durch einen Daten-Abgleich zwischen Rentenversicherung und Finanzamt ("umfassende Einkommensprüfung"). Freibetrag von 1250 € für Alleinstehende und 1950 € für Verheiratete. Beitragsleistung von 35 Jahren, unter 80% und über 30% des Durchschnittseinkommens (auch Kindererziehung und Pflege). Es soll eine "Gleitzone" geben, wenn man die Bedingungen nicht erfüllt. Minijobs werden nicht berücksichtigt. Voraussichtlich werden 1,2 bis 1,5 Mio. Menschen in den Genuss der Rente kommen. Was die Grundrente so interessant macht, ist, dass sie der erste Schritt in ein neues Rentensystem darstellt. Die SPD den Anspruch ausweiten, indem 33 Beitragsjahre ausreichen. Die Deutsche Rentenversicherung kritisiert den Starttermin von 1. Januar 2021, weil ihr das notwenige Personal fehle. Hauptsächlich wird kritisiert, dass die Finanzierung nicht steht. Es bleibt die grundsätzliche Frage, welche Risiken die gesetzliche Rentenversicherung versichern soll. Vgl. Klammer, Ute/ Wagner, Gerd G.: Grundrentenplan der großen Koalition, in: Wirtschaftsdienst 2020/ 1, S. 29ff. Am 19.02.2020 wird die Grundrente vom Kabinett beschlossen: 33 Berufsjahre, ab 35 Berufsjahre volle Höhe, ab 1. Januar 2021, volle Höhe des Zuschlags knapp über 400 €, Einkommensprüfung, keine Vermögensprüfung, Datenabgleich zwischen Rentenversicherung und Finanzämtern. Vorerst muss die Grundrente über Steuern finanziert werden. Die Grundrente soll - wie vorgesehen - zum 1. Januar 2012 kommen, obwohl die Haushaltslage durch die Corona-Krise angespannt ist. Die CDU droht im Mai 2020 mit einer Blockade, weil zwei Punkte nicht geklärt seien: 1. Seriöse Finanzierung. 2. Funktionierende Bedarfsprüfung. Bei der Grundrente müssen Bestandsrentner in jedem Falle warten (voraussichtlich bis Ende 2022). Am 30.06.20 einigt sich die Große Koalition bei der Grundrente. Rund 1,3 Mio. Rentner mit kleineren Renten erhalten einen Zuschlag ab 2021 (für das Jahr Kosten von 1,4 Mrd. €). Davon profitieren vor allem Männer und Frauen in den östlichen Bundesländern. Die ersten Bescheide für die Grundrente können erst im Juli 2021 verschickt werden. 26 Mio. Renten müssen geprüft werden. Sie wird rückwirkend ab 1. Januar 2021 gezahlt.  Es gibt immer wieder Kritik am Konzept der Grundrente. Ein Kritikpunkt lautet, dass die Belastung für den Haushalt zu groß ist (10% des BIP zusammen mit der Rente mit 63). So wird ein dynamischer Lebenserwartungsfaktor empfohlen mit automatischer Anpassung des Renteneintrittsalters. Vgl. Raffelhüschen, Bernd/ Seufert, Stefan: Von der Grundrente zum Lebenserwartungsfaktor, in: Wirtschaftsdienst 10/2020, S. 774-781.Ende 2022 haben rund 1,1 Mio. Rentner einen Grundrentenzuschlag erhalten. 950.000 Zuschlagsberechtigte haben eine Altersrente, 93.000 eine Hinterbliebenenrente und 58.000 eine Erwerbsminderungsrente bezogen. Quelle: Deutsche Rentenversicherung. Am Ende des ersten Quartals 2023 bezogen 684.360 Senioren Grundsicherung. Das sind knapp 26.00 mehr als im Dezember 2022. Insgesamt bezogen im ersten Quartal dieses Jahres 1,22 Mio. Menschen Leistung für Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Diese Leistung erhalten Erwachsene, dei dauerhaft ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen sicherstellen können. Grund für den deutlichen anstieg ist überwiegend dei zahl der Leistungsberechtigten aus der Ukraine.

Abschlagsfreie Rente mit 63: Die Chance wurde 2014 eröffnet. Man nennt sie auch Lebensleistungsrente. Die Antragsteller brauchen 45 Beitragsjahre. 2021 haben 270.000 Arbeitnehmer die Rente beantragt (ein Viertel aller neuen Rentner). Vor allem gut ausgebildete und gesunde Facharbeiter nutzen die Chance. Die Rente liegt im Schnitt bei 1600 € (200 € über dem Durchschnitt). Das hat zwei große Nachteile für die Gesellschaft: 1. Facharbeitermangel. 2. Zuschussfinanzierung durch den Bund. 2024 zeigt sich auch, dass dei Rente sündhaft teuer ist und den Fachkräftemangel verschärft. Die Ampel hält dennoch daran fest - und belastet die Jungen. 2022 gibt es 262434 Neurentner (25,3%). Vgl. Crocoll, Sophie: Schlecht gealtert, in: Wiwo 11/ 8.3.24, S. 36ff. Bis 2025 droht dem Arbeitsmarkt ein Verlust von sieben Millionen Arbeitskräften. Wenn dei Rente mit 63 bleiben soll, müssen mehr Anreize für ein selbst bestimmtes Weiterarbeiten geschaffen werden. Vgl. HB 18.6.24, S. 14.  "Die Regelung muss weg. Sie hätte nie in Kraft treten dürfen", Bernd Raffelhüschen, Professor in Freiburg an der Uni.

Rentenfonds Deutschland/ Kapital gedeckte gesetzliche Rente: Er sollte Kapital gedeckt sein. Er könnte durch einen anteiligen Verzicht auf die Abschaffung des Solidaritätszuschlags finanziert werden. Hintergrund ist das Rentenpaket der Bundesregierung 2018: stabiles Rentenniveau von 48%, Obergrenze des Beitragssatzes in Höhe von 20% bis 2025. Verbesserungen bei der Mütter- und Erwerbsminderungsrente. Entlastungen für Geringverdiener. Vgl. Brühl, V.: Plädoyer für einen "Rentenfonds Deutschland", in: Wirtschaftsdienst 1/2019, S. 36ff. und auch: Krebs, Tom: Grundzüge einer effizienten Altersvorsorge, in:  Wirtschaftsdienst 1/2019, S. 32ff. Aufgrund der Beteiligung der FDP an der Ampel-Koalition 2021 kann mit einem privaten Anteil an der Rentenversicherung gerechnet werden. 2023 werden die Vorschläge des Bundesfinanzministers konkreter. In 15 Jahren soll ein Kapitalstock aufgebaut sein. In einem ersten Schritt sollen 10 Mrd. € über eine Stiftung am Kapitalmarkt zur Verfügung gestellt werden. Die Summe soll durch Zinsen, Aktienkurse u. a., aufgestockt werden. Es geht nicht um maximale Rendite (dann Risiko zu hoch). 2023 will die Bundesregierung die Zahlungen bis 2035 verstetigen und ausbauen. Für 2024 sind 12 Mrd. € vorgesehen. In den Folgejahren ist ein Anstieg von jeweils 3% geplant. Bis 35 soll ein Volumen von 200 Mrd. € erreicht werden. Der Atomfonds (Finanzierung kerntechnische Entsorgung) soll die Aktienrente verwalten. Er heißt Kenfo. Die Zielrendite liegt bei 3,7 %. Bis 2021 liegt man über dem Ziel. 2022 war ein Einbruch mit -12,2%. Kenfo - Chefin ist Anja Mikus. Sie wird bald die Milliarden der staatlichen Akteinrente anlegen.  50 Mrd. € hat der Bund 2021 über seine zwei Pensionsfonds und den Atomfonds Kenfo angelegt. Im Vergleich dazu der norwegische Staatsfonds: 1,2 Billionen Euro. Im November 2022 steht das Konzept für die "Aktienrente" im Bundesfinanzministerium. Der Kapitalstock soll teils Kredit finanziert werden. Zum Start sind 10 Mrd. € vorgesehen Bundeshaushalt 2023). Es ist ein Versuch, die Beitragsentwicklung nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Der künftige Kapitalstock, der mit Aktien aufgebaut werden soll, soll das Rentenniveau stabilisieren und den Anstieg der Rentenbeiträge und des Bundeszuschusses begrenzen. Die FDP-Fraktion bezweifelt das und stellt sich zunächst gegen Lindner.

Private Alterssicherung über Aktien: Die Gesetzliche Rentenversicherung ist immer weniger funktionsfähig. Im Jahre 2000 kamen auf 4,1 Beitragszahler ein Rentner. Im Jahre 2020 waren es nur noch 2,9 Beitragszahler je Rentner. 2040 geht man von 1,9 aus. Ziel ist ein eRente von um die 60%, man bewegt sich aber Richtung 40% vom letzten Bruttoeinkommen. Also kommt die Aktie ins Spiel. Auf 50 Jahre gesehen hat sie die höchste Rendite (5-7%). Sozialpolitisch sollte man die Aktie nicht vernachlässigen. Sie muss natürlich immer in Beziehung zu anderen Formen gesehen werden: Giro, Spar, Bausparen, Rentenwerte, Zertifikate, Geldschulden, Private Altersvorsorge (Riester). Quelle: Deutsches Aktieninstitut, Frankfurt. Wichtig bei der Aktienrente sind zwei Faktoren: 1. administrative kosten gering halten. 2. Keine politischen Vorgaben. Vgl. Fuest, Clemens: So wird die Aktienrente zu einem Erfolg, in: WiWo 36/ 1.9.23, S. 39. Am 5.3.24 findet man eine Einigung und eine Konzeption in der Bundesregierung. Man startet mit 10 Mrd. € 2024. In den nächsten 10 Jahren will der Staat 200 Mrd. € am Kapitalmarkt investieren. Die Regierung sagt vorerst nein zu einem höheren Renteneintrittsalter und zu einem höheren Beitrag. Es soll auch mehr Risiko und damit mehr Rendite möglich sein. Auch ein Aktiendepot soll gefördert werden. Vgl. HB 1.10.24, S. 6f.

Rentenmodell von Kai Whitthaker, CDU: Basisrente, durch Steuern finanziert; Gesetzliche Rente, Sozialbeiträge; Private Vorsorge, Kapital - gedeckt. Drei-Säulenversorgung.

Rentenmodell der FDP (2021): Ergänzung der gesetzlichen Rentenversicherung um eine gesetzliche Aktienrente. Im Jahre 2021 beträgt der Steuerzuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung 106 Mrd. €. Der Reformvorschlag kommt von Dürr (Fraktionsvize) und Johannes Vogel (Sozialexperte). Zwei Prozentpunkte des bisherigen Rentenbeitrags sollen in eine öffentlich-rechtliche verwaltete Aktienrente fließen (schwedisches Modell).

Prognosen zur Rentenversicherung in Deutschland: Im Oktober legt Martin Werding von der Ruhr-Uni Bochum Berechnungen vor (im Auftrag des Bundesfinanzministeriums): Wenn keine Änderungen im System durchgeführt werden, ergäben sich die folgenden Ergebnisse. Das Rentenniveau von 49,5% 2017 würde auf 40,8% 2060 sinken. Der Rentenbeitrag würde von 2017 18,6% auf 25,4% steigen. Der Steuerzuschuss von 2017 90 Mrd. € müsste auf 232 Mrd.€ erhöht werden. Die Zahlen ändern sich, je nachdem welches Szenario unterstellt wird. Dabei werden verschiedene Lösungen eingesetzt. 1. Beiträge anheben. 2. Steuern erhöhen. 3. Späteres Renteneintrittsalter. 4. Höhere Zuwanderung in bestimmtem Alter. 5. Mehr Lohn. 6. Kombi-Lösung (am wahrscheinlichsten). Vgl. auch Die Zeit, Nr. 41, 4. 10.2018, S. 21ff.  die Bundesregierung will ihre Anstrengen erhöhen, damit mehr Menschen bis zum normalen Renteneintrittsalter arbeiten. 2017 bezieht ein Rentner durchschnittlich 19,9 Jahre Rente. Im Jahre 1960 hatte ein Rentner in Deutschland bis zum Tod durchschnittlich 9,9 Jahre lang Rente bezogen. Ab 2020 muss der Bund mindestens 100 Mrd. € in die Rentenkasse zahlen, damit sie nicht kollabiert. Das ist ein Drittel des Bundesetats? Der Rentenversicherungsbeitrag soll ab 2019 auch die nächsten Jahre stabil bleiben bei 18,6%. Mehr als ein Drittel der heutigen Vollzeitkräfte (2022) steuert auf eine Rente unter 1200 € zu.

Nachholfaktor in der Rentenversicherung: Ausgleichsfaktor. Er soll verhindern, dass die Renten schneller steigen als die Löhne. Vgl. Wirtschaftsdienst 2/2022, S. 72-74.

Betriebliche Rente (zweite Säule der Rentenversicherung): Neuregelung der Betriebsrente ab 2017: Ab 2019 sollen alle Arbeitgeber 15% an Zuschüssen leisten müssen. Das gilt für alle Formen der Entgeltumwandlung. Staatliche Zuschüsse für Geringverdiener soll es bei einem Monatseinkommen unter 2200 € geben. Es gibt keine Garantierente. Es kann auch eine Zielrente vereinbart werden. Auf Garantien und Mindestleistungen wird verzichtet.  Das Gesetz soll noch vor der Bundestagswahl 2017 verabschiedet werden. Das Gesetz scheint eher symbolische Bedeutung zu haben. Die Probleme der Rentenversicherung werden hiermit nicht gelöst.  40 Prozent aller Betriebe haben keine Betriebsrente (vor allem KMU). Ursprünglich sollte die Riester-Rente für diejenigen sein, die nicht die Möglichkeit einer betrieblichen Rentenversicherung hatten. Die Rente hat das aber nie leisten können. Sie ist zu teuer und zu bürokratisch und rechnet sich nicht. 2017 ist die Zahl der Neuabschlüsse um 17% gesunken. 2018 entscheidet das Bundesverfassungsgericht, dass Beiträge auf Betriebsrenten (gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung) rechtens sind. Betriebsrentner müssen die Beiträge sowohl für der Arbeitnehmer- als auch für den Arbeitsgeberanteil an ihre Krankenversicherung abführen. Das gilt sogar rückwirkend für Policen, bei denen es die Regelung noch gar nicht gab (vor 2004). Das Bundesverfassungsgericht hält diese Praxis für zulässig. Die Bundeskanzlerin stoppt die Entlastungsdebatte wegen der damit verbundenen Einnahmeverluste. Sie bremst auch eine vorgeschlagene Reform von Minister Spahn im April 2019, weil die Finanzierung ungeklärt ist. Ende 2019 zeichnet sich eine Reform ab: Es soll ein Freibetrag kommen. Der soll zu einer Entlastung bei den Beiträgen zur Krankenkasse führen. Er beträgt 20220 159,25 Euro. Seither müssen rund vier Millionen gesetzlich krankenversicherte Betriebsrentner nur noch den Beitrag zahlen, der gegebenenfalls darüber liegt. Die technischen Systeme konnten nicht rechtzeitig umgesetzt werden, so dass auf die Entlastung gewartet werden muss. Am 26.05.20 urteilt das Bundesverfassungsgericht zu Betriebsrenten; Frauen dürfen nicht benachteiligt werden. Die Betriebsrenten müssen demnach bei Scheidung anders aufgeteilt werden. Die Einbußen werden auf 10 Prozent begrenzt. In dem Bereich sind eine große Zahl von Lobbyisten unterwegs, weil viel an der staatlichen Politik hängt. Einer sind die "Betrieblichen Versorgungswerke für Unternehmen und Kommunen e. V." ((BVUK). Dafür setzt sich auch Ex-Kanzler Schröder ein. Durch die Zinsflaute stehen die Pensionskassen unter Druck. Dadurch könnte es in den nächsten Jahren finanzielle Einschnitte bei Betriebsrenten geben. Die Inflation frisst 2002 auch an den Betriebsrenten. Das ist ein Problem für Unternehmen und künftige Anwärter. Auf Firmen kommt eine massive Aufstockung von Rückstellungen zu.

Tradition der Betriebsrenten in Deutschland und Zukunft: Schon vor der gesetzlichen Rentenversicherung hatten große Unternehmen in Deutschland Renten für ihre Mitarbeiter (Siemens, BASF). Im Jahre 2019 kam das Betriebsrentenstärkungsgesetz. Es sollte die zweite Säule stärken. Arbeitgeber müssen mindestens 15%  dazugeben. Bei der ersten Form sparen die Unternehmen für die Arbeitnehmer (siehe ersten Satz). Bei der zweiten Form sparen die Arbeitnehmer. Den Vorgang nennt man Entgeltumwandlung.

Betriebliche Altersvorsorge in KMU: Eine Säule der Rentenversicherung neben der gesetzlichen Rentenversicherung und der privaten Vorsorge. Als Vorbilder gelten hier Schweden und die Schweiz. Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) kann bei der Mitarbeitergewinnung und -bindung helfen. Sie ist in KMU nicht so verbreitet wie in Großunternehmen. Bei KMU geht es in der Regel um Arbeitnehmer-Beteiligung und Arbeitgeberaufstockung (Mischfinanzierung). Bei der Einführung werden normalerweise externe Wege beschritten in Verbindung mit einer Unterstützungskasse. So können am besten Betriebswechsel, Insolvenz usw. berücksichtigt werden. Die bAV kann auch mit den Lebens-Arbeitszeitkonten verbunden werden.

Betriebliche Altersvorsorge (fünf Modelle): Der Arbeitgeber muss laut Gesetz den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten eine so genannte Entgeltumwandlung anbieten: 1. Direktzusage (Betriebsrente aus dem Betriebsvermögen). 2. Direktversicherung (Lebensversicherung zugunsten des Mitarbeiters). 3. Pensionskasse (ein oder mehrere Unternehmen, spezielle Lebensversicherung, Beiträge zum Teil sozialversicherungsfrei). 4. Pensionsfonds (rechtlich selbständig). Unterstützungskassen (Schutz über Pensions-Sicherungs-Verein, mit Darlehen).

Gesamteinkommen von Rentnern in ausgewählten OECD-Staaten. Anteile in Prozent: Österreich; Staatliche Rente 80,8%; Kapitalgedeckte Renten 4,9%; Arbeitseinkommen 14,3%. Deutschland: Staatliche Renten 68,3%; Kapitalgedeckte Renten 13,7%; Arbeitseinkommen 17,9%. Schweiz: Staatliche Renten 42,5%; Kapitalgedeckte Renten 43,2%; Arbeitseinkommen 14,3%.  Quelle: OECD.

Ruhestandsberatung: Immer mehr Unternehmen bereiten ihre Mitarbeiter, die in Rente gehen, auf diesen Ruhestand vor. Das Ende einer Karriere - das weiß man heute - ist mindestens so kompliziert wie deren Beginn. Vor allem Erfolgsmenschen, die sich über ihren Beruf definieren, haben Probleme. Für den Gang in den Ruhestand braucht man eine Strategie. Beispiel für Unternehmen ist Henkel mit dem Programm "55plus". Unternehmen helfen nicht uneigennützig: Es wird so einfacher, Senioren bei Bedarf aus dem Ruhestand zurück zu holen.

Erwerbstätigenkonto (Chancenkonto): Jeder über-18-Jährige, der eine Arbeit aufnimmt, startet mit einem solchen Konto ("Startguthaben"). Einkommensausfälle bei Qualifizierung, Existenzgründung oder ehrenamtlicher Tätigkeit sollten so kompensiert werden. Das Problem dürfte in der Finanzierung bestehen. Die Idee kursiert schon länger. Sie wurde vom Bundesarbeitsministerium 2017 reaktiviert und von der OECD aufgegriffen. Das Chancenkonto soll folgenden Zielen dienen: Fachkräfte für die Innovation von morgen in der digitalen Welt. Mehr Selbstbestimmung. Chancengleichheit im Lebenslauf. Investition in die Köpfe.

Macht die Rente glücklich? Arbeit ist für viele soziale Teilhabe, bringt Struktur in den Alltag und dazu noch Wertschätzung. Rentner können aber durch neue Hobbys, Ehrenämter oder Enkelaufpassen ihr Glück für sich selbst finden. Heute sind viele Menschen noch rüstig, wenn sie in den Ruhestand gehen.

Öffentlich verwalteter Bürgerfonds: Er soll die Riester-Rente ersetzen. Konzeption im Parteiprogramm der Grünen für die Bundestagswahl 2021. Jeder Bürger, der nicht aktiv widerspricht zahlt in den Fonds ein. Dieser enthält vor allem Aktien mit Fokus auf nachhaltig wirtschaftende Unternehmen.

Digitales Rentenportal: In Deutschland wird ab 2020 ein digitales Rentenportal aufgebaut. Das Internetportal soll schrittweise bis 2023 eingerichtet werden. Die Versicherten sollen gebündelt alle wichtigen Informationen bekommen.

Rentensysteme in anderen Ländern (als Vergleichsgröße und Bezugspunkt): Als vorbildlich gilt das Rentensystem in der Schweiz, wo die drei Säulen funktionieren: gesetzliche Rentenversicherung, betriebliche Rente, Kapitalmarkt gedeckte Rente. Die Schweizer lehnen im September 2017 in einer Volksabstimmung eine Reform ab (minimale Anhebung der Beiträge und der Mehrwertsteuer, Frauen auf 65). In der Schweiz zahlen alle in die Rentenversicherung ein (Milliardäre, Selbständige, Geschäftsführer, Beamte). Die Maximalrente ist gedeckelt (dadurch Umverteilung). 2022 wird durch eine Volksabstimmung das Rentenalter der Frauen auf 65 Jahre hoch gesetzt. Zusätzlicher Finanzbedarf wird aus der Mehrwertsteuer genommen. Im März 2024 entscheiden die Schweizer in einer Volksabstimmung  über die 13. Monatsrente. Das Vorhaben ist umstritten. Die Schweizer stimmen dafür (ab 2026, Finanzierung offen). Als sehr gut wird auch das Rentensystem in Skandinavien, vor allem in Schweden, bewertet. In Schweden gibt es den Staatsfonds AP7 (5,5 Mio. Menschen haben ihn, bis 55 Jahre Aktien, danach schrittweise Anleihen). Er investiert in ein globales Aktienportfolio. Die Dänen koppeln das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung (nur etwa 15 Jahre in Ruhestand). Auch Österreich wird manchmal als Vorbild gesehen: Alle zahlen in die Versicherung ein und die Renten sind relativ hoch. Allerdings hat Österreich keine gesetzliche Pflegeversicherung. Diese Länder werden am besten mit den typischen Problemen fertig: Turbulenzen der Finanzmärkte, Demographie, Arbeitslosigkeit, geringfügige Beschäftigung und Altersarmut, Generationengerechtigkeit. Großbritannien ändert 2014 die Altersversorgung. Der private Pensionstopf darf auf einen Satz geleert werden. Bisher mussten sie eine so genannte "Annuity" kaufen: Für ihr erspartes Kapital aus Betriebsrente und privater Eigenversorgung mussten sie eine Leibrente erwerben. Außerdem steigt das Renteneintrittsalter kontinuierlich: ab 2020 66 Jahre, 2028 68, 2060 70 Jahre. Das französische Rentensystem basiert auch auf dem Umlageprinzip. Es soll 2020 reformiert werden. Es kommt zu großen Demonstrationen. Die Menschen sollen im Schnitt später mit geringeren Renten eintreten. 2023 nimmt Macron einen neuen Anlauf für die Reform: Die Franzosen sollen länger arbeiten. Das Rentenalter soll auf 64 Jahre steigen (von 62). Für volle Rente braucht man 43 Arbeitsjahre. Gewerkschaften und die Linksopposition laufen Sturm. So heftige Proteste hat die Republik selten gesehen. Es droht sogar ein Generalstreik. Anfang März 23 geht die Rentenreform in erster Lesung durch den Senat. Macron drückt dann die Reform mit einem Trick durch. Ein Misstrauensvotum scheitert knapp. Am 14.4.23 billigt der Verfassungsrat die Rentenreform. Die Proteste dauern an. Das Rentensystem in den USA sollte auch immer vergleichsweise herangezogen werden. Es dominiert die private Altersvorsorge. Allerdings ist dort die Bevölkerungsstruktur relativ stabil. Die betriebliche Säule existiert kaum. Erhebliche Probleme hat das Rentensystem in Japan aufgrund der Bevölkerungsentwicklung und der fehlenden betrieblichen Säule (und der mangelhaften freiwilligen Zusatzvorsorge). In der Türkei ist das Problem nicht so virulent, weil die Gesellschaft nicht überaltert ist. Viele Türken zahlen überhaupt keine Rentenversicherungsbeiträge, weil sie schwarz arbeiten. Die Niederlande haben eine relativ hohe Grundsicherung  (1200 €). Auch sie arbeiten noch mit anderen Säulen. Im WS 2014/15 habe ich eine Spezialveranstaltung zur Alterssicherung (auch international) im Rahmen der Personalwirtschaft im Master "International Human Resource Management" durchgeführt.

Das österreichische Rentensystem als Vorbild: Zentrale Themen können durchaus von Österreich übernommen werden. Die Verbesserung des Leistungsniveaus, die Verbesserung der Grundsicherung und der Übergang zu einer Erwerbstätigenversicherung. Das österreichische System scheint nachhaltiger zu sein. Vgl. Blank/ Logeay/ Türk/ Wöss/ Zwiener: Ist das österreichische Rentensystem nachhaltig? in: Wirtschaftsdienst 2018/ 3, S. 193ff. Allerdings ist auch der Rentenbeitrag in Österreich höher (22,8% 2018, also ca. 5 Prozentpunkte höher als in Deutschland). Seit 2005 sind auch Selbständige und Freiberufler einbezogen. Die deutlich höhere Zuwanderung als in Deutschland stabilisiert. Interessant ist, dass die Arbeitgeber mehr einzahlen müssen als die Arbeitnehmer. Allerdings ist die Rente nicht dynamisiert. Vgl. auch: Brandt, Ulrich/ Freudenberg, C.: Österreichs Rentenpolitik: vom Nachbarn lernen? in: Wirtschaftsdienst 10/ 2024, S. 696-702.

Schwedische Pensionsfonds: Es ist ein Staatsfonds, der 2000 gegründet wurde. Er erzielt ca. 11% Rendite im Jahr. Viele Länder sehen ihn als Vorbild. 2021 führt in seit 21 Jahren Richard Gröttheim. Am meisten steckt 2021 in den Aktien von Apple, Microsoft und Amazon. Man zahlt eine lebenslange Rente (wichtige Determinanten sind die Einzahlung und die durchschnittliche Lebenserwartung). Es gibt eine Blacklist von 68 Unternehmen. 

Privatisierung der Rentenversicherung: Zwischen 1973 und 1990 regierte Militärdiktator Pinochet in Chile mit eiserner Hand. Auf Anraten von Ökonomen aus Chicago ("Chicago-Boys", Milton Friedman u. a.) wurde die Rentenversicherung privatisiert. Das wurde 1981 als erstes Land der Welt gemacht. Voraus gingen heftige Lobbyarbeit der Pensionsfonds und internationaler Finanzorganisationen wie der Weltbank. 13 weitere Länder in Lateinamerika, zwei in Afrika und 14 Länder im ehemaligen Ostblock folgten. Die Erfahrungen waren von Anfang an eindeutig negativ. Alle Versprechungen wurden nicht gehalten: Steigen der Deckungsraten und Leistungsniveau, Senken der Verwaltungskosten, Aufhebung von Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Die privatisierten Systeme verlagerten das  Risiko von Finanzmarktschwankungen auf den Einzelnen. Infolgedessen beendeten 18 der 30 Länder dieses Experiment wieder, die meisten nach der Finanzkrise 2008. Allerdings ist die Korrektur solcher Fehler extrem teuer. Manche  private Unternehmen haben auch geklagt (gegen Argentinien, gegen Bolivien). Vgl. Juan Carlos Boue`, Anwaltskanzlei Curtis, Mallet-Prevost, Colt & Mosle in London, homo oeconomicis, in: HB Nr. 71, 14.4.21, S. 9.

Rentenlücke: Frauen, Selbständige und Arbeitnehmer in prekären Jobs sind im Alter schlechter abgesichert als der durchschnittliche Arbeitnehmer, der ein Leben lang Rentenbeiträge gezahlt hat. Das bestätigt der Rentenbericht der OECD im November 2019- Das Alterseinkommen der Frauen ist um 46% niedriger als das der Männer. Damit ist diese Rentenlücke fast doppelt so hoch in Deutschland als in anderen Ländern (25%). Nach 45 Versicherungsjahren beträgt zum Stichtag 1.1. 2022 die Durchschnittsrente 1543 €. Männer haben eine deutlich höhere Altersversorgung als Frauen (1323 €). Quelle Deutsche Rentenversicherung 2023 auf Anfrage der Partei "Die Linken".

Witwenrente: Immer öfter wird die Abschaffung gefordert. So auch die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer 2023. Sie hemme Beschäftigungsanreize für Frauen. Sie fordert ein "Rentensplitting" (Rentenansprüche in der Ehe geteilt). Derzeit erhalten Ehepartner mindestens 55% der Rente des verstorbenen Partners, unabhängig davon, ob Ansprüche während der Ehe erworben wurden oder nicht.

Rentenbesteuerung: Es liegt eine Klage vor dem Bundesfinanzhof in München vor. Es geht um eine Doppelbesteuerung der Renten. Dei bestehende "nach gelagerte Besteuerung" zieht sich über drei Jahrzehnte hin. Wegen der langen Übergangsphase kann die Doppelbesteuerung einsetzen. Dem Bund könnten Einnahmen von 90 Mrd. € weg brechen. Durch dei starke Erhöhung der Rentenbezüge ab Juli 2022 werden erstmals 103.000 Renten besteuert, die oberhalb der Freigrenze liegen. Das bedeute zusätzliche Einnahmen von 730 Mio. €. Rund 21 Mio. erhalten 2022 Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Absetzbarkeit von Rentenbeiträgen: Im Entwurf des Jahressteuergesetzes für 2023 ist vorgesehen, ab 2023 Rentenbeiträge voll absetzbar zu machen. Dei Aufwendungen für die Altersvorsorge können voll als Sonderausgabe berücksichtigt werden. Das betrifft die gesetzliche Rentenversicherung, landwirtschaftliche Alterskassen, berufsständische Versorgungseinrichtungen und Rürup-Renten.

Rentner als Wähler: Durch die demografische Entwicklung steigt der Anteil der Rentner unter den Wahlberechtigten immer mehr an. Das macht die Rentner zu einer wichtigen Interessengruppe. Sie können Wahlen entscheiden. Am eindrücklichsten zeigt sich dies bei der Landtagswahl in NRW: Die Rentner kehren der FDP den Rücken, weil sie sich beim Energie-Ausgleich übergangen fühlen.

Sportlerente: Eine empirische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Olympiateilnehmer früher sterben, als andere. Der Unterschied zur Gesamtbevölkerung ist signifikant. Nicht geklärt werden konnte, ob dies mit Doping zusammenhängt. Es wird eine Sportlerente gefordert: Geld für entgangene Lebenszeit. Vgl. Thieme: Jung stirbt, wen die Götter lieben, 2020.

Sozialversicherungen: Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Rentenversicherung, Pflegeversicherung (seit 1995). Die gesetzlichen Formen gehören zum Sektor "Staat" und damit zu den öffentlichen Haushalten. Es ist eine Pflichtversicherung für Arbeiter und Angestellte zur Minderung des individuellen Risikos. Sie wurde von Bismarck eingeführt. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen einen Beitrag leisten. Normalerweise zahlt jede Seite 50% (Parität). Bei der Krankenversicherung friert man die Beiträge der Arbeitgeber ein (das Sondierungspapier Mitte 2018 will zur alten Regelung zurückkehren). Wegen des steigenden Lohnniveaus wird die Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung angehoben (von 6500 auf 6700 ab 2019). Die Arbeitslosenversicherung ist der Teil des Systems, das den Arbeitnehmern nach Verlust des Arbeitsplatzes für eine gewisse Zeit die Zahlung von Arbeitslosengeld garantiert. Der Beitrag der Arbeitnehmer kann aufgrund der Haushaltssituation evtl. 2018 gesenkt werden (-0,3%?). Die große Koalition einigt sich im August 2018 sogar auf eine Senkung von 0,5%. gleichzeitig steigt aber der Beitrag zur Pflegeversicherung.  Kostenentwicklung und Kostenverteilung ist das Hauptproblem der Sozialen Sicherung. Durch die steigende Arbeitslosigkeit ist 2009 schon ein Loch von 50 Mrd. € entstanden.2009 beträgt der Beitragssatz noch 2,8% (ab 2011 3%); bis 2011 werden 5% erwartet. Der Krankenversicherungsbeitrag, der 2009 15,2% beträgt, dürfte 2011 auf 15,9% steigen. 2010 werden 17 Mrd. € Einmalhilfe für die Sozialkassen aus dem Bundesetat gegeben, um die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben zu schließen. Der Rentenbeitrag der Arbeitnehmer wird Anfang 2013 auf 18,9% sinken (von 19,6%). Die Renten werden ab 2013 relativ stark steigen (im Osten stärker). In USA haben 52 Mio. Menschen (ca. 17%) keine Krankenversicherung. Die Rücklagen der Sozialversicherungen hängen stark an der Beschäftigungslage. So ist die Renten-Rücklage Anfang 2013 so hoch wie nie. Im ersten Halbjahr 2013 rutschen die gesetzlichen Sozialversicherungen in die roten Zahlen (StBA). Am Jahresende ist aber wieder ein Plus prognostiziert (mehr Beschäftigte und steigende Löhne). 2014 soll die Schwarzarbeit bei der Pflege legalisiert werden (Arbeitskräfte aus Osteuropa). Die Grenzen, ab denen Sozialbeiträge abgeführt werden müssen, sollen nach dem Sondierungspapier Mitte Januar 2018 steigen. Durch die Geldpolitik der EZB erleiden die Sozialversicherungen hohe Schäden. Sie dürfen ihre Überschüsse oft nur maximal für ein Jahr anlegen und müssen dafür bei den Banken Negativzinsen bezahlen. 2021 erzielt die Gesetzliche Rentenversicherung noch ein Plus.

Herausforderungen der Sozialversicherungen in den nächsten Jahren: 1. Weiterentwicklung der Konsumentensouveränität. 2. Übergänge zwischen unterschiedlichen Erwerbsphasen. 3. Demographiefestigkeit. 4. Armutsvermeidung. 5. Risikominderung/ Mehrschichtigkeit (Riester-Rente). 6. Stabilisierung der Finanzierung der SV (Maschinensteuer). Flankiert werden muss die Sozialpolitik von der Bildungspolitik, der Familienpolitik, der Migrationspolitik und der Verbraucherschutzpolitik. Vgl. Werner Sesselmeier, Uni Landau, in einem Vortrag auf der Tagung der Volkswirte an Hochschulen 2017 in Worms. Ab 2020 könnte es sinkende Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung geben. Nach einer Neuregelung des Ministerium (Versichertenentlastungsgesetz) dürfen Kassen nur noch eine Monatsausgabe an Rücklagen zur Seite legen. Danach müssen die Kassen ihre Rücklagen abbauen und könnten die Beiträge senken. Ab Mitte der 2020-Jahre drohen den Krankenkassen dann wieder enorm wachsende Defizite. Die Beitragslast in der Sozialversicherung klettert 2023 über die 40-Prozent-Marke un din den Folgejahren noch weiter. Die steigenden Sozialabgaben belasten nicht nur den Konsum. Sie könnten auch den Fachkräftemangel verschärfen. Vgl. Losse, Bert: Die neue Beitragsbombe, in: WiWo 45/ 4.11.22, S. 36f. Ende 2023 haben 1,2 Mio. Menschen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bezogen. Das waren rund 2% oder 22.000 mehr als ein Jahr zuvor. Quelle: Statistisches Bundesamt 2024. Die Beiträge zur Krankenversicherung werden 2025 deutlich höher ausfallen. Die Beiträge steigen wohl deutlich (so auch der Chef der größten Krankenkasse Techniker).

Europäische Sozialversicherung: Auch sie gehört irgendwann zu einer Europäischen Integration dazu. Damit würde auch ein Risikoausgleich zwischen den Mitgliedsstaaten etabliert. Deutschland wäre sicher der größte Nettozahler, was vorerst nicht durchzusetzen ist. Aber der europäischen Bevölkerung würde die Angst vor Strukturwandel und Globalisierung genommen. Auf der anderen Seite gibt es vorerst Zugangsbarrieren zur deutschen Grundsicherung. Potentielle ausländische Antragsteller aus der EU, die sich auf Leistungen des Arbeitslosengelds ALG II bewerben, haben neben den rechtlichen Zugangsbeschränkungen informelle Hindernisse wie die Amtssprache Deutsch oder die Anforderung zusätzlicher Nachweise.

Berufsständische Versorgungswerke: Es gibt etwa 90 in Deutschland. Sie sind für Ärzte, Tiermediziner, Apotheker, Architekten, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte. Sie haben rund 1 Mio. Mitglieder. Sie erwirtschaften in der Regel Renten. Doch sie haben Geld riskant angelegt. Das kann dramatische Folgen haben. Vgl. WiWo 20/ 10.5.24, S. 71ff.

Familienpolitik: Es stellt sich die Frage, wie eine zukunftsfähige Familienpolitik sinnvollerweise ausgestaltet werden soll. Dabei sollte Familienpolitik nicht isoliert betrachtet werden, sondern im Zusammenspiel mit der Bildungs-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. "Das Ehegattensplittung muss reformiert und beispielsweise zu einer Individualbesteuerung mit steuerlichem Grundfreibetrag werden. Die kostenfreie Mitversicherung in der Krankenversicherung muss fallen, auch die abgeleiteten Renten. Ein Sparprogramm wird das nicht. Denn im Gegenzug müssen nicht-marktförmige Tätigkeiten gestützt werden, etwa durch die zügige Umsetzung der EU-rechtlich gebotenen Familienstartzeit, deutlich mehr Partnermonate, höhere Mindest- und Höchstsätze beim Elterngeld und verstärkte Maßnahmen für Kinder." Siehe Allmendinger, Jutta u. a.: Familienpolitik - Quo vadis, in: Wirtschaftsdienst 9/ 2023, s. 588ff.

Entgeltausgleich: Forderung von Gewerkschaften und vielen Politikern. Der Ausgleich soll für Beschäftigten die Kinder oder Pflegebedürftige betreuen, als "selbstverständliche Sozialleistung" eingeführt werden.

Familienzeitkonten: Damit kann Arbeitszeit für bestimmte Aktivitäten angespart werden. Das Prinzip: Für Elternzeit, Weiterbildung oder Sabatical kann Arbeitszeit angespart bzw. abgebucht werden. Die Idee gibt es mittlerweile in einigen Parteiprogrammen.

Elterngeld und Elterngeld Plus: Das Elterngeld gleicht fehlendes Einkommen aus, wenn Mütter und Väter nach der Geburt ihr Kind betreuen. Es ist auf zwölf Monate begrenzt. Er kann auf 14 Monate ausgeweitet werden. 2017 bezogen 28 Prozent der Mütter und Väter Elterngeld und Elterngeld Plus. In einzelnen Bundesländern ist der Anteil viel höher. Es sind mindestens 150 und höchstens 900 Euro. Besonders Gutverdiener nutzen die Plus - Variante. Beim Elterngeld soll es ab 2020 mehr Geld bei Frühchen geben. 2019 beanspruchen mehr Väter das Elterngeld (456.000, +5,3% gegenüber 2018).  Insgesamt bezogen 2019 1,9 Mio. Frauen und Männer Elterngeld (+2%). Die Bezugszeiten unterscheiden sich bei Männern (3,7 Monate) und Frauen (14,3 Monate). 2020 kommen mehr Freiheiten bei Teilzeitarbeit. Im Haushalt 2024 soll das Elterngeld gekürzt werden (Vorgabe des BMF). Eltern mit besonders hohem Einkommen sollen keinen Anspruch haben (150.000 € als Grenze). Es gibt Argumente für und wider: Contra. So werden wieder mehr Mütter zu Hause bleiben. Pro. Die Reichen brauchen das Geld nicht. Der SRW kritisiert die Streichung des Elterngeldes für hohe Einkommen (ab 150.000 €?). Er spricht sich für eine Reform des Ehegattensplittings aus. Die geplanten Kürzungen werden dann entschärft: Ab 1.4.24 Senkung der Einkommensgrenze auf 200.000€, ein Jahr später auf 175.000 (für Alleinerziehende 150.000).   Für Elterngeld sind im Haushalt 2023 8,3 Mrd. € vorgesehen.

Kita - Plätze: Im Jahre 2021 fehlen 378.000 Kitaplätze in Deutschland (GrünDe: Schatten der Hausfrauenehe, Migration, Ukraine, Haushalte, Personal); . Die Meldung kommt 2023, weil es die letzten verfügbaren Daten sind. Antwort auf eine Anfrage der Linken. Der Bund zahlt 2023 4 Mrd. € an die Länder aus (für 23, 24).  Deutschlands Mangel an Kinderbetreuungsplätzen wird zum wirtschaftlichen Risiko. Die Unternehmen suchen schon nach eigenen Lösungen, um Fachkräfte zu gewinnen. Das Problem ist nach der Kita - Zeit nicht zu Ende. Man spricht auch vom Nach-Schul-Dilemma. In Deutschland fehlen 2024 430.000 Kita - Plätze (Quelle: Bertelsmann-Stiftung). In den neuen Ländern fehlen weniger Plätze als in den alten. Auch wurden Qualitätsstandards gesenkt, gleichzeitig steigen die Bildungsansprüche. Man hat den Familien zu viel versprochen, es gibt keine Ganztagsplätze für alle. Jetzt kann nur ein radikaler Schnitt helfen: Weniger Stunden für alle! Vgl. Die Zeit 25.01,24, S. 25. Die Anzahl der Kitas ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich gewachsen. 2023 gab es mehr als 56.000 Einrichtungen, 10.000 mehr als 2006. Ab 2025 stellt der Budne den Kitas zwei Jahre vier Milliarden Euro zur Verfügung, um die Qualität zu erhöhen.

Kita - Gebühr: Als erstes Bundesland schafft Berlin die Gebühr im August 2018 ab. Aber insgesamt fehlen in Deutschland 100.000 Plätze. Sinnvoller wäre sicher, die Kita-Gebühr nach dem Einkommen zu staffeln und damit mehr Plätze einzurichten. Immer mehr Eltern schicken ihre Kinder in Kitas: Zum Stichtag 1. März 2018 besuchten 789.600 Kinder unter drei Jahren eine Kita (27.200 mehr als zum gleichen Stichtag des Vorjahres). Für 2023 gibt es folgende Prognose: Es fehlen 400.000 Kita - Plätze in Deutschland.

Kita - Personal: Erziehermangel. 2022 und 2023 ist er drastisch. Einrichtungen machen dicht, Betreuungszeiten werden gekürzt. Die Folgen sind auch volkswirtschaftlich verheerend. Jedes zusätzlich Schuljahr bringt 10% mehr Lebenseinkommen. Auch die Firmen müssten mehr für eine gute Betreuung tun. sie wollen, dass die Mütter zur Arbeit kommen. Vgl. Parnack, C./ Widmann, M.: Was kostet uns der Fachkräftemangel in den Kitas, in: Die Zeit 10/ 2.3.23, S. 19. 2024 sind kitas sehr unzuverlässig. Berustätige Mütter und Väter verzweifeln. Auch die Unternehmen spüren die Folgen. einige bauen selbst Kitas. Kita macht offenbar krank. Erzieherinnen werden im Durchschnitt deutlich häufiger krank als sonstige Arbeitnehmer.

Kindergeld: Die Anzahl von in Deutschland lebenden EU-Bürgern, die für ihre in der Heimat wohnenden Kinder staatliche Hilfe bekommen, ist stark angestiegen. Im Juni 2018 wurde die staatliche Leistung für 268.336 Kinder bezahlt. Es gibt sogar die Befürchtung, dass Menschen aus EU-Ländern (Rumänien, Bulgarien) gezielt nach Deutschland einreisen, um das Kindergeld zu bekommen. Die Bundesregierung möchte das Geld für bestimmte Länder absenken, scheitert bisher aber an der EU. Auch das Baukindergeld ist umstritten: Es wird von denen mitgenommen, die ohnehin bauen. Die SPD plant 2019, alle bisherigen Familienleistungen einschließlich Kindergeld zusammenfassen, um die Armut zu bekämpfen. Die Leistungen sollen gestaffelt nach der Einkommenssituation sein. 2020 nach der Corona-Krise kommt ein Kinderbonus. Das ist eine Sonderzahlung. Es gibt 300 € pro Kind (Auszahlung ab 7.9.20). Im Oktober soll es noch einmal 100 € geben. Insgesamt sind 4,3 Mrd. € veranschlagt. Die Kaufkraft von Familien soll gestärkt werden. Es sollen Familien mit niedrigen bis mittleren Einkommen profitieren. Familien mit höherem Einkommen müssen das Geld in der Steuererklärung mit den Kinderfreibeträgen verrechnen. Im August 2022 entscheidet der EuGH, dass Zuwanderer aus der EU früher Kindergeld beziehen können, also schon während der ersten drei Monate. Ab Januar 2023 wird das Kindergeld erhöht. Zusätzlich 18 Euro für das erste und zweite Kind. Der Bundesfinanzminister will 2024 den Kinderfreibetrag erhöhen. SPD und Grüne halten das für unausgewogen und wollen das Kindergeld noch mehr erhöhen. Bundesfinanzminister Lindner will das Kindergeld erst 2025 wieder erhöhen. Ab 1.1.25 steigt das Kindergeld auf 255 €, ab 1.1.26 auf 259 €.    48,1 Mrd. € sind für Kindergeld im Bundeshaushalt 2023 veranschlagt.

Kinderzuschlag: Höchstbetrag ab Januar 2023 250 €. Familien mit niedrigem Einkommen (kein Rückgriff auf Grundsicherung). Dafür sind 1,9 Mrd. € im Haushalt 2023 veranschlagt.

Kinderfreibetrag: "Kritisch überprüfen sollte man aber die Höhe des Kinderfreibetrags, soweit er besser- und hochverdienende Familien übermäßig begünstigt. Für das sächliche Existenzminimum gibt es ein etabliertes und sachgerechtes Verfahren. Es wird regelmäßig entsprechend den Leistungen der Grundsicherung ermittelt und angepasst, so wie derzeit.Siehe. Bach, Stefan: Kindergeld oder Kinderfreibetrag? Ein steuer- und familienpolitischer Evergreen, in: Wirtschaftsdienst 2/ 2024, S. 70-71.2025 wird der Kinderfreibetrag auf 6612 € festgesetzt, 2026 auf 6828 €.

Kinderstartgeld: 2024 von den Wirtschaftsweisen vorgeschlagen (SRW). Für Kinder ab 6 Jahren monatlich 10€ in Aktienfonds, bis zum 18. Lebensjahr.

Unterhaltsvorschuss: Im Bundeshaushalt 2023 sind 1,2 Mrd. € dafür enthalten.

Kindergrundsicherung: Im Koalitionsvertrag der Ampel vom Dezember 21 geregelt. Finanzielle Unterstützungsleistungen für Kinder  wie das Kindergeld und Leistungen für Kinder in Hartz-IV sollen gebündelt werden. Die Leistungen sollen unbürokratisch, digital und ohne Behördenrennerei in Anspruch genommen werden können. Es soll auch noch ein Sofortzuschlag kommen. Bundesfamilienministerin Paus (Grüne) verschickt 2023 die Eckpunkte zu dem Programm. Ab 2025 sollen die Familienleistungen zusammengefasst werden. Vorgesehen sind ein Garantiebetrag und ein Zusatzbetrag abhängig vom Elterneinkommen. Finanzminister Lindner stellt sich gegen die Grundsicherung (mangelnde Arbeitsmarktintegration der zugewanderten Eltern). Der Kanzler will allerdings an der Neuordnung familienpolitsicher Leistungen festhalten. Familienministerin Paus fordert 12 Mrd. € im Haushalt. 2 Mrd. € sind drin. Der Kanzler fordert einen durchgerechneten Gesetzentwurf bis Ende August 23. Paus bringt das Wachstumschancengesetz zu Fall, weil die Kindergrundsicherung noch nicht durch ist. Das Problem ist schwer verständlich: Wieso kostet eine Bündelung so viel Geld mehr? Ist es nicht doch besser, Förderung eher den Institutionen zu geben? Am 28.8.23 kommt man zu einer grundsätzlichen Einigung im Kabinett bei Eckpunkten: 1. Bündelung. 2. Fester Garantiebetrag. 3. Flexibler Zuschlag (vom Einkommen abhängig). Das könnte die letzte große Sozialreform vorläufig sein angesichts der Haushaltssituation. Im parlamentarischen Prozess  sind noch Änderungen und Konkretisierungen möglich. Am 27.9.23 beschließt das Kabinett die Kindergrundsicherung. Sie soll ab dem Jahr 2025 Sozialleistungen für Kinder bündeln. Die SPD will das Gesetz erst rechtlich prüfen lassen, bevor es ins Parlament geht. Vgl. Braucht es die Kindergrundsicherung? in: Die Zeit 16/ 11.4.24, S. 11. Sicher ist, dass die Kindergrundsicherung zu mehr Beamten und neuer Bürokratie führt. Ob sie auch gegen Armut hilft, ist völlig unklar. Vgl. Rudzio, Kolja: Und was hab ich davon? in: Die Zeit 17/ 18.4.24, S. 20. Für 5,6 Mio. Familien dürfte es zu  schnelleren Leistungen kommen. 2,4 Mrd. € stehen für 2025 zur Verfügung (Beginn der Regelung, Anstieg auf über 6 Mrd. € bis 2028).  Mindestens 636 € werden ab 2025 vom Familienministerium in Aussicht gestellt.

Kritik von Experten an dem Gesetz der Kindergrundsicherung: 1. Der Anspruch, kinder aus der Armut zu holen, wird nicht erfüllt. 2. Leistungen aus einer Hand wird es auch künftig nicht geben. 3. Der digitale Kindergrundsicherungscheck ist unausgereift. 4. Das Kinderchancenportal als als nicht "managebar". Vgl. HB 14.11.23, s. 11.

Ehegattensplitting: Die Einkommen verheirateter Paare werden vom Finanzamt zunächst zusammengezählt und dann wird der Gesamtbetrag halbiert. Die Steuer auf das halbierte Einkommen wird danach verdoppelt. Für die Steuerzahler hat dies den Vorteil, dass ihr Einkommen einem deutlich niedrigerem Steuersatz unterliegt als ohne Splitting. Die Steuerersparnis fällt umso größer aus, je mehr die Einkommen der Ehepartner auseinander liegen und je höher der Gesamtverdienst ist (am meisten profitieren Ehepartner mit nur einem Verdiener). Bei getrennter Veranlagung wäre die Steuerlast also wesentlich höher. Es gibt Gedankenspiele, das Ehegattensplitting zugunsten eines Familiensplittings zu reformieren (auch ausgelöst durch das Homo-Splitting). Beim Familiensplitting würden die Kinder berücksichtigt. Hierzu tendiert die CDU. Nach einer Studie des DIW 2013 würde es Besserverdienende deutlich stärker entlasten als einkommensschwache Familien. Das Ehegattensplitting wird in Zukunft umso mehr keine Rolle mehr spielen, je mehr Frauen berufstätig sind und die Einkommen der Eheleute sich angleichen. Es gibt auch Politiker, die statt Familiensplitting eine Sonderabgabe für Kinderlose fordern (Junge Union). Die SPD fasst im Oktober 2015 den Beschluss, das Ehegattensplittung auf unverheiratete Paare mit Kindern und Alleinerziehende mit Kindern auszudehnen (Bestandsschutz für Familien ohne Kinder). Die Grünen wollen das Ehegattensplittung für neue Ehen abschaffen. Das Bundesministerium für Wirtschaft behauptet, das Ehegattensplitting halte Frauen davon ab, berufstätig zu sein. Den Steuerbonus erhält der Partner mit dem höheren Einkommen, insofern können meist Frauen benachteiligt sein. Die Reform des Solidaritätszuschlags (Erhöhung der Freigrenze) könnte dazu führen, dass es Auswirkungen auf die Ehegattenbesteuerung hat. Es gäbe einen starken Anreiz für die getrennte Veranlagung. Fraglich ist, ob das Bundesverfassungsgericht das akzeptiert. 2021 vor dem Bundestagswahlkampf wollen Grüne, SPD und Linke das Ehegattensplitting eher abschaffen. Union und FDP halten dagegen. Es gibt konkrete Reformvorschläge: 1. Realsplitting (Individualbesteuerung, Erstverdiener kann einen bestimmten betrag übertragen). 2. Ehe-Zusatzfreibetrag (Übertragungs-Höhe mit wachsendem Einkommen zurückfahren). 3.Vertrauensschutz der alten Regel  (dann würde Wirkung viele Jahre dauern. Kriterien sind Folgen für Arbeitsangebot, Frauenerwerbstätigkeit, Höhe der Steuereinnahmen, Steuergerechtigkeit. Vgl. Fuest, Clemens: Droht verheirateten Paaren der Steuerschock, in: WiWo 36, 3.9.21, S. 45. Auch: Roth, Steffen J.: Das Ehegattensplitting steht der Erwerbstätigkeit von Frauen nicht im Weg, in: Wirtschaftsdienst 12/ 2022, S. 965-970. Im Sommer 2023 kommt ein neuer Vorstoß für die Abschaffung des Ehegattenspittings (SPD, Grüne). Die FDP ist dagegen. Es gibt keine Regelung im Koalitionsvertrag.  Ein Ehegattensplitting wie in Deutschland gibt es ansonsten nur in Polen, Luxemburg und den USA. In Deutschland sollen zu starke Vorteile abgeschöpft werden, etwa durch den Progressionsvorbehalt (z. B. wenn ein Partner Arbeitslosengeld bezieht). Die ausgleichende Wirkung ist aber minimal (beeinflusst nur den neuen Steuersatz). Abwertend wird aoft vom Modell "Hausfrauenehe" gesprochen. Es besteht nicht nur aus der Steuerkomponente: Dazu muss man auch die Krankenkasse und die Witwenrente zählen. Hauptdiskussionspunkt ist die Steuerkomponente. Gerecht wäre hier zumindest ein "Realsplitting": Obergrenze für das einkommen, das für die Steuerberechnung von einem auf den anderen Partner übertragen werden kann.

Sozialverbände: Die wichtigsten sind der Sozialverband VdK (1,5 Mio. Senioren), der Paritätische Wohlfahrtsverband (10.000 Vereine) und der Sozialverband Deutschland (eine halbe Mio. Mitglieder). Weitere sind die Arbeiterwohlfahrt, die Volkssolidarität, das Deutsche Rote Kreuz und die Institutionen der Kirchen (z. B. Diakonie). Die Sozialverbände haben stark steigende Mitgliederzahlen. Sie entscheiden mit über die Sozialausgaben des Staates (2010 776 Mrd. €). Mittlerweile fast unüberschaubar ist der Markt für soziale Dienstleistungen. Es gibt auch Dumping - Löhne, befördert durch befristete Arbeitsverträge und Leiharbeit. "Gutes tun auf Kosten anderer - das ist der Widerspruch des Wohlfahrtsstaates", Milton Friedman (1912 - 2006).

Pflege: Deutschland hat noch kein in sich geschlossenes Konzept für Leben in einer überalternden Gesellschaft. Vielleicht hat auch die zu starke Gewichtung der Ökonomie zu einer Fehlkonstruktion geführt. In den Sondierungsgesprächen für die Bildung einer Koalition im Januar 2018 zwischen CDU/CSU und SPD einigt man sich auf folgende Punkte: 8000 zusätzliche Pflegekräfte. Bessere Bezahlung durch einen Flächentarifvertrag. Außerdem sollen die Arbeitsbedingungen und die Ausbildung verbessert werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will eine einheitliche Pflegeausbildung. Die Bundesländer fordern eine Personaluntergrenze. Die Koalition einigt sich im Mai 18 auf 13.000 neue Pflegekräfte (Sofortprogramm; feste Zuordnung Pflegebedürftige - Stellen). 14,24 Euro Brutto pro Stunde verdient ein examinierter Altenpfleger pro Stunde im Durchschnitt 2017. Der Durchschnittsverdienst aller Beschäftigten beträgt 16,97 Euro (Quelle: Hans-Böckler-Stiftung). 2015 gab es 2,9 Mio. Pflege - Bedürftige in Deutschland.  1,4 Mio. werden durch Angehörige ohne Pflegedienst versorgt. Bei 0,7 Mio. hilft der Pflegedienst. 0,8 Mio. werden stationär versorgt. Bis 2060 soll die Anzahl Bedürftigen auf 4,8 Mio. steigen (Quelle: Statistisches Bundesamt). Im März 2018 gibt es 17.000 offene Stellen in der deutschen Pflege (Fachkräftemangel, abnehmende Qualität der Bewerber). Die gesetzliche Pflegekasse hat 2017 ein Defizit von 2,4 Mrd. €, das aus Rücklagen ausgeglichen werden kann (noch 6,9 Mrd. €). 2018 kommen auf die Pflegeversicherung Mehrausgaben von rund zwei Milliarden Euro zu (Zunahme der Leistungsempfänger, höhere Leistungsbezüge). Die Pflegebeauftragte der Bundesregierung fordert mehr Mittel für die gesetzliche Pflege (Beiträge auf Kapitaleinkünfte?). Bundesgesundheitsminister Spahn will 2019 die Beitragssätze anheben, wobei bei anderen Beiträgen zur Sozialversicherung Senkungen in Aussicht gestellt werden (ALV).  2018 wehrt sich Spahn gegen Profitgier in der Pflege. "Pflege ist kein Markt wie jeder andere". Im November 2018 wird ein Reformpaket verabschiedet: mehr Stellen, attraktivere Arbeitsbedingungen, Hilfen bei der Betreuung zuhause. Die Anzahl der Pflegebedürftigen ist weiter gestiegen: Im Dezember 2017 waren 3,41 Mio. Menschen pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes. Das sind gegenüber Dezember 2015 +19%. Gut drei Viertel aller Pflegebedürftigen werden zuhause versorgt. Quelle: Destatis 2018. Der Pflegebeitrag wird weiter steigen: Anzahl der Leistungsempfänger plus, mehr Pflegebedürftige, auch weil immer mehr Frauen berufstätig sind. Spahn fordert 2019 eine Reform der Finanzierung: mehr Steuermittel. Drei zentrale Entwicklungen kommen zusammen: Deutschland wird älter. Wohnen wird unbezahlbar. Es gibt immer mehr Pflegefälle. 2018 hatte die Pflegeversicherung ein Defizit von 3,5 Mrd. €. Angehörige (Kinder, Eltern) sollen bei der Finanzierung der Pflege, d. h. den Heimkosten, entlastet werden (Anghörigen-Entlastungsgesetz). Sie sollen nur bei einem Einkommen über 100.000 € (Jahresbrutto) herangezogen werden. Die Frage ist, wer die Kosten übernimmt (Sozialversicherung, Kommunen?). Die Kommunen finden das nicht gut. Im November 2019 wird das Gesetz im Bundestag verabschiedet. Bis November 2020 können nur 3600 der 13.000 zusätzlichen Stellen besetzt werden. Die Anzahl der Pflegebedürftigen in Deutschland steigt stärker als angenommen. Bis 2030 werden voraussichtlich 6 Mio. Menschen pflegebedürftig sein, mehr als 1 Mio. mehr als erwartet. Quelle: Barmer Pflegereport/ Barmer Ersatzkasse. 2025 wird ein Anstieg des Pflegebeitrags erwartet.

Sterbehilfe: Das Verbot der organisierten Sterbehilfe wird im Februar 2020 vom Bundesverfassungsgericht gekippt.  Das Verbot verletze den Einzelnen im Recht auf selbst bestimmtes Sterben.

Betreuungsgeld (auch "Herdprämie" genannt): wird 2012 von der Regierungskoalition in Deutschland beschlossen. Sie gilt ab August 2013. Wer sein eins bis drei Jahre altes Kind nicht in die Kita gibt, sondern zu Hause erzieht, bekommt 100 € (ab 2014 dann 150 Euro). Diese Prämie kann aufgestockt (um 15 €) werden bei Verwendung für die Rente oder bei Investition in Ausbildung der Kinder. Dieser letzte Aspekt wird vom Bundesrat nicht genehmigt. Das Geld ist politisch sehr umstritten: Freikaufen vom Kita-Ausbau, veraltertes Rollenbild, Förderung der Geburtenrate, Freiheit der privaten Entscheidung, Urvertrauen der Kinder herstellen  u. a. Im Zuge der politischen Verhandlung wird die Praxisgebühr abgeschafft ab Januar 2013 ("Kuhhandel"?). 2014 kommt eine Studie des Deutschen Jugendinstituts in München zu dem Ergebnis, dass die Leistung insbesondere von sozial Schwachen und Familien mit Migrationshintergrund in Anspruch genommen wird. Gerade die Kinder dieser Familien sollten in Kitas. Der Ausbau der Kitas ist rasant. Auf der Strecke blieb die Qualität. Experten fordern bundesweite Mindeststandards. Dazu findet sich im neuen Qualitätsgesetz von 2014 nichts. Mitte 2015 erklärt das Bundesverfassungsgericht das Betreuungsgeld für verfassungswidrig, weil es Ländersache sei.  2014 waren 16,6% der Bezieher Ausländer (Anteil an der Gesamtbevölkerung 9%; knapp 400.000 Eltern sind Bezieher; Destatis; das Bundesverfassungsgericht überprüft, ob der Bund überhaupt zuständig war). Vgl. auch: Fendel, Tanja/ Jochimsen, Beate: Betreuungsgeld - familienpolitische Leistung oder Hindernis bei der Arbeitsmarktintegration, in: Wirtschaftsdienst 5/ 2023, S. 309ff.

Familienpolitik: Es gibt in Deutschland (Stand November 2013) 157 familienbezogene Leistungen (auch als Gießkannenprinzip bezeichnet): Das oben beschriebene Betreuungsgeld ist eine der Säulen. Weitere sind das Kindergeld, das Ehegattensplitting, die beitragsfreie Mitversicherung und die Kinderbetreuung. Bundesfamilienministerin Schwesig will 2016 ein Familiengeld einführen. 300 Euro monatlich sollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern. Die Eltern müssen ihre Arbeitszeit auf 28 bis 36 Stunden reduzieren.  Ab 2017 soll das Kindergeld leicht erhöht werden (mindestens 190 Euro pro Kind, + 2€; außerdem Anhebung des Grundfreibetrages). Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD im Februar 2018 wird eine Erhöhung des Kindergeldes vereinbart (im Laufe der Legislaturperiode plus 25€).

Familien- und Ehe- bezogenen Leistungen: 2010 betrugen diese Leistungen ca. 200 Mrd. Euro. Die auf die Ehe bezogenen Ausgaben lagen bei 75 Mrd. €. Die Familien-bezogenen Leistungen betrugen 125,5 Mrd. €. Damit liegt die Familienförderung bei 3,07 % des BIP (OECD-Durchschnitt 2,61%). Trotzdem liegt die Geburtenrate bei 1,39 (OECD 1,74).Vgl. Der Spiegel 6/2013, S. 22-29.

Frühförderung der Familie: Viele Forschungsprojekte zeigen, dass hier das Geld am besten angelegt ist (vgl. z. B. James Heckman, Wirtschaftsnobelpreis 2000, Catch ´em Young, Wall Street Journal, 2005). Geförderte frühkindliche Bildung nützt den Kindern und der Gesellschaft am meisten. Ungleichheit in früher Bildung führt zu Ungleichheit im Erwachsenenalter. Die Mittel- und Oberschicht investiert am meisten. 

Starke - Familien - Gesetz: Kommt 2019. Der Nachwuchs von Eltern mit geringem Einkommen sollen von höheren Sozialleistungen und mehr Geld für Schulessen und Nachhilfe profitieren. Interessant ist die neue Begriffsbildung. Der Offizielle Name des Gesetzes ist so lang, dass man die Kurzbezeichnung wählt, die aber eine Wertung darstellt. Vorher gab es schon ein "Gute-Kita-Gesetz", nach dem gleichen Prinzip.

Gutscheine für haushaltsnahe Dienstleistungen: 18 Monate Gewährung für 15 Stunden pro Monat (6 Euro pro Stunde). Ziel ist die frühere Rückkehr (nach einer Geburt) hoch qualifizierter Frauen in den Beruf und die Eindämmung von Schwarzarbeit.

Sozialausgaben (Sozialbudget): 2012 lagen die Ausgaben bei 782,4 Mrd. Euro (knapp 30% des BIP). 2009 betrugen die Ausgaben 747,4 Mrd. Euro. Die Sozialtransfers haben sich in Deutschland gegen den Trend entwickelt (2010: ca. 27%; 2014: ca. 26%). In den anderen Ländern der EU sind sie dagegen stark gestiegen (Quelle: OECD, Statista, 2015). 2016 hat Deutschland 918 Mrd. Euro für Sozialleistungen ausgegeben (+3,7% gegenüber Vorjahr). Im Jahre 2017 werden die Sozialausgaben erstmals wieder über 40 Prozent ansteigen. 2015 liegen sie noch bei 39,8%. Die Quote hängt stark von der Entwicklung des Arbeitsmarktes ab. Die Sozialausgaben steigen in Deutschland stärker als das BIP. Das hängt nicht nur mit wachsendem sozialen Elend zusammen. Zu Beginn des Sozialstaats 1880 setzten heutige OECD-Länder bloß rund 1% ihres BIP für Sozialausgaben ein. 2018 liegt der Durchschnitt bei 21%. Selbst in den USA, die eine freie Marktwirtschaft darstellen, liegen diese Ausgaben bei 19%. Zählt man die privaten Ausgaben, oft vom Arbeitgeber, noch dazu, rücken die USA ganz nach vorne, nur noch von Frankreich übertroffen. Im Jahr 2020 lag der Anteil der Sozialausgaben an den Staatsausgaben (andere Basis!) bei 52% (2023 lautet eine Prognose 51,5 %). Darin gibt es einige Faktoren, die zu berücksichtigen sind: Höhe der Basis Staatsausgaben, Art der Sozialausgaben (Verschiebungen in den Posten Arbeitslose, Renten, Gesundheitswesen).

Sozialabgaben: Beiträge der Versicherten und der Arbeitgeber zur Sozialversicherung. Grundsätzlich sollen beide die Hälfte bezahlen. Die Sozialabgaben sollen in Deutschland unter 40 Prozent bleiben.

Sozialhilfe: Die Ausgaben für Sozialhilfe sind 2011 bundesweit auf 22,7 Mrd. € gestiegen (4,5%). Pro Kopf sind dies in Deutschland 278 € (Statistisches Bundesamt). Den höchsten Pro-Kopf-Anteil haben die drei Stadtstaaten. Mit 57% liegt die Eingliederungshilfe für Behinderte vorne. Dann folgen die Ausgaben für Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (19%) sowie die Hilfe zur Pflege (14%). 2016 wird im Arbeitsministerium ein Gesetzentwurf erarbeitet, dass der Sozialhilfeanspruch von Ausländern erst nach fünf Jahren eintritt. Die staatlichen Sozialhilfeausgaben sind 2015 um 4,8% auf 27,7 Mrd. € gestiegen. Zum Jahresende 2015 bezogen 1,038 Mio. Menschen Leistungen aus der Grundsicherung. Die Bundesregierung will ab 2017 die Sozialhilfe für EU-Ausländer begrenzen. Diese soll frühestens nach fünf Jahren gezahlt werden. Dies beschließt der Bundestag so. Die Ausgaben für Sozialhilfe sind 2016 auf 29 Mrd. € gestiegen (4,5%). Am stärksten war der Anstieg bei der Pflege (6,4% auf 3,8 Mrd. €). 2017 steigen die Sozialhilfeleistungen um 2,9% auf 30 Milliarden Euro (17,2 Mrd. € fallen auf Eingliederungshilfen für behinderte Menschen). 2020 sind dei Ausgaben für Sozialhilfe um 6,5% gestiegen. Das waren 14,4 Mrd. € netto. Mehr als die Hälfte wurde für Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderung ausgegeben. Den größten prozentualen Anstieg hatte die Hilfe zur Pflege. Quelle: Statistisches Bundesamt 2021.

Heizkosten-Bundeszuschuss: Angesichts deutlich gestiegener Energiepreise soll ein einmaliger Heizkostenzuschuss für Bedürftige kommen. Das sind Transferleistungsempfänger, Rentner und Alleinerziehende. Profitieren sollen 2,1 Mio. Menschen. Den Staat wird das ca. 190 Mio. € kosten. Der Zuschuss liegt zwischen 135 und 175 € (plus zusätzliche Person 35€). Die Auszahlung soll im Juni 2022 sein.

Öffentliche Fördermaßnahmen als Ausgleich für die Explosion der Energiepreise 2022 (Inflation, Ukraine, Knappheit): Die Wende zu grünen Energiequellen beinhaltet also auch das Risiko einer mittelfristig höheren Inflation. Der Haupttreiber für die im europäischen Vergleich, aber auch im weltweiten Bezug, hohen Strompreise in Deutschland sind Steuern und Abgaben. Vielleicht sollte es Hilfe geben für diejenigen, die sich Strom bald nicht mehr leisten können. Die Hilfe soll als Einmalzahlung für bedürftige Haushalte (Rentner, Transferleistungsempfänger) im Juni 2022 kommen (zwischen 125 und 175€, 35€ für zusätzliche Person). Der Heizkostenzuschuss wird am 16.3.22 verdoppelt. Es kommen auch höhere Freibeträge. Der Ukraine -Krieg treibt die Preise weiter. Lindner fordert einen Tankrabatt, die Grünen wieder ein Tempolimit. Sie sind auch eher für eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Treibstoff. Andere sprechen sich für ein Energiegeld aus (Details unklar, Auszahlung unklar). Experten sprechen sich auf eine Beschränkung der Förderung auf einkommenschwache Haushalte und industrielle Notlagen aus. Vgl. Fuest, Clemens: Ein Schirm darf nicht zur Gießkanne werden, in: WiWo 12/ 18.3.22, S. 43. Als weitere Entlastungsmaßnahme wird ein Mobilitätsgeld diskutiert (für Einkommensschwache). Es soll vom Arbeitgeber gezahlt werden und mit der Lohnsteuer verrechnet werden. Schließlich werden am 23.322 folgende konkrete Maßnahmen beschlossen: Einmalig 300 Euro für ArbeitnehmerInnen und Selbständige. Einmaliger Familienzuschuss von 100 Euro pro Kind. Erhöhung der Einmalzahlung an Empfängerinnen von Transferleistungen auf 200 Euro pro Person. Vorübergehende Senkung der Energiesteuer für drei Monate. Drei Monate für nur 9 Euro pro Monat den öffentlichen Nahverkehr nutzen.

Grundlagen des Sozialstaates: Statistisch wird der soziale Aspekt (soziale Marktwirtschaft!) über die Sozialleistungsquote gemessen (bei uns etwa 30%, aber Definitionsspielraum). Die Finanzierung erfolgt über Abgaben (Sozialversicherungsbeiträge) und Steuern. Dafür besteht ein Zwang. Reformbedarf besteht insbesondere in einer Verbesserung der Prävention im Regelsystem. Die Effizienz muss insgesamt erhöht werden. Vgl. auch: Cremer, Georg: Entpört Euch!, in: FAZ Nr. 270, Mo. 19. Nov. 2012, S.7. "Die Wurzeln der Probleme, vor denen die europäischen Länder stehen, liegen allein in den überforderten Sozialsystemen. Ich halte die Arbeits- und Sozialgesetze für überflüssig. Sie begünstigen nur die Faulheit, oder genauer den Unwillen, hart zu arbeiten", Jin Liqun 2011, Chef der China Investment Corporation.

Sozialstaat 4.0: Die Industrie 4.0 braucht einen Sozialstaat 4.0 Die Digitalisierung muss durch Sozialreformen begleitet werden. In den USA weisen immer mehr Wissenschaftler auf ein Grundeinkommen für alle hin. Viele Menschen werden ihren Arbeitsplatz verlieren. Andere werden keinen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz mehr finden (mehr Selbständige, mehr Projekte).

Das soziale Fundament in Dimensionen und die Indikatoren: Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung, Einkommen und Beschäftigung, Wasser und Hygiene, Energie, Netzwerke, Wohnen, Gleichstellung und Geschlechter, Soziale Gerechtigkeit, Politische Mitsprache, Frieden und Gerechtigkeit. Vgl. Kate Raworth: Die Donut-Ökonomie, München 2018, S. 358f.

Essen auf Rädern: In den USA werden mit dem Transport von Lebensmitteln schon Milliarden umgesetzt. Der Service ist häufig nicht teuer. Konzerne wie Uber und Amazon verdrängen zunehmend kleine Anbieter.

Öffentliche Wohnraumförderung: Die hohen Flüchtlingszahlen und die wachsende Nachfrage nach Wohnungen in Ballungsräumen haben das Thema neu entfacht. Vorgeschlagen werden soziale Wohnraumförderung, dynamisches Wohngeld, Verbesserung der Finanzierung, Förderung des Eigentums, Wohnungsgenossenschaften. Vgl. Öffentliche Wohnraumförderung - auf dem richtigen Weg? in: Wirtschaftsdienst 2016/ 5, S. 307ff. Alle Parteien sind sich darüber einig, dass Wohnen neu gedacht werden muss. Einbezogen werden müssen folgende Aspekte: bezahlbarer Wohnraum für Ärmere in der Stadt, Verkehr in die Städte, alte Menschen u. a. Auch im Abschlussbericht der Sondierungen zwischen CDU/CSU und SPD Mitte 2018 ist eine Förderung des sozialen Wohnungsbaus vorgesehen. Das Baukindergeld, das 2018 eingeführt wurde, wird vor allem für den Kauf bestehender Häuser und Wohnungen eingesetzt. 

Wohngeld: Das Wohngeld ist ein staatlicher Zuschuss zur Miete für Haushalte, die zwar keine Sozialleistungen beziehen, trotzdem aber wenig Geld haben. Im Herbst 2022 kommt eine Wohngeldreform, um HH zu unterstützen, die unter den hohen Energiepreisen und der Inflation leiden. Zu den bisherigen 600.000 HH könnten bis zu 1,4 Mio. dazukommen. Der Personalmangel in den Ämtern kann zu großen Verzögerungen bei der Auszahlung führen. Ab Januar 2025 kommen mehr Zuschüsse zum Wohngeld (durchschnittlich 20€). Ende 2023 beziehen in Deutschland 1,2 Mio. Haushalte Wohngeld. Grund ist da szum 1. Januar 2023 in kraft getretene Gesetz zur Erhöhung des Wohngeldes (Wohngeld-Plus-Gesetz). dei Ausgaben von Bund und Ländern für Wohngeld haben sich 2023 auf 4,3 Mrd. € verdoppelt.

Sozialer Wohnungsbau: Immer mehr Menschen wollen in der Stadt leben, können aber oft den Wohnraum nicht bezahlen. In Ballungsräumen sind Wohnungen ein knappes Gut. Öffentlicher Wohnungsbau ist fast die einzige Möglichkeit, solche Fehlentwicklungen zu bekämpfen. Viele Städte haben hier in den vergangenen Jahren gesündigt, indem sie öffentliche Wohnungen an private Investoren verkauft haben. Der Staat kann auch Einfluss nehmen durch Bauland, Wohngeld, relativ hohe Einkommensgrenzen für Sozialwohnungen, Fehlbelegungsabgabe u. a. Bis 2035 (ab 2023) fallen jährlich 40.000 Sozialwohnungen aus dem Bestand. Das aktuelle Niveau liegt bei 1,07 Sozialwohnungen in Deutschland. Die Bundesregierung hat sich den Bau von jährlich 100.000 Sozialwohnungen zum Ziel gesetzt. Vgl. Der Spiegel 49/ 2.12.23, S. 59. Diese Planung kann nicht eingehalten werden.  Gewerkschaften und Sozialverbände kritisieren 2024 ein Missmanagement der Politik im Umgang mit günstigem Wohnraum. statt mehr Sozialwohnungen zu bauen, zahle der Staat oft überhöhte Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt. Quelle: Verbände - Bündnis Soziales Wohnen, Pestel - Institut. Bis 2037 will die Bundesregierung die Wohnungsnot beheben. Über 600.000 Menschen sind 2024 obdachlos.

Sozialwohnungen:  Es gibt immer weniger Sozialwohnungen in Deutschland. 2022 gab es rund 1,088 Mio. solcher Wohnungen. Das waren 14.000 weniger als ein Jahr zuvor. Neu gebaut wurden 2022 22.545 Sozialwohnungen, weit unter dem Ziel von 100.000. Verbände fordern eine längere Bindungsdauer und eine verbindliche Quote. Quelle: Bundesregierung. 2022 fehlen in Deutschland 900.000 Sozialwohnungen. Der Bedarf in den Bundesländern ist unterschiedlich. Am größten ist der Bedarf in Baden-Württemberg (206.000) und Bayern (195.000). Am geringsten ist er in Hamburg (5000) und NRW (4000).

Mieten: Die Mieten in vielen Städten sind enorm gestiegen. Das liegt hauptsächlich an den gestiegenen Baulandpreisen. Seit den Sechzigerjahren ist der Boden bundesweit um rund 1800 Prozent teurer geworden. Die leistungslosen Gewinne müssten sicher höher besteuert werden. Boden ist unvermehrbar und deshalb kein Wirtschaftsgut. 2018 kommt eine verschärfte Mietpreisbremse (alte seit 2015). Sie soll mehr Transparenz und Strafen bei Luxussanierung bringen. Die SPD fordert sogar einen Mitpreisstopp (5 Jahre nur inflationsbedingte Steigerung bis sich der Wohnungsmarkt entspannt hat).

Teilhabegesetz: Menschen mit Behinderung sollen mit diesem Gesetz, das 2016 beschlossen wird, mehr Selbstbestimmung bekommen. Höhere Freibeträge beim Vermögen, weniger Antragswirrwarr und mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt soll das Gesetz bringen. länder und Kommunen geben pro Jahr rund 17 Milliarden Euro für die Eingliederungshilfe aus.

Familienfreundliche Arbeitsbedingungen: Flexible Arbeitszeit, Rücksichtnahme auf Eltern bei Urlaubs- und Dienstplänen, flexible Arbeitsorte, Teilzeitangebote, Erleichterung des Wiedereinstiegs nach Elternzeit, gezielte Förderung weiblicher mitarbeiter, Unterstützung von pflegebedürftigen Angehörigen, Kinderbetreuung, aktive Ermutigung von Vätern zu Eltern-/ Teilzeit/ Homeoffice.

Jugendämter: Die Anzahl der Inobhutnahmen ist in Deutschland zuletzt deutlich gewachsen. So nahmen die Jugendämter 2022 mehr als 66.400 Kinder und Jugendliche vorübergehend in Obhut. Der Anstieg gegenüber dem Vorjahr betrug 40 %. Quelle: Statistisches Bundessamt 2023.

 

Hochschule Halmstad im Südwesten von Schweden. Sie ist eine Partnerhochschule der HWG Ludwigshafen und hat einen Schwerpunkt in der Gesundheitsökonomie. Man müsste neue Mobilitätskonzepte auch mit der Gesundheit verbinden. Wahrscheinlich sind Mini-Verkehrsmittel (wie die hier fotografierten Fahrräder "Birdys", die man falten kann) sehr gut dafür geeignet, die letzten Kilometer zurückzulegen. Vorher sollten öffentliche Verkehrsmittel benutzt werden. Die Fahrräder gelten gefaltet als Gepäck und können auch im ICE mitgenommen werden. Sie scheinen mir wesentlich sinnvoller als E-Scooter.

Gesundheit/ Gesundheitspolitik/ Gesundheitsökonomik (+Pflege). Betriebliche Gesundheitsförderung/ Prävention. Methoden der Gesundheitsförderung, Gesundheitspsychologie, Gesundheitswissenschaften,  Ökonomik des Lebens. Vgl. auch Smart Health, eHealth-Infrastruktur, Digital Healthcare bei Mercator/ digital - Gesundheit.

There´s nothing more important than our good health - that´s our principal capital asset", Arlen Specter (1930-2012, amerikanischer Politiker: das waren noch Zeiten!).

Gesundheit: Die Definition ist sehr schwierig. Sie hängt von Kultur und Zeit ab. Es gibt eine offizielle Definition der Weltgesundheitsorganisation. Im antiken Griechenland war sie ein Gleichgewicht. Kein Laborwert bestimmt, ob wir krank sind. Es kann eine Befähigung sein, innere Bewältigungsfähigkeit. Vgl. Was heißt es, gesund zu sein, Herr Maio? in: Die Zeit 29/ 4.7.24, S. 36.

Gesundheitspolitik: Entwicklung von Organisationsformen des Gesundheitswesens, Angebots- und Nachfragedeterminanten für das Gut "Gesundheit", Indikatoren für den Gesundheitsstatus der Bevölkerung oder eines einzelnen. Beurteilungsraster ist die kurzfristige Kostendämpfung, die langfristige Beitragsstabilität, die sozialpolitische Ausgewogenheit, die Anpassungsfähigkeit, die Allokationseffizienz, die Anreize für die Patienten, die Anreize für die Krankenkassen, die staatliche Eingriffsintensität. Es besteht immer ein Spannungsverhältnis zwischen Kosteneffizienz und Leistungsausbau. Konkret geht ab 2018 vor allem um folgende Punke: Ärztehonorare, Ambulante Versorgung, Medikamentenversandhandel, Digitalisierung, Pflege. Bundesgesundheitsminister Spahn will gesetzlich anordnen können, welche Leistungen Krankenkassen übernehmen. Das wäre ein Eingriff in die Selbstverwaltung des Gesundheitswesens. Konkret geht es um das Fettabsaugen.

Gesundheitsmarkt: Gesundheit ist ein konditionales Gut (auch begrenzt und subjektiv). Das prägt den Markt. Es muss immer zwischen dem Rechtsgut "Gesundheitsversorgung", zwischen dem ethischen Prinzip (Menschlichkeit) und der Wirtschaftlichkeit laviert werden. Die demographische Entwicklung stellt den Markt vor große Herausforderungen. 

Beschäftigte im Gesundheitswesen: Zum Jahresende 2021 waren gut 6 Mio. Menschen im Gesundheitswesen tätig. Das waren 169.000 oder 2,9% mehr als Ende 2020. Grund für den Anstieg sei die Anzahl zusätzlicher Beschäftigter in der Pandemiebekämpfung gewesen. Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, 2023.

Daten zum Gesundheitswesen in Deutschland: 466 Mrd. € umfassten im Jahre 2021 sie Gesundheitsausgaben. 127 Mrd. € betrugen 21 die Bruttoskosten aller Krankenhäuser. 1887 Krankenhäuser gab es 2021. 16,7 Mio. Patientinnen und Patienten wurden 2021 behandelt. 1,2 Mio. ärztliches und nicht-ärztliches Personal arbeitete 2021 in Krankenhäusern.

Öffentliche Gesundheitsausgaben in Deutschland: "In den kommenden Jahrzehnten dürften die öffentlichen Gesundheitsausgaben in Deutschland deutlich zunehmen. Neben den generellen Preissteigerungen wirkt sich auch die zunehmende Alterung der Bevölkerung aus. Selbst im Szenario einer relativ jungen Bevölkerung nimmt der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2050 zu, und die Gesundheitsausgaben je Einwohner steigen damit selbst in diesem Szenario deutlich. Natürlich nimmt gleichermaßen auch das nominale BIP im betrachteten Zeitraum spürbar zu. Damit sollten auch die Beitragseinnahmen der Sozialversicherungen, die durch die Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter determiniert sind, kontinuierlich zunehmen. Da aber der Anstieg der öffentlichen Gesundheitsausgaben den Berechnungen zufolge höher ausfällt als der Zuwachs des nominalen BIP, dürften in den kommenden Jahren und Jahrzehnten, sofern keine Einsparungen im Gesundheitssystem erfolgen, weitere Beitragssatzanhebungen oder zusätzliche Steuerzuschüsse vor allem an die gesetzliche Kranken- und an die Pflegeversicherung erforderlich sein." Siehe Zeddies, Götz: Entwicklung der öffentlichen Gesundheitsausgaben, in: Wirtschaftsdienst 6/ 2023, s. 424-426.

Reformen im Gesundheitswesen: "Das deutsche Gesundheitswesen steht vor einer Vielzahl an Herausforderungen, die sich aus dem demografischen Wandel, den Anforderungen an eine solide Finanzierung und Wirtschaftlichkeit, der Notwendigkeit zur Entbürokratisierung und der Digitalisierung ergeben. Im Mittelpunkt dieses Zeitgesprächs stehen die jüngsten Gesetzesinitiativen, darunter die Krankenhausreform, die Digitalisierungsoffensive sowie die Reform der Notfallversorgung, die darauf abzielen, das System nachhaltiger, effizienter und patientenorientierter zu gestalten. Unter Berücksichtigung der komplexen Wechselwirkungen zwischen politischen, ökonomischen und soziologischen Faktoren wird diskutiert, inwieweit die Reformen dazu beitragen, eine qualitativ hochwertige, effiziente und finanzierbare Gesundheitsversorgung zu erreichen und welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen." Siehe Jochimsen, Beate u. a.: Reformen im Gesundheitswesen: Chancen und Herausforderungen, in: Wirtschaftsdienst 9/ 2024, S. 593ff.

Explodierende Gesundheitskosten: Es gibt verschiedene Wege aus der Kostenfalle: 1. Effizienzsteigerung durch zentrale Steuerung. 2. Reform der Krankenhauslandschaft. 3. Eigenbeteiligungsmodelle. 4. Verlängerung der Lebensarbeitszeit. 5. Erhöhung der Beiträge und Steuerzuschüsse. Vgl. NZZ 17.10.24, S. 1.

Syndemie: Gesundheit ist ein medizinisches, aber auch ein soziales und psychologisches Phänomen. So beschrieb es der Anthropologe Merril Singer. So hat auch Corona - wie jede Krise der öffentlichen Gesundheit - in der vernetzten Welt gesellschaftliche Ursachen. Corona als globale Krise zeigt die Verflechtung von Gesellschaft und Medizin. Vgl. Singer, Merril: Introduction to Syndemics, Hoboken: Wiley 2009.

Digitalisierung und Gesundheit: Digitale Lösungen machen Gesundheitssysteme effektiver und effizienter (bessere Versorgungsqualität trotz kosteneinsparungen). Mit "Deep Data" kann man Krankheiten viel schneller erkennen und besser verstehen. Damit können Therapien personalisiert werden. Die Gesundheitswirtschaft gehört 2017 noch zu einer am wenigsten digitalisierten Branche, obwohl schon Ende 2016 ein E-Health-Gesetz in Kraft getreten ist. Betroffen sind die elektronische Patientenakte bis zur Telemedizin. Chancen werden vor allem in der besseren Vernetzung gesehen. Aber auch Routinebehandlungen können elektronisch unterstützt werden. Die größten Probleme treten beim Datenschutz auf.

Digital Healthcare: Zielgruppe eher 40plus. Kinder kaufen für Eltern. Großtastentelefon mit Notfall-Funkempfänger. Watch mit Health-Funktionen. IT-Möbel.

Gesundheit am Arbeitsplatz: Folgende Elemente sollten ineinander greifen: 1. Anthropometrie (Körpermaße und Proportionen). 2. Partizipative Ergonomie (aktive Einbeziehung der Mitarbeiter in Veränderungen am Arbeitsplatz). 3. Human-Factors-Engineering (menschliche Stärken und Schwächen bei der Gestaltung interaktiver Geräte). 4. Psychosoziales Risikomanagement (Belastungen, Bedingungen und Methoden der Arbeit). Vgl. Management einfach erklärt, München 2021, S. 138f.

Krankheitsausfälle bei der Arbeit: 2023 gab es im Schnitt 20 Fehltage - so viel wie nie vorher. Es waren besonders viele Erkältungen. Es gibt auch eine hohe Fehlquote in der Pflege. Bei den Krankheitstagen hat Deutschland international einen Spitzenplatz (vor Kanada, Schweden, Australien). Hauptgrund ist allerdings die elektronische Übermittlung seit 2022.

Gesundheitspsychologie: 1. Süchte (Alkoholsucht, Nikotinsucht, Spielsucht, Arbeitssucht, Computersucht. 2. Stress: Stressbewältigung, Anpassungsstörungen, Burn-out, Work-Life-Balance, Persönlichkeitsstörungen (Neurosen). Vgl. Waldbrühl, Ulrich: Wirtschaftspsychologie für dummies, Weinheim 2022, S. 287ff.

Ärztebewertungsportale: Nach Gerichtsurteilen muss das Geschäftsmodell geändert werden. Es darf nicht sein, dass man mit einem höheren Geldeinsatz für die Mitgliedschaft eine bessere Bewertung erkaufen kann. Der Arzt hat unter Umständen einen Anspruch auf die Entfernung seines Profils, aber nicht grundsätzlich (Fall "Jameda"). Es darf nicht sein, dass Mitglieder immer besser erscheinen als Nicht-Mitglieder.

Gesundheitsausgaben: Öffentliche und private Ausgaben für den Gesundheitssektor haben 2012 einen neuen Höchststand erreicht. Die Aufwendungen überschritten erstmals 300 Mrd. Euro (Statistisches Bundesamt). Im Vergleich zum Vorjahr war dies ein Plus von 6,9 Mrd. € bzw. 2,3%. Größter Ausgabenposten bleibt die gesetzliche Krankenversicherung. Die Kosten für Medikamente steigen kontinuierlich an. Insgesamt liegt Deutschland mit seinen Gesundheitsausgaben an der Weltspitze (11,2% des BIP). Höher liegen die Ausgaben nur in der Schweiz (12,4%) und in den USA (17,2%). Der OECD-Durchschnitt liegt bei 9% (Quelle: OECD 2017). 2017 erreichen die Gesundheitsausgaben einen neuen Rekordwert (374,2 Mrd. €, mehr als eine Milliarde täglich, Anstieg von 4,9%; quelle: Destatis).

Betrug bei Abrechnungen: 28 Mrd. € könnte der jährliche Schaden durch Betrug im deutschen Gesundheitswesen betragen. Das belegt eine Dunkelfeldstudie der britischen Universität Portsmouth 2022. Ärzte führen das Ranking an 8Täter sind auch Pflegedienste, Physiotherapeuten, Kliniken).

Gesundheitsvorsorge: Deutschland gibt 5472 Dollar pro Kopf pro Jahr aus (2020). Das ist der neunthöchste Wert der Welt. Am teuersten ist das Gesundheitssystem in den USA mit 10.624 Dollar pro Kopf. Schlusslicht ist das bevölkerungsreiche Indien mit nur 73 Dollar.

Gesunde-Herz-Gesetz: Es wird 2024 entwickelt unter Leitung von Gesundheitsminister Lauterbach. Es soll die Haupt-Sterbe-Ursache (350.000 Menschen pro Jahr)in Deutschland bekämpfen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dazu sollen mehr Vorsorge-Untersuchungen durch die Kassen frühzeitig ermöglicht werden. Insbesondere der Cholesterin-Stoffwechsel soll über wacht werden. Es soll Check-ups und frühzeitig Medikamente geben. Die Kassen sind deshalb eher gegen das Gesetz, weil es die Gesundheitskosten erhöhen könnte. Es soll ab Mitte 2025 in Kraft treten.

Coronavirus im Abwasser (Kläranlagen): In der Kanalisation kann man Bruchstücke des Coronavirus messen. Sie sind ungefährlich und nicht ansteckend. Sie sind aber ein guter Indikator für den Virusbefall. Das Prinzip lässt sich nicht nur für Corona nutzen. Neue Erreger könnten  ebenfalls frühzeitig im Abwasser entdeckt werden.

Hohes Alter:  Bestimmte Gewohnheiten begünstigen hohes Alter. Mit einem gesunden Lebensstil können laut einer Studie zufolge 40-jährige Männer im durchschnitt 23,7 Jahre länger leben: körperliche Aktivität, keine Abhängigkeit von Drogen, kein Rauchen, wenig Alkohol, wenig rotes und verarbeitetes Fleisch, keine zuckerhaltigen Getränke. Studie 2023 an der University of Illinois.

Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz: Wir 2018 aufgestellt. Es wird ein Forum im Internet eingerichtet. Dadurch sollen die Gesundheitsausgaben langfristig gesenkt werden.

Gesundheitsreformen: Gesundheitsreformgesetz 1989 (Blümsche Reform), Gesundheits-Strukturgesetz 1993 (Seehofer Reform), Gesundheitsreform 2006, Gesundheitsreform 2009. Bestandteile sind die Private und gesetzliche Krankenversicherung, die Krankenhausfinanzierung, die ambulante ärztliche Vergütung, der Leistungskatalog der GKV, der Kassenwettbewerb, die Verbandsstrukturen, der Arzneimittelmarkt und der Versorgungswettbewerb.

Gesundheitsfonds: Wesentliches Element der Gesundheitsreform. Dient zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung. Bestandteil ist ein Risikostrukturausgleich. Wenn die Mittel aus dem Fonds nicht ausreichen, kann ein Zusatzbeitrag erhoben werden. 2013 sind 4 Jahre nach Einführung des Fonds die Rücklagen so hoch, dass es Rufe nach einer Auflösung gibt. Die Kassen sollen wieder eigene Beiträge erheben.

Selbstbeteiligungskonzepte: Widerspruch zwischen Wirksamkeit und Sozialverträglichkeit. Nachfragereduktion nur bei hoher Selbstbeteiligung, da der subjektive Wert der Gesundheit sehr hoch ist. "Ich habe beschlossen, glücklich zu sein, weil es besser für die Gesundheit ist", Voltaire.

Patientenrechte - Gesetz: 2012 beschlossen. Vor jedem Eingriff vollständige Informationen der Ärzte. Recht des Patienten auf Akteneinsicht. Bei nachgewiesenen groben Behandlungsfehlern Arzt Beweispflicht. In gravierenden Fällen wird Beweislast umgekehrt. Bei Genehmigung von Leistungen Frist für Krankenkassen. Sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes kennen 70 Prozent der Bürger die Gesetzesnovelle nicht.

Krankenhaus-(Report): Vom wissenschaftlichen Institut der AOK verfasst. Untersucht werden 45 Mio. Datensätze für den Report 2013. In Deutschland steigt die Zahl der Operationen. Nur ein Drittel des Anstiegs von 2005 bis 2010 kann auf das Altern der Gesellschaft zurückgeführt werden. Das System der Fallpauschalen ist aber mitverantwortlich. 2012 wurde sogar 15,7 Mio. mal operiert (300.000 mehr als 2011; Statistisches Bundesamt). 2013 stellt das Landgericht Tübingen fest, dass Städte und Kreise künftig Verluste ihrer eigenen Kliniken mit Haushaltsmitteln ausgleichen dürfen. Das Ausspielen privater gegen öffentlicher Träger hätte niemand geholfen. Die rund 2000 Kliniken in Deutschland sollen bis zu einer grundlegenden Reform der Krankenhaus-Finanzierung eine halbe Milliarde Zuschuss 2014 vom Bund erhalten (Verlängerung des Versorgungszuschlags). 2014 kommt eine Krankenhausreform: Es soll weniger Betten und mehr Pfleger geben. Ein Strukturfonds wird eingerichtet. Überkapazitäten werden abgebaut. 42% der deutschen Kliniken haben 2013 rote Zahlen geschrieben. In Deutschland gibt es 2020 1927 Krankenhäuser. In der Corona-Pandemie werden schonungslos die Schwächen offen gelegt. Es gibt viele Lobbyisten und Interessen. Man spricht auch von einer strukturellen Überversorgung (Überkapazität). Deutschland hat pro Kopf die höchsten Gesundheitskosten. Die Lebenserwartung ist niedriger als in vielen anderen europäischen Ländern. Die Krankenhauskosten liegen weit über dem europäischen Durchschnitt. Ein besonderes Problem sind fehlende Krankenpflege.

Effizienz im Krankenhaussektor: Krankenhauspolitik ist in Deutschland vorrangig Ländersache. Haupttreiber der Effizienzentwicklung ist die Verweildauer. Weiteren Einfluss hat die Spezialisierung. Mit der Effizienz sinkt in der Regel die Patientenzufriedenheit. Zwischen den Ländern gibt es erhebliche Unterschiede. Hauptinstrument ist die Investitionsförderung. Vgl. Karmann/Rösel: Effizienz im Krankenhaussektor, in: Wirtschaftsdienst 2018/1, s. 50ff. 32% der deutschen Kliniken schreiben 2018 rote Zahlen (Quelle: Krankenhausstudie von Roland Berger). Die Kosten für Krankenhausaufenthalte sind 2017 um 3,9% gestiegen. Die Kosten je Fall betrugen durchschnittlich 4695 €. Quelle: Statistisches Bundesamt 2018. 38% der insgesamt 31763 Intensivbetten in deutschen Krankenhäusern sind im Juni 2020 nicht belegt. Die höchsten freien Kapazitäten hat Schleswig-Holstein (51%), die geringsten Berlin (27%). 548 Covid-199-Fälle finden sich zur Behandlung im Krankenhaus. Um die Kliniken bei Digitalisierung und der Notfallversorgung voranzubringen, stellt die Bundesregierung 2020 ein Investitionspaket von 4 Mrd. € zur Verfügung. Der Gemeinsame Bundesausschuss von Krankenkassen, Ärzten und Kliniken fordert im Juli 2021 eine Reform der Krankenhausversorgung: Jede dritte Klinik in Deutschland sei überflüssig.

Belastung der Krankenhäuser: In der Corona-Krise geraten die Belastungsindikatoren in die Diskussion. Die offiziellen Daten zur Belastung der Krankenhäuser werden infrage gestellt. Es gibt folgende Indikatoren: 1. Gemeldete Covid - Fälle pro 100.000 Einwohner. 2. Stationär aufgenommen Covid - Patienten pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche. 3. Belegte Betten auf Intensivstationen. 4. Alter und Anzahl der stationär behandelten Covid - Patienten. Vgl. Machowecz, Martin: "Nicht mehr nur in Angst leben", in: Die Zeit Nr. 8/ 17. Februar 2022, S. 22. Überlastete Ärzte in den Kliniken denken über einen Berufswechsel nach. Die Arbeitsbelastung ist hoch und es fehlt oft die Wertschätzung. Quelle: Umfrage Marburger Bunde 2022. Die Bundesregierung will die Krankenhäuser per Gesetz verpflichten, für ausreichendes Pflegepersonal in den Kliniken zu sorgen. Dazu soll PPR 2.0 kommen (Pflegepersonalbemessung). Im November 22 kommt ein Programm für Krankenhäuser, das die gestiegenen Energiekosten übernehmen soll. Krankenhäuser werden auch von den Sparmaßnahmen ausgeklammert. Im Jahre 2022 sind die Kinderkliniken in Deutschland am Limit. Vielen Mädchen und Jungen machen Infektionen der Atemwege zu schaffen. Die Zahl der Infektionen ist sehr hoch, weil wegen Corona das Immunsystem nicht trainiert werden konnte. Den Kliniken fehlt Personal. Bei den Medizinerinnen und Pfleger in Krankenhäusern pro 1000 Einwohner führt die Schweiz vor Deutschland.

Notfallkliniken: 2018 kommen strengere Auflagen für Notfallkliniken. Die Krankenhäuser müssen Mindestanforderungen erfüllen. Alle anderen verlieren die Zuschläge.

Notaufnahme ("Eintrittsgeld"): Bis zu 60% aller stationären Patienten kommen über  die Notaufnahme. Deshalb sind die Notaufnahmen und die Krankenhäuser überlastet. Man arbeitet an Plänen, wie man die Notaufnahme entlasten kann (Gebühr, Arztpraxis vorschalten). Die Union fordert im Mai 2023 eine Gebühr von 20 €, um Ambulanzen zu entlasten. Nur echte Notfälle sollten behandelt werden.

Telenotärzte: Mehrere Bundesländer setzen schon darauf. Sie sollen auf dem Land Engpässe ausgleichen. Gearbeitet wird mit einer virtuellen Verbindung zwischen Notarzt und Sanitäter.

Rettungsdienste: Das Problem der Notfallversorgung ist groß. Der Gesundheitsminister macht 2023 Vorschläge für eine Generalüberholung. Es gibt 16 unterschiedliche Landesgesetze. zusätzlich bestehen Fehlanreize (Anspruch auf Fahrtkosten). Es werden integrierte Leitstellen vorgeschlagen.

Blutspenden: 2022 sanken die Vollblutspenden um ein Viertel gegenüber 2012: 2012 4,77 Mio.; 2022 3,58 Mio. Die aktuellen Blutkonservenvorräte reichen immer weniger. Quelle: Paul-Ehrlich-Institut, Berlin September 2023.

Krankenhäuser im ländlichen Raum: Krankenhäuser in dünn besiedelten Gebieten zu denen es in erreichbarer Nähe keine Alternative gibt, sollen ab 2020 400.000 € an Fördermitteln bekommen. Mehr als die Hälfte der Kliniken liegt in Ostdeutschland. In RLP sollen 7 Kliniken davon profitieren.

Krankenhausstudie 2019: Das Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (Iges) erstellt 2019 eine Studie über Krankenhäuser. Das Fazit ist, dass 800 Krankenhäuser geschlossen werden sollten. Das wäre jedes zweite Krankenhaus in Deutschland (es 1400). Viele Krankenhäuser seien zu klein und verfügten nicht über die nötige Ausstattung und Erfahrung. Die Gesundheitsverbände und das Bundesministerium plädieren eher für einen Mix aus wohnortnaher Versorgung und Spezialisierung.

Finanzlage der Krankenhäuser: Die Deutsche Krankenhausgesellschaft schlägt Ende 2021 Alarm. Nur 40% der Häuser bleiben 2021 ohne finanziellen Verlust. Als Hauptgrund der Misere gilt Corona. Als Folge wurden viele Operationen verschoben oder unterblieben. Bundesgesundheitsminister Lauterbach will das Fallkostenpauschalen-System abschaffen. Der GKV sieht das kritisch. Für 2023 wird eine Pleitewelle in Krankenhäusern befürchtet. 59% der Kliniken rechnen mit roten Zahlen. Jeder fünften Klinik droht die Insolvenz. Quelle: Krankenhausgesellschaft, FAZ 18.1.23, S. 17. Die Kommunen schlagen Alarm, insbesondere der Deutsche Städtetag. 2023 steckt das Westpfalzklinikum in einer akuten Finanzkrise. Dazu gehören die Standorte Kaiserslautern, Kirchheimbolanden, Rockenhausen und Kusel. Man benötigt 22,5 Mio. €. Es wird ein neues Finanzierungskonzept aufgestellt. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnt, dass 2024 80 Krankenhäusern die Insolvenz droht.

Reform der Krankenhäuser (Klinikreform, ab 2022): Gesundheitsminister Lauterbach hat einige Pläne. Er will Krankenhäuser schließen, auf unnötige Operationen verzichten, Pflegekräften mehr Verantwortung geben. Die Fallpauschale will er zurückfahren. Die Kliniken sollen sich spezialisieren und eine Mindestzahl an Behandlungen durchführen. Lauterbach holt die Länder mit ins Boot. Es soll einen gemeinsamen Referentenentwurf geben. Viele Ideen schwirren im Raum: 1. Mehr Hierarchie und Spezialisierung. 2. Weniger Operationen und mehr Kapazität. 3. Weniger Krankenhaustage und mehr Ambulanzen. 4. Die Digitalisierung der Patientendaten. Vgl. Tutt, C. u. a. : Klinisch scheintot, in: WiWo 8/ 17.2.23, S. 14ff. Lauterbach will auch die Länder mehr in die Pflicht nehmen. Mit dem Thema Krankenhausfinanzierung geht Lauterbach ein  hohes Risiko ein. Gelingt ihm die Reform, könnte er ein erfolgreicher Gesundheitsminister werden. Lauterbach will die Krankenhäuser in drei Klassen teilen: 1. Grundversorgung. 2. Aufwendigere Versorgung. 3. Spezialkliniken/ Unikliniken. Die Länder haben ein Mitspracherecht. Bei der Finanzierung hat der Bund den Hut auf. Am 10.7.23 einigt man sich auf Eckpunkte der Krankenhausreform: Abbau der Fallpauschale durch ein System der Vorhaltepauschale. Die Mehrheit der Länder stimmen zu. Bundestag und Bundesrat müssen später noch zustimmen. Es gibt Versorgungsstufen, Leistungsgruppen und Qualitätsstandards. Am 22.11.24 wird die Reform im Bundestag verabschiedet. auch die Länder wollen zustimmen, damit sie ab 2025 gelten kann.  In Deutschland gibt es Anfang 2023 1900 Krankenhäuser. 1071 würden für eine optimale Versorgung reichen. Bei den Krankenausbetten pro 100.000 Einwohner führt Anfang 2023 Südkorea vor Deutschland (12,6). "Wir wollen das System der Fallpauschalen überwinden", Karl Lauterbach, 2023. Bayern, NRW und Schleswig-Holstein haben im März 2023 ein Rechtsgutachten gegen Lauterbachs Krankenhauspläne in Auftrag gegeben. Auch einige andere Länder sind gegen die Reform in dieser Form. Im Bundestag wird die Reform am 17.10.24 beschlossen.

Krankenhausbetten: 2021 hat Deutschland pro 1000 Einwohner die meisten Krankenhausbetten im europäischen Vergleich. Es sind 7,8. Danach kommt Österreich (6,9). Schweden ist Schlusslicht mit 2,0. Quelle: OECD. International hat nur Japan mehr (12,8 Betten pro 1000 Einwohner)

Intensivbetten: Seit Jahren werden kontinuierlich Kapazitäten abgebaut. Das könnte bei einer neuen Pandemie zu Problemen bei der Versorgung führen. Es mangelt vor allem an Pflegepersonal. Es gibt zwei Gründe dafür: 1. Bedarf. 2. Strikter Personalschlüssel.

Langlieger: Sie blockieren die Krankenhausbetten. Weil viele Pflegeheime keine Kapazitäten mehr haben, müssen Patienten länger als nötig im Krankenhaus bleiben. Dazu zählen häufig Menschen ohne Angehörige und Obdachlose.

Vergütung von Krankenhausleistungen: "Deutschland leistet sich nach internationalen Maßstäben überdimensionierte Bettenkapazitäten, die sich auf zu viele und häufig zu kleine Krankenhäuser verteilen. Aufgabe der Länder wäre es, die Struktur anzupassen. Sie scheuen aber den politischen Widerstand der unmittelbar Betroffenen. Einfacher ist es, die Dinge laufen zu lassen. Unter dem Druck, überdimensionierte Vorhaltekosten decken zu müssen, wird daher häufig mehr behandelt, als medizinisch geboten ist. Dieser Missstand hat seine wahre Ursache in mangelhaften Planungsanreizen. Bundesgesundheitsminister Lauterbach versucht dies durch eine Vergütungsreform von Krankenhausleistungen zu beheben. Das Ziel der Reform kann auf dem vorgeschlagenen Weg nicht erreicht werden." Siehe Richter, Wolfram F.: Über neue und alte (Fehl) Anreize in der Reform der Vergütung von Krankenhausleistungen, in: Wirtschaftsdienst 2/ 2024, S. 106-11.

Portal zur Qualität von Krankenhäusern: Öffentliches Transparenzregister. Es soll über verfügbare Leistungen und Qualität informiert werden. Im Bundestag verabschiedet (ab 1. April 24 online). Die Länderkammer "Bundesrat" verzögert Ende 2023 noch.

Uni-Kliniken: Sie haben in der Regel aufgrund von Forschung das höchste medizinische Niveau. Deshalb werden sie in der Regel auch stark von den jeweiligen Bundesländern gefördert. So unterstützt RP die Uni-Klinik Mainz im Landeshaushalt 2025/ 26 mit 400 Mio. €.

Chirurgie: Es ist in Deutschland immer noch eine Männerdomäne. Doch Studien zufolge operieren Frauen mit weniger Komplikationen und besseren Ergebnissen. Vgl. Blech, Jörg: Besser am Messer, in: Der Spiegel 47/ 16.11.24, S. 105ff.

Fehlerhafte Behandlungen/ Behandlungsfehler: 2022 wurden 3200 fehlerhafte Behandlungen durchgeführt. Quelle: Gutachter der Krankenkassen. Die Jahresstatistik Bund des medizinischen Dienstes listet schwere Behandlungsfehler auf. Dadurch gab es 75 Todesfehler 2023. Es gab 2023 151 Never Events (Fehler, die niemals passieren dürfen). Es wurden 12.000 Gutachten angefertigt. Die Union fordert ein Melderegister.

Helios: Ist die größte private Krankenhauskette in Deutschland. Sie gehört zum Mutterkonzern Fresenius. 89 Kliniken gehören 2021 dazu. In der Corona - Pandemie reduziert man das medizinische Personal und nutzt gleichzeitig die Corona-Staatshilfen. Vg. Hamann, G./ Polke-Majeweski, K.: Wenige rÄrzte, hohe Gewinne, in: Die Zeit Nr. 20, 12. Mai 2021, S. 22.

Daten zu Krankenhäuser: Deutschland hat nach Japan die meisten Krankenhausbetten pro 1000 Einwohner (7,8). Die kliniken in Deutschland sind privat (750), Kirchen oder Wohlfahrtsverbände (590) und öffentlich (534). 70% aller Krankenhäuser machen 2024 Verlust. Die Zahl der Krankenhäuser sinkt beständig (1991 2.411; 2023 1.874). Vgl. Die Zeit 44/ 17.10.24, S. 19.

Gesundheitsbranche: Die Gesundheitswirtschaft floriert, auch durch den demographischen Wandel. Nach einem DIHK-Report stehen für 2013  55.000 neue Jobs in Aussicht. In reichen Regionen Deutschlands werden mehr Knieprothesen eingesetzt als in ärmeren (Bertelsmann-Stiftung 2013).

Härtetest des Gesundheitssystems und des Systems insgesamt (Resilienz): Die Seuche "Corona" greift drastisch in den Alltag der Menschen ein. Sie wird zum Härtetest für jedes Gesundheitssystem. Das hat eine Kapazitätsgrenze. Die ist variabel, je nachdem Maßnahmen ergriffen oder nicht ergriffen werden. Die eingesetzten Maßnahmen sind darauf gerichtet, den Höhepunkt zu verzögern und abzuflachen. Sie sollen die gesundheitlichen Infrastrukturen entlasten. Sie sollen insgesamt die Patientenzahl möglichst gering halten. Die Alten und Schwachen der Gesellschaft müssen besonders geschützt werden. Der Engpass in vielen Ländern, auch in Deutschland, ist die Zahl und Belastung des medizinischen Personals (17000 Pflegestellen nicht besetzt). Deshalb will man Reserven heranziehen (Bundeswehrärzte und -Sanitäter, Tierärzte, Zahnärzte).  Tierärzte sollen auch testen. Medizinstudenten sollen sich freiwillig melden. Die Bundeswehr kann massiv helfen (auch mit Reservisten, 900). Ebenso müssen genug Notfallbetten vorrätig gehalten werden. 20 Prozent Kapazitäten können wohl zusätzlich geschaffen werden. Weitere Kapazitäten sollen in Hallen, Hotels oder stillgelegten Krankenhäusern geschaffen werden. Bei der medizinischen Ausrüstung können kurzfristig Kapazitäten in Deutschland geschaffen werden (weil die Maschinen dafür hier produziert werden; weil in KMU Produktion kurzfristig umgestellt wird). Beispiele sind: Trigema und Mey produzieren kurzfristig Atemmasken, Dräger erhöht die Produktion von Beatmungsgeräten. VW und BMW stellen ihre Bestände zur Verfügung und sollen Beatmungsgeräte selber herstellen. Wenn genug Atemmasken verfügbar sind, soll eine Tragepflicht kommen. Die BASF stellt wieder Desinfektionsschutz her und verteilt sie kostenlos. Auch Jägermeister und Klosterfrau stellen Desinfektionsmittel her. Trotzdem ist die Materialsituation katastrophal: man hat ca. 25.000 Beatmungsgeräte und braucht viel mehr. Viele Generika, die in China und Indien hergestellt werden, können kurzfristig wieder produziert werden. Antivirale Arzneien waren in der Vergangenheit den Herstellern in der EU nicht lukrativ genug. Gesundheits- und Pflegeberufe werden im Wert zukünftig wieder steigen (Bayern gibt Bonus, der bis 1500 € steuerfrei ist) . Man kann in Deutschland in der Woche ca. 200.000 Tests durchführen (Stationen, Labore). Man will auf 300.000 erhöhen. Das ist ein großer Vorteil in der Diagnostik, so kann man früh dran sein kann, was sehr wichtig ist. Die 4 Mio. Pflegebedürftigen stehen vor immer größeren Problemen (erweiterte Quarantäne, schnellere Tests, osteuropäische Pflegekräfte können nicht einreisen). Wellen von Toten gibt es in Pflegeheimen, die zu Hochrisikozonen werden. (Beispiele Würzburg, Wolfsburg, Paderborn). Die Pflegekassen machen Rettungsschirme. Mittlerweile will China (Alibaba, Huawei) Hilfsgüter in die EU schicken (hauptsächlich nach Italien). Die Bundesregierung will den Kliniken in Deutschland zusätzlich 7,8 Mrd. € zur Verfügung stellen. Das ist für Einnahmeausfälle durch verschobene Operationen und die hohe Zahl von Intensivbetten. Das Hilfspaket umfasst insgesamt 10 Mrd. € für Klinken und Arztpraxen. Man entwirft auch schon einen Kriterienkatalog für die Entscheidung über Leben und Tod, wenn die Intensivkapazitäten nicht mehr ausreichen (Manchester Triage). Auch andere EU-Länder sollen in der Krise unterstützt werden (Italien - Ausrüstung; Frankreich - Patienten in deutschen Kliniken, Bundeswehr). Der größte Engpass des Gesundheitssystems sind fehlende Pflegekräfte (vielleicht könnte man durch höhere materielle Anreize viele zurückgewinnen; Zuschläge). Es kommen Zuschläge in einzelnen Bundesländern und auch tariflich vereinbart, die bis 1500€ steuerfrei sind. Wahrscheinlich wird man Kapazitäten zentral verteilen müssen (im Süden Kliniken überlastet, im Norden Betten frei). Man wird sicher nach der Krise intensiv über Gesundheits- und Daseinsfürsorge als öffentliche Aufgabe diskutieren müssen. Vgl. Jochimsen, Beate: Resilienz im Gesundheitswesen stärken, in: Wirtschaftsdienst 3/ 2023, S. 179-185.

Gesundheitsämter: In Seuchen kommt den Gesundheitsämtern eine tragende Rolle zu. sie müssen die Kontaktverfolgung leisten. Zu diesem Zweck führt man regionale Grenzwerte ein. Bei Corona ist ein Grenzwert: 50 Infizierte auf 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche. die Gesundheitsämter werden aufgestockt. Sie werden auch vorübergehend durch Studenten und die Bundeswehr unterstützt.

"Heuschrecken" in Arztpraxen (Finanzinvestoren): Längst haben Finanzinvestoren aus aller Welt den deutschen Gesundheitsmarkt entdeckt. Es geht um Kliniken, Arztpraxen (Gemeinschaftspraxen von Fachärzten) und den Pflegebereich. Zu viel Ökonomie, zu wenig Medizin? Praxiskonzerne kaufen kleine Arztpraxen auf und machen hohe Umsätze mit ambulanten Operationen. Die Folgen sind nicht gut: Unnötige Eingriffe sind erst der Anfang. vgl auch: Heinen, Nike: Das Geld aus der Nase ziehen, in: Die Zeit Nr. 3/ 12.1.23, S. 22. 2021 wurden 140 Arztpraxen und Medizinische Versorgungszentren (MZV) durch Finanzinvestoren in Deutschland gekauft. 2022 waren es 174., 2020 134. Quelle: Finanzwende. An der Spitze liegen folgende Bereiche: Augenheilkunde, Labormedizin, Orthopädie, Chirurgie. Investoren im zahnärztlichen Bereich sind PAI Partners, Investcorp., Jacobs Holding AG, Nordic Capital, Medocover u. a. Sie sind ertragshungrig, türmen hohe schulden auf und verordnen gerne lukrative Therapien. Ein Gesetz dagegen (von Lauterbach angekündigt) lässt bis heute auf sich warten.

Einheitliche Volks - Krankenversicherung: In Deutschland sind etwa 90% in einer gesetzlichen Krankenversicherung (2017: 71 Mio.), 10% sind privat versichert (2017: 9 Mio.). Deutschland ist also zweigeteilt. Die GKV funktioniert nach dem Solidarprinzip (die Besserverdienenden und Gesunden unterstützen die Kranken). In der PKV richtet sich die Prämie nach Gesundheitszustand und Alter. Man ist sich darüber einig, dass das falsche Anreize bei Ärzten, Versicherungen und Patienten setzt. Die privat Versicherten entziehen sich der Umverteilung der Beitragslasten, subventionieren mit ihren höheren Zahlungen aber die Ärzte. Die Voraussetzungen, auf denen die gesetzliche Krankenversicherung gründet, sind Vollbeschäftigung und ein funktionierender Generationenvertrag. Dies gilt nicht mehr. Umstritten ist der Ausweg. Auf Dauer wird eine Lösung kommen: eine Grundversorgung für jeden und eine Maxmalversorgung für den, der es sich leisten kann. Für 2011 sinkt die Beitragsbemessungsgrenze, der Beitrag steigt (der Arbeitgeberanteil wird dauerhaft festgeschrieben), Zusatzbeiträge können einkommensunabhängig und ohne Obergrenze erhoben werden. In der Koalitionsverhandlungen im November 2013 kommt das Ende des Einheitsbeitrags. In einem Zusatzprotokoll wird die Deckelung des Arbeitgeberanteils zur Krankenkasse aufgehoben. Die Parität soll ab 01.01.19 wieder bestehen. Ab 2015 können die Krankenkassen die Höhe ihres Beitragssatzes wieder stärker selbst bestimmen.

Bürgerversicherung: Alle neu versicherten Beschäftigten, Selbständigen und Beamten zahlen ein. Bisher privat Versicherte dürfen im ersten Jahr in die GKV wechseln. Arbeitgeber zahlen auf die gesamte Lohnsumme ihres Betriebs einen Beitrag. Steuerzuschuss zeigt dynamisch an. Vor den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU/ CSU wird die Forderung wieder aktuell. Sie wird aber wohl nicht durchgesetzt von der SPD. Andere Ideen tauchen auf: Kassenwahlrecht für Beamte, eine vom Einkommen unanhängige Gesundheitsprämie mit Sozialausgleich, elektronische Patientenakte u. a.. Problemmatisch ist der Sektionswettbewerb zulasten der GKV. Die PKV ist durch den Beamtenmarkt abgesichert. Der Leistungswettbewerb müsste gefördert werden. Vgl. Matthias Kifmann: Krankenversicherung: Zeit für eine Reform, in: Wirtschaftsdienst 2018/1, S. 2f. Mehrere Länder wollen ab 2019 den Beamten den Weg in die gesetzlichen Krankenkassen erleichtern. Das wäre ein Hin zur Bürgerversicherung. Eine Studie 2020 (Beratungsinstitut Iges im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung) empfiehlt die Bürgerversicherung. Gegner der Bürgerversicherung sprechen von Zahlenspielereien. SPD, Grüne und Linkspartei fühlen sich bestätigt.

Krankenversicherung und Parteien: SPD, Grüne und Linke könnten sich eine Bürgerversicherung vorstellen. Die anderen Parteien sind dagegen. Sie wollen mehr kleine Verbesserungen am bestehenden System. Privatversicherungen sollen erhalten bleiben bei fairem Wettbewerb. Die AfD schiebt die Missstände den Migranten zu. In den Koalitionsverhandlungen strebt die SPD eine Angleichung der Honorarordnung für gesetzlich und privat Versicherte an. Es geht um eine gerechtere Honorarordnung für Ärzte. Es kommt eine Kommission zur Reform der Gebührenordnung. Gesundheitsminister Spahn will 2018 eine Senkung der Kassenbeiträge erzwingen, weil die Krankenkassen über hohe Finanzreserven verfügen.  Im April 2019 laufen die gesetzlichen Krankenkassen Sturm gegen ein Gesetz von Spahn, ehrenamtliche Vertreter im Verwaltungsrat durch hauptamtliche Vorstandsmitglieder zu ersetzen.

Gesetzliche Krankenversicherung (GKV): Im Februar 2020 wird eine Reform zur Neuregelung der Finanzbeziehungen der gesetzlichen Krankenversicherungen beschlossen. Der Finanzausgleich soll neu ausgerichtet werden. Es gibt auch neue Verhaltensregeln für den Wettbewerb untereinander. 2023 gibt es wieder Streit um Krankenkassen. Es ist eine Debatte über die Finanzierung der GKV. Experten befürchten ein "Ausbluten der PKV". Es geht insbesondere um die Versicherungspflichtgrenze.   2019 haben die Krankenkassen nach längerer Zeit mal wieder ein Defizit von 1,5 Mrd. €. Die Finanzreserven lagen aber Ende 2019 noch bei 19,8 Mrd. €. 2020 sind 140.000 Menschen in Deutschland überhaupt nicht krankenversichert (Quelle: Statistisches Bundesamt). Die Bundesregierung kann die Zahl nicht erklären, weil Pflicht herrscht. Für 2021 braucht die GKV Milliarden vom Bund (Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds). Laut einer Prognose fehlen den Kassen 16,6 Mrd. €. Die Beitragssätze sollen stabil gehalten werden. Die SPD möchte zusätzliche Kosten der GKV durch Corona durch einen Solidaritätszuschlag decken. Die GKV planen Ende 2020 eine Beitragserhöhung. Im Schnitt liegt der Beitrag bei 15,7%. Im Sommer 2022 muss der durchschnittliche Beitragssatz um 0,3% steigen. Damit soll ein Milliardenloch gestopft werden. Auch 2023 wird wegen eins Rekorddefizits eine Milliarden-Spritze und eine Beitragserhöhung notwendig sein. 2021 sind in Deutschland 73,3 Mio. Versicherte in der GKV. Die Krankenkassen stellen sich für 2025 auf den höchsten Beitragssatz aller Zeiten ein. Der Zusatzbeitrag dürfte 2025 von heute 1,7% auf mindestens 2,45 Prozentpunkte steigen.  Dem Bundesgesundheitsminister werden massive Vorwürfe gemacht.

GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: Dadurch soll das 17-Mrd.-Euro-Defizit ausgeglichen werden. Es soll im Oktober 2022 verabschiedet werden. Vorgesehen ist ein Preismoratorium für Arzneimittel bis Ende 2026. Da sist ein Zwangsrabatt, den Herstellern den Kassen einräumen müssen. Geplant sind auch Preisobergrenzen und Preisabschläge. Die internationalen Pharmakonzerne laufen Sturm dagegen.

Malus-System in Krankenversicherung: Ökonomische Anreize installieren. Höhere Beiträge für Ungeimpfte, Raucher, Übergewichtige und Skifahrer. Der Ökonom Bruno S. Frey plädiert für diese Lösung.

Belohnung für gesundes Verhalten: Wer regelmäßig Sport treibt, soll mit Rabatten auf den Versicherungsbeitrag belohnt werden. So sieht es ein Tarif der Generali-Tochter Dialog vor. Man spricht auch von Telematik-Tarifen. Die Gerichte stehen dem noch skeptisch gegenüber. Sie verlangen Transparenz.

Private Krankenversicherung (PKV): In Deutschland gibt es ein Nebeneinander von gesetzlichen und privaten Kassen. Etwa jeder Zehnte ist privat krankenversichert (8,7 Mio., davon Beamte 4,4 Mio.). Der Trend ist: mehr Beamte, aber weniger Versicherte. Das Ende der PKV könnte bei Medizinern zu enormen Einbußen führen. Besonders hart würde es Arztpraxen auf dem Land und auch Zahnärzte treffen. Vgl. HB 16.5.23, S. 10.

Bedeutung der betrieblichen Gesundheitsvorsorge: Der große Einfluss der Arbeit auf die Gesundheit ist durch eine umfangreiche Datenlage nachgewiesen. Stressbedingte Gesundheitsstörungen müssen dabei besonders beachtet werden. Gesundheitszirkel, Supervisionsgruppen, Weiterqualifizierung der Betriebsärzte sind mögliche Ansatzpunkte.

Gesundheit und Ernährung: Gerade internationale Vergleiche zeigen die herausragende Bedeutung von Ernährungsgewohnheiten. die Mexikaner hatten zum Beispiel über Generationen einen der ausgewogensten Speisepläne der Welt: viel Gemüse, frisches Obst, Maisfladen (Avocados, Tomaten, Mais, Schokolade kannten schon die Azteken). Mittlerweile überwiegen Fast-Food und Cola. Sieben von zehn Erwachsenen sind 2013 übergewichtig. Es wird eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke erwogen.

Obamacare: Die große Gesundheitsreform in den USA. Die Republikaner versuchen mit aller Macht die Reform zu verhindern. Sie verknüpfen sie mit dem Haushalt bis es zum Shut down kommt. Dann kommt die Reform wegen massiver Computerprobleme in Schwierigkeiten Zunächst können nur 1000.000 Versicherungspolicen abgeschlossen werden.

Krebs: Nach dem Weltkrebsbericht der WHO ist diese Krankheit im Jahre 2012 die häufigste Todesursache. 1,6 Mio. Menschen starben 2012 an Lungenkrebs (Umweltverschmutzung und Rauchen). Bis 2030 soll die Anzahl der Todesfälle, die auf Krebs zurückzuführen sind, drastisch ansteigen: 21,6 Mio. Krebsfälle, davon 13 Mio. Todesfälle. Die WHO ruft zu Vorsorgekampagnen auf. Krebsmedikament können heute Leben retten. Sie sind aber auch sehr teuer. Deshalb ist die Behandlung ein lohnendes Feld für Bestechung und Betrug. Die Politik müsste mehr tun (vgl. Schenk, N./ Schröm, O: Die Krebsmafia, Lübbe, 2018). 2022 betrug der weltweite Umsatz mit Krebsmedikamenten 168,6 Mrd. €. (2026 82,6; 2027 326,4?). Bei den Arten liegt Brust vor Lunge. Das größte Pharmaunternehmen dafür ist Bristol Myers vor Roche und Merck. 2024 wird bekannt gegeben, dass König Charles III. Krebs hat.

Crispr-Gentherapie: Von der Nobelpreisträgerin 2020 Jennifer Doudna entwickelt. Erbgut kann so manipuliert werden. Damit könnten zukünftig Volkskrankheiten wie Alzheimer und Krebs geheilt werden. Vgl. Der Spiegel 51/ 16.12.23, S. 94ff.

ME/ CFS: Rätselhafte Erkrankung mit 45 verschiedenen Symptomen. Am schlimmsten ist die totale Erschöpfung, so dass man nichts machen kann. . In Deutschland sind ca. eine Viertelmillion Menschen betroffen. Im August 2023 wird ei Zahl auf 500.000 erhöht, auch durch Long - Covid.  Es gibt 2 Kompetenzzentren in Deutschland: für Erwachsene eins in Berlin. Es gibt noch kaum Therapien. Frauen sind stärker betroffen. eine wichtige Rolle spielen die Gene.

Elefantiasis: Weltweit tragen 120 Mio. Menschen einen Parasiten in sich, der groteske Schwellungen auslöst. In Nepal arbeitet eine Mikrobiologin daran, den Erreger auszurotten. Sie heißt Deena Shresthas.

Tiermedizin und Übertragungen: Hoher Blutdruck von Giraffen, Krebs bei Elefanten. Großsäuger und Mensch begegnen häufig die gleichen Probleme, doch dei Tiere kommen damit oft besser zurecht. Lassen sich in ihren Genen Ansätze für neue Therapien finden. Vgl. Kullmann, Kerstin: Gesund wie eine Giraffe, in: Der Spiegel 3/ 14.1.23, S. 100f.

Diabetes: Volkskrankheit. 8,5 Mio. Diabetiker gab es 2020 in Deutschland. 2040 könnten es 12 Mio. sein. 95% der Patienten sind Typ - 2 - Diabetiker (Übergewicht, Mangel an Bewegung, Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte). sie sorgen für 11% der Krankenversicherungsausgaben. Bei 30% der Covid - Todesfälle wurde eine Diabeteserkrankung festgestellt. Vgl. Wiwo Kompakt 1/2 2022, 7.1.22, S. 8.

Alzheimer: Erstmals wird im november 2024 in der EU ein Mittel zur therapie von alzheimer zugelassen. Lecanemab kann die Krankheit im Anfangsstadium erfolgreich hinauszögern.

Long-Covid: Rund 2,5 Mio. Menschen in Deutschland leiden Mitte 2023 noch an den Folgen einer Corona-Infektion. Viele können nur noch teilweise arbeiten. 40 Mio. € werden für die Erforschung besserer Behandlungsmethoden bereit gestellt. Long-covid entsteht durch Fehlreaktionen der Abwehr. Folgen sind gestörte Darmflora, Autoimmunreaktionen, Thrombenbildung, Gefäßveränderung.

Mpox-Virus: 2024 ruft die WHO eine weltweite Notlage aus. Die EU stellt afrikanischen Ländern Impfdosen zur Verfügung (der Impfstoff gegen klassische Pocken schützt). Für Europa besteht ein geringes Risiko. Am stärksten betroffen sind die Demokratische Republik Kongo, Burundi und Kenia.

Schönheits-Operationen: Es ist ein Milliardengeschäft mit der Schönheit. Besonders beliebt sind die OPs in Brasilien und Mexiko. In Europa locken Türkische Privatkliniken mit billigen Operationen. Aber es gibt große Risiken. Dei britische Regierung warnt sogar davor.

Suizide: Ab 2024 will der Bundesgesundheitsminister eine nationale Präventionsstrategie entwickeln. Durch mehr Hilfsangebote soll die Zahl der Selbsttötungen gesenkt werden. In der Gruppe der 15 bis 25-jährigen ist der Suizid die zweithäufigste Todesursache.

Siesta in der Sommerhitze: Mittags ein Mittagsschläfchen. Amtsärzte und Gesundheitsminister Lauterbach halten 2023 eine Siesta in der Sommerhitze für sinnvoll.

Gesundheit der Menschen und Klimawandel sowie Stadtluft: Der Diesel schadet mit Stickoxiden und Feinstaub. Der Benziner mit Benzol. Besonders problematisch sind Zweitakter. In Innenräumen schadet vor allem das Rauchen. Kinder sind vom Klimawandel besonders betroffen. Allergien und Infektionen könnten stark zunehmen. Es leiden aber auch zunehmend Ältere, chronisch Kranke und Menschen mit schwerer körperlicher Arbeit im Freien. Ärzte fordern 2019 einen Hitzeschutzplan. Quelle: Klimaforschungsprojekt "The Lancet Countdown".

Heilkraft der Kälte: Eistherapien sollen bei Depressionen, Entzündungen, Übergewicht und Krebs helfen. Vgl. Schmundt, Hilmar; bibbern für die Gesundheit, in: Der Spiegel 35/ 26.8.23, S. 100f.

Organspende: Die Zahl der Organspenden in Deutschland geht immer stärker zurück. Experten denken darüber nach, neue Anreize zu setzen. Alwin Roth, der US-Nobelpreisträger, hatte die Idee eines Tauschrings für Nieren. Das funktioniert in den USA in der Praxis. Es gibt auch die Prioritätsregel. Danach erhalten Kranke schneller ein Spenderorgan, wenn sie ihrerseits als Spender registriert sind. Finanzielle Anreize werden im Allgemeinen verworfen. Bundesgesundheitsminister Spahn will 2018 eine Umkehrung der Regelung: Nur wer widerspricht, spendet keine Organe. Im November gibt es einen Gesetzentwurf: Kliniken bekommen mehr Geld für die Entnahme von Organen und Transplantation, Transplantationsbeauftragter, Die Widerspruchslösung soll nicht kommen. Doch im April 2019 kommt der Gesetzentwurf mit Widerspruchslösung . Wer keine Organe spenden will, wird in eine Register eingetragen.  Es gibt auch einen Alternativentwurf mit Beibehaltung der jetzigen Entscheidungsregelung. 2020 will der Bundestag über die Reform der Organspende entscheiden. Eine Organspende soll es weiterhin nur nach Zustimmung geben. Allerdings soll eine stärkere Augklärung mehr Bürger zu konkreten Entscheidungen bewegen. Gesundheitsökonomen fordern neue Anreizsysteme wie in Israel und Chile: Es soll Bonuspunkte für potentielle Spender geben (z. B. Annika Herr, Uni Hannover). Dei FDP will 2024 durchsetzen, dass nicht nur der Hirntod, sondern auch der Herz-Kreislauf-Stillstand Voraussetzung sein kann.

Online-Register für Organspendebereitschaft: Es soll 2024 digital kommen. Hier kann man ab 16 Jahren eintragen, ob man nach dem Tod Organe spenden möchte.

Widerspruchslösung bei Organspende: Sie gilt in vielen europäischen Ländern. Wenn man nicht ausdrücklich widerspricht, ist jeder potentieller Organspender. Die Bundesregierung will in dieser Hinsicht das Gesetz ändern. 2020 hatte der Bundestag die Widerspruchslösung noch abgelehnt. Die Verfassungskonformität wird bezweifelt.

Gesundheitskarte: Durch ein E-Health-Gesetz will die Bundesregierung 2015 den Nutzen der elektronischen Gesundheitskarte erhöhen.

Medizinische Versorgung auf dem Land: In der Provinz ist die ärztliche Versorgung mittlerweile mangelhaft und wird immer schlechter. Vor allem fehlen Hausärzte, die eine wichtige Funktion im Gesundheitssystem haben. Die Bundesregierung plant finanzielle Anreize. Es soll auch Terminservicestellen eingerichtet werden. mittlerweile verschenken Hausärzte ihre Praxen, weil sie keine Nachfolger finden.

Modell Gesundheitszentrum: Wenn es richtig organisiert ist, ist es unschlagbar. Mehrere Fachärzte arbeiten an einem oder mehreren Standorten zusammen. ein anderer Begriff ist Gemeinschaftspraxis.

Homöopathie: In Franreich müssen Patienten ab 2019 homöopathische Produkte selbst bezahlen. In Deutschland wird auch eine entsprechende Diskussion geführt. Es geht um ausreichende wissenschaftliche Belege und die Finanzierung durch die Krankenkassen.

Homöopathische Arzneimittel als Kassenleistung: Der Gesundheitsminister will 2024 Globuli als Kassenleistung abschaffen. Der Nutzen sei nicht belegt. Dei Ausgaben für homöophatische Arzneimittel fallen kaum ins Gewicht. Ärzte befürchten sogar ein Anstieg der Kosten.

Termine für Kassenpatienten: Das Gesundheitsministerium legt im September 2018 ein Konzept (Gesetzentwurf) vor, dass Kassenpatienten schnellere Termine bekommen: mehr Sprechstunden, neue Vermittlungsangebote, extra Anreize für Mediziner.

Arzthonorar für alle Leistungen: Lauerbach präsentiert im Januar 2024 eine Reform: Hausarztbudgets sollen abgeschafft werden. Es soll neue Fallpauschalen geben. Fachärzte könnten die Leidtragenden sein.

Niedergelassene Ärzte: Der Frust ist 2024 groß. Sie klagen, die Kassen zahlten ihnen nicht genug. Im Durchschnitt bleiben ihnen vom Reingewinn (Median 162.000 €) 81.000 € (bei Abzug von Altersvorsorge, Krankenkassen- und Rentenbeiträgen sowie Steuern). Dei Ärzte verdienen wesentlich mehr als der Durchschnittsbürger (56.000 €). Allerdings ist die Spanne recht hoch. Am weitaus meisten verdienen Radiologen und Augenärzte. Ganz unten liegen Kinderärzte und Neurologen. Ohne privat versicherte Papienten könnten viele Ärzte nicht leben. Vgl. Neuhaus, Carla: Wut in Weiß, in: Die Zeit 10/ 29.2.24, S. 17.

Ausländische Ärzte: Zum Stichtag 31. Dezember 2023 arbeiteten 63.763 ausländische Mediziner in Deutschland. Damit ist der Anteil von Ausländern auf Rekordstand. 1993 gab es nur 10.000, 2013 die Hälfte. Häufigste Herkunftsländer seien Syrien, (6120), Rumänien (4668), Österreich (2993), Griechenland (2943), Russland (2941), Türkei (2628). Quelle: Statistik Bundesärztekammer 2024.

Gewalt in Arztpraxen: Viele Patienten rasten aus, wenn sie nicht sofort behandelt werden. Teils sind sie gewalttätig. Täter müssten schärfer bestraft werden. Quelle: Kassenärzte-Chef Andres Gassen.

Ruhestandswelle: Der Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt 2024 davor. Die Fachkräfte in der Gesundheitsversorgung werden knapp. Fast jeder vierte berufstätige Arzt sei älter als 60 Jahre.

Digitale Diagnose: Patienten können künftig ab 2018 auch ausschließlich über elektronische Kommunikationsmedien (z. B. Skype) behandelt werden. Der Patient muss über die Besonderheiten der Onlineberatung aufgeklärt werden. Die Schweiz gilt als Vorreiter der Telemedizin. Der Deutsche Ärztetag spricht sich im Mai 2018 für Online-Diagnosen aus.

Onlinearzt: 2018 kommt der Onlinearzt. Mitglieder privater Krankenversicherungen können ab sofort Ärzte für Internetsprechstunden konsultieren. Teleclinic bietet eine Smartphone APP

Gesundheits-App auf Rezept: Dies ist Teil eines Gesetzes zur digitalen Versorgung, das im November 2019 beschlossen wird. Patienten sollen Ärzte, die Online-Sprechstunden anbieten, leichter finden.

Elektronische Patientenakte (ePA): Im Juli 2020 macht der Bundestag den Weg frei. Bald können Patienten Arztrezepte auf ihr Smartphone laden. Eine elektronische Patientenakte speichert Befunde, Arztberichte und Röntgenbilder. Am weitesten scheint hier Finnland zu sein (96% aller Erwachsenen). Im März 2023 macht Gesundheitsminister Lauterbach einen Vorstoß: Die E-Patientenakte soll rasch Standard werden. Bis 30. August 23 soll die ePA im Bundeskabinett abgesegnet werden. So kommt es in Meseberg. Die ePA wird ab 2025 Pflicht. Der Bundestag stimmt im Dezember 2023 positiv darüber ab. Patienten haben ein Widerspruchsrecht. Das mahnen Verbraucherschützer gegenüber den Krankenkassen an. Versicherte ohne Internet sind sonst ratlos.

E-Rezept: Modellprojekte in Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein wurden wegen Bedenken von Datenschützern gestoppt. Doch ab 2024 soll das E-Rezept verpflichtend kommen. Engpass sind noch die Arzt-Praxen.  Bislang wurden 2,6 Mio. E-Rezepte eingelöst.

Elektronische Gesundheitskarte: Kontaktlose Gesundheitskarte, die mit Kartenterminals funktionieren. Die Gematik führt in den Anfängen zusammen mit der digitalen Infrastruktur der Praxen zu Problemen. In Einzelfällen reicht es, die Terminals zu erden. Manchmal liegt es auch an der Software.

Fließbandmedizin: Die digitale Technik hält Einzug in Praxen und Krankenhäuser. Digitaltechnik kann traditionelle Diagnoseverfahren ersetzen. Es gibt Apps für Gesundheitsdaten.

Digitalisierung: Es gibt großen Nachholbedarf.

Einsatz von KI: Die KI kann zu eine rhöheren Erkennungsrate führen. Durch die KI kann die Arbeitslast der Radiologen um mehr als 44% gesenkt werden. Besonders geeignet ist sie beim Brustkrebs.Screening. Vgl. Der Spiegel 32/ 5.8.23, S. 91.

Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung: Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat 2018 das aktuelle Gutachten unter diesem Titel vorgestellt. Typisch für das deutsche System sind die Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung und die zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung. Die Gutachter empfehlen eine optimalere Koordinierung der ambulanten und stationären Leistungen. Ebenso plädieren sie für eine monistische Krankenhausfinanzierung und eine hausarztfixierte Patientenversorgung.

Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz: Bei Lauterbach 2024 in Arbeit. Dei Finanzierung liegt bei der Gesetzlichen Krankenversicherung. Es sieht die flächendeckende Einrichtung von Gesundheitskiosken (leicht zugängliche Beratungsstellen für Behandlung und Prävention). Es gibt auch einen Förderfonds für neue Medizinstudienplätze. Geregelt wird auch eine Vorhaltepauschale, wenn Hausärzte bestimmte Kriterien erfüllen (Pflegeheimbesuche, Praxisöffnungszeiten).

Potentiell gefährliche Medikamente für Ältere: Viele Medikamente sind für ältere Menschen nicht geeignet, weil sie Nieren, Darm und andere Teile des Körpers schädigen. Wahrscheinlich nimmt jeder zweite ältere Mensch über 65 Jahre mindestens ein Medikament, was potentiell gefährlich ist. Gefährlich sind z. B. die Protonenpumpenhemmer. Medikamente müssten also mehr individualisiert  werden. Vgl. Der Spiegel 9/ 25.2.23, S. 93.

Medizinchecks für ältere Autofahrer: 2024 schwächt das EU-Parlament eine Reform der Führerscheinregeln ab. Die Fahrerlaubnis soll doch nicht alle 15 Jahre neu beantragt werden müssen. Auch verpflichtende Gesundheitstests sind vorerst vom Tisch.

Kinderarzneimittel: 2022 gibt es Lieferengpässe, besonders bei Fiebersäften. Der Bundesgesundheitsminister ergreift 2023 Maßnahmen, damit der deutsche Markt wieder interessanter wird. Er warnt vor Hamsterkäufen. 

Lieferengpässe bei Medikamenten:  Im September 2024 sind ca. 500 Medikamente von Lieferengpässen betroffen. Ärzte und Apotheker warnen vor Mangel.

Gehsteigbelästigung: Der Begriff wird 2024 eingeführt und als Ordnungswidrigkeit eingestuft. Es geht dabei um Protest von Abtreibungsgegnern vor Arztpraxen, Krankenhäuser und Beratungsstellen. Solche Aktionen werden zukünftig als Ordnungswidrigkeit eingestuft. 

Internetportal für Fehler (VDEK): Es wird 2024 eingerichtet. Dort können Patienten Meldung machen: Verwechslung von Medikamenten, falsch gedeutete Symptome, überlassen von Resten bei der OP usw. können angezeigt werden.

Pflege: Im Jahre 2017 wird eine Reform der Pflegeausbildung beschlossen. Die Änderungen sollen die Pflegeberufe attraktiver machen. Die pflegerischen Kompetenzen sollen erweitert werden. Die horizontale Durchlässigkeit der Pflegeberufe soll gesteigert werden. Im gleichen Jahr wird in hohem Maße Betrug mit der Pflege aufgedeckt (Pflegedienste aus Osteuropa). 2018 fehlen in der Alten- und Krankenpflege 35.000 Beschäftigte. Insofern sind die im Koalitionspapier vereinbarten 8000 neuen Stellen sinnlos, wenn sie nicht besetzt werden können. Verdi stellt 2018 in einer Untersuchung fest, dass 63.000 Pflegekräfte in Altenheimen fehlen. Bei Krankenhäusern müssten 22% mehr Pflegekräfte beschäftigt werden. Mit dem Anstieg der Personalkosten steigen sehr stark die Pflegekosten an. Am höchsten sind sie in NRW. Ein neues Pflegegesetz 2018 stellt einen Zusammenhang zwischen Personal und finanzieller Unterstützung her. Weiterbildung soll sich im Gehalt niederschlagen (z. B. geriatrische Fachkraft +5%). 2019 wird die Pflegeausbildung verstärkt akademisiert. So schafft das Land RLP sieben neue Pflegeprofessuren in Trier und Ludwigshafen.  2019 startet die Bundesregierung eine Ausbildungsoffensive für die Pflege. 36.000 Stellen sind im Januar 2019 offen. Die SPD will 2019 die Pflegekosten deckeln: Der Eigenanteil für die Finanzierung von Pflege soll nach Ansicht der Sozialdemokraten begrenz werden. Immer mehr Pfleger kommen aus dem Ausland. Zunehmend kommen sie aus Italien. Im April 2019 plant die Bundesregierung eine Entlastung beim Pflegeunterhalt. Kinder von pflegebedürftigen Eltern sollen erst ab einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro finanziell in die Pflicht genommen werden. 2019 wirbt der Bundesminister für Gesundheit persönlich im Kosovo um Personal für Deutschland. In den kommenden Jahren wird es in Deutschland immer mehr Alte geben, die Anzahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter sinkt absehbar: 16,4 Mio. Menschen über 67 Jahre im Jahre 2021; mindestens 20 Mio. Menschen dann bis 2035. Quelle: Destatis, Wiesbaden. Von 2035 bis 2050 dürfte der Pflegebedarf besonders stark ansteigen.

Daten zur Pflege: Im Jahre 2021 gab es 5,0 Mio. Pflegefälle in Deutschland. 2050 werden es geschätzt 6,5 Mio. sein. In 63% der Fälle wird zuhause gepflegt (Angehörige, 21% durch ambulante Pflege). 16% sind stationär in Pflegeheimen. 2023 liegt der monatliche Eigenanteil durchschnittlich bei 2573 Euro. 2026 werden es geschätzt 3258 € sein. Vgl. Die Zeit 12/ 16.3.23, S. 21. 2023 gibt es auch noch rund 5 Mio. Pflegefälle. 700.000 werden in Heimen versorgt. Deshalb müssten zukünftig auch pflegende Familienmitglieder stärker finanziell unterstützt werden.

Konzertierte Aktion Pflege: Das Maßnahmenpaket wird im Juni 2019 vorgestellt. Beteiligt sind drei Ministerien: Gesundheit, Arbeit und Familie. Die Löhne sollen steigen. Damit soll zusätzliches Personal gewonnen werden. Es werden zwei Wege eingeschlagen. 1. ein tariflicher, der schwierig ist, weil die Arbeitgeber zersplittert sind. 2. Der Mindestlohn soll angehoben werden.

Fachkräftemangel in der Pflege: Er ist 2022 eklatant. Bisherige Maßnahmen reichen nicht aus. Das Problem könnte eingegrenzt werden: durch die Rückkehr von ausgestiegenen Pflegekräften (Impfpflicht) und durch das Aufstocken der Arbeitsstunden bei Teilzeitkräften. 2021 ist die Anzahl der Beschäftigten im Pflegebereich gestiegen: 1,67 Mio. Beschäftigte (44.300 mehr als vor einem Jahr). Einige Zahlen: 25% der Pflegekräfte verlassen den Beruf innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Ausbildung. 50% der Pflegekräfte in Krankenhäusern arbeiten in Teilzeit. 66% der Pflegekräfte in der Langzeitpflege arbeiten in Teilzeit. 300.000 und mehr Vollzeit-Pflegekräfte könnten durch Rückkehr oder Aufstockung der Arbeitszeit zusätzlich zur Verfügung stehen. Wahrscheinlich wird sich die Versorgung verschlechtern. Es gibt künftig noch weniger Pflegekräfte. Es müsste grundlegende Reformen geben.

Pflegereform: Sie kommt ab 2015. Die pflegebedürftigen Menschen bekommen mehr Geld. und bessere Betreuungsangebote. Es startet auch ein Pflegevorsorgebonus, um die Beiträge zu stabilisieren. Der Beitragssatz steigt bei den Arbeitnehmern auf 2,35% des Bruttoeinkommens (Kinderlose 2,6%). Die Pflegebeiträge sollen ab 2019 wieder erhöht werden, sonst läuft die Pflegekasse ins Defizit. Sie steigen von 2,55% auf 3,05% (für Kinderlose von 2,8 auf 3,3%). Die Finanzierung der Pflegeversicherung gerät angesichts der rapide alternden Bevölkerung zunehmend unter Druck. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung 2019. Bis 2050 werden 23,3 Mio. Menschen älter als 65 Jahre sein (30 % mehr als heute).  Der Pflegebeitrag könnte bis dahin auf 4,6 bis 4,9% steigen. Vor allem die jüngere Generation wäre von den Mehrbelastungen betroffen. Spahn, der Bundesgesundheitsminister, will im Oktober 2020 den Eigenanteil bei Heimpflege deckeln. 2021 kommt wieder eine Pflegereform: im Vordergrund steht die bessere Bezahlung der Pflegekräfte. Ab September 2022 sollen Versorgungsverträge nur noch mit Einrichtungen abgeschlossen werden, die nach Tarifverträgen oder mindestens in entsprechender Höhe bezahlen. Ein höherer Beitrag für Kinderlose ist geplant (0,1% mehr). Es gibt Entlastungen bei der Zuzahlung im Pflegeheim. Es gibt auch eine neue Finanzspritze vom Bund. Die Maßnahmen werden im Juni 2021 von der Großen Koalition beschlossen. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet im Mai 2022: Der Beitrag zur Pflegeversicherung geht künftig nach der Kinderzahl. 2023 konkretisieren sich die Pläne für die Pflegereform. Das System steht finanziell unter Druck. Es soll mehr Leistung geben, aber auch höhere Beiträge. 2025 könnte das Defizit in der Pflegeversicherung 3,5 Mrd. € betragen. Im November 24 beschließt das Kabinett eine Erhöhung des Beitrags zur Pflegeversicherung um 0,2 Prozentpunkte. Derzeit liegt der Beitrag bei 3,4% des Bruttoeinkommens (mehr als ein Kind).

Qualität der Pflege: Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) überprüft die Qualität der Pflege. 2016 sind 26.000 Qualitätsprüfungen bundesweit durchgeführt worden. Betroffen waren 175.000 Pflegebedürftige. Der Bericht wird alle drei Jahre erstellt. Mängel gab es vor allem bei der Wundversorgung und der Schmerzerfassung.

Verteilungskämpfe im deutschen Pflegesystem: Um den Faktor fünf sind die ausgaben der Versicherungen für dei Pflege alter Menschen innerhalb der letzten 20 Jahre gestiegen. Die Einnahmen halten bei Weitem nicht mit. Und das ist erst der Anfang: Dei Zahl der Pflegebedürftigen wird zunehmen, und die Kosten steigen auch deshalb, weil Pflegende - zu Recht - besser bezahlt werden. Das Pflegesystem steht vor einer Zerreißprobe. Höchste Zeit, eine faire Verteilung der Lasten zu diskutieren. Vgl. Schroeder, Wolfgang/ Inkinen, Saara: Atraktive Pflegeberufe durch Tarifautonomie, Bielefeld 2024. Dies.: Qualität kostet, in: WZB Mitteilungen 181/ September 23, S. 32ff.

Deutscher Pflegerat: Er beurteilt die Pflegepolitik der Bundesregierung. Präsidentin 2021 ist Christine Vogler. Es geht um die Entlohnung, die Attraktivität der Pflegeberufe und die Qualität.

Technik in der Pflege: Man sucht nach Alternativen in der Pflege. Ein Weg ist die Nachbarschaftspflege, die in den Niederlanden erfolgreich ist. Man arbeitet mit einer Plattform (Buurtzorg). Es sollen auch intelligente Betten eingesetzt werden. Weiterhin gibt es Partnerschaftsnetzwerke (z. B. Talea).

Pflegekosten: Die privaten Pflegekosten in der stationären Pflege sind deutlich gestiegen. Besonders in den ostdeutschen Bundesländern gab es starke Anstiege. Für den Anstieg der Eigenanteile gibt es Gründe: höhere Löhne in der Pflegebranche, mehr Menschen mit hohen Pflegegraden. Mittlerweile gibt es Forderungen nach einer Deckelung der Eigenanteile.   Quelle: Studie des IW, 2019 ( www.iwkoeln.de ). Das Bundesarbeitsgericht fällt im Juni 2021 ein Grundsatzurteil: Mindestlohn auch für ausländische Pflegekräfte. Bezahlung der Bereitschaftszeiten. Beides treibt die Pflegekosten rapide nach oben. 2023 gibt es einen Beitragsschock. Minister Lindner will keine neuen Milliarden geben. Also müssen die Beiträge erhöht werden (mindestens 0,3%). Der Eigenanteil bei den Pflegekosten steigt stetig. Es gibt eine Warnung vor der Armutsfalle Pflegeheim. Wegen steigender Kosten rutschen mehr und mehr Heimbewohner in Deutschland in die Sozialhilfe. Die Pflege im Heim wird immer teurer. Die Eigenanteile steigen stetig. Es gibt große Unterschiede zwischen den Bundesländern. "Wir evaluieren den Effekt einer Pflegezusatzversicherung, die die Kosten eines Pflegeheimaufenthalts begrenzen würde. Ein stärkerer Zuschuss der Pflegeversicherung verringert die Kosten für den Aufenthalt in Pflegeheimen und steigert die Wohlfahrt der Pflegebedürftigen. Allerdings könnten sinkende Kosten dazu führen, dass Pflegebedürftige von ambulanter Pflege ins Pflegeheim wechseln, was die Kosten stark ansteigen ließe und die Wohlfahrt übersteigen würde. Von höheren Zuschüssen profitieren vor allem Unverheiratete sowie Pflegebedürftige mit sehr niedrigem und hohem Einkommen. Ein pauschaler Zuschuss wäre bei der Ausgestaltung dem prozentualen vorzuziehen." Siehe Kesternich, Iris/ Rohman, B./ Biesebroeck, van J./ Damme, van M.: Pflege und Pflegekosten in der Zukunft - Brauchen wir mehr Versicherungsschutz, in: Wirtschaftsdienst 11/ 2024, S. 789 - 793.

Expertenrat für Pflege: Die Experten schlagen 2023 eine Zusatzversicherung vor. Bei Abschluss der Versicherung soll es keine Gesundheitsprüfung oder Risikozuschläge geben.

Häusliche Pflege: 2022 wird eine Studie der Hochschule Osnabrück veröffentlicht. Es wurden 56.000 Menschen mit häuslicher Pflege befragt. Ergebnisse waren: 62 bis 93 Prozent der Pflegeleistungen werden nicht abgerufen. Allein bei den drei wichtigen Hilfsangeboten verfielen fast 12 Mrd. €. In 70% der Fälle nutzen Pflegebedürftige und Verpflegende die Möglichkeiten der Verhinderungspflege nicht. Die Antragstellung sei kompliziert. Die meisten Pflegebedürftige leben allerdings noch zu Haus.

Mangel an altersgerechten Wohnungen: Barrierereduzierte Wohnungen sind in Deutschland knapp. Für pflegebedürftige Menschen und Senioren fehlen Millionen Wohnungen. Vgl. Der Spiegel 33/ 12.8.23, S. 57.

Entlastungsbudget für pflegende Angehörige: Im Mai 2023 einigt sich die Ampel auf einen Kompromiss. Im ersten Schritt soll es ab 2024 ein Budget für pflegebedürftige Kinder geben, Ab Mitte 2025 soll das Entlastungsbudget für alle, also auch für pflegebedürftige ältere Menschen eingeführt werden. Zur Finanzierung soll die Erhöhung für die geplante Erhöhung der Leistungen für die ambulante Pflege geringer ausfallen.

Lohnersatz für pflegende Angehörige: Es soll nach dem Vorbild des Elterngeldes gestaltet werden. Die CDU arbeitet entsprechende Pläne aus.

"Buurtzorg"-System aus den Niederlanden: Neue Wege in der Pflege. Es wurde 2007 von Jos de Blok -selbst Pflegekraft - gegründet. Motto ist "Menschlichkeit vor Bürokratie". Wichtigstes ziel ist die Eigenständigkeit des Patienten. In den Niederlanden sind mehr als 1000 Buurtzzorg-Teams entstanden. In Deutschland gibt es erst wenige (als GmbH organisiert, Münster, München). Die Teams sind selbst verwaltet. Es wird nach Zeit abgerechnet.

Heimpflege: Vier von fünf Frauen (80%) werden im Alter pflegebedürftig. Drei von vier Männern (75%) werden im Alter pflegebedürftig. Die Pflegeheime sind überfüllt. Die Kosten steigen dramatisch an. Pflegebedürftigkeit kann der Weg in die Verarmung sein. Vgl. Parnack, Charlotte/ Kempkens, Sebastian: Sonntags leider ungewaschen, in: Die Zeit Nr. 36/ 1.9.2022, S. 19. Die meisten Pflegebedürftige leben allerdings noch zu Haus. Ein Sechstel der Pflegebedürftigen lebt in Heimen. Ende 2021 waren 4,96 Mio. Menschen pfegebedürftig (Anstieg gegenüber 2019 +20%).

Pflegeheime: Ihnen fehlt 2023 Geld. Sie können sich Neubauten und Gebäudesanierungen kaum noch leisten. Somit steigt die Belastung für Bewohner mit steigenden Beiträgen. Der Bund plant eine Entlastung. 2023 leben 790.000 Menschen in Pflegeheimen. Quelle: StBA, Wiesbaden. Der GKV-Spitzenverband äußert sich 2023 besorgt über die vielen Insolvenzen und den damit verbudnenen Rückgang der Pflegeplätze. Gründe seien der Personalmangel und das dadurch gestiegene unternehmerische Risiko.

Situation in Pflegeheimen: Die Lage ist nicht rosig. Es erfolgt Ruhigstellungen mit Medikamenten. Süchte werden in Kauf genommen. Es kommt durch Medikamente zu kognitiven Verschlechterungen. Kurz vor dem Tod erfolgt oft dei Einweisung ins Krankenhaus. Demenzkranke trinken zu wenig. Quelle: Studie zur Versorgung in Pflegeheimen, AOK 2023.

Mit-Pflegeheim (Heimbetreiber in B.-W.): Modellprojekt. Weniger Fachpersonal. Lediglich stationäre Grundversorgung. Es kommen ambulante Dienstleister. Vgl. Der Spiegel 40/ 30.9.23, S. 60ff.

Pflegekräfte: Bei den Pflegekräften je Krankenhausbett liegt Deutschland ziemlich zurück. Die Zahlen sind von 2029 (Quelle: OECD): Großbritannien 3,1, Dänemark 3,0, Niederland 1,4, Frankreich 1,0, Deutschland 0,8. 2021 gab es 22.300 offene Stellen. Quelle: DKI. Ab 1. September 2022 haben Pflegekräfte in Deutschland einen Mindestlohn von 17,10 Euro. Der Corona-Bonus ist bei vielen Pflegekräften nicht angekommen (fehlerhaftes Auszahlungsverfahren, Missbrauch).

Mindestlohn in der Pflege: Er soll ab der 2. Jahreshälfte 2025 auf 16,10 € steigen. Der Mindestlohn für qualifizierte Hilfskräfte würde dann 17,35 €, für Fachkräfte 20,50 € betragen.  Darauf hat sich dei Pflegekommission geeinigt. In der Altenpflege gibt es drei Mindestlöhne: ungelernte, ausgebildete Assistenzkräfte, Fachkräfte. Die Bessere Bezahlung gilt es wichtiger Hebel, um die Personalnot zu lindern. 2023 arbeiten in der Branche 1,3 Mio. Beschäftigte. Quelle: Arbeitsministerium. Pflegekräfte in Privathaushalten fallen unter den gesetzlichen Mindestlohn von 12 € pro Stunde.

Pflege-Impfpflicht: Die Corona-Impfpflicht für Pflegekräfte wird vom Bundestag 2022 beschlossen. sie ist auch verfassungsgemäß. Der Schutz vulnerabler Gruppen wiege schwerer als die Beeinträchtigung der Grundrechte.

Heimplätze: Die monatliche Belastung für Pflegebedürftige bei Heimunterbringung steigt rapide an: Mitte 2019 beträgt der Bundesdurchschnitt 1891 € (+3,3% gegenüber Januar). Besonders stark ist der Anstieg in den neuen Bundesländern. 2022 liegt der Durchschnitt für den Eigenanteil schon bei 2300 Euro.

Pflege für schwerstkranke Beatmungspatienten: Hier findet öfter eine Abzocke statt. Die ambulante Intensivpflege wird immer teurer. Die Bundesregierung will deshalb diese Pflege von zu Hause ins Heim drängen.

Pflegereport: Ein solcher Report wird jährlich von der Krankenkasse Barmer veröffentlicht. 2023 kommt man zu dem Ergebnis, dass bis zu 1,3 Krankenhausaufenthalte vermieden werden könnten. Die Patientinnen und Patienten müssten nur im Vorfeld besser versorgt werden. Der Report fordert wirksamere Versorgungsstrukturen.

Vorsorgevollmacht: Die damit betraute Person muss keine Betreuung übernehmen. Es ist nur eine Vollmacht für die rechtliche Vertretung. Urteil des Bundesgerichtshofes 2022.

Hospiz: In Deutschland gibt es 2018 240 Hospize, 17 davon sind speziell für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Dazu kommen 1500 Hospizdienste und über 300 Palliativstationen in Krankenhäusern. Pro Jahr werden etwa 30.000 Menschen versorgt.

Medizinprodukte: Ab 2019 ist die Einführung eines Registers für Implantate geplant.

Medikamenten-Mix: In Deutschland kommt es häufiger zu lebensgefährlichen Problemen beim Behandeln von Patienten. Wenn Menschen mindestens fünf Medikamente nehmen, liegen häufig Informationsdefizite über die Wirkung vor. Es fehlt an Medikamentenplänen.

Krebs: Die Mediziner verstehen Krebserkrankungen immer genauer. Sie können sich mit Therapien auf die einzelnen Patienten einstellen. Die 5 häufigsten Krebserkrankungen sind: Schwarzer Hautkrebs, Brustkrebs, Lungenkrebs, Gebärmutterkörperkrebs, Harnblasenkrebs, Prostatakrebs, Darmkrebs. Spezialisierte Zentren sind besser. Biontech entwickelt einen Impfstoff gegen Krebs. Vgl. Der Spiegel 6/ 3.2.24, S. 8ff.

Krebsmedikamente: Weltweit arbeiten Start-ups und Konzerne an neuen Präparaten. Sie versprechen Patienten Heilung, sind aber auch sehr teuer (oft Hunderttausende Euro). Können sich bestimmte Therapien bald nur noch Reiche leisten? Beim Krebs sind besonders Brust und Darm gefährdet. Führende Hersteller sind Roche (Schweiz), Celgene (USA), Novartis (Schweiz) und Merck & Co., USA. Bei den superteuren Medikamenten insgesamt stehen die Kassen unter Druck. Es wird die Frage diskutiert, wie Kassen und Ärzte mit brandneuen und superteuren Medikamenten umgehen sollen (Zulassung, Zuzahlung usw.).  Die Ausgaben für Krebsmedikamente sind in den vergangenen Jahren (ab 2019 zurück) um fast 50 Prozent auf über sieben Milliarden Euro gestiegen. Unklar ist, inwieweit dies auf der Zunahme der Zahl der Krebserkrankungen liegt.

Onkologie: Zielreiche Wirkstoffe, Antikörper und Zelltherapien haben das Arsenal der Mediziner im letzten Jahrzehnt drastisch erweitert. Neue Technologien wie -RNA versprechen nun den nächsten Innovationsschub. Krankheiten sollen erst gar nicht entstehen.

Gentherapie zur Behandlung seltener, tödlicher Krankheiten: Es ist eine High-Tech-Methode. Man nennt sie Antisense-Oligonukleotide (Aso). Dabei wird für die Bildung eines Proteins das Erbgut, die DNA, zunächst ausgelesen. Eine so genannte prä-mRNA entsteht. Vgl. Merlot, Julia: Rettung aus Amerika, in: Der Spiegel 28/ 8.7.23, S. 98ff.

Demenz, Parkinson: 1,8 Mio. Menschen sind in Deutschland 2024  an Demenz erkrankt, weltweit rechnet man mit 55 Mio. Neue Gentherapien können Menschen von Demenz und Parkinson erlösen. Vgl. Die Zeit 17/ 18.4.24, S. 31. Die Krankheiten entstehen nicht plötzlich, sondern bahnen sich über Jahrzehnte im Körper an. Neuere Erkenntnisse ermöglichen eine bessere Prävention. Vgl. Der Spiegel 25/ 15.6.24, S. 86ff.

Multiples Sklerose: In Deutschland leiden 280.000 Menschen an der Krankheit. Jährlich kommen etwa 18.000 Menschen dazu. Die Krankheit tritt in der Regel im Alter von 20 bis 40 Jahren ein. Der 30.5. ist jährlich Multiples Sklerose-Tag.

Rückenprobleme: 2022 war rund ein Drittel der Bevölkerung wegen Rückenschmerzen in Behandlung. Quelle: Wissenschaftliches Institut der AOK. 14% aller Arbeitsunfähigkeitstage sind auf Rückenschmerzen zurückzuführen. Auch die alten Ägypter litten schon unter "Rücken". Das zeigen 2500 Jahre alte Papyrus-Rollen und Skelettuntersuchungen. Davon betroffen waren vor allem die Schriftgelehrten.

Bioklebstoff aus Miesmuscheln für Implantate: Die Entwicklung erfolgte bei Fraunhofer. Man sucht nach Industriepartnern.

Apotheken: Die Anzahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter und ist 2023 unter die Marke von 18.000 gefallen. Ende März 2023 gab es noch 17.939. Die Anzahl der Beschäftigten lag Ende 2022 bei 159.352. Es findet auch ein Konzentrationsprozess bei Apotheken statt. 2023 im September gibt es einen Protesttag. Es geht gegen die Politik der Bundesregierung und Lauterbach. Man fürchtet das Apothekensterben. Die Apothekenvergütung müsse erhöht werden (vor allem Festzuschlag). Lauterbach plant Ende 23 die Vereinfachung der Gründung von Apothekenfilialen. Es soll Apotheken ohne Apotheker geben. Die Branche läuft Sturm dagegen.

Reform "Apotheke ohne Apotheker": Geplante Reform des Gesundheitsministeriums 2024. Der Gesetzentwurf ist heftig umstritten. Auf dem Apothekenmarkt findet eine Konzentration statt. Auf dem Vormarsch sind Ketten, Online-Apotheken und Kapitalanleger.

Impfen: 2019 entsteht eine  Diskussion über Impfpflicht in Deutschland. Einige Länder in Europa haben eine solche Pflicht. Brandenburg führt eine Impfpflicht für Masern ein. NRW erwägt dies auch. Die Masern-Krankheit kann schlimmer Nebenwirkungen und Folgeerkrankungen haben.  In der Ökonomie wird Impfen als positiver externer Effekt diskutiert. Im April 2019 wächst die bundesweite Unterstützung für eine Impfpflicht. Der Deutsche Ethikrat empfiehlt sogar eine Impfpflicht für Erwachsene (medizinisches Personal). Bei Masern empfiehlt er eine Pflicht für medizinisches und pädagogisches Personal, nicht aber für Kinder. Im Juli 2019 billigt das Kabinett die Impfpflicht gegen Masern in Deutschland (ab März 2020: Kinder in Kita oder Schule, auch bestimmte Erwachsenengruppen). Die Eltern müssen die Impfung nachweisen, um Zugang zu öffentlichen Einrichtungen zu bekommen. Bei Verstößen droht ein Bußgeld bis zu 2500 Euro. Dies ist ein Beschluss des Bundestages am 14.11.19.

Corona-Impfung: 2023 legt die WHO einen bericht vor. Danach wurden in Europa und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion  durch die Impfung mehr als 1 Mio. Leben gerettet. Grundlage waren Todeszahlen und verabreichte Impfdosen. Die meisten der geretteten Menschen waren älter als 60 Jahre. Besonders viele Todesfälle hatte die Omikron-Welle.

Impfschäden: 2023 stehen verschiedene Klagen an. In Deutschland vor allem gegen den Hersteller Biontech. Mainz. Es geht um Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen. Die Landgerichte müssen immer wieder schieben, da Informationen fehlen.

Infektionsschutzgesetz 2020: Einschränkungen in Seuchenzeiten sollen besser vor Gericht standhalten. Es gibt auch Regelungen zum Testen und Impfen. Klare Kriterien, um auf steigende Infektionszahlen zu reagieren. Vor allem das Schließen bestimmter Einrichtungen (Restaurants u. a.) ist explizit aufgelistet. Es gibt eine klare Mehrheit für das Gesetz (CDU/CSU, SPD, Grüne). Es gibt auch Demonstrationen gegen das Gesetz.

Healthiest Country Index: Rangliste, die vom US-Medienkonzern Bloomberg auf gestellt wird. Als Indikatoren gehen ein Ernährung, ärztliche Versorgung, Lebensart, Lebenserwartung u. a. ein. 2019 liegt Spanien an der Spitze.

Ausländische Ärzte in Deutschland: 2018 gab es 48.672. Das sind 7,3% mehr als 2017. Die meisten stammen aus Ost- und Südosteuropa. Dazu kommen Syrien und andere arabische Länder. Fast jeder zehnte zugewanderte Arzt stammt aus Rumänien. Quelle: Bundesärztekammer.

Landärzte/ Hausärzte: Sie sterben aus. In Nordhessen fährt ein Medibus von Dorf zu Dorf. Andere Bundesländer fördern spezielle Studiengänge. Die Westpfalz lässt Ärzte in Ungarn ausbilden. Wichtigstes Kriterium ist eine Landarztpraxis vor Ort. Ein Verein vergibt Stipendien.

Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz: Es kommt im mai 2024. Es soll die Hausärzte besser stellen. Es soll einem Ärztemangel entgegenwirken (bessere Abrechnungsmöglichkeiten, Entbudgetierung, Pauschalen für Hausbesuche).

Hausbesuche: Es wird immer schwieriger, die Versorgung von bettlägerigen Patienten in ihrem Zuhause zu gewährleisten. Dabei dürfen Mediziner Hausbesuche nur unter bestimmten Voraussetzungen verweigern. Die Bezahlung ist auf "Ramschniveau". Besonders hoch ist der Bedarf auf dem Land.

Ärztedichte: Die meisten Ärzte hat Heidelberg (402 pro 100.000 Einwohner). Die höchste Krankenhaus-Bettendichte finden Patienten in Erlangen vor. 

"Hasen-Abgabe": Wer nicht zum Termin in der Arzt-Praxis erscheint, wird in Zukunft Strafe zahlen müssen. In Frankreich ist 2024 eine solche Abgabe geplant, dei Ärzten helfen soll. In Frankreich müssen Patienten auch in Vorleistung treten.

Sterbehilfe: Jährlich reisen etwa 100 schwerkranke Deutsche in die Schweiz, um mit Hilfe einer Sterbehilfe-Organisation ihrem Leben ein Ende zu setzen. Das ist in Deutschland in dieser Form nicht möglich. Man will selbst bestimmt sterben. Risikofaktoren sind Einsamkeit, Depressionen und Angst vor Abhängigkeit. Ein gesetzlicher Rahmen kommt 2023 in Deutschland vorerst nicht zustande. Zwei Vorschläge finden im Bundestag keine Mehrheit. Die Kirchen wollen einen neuen Anlauf zur Regelung unternehmen.

Assistiertes Sterben: Neues Gesetz 2024 in GB. Es soll unheilbar Kranken ermöglichen, mit Hilfe eines Arztes ihrem Leiden ein Ende zu setzen.

Kinder-Medikamente: Sie sind 2022 kaum zu bekommen. Es gibt Lieferengpässe. Lauterbach kündigt ein Gesetz mit neuen Preisregeln an- Er beklagt eine zu starke Ökonomisierung des Gesundheitsbereichs.

Kinder-Kliniken: Sie sind 2022 überfüllt. Es gibt zwei wesentliche Gründe: Pflegepersonal ist in andere Bereiche abgewandert. Durch Corona ist die Abwehrstärke der Kinder gegen Viren schwächer.

Cannabis-Freigabe: Ein fertiger Gesetzentwurf fehlt. Man prüft die Übereinstimmung mit EU-Regeln und -Recht.

Kortison: Vor 75 Jahren als Wundermittel entdeckt (von 2024 zurück). Es hat die Medizin revolutioniert. Es ist eiens der wirkmächtigsten der Medizingeschichte. Das Hormon sorgt dafür, dass die Mitochondrien in ihren Normalmodus zurückkehren. Das befriedet das Immunsystem.

Abhängigkeit vom asiatischen Markt: Selbst einfache Antibiotika und Fiebersäfte sind in der Apotheke knapp, weil es in Europa nur noch wenige Hersteller gibt. Ein neues Gesetz 2023 soll die Abhängigkeit verringern. Vgl. Albrecht, Harro: Nicht genug, in: Die Zeit Nr. 9/ 23.2.23, S. 35.

Gesetz gegen Lieferengpässe: Es wird im April 2023 konzipiert und im Juni 2023 beschlossen. Es soll die Lieferengpässe bei bestimmten Medikamenten beheben. Der Kostendruck auf die Pharmahersteller soll gesenkt werden. Damit soll der Verkauf in Deutschland lohnenswerter sein. Mehr als 400 Arzneimittel sind Mangelware in Deutschland. Im Gesetz sind höhere Preise und Vorratshaltung vorgesehen.

Lieferengpässe bei Medikamenten: Die Lieferengpässe häufen sich in Deutschland. Gründe sind die Produktion im Ausland, der Anstieg der weltweiten Arznei-Nachfrage und Rabattverträge der Krankenkassen. Der Kern der Produktion findet mittlerweile in China und Indien statt. Die Bundesregierung müsste hier regulativ eingreifen. Das Coronavirus blockiert in China Pharmafirmen. Es könnte zu Lieferengpässen in der EU kommen. Die Bundesregierung beschließt im Februar 2020 eine Änderung des Arzneimittelgesetzes. Pharmafirmen können verpflichtet werden, über Lagerbestände, Produktion und Absatzmenge bestimmter Arzneimittel zu informieren. Bei Engpässen kann eine Lagerung angeordnet werden. Bei Lieferschwierigkeiten bei preisgünstigen Medikamenten können Apotheken auf teurere wechseln.

Antibiotika - Säfte für Kinder: 2023 besteht daran ein akuter Mangel. Die Wirkstoffe werden mittlerweile in Asien produziert und dort gebraucht. die Bundesregierung plant Notfallmaßnahmen und ein neues Gesetz. Die zentrale Frage ist, ob zu viel Preisdruck die Pharmaproduktion aus dem Land getrieben hat.

Gesundheitskiosk: Gesundheitsminister Lauterbach will damit die Medizin zu den Menschen bringen. Kioske sollen impfen, Ernährungsberatung machen, Yoga für Mollige anbieten, Schularzt sein, Hebammen stellen, Blutdruck messen. Lauterbach plant mit 1000 Kiosken. Sie sollen vor allem den Menschen mit "besonderem Unterstützungsbedarf" dienen.

Dick und krank: Die Deutschen sind zu dick und fett, weil sie zu süß, zu ungesund und und zu viel essen. Krankhaftes Übergewicht ist eine Epidemie. Immer mehr Menschen leiden an Adipositas. Damit steigen die Risiken, eine Krankheit zu bekommen. Vgl. Deggerich, M. u. a.: So isst Deutschland, in: Der Spiegel 6/ 4.2.23, S. 8ff.

Krankenstand und Jahreszeit: Im Dezember ist der Krankenstand meist am höchsten. In Dezember 2023 ist mehr als jeder Zehnte krank. Es sind in der Regel akute Atemwegserkrankungen.

Gesünderes Essen ("Ernährungsstrategie"): Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir will Maßnahmen ergreifen, das Kantinen-Essen gesünder zu machen.  Es soll regionaler, mehr Bio und mehr Obst und Gemüse enthalten. Es richtet sich insbesondere an Schul-Kantinen, Mensen und Kantinen in Organisationen. Die Strategie soll bis Ende 2023 abgeschlossen sein.

Tabakkonsum: Die Weltgesundheitsorganisation fordert, Maßnahmen gegen den Tabakkonsum konsequenter umzusetzen. In Deutschland fehlen mehrere Elemente: Preiserhöhungen liegen unterhalb der Inflation, Rauchverbot in Gaststätten sei ein Flickenteppich, Werbeverbot werde mangelhaft umgesetzt, E-Zigaretten gesundheitsschädlich.

Nationaler Hitzeschutzplan der Bundesregierung: Die Warnungen vor Hitzewellen und Schutzmaßnahmen sollen verbessert werden. Das Bundesgesundheitsministerium hat den Plan ausgearbeitet (Lauterbach). Besonders geschützt sollen werden Ältere, Schwangere und Menschen mit chronischen Krankheiten. 2022 gab es schätzungsweise 4500 Hitze bedingte Tote.

Sonnenlicht: Sonnenlicht ist offenbar bedeutsamer für die Gesundheit als man bisher glaubte. Einmal gibt es einen "Breitengrad-Effekt". In nördlichen Regionen treten bestimmte Autoimmunerkrankungen häufiger auf. Zum anderen wirken Sonnenstrahlen positiv auf das Herz-Kreislaufsystem. Die Wirkung auf die Produktion von Vitamin D ist schon länger bekannt. Vgl. Der Spiegel 25/ 15.6.24, S. 1001.

Gesundheitssystem in den USA: Die Schwäche des US-Gesundheitssystems und des ganzen Sozialsystems wird brutal durch Corona offen gelegt. Schwarze und Hispanics sind am meisten betroffen. Sie haben die höchsten Sterberaten, weil sie sich Ärzte und Medikamente nicht leisten können. Trump will Obamas Gesundheitsreform (allgemeine Krankenversicherung) teilweise zurücknehmen. Ein Dekret gleich nach Amtsantritt beginnt damit. Das würde wieder mehr die Armen treffen. Anbieter von Medizintechnik, vor allem Exporteure aus Deutschland (Siemens, Fresenius, Draeger), hätten Nachteile. Die Weichen für eine  Zentralangriff auf Obamacare sind gestellt: Der Obamacare - Gegner Tom Price (gelernter Chirurg) wird als Gesundheitsminister nominiert. Er wird die Reform möglichst beschneiden. Im September 2017 muss er zurücktreten, weil er auf Kosten der Steuerzahler teure Privatjets benutzte. Im März 2017 wird die Richtung deutlich: Die Pflicht zur Krankenversicherung soll abgeschafft werden. Die freiwillige Krankenversicherung soll gefördert werden. Im US-Repräsentantenhaus können sich die Republikaner nicht einigen. Ein Votum wird mehrmals verschoben. Trump droht damit, Obamacare  beizubehalten. So zieht denn auch Trump den Gesetzentwurf für eine neue Gesundheitsversorgung zunächst am 24.03.17 zurück. Das ist eine schwere Niederlage für Trump, er scheitert an Rebellen aus den eigenen Reihen). Reformiert werden müsste eigentlich der Wettbewerb bei Medikamenten, die Bürokratie und das Rechtssystem. Anfang Mai 17 geht ein reformierter Gesetzentwurf (Neufassung, weniger Versicherung) knapp im Repräsentantenhaus durch. Im Kongress wird der Gesetzentwurf mehrmals abgesetzt. Im September 2017 scheitert eine Reform von Obamacare erneut. Auch der neue Arbeitsminister Andy Puzder, ehemaliger Chef der Fast-Food-Kette CKE,  lehnt die Gesundheitsreform ab. Er wird erst gar nicht ernannt, weil er jahrelang illegal (schwarz) eine Haushaltshilfe beschäftigt hatte. Jetzt ist Alexander Acosta designierter Arbeitsminister  (Arbeitsrechtler an der Uni von Florida) und wird es auch. Trump verlagert seine Angriffe auf Obamacare auf das Verfassungsgericht. Er setzt immer mehr konservative Richter ein (im Oktober 29 Barett), die die Reform stoppen sollen. In der Corona-Krise machen die Finanzinvestoren ein gutes Geschäft. Gesundheit ist extrem teuer in den USA: Die Ärzte verdienen auch gut. Patienten erhalten horrende Rechnungen, viele gehen insolvent. Die Lebenserwartung der Menschen ist aber von allen Industriestaaten die geringste.

Epizentrum der Biotechnologie Boston/ USA: Hier gibt es einen Biotech-block: Novartis, Vertex, Amgen, Moderna, Merck, Biogen, J. & J.*, Takeda.

Gesundheitssystem in GB (NHS): Es besteht seit 1948. 2023 steht das System vor dem Kollpas. Inzwischen weisen Kliniken selbst Notfälle ab. Es gibt einfach keine betten mehr. Ursprünglich galt das System mal als revolutionär und fortschrittlich. Es ist heute total überlastet und unterfinanziert. Fachkräfte fehlen entweder wegen des Brexit oder weil sie in attraktivere Bereiche gehen. Vgl. Schulz, Bettina: wir müssen draußen warten, in: Die Zeit Nr. 14/ 30.3.23, S. 25.

WHO (World Health Organisation, Weltgesundheitsorganisation), Genf: 194 Mitgliedsländer (7000 Mitarbeiter). Chef/ Generaldirektor 2020 ist Tedros Ghebreyesus (Ex-Außenminister Äthiopiens; seit 2017). Die WHO erhält Pflichtbeiträge ihrer Mitglieder und freiwillige Beiträge. Die meisten Beiträge sind zweckgebunden und an bestimmte Tätigkeitsfelder geknüpft. In der Corona-Krise stellen die USA ihre Zahlungen ein (400 Mio.$  pro Jahr, insgesamt 553 Mio. $, ca. 10%). Sie waren der größte Beitragszahler. Trump wirft der Organisation Fehler und die Nähe zu China vor. China unterstützte maßgeblich die Wahl Tedros 2017. Er lobt immer wieder China in der Krise, obwohl sich Zweifel mehrten. China behaarte lange auf offenen Grenzen, was er unterstützte. Andererseits hat Tedros Heilmittel für arme Länder zur Verfügung gestellt und die Entwicklung eines Impfstoffes vorangetrieben. Vielleicht sucht Trump auch nur einen Sündenbock, um von seinem Missmanagement in den USA abzulenken. Die WHO scheint auch zum Spielfeld der Konkurrenz zwischen China und den USA zu werden. Am 18. und 19.05.20 schalten sich die 194 Mitgliedsländer zu ihrem Jahrestreffen virtuell zusammen. Der Generalsekretär steht in der Kritik. Man beschließt eine unanhängige Überprüfung. Die Rolle der WHO und der zeitliche Ablauf in der Corona-Krise sollen überprüft werden.  Das Gesamtbudget der WHO über zwei Jahre (2018/19) betrug 5,1 Mrd. €. Dabei hatten die größten Anteile: 1. USA (14,67%, Gates-Stiftung 9,76%, GAVI Impfallianz 8,39%, GB 7,79%, Deutschland 5,68%, EU-Mittel 3,3%, China 0,21%). Die größten Projekte der WHO waren Polio-Bekämpfung, Zugang zu Grundversorgung und Ernährung, Impfprogramme, Epidemievorbeugung.

Blue Zones: Regionen auf der Welt, in denen Menschen überdurchschnittlich lange und gesund leben. Der Name kommt daher, dass Forscher ursprünglich mit einem blauen Stift die Gebiete auf der Landkarte markierten. Zu diesen Paradiesen gehören Sardinien, die Präfektur Okinawa in Japan, die Nikoya - Halbinsel in Costa Rica, die griechische Insel Ikaria und die Kleinstadt Loma Linda in Kalifornien. Blue Zones in Deutschland sind Baden-Württemberg und Bayern.

Longevity: Gesünder leben, länger leben, ewig leben. Präventive personalisierte Medizin. Das ist ein Milliardengeschäft für Forscher, Mediziner, Biohacker und Scharlatane. Man weiß, dass Lebensstil, Medikamente und Therapien Einfluss haben. Vgl. Volker te Haseborg u. a.: Ode an die Jugend, in: WiWo 35/ 23.8.24, S. 16ff. Über neue Diagnostik-Methoden kann man den Altersstatus feststellen und mit Interventionen diese Alterung verlangsamen. Vgl. auch: Brigitte 19/ 28.8.24, S. 78ff.

 

Globalökonomik/ International Economics  (Geoökonomik, Außenwirtschaft, Handel, Global Government, Entwicklungsländer/ Ethik, Europäische Union, Internationale Finanzmärkte, Interkulturelles Management, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Internationale Makroökonomik, Geopolitische Beratung; zur Wirtschaft Asiens, insbesondere Chinas, International Business.Vgl. die Asienseite)

Schon im "Kommunistischen Manifest" von 1848 heißt es: "Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muss sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen ...", Karl Marx (mit seiner Prognose der Globalisierung hat er richtig gelegen).

Gliederung: Reale Außenwirtschaftstheorie (Handel), Monetäre Außenwirtschaftstheorie (Währung), Außenwirtschaftspolitik (Protektionismus, Koordinierung), Globale Institutionen (Global Government), Ländergruppen und wichtige Länder (Südamerika, Vorderasien), Europäische Union (einschließlich Euro, europäische Länder), Entwicklungsländer (insbesondere aus Afrika), Globalisierung/ Decoupling, Internationale Finanzmärkte.

Vgl. auch Globalisierung, unter besonderer Berücksichtigung Ostasiens und Mittelstandsökonomik (betriebliche Außenwirtschaft)

Exkurs. Grundlegende und einflussreiche Bücher bzw. Aufsätze der Globalökonomik (alphabetisch, historische Werke): Bhagwati, Jagdish N./ Vangal K. R.: Domestic Distortions, Tariffs, and the Theory of Optimum Subidy, in: Journal of Political Ecomomy 71/1, 1963, S. 44-50. Cassel, Karl Gustav: Theoretische Sozialökonomie, Leipzig 1918. Er war Schwede und ist besonders bekannt für seine Kaufkraftparitätentheorie. Dornbusch, Rüdiger: Open Economy Macroeconomics, New York 1980. Haberler, Gottfried: Der internationale Handel, Berlin 1933. Hayek, Friedrich August: The Constitution of Liberty, Chicago 1960. Hilferding, Rudolf: Das Finanzkapital, Wien 1910. Kindleberger, Charles Poor: Manias, Panics, and Crashes. A History of Financial Crisis, London et al. 1978. Krugman, Paul R.: Geography and Trade, Leuven 1991. Krugman, Paul/ Obstfeld, M./ Melitz, M.: Internationale Wirtschaft, München u. a. 2012 (aus dem Englischen). Leontief, Wassily: Domestic Production and Foreign Trade, in: Proceedings of the Philosophical Society 97/4, 1953, S. 332-348. List, Friedrich: Das nationale System der Politischen Ökonomie, Stuttgart, Tübingen 1841. Marshall, Alfred: Principles of Economics, London, New York 1890. Marx, Karl: Das Kapital, 1867 (1. Bd.). Meade, James Edward: The Theory of International Economic Policy (2 Bd.), 1951 und 1955. Mundell, Robert Alexander: International Economics, New York 1968. Myrdal, Karl Gunnar: Om penningteoretisk jämvikt, in: Ekonomisk Tidskrift, 33/5-6, 1931, S. 191-302. Myrdal (1898-1987) erhielt 1974 den Wirtschaftsnobelpreis (zusammen mit Hayek). North, Douglass Cecil: Institutions, Institutional Change and Economic Performance, Cambridge et al. 1990. North (1920-2015) bekam 1993 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaft. Ohlin, Bertil: Interregional and International Trade, Cambridge 1933. Prebisch, Paul: The Economic Development of Latin America and its Principal Problems, New York 1950. Reinhart, Carmen M./ Rogoff, Kenneth S.: This Time is Different: Eight Centuries of Financial Folly, Princeton 2009.  Ricardo, David: On the Principles of Political Economy and Taxation, London 1817. Smith, Adam: An Inquiry into the Nature and Causes of  the Wealth of Nations, Edinburgh 1776. Viner, Jacob: International Economics, Glencoe 1951.

Reale Außenwirtschaftstheorie und Welthandel (Internationaler Handel, Exporte und Importe; Direktinvestitionen; vgl. auch Economics/ basic: Mittelstandsökonomik/ Internationales Marketing und dort auch Produktionswirtschaft)

"Wir brauchen beides: Real- und Finanzwirtschaft. Ein Muskel braucht Blut. Sonst ist er nutzlos. Der Muskel ist die Realwirtschaft, die Wall Street das Blut", Jagdish Bhagwati, Vordenker der Globalisierung.

Theorem der komparativen Kosten: "Unter einem System von vollständig freiem Handel widmet natürlicherweise  jedes Land sein Kapital und seine Arbeit solchen Verwendungen, die jedem am segensreichsten sind", David Ricardo (1772-1823, schon mit 25 J. durch Börsenspekulationen Millionär): On the Principles of Political Economy and Taxation, London 1817. Dies führe zu Handels- und Wohlstandsgewinnen. Berühmt ist sein Gutachten über den Außenhandel zwischen Portugal und England mit Wein und Tuch. "Die Zeiten überdauert hat jedoch das Gesetz der komparativen Kosten und die Methode der komparativ-statischen Analyse, die Ricardo erfand", Mark Blaug: Systematische Theoriegeschichte der Ökonomie, München 1971, S.256, über David Ricardo und sein Werk. Auch im zur Zeit weltweit dominierenden Lehrbuch der VWL von Mankiw, Grundzüge der VWL, hat diese Regel höchste Priorität (Kapitel 3). Die Theorie schließt sich der generellen These von D. Ricardo an: Das Verfolgen individuellen Vorteils ist mit dem allgemeinen Wohle des Ganzen verbunden. Mittlerweile häufen sich die Kritiker an dieser Lehre. So wird zumindest Outsourcing in Niedriglohnländer (Programmieren, Call - Center) als schädlich  für entwickelte Volkswirtschaften angesehen (A. S. Blinder). Noch weiter gehender ist die Kritik von Samuelson. Heutzutage sind die Handelsbeziehungen auch ungleich komplexer: Auch Unternehmen, Arbeit und Kapital überqueren die Grenzen. Technologietransfer ist auch als Variable noch nicht enthalten, ebenso wie Macht. Heute wird oft der zentrale Vorteil der Theorie angezweifelt: Die Globalisierung produziert nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer.  David Ricardo war nach der Schlacht von Waterloo reich geworden. Er kaufte 1815 in großem Umfang britische Staatsanleihen (siehe oben).

Gravitationsmodell: Es geht auf den Ökonomen Jan Tinbergen zurück (1962). Es besagt, dass der Handel nach den Regeln von Newtons Gravitationsgesetz funktiniert. Die Handelsmenge zwischen zwei Ländern hängt von ihrer Masse - der Größe des BIP - und von ihrer Entfernung ab. Je größer die beiden Länder sind und je näher sie beieinander liegen, desto mehr Handel treiben sie.

Interventionismusthese: Sie stammt von Jean-Charles Leonard Simonde de Sismondi (1773-1842), einem Schweizer. Sein berühmtestes Buch war Noveaux Principes 1819. Sismondi analysierte die Absatzkrisen 1815 und 1818/19. Er machte einen Angriff auf die Freihandelsthese von D. Ricardo. Er setzte sich für Interventionismus des Staats ein. Er unterstützte damit die These von Rosa Luxemburg (Überproduktion, Mehrwert, Bedeutung der Konsumption). Die Frage der Konsumption ist in der Digitalisierung hochaktuell: kann sie Arbeit kompensieren?

Heckscher-Ohlin-Theorem: Zusammenhang zwischen internationalen Faktorausstattungsunterschieden und der Handelsstruktur: Ein Land hat in dem Gut einen komparativen Vorteil, das für seine Produktion den im Land relativ reichlicher vorhandenen Faktor relativ intensiv verwendet. (Heckscher, E. : The Effect of Foreign Trade on the Distribution of Income, vgl. Rose/ Sauernheimer: Außenwirtschaft, München 2006, III. Teil). Eli F. Heckscher (1879-1952), Bertil Ohlin (1899-1979). Schwedische Ökonomen. Ohlin war auch ein wichtiger Politiker. Es wird vorausgesagt, dass Länder mit viel Kapital kapitalintensive Produkte exportieren. Die arbeitsintensive Produktion wird Ländern mit billigen und vielen Arbeitskräften überlassen. In der Realität exportierten die USA allerdings auch relativ viele arbeitsintensive Produkte. Man sprach vom Leontief-Paradoxon, das Samuelson dann auflöste (siehe nächsten Abschnitt). "Der Westen hat alternde Bevölkerungen und alternde Volkswirtschaften, der echte Glanz geht vom Osten aus", Mohammed Alabbar, Emaar Properties, Dubai.

Leontief-Paradoxon: Die hochtechnologisch geprägten Vereinigten Staaten exportierten 1947 vor allem arbeitsintensive Güter (sprach gegen das Faktorproportionen - Theorem von Heckscher - Ohlin). Die Auflösung konnte dann durch Einbeziehung des Human-Kapitals erfolgen. Das Faktorpreisausgleichstheorem von P. A. Samuelson präzisierte dann daraufhin das Faktorproportionen - Theorem. Danach kann der Außenhandel allein neben dem Ausgleich der Güterpreise auch den Ausgleich der Faktornutzungspreise herbeiführen, ohne dass  es dazu einer internationalen Kapitalmobilität bedarf (restriktive Bedingungen!). Vgl. S. Husted/ M., Melvin: International Economics, Boston u. a. 2004, S. 121ff.

Rybczinski-Theorem: Wenn ein Land eine x-prozentige Zunahme seiner Kapitalausstattung und eine geringere y-prozentige Zunahme seiner Arbeitsausstattung erfährt, so steigt bei unveränderten Güter- und Faktorpreisen die Produktionsmenge des kapitalintensiven Gutes um mehr als x Prozent und die Produktionsmenge des arbeitsintensiven Gutes um weniger als y Prozent (vgl. zur Anwendung Sinn, Basarökonomie, a. a. O., S. 211).

Stolper-Samuelson-Theorem: Ein Anstieg des Preises eines im Ausgangspunkt produzierten Gutes, das bei seiner Produktion eine nicht spezifische Gesamtheit von mindestens zwei Faktoren erfordert, hat notwendigerweise zur Folge, dass sich eine Faktorentlohnung sogar in größerer Proportion erhöht und eine Faktorentlohnung zurückgeht. Vgl. Ethier: Moderne Außenwirtschaftstheorie, München1994, S. 821.

Marshall-Lerner-Bedingung: Bedingung für eine normale Reaktion der Leistungsbilanz bei einer Wechselkursänderung (Summe der Preiselastizitäten der Export- und Importgüternachfrage). Sie verlangt, dass die Summe der Importnachfrageelastizitäten im In- und Ausland -absolut betrachtet- größer als 1 ist.

Die Neue ökonomische Geographie erklärt die wirtschaftliche Aktivität im Raum. Sie geht vor allem auf Paul Krugman zurück (Geography and Trade, Cambridge 1991), der sich stark an Gedanken von J. H. von Thünen anlehnt. Im Mittelpunkt stehen Marktgrößeneffekte. Am bekanntesten ist das Kern-Peripherie-Modell von Krugman: Industriefirmen ziehen in die Nähe großer Absatzmärkte. Ein anderes ist das Modell der industriellen Verflechtung und der industriellen Cluster. Gravitationsmodell: Zusammenhang zwischen dem Handel zweier Länder und ihrer Größe. Sehr große beschränkende Wirkung haben die Entfernung und Staatsgrenzen. Nach Krugman ist der komparative Vorteil ein Zufall. "Regionen, die aus historischen Gründen einen Vorsprung als Produktionszentren haben, ziehen immer mehr Hersteller an", Paul Krugman. Vgl. Krugman, Paul: Development, Geography and Economic Theory, Cambridge/ Mass. 1997. Er diskutiert auch die Frage, warum die deutsche Standorttheorie der 1930er Jahre, zu deren Vertretern August Lösch zu zählen ist, nicht früher einflussreich geworden ist.

New Trade Theory (Elhanan Helpman, geb. 1946 auch P. Krugman, geb. 1953): Deckt die Lücke in den Theorien von D. Ricardo und Heckscher-Ohlin ab. Nach dem Zweiten Weltkrieg handeln ähnliche  Industrieländer in denselben Branchen miteinander.  Diese Unternehmen produzieren mittels einer Technologie, die durch hohe fixe Kosten geprägt ist. Sie wollen möglichst viel von dem Produkt herstellen, weil sie dann wegen der Fixkosten mehr verdienen (steigende Skalenerträge, Economies of Scale). Die Verbraucher wollen das Gegenteil: Ihnen ist eine große Auswahl wichtig. Grenzüberschreitender Handel hilft nun beiden. E. Helpman/ P.R. Krugman: Market Structure and Foreign Trade: Increasing Returns, Imperfect Competition, and the International Economy, Cambridge/ Mass. 1985.

Nur die stärksten Unternehmen exportieren (Marc Melitz): Er schließt die letzte Lücke in der Handelstheorie. In den Neunzigerjahren exportierten in den USA nur ein Fünftel der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes. Unter diesen wiederum hatten die größten 10 Prozent 90 Prozent der Exporte. Exportorientierte Unternehmen waren größer, beschäftigten viel mehr Mitarbeiter und zahlten höhere Löhne. Dies, weil nur die Besten Geschäfte mit dem Ausland stemmen können. Es fallen hohe Vorlaufkosten an (Vertriebsnetz, Marke bekannt machen usw.) . Die Schwächsten fallen raus. Melitz verdanken wir auch die erneute Einsicht, dass nationale Exportstatistiken nur ein Artefakt sind. Denn nicht Staaten, sondern Unternehmen exportieren (das hatte zuerst der schwedische Ökonom Kindleberger herausgestellt). Insofern muss man auch sehr vorsichtig bei der Interpretation von Exporten sein (z. B. ein großer Teil der chinesischen Exporte stammt von US-Unternehmen in China). Vgl. Melitz, Marc u. a.: Market Size, Competition, and the Product mix of Exporters, in: American Economic Review 104 (2/2014), S. 495-536.

Terms of Trade: Das reale Austauschverhältnis. Preisindex der Expote geteilt durch Preisindex der Importe (x  Wechselkurs im Nenner). Wichtig sind die Veränderungen. Sie sind ein wichtiger Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. 2022 verschlechtern sich die deutschen TOT massiv: Vor allem durch die extrem verteuerten Energieimporte ist dies eingetreten. Damit nimmt die deutsche Wettbewerbsfähigkeit ab.  Nach einer Studie von Prognos 2011 hängen in Deutschland fast 10 Mio. Arbeitsplätze am Export. Vom Export in die EU sind 4,5 Mio. Jobs abhängig (1,8 direkt, 2,7 indirekt).

Soziale Wohlfahrt: Eine soziale Wohlfahrtsfunktion ordnet jedem Güterbündel eine reelle Zahl, den Nutzen zu (Nutzenindex), den die Gesellschaft aus dem Konsum dieses Güterbündels zieht.

Internationalisierung: Wird das Wachstum des Welthandels so weitergehen oder gibt es Grenzen?  Für den Mittelstand ist die Internationalisierung ein wichtiger Innovationstreiber. Staat Güter müssen in Zukunft noch mehr Know-how und Kapital über die Grenzen fließen. Leider gibt es noch keine internationale Ordnungspolitik. So finden sich immer wieder neo-merkantilistische Exportorientierungen. Die Form der Internationalisierung kann sehr unterschiedlich sein: 1. Es gibt Vertriebs- und Service Niederlassungen. 2. Hinzu kommt noch die Produktion. 3. Ganze Wertschöpfungskette, incl. F&E.

Exporte und Importe (Werte): Exporte sind Waren, die im Inland produziert, aber im Ausland verkauft werden. Bei Importen ist es umgekehrt. Der Saldo wird in der Handelsbilanz dargestellt. In der Theorie wird die Differenz zwischen Exporten und Importen eines Landes als Außenbeitrag bezeichnet. Die Daten für Deutschland stammen aus der Außenhandelsstatistik des Statistischen Bundesamtes. Die Konzentration im deutschen Außenhandel ist extrem hoch. Die 100 größten deutschen Unternehmen haben 48% des Exports und 45% des Imports (2009). Viele Unternehmen exportieren und importieren gleichzeitig (Vorleistungen, globale Wertschöpfung). Deutschland exportiert 2012 und 2013 die meisten Güter nach Frankreich (104,5 Mrd. € 2012), vor USA und Großbritannien, Auf den nächsten Plätzen folgen die Niederlande und China. Nimmt man das gesamte Handelsvolumen sind für Deutschland am wichtigsten Frankreich, Niederlande, China , USA (2013, StBA). Die wichtigsten Ausfuhrgüter sind (2012) Kraftfahrzeuge, Maschinen, Chemie und EDV, Optik, Elektronik, Metall. Beim gesamten deutschen Außenhandel liegt 2013 Frankreich vor den Niederlanden, China und den USA. China ist seit 2012 die mächtigste Handelsnation (Exporte in Höhe von 3,87 Billionen Dollar vor USA mit 3,82 Billionen US-Dollar und Deutschland). Exportweltmeister ist China schon seit 2009 (löste damals Deutschland ab). In Rheinland-Pfalz steigt die Bedeutung des Exportes weiter an, es gibt immer mehr Zielländer (vor allem die Schwellenländer). Bei einigen Gütern ist eine Kontrolle notwendig (technologische Spitzenprodukte, Atomwaffen). Dafür ist in Deutschland das Bundesamt für Wirtschaft zuständig. Die Vereinten Nationen beschließen z. B. 2013 eine Kontrolle des Waffenhandels. Im November 2013 kritisiert das US-Finanzministerium die deutschen Handelsbilanzüberschüsse (vorher schon der IWF). Sie würden die Stabilisierung sowohl in Europa als auch der Weltwirtschaft behindern. Auch die EU (Olli Rehn im Herbstgutachten 13) kritisiert, dass der deutsche Leistungsbilanzüberschuss seit 2007 über dem Referenzwert liegt. Die EU-Kommission leitet eine Prüfung ein. Diese Argumentation ist angreifbar: Der Anteil der Vorleistungen an den deutschen Exporten ist zwischen 1995 und 2008 von 13,5% auf 20% gestiegen. Dies ist überproportional, wovon ausländische Wettbewerber erheblich profitieren, vor allen Länder aus Mittel- und Osteuropa (Quelle: Ifo-Institut, München). Grob kann man sagen, wenn die deutschen Exporte um 10% zunehmen, wachsen die Vorleistungsausfuhren der EU-Partner um 9%. Außerdem ist der deutsche Leistungsbilanzüberschuss gegenüber den Partnerländern der Euro-Zone von 2007 bis 2012 halbiert worden (von 4,4% auf 2,2%, Quelle: BMF, Berlin; der Anteil der Handelsbilanzüberschüsse beträgt 2013 7% am BIP, Ifo-Institut). Dagegen wachsen die Überschüsse im Handel mit den USA und anderen Weltregionen. Außerdem ist China das Hauptproblem der Krisenländer. Die Kritik ist auch absurd, weil die deutsche Regierung nicht den Außenhandel von Unternehmen lenken kann. Außerdem kann die Struktur der Wirtschaft nicht so schnell geändert werden (Investitionsgüter, KMU). Die steigenden Energiepreise in Deutschland und der EU relativ zur USA (Fracking) könnten mittelfristig das Problem so lösen, dass energieintensive Produktionsstätten verlagert werden. Die Position der EU-Kommission bleibt inkonsistent: nur mit Exportüberschüssen kann Deutschland mehr Rettungskapital in der EU zur Verfügung stellen. 2015 bei der Wachstumsschwäche der wichtigen Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien, Südafrika und Russland stellt sich die Frage, wie Deutschland seine Exporterfolge sichern kann. 1. Dezentrale Strukturierung aus einem starken Mittelstand heraus ("Hidden Champions"). 2. Qualität der Produkte. 3. Vertrauen, gewachsen aus langfristigen Geschäftsbeziehungen. 4. Geringere Preisabhängigkeit der Exporte (Preiselastizität). Die Deutschen mussten 2015 erheblich weniger für Ölimporte ausgeben (17 Mrd. € gespart). Im Jahre 2017 beträgt der Anteil der Exporte am BIP in Deutschland 39,2%. Der Anteil der Exporte in die USA an allen Exporten ist bei 8,7%. 2012 wird der deutsche Überschuss in der Leistungsbilanz voraussichtlich 160 Mrd. Euro betragen (auch Folge des schwachen Euro). Im 1. bis 3. Quartal 2012 hat sich eine Änderung in der Struktur vollzogen: Die Exporte in die USA, Japan und Russland nehmen stark zu, rückläufig sind die Exporte in die EU (Intrahandel). Insgesamt nehmen die Exporte zu. Für das Jahr 2012 rechnet der BGA mit einem Plus von 4% auf 1,103 Billionen Euro. Der Handelsbilanzüberschuss ist 2012 der zweithöchste in der Geschichte (188,1 Mrd. €; nur vor der Wirtschaftskrise 2007 war er mit 195,3 höher). Im Vergleich zum Vorjahresmonat sind die deutschen Exporte im Januar 2013 um 3,1%, die Importe um 2,9% gestiegen. Die Ausfuhren außerhalb der EU (Extrahandel) steigen stark, der Handel mit der Euro-Zone stagniert. Die deutsche Exportquote betrug im Jahre 2012 41,5% (Quelle: StBA; Methode: Exportwerte durch BIP mal 100). Längere Zeit hatte Deutschland einen Weltmarktanteil (Anteil an allen Exporten in der Welt) von 7,5%. Dieser wird sich längerfristig nicht halten lassen. Im ersten Halbjahr 2013 sind die deutschen Exporte in die Euro-Zone gesunken (vor allem nach Frankreich und Italien). Es ist mehr Nachfrage aus Großbritannien und den USA gekommen. Der BDI halbiert im Oktober 2013 die Wachstumsprognose für die deutschen Exporte 2014 auf knapp 2%. Die Hoffnung auf einen Aufschwung des Welthandels hat sich nicht erfüllt. Langfristig gelten die Perspektiven aber als gut. Im September 2013 wird mit 20,4 Mrd. € ein Rekordüberschuss im Export erzielt (StBA). 2012 betrugen die Importe aus den USA in die EU 205,9 Mrd. € (darunter nach Deutschland 50,6); die Exporte aus der EU in die USA lagen bei 291,8 Mrd. € (darunter nach Deutschland 86,8 Mrd. €; Quelle: GTAI). Die Pfalz ist die exportstärkste Region Deutschlands (62% Exportquote im Verarbeitenden Gewerbe). 2013 hat Deutschland den weltweit höchsten Exportüberschuss erzielt: knapp 200 Mrd. € (Quelle: Ifo-Institut, München). Die Exporte sanken allerdings erstmals seit 2009 um 0,2% gegenüber dem Vorjahr (StBA). Damit liegt Deutschland vor China und Saudi-Arabien. Sogar im Handel mit China wurde ein Überschuss erzielt. Das höchste Defizit haben wieder die USA (-339,4 Mrd. €).  Die Prognose für die deutschen Exporte 2014 liegt bei 3% Wachstum und dem Rekordwert 1142 Mrd. €. Die Bundesregierung geht im Jahreswirtschaftsbericht von Januar 2014 sogar von 4,1% aus. Der Saldo von Exporten und Importen entspricht in Deutschland 7 Prozent des BIP. Im März 2014 kommt wieder ein Rüffel von der EU-Kommission dafür. Man drängt auf höhere Investitionen in Deutschland (ein Wert von über 6 Prozent Leistungsbilanzüberschuss wird als stabilitätsgefährdend definiert). Im Januar 2014 steigen die Exporte um 2,2% (zum Vormonat; 2,9% zum Vorjahresmonat); die Importe steigen um 4% (Argument gegen die Kritik der EU). 2013 hatte Deutschland Exporte im Wert von 1093 Mrd. €, Importe im Wert von 896 Mrd. €. Im Juli 2014 knacken die deutschen Exporte erstmals die 100 Mrd. € - Marke (101 Mrd. €, +8,5% gegenüber Vorjahr; 56,9 Mrd. € in EU-Länder, 62% in Euro-Länder; besonders Autobranche, Maschinenbau, Chemie; spätere Ferien?). Die Pfalz ist eine der exportstärksten Regionen in Deutschland: Bundesdurchschnitt der Ausfuhrquote 47,6%; Pfalz 63,1%. Der Ukraine-Konflikt belastet im Herbst 2014 die deutschen Exporte. Insgesamt erreicht der Export 2014 einen neuen Rekordwert: 1133,6 Mrd. € (+3,7% gegenüber 2013); der Import erreicht 916,5 Mrd. €: Damit liegt der Handelsbilanzüberschuss bei 217 Mrd. € (StBA). Es führen Autos vor Maschinen und Chemie. Im Januar 2015 geht der Export Deutschlands in den Rückwärtsgang (-2,1%; Schwäche der Eurostaaten). Aufgrund des schwachen Euro legt er im Februar 2015 wieder zu. Im März wird ein Rekord bei Exporten und Importen erzielt (X +12,4% auf 107,5 Mrd. €). Nach einer Prognose des Ifo-Instituts in München wird der Leistungsbilanzüberschuss 2015 bei der Rekordhöhe von 250 Mrd. Euro liegen (den weltweit höchsten Überschuss hat aber erstmals China; die USA lösen Frankreich als wichtigsten deutschen Handelspartner ab). 2015 stiegen die Exporte um 6,4$ auf 1195,8 Mrd. Euro. In die EU wurden Waren im Wert von 693,9 Mrd. Euro geliefert. Die meisten Importe kamen aus China (91,5 Mrd. €, vor Niederlanden 88,1). Die Rüstungsexporte haben sich gegenüber dem Vorjahr verdoppelt (7,86 Mrd. €). 2016 erreichen die Exporte voraussichtlich einen neuen Rekord: Anstieg um 4,5% auf 1250 Mrd. Euro. Die Importe dürften auf 986 Mrd. Euro steigen (+ 4%). Im Juli 2016 gibt es allerdings einen Einbruch gegenüber dem Vorjahresmonat (-10%; stärkster Rückgang seit Oktober 2009, -18% aufgrund der Weltwirtschaftskrise)). Der Außenhandel der EU mit den USA sieht 2015 wie folgt aus: EU-Exporte in die USA 371 Mrd. €; EU-Importe aus den USA 248 Mrd. € (Quelle: Destatis). Im August 2016 gehen die Exporte kräftig nach oben (5,4% zum Vormonat, Nachfrage aus Europa). 2016 ist ein Rekordjahr für Deutschlands Exporteure (108,5 Mrd. € schon bis November). Im März 2017 erreicht der deutsche Außenhandel einen Rekordwert (Exporte +118,2 Mrd. €; +10,8%; Importe +2,4%; Handelsbilanzüberschuss 19,6 Mrd. €). Mitte des Jahres 2017 wachsen die Exporte langsamer (starker Euro-Kurs). Auch der Handelsüberschuss der Euro-Zone sinkt aus dem gleichen Grund. Für 2019 werden deutsche Exporte in Höhe von 1,7 Billionen Euro erwartet (IfW Kiel). Laut Statistischem Bundesamt dürften es 1,3 Billionen Euro werden (Dezember fehlt noch). Die Exporte legen um +4,7% zu, die Importe um +5,2%. Bei diesem Rekord sind auch die Rüstungsgüter enthalten. Vor allem die Rüstungsexporte an Drittstaaten außerhalb der EU und der NATO sind den Jahren 2013 bis 2017 um 47% auf 14,48 Mrd. € gestiegen (allein 2017 für 3,79 Mrd. €). 2018 leiden einzelne Firmen unter dem starken Euro. Besonders betroffen sind Continental, Infineon und Fresenius, deren Erträge geschmälert werden. Je größer das Amerika-Geschäft, desto höher die Einbußen. 2017 ist China weiterhin der größte Handelspartner Deutschlands. Dahinter folgen die Niederland und die USA. Frankreich fiel von Platz zwei auf Platz vier zurück. Protektionismus, Zollstreit und Brexit gelten als Gefahren für die deutsche Exportwirtschaft. 2018 behauptet sich der Außenhandel noch gegen diese Angriffe. Im September 2018 kommt ein Rückgang. Deutschlands Exporteuren droht eine Flaute. 2018 könnte trotzdem das fünfte Rekordjahr in Folge werden. Handelskonflikte und der Brexit geben trotzdem Anlass zur Sorge. 2018 stiegen die Ausfuhren das fünfte Jahr in Folge auf einen Rekordwert (1317,9 Mrd. Euro), das Wachstumstempo verlangsamte sich aber deutlich (3% 2018, 6,2% 2017). Die Importe steigen 2018 auf 1090 Mrd. Euro (+5,7%). Der Handelsbilanzüberschuss betrug 2018 227,8 Mrd. €. Wichtigster Einzelmarkt war die USA. Im Juni 2019 brechen die deutschen Exporte ein (8% gegenüber Juni 2018). Die internationalen Handelskonflikte (Trump, Brexit) scheinen durchzuschlagen. Auch das BIP sinkt im 2. Quartal um -0,1%, wozu die Export orientierte Industrie wesentlich beiträgt. Im Juli 2019 legen die Exporte überraschend um 0,7% zu (Quelle: StBA). Im Oktober 2019 legen sie nochmals um 1,9% zu. Die Corona-Krise führt zu einem Rückgang der Exporte im April 2020 um -31% (so stark wie noch nie, 75,7 Mrd. €). Im Mai setzt sich der Abschwung fort. Lichtblicke gibt es ab Juni 2020. Die Ausfuhren sind um 14,9% gestiegen im Vergleich zum Mai). Sie lagen allerdings noch 9,4% unter dem Wert vom Juni 2019 (Quelle: Statistisches Bundesamt). Im letzten Quartal 2020 erholt sich der Export wieder. Er verliert aber an Tempo. Insgesamt stottert der Wirtschaftsmotor Export aber im Corona-Jahr 2020: Die Ausfuhren brechen um über 9 Prozent ein. Im März 2021 erreichen die Exporte fast wieder Vorjahresniveau. Einen großen Anteil daran hat China. Im Juni 2021 geht es besonders deutlich nach oben im Vergleich zum Vorjahresmonat: +23,7% bei Exporten außerhalb der EU, 53,5 Mrd. €. Quelle: Destatis. 2022 sind die Exporte auf Rekordniveau: Für 1564 Mrd. € wurde ans Ausland geliefert (+14,3% gegenüber 2021). Ursache dafür sind auch höhere Preise. Im Juli 2023 kommt es zu einem Rückgang der Exporte gegenüber Juni (-,9%; schwache Nachfrage auf den Weltmärkten). Sogar im September 2023 sinken die Exporte noch mal um -2,4% im Vergleich zum Vormonat. Insgesamt brechen 2023 Exporte und Importe ein (Außenhandel). Die Exporte liegen bei 125,3, die Importe bei 103, 1Mrd. € (2022: 138,0; 126,2).  Das Exportklima deutet erst ab 2024 auf eine positivere Entwicklung hin. Im März 2024 gehen die Exporte im Vergleich zum Vormonat um +0,9% nach oben auf 143,1 Mrd. €. Quelle: StBA/ Wiesbaden.

Exporte und Importe (Gewichte): Bei den Gewichten der Exporte und Importe sind die Rangfolge anders aus: 2017 wogen die Importe 658 Mio. t., die Exporte 412 Mio. t. Das liegt an den Gewichten von Rohstoffen und Brennstoffen. Das Ungleichgewicht ist ein Problem der Logistik. Frachter und Tanker fahren ungleich beladen.

Exporte und Importe der EU: Größter Handelspartner der EU sind die USA (Exporte 2013: 288,2 Mrd. €; Importe 2013: 196 Mrd. €). Dann folgen die Schweiz, China, Russland, die Türkei und Norwegen (Quelle: Eurostat). Insgesamt führt die EU weltweit bei Exporten und Importen (24,5% Anteil an allen Exporten in der Welt). An zweiter Stelle liegen die BRIC-Länder, gefolgt von den USA. 2020 zeigt sich folgendes Bild: Exporte der EU in die USA 353 Mrd. €, Importe 202. Exporte der EU nach China 203 Mrd. €, Importe 384 Mrd. €.

Export pro Kopf: Guter Indikator für Exporterfolge und -stärke von Ländern. Nimmt man den Zeitraum von 2005 bis 2014 ergibt sich folgende Rangfolge: Deutschland, Korea, Frankreich, Italien, GB, Spanien, Japan, USA, Russland, China. Quelle: Simon, Hermann: Meister der Strategie. Der deutsche Mittelstand und Globalia, in: Unternehmermagazin 7/8 2015, S. 20.

Import- und Exportelastizität: Wechselkurs oder Preis der Importe als unabhängige Variable, mengenmäßige Importe oder Importwert als abhängige Variable.  Wechselkurs oder Preis der Exporte als unabhängige Variable und mengenmäßige Exporte oder Exportwert als abhängige Variable.

Exportüberschuss und Wachstum: Das Wachstumsmodell von R. F. Harrod zeigt, dass ein Exportüberschuss Produktivitätskapazitäten beansprucht, die für wachstumsrelevante Investitionen nicht mehr zur Verfügung stehen. Mit zunehmender Kapazitätsauslastung könnte der Exportboom dämpfende Wirkungen auf das Inlandsprodukt haben. Sollte man mit einer Ausdehnung der öffentlichen und privaten Binnennachfrage gegensteuern? Man könnte auch die mit dem Exportüberschuss verbundenen Kapitalabflüsse umlenken und durch günstige Standortbedingen im Inland mindern. Vgl. Konrad, Anton: Exportüberschuss und Wachstum, in: Wirtschaftsdienst 2018/12, S. 900ff.  2022 ist der Exportüberschuss auf dem niedrigsten Stand seit dem Jahr 2000. Der teuere Energieeinkauf (Importwert) belastet. Der Überschuss verringert sich auf 79,7 Mrd. €. 2024 kommt der deutsche Export nicht in Schwung. Die Weltwirtschaft lahmt. Entsprechend bleibt die Nachfrage nach deutschen Waren schwach.

Exporter Dynamics Database , Version 2.0: Ein System von Indikatoren. Seit Oktober 2015 die neueste Version für Deutschland. Exporteure, Dauerexporteure, Eintrittsrate, Austrittsrate, Überlebensrate. Vgl. Joachim Wagner: Dynamik der deutschen Warenexporte nach Zielländern und Gütergruppen, in: Wirtschaftsdienst 12/2015, S. 868ff. . 

Exportklimaindex: Er wird vom Ifo-Institut in München berechnet.

Export und Wettbewerbsfähigkeit: Die deutschen Exporte werden 2023/24 durch eine erodierende preisliche Wettbewerbsfähigkeit belastet. Die hohen Energiekosten und die steigenden Lohnstückkosten zwingen Unternehmen ihre Preise zu erhöhen., um ihre Gewinne stabil zu halten. Vgl. wiwo 4/ 19.01024, S. 36.

Offenheitsgrad: Exporte plus Importe durch Bruttoinlandsprodukt. Es ist ein guter Indikator für die Einbindung in die Globalisierung. 2021 liegt der Offenheitsgrad in Deutschland bei 81,1%. Das ist weltweit Spitze. Andere Länder: China 34,4%; USA 23,4%; Japan 31,1%.

Export alkoholischer Getränke: Bestimmte alkoholische Getränke haben eine große Bedeutung für die Handelsbilanz einzelner Länder. Cognac und Bordeaux-Wein für Frankreich (relativ abhängig von China); Whiskey für Schottland, Sherry für Spanien, Portwein für Portugal, Rum für Cuba, Wodka für Russland, Wein und Bier für Deutschland . Diese Getränke werden deshalb immer wieder für Sanktionen missbraucht.

Rüstungsexporte/ Waffenexporte und -importe: Sie unterliegen strengen Kontrollen in vielen Ländern. Für den Export deutscher Kriegswaffen gelten ab Juni 2019 strengere Regeln. Die Lieferung von Kleinwaffen in Länder außerhalb von NATO und EU wird verboten. Die Überwachung unterliegt dem Bundesamt für Wirtschaft in Eschborn. Weltweit führen bei den Rüstungsexporten die USA 36% an den Gesamtausfuhren von Großwaffen, 2015-2019 +23%). Dann folgt Russland mit einem Anteil von 21%. Auf Platz drei liegt Frankreich (7,9%). Dahinter folgt Deutschland mit 5,8%. Quelle: Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri. 2022 will die Ampelregierung das Rüstungskontrollgesetz verschärfen. Es geht um Waffenexporte in Krisengebiete. Die alte Bundesregierung hatte am Ende ihrer Amtzeit 2021 noch mal viele Exporte genehmigt. 2023 ist die Ukraine der größte Waffenimporteur der Welt. Größter Exporteur ist Frankreich vor Russland.

Welthandel: Die führenden Welthandelsländer 2011 waren vom Export her die VR China, USA, Deutschland, Japan, die Niederlande, Frankreich und Süd-Korea. Die bedeutendsten Welthandelsströme verlaufen zwischen Europa, Nordamerika und Asien (Triade). Der Welthandel hat sich weitaus dynamischer entwickelt als das Welt - BIP. Das liegt an den globalen Wertschöpfungsprozessen ("supply-chain"). Deutschlands wichtigster Außenhandelspartner ist beim Export Frankreich und beim Import die Niederlande. China ist auch ein wichtiger Handelspartner (2014 Platz fünf bei Exporten), kann aber nicht Lokomotive für den deutschen Export sein (Anteil 2012 ca. 6%). Die Zusammensetzung des Welthandels sieht wie folgt aus: Industrieprodukte 54,73%, Rohstoffe 18,48%, Dienstleistungen 19,77%, Agrarprodukte 7,02% (Quelle: Krugman/ Obstfeld/ Melitz: Internationale Wirtschaft, München 2012, S. 47). Eine neue Form des Außenhandels ist das Offshoring von Dienstleistungen, insbesondere in der modernen Informationstechnologie. Es handelt sich um einen besondere Form der Auslagerung (Outsourcing). Der Anteil Deutschlands am Welthandel lag bei 7,5%. 2013 steigt er noch einmal auf 8%. Dieser Anteil wird längerfristig sinken. 2012 war Deutschland hinter China und den USA bei den Exporten an dritter Stelle. 2013 könnte der zweite Platz wieder erreicht werden. In 85 Ländern der Welt gibt es deutsche Außenhandelskammern. China ist die größte Handelsnation der Welt; auch mit der größten Dynamik. 2013 gab es einen Zuwachs des Außenhandels von 7,6% (Exporte; Importe 9,9%). Deutschland schickt seine Exporte zu 71% in die EU (62% Euroländer), 16% nach Asien, 10% in die USA. Seit 1950 stieg der Wert der deutschen Exporte um das 273-Fache bis 2013. 2014 rechnet die WTO mit einer Zunahme des Welthandels um 4,7% (der Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre liegt bei 5,3%). 2013 war China Exportweltmeister, vor den USA und Deutschland. Weltweit am meisten werden Energierohstoffe gehandelt (3258 Mrd. $). Dann folgen Maschinen, Kraftwerke, Flugzeuge, Schiffe u. ä. (2834 Mrd. $). Nahrungsmittel und Agrarprodukte umfassen 1745 Mrd. $ auf dem vierten Platz hinter  EDV, Telekommunikation (1750 Mrd. $). Insgesamt hat der Welthandel (Summe aller Exporte) 2013 18,3 Billionen Dollar ausgemacht. Weltgrößter Importeur war 2013 die USA vor China und Deutschland. Der Dienstleistungshandel ist in den letzten Jahren relativ zum Güterhandel nicht stärker gestiegen. Aber es ist eine wachsende Wichtigkeit dieser Handelsart in Zukunft zu erwarten. Der technische Fortschritt wird dies erzwingen. Der rasante Aufstieg Chinas als wichtigster Exporteur und zweitwichtigster Importeur geht weiter. China ist auch ein wichtiger Spieler im Handel mit Dienstleistungen, überschwemmt den Weltmarkt aber auch immer noch mit Billigprodukten. Den besten Überblick über den Welthandel gibt der World Trade Report der WTO. Der von 2014 ist unter folgender Adresse online verfügbar: http://www.wto.org/english/res-e/publications-e/wtr14-e.htm . 2016 löst China die USA als wichtigsten Handelspartner ab (USA noch Platz eins bei Exporten, aber nicht bei Importen'). Obwohl der US-Präsident 2017 den Protektionismus beschwört, erlebt die Globalisierung eine neue Blüte: Um bis zu 3,9% könnte der globale Handel 2017 zulegen (Quelle: WTO; IWF rechnet sogar mit 4,2%). Gründe sind die anschwellenden Handelsströme in Asien und die Erholung der Importnachfrage in den USA. Hauptprofiteur ist die deutsche Wirtschaft. Die OECD rechnet 2017 mit 3,6% Wachstum (2018 3,7%, 2019 3,6%). Es werden dann 2017 tatsächlich 4,6%. 2018 sackt das Wachstum auf 3% ab (Handelskrieg). 2022 ist der Welthandel mit Gütern um 12% angestiegen auf 25,3 Billionen US-$. Das ist zum Teil auch auf die gestiegenen Rohstoffpreise zurückzuführen. Der Wert des weltweiten Handels mit kommerziellen Dienstleistungen legte 2022 um 15% zu auf 6,8 Billionen US-$.

Welthandel und Welteinkommen (Wachstum): Der Welthandel ist in den letzten 25 Jahren schneller als das Welteinkommen gewachsen. Der Hauptgrund liegt in der Internationalisierung der Produktion. Multis versenden Produkte verschiedener Stufen um die Welt (Vorleistungen). Der Fall von Handelsbarrieren hat dies begünstigt. Vergleicht man eine längere Periode, so ist die Weltwirtschaftsleistung von 1950 bis 2012 von 100 auf 898 gestiegen (Index). Im gleichen Zeitraum stieg der Welthandel (Exporte) auf 3174). Noch dynamischer haben sich die Finanzmärkte entwickelt, vor allem der Devisenmarkt (nur noch 2% durch Handel erklärbar, Dominanz der Spekulation). Ab 2014 sieht die Weltbank (Prognose 2014) eine positive Entwicklung für das Welteinkommen: 2014 3,2% Wachstum, 2015 3,4%, 2016 3.5%. Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist optimistischer: er erwartet eine Steigerung des Welteinkommens um 3,7% im Jahre 2014. Im April 2014 wird diese Zahl vom IWF korrigiert. Die neuen Zahlen sind wie folgt: 2014 3,6%; 2015 3,9%. 2013 betrug das Wachstum der Weltwirtschaft 3,0%. Die Wachstumsraten zwischen Industrieländern (2,2% 2014) und Entwicklungs- und Schwellenländern (4,9% 2014) sind sehr unterschiedlich. Zu Beginn 2015 kappt die Weltbank ihre Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft: 2015 nur noch 3%; 2016 3,3%. Zu Beginn von 2016 sieht der IWF dunkle Wolken für die globale Konjunktur: Die Schwellenländer China und Brasilien fallen als Triebkräfte aus. 2015 wächst die Weltwirtschaft nur um 3,1%. Für 2016 werden 3,4% erwartet, für 2017 3,6%. Im Herbst 2016 macht der IWF eine neue Prognose: Für 2016 werden 3,1% Wachstum erwartet, für 2017 3,4%. Im April 2017 korrigiert der IWF seine Wachstumsprognose: Für 2017 sieht der IWF einen Anstieg der Weltwirtschaftsleistung von 3,5% voraus. Das nominale Bruttoinlandsprodukt der Welt könnte auf 79,3 Bill. US-$ wachsen. Der IWF sieht für 2018 und 2019 ein globales Wirtschaftswachstum von 3,7%. Damit wird die bisherige Prognose von 3,9% etwas nach unten revidiert (wachsende Risiken). "Die Weltwirtschaft fährt mit einem Motor, dem amerikanischen", Kaushik Basu, Chefvolkswirt der Weltbank, zu Beginn 2015. "Das weltweite Wachstum wird 2016 enttäuschend und ungleichmäßig ausfallen. Und auch die mittelfristigen Aussichten sind nicht optimal, weil geringe Produktivität, alternde Bevölkerungen und die Folgen der globalen Finanzkrise das Wachstum bremsen", Christine Lagarde, Direktorin des IWF, Ende 2015 (Quelle: Handelsblatt Nr. 251, 30.12. - 4.1. 2016, S. 4). Die WTO prognostiziert am 08.04.20 die tiefste Rezession der Geschichte: -32% Welthandel 2020 (in der günstigsten Variante -13%). Die OECD gibt für 2023 folgende Wachstumsprognose ab: Welt +2,2%; China +4,6%; USA +0,5%; Euro-Raum +0,5%; Deutschland -0,3%. Der IWF ist optimistischer: Wachstum Weltwirtschaft 2023 +2,8%. Wachstum Deutschland -0,1%. Für 2024 prognostiziert der IWF 3,2% (im April 2024).

Weltwirtschaft und Welthandel (Entwicklung): Der Vergleich wird als Indikator der Globalisierung interpretiert. Zwischen 1990 und 2007 wächst der Welthandel stärker  als die Weltwirtschaft. Ab 2012 wächst die Weltwirtschaft stärker als der Welthandel. Die Globalisierung verliert an Tempo. Quelle: Der Spiegel, Nr. 19/ 2.5.2020, S. 73 (nach Daten der WTO, IWF, IW). Mitte 2021 atmet die Weltwirtschaft nach der Corona-Pandemie auf. Es wird starkes Wachstum in den Industrieländern erwartet und die globale wirtschaft erholt sich. Prognosen 2021 und 2022 (Quelle: IWF): Welt 2021 +6,0%, 2022 +4,9%. Am stärksten ist das Wachstum in China: +8,1; +5,7. Für die USA werden folgende Zahlen erwartet: +7,8; +4,9. Der IWF erwartet im Oktober 2021 trotz der Lieferprobleme eine Erholung der Weltwirtschaft für 2021 und 2022. Allerdings ist die Weltwirtschaft gespalten: Entwicklungsländer und Schwellenländer gehen nach unten. Der IWF senkt seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft 2022 auf 3,2% (im Juli 2022). Im Oktober 2022 erfolgt eine Prognose für 2023 mit 2,7%, im April 2023 +2,8%. Für 2023 liegt die Prognose des IWF im Sommer 23 bei ca. 3% Wachstum der Weltwirtschaft. Bei den G7 liegt Deutschland auf dem letzten Platz mit 0,3% Wachstum des BIP. Die Experten der OECD erwarten für 2024 eine Hängepartie in der Weltwirtschaft: nur moderates Wachstum, erst 2025 stärker aufwärts. 2024 soll die Weltwirtschaft um 2,9% wachsen. Vor allem die US-Wirtschaft soll dazu beitragen. Für die größten Volkswirtschaften der EU gibt es genäßigte Prognosen: Deutschland 0,3%, Frankreich 0,6%. Für die EU werden 0,6% erwartet. Das Sommer-Update 2024 des IWF fällt wie folgt aus: Weltwirtschaft 2024 3,2% Wachstum. 2025 werden 3,3% erwartet.

Gewichte der Weltwirtschaft: Die Gewichte der Weltwirtschaft verschieben sich 2021 zugunsten der beiden Supermächte. Die deutsche Wirtschaft ist kleiner als vor Corona. Man nimmt das geschätzte BIP. Den größten Block bildet Asien (Rangfolge dort: China, Japan, Indien, Südkorea, Indonesien, Taiwan, Thailand, Malaysia, Singapur, Philippinen). Dann folgt Nordamerika (Randfolge: USA, Kanada, Mexiko). An dritter Stelle liegt Europa (Deutschland, GB, Frankreich, Italien, Russland, Spanien, Niederlande, Schweiz, Schweden, Österreich, Norwegen). Naher Osten (Iran, Saudi-Arabien, Türkei, Israel, VAE). Südamerika (Brasilien, Argentinien). Ozeanien (Australien, NZ). Mittelamerika/ Karibik. Über den Wohlstand sagt das wenig aus. Ein besserer Indikator ist die Wirtschaftsleistung pro Kopf: Hier führen Liechtenstein und Luxemburg. China liegt im globalen Durchschnittsniveau. Vgl. Pennekamp, Joannes: Amerika und China ziehen davon, in: FAZ Nr. 303, 29.12.21, S. 15.

Globaler Handel/ Welthandel - Zukunft: Drei Szenarien sind denkbar: 1. Globaler Freihandel. Der Beitritts Chinas zur WTO 2001 beflügelte den Welthandel. Nach der Finanzkrise wurde er schwächer. 2. Globaler Fairtrade.  Die Entwicklungsländer haben in den vergangenen 20 Jahren enorm aufgeholt, vor allem dank China. 3. Die Welt der Handelsblöcke. Die Realität dürfte Elemente aller Szenarien enthalten. Vgl. Niels Boing: Spiel ohne Grenzen, in: Zeit Wissen, Nr. 3, April/ Mai 2016, S. 48ff. 2019 im Handelskrieg zwischen den USA und China zeichnet sich ein Weg Richtung Modell drei ab. Treiber sind internationale Kosten- und Preisverhältnisse, Strukturwandel und die technologischen Rahmenbedingungen. Es führt zu einer Desintegration des globalen und Integration des regionalen Handels. Die Weltwirtschaft driftet auseinander, der Handel regionalisiert sich. Die Arbeitsteilung organisiert sich eher in drei großen geographischen und politischen Blöcken: Asien, Nordamerika, Europa. Die Geographie als Erklärungsvariable gewinnt wieder an Bedeutung (Thünen, Krugman). Damit könnt aber auch die Bereitschaft der Regierungen wachsen, Konflikte mit militärischen Mitteln zu lösen. Vgl. Fischer, Malte: Schöne neue Welten, in: WiWo 40/ 27.9.19, S. 40f. "Wenn Waren nicht Grenzen überqueren, werden es Soldaten tun", Frederic Bastiat, französischer Ökonom, 1801-1850, ebenda, S. 41.

Dienstleistungshandel: Er spielt eine immer wichtigere Rolle. Es kommt dabei insbesondere auf nicht-tarifäre Handelshemmnisse an. Eine Quantifizierung ist schwer. Der Dienstleistungshandel kann in folgende Kategorien eingeteilt werden: Unternehmensbezogene Dienstleistungen, Reiseverkehr, Transportleistungen, Finanzdienstleistungen, Gebühren für Nutzung geistigen Eigentums, Informationsdienstleistungen (IT), Kommunikationsdienstleistungen, Baudienstleistungen, Dienstleistungen für persönliche Zwecke, Kultur & Freizeit. Der Anteil am Gesamtwelthandel beträgt etwa ein Viertel.

Fünf-Punkte-Plan für Freihandel: Diesen Plan legt die FDP im Mai 2021 vor: 1. Transatlantischen Wirtschaftsraum stärken. 2. Abkommen mit südamerikanischen Staaten abschließen. 3. Multilateralen Ansatz stärken. 4. Europäischen Binnenmarkt verteidigen und ausbauen. 5. Deutschland braucht einen Staatsminister für Handel. Vgl. Volker Wissing: Ein Fünf-Punkte-Plan für den Freihandel, in: WiWo 20/ 14.5.2021, S. 10.

Grubel-Lloyd-Handelsindex: Kennziffer zur Berechnung des intra-industriellen Handels eines Wirtschaftszweigs, einer Volkswirtschaft oder einer Ländergruppe. Intra=1 - (Ex -Im)/Ex+Im.

Abhängigkeit vom Welthandel: Exporte in Prozent des BIP. Viele kleine Länder hängen extrem an der Globalisierung (kleine Länder, große Exporteure). Große Länder sind eher kleine Exporteure. Beispiele: Luxemburg 214%, Singapur 176%, Irland 124%, Niederlande 82%. USA 13%, Brasilien 13%, Japan 18%, Indien 20%. Das hängt auch mit der Größe des Binnenmarktes zusammen. Ein weiteres Kriterium sind hoch spezialisierte Technologiegüter, denen Deutschland vor allem seinen Erfolg im Export verdankt.

Holländische Krankheit: Förderung besonders erfolgreicher Branchen, die auch im Export erfolgreich sind. Zuerst in Holland bei Tulpen beobachtet. Später dort auch bei Erdgas. Andere Branchen leiden darunter. Zusätzlich kommt hinzu, dass der Exporterfolg zu Aufwertungen der Währung führt, die die anderen Branchen zusätzlich belastet.

Wohlstand in der Welt (Prognose des Wachstums): Nach der Finanzkrise 2008  und der anschließenden Krise der Realwirtschaft in der Welt befindet sich die Weltwirtschaft 2015 und 2016 immer noch in einer Krise (säkulare Stagnation, secular stagnation). Die Frage ist, ob und wann die Weltwirtschaft aus dieser Krise herauskommt. Drei Thesen dazu stehen im Vordergrund: 1. Das Wachstum ist niedrig, weil viele Staaten und Private überschuldet sind. Deshalb wird nicht investiert, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Also müssen die Schulden abgebaut werden und man muss abwarten (acht Jahre?). Diese These vertritt etwa Kenneth Rogoff, ehemals Chefvolkswirt des IWF. 2. Die Wirtschaft stagniert, weil zu viel gespart und zu wenig investiert wird. Der Staat soll mehr Geld ausgeben und zur Not Schulden machen. Diese These vertreten etwa Larry Summers (Ex-Finanzminister der USA) und Paul Krugman (Wirtschaftsnobelpreis 2008, Lehrbuchautor). 3. Das starke Wirtschaftswachstum der letzten 200 Jahre war eine historische Ausnahme (Explosion des Wachstums ab 1850, industrielle Revolution). Es gibt keine Innovationen mehr, die Ähnliches bewirken. Also könnte die Krise für immer andauern. Man muss mit dem auskommen, was da ist. Diese These vertritt Robert Gordon, Ökonom. Vgl. Mark Schieritz, Kommen wir aus der Krise? in: Die Zeit Nr. 12, 10. März 2016, S. 19. Auch: Teulings, C./ Baldwin, R./ : Secular Stagnation: Facts, Causes, and Cures. London 2014, darin insbesondere die Aufsätze von Krugman und Summers. Vgl. auch: M. Hesse/ C. Reiermann: Ausgewachsen, in: Der Spiegel 16/ 2016, S. 82ff. Die Weltbank gibt folgende aktuelle Prognosen für das Wachstum der Weltwirtschaft ab (Anfang 2017): 2017 2,7%; 2018 2,9%; 2019 2,9%.

Weltkonjunktur: Die "goldenen Jahre der Globalisierung" scheinen 2019 vorbei zu sein. Der Handelskonflikt zwischen den USA und China trübt die internationalem Wirtschaftsbeziehungen. Das Hauptproblem ist wohl die Unsicherheit. Es scheint eine Neuordnung der Weltwirtschaft bevor zu stehen.

Leistungsbilanz: Teil der Zahlungsbilanz eines Staates, Sie umfasst den Export und Import von Waren (Handelsbilanz), von Dienstleistungen und Kapitalerträge (Dienstleistungsbilanz) sowie die geleisteten und empfangenen privaten und öffentlichen Übertragungen (Überweisungen von ausländischen Arbeitnehmern in ihre Heimatländer, Beiträge zu internationalen Organisationen und Entwicklungshilfe (Übertragungsbilanz).

Leistungsbilanzüberschüsse: Die Exporte eines Landes steigen sehr viel stärker als die Importe. So ist in den letzten Jahren die deutsche Situation (1999 Leistungsbilanz defizitär, 2007 Überschuss von 181 Mrd. €). Für unsere Handelspartnerländer hatte der Überschuss einen negativen Nachfrageeffekt. Mit dem Leistungsbilanzüberschuss verbunden sind an das Ausland vergebene Kredite, die zusätzlich die Nachfrage nach deutschen Produkten im Ausland anregen. Nur ein Teil der im Ausland erzielten Einnahmen wird für Importe eingesetzt. Damit entzieht Deutschland dem globalen System auch Kaufkraft. Andererseits braucht man zur Produktion Vorleistungen, die aus dem Ausland importiert werden. 2014 kommt der IWF in einer Studie zu dem Ergebnis, dass sich die Ungleichgewichte im Welthandel verringert haben. Nur Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss wächst weiter. Seit 50 Jahren steht Deutschland in der Kritik wegen seiner hohen Leistungsbilanzüberschüsse. Im November 2013 hat die EU-Kommission ein Prüfverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Ergebnis ist eine mögliche Gefährdung des Funktionieren der Eurozone. Schon 1965 bot der amerikanische Ökonom C. P. Kindleberger verschiedene Erklärungen dafür an (Ders.: German`s Persistent Balance of Payments Disequilibrium, in: Baldwin et al..: Growth and the Balance of Payments, chicago/ Amsterdam 1966, S. 230-248). Heute werden folgende Ursachen diskutiert: Euro-Wechselkurs; deutsche Lohn- und Preisentwicklung; deutsche Binnennachfrage zu niedrig; Leistungsbilanzüberschüsse nicht nachhaltig; Vgl. Weber, C. S./ Wölfel, K.: Deutsche Leistungsbilanzüberschüsse in der Kritik, in: Wirtschaftsdienst 2014/ 7, S. 500-507. Interessant ist, wie sich die Leistungsbilanzüberschüsse in Zukunft entwickeln. Die demographische Entwicklung könnte die Überschüsse schrumpfen lassen. Vgl. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss - Fluch oder Segen? in: Wirtschaftsdienst 2016/11, S. 787 ff. Externe Einflüsse haben einen zunehmenden Einfluss auf die deutsche Handelsbilanz (niedrige Preise bei Rohstoffen, die wir importieren; niedrige Zinsen stimulieren die Industrie; günstiger Wechselkurs bei starkem Dollar; Erholung der Schwellenländer). In der EU gibt es ein Verfahren zur Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte. Überschüsse von mehr als 6% (Leistungsbilanzüberschuss in Prozent des BIP) seien zu korrigieren. Deutschland lag 2016 bei 8%. Eine interessante Frage ist, mit welchem vertretbaren (politischen) Aufwand der Leistungsbilanzüberschuss zu reduzieren wäre. Einige Experten fordern konkrete finanzpolitische Maßnahmen, um die Binnennachfrage zu heben. Das hätte aber dauerhafte Auswirkungen auf die Verschuldung. Vgl. Christoph Priesmeier: Lässt sich der deutsche Leistungsbilanzüberschuss mit vertretbarem Aufwand reduzieren? in: Wirtschaftsdienst 2017/9, S. 637ff. F. W. Scharpf empfiehlt die Binnennachfrage zu starken, indem im Niedriglohnsektor für sinkende Sozialabgaben gesorgt wird. Den Weg, die Binnennachfrage massiv zu stärken, geht auch China.  Deutschland hat 2014 mit einem neuen Rekordwert den größten Exportüberschuss aller Länder erzielt und liegt deutlich vor der Nummer zwei China (Berechnungen des Ifo-Instituts, München: 285 Mrd. Dollar, China 150 Mrd. Dollar, danach Saudi-Arabien). Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes betrug der Exportüberschuss 2014 216,9 Mrd. € (bisherige Höchstwert 2007: 195,3 Mrd. €). 2016 wird Deutschland China wohl mit dem höchsten Exportüberschuss ablösen. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss summiere sich voraussichtlich 2016 auf 297 Mrd. $ (Quelle: ifo-Institut, München; 8,9% der Wirtschaftsleistung). Er beruht auf dem Warenhandel. An zweiter Stelle steht China mit 245 Mrd. $. Das größte minus haben wieder die USA mit 478 Mrd. $. "Vier Prozent sind vielleicht gerechtfertigt, acht Prozent sind es nicht", Christine Lagarde, Chefin des IWF, zu Deutschlands Exportüberschüssen. Vgl. auch: Bastian Alm/ Sebastian Weins: Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss, in: Wirtschaftsdienst 2017/ 12, S. 854ff. 2017 hat Deutschland den weltweit größten Überschuss in der Leistungsbilanz: 287 Milliarden Dollar (7,8%, weit über dem Limit von 6%; 2016 8%). Dahinter liegt China mit 135 Milliarden Dollar. Quelle: Ifo-Institut, München 2018.  2017 ist das Handelsbilanzdefizit der USA auf 566 Mrd. Dollar gestiegen (+12,1%, höchste Niveau seit 2008). Für 2018 wird für Deutschland ein Leistungsbilanzüberschuss von 262 Mrd. € erwartet (Quelle: Ifo München). Es werden dann in der Handelsbilanz 227,8 Mrd. € Überschuss. 2022 ist der Exportüberschuss auf dem niedrigsten Stand seit dem Jahr 2000. Der teuere Energieeinkauf (Importwert) belastet. Der Überschuss verringert sich auf 79,7 Mrd. €.

Leistungsbilanzdefizit: Traditionell sehr hoch in den USA. Hier will Trump ja ansetzen. Das Leistungsbilanzdefizit hat eine Rolle bei der Entstehung der Finanzkrise 2008 gespielt. Im Juni 2018 steigt das US-Handelsdefizit sehr stark an. Es waren 7,3% mehr als im Vormonat. Das könnte auch eine Vorwegnahme von Handel sein, weil Trump immer mehr protektionistische Maßnahmen ergreift. Im Mai 2022 hat Deutschland erstmals seit 2008 wieder ein Defizit im Außenhandel (mehr importiert als exportiert, -0,9 Mrd. €). Die Exporte sind gar nicht so stark eingebrochen, sondern die Preise für Energieimporte explodieren.

Vorleistungen: In einer globalisierten Welt zeigen sie die außenwirtschaftliche Verflechtung an. Es sind die produzierten Teile, Halbfertigprodukte und Ressourcen, die in anderen Unternehmen erbracht wurden, in diesem Falle im Ausland. Sie werden von der Summe der Produktionswerte abgezogen, um die Bruttowertschöpfung zu ermitteln. Um das Bruttoinlandsprodukt zu berechnen, werden dann noch die nichtabziehbare Umsatzsteuer  und die Einfuhrabgaben addiert. Am Beispiel der EU lässt sich zeigen, wie hoch mittlerweile die Nachfrage der deutschen Industrie nach Vorleistungen aus der EU ist: In der Tschech. Rep. macht die Vorleistungsproduktion fast 8% der gesamten Bruttowertschöpfung aus. In Ungarn sind es 6,5%, in den Niederlanden 4,3%, in Polen fast 4%. So hängen in Polen über 600.000 Arbeitsplätze an der deutschen Vorleistungsnachfrage. In der Tschech. Rep. sind es fast 400.000 (Quelle: Prognos AG).

Wertschöpfung: In der Rangliste der Wertschöpfung klettert China immer weiter nach oben. Gary Gereffi, analysiert der globalen Wertschöpfungsketten und der Internationalisierung, schrieb schon 2014 von einem Systemwechsel (Vgl. Gary Gereffi: Global Value chains in a post-Washington consensus world, in: Review of International Political Economy, Heft 1, 2014). Aufgrund der geographischen Konsolidierung und neu entstandener Zentren der Wertschöpfung verschiebe sich die Balance zwischen internationalen Konzernen und einigen großen aufstrebenden Staaten. Als künftige Wachstumspole der Weltwirtschaft identifiziert er "eine zunehmende Anzahl aufsteigender Mächte, die sowohl über relativ stabile nationale Märkte, qualifizierte Arbeitskräfte und kompetente Hersteller verfügen als auch einen Drang zu eigenständiger Innovation entwickeln".

Globale Wertschöpfungsketten: 252.000 deutsche Unternehmen erbringen Dienstleistungen im Ausland. KMU sind auch als Zulieferer in Wertschöpfungsketten eingebunden und stehen eher am Ende dieser Ketten, die bei Konzernen anfangen. : Die Zulieferer können dadurch Ressourcenrestriktionen überwinden und die Risiken sowohl bei der Entwicklung neuer innovativer Technologien als auch bei der Erschließung internationaler Absatzmärkte teilen. Als negativ empfinden manche mittelständische Zulieferer hingegen den hohen Kostensenkungs- und Innovationsdruck, den die börsennotierten Endhersteller bisweilen ausüben. Diesen negativen Folgen der (globalen) Vernetzung können die mittelständischen Zulieferer jedoch dadurch entgegenwirken, dass sie zum einen möglichst innovative und hochwertige Produkte entwickeln. Zum anderen zahlt es sich dauerhaft aus, einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden und möglichst mehrere Abnehmer in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen zu beliefern. Vgl. IfM-Bonn: Globaler Mittelstand , in: F.A.Z. 27.02.2017, S. 18. Global gilt, dass 12% der Wertschöpfung in weltweiten Lieferketten stattfindet. Für Deutschland sind es 17% der deutschen Wertschöpfung. Die Produktion war außerhalb Europas billiger aus verschiednen Gründen: niedrigere Löhne, laxere Umweltvorschriften, schwache Gewerkschaften, näher an wichtigen Märkten (Logistikkosten). Schon die Finanzkrise 2008 und Fukushima 2011 führten zu Einschnitten (die Hyperglobalisierung begann 1990). Vgl. auch: Caspar Dohmen: Lieferketten. Risiken globaler Arbeitsteilung für Mensch und Natur, Wagenbach-Verlag/ Berlin 2021. Auch die Corona-Pandemie befördert das Streben nach mehr Autarkie. Da sit aber für ein so Export orientiertes Land wie Deutschland nicht einfach. staatliche Maßnahmen zur Verkürzung von Lieferketten können nicht vor Krisen schützen. Man errecht mehr Sicherheit nur durch Diversifizierung. Vgl. Fuest, Clemens: Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Freihandel, in: WiWo 48/ 26.11.21, S. 41.

Anfälligkeit globaler Wertschöpfungsketten (Lieferengpässe, Versorgungskrise): 1. Globale Arbeitsteilung. 2. Die Ketten zerreißen (Materialmangel). 3. Die Logistik versagt (Probleme). 4. Produktion in veränderter Form oder auf Halde. 5. Die Preise steigen. 6. Wann Entspannung oder Dauerzusstand? Vgl. Goebel, J. u. a.: Alarm im Lager, in: WiWo 43/ 22.10.21, S. 18ff.

Lieferkettengesetz (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz - LkSG): Kinderarbeit, Hungerlöhne, fehlender Arbeitsschutz. Sozial- und Umweltstandards (auch Menschenrechte) in globalen Lieferketten: Ende 2019 planen Arbeitsministerium und Entwicklungshilfeministerium ein solches Gesetz. Sie wollen Standards in der globalen Produktion erreichen. Es geht um mehr Fairness bei der Herstellung. Preise sollen offen gelegt werden. Große Handelsketten haben sich schon freiwillig verpflichtet, Existenz sichernde Einkommen für Erzeuger in Herkunftsländern zu fördern. 2200 große Unternehmen sollen einen Fragebogen ausfüllen, der 37 Kriterien überprüft. Die Corona-Krise führt dazu, dass das Gesetz vorläufig auf Eis gelegt wird. Danach geht ein Gezerre los. Die Spitzenverbände der Wirtschaft laufen Sturm gegen das Gesetz. Sie fürchten um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Aber auch die EU arbeitet an neuen regeln. Es soll eine Gleichbehandlung von Online- und stationärem Handel geben. Eine europäische Antwort wäre auch besser. Im Februar 2021 einigt man sich in der Regierung auf das Gesetz (Arbeitsminister, Entwiklungshilfeminister, Wirtschaftsminister). Es ist ein Minimalkonsens. Es gilt für größere Unternehmen ab 2023. Weltweit sollen Menschenrechte und Umweltvorgaben eingehalten werden. Es gibt auch Bußgelder und einen Klageweg für Hilfsorganisationen.  Wirtschaftsvertreter fürchten mehr Bürokratie. Insgesamt wird aber der gefundene Kompromiss gelobt. Für mittelbare Zulieferer gilt eine abgestufte Verantwortung. Im ersten Schritt soll das Gesetz 600 Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern betreffen. Im Mai 2021 wird die Abstimmung im Bundestag von der Tagesordnung genommen. Ende Mai 2021 kann sich die Koalition doch noch einigen und das Gesetz wird beschlossen. Die Industrie fürchtet die bürokratischen Lasten. Noch schlimmer könnten die Klagen der NGOs sein. Sie werben um Informationen. Ab 2024 gilt das Lieferkettengesetz auch für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigte. Wirtschaftsminister Habeck will das Gesetz Mitte 24 2 Jahre aussetzen. Die SPD ist dagegen. Scholz stoppt das Lieferkettengesetz noch 2024. Er sichert der Wirtschaft schnelle Entlastung zu. Das EU-Gesetz soll aber kommen.  Von der Wertschöpfung aus den globalen Produktionsnetzen entfallen 67 Prozent auf dei Industriestaaten der OECD und 33 Prozent auf die Schwellen- und Entwicklungsländer. 152 Mio. Kinder arbeiten trotz Verbots. 25 Mio. Menschen gelten als moderne Sklaven. Quellen: ILO, UN-Handelskonferenz. Vgl. auch: Dohmen, Caspar: Lieferketten. Risiken globaler Arbeitsteilung für Mensch und Natur, Berlin (Wagenbach) 2021. Der Autor plädiert für strengere Regeln. Über das Lieferkettengesetz entsteht eine wissenschaftliche Diskussion. Ökonomen weisen ehr auf die Defizite hin. Ethiker halten die Kritik für nicht haltbar: Vgl. Meissner, Annekatrin/ Bort/ Bleyer: Diese Kritik am Lieferkettengesetz ist wissenschaftlich nicht haltbar, in: WiWo 48/ 26.11.21, S. 42f.

Elemente des LkSV: 1. Gültigkeit für deutsche Unternehmen und Unternehmen mit Sitz in Deutschland ab 3000 B. ab 1. Januar 23. Ab 24 Schwellenwert  auf 1000 B.. 2. Relevante Risikofelder (Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Diskriminierung, Umweltschädigung, keine Vereinigungsfreiheit, schlechte Arbeitsbedingungen). 3. Pflicht der Risikoanalyse und Transparenz. 4. Zuständigkeit Bafa und gesamte Lieferkette. 5. Sorgfaltspflichten. 6. Abhilfe. Vgl. HB Nr. 245, 19.12.22, S. 14.

Schwächen des LkSG: Menschenrechte werden operationalisiert durch Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Sklaverei, sexuelle Ausbeutung, Gesundheitsgefährdung, Umweltverschmutzung, unangemessene Behandlung von Abfällen, Ungleichbehandlung in Beschäftigungsverhältnissen. Die genaue Zuordnung fehlt noch. Man spricht z. B. von "substanziellen Kenntnissen" ohne genaue Inhalte vorzugeben. Gedroht wird mit Bußgeldern, Ausschluss von öffentlichen Aufträgen und Risiko orientierter Kontrolle der Bafa. Besonders problematisch sind die Bereiche: KMU, Tier, zusätzlicher bürokratischer Aufwand, Wettbewerbsverzerrungen. Folgen könnten sein: Auflagenerfüllung, Preissteigerungen, Auslandsgeschäfte zurückfahren, mehr Protektionismus, Werte basierte Außenwirtschaftspolitik.

EU-Lieferkettengesetz: Ein Entwurf liegt 2021 vor. Das Konzept ist noch nicht ausgewogen. Ausnahmen für KMU sind nicht enthalten. Sogar Managergehälter sollen überprüft werden. Vgl. zur Kritik: Bagus, Philipp/ Daumann, F./ Follert, F.: Wenn die Moral den Markt ersetzt, in: WiWo 37, 10.9.21, S. 44f. Die Sorgfaltspflichten der Unternehmen sollen erhöht werden. Das birgt große Haftungsrisiken. Es sind schon Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigen betroffen. Im Dezember 23 einigen sich EU-Parlament und EU-Mitgliedsländer auf eine Fassung. Es sind Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mehr als 150 Mio. € Umsatz betroffen. Das Gesetz gilt zunächst nicht für den Finanzsektor. Vor der Europawahl 2024 kommen Richtlinien. sie gelten ab 2028 für Firmen ab 500 Mitarbeitern, Wirtschaftsverbände sprechen von Überforderung. Dei gesamte Wertschöpfungskette muss überprüft werden (nicht nur direkte Zulieferer wie im deutschen Gesetz). Es fallen auch Unternehmen unter das Gesetz, die nicht ihren Sitz in Europa haben, aber Umsatz von mehr als 300 Mio. € dort machen. Vgl. Bock, Simon u. a.: Ausgeliefert, in: Der Spiegel 5/ 27.1.24, S. 62ff. FDP-Minister Buschmann legt 2024 ein Veto gegen das EU-Lieferkettengesetz ein. Die Belastungen für Unternehmen seien zu groß. Der verantwortliche Minister in Deutschland, Heil, schlägt einen Kompromiss vor. Auch den lehnt die FDP (zwei Minister) zunächst ab. Die Bestimmungen sind schärfer als im deutschen Gesetz. Sie gelten schon für Unternehmen ab 500 oder gar 250 Beschäftigten. Vgl. Soll das Lieferkettengesetz gestoppt werden? in: Die Zeit 8/ 15.2.24, S. 11. Im Februar 2024 scheitert der EU-Plan vorläufig. Im März 2024 wird Deutschland überstimmt. Die EU-Staaten beschließen das Lieferkettengesetz. Unternehmen sollen nicht von Menschenrechtsverletzungen profitieren. Die Wirtschaft warnt: Das Gesetz sei ein weiterer Rückschlag für Europas Wettbewerbsfähigkeit. Im April 24 beschließt das EU-Parlament das Lieferkettengesetz. Dei Befürworter sind zufrieden. Dei Gegner halten es für nicht praxistauglich.  Sehr skeptisch gegenüber Gesetzen ist der US-Spezialist Sarosh Kuruvilla von der New Yorker Cornell University. Er hat 40.000 Unternehmensprüfungen untersucht. Er hält 20% der Audits für unzuverlässig. In China und Indien lag die Quote über 50%. Er meint auch, dass Keiner seine ganze Lieferkette kennen würde. Als Ersatz mit NGOs und Gewerkschaften zu arbeiten, gehe in vielen Ländern nicht, weil entsprechende Organisationen verboten seien. Vgl. Die Zeit 7/ 8.2.24, S. 22.

Moral und Handel: Kaum ein Land ist wirtschaftlich so verflochten wie Deutschland. Könnte eine "moralisierende" Außenpolitik zum Risiko für das deutsche Exportmodell werden? Als Exportmärkte sind die Weltmächte China und auch Russland für Deutschland wichtig. Vgl. Goffart, Daniel/ Haerder, Max: Die Moral vor dem Geschäft, in: WiWo 6/ 4.2.22, S. 30ff.

Lieferketten und Handel, Resilienz: 2020 und 2021 kommt es zu Lieferengpässen im Welthandel. Auslöser war die Corona-Pandemie. Der Welthandel stellt seine Resilienz unter Beweis. Die Herausforderungen werden aber wachsen: 1. Dienstleistungen und neue digitale Wirtschaft werden an Bedeutung gewinnen. 2. Die Zukunft des Handels muss ökologisch gestaltet sein. Die Probleme globaler Gemeingüter - Ozeane, Klima - müssen gelöst werden. Vgl. Ngozi Okonjo Iweala: Der Handel ist der Retter der Krise, in: WiWo 52, 24.12.21, S. 10f.

Intraindustrieller Handel: Handel innerhalb der gleichen Industrien.

Handelsklauseln der Incoterms (International Commercial Terms, von der Internationalen Handelskammer in Paris herausgegebene Vertragsbausteine): CFR Cost and Freight, CIF Cost, Insurance, Freight, CIP Carriage and Insurance oaid to, CPT Carriage paid to, FAS Free alongside Ship.

Globale Investitionen: Man betracht sie normalerweise nach Ländergruppen, also etwa Europäische Union, Nordamerika, Naher Osten, Lateinamerika, Asien, Naher Osten/ Nordafrika, Subsahara - Afrika. 2016 sind die globalen Investitionen rückläufig. Die Unsicherheiten bremsen. Vgl. Grömling, Michael: Globale Investitionsflaute infolge eskalierender Unsicherheiten, in: Wirtschaftsdienst 2017/1, S. 72ff.

Direktinvestitionen: Auslandsinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland oder ausländischer Unternehmen in Deutschland in den Kauf oder Bau von Produktionsstätten oder den Erwerb von Anteilen (Mindestmaß an Kontrolle; Rein finanzielle Anlagen=Portfolioinvestitionen). Generell können die Motive im Kostenbereich oder Absatzbereich liegen. Im Absatzbereich gewinnt die Logistik zunehmend an Bedeutung. Empirisch überschneiden sich in der Regel die Ursachen (kann über die Steigung der Exportfunktion gemessen werden). Hinzu kommen Monopolüberlegungen und das Streben nach Internalisierung (Risikostreuung, Kontrolle aller relevanten Faktoren, z. B. der Steuern). Von herausragender Bedeutung ist die Absicherung gegen das Transferrisiko (Währungsrisiko, zeigte sich nach der Umstellung auf ein flexibles Weltwechselkurssystem). Auch strategische Erwägungen wie zukünftige Potentiale, Rohstoffsicherheit, Lerneffekte und Dumping können eine Rolle spielen. Nicht zu unterschätzen ist auch die Kultur einschließlich der Sprache (Beispiel: Irland). Immer wieder in die Kritik geraten multinationale Ölförderer und Minengesellschaften, die gewaltige Umweltschäden anrichten (im Zusammenhang mit Korruption und Ausbeutung). Man brauchte dringend Mindeststandards für Direktinvestitionen. Sehr umstritten sind die Arbeitsplatzwirkungen im Inland bei Direktinvestitionen im Ausland. In der Regel analysiert man mit Exportfunktionen. Entscheidend ist, ob die DI komplementär oder substitutiv ist. Die DAX-Konzerne haben aber und verlagern weiter massiv Stellen ins Ausland. In der deutschen Automobilindustrie stärken Direktinvestitionen grundsätzlich die Position in Deutschland (bei VW seit 2007 bis 2012 30.000 neue Arbeitsplätze), aber mit jeder neuen Direktinvestition wächst auch der Druck: Z. B. betreibt der VW-Konzern 99 Werke weltweit, aber nur 12 in Deutschland (von den hier produzierten Autos gehen 76% in den Export). 930.000 Menschen beschäftigen die drei großen deutschen Autohersteller im Heimatland. Zwischen 2010 und 2012 sank die Quote der Unternehmen, die Produktionskapazitäten in Deutschland abbauen, um sie anderswo neu aufzubauen auf 8% (Produktionsverlagerung). Der Rückgang kann mit schwindenden Vorteilen durch Niedriglöhne im Ausland erklärt werden. Auf dem Höhepunkt des Trends im Jahre 2003 waren es 25% der Unternehmen, die verlagert haben. 21% der Produktionskapazitäten haben deutsche Firmen insgesamt im Ausland (Produktionswert von 390 Mrd. €). 2012 wird die USA wieder zum Top-Investor in Deutschland. 133 Unternehmen siedelten sich neu an. Damit wurde China abgelöst, das 2011 die Spitzenposition innehatte. 2013 wird Deutschland zum Magneten für ausländische Investoren: 992 Projekte zählt das Standortmarketing für Deutschland (GTAI; +16 gegenüber 2012). Seit Ausbruch der Euro-Krise spielen das soziale Klima und die Rechtssicherheit wieder eine größere Rolle für Investoren. Zusätzlich gab es 2013 537 Übernahmen und Fusionen in Deutschland. Hier führen die USA mit 99 Deals (nur 7 Übernahmen durch chinesische Firmen). Die Direktinvestitionen erreichen 2013 einen Höchststand (778 Mrd. $). Bei den Zielländern liegen die USA vor China und Russland. Bei den Ursprungsländern führen ebenfalls die USA vor Japan und China. Deutschland liegt auf dem siebten Platz. Deutsche Direktinvestitionen im Ausland wurden 2012 hauptsächlich in Europa (vor allem GB), USA/ Kanada, China, Brasilien, Russland und Japan getätigt (Quelle Deutsche Bundesbank, in dieser Reihenfolge). Wenn die Zahl der Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland zu stark die inländischen Investitionen überragt, droht Deindustrialisierung. Im Jahre 2016 kaufen chinesische Investoren verstärkt Hightechfirmen im Westen, auch in Deutschland. Die Chinesen wollen nach Kuka auch Osram übernehmen. Der Wirtschaftsminister will den Ausverkauf des Standortes Deutschland stoppen. Er plant Einschnitte in die Investitionsfreiheit. Im Jahre 2017 erreicht Deutschland erstmals Platz zwei als Investitionsstandort (Studie jährlich seit 1998; von A.T. Kearney). Platz eins belegen zum fünften Mal in Folge die USA. Deutsche Unternehmen investieren 2017 im Ausland wieder mehr. Weltweit schaffen sie 200.000 Arbeitsplätze, davon 40.000 in den USA. Diskussionen gibt es immer wieder um die Innovationsgewinne der Direktinvestitionen. man spricht oft vorschnell von Know-how-Klau. Deutschland ist immer attraktiver für Firmen aus dem Ausland. 2017 wird sogar fast GB eingeholt (1124 Projekte, GB: 1205 Projekte). Besonders positiv wird die Infrastruktur beurteilt (vor Arbeitskräfte, soziales Klima, Stabilität, flexibles Arbeitsrecht, Subventionen, Steuern, Arbeitskosten).  2008 ändert die Bundesregierung das Außenwirtschaftsgesetz (AWG): Wollen Investoren außerhalb der EU und EFTA-Staaten mehr als 25% der Stimmrechtsanteile an einem deutschen Unternehmen übernehmen, bedarf es der Genehmigung durch das Bundeswirtschaftsministerium. "Unser internationales Wachstum geht nicht auf Kosten der Werke hierzulande", Frank-Peter Arndt, BMW-Produktionsvorstand (dies kann mit einer Exportfunktion nachgewiesen werden). Deutschland ist 2013 der größte Kapitalexporteur der Welt. Die Leistungsbilanzüberschüsse und Ersparnisse werden überwiegend im Ausland in Direktinvestitionen angelegt. Vgl. auch Exporte. 2014 wurden 1199 neue Investitionsprojekte aus dem Ausland in Deutschland angeschoben, so viele wie nie zuvor. Damit wurden mindestens 16.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Die meisten Investoren kamen aus China, vor den USA (Quelle: GTAI). 2015 gibt es noch mal 60% mehr Direktinvestitionen in Deutschland (gegenüber 2014; Quelle: GTAI)). Größter Investor war China (260 Neuansiedlungen; dann folgen die USA und die Schweiz). Die GTAI zählt 413 Fusionen und Übernahmen.

Globaler Umbruch bei den Direktinvestitionen ab 2018: Sie brachen 2018 um 27 Prozent ein. Das hat verschiedene Gründe: 1. Die Handelspolitik von Donald Trump in den USA. Das "tariff jumping " führte teilweise aber auch zu mehr Direktinvestitionen in den USA bzw. zum Ausbau. 2. Einmaleffekt der Unternehmenssteuerreform in den USA (US-Körperschaftssteuer von 35 auf 21%). Unternehmen repatriierten, etwa durch den Verkauf von Beteiligungen im Ausland. 3. Zyklisch: Unternehmen, die im Aufschwung Teile der Wertschöpfung in andere Weltregionen verlagern, holen diese in der "Normalphase" zurück bzw. lösen DI auf. 4. Politischer Faktor: Geopolitische Spannungen führen zu Verunsicherungen. Der Brexit führt in GB zum Rückzug. 5. Strukturelle Faktor: Technischer Fortschritt (Digitalisierung, 3-D-Drucker, Roboter) relativieren den Kostenvorteil von Niedriglohnländern. 6. Sicherheit. Im Heimaltland ist Know-how am sichersten.

Ökonomische Effekte ausländischer Direktinvestitionen: Die Globalisierung ist mit komplexen Wertschöpfungsketten und den Wirtschaftstätigkeiten von Unternehmen verbunden, die von ausländischen Investoren kontrolliert werden. Welche ökonomischen Effekte haben ausländische Unternehmen auf das BIP und die Beschäftigung in Deutschland? Sie leisten einen Beitrag zur lokalen Wirtschaft, indem sie Arbeitskräfte beschäftigen, Waren und Dienstleistungen von lokalen Lieferanten kaufen und durch Spillover - Effekte die Produktivität lokaler Unternehmen steigern. Siehe Jungbluth, Cora u. a.: Ökonomische Effekte ausländischer Unternehmen in Deutschland, in: Wirtschaftsdienst 2020/ 1, S. 55ff.

Auslandsinvestitionen als Vermögensrisiko: 70% der Direktinvestitionen deutscher Unternehmen erfolgen außerhalb der EU. Damit wird ein großer Teil des Bilanzvermögens politischen und rechtlichen Risiken ausgesetzt. Sanktionen, Kapitalverkehrskontrollen, Regimewechsel sowie strategische Abschottung von Industrien sind für deutsche Unternehmen relativ gr0ße Gefahren. Vgl. Bauknecht, Klaus: Investitionen im Ausland können zum Vermögensrisiko werden, in: WiWo 14, 1.4.2021, S. 42.

Schutz vor ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland und der EU: Bei ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland muss das Ministerium für Wirtschaft eine Unbedenklichkeitserklärung abgeben. Die Regelung beruht auf dem Außenwirtschaftsgesetz. 2016 sollen die Verbotsrechte gegen Nicht-EU-Investoren erweitert werden. Vor allem China werden unfaire Übernahmepraktiken vorgeworfen. So stoppt der Minister den Aixtron-Verkauf (Chiphersteller), weil staatlich kontrollierte Fonds hinter den Käufern stehen. Bedenken gab es schon beim Roboterhersteller Kuka. Osram wollen die Chinesen auch kaufen. Die Bundesregierung arbeitet daran, explizit ein Veto gegen Übernahmen von Firmen außerhalb der EU zu haben. Es geht insbesondere um mehr Zeit für die Prüfung. Es werden Zusatzkriterien eingeführt (bisher: öffentliche Ordnung, Sicherheit; neu: Wasser-, Gesundheits- und Stromversorgung). Auch die EU will sich gegen den Ausverkauf wichtigen Technologie-Know-hows schützen. Das europäische Recht soll noch 2017 geändert werden. Bis alle Instanzen durchlaufen sind, wird es doch 2018. Ziel des Verordnungsentwurfes ist es, die Eingriffsbefugnisse der Mitgliedsstaaten bei Direktinvestitionen zu stärken. Die Investitionskontrollverfahren sollen auch harmonisiert werden. Die Bundesregierung will die Außenwirtschaftsordnung verschärfen. Es soll das Kriterium öffentliche Sicherheit und Ordnung berücksichtigt werden. Die KfW macht 2018 eine Untersuchung über ausländischen Direktinvestitionen beim deutschen Mittelstand (weniger als 500 Mio. Umsatz im Jahr). 2017 wurden danach 1100 mittelständische Unternehmen aufgekauft oder mit einer anderen Firma fusioniert. Davon ging fast jede zweite an einen ausländischen Investor (51%). Seit 2010 drängen zunehmend chinesische Investoren auf den deutschen Markt (2016 Anteil von 5,9%; 2017 4,2%). Von 2005 bis 2017 macht der Anteil chinesischer Käufer 2,2% aus. 8,3% kamen aus den USA (Finanzinvestoren). Betrachtet man den Zeitraum zwischen 2014 und 2017 hat Europa die höchsten Direktinvestitionen (in manchen Jahren von Asien übertroffen). Quelle: UNCTAD: World Investmentreport 2018. Vgl. auch Gerhard, Markus: Mehr Schutz vor ausländischen Direktinvestitionen? in: Wirtschaftsdienst 2018/11, S. 814ff.

Schutz vor Übernahmen in der Corona-Krise und danach: Die Regierung befürchtet feindliche Übernahmen von deutschen Unternehmen durch Investoren aus dem Ausland. Sie will einen Schutzschild errichten. Es gibt großes Interesse an Unternehmen aus den Bereichen Mobilität und Infrastruktur. Übernahmen und Beteiligungen sollen erschwert werden, auch im Energiesektor und der Netzwirtschaft. Internetbasierte Kommunikation erweist sich in der Corona-Krise als existenziell. Auf EU-Ebene vereinbart man verschärfte Prüfregeln bis Ende des Jahres. In der Corona-Krise 2020 soll ein Schutzwall gegen ausländische Investoren errichtet werden. Es soll ein Gesetzentwurf zur Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes eingebracht werden. Wirtschaftliche Schwächeperioden sollen nicht von Schnäppchenjägern genutzt werden können. Der Erwerb durch Investoren außerhalb der EU soll bereits bei "voraussichtlicher Beeinträchtigung" der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verhindert werden. Bisher muss eine Gefährdung vorliegen. Das entspricht einer Neuausrichtung der Industriepolitik. Es wird auch eine Meldepflicht eingeführt, wenn Investoren aus Ländern der Nicht-EU Anteile von mehr als 10% übernehmen wollen. Teil soll eine spezielle "Corona-Novelle" werden. Sie soll in der Außenwirtschaftsverordnung verhindern, dass ausländische Investoren deutsche Firmen im Gesundheitssektor kaufen. Die Sicherheitsprüfung soll auf etliche Hightech-Sektoren ausgeweitet werden. Das könnte den Zugang zu Kapital erschweren. Deshalb gibt es Widerstand aus der Industrie. 2019  gab es 106 Übernahmen inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren (mit Prüfung).

Auslandsinvestitionen der USA: 2019  sah die Verteilung der Direktinvestitionen der USA nach Zielregionen wie folgt aus (in Mrd. US-Dollar): Europa 3571; Asien 955; Südamerika 912; Kanada 402; Mittlerer Osten 75; Afrika 43. Quelle: Bureau of Economic Analysis.

Direktinvestitionen und Subventionen:  Die USA und China, die weltgrößten Volkswirtschaften, setzen mit gigantischen Subventionen die Konkurrenten unter Druck. Neue Werke werden fast nur gebaut, wenn Unternehmen mit Milliarden angelockt werden. Als großes "Vorbild" gilt das IRA in den USA.  Auch Deutschland muss hier mitspielen (z. B. hohe Subventionen an Intel in Magdeburg und TSMC in Dresden; aber auch der Industriestrompreis wäre eine Subvention) . Die Frage ist, wo der Subventionswettlauf endet. Geht er unkontrolliert so weiter geht den Staatshaushalten die Luft aus und es könnte eine neue Weltwirtschaftskrise drohen.  Umstritten sind auch die positive Wirkung und die Verteilung. Vgl. Al Varez, Sonja u. a.: Fabrikverkauf, in: WiWo 35/ 25.8.23, S. 14ff. Hier einige Beispiele: 1. EU. Grüne Fördermittel bis 2027 649 Mrd. €. 2. US-IRA. bis 2032 360 Mrd. €. 3. Japan Green Transformation Act. 2023 326 Mrd. €. 4. Australia National Reconstruction Fund 11 Mrd. €. 5. China. noch keinen genauen Zahlen. Vgl. Fahrion, Georg u. a.: Der Milliarden - Tsunami, in: Der Spiegel 35/ 25.8.23, S. 62ff.

Chinastrategie Deutschlands: Zur Zeit fällt es chinesischen Investoren leichter, sich in Deutschland an Unternehmen zu beteiligen als umgekehrt. Das ist ein Mangel an Reziprozität. Das Prinzip meint, was der eine darf in Deutschland, darf auch der andere in China. Das Prinzip steht für Fairness und Gleichgewicht. Es sollte auch ein Gleichgewicht der Abhängigkeit sein: Beide Länder sollten gleich stark voneinander abhängig sein. Deutschland sollte parallel versuchen, dem Euro in der Welt mehr Gewicht zu verschaffen. Hier könnte China helfen. Wünschenswert wäre auch allgemein ein stärkerer ökonomischer und kultureller Austausch mit China (so auch Ingo Kramer, Chef des Bundesverbandes der Industrie 2018). Die Bundeskanzlerin will bei ihrem Besuch im Mai 2018 ein Investitionsabkommen anregen. Die deutschen Autohersteller wollen die Preise in China senken. Die Chinastrategie müsste eigentlich Teil einer deutschen Industriepolitik sein. Brudermüller, der BASF-Chef ab 2018, der auch lange Chef der Asien-Pazifik-Region der BASF war, hat großen Einfluss auf eine China-Strategie. Bisher konnte sich Deutschland darauf verlassen, dass die EU weitgehend Produkte auf den Binnenmarkt lässt, diese werden aber in Deutschland kaum gekauft im Vergleich zu deutschen Produkten. 2018 verhindert die Bundesregierung den Einstieg bzw. den Kauf durch einen chinesischen Investor (SGCC - 50Hertz - KfW; Leifeld Metal Spinning - Verbot eines Verkaufs). Die neue Seidenstraße, die China als riesiges Infrastrukturprojekt betreibt, könnte auch Probleme mit sich bringen. Vor allem, wenn sich chinesische Konkurrenten ansiedeln, die bessere Bedingungen haben (z. B. in Duisburg, Nürnberg oder Hamburg, den deutschen Endpunkten). Die Bundesregierung will ab 2018 mehr Aufkäufe prüfen. Die Prüfschwelle für Investitionen sinkt von 25 auf zehn Prozent. Es gibt immer mehr Bedenken gegen Übernahmen von chinesischen Unternehmen. Die Bundesregierung plant 2019 ein Antispionageabkommen mit China. Im Gegenzug soll Huawei in Deutschland weiter aktiv sein dürfen. Allerdings war ein "No-Spy-Abkommen" zwischen den USA und China schon einmal wirkungslos geblieben. Die deutsche China-Strategie soll in eine Strategie der EU eingebettet werden: Ausgangspunkt ist eine Sitzung der EU-Kommissare im März 2019. Heikelster Punkt ist Huawei. Es soll einen gemeinsamen Ansatz der Cybersicherheit geben. Konkretes soll bis zum EU - China - Gipfel am 9. April vorliegen. China steckt im Moment aber seine Verhandlungsressourcen in den Handelskrieg mit den USA. Es wird auch um den zunehmenden Einfluss Chinas in Ost- und Südosteuropa  gehen (Italien, Griechenland, Ungarn). Beim Besuch von Xi Jinping in Europa trifft er im März 2019 auf das Trio Macron, Merkel und Juncker in Paris. Die EU will Einigkeit demonstrieren. Die EU und China grenzen sich von Trump ab. Deutschland ist in der EU der Hauptprofiteur im Handel mit China. EU-Firmen beklagen 2019 den Zwang zu Technologietransfer in China (Lobbygruppe European Chamber of Commerce). Deutschland, Frankreich und Italien bringen 2019 ein EU - Investment - Screening auf den Weg, das auch "kritische Technologien" wie Halbleiter oder Robotik als sicherheitsrelevant definiert. Übernahmen können zudem blockiert werden, wenn eine fremde Regierung sie subventioniert. Das drastische Vorgehen Chinas gegen die Demokratiebewegung in Hongkong löst in der deutschen Regierung im Sommer 2020 die Forderung nach einer Neuausrichtung der China-Politik aus. Hintergrund ist zusätzlich, dass sich Deutschland und die EU häufig zwischen einer amerikanischen und einer chinesischen Wirtschaftsphäre entscheiden müssen. Es bedarf in Zukunft also einer im Verbund der EU abgestimmten Chinapolitik. Deutschland wird seine Strategie mit China als "strategischem Partner" (gute Geschäfte machen, gelegentlich an Menschenrechte erinnern) kaum halten können. Auch China betreibt ein "China First", umschreibt es nur raffinierter. Vgl. Reichmann, Thomas:  Das Feuer des Drachen, München 2020, S. 249ff. Chinas Strategie geht von einer Uneinigkeit in der EU aus und fördert sie, genauso wie die USA. Der EU-Rechnungshof warnt im September 2020 vor chinesischen Investitionen in der EU.  Mehr als die Hälfte des Engagements käme von Staatsunternehmen. Deutschland sollte zumindest nicht die Strategie der USA kopieren: Sie setzt auf eine Isolation Chinas. Das kann bei 1,4 Mrd. Menschen kaum funktionieren (so auch Joschka Fischer). Die bisherigen Strategien Deutschlands "Wandel durch Handel" und "Werkbank des Westens" gehen zu Ende. Die Erben von Merkel wollen sich von China nicht zu abhängig machen (O-Ton Merz). Das könnte für die deutschen Weltmarktführer auch mehr Unruhe mit sich bringen. Vgl. Haerder, Max u. a.: Wir können auch anders, in: WiWo 37/ 10.9.21, S. 28ff. Im Sommer 2022 arbeitet díe Bundesregierung an einer neuen China-Strategie  (angesichts der neuen weltpolitischen Lage 2022). Außenministerium, Wirtschaftsministerium und Bundeskanzleramt kooperieren. Die Strategie soll Anfang 2023 vorliegen. Man arbeitet mit Szenarien. Eine Version gelangt durch den Spiegel an die Öffentlichkeit. Einigt herrscht wohl darin, sich aus der Abhängigkeit von China zu lösen. Der Konflikt zwischen wertegeleiteter, meschenrechtsbasierter Außenpolitik (Grüne) und ökonomischen Interessen (SPD, FDP) bleibt. Vgl. Baumgärtner, Malk u. a.: Lügen und Gerüchte, in: Der Spiegel 48/ 26.11.22, S. 18f. Immer mehr Teile des Entwurfs der Bundesregierung (Außenministerium, Wirtschaftsministerium, Grüne) gelangen an die Öffentlichkeit: Menschenrechte, Werte, Systemwettbewerb, bei der Ausfuhr keine Dual-use-Güter (Spiegel-online). Man muss sehen, was am Ende rauskommt mit den Korrekturen des Bundeskanzleramtes. Man arbeitet mit dem Begriff "De-risking" - Risikominderung. Man sucht die Grauzone zwischen Konfrontation und Konzilianz. Vgl. Der Spiegel 12/ 18.3.23, S. 28. Es hilft sicher nicht gegenüber China, wenn die Ampel nicht einheitlich auftritt  (Grüne kritisch, SPD, FDP eher pro). Es gibt wo kein einheitliche Strategie. In der Praxis kollidiert die konziliante Politik des Kanzlers mit der Wirtschaftspolitik von Vizekanzler Habeck und der Außenministerin Baerbock. Im August 2023 ist Habecks Wirtschaftsministerium aber für eine strengere Investitionsprüfung bei chinesischen Unternehmen in Deutschland. Es soll auch eine bessere Exportkontrolle kommen. "China kämpft nicht, es zermürbt. China überzieht die Länder, die es von sich abhängig machen will mit einem Krieg, der nicht wie ein Krieg daherkommt", Winter, M.: China 2049, München 2019, S. 20 und 25. Man sollte in das chinesische Denken eintauchen. Reziprozität ist dabei besonders wichtig. Wir müssen eine Balance anstreben, die Rivalität fördert, aber nicht Feindschaft. Vgl. auch: Blum, Ulrich: Was wir von China lernen können, in: WiWo 22/28.5.21, S. 39. Auch Röller, J-H./ Kaluzny, J.: Europa braucht eine offensive Chinastrategie, in:  WiWo 1/1 5.1.2023, S. 10. Sie plädieren für das Besinnen auf wirtschaftliche Stärken, statt auf wirtschaftspolitische Abwehrmaßnahmen.

China-Strategie Deutschlands 2023: Nach längeren Diskussion und auch Konflikten zwischen Außenministerium und Bundeskanzleramt wird Mitte 2023 (13.7.23) die neue China-Strategie Deutschlands in einem Paper schriftlich festgelegt (ca. 60 Seiten, Neuausrichtung des Umgangs mit China, Mittelweg zwischen Kritik und Pragmatismus): China wird als Partner, Wettbewerber und Systemrivale gesehen. Die Strategie besitzt keine Gesetzeskraft, soll aber Orientierung darstellen. Das Papier spricht Streitthemen wie Menschenrechte, Rechtsstattlichkeit und fairen Wettbewerb an. Als ausdrücklich negativ wird hervorgehoben, das China seinen Weltmachtanspruch zunehmend offensiv vertritt; das es handelspolitisch den Marktzugang für ausländische Unternehmen erschwert und das es in der Innenpolitik zunehmend repressiv gegenüber der eigenen Bevölkerung auftritt. Dei Wirtschaft wird zudem stärker in die Pflicht genommen, Unternehmen müssen Risiken in China verstärkt selbst tragen. De - Risking ist wohl das Schlüsselwort. Deutschland muss sich besser aufstellen, diversifizieren, Lieferketten streuen. Unternehmen treffen aber die Investitionsentscheidungen, sie müssen dabei selbst mehr Risiken tragen. Der Bericht wurde ausgerechnet beim Berliner Merics-Institut vorgestellt, dessen Forscher Einreiseverbot in China haben. China ist Deutschland wichtigster Handelspartner. Im Juni 2023 sind die chinesischen Exporte nach Deutschland eingebrochen. Die ausländischen Direktinvestitionen betrugen 2023 lediglich 20 Mrd. $, 2022 waren sie noch fünfmal so hoch.

Exkurs: Gutachten des Mercator Institut for China Studies, Berlin (Merics) im Januar 2021 in Zusammenarbeit mit der EU-Handelskammer in China. Titel: "Decoupling - Getrennte Wege und Patch-Work-Globalisierung". Das Gutachten zeichnet kein optimistisches Bild für den Handel mit China. Auch unter einem Präsidenten Biden würde der Handel nicht befriedet. Man verweist auch auf die obige Strategie der Entkopplung. Konflikte bei Technologie- und Datenaustausch blieben bestehen. Außerdem könnten die USA bei einer Verschärfung des Konfliktes die EU vor die Entscheidung stellen. Sollte der Konflikt sich verschärfen, fürchtet Merics eine internationale Wirtschaftskrise. Worst Case könnte die Beschränkung der USA für China zum Dollar sein. Dann würde China gezwungen, die Entwicklung zum digitalen Yuan zu beschleunigen. Ein besonderer Balanceakt wird für Südkorea, Japan und Deutschland vorausgesagt. Grundsätzlich sieht man ein Auseinanderdriften von China und dem Westen. Bei Merics muss man immer vorsichtig sein: Es geht von einer Grundposition aus: USA- freundlich, China - kritisch.

Exkurs. Johan Nylander: The Epic Split (September 2020). Nylander ist schwedischer Journalist in Hongkong. Er entwickelt in seinem Buch die These, das eine Koexistenz zwischen Liberalismus und Autoritarismus nicht endlos möglich ist. Irgendwann muss es zu einem Crash kommen. Vor einem besonderen Balanceakt stehen Staaten, die demokratisch und liberal sind, aber wirtschaftlich auch von China abhängig sind: Südkorea, Japan und Deutschland. Untertitel des Reports: "Made in China" is going out of style. Der Autor sieht also das gleiche Grundproblem wie das Gutachten vorher.

Exkurs. Studie des Instituts für Weltwirtschaft (IfW, Alexander Sandkamp), Kiel, 2023: Vereinzelt bestehe eine große Abhängigkeit von China. Das gilt nur für einzelne Produkte (Rohstoffe, Elektronik, Laptops). Das könnte aber kurzfristig von den Importen her ersetzt werden. Bei den Vorleistungen sei die Abhängigkeit erfreulich gering (nur 0,6% der direkten Vorleistungen kommen aus China).

Exkurs. Entscheidungsprozesse im Vorstand deutscher Firmen: Saori Dubourg scheidet Ende Februar 2023 aus dem BASF-Vorstand und der Firma aus, weil sie gegen die China-Strategie des übrigen Vorstands ist, weiter in China zu expandieren. Kritiker scheinen im Konzern kein Gehör mehr zu finden. mit ihrem china-Kurs könnte die BASF alte Fehler wiederholen (Russland). Andere DAX-Vorstände loten 2023 die Chancen und Risiken in China aus. Dazu gehören VW-Chef Blume und Mercedes-Chef Källenius sowie BMW-Vorstand Zipse. Gerade die E-Autos deutscher Hersteller sind in China ein Flop. Wenn der größte Chemiekonzern der Welt in Europa zurückfährt und in China ausbaut, sollte uns das zumindest zu denken geben. Die meisten Firmen in Deutschland verhalten sich gegenüber China nun vorsichtiger, nur die BASF macht sich abhängiger. "Ich glaube, es ist dringend notwendig, dass wir vom Chinabashing wegkommen", Martin Brudermüller, BASF-Chef, 2023 (Quelle: WiWo 9/ 24.2.23, S. 23).

Exkurs. Studie von Bertelsmann Stiftung, IW, Merics und BDI 2023: Der chinesische Markt hat in den kommenden Jahren eine sinkende Bedeutung für deutsche Exporte. Zunehmend könnte die Produktion vor Ort ersetzen. Die zunehmende Systemrivalität erfordert eine neue China-Strategie. China sei 2022 als Investitions- und Produktionsstandort für deutsche Firmen zwar wichtiger geworden, es gebe aber keine volkswirtschaftliche Abhängigkeit von Direktinvestitionen (DI) in China (ca. 7% aller deutschen DI im Ausland). Es flossen jährlich Gewinne aus DI in China nach Deutschland in Höhe von 7 bis 11 Mrd. €.

Exkurs. Umfrage Ifo-Institut/ München 2024, Ökonomenpanel: Wenn es um China geht, gilt vielen Freihandel nicht mehr viel. Dei Hälfte der deutschen Ökonomen hält Strafzölle der EU gegen E-Autos aus China für richtig. Für eine Strategie der kompletten wirtschaftlichen Entkopplung von China ("Decoupling") können sich nur 7% erwärmen. Mit 69% empfiehlt die Mehrheit eine Strategie des "De-Rsiking" (Minimierung wirtschaftlicher Risiken). 53% lehnen eine Subventionierung der EU von Zukunftsindustrien ab. Vgl. FAZ 3.7.24, S. 18.

Chinastrategie der EU: 2021 kommt die Indopazifik - Strategie. Sie beinhaltet mehr Konfrontation. Es liegt ein Papier vor. Die Aufrüstung in Asien und die Bedrohung demokratischer Werte durch autoritäre Regime werden beklagt. Man will noch enger mit den USA zusammenarbeiten. Man will auch tiefere Wirtschaftsbeziehungen zu Taiwan eingehen. Unfaire Handelspraktiken und wirtschaftliche Erpressung werden angeprangert. Man setzt auf Allianzen mit gleich gesinnten Staaten. Dem Machtstreben Chinas soll entgegengewirkt werden. Eine engere Anbindung an das Quad -Bündnis ist geplant. Verstärkte Marineeinsätze der Mitgliedsstaaten in der Region soll es auch geben. Vgl. Gusbeth, Sabine/ Heide, Dana: Europas Anti - China - Strategie, in: Handelsblatt Nr. 177, Dienstag, 14.09.21, S. 12f. Zukünftig will die EU-Kommission chinesische Subventionen genauer unter die Lupe nehmen. Das soll ein neues Korsett für Fusionen in der EU sein. Vgl. FAZ 22.2.23, S. 16. Einzelne Regierungschefs unterlaufen immer wieder die Strategie der EU (die von Ursula von der Leyen präsentiert wird). Dabei tun sich besonders hervor: Macron/ Frankreich, Orban/ Ungarn. Vgl. Fahrion; Georg: Die Höflinge des Xi Jinping, in: Der Spiegel 16/ 15.4.23, S. 6. Im Mai 2023 findet ein Außenminister -Treffen in Brüssel statt. Man will die Umgehung von Sanktionen gegen Russland stoppen. Im Blickfeld ist vor allem China. Betroffen sind aber auch insbesondere die Türkei und Kasachstan. Im September 2023 kritisiert die EU, dass China Elektroautos künstlich  verbillige. Die chinesischen Hersteller bekämen Subventionen. Deutschland und Frankreich applaudieren. Am 26.9.23 besucht EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis China. Er kritisiert Chinas Handelspolitik und die Haltung zum Ukraine-Krieg. Die EU hatte 2022 ein Handelsdefizit von -396,2 Mrd. €. 2024 verschärft die EU die Investitionskontrollen. Die EU-Kommission will künftig Investitionen aus China und in der Volksrepublik stärker überwachen. Im einzelnen geht es um folgende Maßnahmen: 1. Verordnung zum Screening ausländischer Direktinvestitionen  (FDI) wird verschärft. Kritische Technologiebereiche müssen geprüft erden. 2. Im Outbound Investment Screening sollen die Regierungen erst mal Daten sammeln.  3. Die nationalen Exportkontrollen sollen verbessert werden. 4. Universitäten sollen bei der Zusammenarbeit stärker auf Sicherheit achten. 5. "Dual - Use"- Technologie soll eventuell besser gefördert werden. Vgl. HB 16/ 23.01.24, S. 6f. "Unsere Offenheit wird ausgenutzt", Valdis Dombrovskis 2023.

China-Abkommen von Italien und anderen EU-Staaten: Im Rahmen der Neuen Seidenstraßeninitiative gibt e s14 Abkommen mit EU-Staaten. In Italien schielt man vor allem auf Häfen und Bauaufträge. die USA und die G7 sind dagegen. Italien steckt in einem Dilemma: China ist einer der wichtigsten Handelspartner (9% der Importe, 2,7% der Exporte). Auf der anderen Seite hat man Angst vor feindlichen Übernahmen. Ein Kompromiss könnte wie folgt aussehen: Abkommen ratifizieren, aber sensible Bereiche ausnehmen (Energie, Telekommunikation). Vgl. HB 16.5.23, S. 12.

Exkurs: 20 Jahre WTO-Beitritt von China 2021. Wandel durch Handel? 2020 hat China mit seinen Exporten einen Anteil von 3,5% am weltweiten Bruttoinlandsprodukt. Bei den Importen sind es 1,8%. China ist in dieser Zeit vom Hoffnungsträger (Wandel durch Handel) eher zum bösen Buben geworden. Der Unmut kommt vor allem aus den USA. Der US-Ökonom David Autor vom MIT spricht von einem "China-Schock". Die USA haben vor allem in den traditionellen Industriebranchen nach dem Beitritt Chinas 2,5 Mio. Jobs verloren. Auch die EU ist enttäuscht: Nach der Finanzkrise 2008 ließ der Reformeifer in China nach. Man erwartet auch keine große Öffnung für die Zukunft. Beklagt werden Subventionen chinesischer Unternehmen und Wettbewerbsverzerrungen. Zu den größten Problemen zähle der erzwungene Technologietransfer. Chinas Wirtschaft hat sich seit 2001 verzehnfacht und ist zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen. 2028 könnte China die USA überholen. Das Beispiel Litauen, gegen das China einen Handelsboykott erließ wegen Taiwan, könnte auch andere EU-Staaten ereilen. Vgl. Heide, Dana/ Riecke, Torsten: Lauter enttäuschte Erwartungen, in: HB Nr. 240, 10./11./12. 12. 21, S. 15. Ende 2021 verfügt das Land über Devisenreserven in Höhe von 3.214 Mrd. US-$ (119,6 Gold; 53,6 SDRs; 10,6 IWF-Reservepositionen).

Global Gateway: Im November 2021 entwickelt die EU einen 300-Milliarden-Plan (Global Gateway). Sie will das Geld investieren, um Infrastrukturprojekte weltweit zu fördern. Es ist Europas Antwort auf Chinas Seidenstraßeninitiative. Die EU will zu einem geopolitischen Akteur werden. 147 Mrd. € sollen von Europäischen Entwicklungsorganisationen wie der KfW kommen. Europa ärgert es besonders, dass bei den Ausschreibungen der "Belt and Road" - Initiative der Chinesen europäische Unternehmen so gut wie keine Chancen haben. Die USA sind mit ihrer Gegen-Strategie allerdings voraus ("Leuchtturmprojekte" beginnen schon Januar 22; "Build back better World"). Auch Japan will agieren. Im Rahmen der G7 sollen die Projekte verzahnt werden.  Vgl. HB 30.11.21, S. 1. Der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine könnte die Neue Seidenstraße massiv behindern. Diese Strategie setzt auf eine Konzeption von Eurasien. Wenn Russland isoliert ist und Länder in Osteuropa und Südeuropa von der EU nicht mehr abzuspalten sind (der Krieg eint die EU) wackelt die Konzeption. Vgl. Klein, Martin: Krieg in der Ukraine, in: Wirtschaftsdienst H. 3/ 2022, S. 157. Im April 2022 wird das Global Gateway-Projekt wieder belebt. Mit ihm will die EU ihren Einfluss in der Welt ausbauen (Entwicklungspolitik). Die stärkere internationale Vernetzung soll die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken. Es sollen auch demokratische Werte und Standards gefördert werden. Gezielt will man gegen Chinas Investitionen in kritische Infrastruktur vorgehen: EU-Prüfverfahren (Common European Framerate for Screening FDI. Es gibt aber unterschiedliche Interessenslagen innerhalb der EU. Als Leiter der Initiative ist im Januar 2023 Mario Draghi im Gespräch. Auch Deutschland unterstützt den Vorschlag. Folgende Projekte gehören dazu: 1. Subsahara - Afrika (25 Länder, 36 Projekte, Schwerpunkte erneuerbare Energien und Infrastruktur). 2. Lateinamerika und Karibik (15 Länder, 14 Projekte, Internet, Waldschutz, Mobilität). 3. Asien und Ozeanien (13 Länder, Schwerpunkt Erneuerbare Energien). 4. EU-Nachbarregionen (7 Projekte, Balkan und GUS-Staaten, Nordafrika (Schwerpunkt digitale Infrastruktur). Vgl. Der Spiegel 6/4.2.23, S. 66ff.

Abhängigkeit der EU von globalen Lieferketten: 2021 hat die EU schon eine große Abhängigkeit von China. Wenn man globale Lieferketten betrachtet und die Herkunft von 137 sensiblen wirtschaftlichen Ökosystemen ergibt sich folgende Abhängigkeiten (in Prozent des importierten Warenwertes): China 52%; Vietnam 11%), Brasilien (5%), Südkorea (4%), Singapur (4%), USA (3%), GB (3%), Japan (3%), Russland (3%), Hongkong (1%), Restliche Welt (11%). Quellen: HB Nr. 84, 3. Mai 2021, S. 13. EU-Kommission.

Billigwerkbänke: Lange galt China als Billigwerkbank der Welt (seit 1990). Wegen der sehr stark steigenden Lohnkosten verändern sich die Lieferketten in der Welt. Als Produktionsstätten treten Äthiopien, Bangladesch, Indien, Indonesien, Marokko, Pakistan, Tunesien, Ukraine und Vietnam in Konkurrenz. Die Vorteile liegen in der Regel in den Löhnen. Nachteile sind schlechter Ausbildungsstand, Logistikprobleme und schlechte Infrastruktur.

Standortverlagerung: Der ganze Betrieb bzw. Teile der Fertigung werden in Deutschland geschlossen und im Ausland neu aufgebaut. Die Standortverlagerung kommt häufiger bei mittelständischen Unternehmen vor und erfolgt häufig in Osteuropa. Die Kosten der neuen Anlaufzeiten vor Ort werden dabei oft falsch eingeschätzt, genauso wie die Einsparung der Personalkosten. Die Folge ist, dass viele Betriebe die Entscheidung korrigieren. 2008 kann die Firma Steiff aus Giengen hier als Beispiel genannt werden, die die Produktion aus China nach Deutschland zurückverlagert. Auch steigende Transportkosten infolge der Energiepreisexplosion könnten zu einer Renaissance des Standorts Deutschland führen. Nach einer Studie des StBA wurden zwischen 2001 und 2006 durch Standortverlagerung 188.000 Jobs in Deutschland abgebaut. Nach einer Studie des VDI werden 74.000 Arbeitsplätze dadurch jährlich weniger in Deutschland. Eine Studie des IfW, Kiel, kommt 2009 zu dramatischen Ergebnissen: 11 Millionen Jobs könnten ins Ausland verlegt werden, das sind 42 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Durch den technischen Fortschritt seien viele Dienstleistungen digitalisierbar. Viele deutsche Unternehmen holen ihre Produktion aber auch zurück, vor allem aus Fernost. Andere verwerfen Verlagerungspläne. Insofern stößt die weltweite Arbeitsteilung an Grenzen. 10% der deutschen Unternehmen verlagern Produktion ganz oder teilweise ins Ausland, seit 2012 ist die Quote nicht mehr gestiegen. Die Quote der Rückkehrer in Relation zu den auslagernden Unternehmen ist heute wesentlich höher als noch vor 20 Jahren. Im Ukraine-Krieg bauen immer mehr deutsche Unternehmen ihre Standorte in den USA aus. Die USA locken mit billiger Energie und niedrigen Steuern. Deutschland droht eine Abwanderung wichtiger Industrien.  Die EU hat ein Programm für die Opfer von Arbeitsplatzverlagerungen (Globalisierungsfonds). Hier sind 500 Mio. € verfügbar, die aber kaum abgerufen werden (BenQ - Opfer bekamen 12,8 Mio.). "Viele chinesische Unternehmen überlegen, einen Teil ihrer Fertigung nach Europa zu verlegen, denn das ist günstiger als die Transportkosten. Die Fertigung kommt also teilweise wieder - aber unglücklicherweise nur der Zusammenbau. Ein interessantes Konzept - wir werden zur dritten Welt, für Einfach-Fertigung. Das ist der Kampf, dem sich die westliche Welt stellen muss", SAP-Aufsichtsratschef Hasso Platter auf der Mitarbeiterversammlung der SAP in Palo Alto 2012.  "Wir brauchen Zölle für Unternehmen, die Produktion verlagern", Donald Trump im Wahlkampf 2016.

Standortattraktivität: Anreiz für DI. Länder sind fest, DI sind mobil. Also müssen Länder attraktiv für DI sein. 2019 macht E&Y eine Studie dazu für die EU. Großbritannien liegt vor Frankreich und Deutschland. In Deutschland stört mittlerweile die geringe Arbeitslossigkeit (Fachkräftemangel).

Risikoatlas: Bewertungskriterien sind Politische Stabilität, Gefahr von Streiks, Unruhen, Sabotage, Terror, (Bürger-) Krieg, Aufstände.  es werden Gefahrenstufen unterschieden. Es gibt fünf. Quelle: AON.

Treck nach Osten: In Deutschland setzt 2022 eine Deindustrialisierung ein. Teure Energie, Fachkräftemangel, Bürokratie und Risiko in China und Russland löst eine Produktionsverlagerung nach Osteuropa aus. Bevorzugte Länder sind Polen Rumänien, Bulgarien, Slowakei. Vgl. Fedorska, A. u. a.: Treck nach Osten, in: WiWo Nr. 40/ 30.9.22, S. 14ff.

Reshoring: Neuer Trend in der Weltwirtschaft. Rückverlagerung von Produktion aus den Schwellenländern in die alten Industrieländer. Industrielle "Sklaven" für die Produktion wie Kuka-Roboter sind zunehmend im Einsatz. Sie werden in der Automobilindustrie, aber auch zunehmend in der Logistik, der Medizin und Landwirtschaft, eingesetzt. Damit schrumpfen die Kostenvorteile der Schwellenländer (vor allem die Lohnstückkosten). Alte Industrieländer wie z. B. die USA werden wieder wettbewerbsfähiger, weil sie über bessere Infrastruktur und höhere Stabilität verfügen. Bei den USA kommen noch die geringeren Energiekosten (Fracking) und die Einschätzung als Kompetenzzentrum dazu. Die digitale Revolution in der Industrie erhöht aber auch weltweit die Arbeitslosenquoten (2014: 6,4%; Prognose 2018% 7%, Quelle: ILO, Genf). Die Produktion geht jetzt eher dahin, wo die Produkte gebraucht werden. Man kann sie so besser auf den Einzelnen zuschneiden. 3-D-Drucker können idealer weise individuell optimal anpassen. Gerade Billiglohn - Regionen wie China, Indien und Osteuropa werden die Verlierer dieser Entwicklung sein. Die additive Produktion in Niedriglohnländern könnte damit bald der Vergangenheit angehören. Die Industrieländer werden in der Produktion wieder wettbewerbsfähiger. Sie bieten eine flächendeckende schnelle Netzinfrastruktur und gute Ausbildungen in mathematisch-technischen Fachrichtungen. Die Wertschöpfung wird sich aber mehr in der Service um die Produkte herum verlagern. Die Niedriglöhne in Asien gehören auch eher der Vergangenheit an. Die zunehmende Automatisierung führt dazu, dass Unternehmen ihre in Billiglohnländern ausgelagerte Produktion wieder zurück in die Heimat holen. Durch die Heimkehr aus zumeist asiatischen Ländern werden insbesondere hoch qualifizierte Mitarbeiter stärker nachgefragt. Für Reshoring sprechen folgende Faktoren: 1. Arbeitskosten in den Offshore - Zielen. 2. Effizienzsteigerung durch den Einsatz von Robotern. 3. Flexibilität. 4. Bessere Kontrolle der Qualität der Produktionsprozesse. Vgl. Krenz, Astrid/ Prettner, Klaus/ Strulik, Holger: Robots, Reshorimg and the Lot of Low-Skilled Workers, Center for European Goverance and Economic Development Esearch, Juli 2018. In der Corona-Krise waren 73% der kleinen und mittleren Unternehmen von ausfällen betroffen. Deshalb planen 43% eine Kosten-Nutzen-Analyse dazu, ob Teile ihrer Lieferketten wieder näher an Deutschland herangeführt werden sollten. Vor allem Unternehmen aus IT, Telekommunikation und Finanz- und Versicherungsdienstleistungen analysieren derzeit die Möglichkeit eines Reshoring. Vgl. McKinsey & Company: How German Mittelstand copes with COVID-19 challenges, Mai 2020. Besonders ausgeprägt ist die Heimkehr von Produktionsfirmen in der italienischen Bekleidungsindustrie. Italien ist nach China und Indien der drittgrößte Textilexporteur. Aber auch in Italien wird nicht immer nach Qualität und unter humanen Arbeitsbedingungen produziert. Die Stadt Pratoin der Toscana ist zum Symbol von Billigproduktion in Italien geworden (27.000 Chinesen mit Aufenthaltsgenehmigung, viele Illegale). Am stärksten ist der Trend zur Rückverlagerung in den USA ausgeprägt. Schuld daran ist nicht Donald Trump. Der Kostenvorteil ist nicht mehr groß genug. Außerdem sind F&E besser gesichert, die Kommunikation ist besser und schneller  und Maschinen nehmen Menschen die Arbeit ab. Die frühere Siemens-Tochter Gigaset kommt mit ihrer Produktion im Sommer 2018 nach Deutschland zurück. Montiert wird in Bocholt. Es geht um Einsteigermodelle für Senioren. Ein gutes Beispiel ist auch Adidas. Das Unternehmen verlagerte zurück von China und Indien nach Deutschland und den USA. Aus 1000 Arbeitsplätzen wurden 160. Ein Schritt schaffen Roboter noch nicht: die Schnürsenkel einfädeln. Hier müssen weiterhin Menschen ran. Viele Experten rechnen nach der Corona-Krise mit zunehmender Rückverlagerung. Man wird die Versorgung sichern (Medizin, Pharma) und Lieferketten differenzieren.

Indikator der "neuen Heimatliebe" ("Regionalisierung der Lieferketten"): Man berechnet den Güterhandel in Prozent des Welt-Bruttoinlandsprodukts. 2008 betrug dieser Indikator 51,4%, 2018 liegt er bei 45,6%. Gleichzeit ist in diesem Zehnjahreszeitraum das Welt-Bruttoinlandsprodukt gegenüber 2008 um +28% gewachsen. Quellen: IWF, WTO. Vgl. auch: Der Spiegel Nr. 18/ 27.4.2019, S. 56ff.

Systemrelevante Produktion im Heimatland (Corona-Krise 2020, Ukraine-Krieg 2022): Man wird sicher die Lagerhaltung wieder überdenken, insbesondere für Krisenzeiten. In besonders wichtigen Bereichen (Medizin, KI) wird die EU eigene Sicherheits-Großprojekte anstoßen müssen (vergleichbar Airbus, Satellit Galilei). Europa muss seine Unabhängigkeit und Selbständigkeit gegenüber den USA und China bewahren.   Die EU muss mit einer Stimme sprechen. Sowohl die USA als auch China versuchen, die EU systematisch auseinander zu dividieren und zu spalten. Bei Lieferketten muss auf Eigenständigkeit geachtet werden bzw. übergroße Abhängigkeit sollte vermieden werden. Unternehmen müssen ihre Lieferketten neu organisieren und diversifizieren (Struktur der Zulieferer streuen, Wertschöpfung zuhause; Multi-Sourcing). Ökonomische und technologische Geschäftsbereiche müssen nach Europa zurückgeholt werden. Kapazitäten müssen in einem Notfall hochgefahren werden können. Besonders in der Pharmaindustrie bei Medikamenten. muss auf Produktion in Europa geachtet werden, wobei die Grundstoffe einzubeziehen sind (80% der Antibiotika - Vorprodukte werden in China hergestellt). Das gilt auch für Schutzausrüstung (Atemschutz, Beatmungsgeräte). In der Corona-Krise 2020 gibt es eine Hilfe für die Massenproduktion von Schutzausrüstung: Firmen, die Schutzausrüstung produzieren können und ihre Produktion umstellen, werden unterstützt. Sie erhalten auch eine Abnahmegarantie auf längere Zeit. Der Ukraine-Krieg löst eine Zeitenwende aus. Es zählt nicht nur das Geld, sondern die tatsächlich vorhandenen Ressourcen. Es geht auch um Abhängigkeiten in Energie- und Rohstoffbereich (zu stark von Russland).  Die Ressourcen lassen sich nicht so leicht vermehren. Verstärkt rückt eine Umverteilung in den Blick (z. B. bei Wohnungen).

Neue Lieferketten als Renationalisierung (regionale Lieferstrukturen): Die Pandemie hat die Schwächen der Globalisierung offen gelegt. Deshalb wird über eine Renationalisierung der Lieferketten nachgedacht. Dies würde sicher die Preise steigen lassen. Nimmt allein den deutschen Maschinenbau, so ergeben sich folgende Werte der Vorprodukte: China 4,3 Mrd. €; Frankreich 3,2; Italien 3,2; Schweiz 2,7; USA 2,6; Österreich 2,4; Polen 2,2; Tschechien 1,8; Großbritannien 1,6; Niederlande 1,6. Quellen: IfW, Kiel, VDMA, OECD, HB. Deutschland gilt als Logistikweltmeister. Da bleibt noch einiges zu erforschen und zu optimieren. Regionale Lieferketten müssen aus Resilienz - Gründen bereitgehalten werden.

Produktion "just in case": Neue Produkttionsweise nach der Corona-Krise. Das strategische Outsourcing wird überprüft. Ein neues Risikobewusstsein setzt ein. Klimaschutz und explodierende Rohstoffpreise zwingen Unternehmen, ihre Produktion neu zu ordnen. Alles wird dem Ziel untergeordnet "Kontrolle behalten und resistenter werden". Im Falle eines Falles muss Material da sein. das notfalls gelagert wird. Zulieferer werden auch umgangen, um Rohstoffe zu sichern und sie Zulieferern zur Verfügung zu stellen. Unternehmen setzen wieder mehr auf Lager und holen Produktion ganz nach Europa zurück. Der Einsatz von Robotern und 3-D-Druck könnte Differenzen in den Lohnkosten in der Heimat, Osteuropa und Asien ausgleichen. Vgl. Kiani-Kress, Rüdiger u. a.: Globalisierung 4.0, in: WiWo 24/11.6.21, s. 46ff.

Grenzen für Renationalisierung von Lieferketten: Beim Corona-Impfstoff prüft die EU einen Exportstopp. Bei der Prüfung zeigt sich, wie abhängig man von der ganzen Welt ist. Impfdosen (BioNTEch, Astrazeneca) werden exportiert nach Kanada, Großbritannien, Japan und Saudi-Arabien. Vorprodukte müssen importiert werden aus GB (Lipide), USA (Abfüllgebinde), Kanada (Lipide, Abfüllgebinde), China (Kanülen, Abfüllgebinde). Vgl. Malcher, Ingo: Abhängig von der ganzen Welt, in: Die Zeit Nr. 13, 25. März 2021, S. 27.

Veränderung der Lieferketten nach Corona: 1. Deutschland braucht den Export im Ausland und handelt so viel wie nie zuvor. 2. Die Erholung geht schneller als nach der Finanzkrise. 3. Deutschland kann  sich ein Ende der internationalen Arbeitsteilung nicht leisten. 4. Unternehmen stellen ihre Lieferketten breiter auf. 5. Deutschland muss wegen China (nur noch geringes Wachstum des Außenhandels) andere Exportmärkte erschließen. Vgl. HB Nr. 26/ Montag, den 7.2.22, S. 6f. Bei neuen oder zusätzlichen Lieferanten gelten folgende Kriterien: Zuverlässigkeit, Produktqualität, Preis - Leistungsverhältnis, Geographische Lage, Local-Content-Vorschriften, Betroffenheit/ Umgang mit Corona-Pandemie, Sonstiges.

Wertschöpfungskette (Lieferkette): Vom Rohstoff bis zum Endprodukt. Dabei sollen die Kosten gesenkt und die Leistungen erhöht werden. Manche Produktteile werden in anderen Unternehmen hergestellt (Outsourcing). Werden Aufgaben ins Ausland verlagert, spricht man von Offshoring (manchmal auch nur für Dienstleistungen). Im und nach Corona und im Ukraine-Krieg hamstert die Wirtschaft. Die Industrie sichert sich aus Angst vor Lieferengpässen im großen Umfang Vorprodukte. Das treibt die Preise weiter an. Wichtige Vorprodukte sind Stahl, Halbleiter, Kunststoff. Die Lagerhaltung steigt wieder. Folglich gibt es einen Boom bei Lager- und Logistikflächen. Bestellungen werden vervielfacht. Es gibt auch Panikkäufe. Vgl. Olk, J./ Specht, F.: Die Wirtschaft hamstert, in: HB Nr. 89/ 9. Mai 2022, S. 4f.

Lückenhafte Lieferketten und neue Lieferanten: 1. Bei Lücken bieten sich folgende Maßnahmen an: Aufbau neuer Lieferanten, Erhöhung der Lagerbestände, Verlängerte Lieferzeiten für Kundenaufträge, Ausbau des Insourcings, Produktionsstopp. 2. aufbau neuer Lieferanten: Zusage fester Abnahmemengen, Abschluss langfristiger Lieferverträge, Weiterentwicklung etablierter Lieferanten, Strategische Partnerschaft, Wiederbelebung alter Lieferbeziehungen, Zahlung von Preiszuschlägen über Marktniveau. Vgl. HB Nr. 177/ 13.9.22, S. 22f.

Desintegration des globalen Handels:  Die Welt zerfällt zusehends in die regionalen Blöcke Nordamerika, Asien und Europa. Die Lohnunterschiede zwischen Industrie- und Schwellenländern treiben die Globalisierung nicht mehr an. Neue Technologien ermöglichen den Industrieländern , die Produktion zu Hause zu machen. Weitere Treiber sind der Protektionismus der USA unter Trump und die Klimabewegung bzw. der Druck des Klimawandels. Dadurch könnte aber das globale System instabiler werden, weil die gegenseitige Abhängigkeit sinkt. Andere sprechen von "drei natürlichen Imperien" (Paraq Khanna: Der Kampf um die zweite Welt, 2008). Allen dreien sei eine geschlossene geographische Basis sowie militärische, ökonomische und demografische Stärke gemeinsam. Neben den USA und China sieht Khanna die Europäische Union als eine der drei Imperien. Würde sich Indien noch mehr auf sein wirtschaftliches Potential konzentrieren, könnte Indien noch dazu stoßen. Die US-Amerikaner sprechen auch von Decoupling (Ende der Globalisierung, wie sich der Westen das einst vorgestellt hat).

De - Globalisierung? (auch Decoupling genannt) : 2020 gibt es viele Anzeichen dafür, dass die Globalisierung zurückgeht. Einen großen Einfluss hat auch die Corona-Krise. Vgl. Nadav Eyal: Revolte. Der weltweite Aufstand gegen die Globalisierung, Berlin 2020 (Ullstein). Eyal ist einer der bekanntesten Journalisten Israels. Er hat weltweit die Schauplätze der Revolten gegen Globalisierung besucht. Er beschreibt den Widerstand gegen die Globalisierung, ihre kapitalistische Logik, gegen universelle Werte und kulturelle Überwältigung. Der Kreuzzug gegen die Werte der Aufklärung und des Fortschritts steht erst am Anfang, während die Probleme der Globalisierung gerade erst erkannt sind. Staaten müssen mehr zusammenarbeiten - auch gegen die Konzerne. Durch die Pandemie (Corona) leidet die weltweite Arbeitsteilung. Die Frage ist, was wird in der Folge dauerhaft umgestellt. Die Knackpunkte sind bestimmte Vorprodukte bei Impfstoffen, persönliche Schutzausrüstung, Halbleiter (für die Automobilindustrie und Computer). Eine systematische , staatlich forcierte Verlagerung der Wertschöpfung würde aber schaden (so ein Gutachten des Instituts für Weltwirtschaft, Kiel, 2021). Auf dem Weltwirtschaftsforum 2022 in Davos warnt Bundeskanzler Scholz vor einer Deglobalisierung. Er warnt vor Abschottung. Wahrscheinlich hätte Deutschland auch den größten Schaden davon. Globalisierung wird nicht an Bedeutung verlieren, aber sich wandeln. Risikodiversifikation von Handelspartnerschaften, Produktionsstandorten, Lieferketten, Geschäftsbeziehungen wird einen höheren Stellenwert erhalten. Unsere Volkswirtschaft wird das mehr kosten, Wohlstand wird zurückgehen oder er muss anders gesehen und bewertet werden.

Widerstandskraft/ Resilienz der Außenwirtschaft: Das Streben nach Souveränität ist für Deutschland sicher kontraproduktiv. Das ginge sowieso nur im Rahmen der EU, wenn  Europa mit einer Stimme spricht. . Besser ist es , die Resilienz der Volkswirtschaft zu stärken. Dazu kann man auch Produktion nach Hause rückverlagern. Der Brexit von GB (einschließlich der Folgen) zeigt eindrucksvoll, das "Take back the control" nicht mehr geht. Vgl. Fratzscher, Marcel: De - Globalisierung ist keine Lösung, in: WiWo 1/2, 7.1.22, S. 10.

Selektives Decoupling: So viel Handel wie nötig, so viel Abschottung wie nötig. Neue Außenwirtschaftsstrategie Chinas nach Trump. Verbindung von Fortschrittlichkeit und Autarkie. China soll Marktführer in den Schlüsselbranchen der Zukunft werden, und unabhängig von Importen. Es gibt außenpolitische Einflusszonen und der Wohlstand der Bevölkerung soll weiter verbessert werden. Deutsche Unternehmen haben von der Einbindung Chinas in die Globalisierung extrem profitiert. Sie müssen eine Antwort auf die neue Strategie finden. Vgl. Koch, Moritz: Chinas Selbstentkopplung, in: HB Nr. 131, Mo. 12. Juli 2021, S. 16.

Kriterien für wirtschaftspolitisches De - Risking: 1. Unverzichtbarkeit und schwere Ersetzbarkeit. 2. Existenz langfristiger komparativer Vorteile. 3. Gründe für mangelnde EU-Produktion. 4. Diversifiziertes Friendshoring. 5. Art und Weise der stattlichen Aktivitäten.  6. Ausmaß der Subventionen. Vgl. Matthes, Jürgen: Kriterien für wirtschaftspolitische Maßnahmen zum Abbau kritischer Importabhängigkeiten,: Wirtschaftsdienst 6/ 2024, S. 395-402.

Globale Arbeitsteilung: Die Erfahrung von Versorgungsengpässen in der Corona-Pandemie und sinkende Kapitalkosten verändern die globale Arbeitsteilung. Automatisierung und 3-D-Druck könnten nach Corona verstärkt an die Stelle unsicherer Lieferketten treten. Das wiederum könnte zum Problem der Entwicklungsländer werden. Sie brauchten ein neues Geschäftsmodell. Vgl. Losse, Bert: Roboter bekommen kein Corona, in: WiWo 23/ 4.6.21, S. 36f.

Local for local: Regionalisierung der Wertschöpfungsketten, um Liefer- und Produktionsrisiken zu senken. Neue Strategie nach Corona. Man will gegen externe Störungen resilienter werden. Man spricht von Multiple Sourcing. Damit kann man auch Zölle umgehen, die im Handelskrieg zwischen den USA und China zur Waffe werden. Der technische Fortschritt begünstigt eine Erhöhung der Fertigungstiefe. Lohnfertigung im Ausland kann durch Roboter und kapitalintensivere Produktion ersetzt werden. Effizienzgewinne können allerdings auch verloren gehen. Dadurch können kurzfristig auch die Kosten ansteigen.

Telemigration: Der Begriff wird in der Corona-Pandemie geprägt. Es geht um eine grundsätzliche Änderung der Globalisierung im Rahmen des technischen Fortschritts.  Arbeitnehmer in Ländern mit niedrigem Lohniveau erbringen Dienstleistungen für Unternehmen in Ländern mit höherem Lohnniveau. Arbeitsplätze in den G7-Ländern werden dadurch unter Druck geraten. Der Handel mit Dienstleistungen dürfte also zunehmen. Anders könnte es bei Produktion und Waren sein. Hier gibt es starke Tendenzen der Rückverlagerung. Vgl. zum Beispiel Richard Baldwin, Genf (Handelsökonom). Vgl. auch: Junge, Svea: Die Zukunft der Globalisierung, in: FAZ Nr. 109, 12. Mai 2021, S. 17.

Internationale Faktormobilität: Sie besteht, wenn Produktionsfaktoren wie Arbeit und Kapital über Ländergrenzen hinweg bewegt werden.

Internationale Wettbewerbsfähigkeit: 1. Global Competitiveness Index, World Economic Forum. Hierbei führen 2013 Schweiz, Singapur und Finnland. Deutschland rückt auf den 4. Platz vor. 2016 fällt Deutschland auf Platz 5 hinter die Niederlande zurück. 2017 kann Deutschland diesen fünften Platz halten. 2018 rückt Deutschland auf Platz drei vor (hinter USA und Singapur). 2. World Competitiveness Yearbook, IMD. 2014 fällt Deutschland von Platz 6 auf Platz 9 zurück. 3. Global Innovation Index, Insead. 4. Sustainable Goverance Indicator, Bertelsmann-Stiftung. 5. Index of Economic Freedom, Heritage Foundation. 6. Doing Business Index, Weltbank. 7. Corruption Perception Index, Transparency International. 8. Lohnstückkosten (VWL): Indikator für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Sie errechnen sich aus dem Verhältnis der Arbeitskosten zum realen Bruttoinlandsprodukt. Steigt die Produktivität (reale BIP je Stunde) stärker als die Arbeitskosten je Stunde, sinken die Lohnstückkosten. In gewisser Hinsicht ist auch die Exportquote ein Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit (2012: 41,5%). Die Weltbank arbeitet mit dem "Doing-Business-Index". Er misst die Qualität der Rahmenbedingungen für Unternehmen. Es gibt 36 Indikatoren (u. a. Steuersystem, Effizienz der Gerichte) . 2012 führt Singapur vor Hongkong und Neuseeland. In letzter Zeit rücken die Energiestückkosten als Indikator für Wettbewerbsfähigkeit immer mehr in den Mittelpunkt. Umstritten sind die Berechnungsmethoden. Vgl. auch die Seite "method". 2018 kommt eine Studie aus den USA zu dem Ergebnis, das die Wettbewerbsfähigkeit der EU besser ist als die der USA. Vgl. German Gutierrez und Thomas Philippon/ National Bureau of Economic Research: How Eropean Markets Became More Competitive Than US Markets: A Study in Institutional Drift, Cambridge/ Mass. 2018. Das Schaffen eines ähnlichen Niveaus in der Wettbewerbsfähigkeit in der EU ist 2018 gescheitert. Die Verantwortung liegt bei den nationalen Regierungen. Die EZB kann das nicht leisten. Industriepolitik kann helfen und ist auch wieder in.

OLI-Ansatz von J. H. Dunning: O steht für Ownership-Advantage, L für Location-Advantage und I  für Internalization-Advantage. Kombiniert mit den Eintrittsstrategien in einen Auslandsmarkt (Integration, Export, Lizenzierung/ Franchising können Wahlkriterien abgeleitet werden.

Lizenzen: Sie werden in der Regel auf Patente vergeben. Für sie wird eine Gebühr erhoben. 2021 entsteht eine Diskussion darüber, wie ärmeren Ländern am besten beim Aufbau einer Impfstoffproduktion geholfen werden kann. Zwei Strategien stehen sich dabei gegenüber: 1. Aufhebung des Patentschutzes. 2. Kooperation mit den Entwicklern und Aufbau einer Impfstoffproduktion, wo auch immer. Indien und die USA vertreten massiv die erste Strategie, weil sie kaum über Patente verfügen, aber über große Produktionskapazitäten. Die EU hält an der Lizenzlösung fest, weil die Lizenzen sehr begehrt sind. Vgl. Schnellenbach, Jan: Eine patente Lösung der Impfstofffrage, in: WiWo 21/ 21.5.21, S. 42f.

Holdup-Problem: Ergibt sich im Außenhandel, vor allem bei bestimmten Direktinvestitionen wie kooperativen Modellen. Morasch/ Bartholomae (Internationale Wirtschaft, Konstanz, München 2011, S. 326) stellen dies anhand eines Entscheidungsbaumes dar: entscheidet man sich für eine faktorspezifische Investition in China ist für den chinesischen Vertriebspartner opportunistisches Verhalten wesentlich lukrativer als Vertragserfüllung.

Der Westen und der Rest der Welt (Umbruch der Weltwirtschaft als Rahmenbedingung, Verschiebung ökonomischer Gewichte): 1. Bevölkerung: Im Jahre 1950 lebte 28,5% aller Menschen in Europa und Nordamerika. 2010 war das Verhältnis der Bevölkerung 15,5% zu 84,5%. 2050 entwickelt sich die Relation zu 12,0% zu 88,0%. 2. Bruttoinlandsprodukt (BIP): Das BIP nach Kaufkraft betrug 1950 66,5% (Nordamerika und Europa) zu 33,5% Rest der Welt. 2010 war man bei 44,5% zu 55,5%. 2024 zeigt sich folgendes Verhältnis: 35,5% zu 67,4%. 3. Direktinvestitionen (in %): 1970 Europa und Nordamerika 62,7; Rest der Welt 37,3. 1990 77,5 und 22,5. 2018 37,6 und 62,4. Die Verschiebung der ökonomischen Gewichte ist dramatisch. Quelle: WiWo 53, 20.12.19, S. 38; UN, IWF, UNCTAD.

Netzwerke der USA: Die Weltwirtschaft ist abhängig von amerikanischen Konzernen und ihren Strukturen. Die USA machen daraus auch eine geopolitische Waffe. Die US-Regierung kontrolliert die Strukturen der Globalisierung. Sie kann Druck auf Länder ausüben, etwa durch Sanktionen. Zu den Strukturen gehören Datenleitungen des Internets (Glasfaserkabel) , Lieferketten, Finanzsysteme (z. B. Swift). Man spricht auch von Untergrund-Imperium. China ist dabei, eigene Knotenpunkte aufzubauen (z. B. Cips). Eine zentrale Rolle spielt der Dollar als Weltleitwährung. Die Unternehmen verhalten sich allerdings nicht einheitlich /z. B. Google, Microsoft).  Vgl. Newman, Abraham L.: Underground Empire - How America Weaponized the World Ecomomy, 2023. Auch Interview mit Newman in Der Spiegel 40/ 30.9.23, S. 58f.

Basarökonomie: Der Begriff wurde wieder populär durch ein Buch von H. W. Sinn. Er versucht darin nachzuweisen, dass in Deutschland immer weniger produziert und immer mehr nur zusammengebaut und verkauft wird. Ursprünglich diente der Begriff zur Beschreibung von Mentalitäten, wie sie in Basaren üblich sind. Als Beispiele werden Arabien, aber auch China genannt. Tatsächlich nimmt der Anteil der inländischen Wertschöpfung an der Industrieproduktion ab. Der Anteil an aus dem Ausland importierten Vorleistungen nimmt in Deutschland zu. 2019 ist die Industrieproduktion in Deutschland um 4,5% zurückgegangen.

Weltwirtschaftskrise 2020 (Corona-Krise und ihre ökonomischen Folgen): In der realen Wirtschaft gehen Angebot und Nachfrage gleichzeitig zurück ("Doppelschock", Kenneth Rogoff). Das ist im Vergleich zu großen Krisen vorher neu und manche sprechen hier von einem "Schwarzen Schwan" (extrem seltenes und unwahrscheinliches Ereignis). Es handelt sich um einen realwirtschaftlichen Schock, der fast alle Länder gleichzeitig trifft. Das muss für die Weltwirtschaft verheerend sein (Situation wie bei Spanischer Grippe, aber bessere Ausgangsvoraussetzungen). Viele Firmen in aller Welt schließen die Produktion. Die Finanzmärkte sind weiter indirekt eingebunden wie in der Finanzkrise 2008: Pensionskassen und Versicherer haben in der Vergangenheit massiv Kredite hoch verschuldeter Unternehmen aufgekauft. Finanzinvestoren und Banken versprachen höchste Sicherheit. Die Risken wurden raffiniert versteckt. In der Corona-Krise könnte die Täuschung auffliegen. Eine seriöse Einschätzung der ökonomischen Folgen der Corona-Krise mit Zahlen lässt sich aber nicht machen. Sicher ist, dass die Weltwirtschaft bedroht ist und damit auch der Wohlstand in der Welt. Es dürfte eine Rezession kommen. Eine neue Welle der Deglobalisierung mit Unterbrechung der Lieferketten führt zu weniger Output und höheren Produktionskosten. firmen verlagern ihre Tätigkeiten in die Heimatmärkte zurück. Die WTO prognostiziert am 08.04.20 die tiefste Rezession der Geschichte: -32% Welthandel 2020 (in der günstigsten Variante -13%).

Auswirkungen von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine auf die Weltwirtschaft 2022 und 2023: Wie in den vergangenen Abschnitten dargelegt, waren die Energiepreise schon Ende 2021 und Anfang 2022 sehr hoch. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine treibt die Preise in ungeahnte Höhen. In den ersten beiden Monaten des Jahres 2022 ist der Strompreis für ein durchschnittliches Reihenhaus um +117%, der Gaspreis für ein durchschnittliches Reihenhaus um +37% gestiegen. Der Preis für Brentöl liegt bei 115,62 US-Dollar je Barrel (10.3.), für Gas bei 136,00 € (10.3.). Das ist kein Wunder: Russland ist der größte Gasexporteur der Welt und der zweitgrößte Ölexporteur nach Saudi-Arabien. Deutschland und die EU sind hoch abhängig von beiden Rohstoffen (vgl. Daten dazu oben, GB versucht Saudi-Arabien und die VAE, zu höheren Fördermengen zu bewegen ). Weiter Preis treibend wirkt die wirtschaftliche Isolation Russlands (Sanktionen). Zuerst geraten die Energiekonzerne unter Druck. Dann die energieintensive Industrie. Zuletzt merken die Haushalte die Preisexplosion (Rechnungen im Sommer). Ersatz kann nicht schnell gefunden werden (der größte Teil des LPG ist durch langfristige Verträge gebunden). Die Suche nach einem Ausweg ist nicht einfach, zumal der Krieg viel länger dauert als erwartet. Für die ganze Weltwirtschaft zeichnen sich die Folgen immer klarer ab: Energiepreis-Schock, Wachstumsschwäche, zunehmende Unsicherheit, Stagflation. Genaue Prognosen sind noch nicht möglich. Es droht ein ökonomischer Eiserner Vorhang (zwei Blöcke in einer neuen Weltwirtschafts-Ordnung). Die Friedensdividende ist verschwunden. Länder mit hohem Schuldenstand (z. B. Italien) werden Probleme bekommen. Vgl. Blume, Jacob u. a. : Der Preis der Freiheit, in: HB Nr. 50/ 11.,12.,13. März 2022, S. 6ff. Die OECD geht in einer Studie vom März 2022 davon aus, dass der Ukraine-Krieg die Weltwirtschaft stark belasten wird. Das Weltwirtschaftswachstum werde 2022 um mehr als 1 Prozent niedriger ausfallen. Die Inflation würde sich um mehr als 2,5% zusätzlich erhöhen (drastisch gestiegene Rohstoff- und Energiepreise aufgrund des Krieges). Die OECD fordert Geldleistungen für bedürftige Bevölkerungsgruppen.

Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf das deutsche Wirtschaftsmodell: Der Ukraine-Krieg stellt grundsätzlich das deutsche Wirtschaftsmodell in Frage: Die Politikwissenschaftlerin Constanze Stelzenmüller hat es sinngemäß überspitzt auf folgenden Punkt gebracht: Deutschland hat sein Wirtschaftswachstum nach China ausgelagert. Die Energieversorgung wurde Russland überlassen. Die Sicherheitspolitik vertraute man den USA an. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. 40% beträgt mittlerweile der Exportanteil am BIP. China wird in Zukunft rigoros seine neue Geopolitik umsetzen, die USA werden dagegen halten. Deutschland  und die EU müssen ihren relativen Vorteil, der in ihrer Geschichte liegt, umsetzen. Das heißt, dass sie mehr auf Südamerika, Afrika, Indien, Indonesien, Japan, Südkorea und Australien u. a. zugehen müssen. Vgl. Fuest, Clemens: Der Ukrainekrieg und die Folgen für unser Wirtschaftsmodell, in: Wirtschaftsdienst. Heft 4, 2022, S. 242f. Der Erfolg Deutschlands wird mit immer mehr Exporten erwirtschaftet: Exportquote (Anteil des Exports in Prozent am Bruttoinlandsprodukt): 2002 31,8%; 2011 45,1%; 2021 47,5%. Am 3.April 2022 trifft sich das Bundeskabinett. Es geht um das Wirtschaftsmodell Deutschlands. Experten sind geladen.

Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Struktur der Weltwirtschaft Indirekt hat der Krieg langfristige Folgen für die Struktur der Weltwirtschaft. Viele Länder der Welt haben sich nicht an der Ächtung des Angriffskrieges von Russland gegen die Ukraine beteiligt und sind auch bei den westlichen Sanktionen nicht dabei. Sie wollen unabhängig von den USA bleiben und es sich mit Russland nicht verderben. Darunter sind wichtige Länder wie Pakistan, Bangladesch, Iran, Vietnam. Andere Länder wie Mexiko, Indien, Brasilien, Südafrika warten eher ab und verharren. China stellt sich am stärksten auf die Seite von Russland. Das wird ganz sicher auch die ökonomischen Beziehungen beeinflussen und damit die Weltwirtschaft verändern.

Hyperkrieg: Die Schlachten der Zukunft werden digital sein. Dadurch werden sie immer schneller. Die Zerstörung und Folgen sind immens. Neben Soldaten und Panzern sowie Flugzeugen werden moderne Kriege zunehmend durch die Fähigkeit entschieden, Computersysteme einzusetzen. Blockaden werden auch immer wichtiger (z. B. von Handynetzen).

Umorientierung des deutschen Außenhandels nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges: Russland und China haben an Glanz verloren. Der Blick geht jetzt eher Richtung Westen. 2022 gab es folgende Herkunft bei den Warenimporten: China 191 Mrd. €, Niederlande 123, USA 92, Polen 72, Italien 72. Ziele der Warenexporte: USA 156 Mrd. €, Frankreich 116, Niederlande 111, China 107, Polen 90. Vgl, Schäfers, M.: Amerika lockt als Freihandelspartner, in: FAZ 6.2.23, S. 15.

Abkommen zur Ausfuhr von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer (2022): Auf Vermittlung der Türkei von Russland und der Ukraine ausgehandelt. Es sind im wesentlichen Garantien Russlands für die freie Fahrt der Tanker. Es gibt immer wieder Verlängerungen. Russland sperrt sich am Anfang. Es profitieren vor allem die ärmsten Länder. Es ist natürlich auch für die Ukraine von Nutzen. Alternativen mit Bahn und LKW werden permanent verbessert.  Im Juli 2023 verlängert Russland das Abkommen nicht. Es kann seine eigenen Produkte zu wenig absetzen (Dünger, Swift) und verlangt einen Abbau von Sanktionen. Die Ukraine ist zum Alleingang bereit. Russland bombardiert aber schon Odessa und Nikolajew und garantiert nicht mehr die Route übers Schwarze Meer. Die Ukraine und Russland sind wichtige Lieferanten von Mais, Weizen, Gerste, Sonnenblumenöl, Raps. Man braucht die Produkte in Afrika, dem Nahen Osten und Teilen Asiens. Von der Menge her ist China der größte Importeur vor der Türkei. Moskau warnt Kiew vor Transport übers Meer. Die Ukraine missbrauche den Korridor für militärische Zwecke. Ob der russische Präsident nur pokert oder das Abkommen wirklich beenden will, ist unklar. Wahrscheinlich will er die Ukraine wirtschaftlich unter Druck setzen und nimmt dabei einen Reputationsverlust in Kauf (Ernährungssicherheit vieler Länder). Er stößt auch Xi Jinping vor den Kopf, denn China ist der größte Vertragsimporteur von Weizen aus der Ukraine. Die EU hat über den Landweg die Menge beschränkt, um die vor allem betroffenen Märkte der osteuropäischen Länder zu schützen. Die Regelung gilt bis Mitte September 2023. Die Ukraine strebt eine Abschaffung an. Man müsste nur den Transfer ermöglichen. Die Ukraine und dei EU suchen nach Alternativen: Eine Route soll über Kroatien führen (über Donau nach Kroatien, Häfen an der Adria). Weitere Routen führen über Rumänien und Polen Deutschland. Zwischen Polen und der Ukraine kommt es zu Verstimmungen. Ohne Importstopp von Getreide kommt es zu einem Preisverfall in Polen. Im Juli 2023 kündigt Russland das Abkommen. Alle Versuche zur Verlängerung scheitern (auch alle Anstrengungen von Erdogan). Polen verlängert den Importstopp für Getreide aus der Ukraine, um die heimischen Bauern zu schützen.

Kaskadeneffekt: Die großen Krisen dieser Welt sind miteinander vernetzt: Ukraine-Krieg, Hungerkrise, Corona-Krise, Migrationskrise, Demokratiekrise (Rechtspopulismus), Schuldenkrise. Sie verstärken sich gegenseitig.

Hypothese der pazifizierenden Funktion von Handel: Sie wird auch als "Wandel durch Handel" beschrieben. Im Ukraine-Krieg wird diese Hypothese falsifiziert. Damit endet auch die Ära von Frieden und Wohlstand. Es geht ab jetzt um die geopolitische Grundstruktur der Weltordnung. Vgl. Münkler, Herfried: Die Wiederkehr der Geopolitik, in: WiWo 20/ 13.5.22, S. 20f.

Triade im Welthandel und Handelskonflikt (auch BIP): China, EU und USA sind die großen drei im Welthandel. Sie haben die stärksten Anteile (Anteil an den weltweiten Exporten): China 16%, EU 15%, USA 11%. Der Rest der Welt kommt auf 58%. Das ist der Stand von 2018 (Quelle Eurostat). Der Handelskonflikt dürfte weiter eskalieren. Die USA wollen im Hightechsektor weitere Exportrestriktionen einführen. China will immer weniger von ausländischer Technologie abhängig sein. So läuft eine Entkopplung. Entscheidende Fragen sind: 1. Lässt die EU sich mit reinziehen? 2. Gibt es einen Ausweg aus der verfahrenen Situation? Die EU sollte zumindest auf Reziprozität achten. Handelshürden sollten vergleichbar sein. Die drei Länder haben auch die größten BIP. Für 2020 gibt es folgende Prognose vom IWF: EU 14.927 Mrd. US-$; USA 20.807; China 15.222.  "Der Handelskrieg wird definitiv zurückkommen", Ye Tan, Wirtschaftswissenschaftler, Peking.

Zukunft der Weltwirtschaft (Prognos - Studie 2022; schon 2021 Studie der Gefahren der ökonomischen Dominanz des Westens ) : Die Welt entwickelt sich nun mehr in Richtung "Handel ohne Wandel". Es bilden sich in der neuen Weltwirtschaft nach dem Ukraine-Krieg vier Blöcke heraus: 1. Europa-Block. 2. USA-Block (mit Südamerika, Australien, Neuseeland). 3. China-Block mit Russland/ Belarus und zum großen Teil Afrika. 4. Block-freie (Indien, Südost-Asien, Japan). Es sind geopolitische Machtblöcke. Vgl. Busch, A. u. a.: Handel ohne Wandel, in: HB Nr. 88/ 6.- 8.5.22. Die Analyse und die Daten wurden von Prognos/ Schweiz zusammengestellt. Allein von dieser neuen Konstellation her, wird vorerst die Bedeutung Chinas zurückgehen. Es ist aber für Deutschland genauso wichtig wie die USA. Deutschlands Wohlstand hängt zu überwiegenden Teilen am freien Warentausch innerhalb Europas. Russland ist für Deutschland ausschließlich als Rohstofflieferant interessant. China versucht, Russland von sich abhängig zu machen. Vgl. auch bdvb aktuell Nr. 158, S. 10f.: Interview mit dem Leiter Corporate Solutions, Michael Böhmer.

Kann ein neuer Kosmopolitismus erfolgreich sein? : Der römische Staatsmann, Redner und Schriftsteller Cicero (106 -43 v. Chr) hat die Prinzipien einer solchen Ordnung bereits umrissen und die rechtlichen Konsequenzen, die die gleichzeitige Anerkennung des Menschseins aller durch alle mit sich bringen muss, skizziert. Kosmopolitismus ist ein ethisch verbindliches Weltbürgertum, das die Menschen überall miteinander verbindet.   Cicero spricht von einem gemeinsamen menschlichen Band. Weil wir als Menschen Natur, Vernunft und Geist teilen, sind wir, bei aller Verschiedenheit, dennoch gleich. Letztendlich ist die Wahrnehmung der Zeit, die wir gemeinsam diese Welt bevölkern, und das Wissen um unsere Sterblichkeit die Triebfeder für konstruktives Handeln. Buddhismus und Konfuzianismus mit ihrem Harmoniegedanken wären durchaus damit zu vereinbaren. Die zweite Stufe (nach dem gemeinsamen Band) ist für Cicero die Verantwortung füreinander. Dazu gehört auch Empathie. Konfuzius hat auch gesagt: "Erlaube einem Führer nicht, dich auf einem falschen Weg zu führen". Hoffentlich haben die KPCh und Xi diese Mahnung verstanden. Vgl. Görlach Alexander: Alarmstufe Rot. Wie Chinas aggressive Außenpolitik im Pazifik in einen globalen Krieg führt, Hamburg 2022.

Ethischer Außenhandel: Die vergangenen Jahre haben die Kehrseite des deutschen Exportmodells verdeutlicht, die Abhängigkeit Deutschlands von seinen Handelspartnern. Besonders schmerzhaft ist dies gegenwärtig gegenüber Russland und potenziell gegenüber China. Insofern scheint es nahe liegend, den deutschen Außenhandel auf demokratische Länder zu konzentrieren. Doch gleichgültig welchen Maßstab man wählt, die demokratische Welt ist klein und ihr Gewicht nimmt auch nicht zu. Zudem sind die weniger demokratischen Länder tendenziell ärmer, sodass der Handel eine spezifische Struktur aufweist. Es dominiert der Import von Rohstoffen, die in Deutschland und Europa kaum verfügbar sind. Entsprechend hoch wären die ökonomischen Kosten solch einer Selbstbeschränkung. Vgl. Menckhoff, Lukas: Kleine Welt: Wenn Deutschland nur mit Demokratien handelt, in: Wirtschaftsdienst Heft 7/ 2022, S. 439-444. Letztlich kann man der Welt nur hohe Standards aufzwingen, wenn man wirtschaftlich stark genug dafür ist. Die EU oder Deutschland sind das nicht mehr.

 

Monetäre Außenwirtschaftstheorie (Devisenmarkt, Währungen, Wechselkurs, Gold; ohne internationale Finanzmärkte, hier am Ende als eigne Kategorie, vgl. auch Geldpolitik bei Economics/ Basis, Makroökonomik)

In der Zahlungsbilanz (-statistik) spiegeln sich die internationalen Transaktionen wider. Theoretisch unterscheidet man zwischen der Leistungsbilanz (wichtigster Bestandteil Handelsbilanz) und der Kapitalbilanz. In der Leistungsbilanz misst man die wirtschaftlichen Transaktionen mit dem Ausland. Exportiert ein Land mehr als es importiert entsteht ein Leistungsbilanzüberschuss. Ein Leistungsbilanzdefizit bringt einen Nachfrageüberschuss nach Devisen mit sich. Zur Leistungsbilanz rechnet auch die Dienstleistungsbilanz. In der Kapitalbilanz werden die Kapitalströme abgebildet, die zur Angleichung der Zinsdifferenz zwischen Ländern fließen und die ihre Ursache in den Unterschieden im internationalen Spar- und Investitionsverhalten haben. Ein Überschuss in der Kapitalbilanz entsteht, wenn ein Land weniger investiert als es anspart. hier werden auch die Direktinvestitionen erfasst. Die Zahlungsbilanz in Deutschland erstellt die Deutsche Bundesbank. Seit 2009 (Krisenjahr) hat Deutschland  Leistungsbilanzüberschüsse (von 140 Mrd. € 2009 auf 200 Mrd. € 2014).

Tourismus: Der Tourismus wird in die Dienstleitungsbilanz eingeordnet. Die Dienstleistungsbilanz wiederum gehört zur Leistungsbilanz. Aus deutscher Sicher gab es hier traditionell ein hohes Defizit, weil Reisen ins ausland als Dienstleistungsimport verbucht werden. Tourismus von Ausländern in Deutschland ist demgemäß Dienstleistungsexport. 2015 ist der Tourismus in Deutschland auf Rekordkurs. In den ersten sechs Monaten gab es mehr Übernachtungen als in der Vorjahreszeit.

Devisen: Devisen sind ausländische Währungseinheiten, aus Sicht der Europäer, z. B. US-Dollar. Vgl. Thieß Petersen, Fit für die Prüfung: Außenwirtschaft, Konstanz/ München 2013, S.195. Werden ausländische Währungseinheiten von inländischen Wirtschaftsakteuren nachgefragt, spricht man von Devisennachfrage. Sobald ausländische Währungseinheiten von ausländischen Wirtschaftsakteuren angeboten werden, handelt es sich um Devisenangebot. Der Handel auf dem Devisenmarkt ist das größte Segment im Finanzsystem. Gleichzeitig ist es das lukrativste für die Banken und das am wenigsten regulierte. 2019 wird der Dollar am häufigsten bei Devisengeschäften im Spiel: 88,3% vor dem Euro 32,3%, Yen 16,8%, Pfund 12,8%, Australischer Dollar 6,8%. Das tägliche Handelsvolumen am weltweiten Devisenmarkt erreichte 6,6 Billionen Dollar. Quelle: BIZ

Devisenmarkt: Auf dem Devisenmarkt werden Devisen gehandelt. Es sind ausländische Währungseinheiten, aus Sicht der eigenen Währung (z. B. für uns der US-Dollar). Die Devisennachfrage kommt durch Importe und Kapitalexporte zustande. Das Devisenangebot resultiert aus Güterexporten und Kapitalimporten. Der Wechselkurs ist der Preis für eine Devise, der auf dem Devisenmarkt bestimmt wird. Die Z-Gerade stellt alle Kombinationen von Volkseinkommen und Zinssätzen dar, die auf dem Devisenmarkt für ein Gleichgewicht sorgen. Unterschieden wird zwischen dem Devisenkassamarkt (innerhalb von zwei Tagen) und dem Devisenterminmarkt (längerfristig). Der Wechselkurs ist der Preis für Devisen.

Devisenswaps: Kombination aus einem klassischen Devisenkassageschäft und einem gegenläufigen Devisentermingeschäft. Der Swapsatz ist die Differenz zwischen Terminkurs und Kassakurs.

Devisenhandel: Bausteine des Devisenhandels sind Investment/ Spekulationsgeschäfte (25% des Marktumsatzes geschätzt), Grauzone von Absicherungs- oder Spekulationsgeschäften (25% geschätzt), kurzfristige Hedge-Geschäfte von Unternehmen (10%), langfristige Hedge-Geschäfte von Unternehmen, Absicherung internationaler Aktieninvestoren, Absicherung internationaler Anleiheinvestoren. Infolge der Krise ist das Geschäft - ein wichtiger Zweig der Banken - noch wichtiger geworden. Größter Handelsplatz ist London (Börse 1430 Mrd. $ täglich, 119 Mrd. $ OTC täglich). Im Februar 2010 attackieren Spekulanten den Euro, nachdem in Peripherländern (Griechenland, Portugal, Spanien, Irland, Lettland, Ungarn) Haushaltsprobleme offenbar werden. Der weltweite Devisenhandel wächst auch deshalb so rasant, weil Computer die Macht übernehmen. Im Schnitt werden pro Tag Devisen im Wert von 3,98 Billionen $ gehandelt. Wichtigster Handelsplatz ist London mit einem Anteil von 37%. Der Dollaranteil ist mit 84,9% am höchsten, vor dem Euro mit 39,1%. Beim Devisenhandel die gegenübergestellte Währung nennt man Counter Currency. Im Devisenhandel wird das Verhältnis zweier Fremdwährungen als Cross Rate bezeichnet. "Die Devisenmärkte spiegeln die Stärke einer Volkswirtschaft direkt wieder", Zar Amrolla, Deutsche Bank. Die Deutsche Bank hat weltweit den größten Anteil am Devisenhandel mit 15,2% Marktanteil. Es folgen die Citigroup und Barclays (Quelle: Euromoney). Im Devisenhandel wird auch viel spekuliert. Den größten Gewinn strich George Soros mit einer Spekulation gegen das britische Pfund ein. Bekannt wurden die Devisenspekulationsgeschäfte (Devisentermingeschäfte) von Uli Hoeneß über eine Bank in der Schweiz (Vontobel), bei der über 27 Mio. Steuern hinterzogen wurden. 2014 ermittelt die Schweizer Wettbewerbsbehörde "Weko" in einem Devisenskandal. Bei der Festsetzung von Wechselkursen sollen sich Banken abgesprochen haben. 2015 geht der Hedgefonds FX Concepts (John Taylor) Pleite, weil er jahrelang gegen den Euro gewettet hatte. Von 2013 1,35 ist der Euro auf 2015 1,13 gefallen, man hatte sich verzockt. Ende Juli 2015 übernimmt die Deutsche Börse die Devisenhandelsplattform 360T.

Wechselkurs (Wk): Der Kurs, zu dem eine Währung auf den Devisenmärkten gegen eine andere umgetauscht wird (Preis auf dem Devisenmarkt). Es gibt eine Reihe von damit verbundenen Spezialbegriffen: bilateraler Wk - Bedingungen für den Tausch zweier Währungen; effektiver Wk - Index, der den durchschnittlichen Wert des Wk gegenüber einer Reihe von Währungen angibt; realer  Wk - Verhältnis eines Betrages, was man in einem Land kaufen kann im Vergleich zu einem anderen (Wechselkurse und Preisdifferenzen entwickeln sich im Gleichklang); nominaler Wk - Austauschverhältnis zweier Währungen (je eine Einheit). Im Juli 214 gibt es eine Debatte in der EU über den Wechselkurs. Die Industrie fordert einen billigeren Euro. Paris will handeln, Deutschland nicht.

Wechselkursbindung: Flexible und feste Wechselkurse sind Grundformen, zwischen denen es zahlreiche Zwischenformen gibt.  Oft wird im rahmen von Wechselkursbandbreiten eine Beziehung hergestellt. So funktionierte das EWS mit dem ECU. Crawling Peg ändert die Paritäten regelmäßig in festgelegten Schritten. Beim Currency Board (z. B. Argentinien 90er Jahre) wird ein festes Verhältnis beibehalten. CFA Communaute Financiere Africaine. Der CFA-Franc ist eine an den Euro gekoppelte Währung, die im Großteil der französischsprachigen Nationen West- und Zentralafrikas verwendet wird.

Erklärungsansätze für Wechselkursentwicklungen:  Längerfristig: 1. Paritätentheorie (Kaufkraftparitätentheorie; G. Cassel).  2. Einkommenstheorie. Kurzfristiger:  3. Zinssätze (Zinsparitätentheorie; M. Keynes). 4. Portfoliomodelle. 5. Rationale und Nichtrationale Erwartungen (Chaostheorie). Diese Ansätze sind nicht für Spekulationen verwendbar, da sie zu grob und zeitlich nicht kurzfristig genug sind.

Mundell-Fleming-Wechselkurseffekt: Ein niedrigeres Preisniveau mit der Auswirkung niedrigerer Zinssätze (Zinssatzeffekt von Keynes) kann auch zur Abwertung der Landeswährung führen und dadurch die Nettoexporte steigern. Er ergibt sich aus dem Mundell-Fleming-Modell. Diese Theorie berücksichtigte erstmals internationale Kapitalströme und deren Einfluss auf die inländische Nachfrage und das Angebot. Mundell und Fleming arbeiteten von 1961 bis 1963 beim Internationalen Währungsfonds zusammen. Sie sprechen von einem währungspolitischen Trilemma: Von den drei Zielen "Wechselkursstabilität", geldpolitische Autonomie", "freie Kapitalbewegungen" lassen sich maximal zwei gleichzeitig erreichen.

Fisher-Effekt: Die Zinssatzdifferenz zwischen zwei Währungen entspricht der erwarteten Differenz der Inflationsraten. Damit werden Zinsparität und relative KKP verknüpft. Annahme ist eine gleich hohe Realverzinsung in allen Währungen.

Währungsrisiko: Das finanzielle Risiko, das eingegangen wird, wenn Transaktionen in ausländischer Währung durchgeführt werden. Eng damit verbunden ist das Wechselkursrisiko: wird eine fremde Währung abgewertet, so verschiebt sich das Verhältnis zu ungunsten des exportierenden Unternehmens, sofern die Kaufpreiszahlungen in der fremden Währung vereinbart wurden, der Hin- und Rücktausch zeitlich weiter auseinander fällt und die Wechselkurse flexibel sind. In der Regel erfolgt die Absicherung über Hedging, indem ein zukünftig gültiger Preis bereits zum heutigen Zeitpunkt mit einem finanziellen Gegengeschäft vereinbart wird. Weitere Risiken sind das politische, wirtschaftliche und das Substitutionsrisiko. Die Liquidität einer Währung ist wichtig für Investments (je flüssiger die Währung, desto besser). Deshalb sind die Emerging Markets so interessant. "Die Null-Risiko-Gesellschaft ist eine kontinental-europäische Illusion", Walter Kielholz, Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse, zur globalen Finanzkrise 2007.

Reale historische Währungssysteme: 1. Klassischer Goldstandard (1875 - 1914). 2. Gold-Devisensystem (1915 - 1944). 3. Bretton Woods System (1945 - 1972). 4. System flexibler Wechselkurse, managed and floated (1973 bis heute; Verhältnis der Weltwährungen). In der Vorlesung arbeite ich mit einem Merkmalskatalog, der die Systeme mit verschiedenen Merkmalsausprägungen definiert. Das Loslösen des Geldes und der Währung von der materiellen Basis wie etwa Gold kam einer Revolution gleich. Es war die Geburtsstunde vieler späterer Finanzkrisen. 2021 fordern viele Ökonomen ein neues Bretton-Woods. Die Welt braucht eine Neuordnung des Geldwesens. Zu große Schulden und Vermögen müssten reduziert werden. Das wäre wohl die Aufgabe der G20.  Ein isländischer Politiker will 2015 den Banken die Macht über die Währung nehmen. Vgl. grundsätzlich: Gray, William Glenn: Floating the System: Germany, the Unted States, and the Breakdown of Bretton Woods, 1969-1973, in: Diplomatic History 31/2 (2007).

Wichtigste Währungen der Welt: Der Dollar ist die Weltleitwährung. Zwei Drittel aller Devisenreserven werden hierin gehalten. Als Devisen wird ausländisches Geld bezeichnet. Nach der Weltwirtschaftskrise 2008/ 2009 treibt die hohe Staatsverschuldung der USA und das niedrige Zinsniveau den Dollar in die Talfahrt. Globale Krisen sorgen nicht mehr für Auftrieb beim Dollar. Das Vertrauen bröckelt. 2011 flüchten Anleger aus der amerikanischen Währung wegen der hohen Staatsverschuldung. Nach einer Runterstufung im Rating durch die wichtigste Rating - Agentur S&P. Die führende Rolle des Dollar gerät weiter ins wanken. Die Frage ist, ob der Dollar noch sicherer als andere Währungen ist, weil er durch die Funktion der Reservewährung geschützt ist. Wahrscheinlich nicht, weil Reservewährungen aus vielerlei Gründen heute gehalten werden. Barry Eichengreen spricht von "exorbitantem Privileg". Er meint damit, dass die Amerikaner aus konjunkturellen Gründen kein Interesse an einem starken Dollar haben. China hält 20% der im Ausland gehaltenen US-Staatsanleihen. Der Euro ist offizielles Zahlungsmittel in 22 EU-Staaten (Hoch: 1,60; Tief: 0,82; bei Einführung: 1,18 $). Als fairen Kurs haben Ökonomen 1,20 $ berechnet. Der € wurde 1999 als Buchgeld, also als Verrechnungseinheit im Finanzwesen, eingeführt. Drei Jahre später auch als Bargeld. Der japanische Yen war wegen des niedrigen Zinssatzes in Japan attraktiv für spekulative Carry - Trades. 2011 kommt es zu einer Aufwertung des Yen, weil Geld wegen der Naturkatastrophe nach Japan zurückfließt. 2009 gibt es auch Carry - Trades auf den Dollar. Die enorm hohen Devisenreserven in China und Japan und die Devisenvorräte der staatlichen Investitionsfonds stellen einen großen Einflussfaktor dar. Als Reservewährungen gelten zusätzlich noch das Britische Pfund (immer noch 2011 wichtiger als der Yen) und der  Schweizer Franken (der oft eine Fluchtwährung ist). 2009 fordert der Chef der chinesischen Notenbank, vom Dollar als Leitwährung abzukehren und die Sonderziehungsrechte des IWF zu einer supranationalen Reservewährung auszubauen. Das Gleiche fordert Russland, wobei der Rubel, der Yuan, Rohstoffe und Gold zu berücksichtigen seien. 2011 fordern weitere Schwellenländer ein neue internationales Währungssystem (Brasilien, Indien, Südafrika). Die Abwertung des Dollar hält sich 2009 in Grenzen, weil die Konjunktur der Konkurrenten auch nicht besser läuft. Riesige Schulden der USA und die schwache Wirtschaft läuten aber das Ende des Dollars als Leitwährung ein (siehe oben, spätestens 2025?). Euro oder Yuan könnten den Dollar als internationale Reservewährung ablösen. Der Leitwährungsstatus ist wichtig für die ökonomische Souveränität. Nur so kann man Sanktionen entgegentreten (wie z. B. 2019 die USA gegen den Iran). Strategische Rivalen wie China und Russland wenden sich von Dollar-Anlagen ab. Sie haben Angst vor Sanktionieren oder Beschlagnahmen. 2021 bleibt der Euro weltweit die zweitwichtigste Währung hinter dem Dollar. Ab 2022 werden China, Indien und Saudi-Arabien ihre Währungsreserven umschichten. - raus aus dem Dollar. Grund sind die Sanktionen gegen Russland im Ukraine-Krieg. Vielleicht kommt irgendwann der Bitcoin. 2022 gewinnt der Dollar kontinuierlich an Wert. Er profitiert von seiner Rolle als ultimativ sicheres Asset und von der Schwäche Europas. Weltweit führend sind auf den Devisenmärkten administrierte Wechselkurse (managed exchange rates) , wonach WK grundsätzlich durch die Marktkräfte bestimmt werden, wobei aber die Notenbanken durch Devisenhandel eingreifen können (sehr auffällig in der Krise 2011 durch Japan, Brasilien und die Schweiz). Nach dem Greshamschen Gesetz verdrängt im einem System gebundener Währung das "schlechte Geld das gute". Tritt vor allem auf, wenn zwei Währungen mit unterschiedlicher Akzeptanz in ihrer Parität fixiert sind. Wahrscheinlich kommt es nach der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 zu einem Kräftemessen zwischen FED und EZB  um die internationale Führungsrolle. Langfristig dürfte der chinesische Renmimbi sicher zu einer Reservewährung aufsteigen. Die Chinesen arbeiten beständig an einer größeren Unabhängigkeit vom Dollar. Gleiches versuchen Franzosen und Russen. 2014 entwickelt die IS-Gruppe eine eigene Währung. Sie soll Islamischer Dinar heißen. Zuerst werden Münzen gedruckt (gegen tyrannisches Geldsystem). 2015 erlebt der Dollar eine starke Aufwertung ("Green is back"). Der Euro sinkt. Eine Parität ist nur noch eine Frage der Zeit (ist in Sicht). Anleger und Konjunktur (Export) profitieren. Probleme bekommen die Schwellenländer (Dollar-Schulden) und einzelne Branchen. Verbraucher in Deutschland zahlen mehr (vor allem Touristen). Die chinesische Währung sinkt im August 2019 auf den tiefsten Stand seit 11 Jahren (Handelskonflikt). China und die Schwellenländer wollen sich von der US-Währung lösen. Sie tun alles dafür. Es ist offen, ob das gelingt. 2022 werden noch 8% des internationalen Handels in Dollar abgerechnet. Noch liegt der Yuan auch weit hinter Euro, Yen und Pfund. China müsste uneingeschränkt seine Kapitalmärkte öffnen und eine unabhängige Zentralbank einführen. Das ist eine Illusion. Vgl. Fischermann, Thomas: Dollars für die Ewigkeit, in: Die Zeit 16/ 13.4.23, S. 25.   Vgl. Dani Rodrik: The Social Cost of Foreign Exchange Reserves, Paper presented at the American Economic Association, Boston, Januar 2006. Vgl. speziell zur Entstehung des Dollar-Privilegs: Schuler, K./ Rosenberg, A.: The Bretton Woods Transcripts, New York 2012. 2013 schafft Cuba seine doppelte Währung ab (normaler Peso, Peso convertible für Tourismus, Außenhandel und gehobene Geschäfte). 2013 haben die Argentinier kaum eine Chance, legal an Dollars zu kommen. Es gibt einen Schwarzmarktkurs. Einziger Zugang sind Auslandsreisen (bei Kreditkarten will der Wirtschaftsminister aber einen Zuschlag von 35% haben). 2014 will Kuba die beiden Landeswährungen Peso und CUC zusammenführen. Letzteres ist eine Kunstwährung, die Touristen kaufen müssen. Sie ist an den US-Dollar gebunden. Interessant ist beim britischen Pfund, dass Schottland eigene Geldscheine drucken darf. Diese haben nur eingeschränkte Konvertibilität (können z. B. in Deutschland nicht rückgetauscht werden). Am 18.09.10 gibt es eine Volksanstimmung über die Unabhängigkeit. 99% des britischen Erdöls lagern vor Schottlands Küste.  Anfang Oktober 2016 sinkt das britische Pfund auf den niedrigsten Stand seit 1985 (1,14€, 1,27 $). Die Harte Haltung zur Einwanderung beim Brexit macht das Verbleiben im Binnenmarkt unwahrscheinlicher (Rede von Premierministerin May). Die EU-Kommission verstärkt 2018 die Bemühungen, den Euro zur Weltwährung zu machen. Hintergrund sind die Sanktionen der USA gegen den Iran. Rohstoffe, Airbus und andere Waren sollen in Euro abgerechnet werden.

Indikatoren einer Weltleitwährung: 1. Gehaltene Währungsreserven (Dollaranteil 2018 63%). 2. Auslandsverschuldung (Anteil Dollar 62%). 3. Devisenhandel (Anteil Dollar 44%). 4. Zahlungsverkehr (Anteil Dollar 40%). Quelle: EZB 2018.

Der US-Dollar als Leitwährung: Insgesamt nimmt die Bedeutung der Industrieländer - auch der USA - seit langem ab. China ist deutlich wichtiger geworden. Angesichts der protektionistischen Maßnahmen der USA unter Trump gerät der Leitwährungsstatus des US-Dollars 2018 immer mehr unter Druck. Bei den Schwellenländern gibt es großes Unbehagen. 2020 ist der Dollar weiter auf der Verliererstraße. Der Euro gewinnt nach der Corona-Krise seit Wochen an Wert (höchste Stand seit Mai 2018), der Dollar verliert gegen alle. Das spiegelt das sinkende Vertrauen in die Entwicklung der US-Wirtschaft wieder. Eine maßgebliche Rolle spielt auch die chaotische Politik von Trump. Strategische Rivalen wie China und Russland wenden sich von Dollar-Anlagen ab. Sie haben Angst vor Sanktionieren oder Beschlagnahmen. Es gibt auch Länder, die ihre Weichwährungen durch den Dollar ersetzten. Das plant auch Milei nach seinem Wahlsieg in Argentinien (Dollar statt Peso). Damit kann man zwar hohe Teuerrungsraten unter Kontrolle bringen. Das ist aber mit hohen sozialen Kosten verbunden. Geopolitische Konflikte beflügeln immer den Dollarkurs.

Alternativen zum US-Dollar als Weltleitwährung:  1. Schaffung einer Globalwährung (Globo, Mundo). Darauf müssten sich alle Marktteilnehmer einlassen. 2. Neue Weltleitwährung in Form des chinesischen Renminbi (chinesisches System). 3. Euro als Weltleitwährung (lachender Dritter). 4. Beibehaltung des Dollar. Aber die USA verzichten darauf, damit Sanktionen zu überwachen oder durchzusetzen. 5. Neuer Zahlungsverkehr (mit Blockchain, Krypto - Währung). Die Chinesen fördern ihre Digitalbezahlungsplattformen wie Alipay und WeChatpay. Vgl auch als Grundlagenwerk: Bagehot, Walter: Lombard Street, London 1873 (Universal Money). Hier entwickelt er auch das "lender of last Ressort". 2023 sieht die Rangfolge der Währungen der Welt wie folgt aus (Anteil der Währungen im internationalen Zahlungsverkehr, in Prozent): US-Dollar (40,1), Euro (37,9), Britisches Pfund (6,6), Yen (3,1), Yuan (1,9), Kanadische Dollar (1,3), Schweizer Franken (0,9). Vgl. Wiwo 20/ 12.5.23, S. 25.

Abwertung einer Währung: Schwachwährungsländer können ihre Probleme in der Regel durch Abwertung lösen. Dadurch werden die eigenen Waren, die man exportieren will, billiger. In der EU wurde durch den Euro dieses Währungsventil geschlossen. Damit hängen die Probleme der Peripherieländer der EU (Griechenland, Italien, Portugal) zusammen. Die eigene Wettbewerbskraft kann jetzt nicht mehr künstlich auf Kosten der Nachbarländer gestärkt werden. Der Vertrag von Maastricht verbietet ein Helfen bei Haushaltsproblemen (bail-out). Deshalb wird die Einführung eines Europäischen Währungsfonds erwogen. Eine Ab- oder Aufwertung ist auch häufig Gegenstand von Spekulationen. Historisch am meisten wurde mit dem britischen Pfund verdient (Soros). Aber auch Peso, Rubel, Yen, Euro und Dollar waren schon das Ziel. Der sinkende Eurokurs (Abwertung) 2010 wird die konjunkturelle Entwicklung in Europa stärken (Schätzung für Deutschland 2010 5 Mrd. €, 80.000 Arbeitsplätze). Daran sind vor allem die Produkte Autos, Elektrotechnik und chemische Erzeugnisse beteiligt. Dafür werden Öl und Rohstoffe teurer. Die Abwertung des Euro allein 2010 ist z. B. verbunden mit einer Aufwertung des Yuan um 6% (feste Bindung an den Dollar). Im Juni 2010 wird der Yuan wieder durch eine Bindung an einen Währungskorb flexibilisiert (wie von 2005 - 2008), was nicht notwendigerweise zu einer Aufwertung des Yuan führen muss. Der Yuan wird aber im Juni 2010 um 0,5% auf 6,79 Yuan pro Dollar aufgewertet. Vielleicht wird die Währung in einigen Jahren (2013 oder 2015?) freigegeben. 2011 befindet sich der Euro gegenüber dem Dollar wieder in einem Aufwertungsprozess. Abwertungsprozesse haben großen Einfluss auf den Wert der Staatsanleihen. Würde z. B. der Dollar um 20% abgewertet, verlöre die chinesische Zentralbank ca. 400 Mrd. Dollar. Nach der Abwertung des Yen durch die Geldschwemme 2013 in Japan befürchten Experten einen Abwertungswettlauf. Extrem volatil sind der Südkoreanische Won, der Brasilianische Real (2013 20% gegenüber dem Dollar abgewertet), der Südafrikanische Rand und der Australische Dollar. Die indische Rupie hat von 2012 bis 2013 40% an Wert verloren. Durch die weitere Zinssenkung durch die EZB auf 0,50% im Mai 2013 tritt auch Europa in den Abwertungswettlauf ein. Im November wird der Leitzins sogar auf 0,25% gesenkt. Sofort folgt eine Abwertung des Euro (Wirtschaft im Süden 'Europas soll belebt werden; Konsum soll angeregt werden; Deflation bekämpft werden). Die entscheidenden Fragen sind jedoch, wird die Inflationsgefahr nicht zu stark erhöht und geben die Banken das Geld weiter (oder horten sie es). Die Absenkung des Leitzinses auf 0,05% im September 2014 führt auch zu einer Euro-Abwertung. Durch die Ukraine-Krise und die anschließenden Sanktionen verliert der Rubel massiv an Wert (31.10.14 41,1052 Rubel je Dollar). Seit Jahresbeginn hat der Rubel bis November 2014 gegenüber dem Dollar um 40%, gegenüber dem Euro um 25% abgewertet. Als Gegenmaßnahme erhöht die Zentralbank den Leitzins auf 9,5%. Im November 2014 gibt die russische Notenbank den Rubel frei, worauf hin eine Erholung des Kurses einsetzt. Im Sommer 2015 sinkt der Wert des Rubels wieder (August 2015  81,32 Rubel pro Euro, Tiefststand 2015). Im Januar 2016 fällt der Rubel auf ein Rekordtief (81,49 Rubel für 1 Dollar). Die dreimalige Abwertung des chinesischen Yuan im August 2015, um die Exportchancen wieder zu verbessern, trifft vor allem die Schwellenländer als Konkurrenten (Indien, Brasilien, Südafrika). Allein 2015 hat der Rand fast zehn Prozent gegenüber dem Dollar verloren (Dreizehn-Jahres-Tief). Trump führt 2017/ 2018 eine Art kalten Währungskrieg. Er sorgt für einen schwachen Dollar, der die Exporte befördert. Die Inflation in den USA ist moderat und die spendierfreudige Fiskalpolitik drückt auch den Kurs der Währung. 2018 ist die türkische Lira im freien Fall. Zunächst wirkt sich die schlechte Wirtschaftssituation aus (hohe Verschuldung, Inflation). Dann kommen noch die Wirtschaftssanktionen der USA dazu (Verhaftung von US-Pastor Andrew Brunson;  Strafzölle von 50 %). Maßnahmen der Zentralbank stabilisieren den Kurs etwas. Im August 2019 wertet China den Renminbi ab als Retourkutsche für die Zollerhöhungen der USA. Das könnte einen Abwertungswettlauf in Gang setzen. Den scheint es auch zu geben, als 2020 der Dollar stark abwertet. Kommt es auch zu einem Abwertungswettlauf zwischen Dollar und Euro, profitiert Gold. Im August 2020 wertet der russische Rubel weiter ab, obwohl der Ölpreis wieder steigt. Das könnte geopolitische Gründe haben. Die türkische Lira fällt auf ein Rekordtief im Oktober 2020 (7,955 gegenüber Euro, 9,3662 zum Dollar; ein Drittel seit Jahresanfang; Probleme für Haushalte und Unternehmen; Devisenreserven verschwinden). Doch geht noch tiefer: Neuer Rekord im November 2020 (1€ = 10,18 Lira). Das entspricht einem Plus des Euro von 60% binnen Jahresfrist. Der Zentralbank-Chef wird entlassen. Auch viele Türken trauen inzwischen ausländischen Währungen mehr als dem eigenen Geld. Weil die Zentralbank die Zinsen erhöht, setzt im Februar 2021 ein Höhenflug der Lira ein. Im Oktober 2021 stürzt die türkische Lira auf einen historischen Tiefstand. Devisentauschgeschäfte sind nicht mehr anonym möglich. Erdogan legt die Zentralbank an die Kette. Die fehlende Unabhängigkeit verschärft die Lira-Krise (Abwertung). Jetzt sind auch die Banken bedroht. In der zweiten Hälfte 2021 ist der Euro in einem Abwertungsprozess, gegenüber  Dollar -1,6%, dem Renminbi -2,1%, dem Schweizer Franken -1,7%. Davon profitieren die Exporteure. Allerdings wertet der Euro gegenüber der türkischen Lira auf, dass ist ein Gegeneffekt für die Exporteure. 2022 ist der Euro im Sinkflug. Nach Monaten im Abwärtstrend nähert am sich der Parität zum Dollar. 2022 bis Ende September musste der Euro gegenüber wichtigen Währungen eine Abwertung mitmachen: brasilianischer Real, mexikanischer Peso, Singapur-Dollar, Schweizer Franken, Kanadischer Dollar, australischer Dollar, Südafrika - Rand. Auch andere Währungen müssen 2022 gegenüber dem Dollar abwerten (Chinesischer Renminbi -11%, Britisches Pfund -12%, Japanischer Yen -18%). Ich verstehe nicht, warum Länder ihre Währung abwerten, um den Export zu fördern, und dann andere Länder zwingen wollen, ihre Währung aufzuwerten", Wen Jiabao, Ministerpräsident Chinas vor dem Nationalen Volkskongress im März 2010. 2014 stürzt Argentiniens Währung Peso so stark ab wie seit zehn Jahren nicht mehr. Investoren befürchten eine Finanz- und Wirtschaftskrise. 2016 muss der polnische Zloty abwerten (Herabstufung der Kreditwürdigkeit Polens; umstrittene Reformen, von der EU kritisiert). In den letzten Jahren wurden folgende Währungen relativ stark abgewertet: Japanischer Yen, Norwegische Krone, Brasilianischer Real, Russischer Rubel. Historisch eine der größten Abwertungen einer Weltwährung war die des britischen Pfundes 1976: Innerhalb weniger Stunden fiel das Pfund um vier Prozent (Denis Healey, Finanzminister, musste sich Hilfe holen). Der IWF half. Soros war der große Profiteur. Der türkische Ministerpräsident Erdogan will 2017 mit unorthodoxen Methoden den Währungsverfall stoppen: Wer mindestens 2000 Dollar in Lira umtauscht, bekommt einen Grabstein kostenlos. Trotzdem ist die Lira auch 2017 im freien Fall. Ebenfalls nach unten geht es 2018 neben der türkischen Lira mit Rubel, Hongkong-Dollar und Real. Der Rubel leidet erheblich unter den Russland-Sanktionen. Der türkischen Lira macht die globale Verunsicherung zu schaffen. Der Kursverfall des Honkong-Dollars hängt mit der Kopplung an den US-Dollar zusammen (US-Zinserhöhungen). Beim brasilianischen Real ist es die hohe Verschuldung des Landes. Nach der Corona-Krise wertet der US-Dollar gegen viele Währungen ab (Risikofaktor Trump). Das könnte der Beginn eines Abwertungswettlaufs sein.  Die türkische Lira ist 2020 auch im freien Fall (am 10.8.20 1 € = 8,7214 Lira)

Aufwertung einer Währung: Ein höherer Preis für eine Einheit einer ausländischen Währung aus Sicht der EU. .Die Aufwertung einer Währung entspricht einem fallenden Wechselkurs aus Sicht der heimischen Währung (aus unserer Perspektive der Euro). Die Schwäche des Dollars 2011 aufgrund der amerikanischen Schuldenkrise führt zur Aufwertung der anderen Reservewährungen und der Währungen der Schwellenländer.  Besonders betroffen sind Brasilien mit dem Real und Japan mit dem Yen. Japan interveniert am Devisenmarkt. Brasilien will seine Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Die Schweizer Nationalbank interveniert am Devisenmarkt zugunsten des Franken (Fluchtwährung) und macht eine geldpolitische Lockerung. Der Euro ist weniger betroffen wegen der Schuldenkrise in der EU. Aber auch die EZB gibt mehr Geld in den Markt (Tender). China lässt eine Aufwertung des Yuan nur in kleinen Schritten zu (ständige Intervention durch Dollarankauf). Das größte Aufwertungspotential dürfte 2015 der Dollar haben (+20%?). Im Februar 2017 hat der Dollar den höchsten Wert seit 2001 gegenüber den wichtigsten anderen Währungen. Manche Schwellenländer sind in Dollar verschuldet, der Schuldendienst verteuert sich. 2022 bis April hat der brasilianische Real gegenüber dem Dollar aufgewertet: Rohstoffreichtum und hohe Zinsen wegen der Inflation. Bis April 22 wertet auch der Rubel wieder stark auf (auf Vorkriegsniveau, Rohstoffpreise). Im Juli 2022 erreicht der Dollar die Parität zum Euro. Damit wird Europa zum Schnäppchenparadies für Reisende aus den USA. Die Unternehmen aus der Eurozone können leichter exportieren. Die Importe, insbesondere von Energie und Rohstoffen, die in Dollar abgerechnet werden, verteuern sich erheblich. Das heizt die importierte Inflation in Europa an. Der Euro wird 2022 aufgewertet gegenüber folgenden Währungen: Dänische Krone, Neuseeland-Dollar, Südkorea - Won, Norwegische Krone, Britisches Pfund, Schwedische Krone, Japanischer Yen. In den letzten fünf Jahren (von 2016 zurück) haben folgende Währungen am stärksten aufgewertet: Renminbi, Dollar, Schweizer Franken. Im Jahre 2017 wertet der Euro auf. Brexit und chaotische Wirtschaftspolitik von Trump schwächen Pfund und Dollar. Von Januar 2017 bis August 2017 hat der Euro um 13% aufgewertet. 2021 gibt es eine deutliche Erholung des kanadischen Dollar, des russischen Rubel und der norwegischen Krone. Sie alle profitieren besonders von höheren Preisen am Ölmarkt. "Nein, sie können mir des Münzens wegen nichts tun, ich bin der König selbst", William Shakespeare, König Lear.

Exkurs: Rubel-Kurs: Am Anfang des Ukraine-Krieges 2022 sackte der Rubel in den Keller (Rubel-Crash), insbesondere durch die Wirtschaftssanktionen. Dann erholte er sich wieder und erreicht sogar eine größere Stärke als vor dem Krieg. Offensichtlich manipuliert Putin den Kurs: 1. Beschränkungen des Devisenverkehrs. 2. Anhebung der Zinsen. 3. Rekordüberschuss der Handelsbilanz (Export von Öl und Gas zu extrem hohen Preisen). 4. Umstellung der Gaszahlungen in Rubel ab 1.4.22. Nur ein komplettes Embargo könnte den Rubel in die Knie zwingen. Für die Verbraucher gibt es Preisexplosionen. Einige Waren haben sich seit Jahresbeginn um 50 bis 70% verteuert. Das betrifft Luxusprodukte genauso wie alltägliche Lebensmittel.

Exkurs. Kronenkurs: Die norwegische Krone zählt 202 4zu den schwächsten Währungen. Man findet keine einheitliche Erklärung. Der Leitzins ist relativ hoch. Da sist ein Problem für viele Haus- und Wohnungsbesitzer. Ähnlich ist die Situation bei der schwedischen Krone. Dänemarks Weg bietet sich als lösung an: Bindung an den Euro mit einer Schwankungsbreie von 2,25%.

Währungsreform: Das Geldwesen wird neu geordnet, verbunden mit einem Währungsschnitt und einer neuen Währungseinheit. Wichtig ist das Umtauschverhältnis zwischen neuem und altem Geld. Frühindikatoren sind eine Hyperinflation und ausufernde Staatsschulden. Deutschland hatte 1923 und 1948 Währungsreformen (Hauptursachen: Kriege). Experimente stellten die Lateinische Münzunion 1865 und die Kronenzone 1918 dar. "Da nun das Geld gebrach im Lande Ägypten und Kanaan, kamen alle Ägypter zu Joseph und sprachen: Schaffe uns Brot! Warum lässt du uns sterben, darum wir ohne Geld sind?", 1. Buch Moses, 47.15. 2013 konnte das inflationsgeplagte Argentinien einen unverhofften Erfolg verbuchen: die 100-Peso-Note (Evita Peron) ist im Ausland sehr gefragt. Bei Ebay kosteten die Scheine schon 30 € (offizieller Wechselkurs 12,70 €).

Chinesische Währungspolitik und Währungspolitik in Schwellenländern: Die chinesische Währung Renmimbi ("Volksgeld") oder Yuan (Umgangssprache: Kuai, runder Gegenstand) ist an einen Währungskorb von Dollar, Euro und Yen gebunden (sie gibt es seit 1948). Obwohl die Gewichtung geheim ist, dürfte der Dollar dominieren. Seit 2012 beträgt die Grenze für die tägliche Schwankungsbreite 1%. Die Absicherung erfolgt über Devisenmarktintervention (die Währung ist weiterhin nicht frei konvertierbar). Einerseits ist die Bindung ein Stabilitätsanker für Ostasien. Dies hat auch positive Auswirkungen auf die Stabilität der internationalen Wirtschaftsentwicklung. Andererseits kommt es zu Verzerrungen der Wirtschaftsstruktur. Hierzu werden zahlreiche Hausarbeiten und Bachelorarbeiten im OAI geschrieben. Vgl. auch Schnabl, Gunther: Strukturelle Verzerrungen im Währungskrieg, in: Wirtschaftsdienst 2011/2, S. 102ff.  Die Regierung in Peking treibt den Aufstieg ihrer Währung zur globalen Leitwährung voran. Wahrscheinlich 2020 wird der Yuan die gleiche Bedeutung wie der Dollar haben (die Frage ist, wann die Bindung aufgegeben wird). In Puzhai, einer kleineren Stadt in der Provinz Guangxi (an der Grenze zu Vietnam), läuft ein Pilotprojekt zur Weltwährung Renmimbi. Verantwortlich für die Währung in China ist die "People´s Bank of China", die Zentralbank. Sie ist abhängig von der Zentralregierung. Ab Ende 2011 kooperiert China mit Japan bei Währungen. Es wird die direkte Abwicklung von Handelsgeschäften in den Währungen Renmimbi und Yen vereinbart (bisher über Umweg Dollar, was teuer ist). Japan will auch ein Teil der Devisenreserven in chinesische Staatsanleihen investieren. Seit 2005 wird der Renminbi in kleinen Schritten liberalisiert und soll damit langfristig zu einer Weltwährung aufgebaut werden. Die Anbindung an den US-Dollar wurde etwas gelockert. Es wird eine größere Schwankungsbreite zugelassen. So konnte die Währung seit 2005 um 23% aufgewertet werden. Hongkong ist ein wichtiger Testmarkt. Hier kann der Renminbi frei gehandelt werden. Es gibt auch seit 2010 Anleihen in RMB (für Banken, chinesische und internationale Unternehmen). Dies sind so genannte Dim-Sum-Bonds. "Das gegenwärtige internationale Währungssystem ist ein Produkt der Vergangenheit", Hu Jintao, Parteichef der KPC, 2011. Die Währungen der Schwellenländer werden nach der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 immer mehr aufgewertet. Hier ist vor allem der brasilianische Real zu nennen. Das Wachstum der Schwellenländer ist wesentlich stärker als das der Industrieländer (4,7% bis 2014 gegenüber 2,4%). Die USA versuchen mit allen Mitteln, den Bedeutungsverlust des Dollar zu verhindern. Gegen die EU setzen sie sicher auch ihre Rating - Agenturen ein, die sich ein Land nach dem anderen vornehmen und damit den Euro schwächen. 2013 unterliegt die indische Rupie einem dramatischen Wechselkursverfall (2011 und 2012 verlor sie schon ein Fünftel ihres Wertes). Das erschert deutsche Exporte nach Indien massiv. China will entscheiden, wo in der EU der Renminbi/ Yuan gehandelt wird (Frankfurt oder Paris). Im Februar wird der Yuan durch Management der Notenbank um 0,9% gegenüber dem Dollar abgewertet, um die Exportchancen zu erhöhen (größte Abwertung seit 2005). Der Yuan fällt weiter, wahrscheinlich will die Regierung die Währung auch für ausländische Anleger unattraktiv machen. Die Regierung spricht von "heißem Geld", das ins Land fließt. Außerdem ist der Immobiliensektor immer noch aufgebläht. 2014 gibt es Bestrebungen, Frankfurt zum wichtigsten Handelsplatz für den chinesischen Yuan in Europa zu machen (Frankfurt bekommt Zuschlag). Der Anteil des Yuan am globalen Devisenhandel ist 2013 stark gestiegen (von 0,9% 2012 auf 2,2% 2013, 2013 2,9%; der Yuan ist die 7.wichtigste Währung). Chinas Anteil am weltweiten BIP lag 2013 schon bei immerhin 12,2%. Bisher setzt die chinesische Regierung den Zielkorridor beim Wechselkurs fest und bestimmt die Höhe der Zinsen. Also wäre eine Liberalisierung notwendig. Zusätzlich müsste eine Clearing-Bank bestimmt werden. Es werden weltweit 15 Clearing-Stellen eingerichtet. Außerhalb von China kann der Yuan damit in Großbritannien, Singapur, Taiwan, USA, Australien, Neuseeland, Luxemburg und Deutschland gehandelt werden. Mittelfristig wird sich der Yuan zu einer der wichtigsten Devisen weltweit entwickeln und natürlich auch frei handelbar sein. 2014 schließen China uns Süd-Korea ein Freihandelsabkommen ab, in dem festgelegt ist, dass der Handel auch in Renminbi abgewickelt werden kann.. 2015 möchte China mit dem Renminbi in den Währungskorb des IWF aufgenommen werden (spätestens 2016; Liste von Reformen: konvertierbar, keine Kapitalverkehrskontrollen, Börsen vollständig öffnen, Umtausch der Währung für Kapitalmarkttransaktionen). Gegenwärtig haben nur vier Länder Sonderziehungsrechte (künstliche Reservewährung): USA, Euroland, GB, Japan. Der Yuan ist bereits das siebtgrößte Zahlungsmittel der Welt. Angesichts der Ukrainekrise und der Sanktionen fällt der russische Rubel im August 2014 auf ein Rekordtief (1 Euro 48,61 Rubel; 1 US-Dollar 37 Rubel). Am 11.08.2015 wird der Yuan erheblich abgewertet, um die Exportchancen zu verbessern (1,9 Prozent; Kurs an den Dollar gebunden; PBoC bestimmt arbeitstäglich den Referenzkurs; 6,2298; am Folgetag nochmals starke Abwertung um 1,6% auf 6,3306). Am Folgetag weitere Abwertung (6,4010). Die Abwertung hängt auch mit einer Veränderung des Wechselkursregimes zusammen: Das tägliche Fixing orientiert sich stärker am Schlusskurs des Marktes vom Vortag (neue Bezugswerte). Damit wird der Wechselkurs flexibler. Die konkurrierenden Schwellenländer sind besonders betroffen (Indien, Brasilien). außerdem droht ein Abwertungswettlauf mit den anderen südostasiatischen Währungen. Ab Dezember 2015 wird der Yuan zur Welt-Reserve-Währung erklärt (durch den IWF). Seit 23.10.2015 beträgt der Leitzins der People´s Bank of China 4,35 %. 2017 will China den Yuan stabil halten . Der Schwund von Dollar-Reserven (von 4 auf 3 Billionen Dollar) wird als nicht so schlimm angesehen. Im August 2019 erfolgt wieder die Freigabe des Wechselkurses als Waffe im Handelskrieg mit den USA. Bis Jahresende 2019 könnte der Wechselkurs auf 7,30 Yuan steigen. Das trifft dann nicht nur die USA. Seit Jahresbeginn 2021 hat die Währung stark zugelegt. Die Behörden versuchen, die Aufwertung zu bremsen (1 Yuan 6,46 $). China hat einen Weg entdeckt, an der globalen Dominanz seiner Währung mit Rohstoffgeschäften zu arbeiten. Das führt zu einem heimlichen Aufstieg des Yuan.  Man spricht vom Petro-Yuan, der den Petro-Dollar bedroht. Vgl. Lang, Joachim: Der heimliche Aufstieg des Petro-Yuan, in: WiWo 15/ 6.4.23, S. 10. 2023 lässt sich Gegenwehr gegen den Renminbi beobachten. Die tschechische Notenbank hat alle Reserven in der Währung abgestoßen. Das Gleiche hatte Litauen schon gemacht (Sanktionen Chinas). Im September 2023 gibt Turbulenzen auf dem Devisenmarkt. Die Währung bricht ein. Der Yuan fällt auf ein 16-Jahrestief (7,32 pro US-$; -6% seit Jahresanfang). Grund sind die wirtschaftlichen Probleme Chinas.

Exkurs. Petrodollar, Renminbi, Globaler Süden  und Digitalisierung: Das Petro - Dollar - System entstand Mitte der 1970er-Jahre, nachdem US-Präsident Richard Nixon die Konvertierbarkeit des Dollar in Gold aufgehoben hatte. Es sieht vor, dass der Ölpreis in Dollar festgesetzt wird und Öl exportierende Länder überschüssige Einnahmen in auf Dollar laufende Vermögenswerte investieren. Dieses Prozedere festigte die Position des Dollar als Weltreservewährung. De USA bescherte das System jahrzehntelangen Wohlstand und machte die USA zum bevorzugten Markt für global agierende Unternehmen. Bis zum Jahre 2000 wurden übe r70% aller Devisenreserven in Dollar gehalten. Der Zustrom ausländischen Kapitals sorgte in den USA für niedrige Zinssätze und einen robusten Anleihemarkt und machte die Wallstreet zu weltweit herausragenden Finanzzentrum. Doch der Wind hat sich gedreht. Es gibt immer mehr Indizien für eine Entdollarisierung. Die Zentralbanken haben ihre Goldkäufe zwischen 2021 und 2022 mehr als verdoppelt und 2023 auf hohem Niveau gehalten. Im bilateralen Handel nimmt zugleich dei Zahlungsabwicklung über Lokalwährungen (LCS) zu. Indien bezahlte 2023 erstmals Erdöl aus den Emuraten in Rupien. China wickelt mittlerweile die hälfte seines grenzüberschreitenden Handels und seiner Investitionen in Renminbi ab. Das Land bedient sich dabei auch spezieller Währungsswap-Deals, die die PBOC mit mehr als 40 Zentralbanken weltweit abgeschlossen hat. Das hängt mit der stärkeren Rolle des globalen Südens zusammen. Vor 2000 waren die USA für mehr als 80% der Länder der weltweit wichtigste Handelspartner. Heute 2024 liegt der Wert bei 30%. china hat zum großen Teil Amerikas Rolle übernommen. Die Digitalisierung erleichtert auch den Einsatz heimischer Währungen. So haben die Zentralbanken Indonesiens, Malaysias, Singapurs und Thailands ein QR - Code basiertes System eingeführt, das digitale grenzüberschreitende Zahlungen ermöglicht. Amerikas extensiver Einsatz von Sanktionen hat vielen Ländern die politische und finanzielle Abhängigkeit vom Dollar als Reservewährung und Zahlungsmittel verdeutlicht. Laut IWF hat sich zugleich der Renminbi - Einsatz im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr Chians zwischen 2014 und 2021 stark erhöht. Vgl. Fofack, Hippolyte: Die Erosion des Petrodollar, in: WiWo 34/ 16.8.24, S. 39.

Währungskriege: In jüngster Zeit werden sie durch die Erhöhung der Geldmenge und der Staatsverschuldung verschärft. Es geht um den Dollar, auf dem das aktuelle Währungssystem basiert. Aktien, Anleihen und Derivate gehören zum System. James Rickards sieht in seinem Buch "Währungskrieg. Der Kampf um die monetäre Weltherrschaft" (München 2012) einen kommenden Zusammenbruch des Dollars. Die Realität ist im Herbst 2014 eine ganz andere: Die neue Stärke der USA und die Schwäche der EU treiben den Dollar in neue Höhen. Ein schwacher Euro nützt durchaus Deutschland als Exportnation. Aber der Abwertungswettlauf kann die strukturellen Probleme in Europa nicht lösen. Am 22.01.15 gibt die EZB den Staatsanleihenkauf von 60 Mrd. € monatlich bis September 2016 bekannt. Durch die Ausdehnung der Geldmenge soll der Euro weiter  schwach gehalten werden. Damit freut sich Europas Export-Wirtschaft über den schwachen Euro. Negative Folgen können für viele kleine Länder eintreten und auch vor allem für Schwellenländer. Zunächst trifft es die Schweiz (vgl. Franken). Viele Staaten haben Schulden in Dollar (müssen auch in Dollar zurückzahlen; haben haben Einahmen in eigener Währung). So kommt es zu Schuldenkrisen in Schwellenländern (betroffen z. B. China und Brasilien). Ein Ausweg wäre eine Zinserhöhung der US-Notenbank. Wünschenswert wäre eine Abstimmung der wichtigsten Notenbanken untereinander. Es reicht nicht mehr, Geldpolitik nach den heimischen Daten zu machen. Das gilt insbesondere für Fed und EZB. 2018 will die EU-Kommission die amerikanische Dominanz auf den Finanzmärkten brechen und den Euro zur Leitwährung machen. Das ist ein Angriff auf den Dollar, aber notwendig, weil Trump die US-Währung als Waffe im Handelskrieg einsetzt. Die Gefahr dabei ist, dass ein starker Euro zum Problem für die europäische Exportindustrie werden könnte. Der Handelskrieg zwischen den USA und China führt zu einem Währungskrieg. China wertet seine Währung ab. Das trifft allerdings auch die anderen Handelspartner.  "Der Euro war bisher viel zu stark vielleicht nicht für Deutschland, aber mit Sicherheit für die anderen europäischen Länder", Mohamed El-Erian, Chefberater Allianz. 2015 stammt auch folgende Äußerung von ihm: "eine wachsende Zahl an Zentralbanken arbeitet aktiv an der Schwächung ihrer Währungen. Die Gefahr wird größer, dass sie sich auf einen nicht erklärten Währungskrieg einlassen".

Währungskooperationen: Kooperative Lösungen werden vor allem in Ostasien gesucht, um die hohe Volatilität der Wechselkurse einzudämmen.  Vor allem Japan setzt auf diese Strategie. Es gibt die Chiang Mai Initiative (CMI). Diese setzt einerseits auf bilaterale Zusammenarbeit (z.B. mit China und/ oder Südkorea), andererseits gibt es einen multilateralen Prozess (CMIM). Bei letzterem ist ASEAN die Basis. Man gründet ein gemeinsames Forschungsinstitut (AMRO). Die Staaten sollen nach dem Muster von Peer Review zusammenarbeiten. Bisher überwiegt die symbolische Komponente. Die Frage nach dem Sinn regionaler Lösungen bleibt.

Gemeinsame Währung von Argentinien und Brasilien: Die beiden größten Länder Südamerikas wollen bei der Währung kooperieren. Sie streben eine gemeinsame Währung an. Der Name steht schon fest: "Sur" (Süden). Die Währung soll für weitere Länder offen sein. Man hat den Euro als Vorbild. Die Idee wurde schon 2019 entwickelt. Lula und Fernandez sind befreundet. Brasilien ist dei größte Wirtschaftsmacht Südamerikas. Argentinien ist ein chronischer Krisenstaat: Inflation 2023 100%, große Armut, Devisen sind knapp.

QR-Code-basiertes System für grenzüberschreitende Zahlungen: Vereinbarung der Zentralbanken von Indonesien, Malaysia, Singapur und Thailand. Es ermöglicht digitale grenzüberschreitende Zahlungen.

Trilemma einer offenen Volkswirtschaft in der Währungspolitik (Klassifizierung von Währungssystemen): Es gibt drei Ziele: Geldpolitische Autonomie, Wechselkursstabilität und freie Kapitalbewegungen. Leider lassen sich immer nur zwei Ziele miteinander vereinbaren. So muss man sich entscheiden. Verbindungen zwischen den Zielen stellen Kontrolle des Kapitalverkehrs, Currency Board und Flexibler Wechselkurs dar (vgl. Krugman/ Obstfeld/ Melitz: Internationale Wirtschaft, München 2012, S. 683).

Währungen der Schwellenländer: Es gibt dafür einen speziellen Aktienindex, den MSCI Emerging Markets Currency. Die Leitzinsen in wichtigen Schwellenländern sind End e2020 hoch: Mexiko 4,25%, Russland 4,25%, Brasilien 2.00%. Prozentual zum US-Dollar haben sich die jeweiligen Währungen 2020 wie folgt verändert: Real (-20,5%), Russischer Rubel (-14,9%), Mexikanischer Peso (-4,5%), Chinesischer Yuan (+6,6%).

Notenbank-Falle: Die Niedrigzinsen und die damit verbundene Geldschwemme haben die Schulden weltweit steigen lassen. Wenn die Zentralbanken nun die Zinsen anheben, bringen sie staatliche und private Schuldner in Bedrängnis. Die Situation gleicht einem Teufelskreis. Am Ende droht eine neue Wirtschaftskrise.

Leitzinsen und Bilanzsummen der Notenbanken in wichtigen Volkswirtschaften: Im Oktober 2020 liegt der Leitzins der EZB in der Eurozone bei 0%. Der Einlagenzins beträgt -0,5%. Der Leitzins der Fed in den USA ist 0,25%. Der Leitzins in Japan liegt bei -0,1%. Die Bilanzsumme der Notenbanken in Prozent des BIP ist: Fed 35,9%, EZB 60,6%, Bank of Japan 131,2%.

Online-Währungen: Eine Währung, die nur im Netz besteht. Bekannt sind Bitcoin und Facebook Credits. Bitcoin-Einheiten werden seit 2009 auf vernetzten Computern in Form von Zahlenkolonnen produziert. Wer die Cyber-Währung nutzen will, braucht eine Software auf dem PC, die als Geldbörse dient. In China gibt es eine Netzwährung im Internet-Portal Tencent (QQ-Münzen). Auch Paypal ist mittlerweile eine Parallelwährung. Vgl. hierzu den ausführlichen Artikel bei Geldpolitik (auf der Seite Economics/ basic, Makroökonomik). Für 2020 plant Facebook die Weltwährung Libra. Diese digitale Währung könnte eine Chance haben.

Digitales Zentralbankgeld: Viele Notenbanken arbeiten an einer digitalen Version ihrer Währung. Einige Länder sind schon im Jahre 2020 in der Testphase: Kanada, Russland, China, Süd-Korea, Thailand, Kambodscha, Saudi-Arabien, Südafrika, Tunesien, Senegal, Uruguay, Ecuador, Venezuela, Schweden. Andere Länder erforschen die Währung. Es gibt viele Konzepte. Einige Länder experimentieren mit der Blockchain - Technologie. Andere sehen nur den Anspruch gegenüber einer Bank, Bargeld ausgezahlt zu bekommen (Zentralbankgeld).

China hat schon einige Jahre Tests in den vier Städten Shenzhen, Suzhou, Xiongan und Chendu laufen. Nutzer sollen die Währung testen. Beamte in suzhou sollen einen Teil ihrer Zuschüsse für den Nahverkehr als digitale Münzen auf das Smartphone überwiesen bekommen. Der landesweite offizielle Start des digitalen Renminbi steht noch nicht fest. In Schweden laufen seit Februar 2020 Pilotprojekte mit der E-Krone. Zunächst sind nur Banken dabei, später sollen Konsumenten folgen. Zusammen mit China ist Schweden am weitesten fortgeschritten. Frankreich macht Tests mit dem digitalen Euro. Sie sollen sich auf Zahlungen zwischen Finanzinstituten beschränken, gehen also nicht so weit wie in den beiden zuvor behandelten Ländern.

Bedeutung von Digitalwährungen für die Weltwirtschaft: Der Ukraine-Krieg 2022 macht die Frage hochaktuell. Es werden große Summen für die Ukraine gesammelt (60 Mio. $ bis Ende März 2022, Crowdfunding für den Krieg). Kryptowährungen entstehen auf zwei Wegen: 1. "Proof of Work": Neue Bitcoins entstehen durch Lösen komplexer Rechenaufgaben (Mining). 2. "Proof of Stake": Staking-Teilnehmer deponieren eigene Krypto-Coins als Sicherheit (Stakes). Währungen sind Bitcoin, Ethereum, Tether, BNB, USD Coin. Dafür gibt es Marktplätze: Binance, Huobi Global, Coinbase Exchange, FTX. Es gibt auch Kryptowährungsautomaten (in Deutschland 40). China untersagt das Kryptogeld. El Salvador führte es als offizielles Zahlungsmittel ein. Vgl. Bartz, Tim u. a.: Im Schleudergang, in: Der Spiegel Nr. 13/ 26.3.22, S. 52ff.

Landeswährung und globale Konflikte: Der Ukraine-Krieg macht die Schwächen einer Landeswährung deutlich. Der Rubel verliert allein 2022 über 40% seines Wertes. Die Zentralbank Russlands wird mit Sanktionen belegt. Putin fordert eine Bezahlung von russischer Energie mit Rubel (am 31.3.22 erlässt er ein Dekret dazu). Das soll den Kurs stützen, der Zentralbank mehr Spielraum geben und die Abführung direkt an den russischen Staat ermöglichen. Bei Devisen wie Euro zweigen die Oligarchen einiges ab. Russland und China werden aus dem Konflikt lernen. Die Gazprom-Bank ist nicht sanktioniert. Gas-Kunden sollen auf dem Luxemburger Konto der Bank in Euro oder Dollar bezahlen, was dei Bank dann in Rubel umtauscht. Vielleicht kann China seine Währung Renminbi  durch die Ukraine-Krise stärken und seine Währung global etablieren (vielleicht nur Yuan-Rubel-Block). Das gleiche versucht Indien mit Russland. Man lässt den Dollar außen vor. Vgl. Becker, B. u. a.: Pekings Drang zur Weltmacht, in: Stern 31.3.2022, S. 26ff. (Titel).

Bargeldreform und Geldknappheit: In Nigeria gibt es 2023 Tumulte an Bankschaltern. Die Bargeldreform führt zu drastischer Geldknappheit. Dei Zentralbank weist die Schuld von sich und spricht von Gier. Sie habe ausreichend Geld gedruckt. In dem Land droht 2023 eine Rezession. Ähnliche Vorgänge sind aus anderen Ländern bekannt (z. B. Argentinien).

Five Friends: Im Devisenhandel die fünf Fluchtwährungen. Es sind dies der Schweizer Franken, die Norwegische Krone, die Schwedische Krone, der Australische Dollar und der Kanadische Dollar.

Kapitalverkehrskontrollen: Sie galten lange als schlecht. Ökonomen des Internationalen Währungsfonds machten sie wieder salonfähig. Großanleger in der Welt richten ihr Verhalten gegenüber Anleihen und Währungen aus Schwellenländern stark an der Geldpolitik der Fed aus. Nationale Anstrengungen der Schwellenländer können allein offensichtlich die Märkte nicht mehr beruhigen.  Selbst bei flexiblen Wechselkursen muss der freie Kapitalverkehr nicht mit geldpolitischer Autonomie eines Landes einhergehen (Helene Rey, französische Ökonomin). Dies gilt im Idealfall nur für die USA als führende Volkswirtschaft der Welt. Deshalb sind Kapitalverkehrskontrollen im Gespräch: Südkorea 2009 und Malaysia vorher in der Asienkrise sprechen für einen Erfolg dieser Politik. In der Krise vieler Schwellenländer 2013/ 2014 taucht immer wieder ein altes Muster auf: Hot Money fließt rein, dann schnell wieder raus. Vielleicht helfen dagegen wirklich nur Kapitalverkehrskontrollen. 2015 muss Griechenland Kapitalverkehrskontrollen einführen.

Reservehaltung: Die Währungsreserven der Industrieländer liegen Ende 2010 bei ca. 2 Billionen US-Dollar. Die Devisenreserven der Schwellenländer liegen zum gleichen Zeitpunkt bei etwa 5 Billionen Dollar. Allein China hat Reserven von 3,3 Billionen Dollar (Ende 2012). Als Erklärungsansätze werden die beiden klassischen Theorien "Merkantilismus" und "Precautionary View" normalerweise herangezogen. Neuere Ansätze stellen das Versicherungsmodell und das Finanzstabilitätsmodell dar. Im Zusammenhang damit steht die wachsende Bedeutung der Staatsfonds in den Schwellenländern. Vgl. Baumert/ Gloede: Devisenreserven in Schwellenländern: Erklärungsansätze für "exzessive" Reservehaltung, in: WiSt, H. 12, 2010, S. 593-598. Nach dem IWF wurden Ende 2010 61,4% in Dollar gehalten, 27% in Euro, 4,1% in Pfund, 3,6% in Yen und 3,9% in Sonstigen. Ab Dezember 2015 erklärt der IWF den chinesischen Renminbi zur Welt-Reservewährung. Die Funktionen der Reservehaltung haben sich mit der Zeit geändert. Der größte Teil wird nicht mehr zur Finanzierung von Ungleichgewichten im Außenhandel benötigt. Spekulative Attacken auf die eigene Währung sollen verhindert werden. Weil dies vor allem bei der Asienkrise 1997/1998 passierte, haben Staaten wie Südkorea, Taiwan und Singapur aus diesem Grunde große Devisenreserven angehäuft.  In den Depots italienischer Banken lagern Hunderttausende Käselaibe. Der original "parmigiano" ist wertvoll und dient den Geldhäusern als Sicherheit (Wert eines Käselaibes ca. 300€). Im ersten Quartal 2014 haben die einzelnen Reservewährungen folgende Anteile (IWF): Amerikanischer Dollar 60,9%; Euro 24,5%; Japanischer Yen 4,0%; Britisches Pfund 3,9%; Sonstige Währungen 6,7%. Im Dezember 2015 beschließt der IWF, Dass der chinesische Renminbi Reservewährung wird. Nach Schätzungen könnten 147 Mrd. Euro in den chinesischen Anleihemarkt fließen. Im Herbst 2016 wird der Reservekorb neu zusammengesetzt, der Basis für die Verteilung der Sonderziehungsrechte ist. Zunächst dürfte der Anteil bei knapp 10% liegen. 2015 sind die Anteile wie folgt verteilt: Dollar 41,9%, Euro 37,4%, Pfund 11,3%, Yen 9,4%. Ab 01.10.16 wird der Renminbi Weltwährung. Das bankrotte und devisenschwache Simbawne begleicht 2017 Schulden mit Elefanten und Hyänen.

Devisenreserven: 2021 führt bei den Devisenreserven China mit 3218 Mrd. Dollar (danach kommen: Indien 578, Hongkong 479, Saudi-Arabien 425, Türkei 76). Quelle: IWF, Stand Juni 2021. 59,2 % der Devisenreserven werden in Dollar gehalten. 20,5% in Euro. Dann folgen Yen (5,8), Britisches Pfund (4,8), Renminbi (2,6), andere Währungen 7,1%. Quelle: Statista. Stand 2. Quartal 2021. Es gibt verstärkte Bestrebungen aus dem Dollar raus. Das hängt mit den Wirtschaftssanktionen 2022 gegen Russland zusammen. Die Staaten fürchten um ihre Unabhängigkeit. Die Gründung von staatlichen Tarnfirmen steht bevor. Vgl. Losse, Bernd: "Währungsreserven kann man verstecken", in: WiWo Nr. 17/ 22.4.22, S. 40f.

Sonderziehungsrechte (SZR): 1970 vom IWF eingeführt. Eine künstliche Währung, die Gold und nationale Währungen bei internationalen Transaktionen ersetzen sollte. Sie wird bei der Buchhaltung vom IWF verwertet und zahlt sie an Mitgliedsländer aus. Dahinter steht ein Währungskorb (US-Dollar 41,9%, Euro 37,4%, Yen 9,4%, Brit. Pfund (11,3%).

Guidotti-Greenspan-Regel: Diese besagt, dass die Devisenreserven eines Landes dessen kurzfristigen Verbindlichkeiten in Fremdwährung entsprechen sollten. Vgl. Miles, D./Scott, A./ Breedon, F.: Makroökonomie, Weinheim 2014, S.650.

Gold: Die Gold-Währung war ein Welt-Währungssystem von 1823 bis 1943 (klassischer Goldstandard 1870-1914). Reserve war das Gold (umlaufendes Papiergeld jederzeit zu einem fixierten Austauschverhältnis in Gold umtauschbar). Ursprünglich wurde in Babylon der Wert der Edelmetalle nach sakralen Aspekten festgelegt. Gold symbolisierte die Sonne. Gold ist nicht so wertvoll, weil es knapp ist, sondern weil die überirdische Goldmenge konstant ist. Interessant war der automatische Ausgleich durch Goldexport- und Goldimportpunkt. Großbritannien, das Mutterland der Goldwährung, verlässt 1931 den Goldstandrad im Zuge der Weltwirtschaftskrise. Das Pfund wertete um 30% ab. Auch im System von Bretton Woods und im heutigen flexiblen Wechselkurssystem (Dollar, Euro, Yen) ist Gold eine wichtige Reserve neben den Reservewährungen und den Sonderziehungsrechten. Die chinesische Zentralbank hält nur 1,6% ihrer Reserven in Gold, die US-Notenbank kommt auf 72,8%, die Bundesbank auf 68,1%. Deutschland hat damit die zweithöchsten Goldvorräte. Sie werden in Frankfurt (31%), Paris, London (13%) und New York (45%) gelagert. Im Herbst 2012 fordert der Bundesrechnungshof eine Inventur. Diese wird auch durchgeführt (London wurde schon überprüft; es folgen New York und Paris; eventuell sollen alle Vorräte in Deutschland gelagert werden). 700 Tonnen werden nach Deutschland zurückgeholt. Einige Politiker fordern 2014, noch mehr Gold nach Deutschland zu holen. Dies passiert auch (nur noch ein Teil lagert in London/ 432 t und New York/ 1236 t; Frankfurt 1710 t). Sollte China seinen Anteil weiter erhöhen, wofür vieles spricht, könnte sich die "Goldrally" weiter fortsetzen. Die Angst vor der Inflation und der Zerfall des Weltwährungssystems nach der Weltwirtschaftskrise 2009 machen die Idee des Goldstandards wieder populärer. Umstritten ist, ob dadurch das Finanzsystem stabilisiert werden könnte. Auch als Anlage gewinnt Gold wieder an Bedeutung (Barrengold, Aktien, Fonds, Derivate). Gold gilt auch als Symbol gegen das Spiel der Banken und den schnellen Profit (Systemverdruss). 2011 kaufen die Zentralbanken der Schwellenländer sehr viel Gold. Der größte Nachfrager nach gold ist Indien. Mehrmals wird die Einfuhrsteuer für Gold erhöht. Dann folgen als Nachfrager China und die USA. In Abu Dhabi wurde in einem Luxushotel 2010 der erste Goldautomat der Welt  aufgestellt (1 Feinunze 31,1 g). Am meisten Gold produziert wird in China (330t 2009, 2011 entsteht eine neue Goldbörse in Hongkong), vor Australien und Südafrika. Die größten Firmen sind Barrik Gold, vor Newmond Mining und Anglogold Ashanti. Bekannt sind noch Newcrest Mining und Harmony Gold. Die größten Vorkommen sind in Usbekistan (50 Mio. Unzen), Russland und Alaska. 230 Tonnen Gold stecken in griechischem Boden. Sie sollen ab 2013 gefördert werden. 2011 ist auch das Silber so teuer wie nie zuvor (fast 50 Dollar je Feinunze). Auch Platin steigt rasant im Preis. Das World Gold Council beobachtet den Goldmarkt. Der größte Goldimporteur ist die VR China. Dahinter folgt Indien (860t 2012 importiert, hoher kultureller Wert, gegen Rupienverfall). Indien ist aktuell auch der größte Goldkonsument vor China. 2013 prüft die Finanzaufsicht die Preisfestlegung von Gold und Silber in London (auch die Deutsche Bank verwickelt). Vgl. auch World Gold Council. Es gibt mittlerweile auch Fonds, die an Gold gekoppelt sind. Das sind börsengehandelte Wertpapiere, mit denen Anleger in den Rohstoff Gold investieren können. Sie sind mit realem Gold hinterlegt (Gold-Indexfonds). Berühmt sind die Geschichten Plätze, an denen einst Gold in Nordamerika geschöpft wurde. So etwa der Klondike in Kanada. In China zeigt sich 2015 beim Börsencrash, dass die Chinesen auch in den sicheren Goldhafen zurückkehren. Die Goldförderung weltweit ist kein Ruhmesblatt. Es werden viele Kinder eingesetzt (1 Mio. ?) und ganze Landstriche werden zerstört. Im Amazonasgebiet in Brasilien bedrohen Heerscharen von Goldsuchern die indigene Bevölkerung. Mitte 2018 kriselt der Goldpreis: Höhenflug des Dollars, Zinsniveau, Schwäche der Schwellenländer. Brasilien geht dann 2021 gegen illegale Goldsucher vor. Es werden zahlreiche Boote niedergebrannt. 2022 kommt der russische Rubel dem Ideal einer Gold gedeckten Währung am nächsten (60% des Rubel-Angebots sind durch Goldreserven der Bank of Russia gedeckt). Die Zinserwartungen drücken im April 22 den Goldpreis unter 1900 US-Dollar). Ende des Jahres 23 und Anfang des Jahres 24 erreicht Gold den höchsten Stand wie zuletzt 2020: 2.063 US-$ (Aussichten auf Zinssenkungen). Am 8.3.24 erreicht der Preise 2195 Dollar. Er könnte 2024 noch auf 2250 steigen. Gründe: Erwartete Zinssenkung, steigende Nachfrage, chinesischen Goldimporte. Mitte April 2024 steigt er dann sogar auf 2205 Dollar (neuer Höchststand), am 16.4.24 sogar auf 2375 $. Die Aussicht auf sinkende Zinsen und geopolitische Risiken treiben den Goldpreis immer weiter nach oben.   Der Goldpreis ist 2008 weltweit auf einem Rekordniveau: über 1000 $ je Feinunze (geht wegen der Verkäufe auch mal wieder runter, unter 800 $, September 2009 wieder über 1000 $, Spekulation, Inflationserwartung, Indien, Chinanachfrage/ könnte mit seinen Devisenreserven alle Goldvorräte zweimal aufkaufen, Schuldenprobleme Griechenlands). Der Höchstpreis im Dezember 2010 und Anfang 2011 liegt bei über 1400 $ (1421), dann sinkt er stark ab. Im August 2011 steigt er auf den Rekordwert von über 1900 $ (1911,46, Krise in arabischen Ländern, Nachfrage aus China, Inflationserwartung, Schulden in USA und Europa, Abstufung der USA). Danach fällt er mal wieder stark (auf unter 1700 $, Gaddafi verkauft viel Gold). Im Mai 2012 fällt der Preis auf 1572 $. Er erreicht Mitte 2012 sogar ein Zweijahrestiefststand. Dann steigt er wieder im September 2012 auf fast 1800 $, bevor er im Dezember unter 1700 fällt. Dann bewegt er sich im Jahre 2013 Richtung 1500$, im April 2013 geht er wieder zeitweise unter diese Grenze.  Ende Dezember 2015 liegt der Preis bei 1066 $. 21,3 Mrd. € beträgt der Wertverlust der deutschen Goldreserven von Anfang 2013 bis April. Die Zeit des Goldrausches scheint vorbei zu sein. Ende Juni 2013 hat der Goldpreis den stärksten Einbruch seit 120 Jahren und er fällt auf 1225 $. Eine höhere Nachfrage aus China bringt ihn im August 2013 wieder auf 1343 $. Im November 2013 ist der Preis weiter gesunken auf 1244 $ (N. Y.). Ende des Jahres sogar auf 1204 $ (erste Jahresverlust seit 13 Jahren). In Folge der Krimkrise steigt der Preis wieder deutlich über 1300. Gold ist aber kein sicherer Hafen fürs Ersparte mehr. Im ersten Halbjahr 2009 wurden schon 136 t Gold von den Notenbanken verkauft (Goldreserven: USA 8134t, Deutschland 3408t). Der IWF verkauft von 2009 bis 2010 403t Gold (Käufer war vor allem die Zentralbank von Indien). Langfristig ist der Goldpreis seit 1968 fast kontinuierlich gestiegen. Ab 2014 mischt die Partei "AfD" im Goldhandel mit (Propaganda gegen Euro; vom Parteiengesetz her erlaubt). Ende 2014 könnte die Schweiz den Goldpreis anheizen. Eine Initiative fordert mehr Gold-Reserven zur Stabilisierung des Franken (die Schweiz hat schon pro Kopf die höchsten Goldreserven aller Staaten). Eine Freigabe des Franken und der große Kauf von Staatsanleihen durch die EZB führen dann Mitte 2015 zu einem Anstieg des Goldpreises (über 1300). Danach sinkt der Preis wieder rapide unter 1100$. 2017 im Herbst steigt der Preis wieder über 1300$, 2018 ist er noch über 1330$.  Im Mau 2019 liegt der Preis bei 1287 $. 2015 gibt es in den USA Ermittlungen gegen Banken wegen Manipulation des Goldpreises (auch Deutsche Bank). In den Jahren vor 2015 hat die russische Notenbank stark Gold aufgekauft, um sich von Dollar und Euro unabhängig zu machen. Nun hängt sie am Goldpreis. 2015 sind 219 Tonnen Gold aus dem Ausland in die deutsche Notenbank-Zentrale zurückgekommen (sie besitzt 3400 Tonnen, zweitgrößte Goldschatz der Welt, das meiste Gold lagert noch in New York). 2017 wird das Recht im islamischen Finanzwesen geändert: Ein neuer Standard erlaubt nun Goldanlagen über Fonds und Aktien. 2016 war das Angebot an Gold höher als die Nachfrage. Weil das in den nächsten Jahren so bleibt, dürfte der Goldpreis nur moderat steigen. 2017 haben die Deutschen 106 Tonnen Gold gekauft (für 3,8 Mrd. €). Ende 2018 liegt der Goldpreis mit 1221,50 $ noch über 1200 und steigt leicht an. Mitte 2019 geht der Preis wieder über 1300 $. Notenbanken in aller Welt kaufen Gold, weil mit einem Crash gerechnet wird (zu viel Geld, Aktienmärkte könnten einbrechen). In Südafrika gibt es viele illegale Goldsucher. Illegale Minenarbeiter durchlöchern etwa die Metropole Johannesburg. Kriminelle Pfandleiher scheffeln in Griechenland viel gold mit der Not der Menschen. Es gibt einen "Gold-Maffia" Niedrige Zinsen und unsichere Märkte führen dazu, dass der Goldschatz in Haushalten wächst. Seit 2016 wuchs der Bestand in Privathaushalten in Deutschland um 246 Tonnen. In Pfund Sterling erreicht Gold in der ersten Augustwoche 2019 ein neues Allzeithoch: 1242. Das ist auch in Austral-Dollar, Neuseeland-Dollar, Kanadischem Dollar, Norwegischer und Schwedischer Krone so. Unter den G10-Währungen liegt Gold nur noch in Dollar, Euro, Franken und Yen unter dem Allzeithoch. Im August 2019 steigt der Goldpreis auf über 1500$. Mitte September fällt er wieder unter 1500$ bis 1370$ im Oktober, immer noch mehr als ein Drittel als vor einem Jahr. Im Februar 2020 erreicht der Goldpreis einen Höchststand: zeitweise für 1611 Dollar in London gehandelt (Coronavirus). Der Goldpreis steigt durch Corona weiter (1660,20 $; "Fluchtwährung"). Am 13.04. geht er über 1700 $. Am 27.7.20 erreicht er einen Rekordwert: 1944 US-Dollar je Feinunze (sogar kurzfristig über 2000). Höchster Wert seit 2011. 2020 Steigerung von +25%. Ende 2021 rechnen Experten mit einem Kurs von 3000 Dollar pro Feinunze. Das wäre ein weiterer Anstieg um 50%. Wichtigster Treiber ist der Wertverlust der US-Währung. Mit dreister Werbung verkaufen deutsche Händler winzige Goldbarren zu stark überhöhten Preisen. Im Februar 2021 fällt der Goldpreis weiter: 1700 US-$. Wegen der steigenden Zinsen wenden sich die Finanzanleger ab. Im Mai geht er wieder über 1800 $ wegen der Inflationsangst. Dann Ende Mai sogar über 1900 $. Die Kriegsangst um die Ukraine treibt Anleger in die Sicherheit. Der Goldpreis schwankt um 1900 $. Am 21.7.22 fällt er auf den Jahrestiefststand: 1685 Dollar (Russland liefert wieder Gas). Im Januar 2023 geht der Preis wieder über 1900$ (1926$, +7% im Januar). Im Dezember 2023 erreicht der Goldpreis 2111 Dollar (Spekulanten hoffen auf schnelle Zinssenkungen). "Gold hat keinen Nutzen, außer beim Schmuck. Das ist überhaupt das Beste, was sich vom Gold sagen lässt", Hilmar Kopper, Exchef der Deutschen Bank. "Gold ist das ultimative Zahlungsmittel auf der Welt, Gold wird überall akzeptiert", Alan Greenspan, Ex-US-Notenbankchef.

Goldpreis und Entwicklung von Währungen: Man kann die Wertentwicklung der Währungen in Prozent im Vergleich zum Goldpreis errechnen. Wenn man dem Zeitraum von 2014 bis 2016 zugrunde legt, ergeben sich folgende Entwicklungen: Real/ Brasilien -29%, Lira/ Türkei -33%, Rubel/ Russland -49%; Yen/ Japan -2%, Dollar/ USA -4%, Renminbi/ VR China -14%; Franken/ Schweiz -13%, Euro/ Euroland, EU -23%, Pfund Sterling/ GB -29%. Quellen: Bloomberg, Wirtschaftswoche 44/ 21.10.16, S. 12f. 2022 ist der Goldpreis um 5% gestiegen. Entscheidend für den Goldpreis sind zwei Faktoren: der Realzins, also der Zins nach Abzug der Inflation, und der Außenwert des Dollar. Gold ist auch eine Versicherung gegen Turbulenzen an den Finanzmärkten. Nach dem Wahlsieg von Trump im November 24 geht es nach oben mit Aktien und Kryptowährungen, Gold fällt im Kurs.

Goldverkäufe, Goldreserven  der Notenbanken und Strategien der Notenbanken bei Gold (Anti-Dollar): September 2019 enden nach 20 Jahren die Restriktionen für Goldverkäufe von Notenbanken. Doch die Notenbanken rühren die Goldreserven nicht an, im Gegenteil: Sie kaufen vor allem in Schwellenländern so viel Gold wie nie. Das wird als Misstrauensvotum gegen den Dollar interpretiert. Schon seit der Finanzkrise 2008 füllen die Zentralbanken ihre Goldreserven auf. Das hat sich noch verstärkt seit der Handelspolitik von Trump. Beosnders auffällig ist die Erhöhung bei der Bank of Russia (2019 sechsfache Menge Gold wie 2006). In China, bei der PboC, ist der Anteil an Gold gering (3%-Anteil am Währungskorb). Vgl. Doll, f./ Reccius, Stefan: Operation Anti-Dollar, in: WiWo 37, 6.9.2019, S. 38f. Die Schweiz spielt eine Schlüsselrolle im Großhandel für Gold. Dei Raffinerien dort verarbeiten 70% der jährlichen Weltproduktion. Im Juli 2019 wurde außergewöhnlich viel Gold nach GB geliefert (Brexit-Barren?). China folgt mit weitem Abstand. Goldreserven bei den führenden Notenbanken (Stand 2021, IWF, World Gold Council): USA 8133,5 Tonnen; Deutschland 3362,4; Russland 2299,3; China 1948,3; Japan 765,2.

Wege des Goldes: In Europa landen große Mengen Gold, für dessen Abbau Menschen ihr Leben lassen und Natur zerstört wird. Lieferkettengesetz und Zertifikate können das nicht verhindern.  Ein typischer Werttransport kann wie folgt aussehen: 1. Station: Illegal geschürftes Gold wird von Kurieren in Rucksäcken durch den Wald getragen. 2. Station: In Suriname kaufen Goldhändler das Gold, schmelzen es ein, eine stattliche Anstalt vergibt Siegel. 3. Station: Dubai ist das Weltzentrum für den Ankauf von angeblichem Altgold - das vielfach aber keines ist. 4. Station: Exportgold aus Dubai landet in der Schweiz. 5. Station: Deutschland. Gold aus der Schweiz gilt als einwandfrei, geht an Juweliere, Industrie und Banken. Vgl. Federl, Fabian: Auf der Spur des Goldes, in: Die Zeit 49/ 21.11.24, S. 24f.

Goldreserven Deutschlands: Seit 2015 veröffentlicht die Deutsche Bundesbank jährlich über die Bestände und die Lagerungsorte. 2024 verfügt Deutschland immer noch über den zweithöchsten Goldschatz nach den USA. China sammelt immer mehr Gold an. Mehr als die Hälfte der deutschen Reserven lagen in Tresoren in Frankfurt/ Main. 37% sind bei der Fed in New York. Der Rest ist bei der Bank of England. An beiden Großhandelsplätzen können die Bestände im Ernstfall schneller gegen Fremdwährung eingetauscht werden.

Sonderziehungsrechte: Offizielle Rechnungseinheit des IWF. Sie wurden 1969 eingeführt als Währungskorb (Dollar, Yen, Pfund, Euro). Es handelt sich um eine künstliche Reservewährung, um Liquiditätsengpässe zu verhindern.

Bitcoin: Inmitten der Euro-Krise glauben manche Anleger an die Internetwährung Bitcoin. Sie wurde 2009 von einem unbekannten Programmierer als Antwort auf die Finanzkrise geschaffen. Die virtuelle Währung sollte unabhängig von Notenbanken, Finanzkrisen und Staaten sein. Das virtuelle Geld wird durch komplexe Verfahren berechnet. Der Kurs verbessert sich auf 143 US-Dollar (Anfang April 2013). Doch auch hier wird es Abstürze geben; außerdem können Bitcoins durch Hacker gestohlen werden. Erzeugte Bitcoins können im Internet auf Marktplätzen wie Mt.Gox (der Ex-Chef wird 2015 in Japan verhaftet; die Plattform verschwindet 2014) gehandelt werden und gegen herkömmliches Geld getauscht werden. Bei Online-Diensten wie Wordpress, Reddit, BUND, Online-Drogenmarkt Silk Road kann man damit zahlen (auch in einem Dutzend Berliner Läden). Zur Erzeugung dienen mathematische Aufgaben. Das Verschlüsselungsverfahren gilt als fälschungssicher. 2013 verfünffacht sich der Kurs in einem Monat. Dann fällt der Kurs wieder (knappe Währung, kein Materialwert, parallel zu gesetzlichem Zahlungsmittel, Spekulationsgeschäfte chinesischer Anleger). Im Dezember 2013 schnellt der Kurs auf ein Rekordhoch. Als China die Währung verbietet, bricht der Kurs wieder ein. Es ist eine dauernde Achterbahn zu befürchten. Daneben gibt es noch weitere Internet-Währungen ( Litecoin, PPCoin, Ripple, auroracoin, peercoin). Sie versuchen, an den Erfolg von Bitcoin anzuknüpfen. Alle bergen ein hohes finanzielles Risiko für Verbraucher, weil sie durch keinerlei staatliche Aufsicht geschützt sind. Gehen Internet-Plattformen Pleite oder wird der Betrieb eingestellt, gibt es keine Aussicht, Geld wiederzubekommen. Auch Hacker könnten die virtuellen Konten plündern. Mittlerweile beschäftigen sich die Aufsichtsbehörden stärker mit Bitcoin (nachdem eine deutsche Handelsbörse lahm gelegt war; es fehlt eine geregelte Infrastruktur; wie sieht es mit Steuern aus?). Im Februar 2014 bricht die weltgrößte Online-Tauschbörse "Mt. Gox" zusammen und die Skepsis wächst. 750.000 Bitcoins mit einem aktuellen Wert von 300 Mio. Euro sind verschwunden. In den USA wird versucht, verlässliche Börsen und Plattformen aufzubauen. Cameron und Tyler Winklevoss haben 2014 bei der US-Börsenaufsicht Pläne für einen Bitcoin-Index eingereicht. Im März 2014 wird die Chefin einer Handelsplattform in Singapur tot aufgefunden. Die virtuelle Währung steckt in ihrer bislang schwersten Vertrauenskrise. Mitte 2014 versteigert das US-Justizministerium 29.656 Bitcoins mit einem Marktwert von 17 Mio. $. 126 Millionen Dollar Wagniskapital wurden 2014 in Bitcoin-Start-ups investiert. 20 Mio. Dollar erhielt das Unternehmen BitFury, das im Inland und Finnnland zwei riesige Rechenzentren betreibt, um Bitcoins herzustellen. 50 Prozent der gesamten Rechenkraft im Bitcoin-Netzwerk kontrollierte im Juni 2014 erstmals der größte Bitcoin-Pool. Ab 51 Prozent könnte er das gesamte System manipulieren. BitFury hat daher Kapazitäten aus dem Pool abgezogen. 2016 entstehen weltweit Rechenzentren, die zur Herstellung von Bitcoins dienen ("digitale Schwerindustrie"). Japan führt 2016 Bitcoin als offizielle Währung ein. Im Juni 2016 ermittelt die BaFin gegen die Internet-Währung OneCoin. Die Firma OneCoin Ltd. soll genehmigungspflichtige Finanzgeschäfte betreiben. Irgendwann könnten die digitalen Währungen die Macht der Notenbanken über das Geld brechen. Der Nutzen wäre der gleiche, aber es würde nur ein Bruchteil kosten. 2016 steigt der Preis der virtuellen Währung "Bitcoin" massiv an (649 US-Dollar am 21.06.10). Die Gründe dafür liegen in China. 2018 kommt es zu massiven Einbrüchen des Kurses. Ganz in den Keller geht es 2022. Über das Jahr 2022 verliert der Bitcoin -61%.  "Virtuelle Währungen können langfristig vielversprechend sein", Ben Bernanke, Präsident der US-Notenbank bis 2013. Der französische Zentralbankrat und die chinesische Zentralbank sehen das anders. Trotzdem werden die meisten Bitcoins in China erzeugt (AntPool 27%-Anteil; F2Pool 24,2%-Anteil; BTCCPool 13,3%-Anteil). Deshalb will die Zentralbank so schnell wie möglich eine eigene digitale Bezahlmöglichkeit einführen, um die Kontrolle zu behalten. Satoshi Nakamoto war das Pseudonym des Bitcoin-Gründers. An der Online-Börse Coinbase geht der Kurs Anfang Januar 2016 erstmals über 1160 Dollar. In der ersten Maiwoche erreicht der Kurs einen neuen Höhenflug (1650 Dollar). Vorher wollte die US-Börsenaufsicht SEC einem ersten Fonds, der Investitionen in das Kryptogeld, für die breite Masse möglich machen wollte, eine Absage erteilt. Sie will aber noch mal prüfen. 2020 und 2021 hat Tesla großen Einfluss auf den Kurs. Erst als die Firma Bitcoin als Zahlungsmittel beim Kauf akzeptiert (Aufstieg des Kurses) und dann, als die Firma aus Klimaschutzgründen das zurücknimmt (Absturz des Kurses). Die Bitcoin-Schürfer wandern 2021 in die USA ab. Das harte Vorgehen der chinesischen Regierung vertreibt sie aus China.

Abwicklung von Handel über Blockchain: Die Blockchain kann Kunde, Zoll, Logistiker, Bank - Lieferant, und Bank - Kunde verbinden. Sie bietet Sicherheit, Schnelligkeit und Transparenz. Grundlage des dokumentären Handelsgeschäftes ist das Akkreditiv (LC).

Internationaler Zahlungsverkehr: Er wird mit Swift abgewickelt. Das ist ein Kuriersystem für die Finanzwelt. Mithilfe gewaltiger Computersysteme wickeln Banken grenzüberschreitende Überweisungen ab. Das ist ein Unternehmen, das seinen Sitz bei Brüssel hat. Swift sichert den Zugang zum Weltmarkt. 2018 rückt Swift in den Blickpunkt eines Interessenkonfliktes. Die USA wollen es für ihre Iran-Sanktionen nutzen. Die anderen Länder der G20 wollen das nicht. Die USA wollen die Adressen der Iranischen Banken aus dem System löschen. Die Amerikaner haben aber keine  direkten Zugriff auf das System, aber ein wichtiges Datenzentrum in Virginia. China uns Russland wollen schon länger eigene Zahlungssysteme entwickeln. Europa überlegt auch (Frankreich will sich auch lösen).

Der Big-Mac-Index informiert darüber, welche Kaufkraft der US-Dollar in der jeweiligen Landeswährung gemessen in Big-Macs hat. Während er z. B. in der Schweiz 4,20 $ kosten kann, muss man in China nur 1,19 $ bezahlen. Meist ist er in Süd-Afrika am billigsten (0,90 $). Der Service wird vom britischen Wirtschaftsmagazin Economist jedes Jahr geboten. Der Index ist fast das einzige Instrument, um die Über- oder Unterbewertung einer Währung zu messen. Dadurch, dass Mc Donalds wegen der BSA - Krise nicht in jedem Land alle seine Produkte kauft, ist die Aussagefähigkeit sehr stark eingeschränkt. Indien kann nicht aufgenommen werden, weil es kein Rindfleisch isst. 2009 habe ich über den Big-Mac-Index einen Vortrag im Rahmen der Kinder-Uni gehalten (Vgl. Seite Öffentlich/ Public). Währungen von Entwicklungsländern sind tendenziell unterbewertet. Entwicklungsländer haben bei handelbaren Gütern eine niedrige Arbeitsproduktivität. Die Löhne werden aber maßgeblich von handelbaren Gütern bestimmt. Die Preise nicht handelbarer Güter sind in der Regel niedriger, so dass das niedrige Preisniveau bestehen bleibt (Belassa - Effekt). Vgl. auch: University of Western Australia, The Big Mac Index - Two Decades on an Evaluation of Burgernomics" 2010. Einerseits sind die Wechselkursprognosen auf Basis der Burgerpreise systematisch verzerrt. Andererseits lassen sich diese Fehler korrigieren. Damit sind die Vorhersagen mittel- bis langfristig gar nicht so schlecht. Im Jahre 2014 hat McDonald`s Probleme: Die Umsätze in den Filialen fallen weltweit. China stagniert. Deutschland und USA laufen schwach. Anfang Januar 2016 (6.1.16) sind folgende Währungen zum Dollar über- und unterbewertet (Preis eines Big Mac in Dollar; Quelle: Economist): Schweiz 6,44; Schweden 5,23; USA 4,93; China 2,68; Russland 1,53. Im November 2016 stirbt der Erfinder des Big - Mac im Alter von 98 Jahren: Michael James Delligatti aus Pittsburgh (US-Staat Ohio). 1967 brachte er mit Erlaubnis des Unternehmens Mc Donald´s den Burger heraus.

Belassa-Samuelson-Effekt: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Entwicklungsländern und ihren Währungen, die tendenziell unterbewertet sind. Nicht handelbare Güter beeinflussen die Kaufkraftparität, weil es Unterschiede in der Arbeitsproduktivität der Länder gibt. Davon hängen die Löhne ab, die zum großen Teil die Unterbewertung erklären.

Kaufkraftparitätentheorie von K. G. Cassel: Der Wechselkurs entspricht im Gleichgewicht der internationalen Kaufkraftparität, wobei diese am Verhältnis des ausländischen Güterpreisniveaus zum inländischen Güterpreisniveau gemessen wird. Vgl. Cassel, Karl Gustav: Theoretische Sozialökonomie, Leizig 1918 (zusammen mit Wicksell war er der Begründer der schwedischen Schule der Nationalökonomik). Meist arbeitet man mit dem Laspeyres-Preisindex: Geldsumme zu gegenwärtigen Preisen, die ein Wirtschaftssubjekt für den Kauf eines im Basisjahr ausgewählten Bündels von Gütern benötigt, geteilt durch die Kosten des gleichen Bündels zu Preisen des Basisjahres. Auch die Zinsparität zwischen zwei Ländern hat längerfristig einen Einfluss (Keynes). Der Wechselkurs ist der Preis für eine Einheit einer ausländischen Währung gemessen in einheimischer Währung. Extreme Zinsdifferenzen laden zu "carry trade" ein (im Niedrigzinsland Geld leihen und im Hochzinsland anlegen). Das Motiv ist dann Arbitrage, indem die Preisdifferenzen bei einem Gut auf verschiedenen Märkten ausgenutzt werden. Ein Land kann auch ein Currency Board errichten, indem es seine Währung fest an die eines anderen Landes bindet (z. B. argentinische Peso an den US-Dollar). "Eine Weltwährung", K. G. Cassels letzte Worte (überliefert).

Kaufkraft: 2024 kann man mit einem Euro am meisten kaufen in der Türkei (2,47) und am wenigsten mit 63 Cent am Zürichsee in der Schweiz. Dazwischen liegen andere Euroländer bzw. OECD-Länder. In Frankreich ist es genauso teuer. Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden,  2024

Gedeckte Zinsparität: Eine der am weitesten verbreiteten Theorien auf den internationalen Finanzmärkten. Die Grundidee geht auf Keynes zurück. Sie bildet aufgrund von Arbitrageüberlegungen einen Zusammenhang zwischen der Zinsdifferenz zweier Länder und der erwarteten Wechselkursänderung. Die Rendite im Inland soll der um den abgesicherten Wechselkurseffekt korrigierten Rendite des Auslands entsprechen, wobei Ft den zum Zeitpunkt t abgeschlossenen Forward-Kurs beschreibt und St den Kassakurs zum Zeitpunkt t. Vgl. Schlegel, J/ Weiß, P.: Abweichungen von der gedeckten Zinsparität: Erklärung anhand der Euro-/ US-Dollar-Basis, in: Wirtschaftsdienst 2017/ 10, S. 741ff.

"Tobin-Steuer": Besteuerung kurzfristiger spekulativer grenzüberschreitender Kapitalbewegungen, um die hohe Volatilität der Wechselkurse zu beruhigen (zuerst 1972 formuliert). "Die Ökonomie bedeutet für mich eine Faszination und Herausforderung für den Verstand..., sie bietet noch immer eine Hoffnung, durch größeres Verstehen das Los der Menschheit zu verbessern", James Tobin. Spekulationen üben einen großen Einfluss auf dem Devisenmarkt aus (Angebot und Nachfrage werden unberechenbar), so dass der Wechselkurs kurzfristig kaum zu prognostizieren ist. Das Bremsen des Devisenhandels war sein Hauptmotiv (das Einnahmemotiv sollte nicht dominierend sein). 1986 führte Schweden eine Transaktionssteuer auf Aktien- und Anleihegeschäfte ein. Wenige Jahre später wurde sie wieder abgeschafft (sinkende Umsätze, enttäuschende Einnahmen). Von Tobin stammt auch das Separationstheorem, das die Risikoneigung des Investors in den Mittelpunkt stellt, von dem das individuelle Portfolio abhängt. Schon 2001 fordert der Grüne Sven Giegold eine solche Steuer für Deutschland (galt damals als Spinner). 2009 im Bundestagswahlkampf knüpft die SPD an Idee der Tobin-Steuer an und schlägt eine Finanz-Transaktionssteuer (0,01-0,05%) an den Finanzmärkten vor, um die Verursacher an den Folgen der Finanzkrise zu beteiligen. 1984 führte Schweden eine Tobin - Tax ein, was zur Folge hatte, dass die Investoren aus Stockholm abwanderten. Die Einnahmen waren gering. Die Tobin-Steuer macht nur bei einer weltweiten Einführung Sinn. 2010 erwägen die USA die Einführung einer Sondersteuer für die Spitzenbanken, um die Unterstützungszahlungen zurück zu bekommen. 2013 führt die EU die Steuer ein. Die G20 diskutieren seit 2008 eine spezielle Finanztransaktionssteuer (FTT). 2014 erwägt China, die Einführung einer "Tobin"-Devisensteuer. Damit soll der massive Kapitalzufluss aus dem Ausland eingedämmt werden. "Was die US-Notenbank praktiziert ist klassischer Mainstream-Keynesianismus", Nobelpreisträger James Tobin (1918-2002)  zur Fed und damit als Prophet der Geldpolitik in der Finanzkrise 2008.

Tobin`s q (Tobin-Quotient): Verhältnis des Marktwertes eines Unternehmens zu den Wiederbeschaffungskosten des Sachkapitals des Unternehmens.

Zahlungsbilanzeffekte: Grenzüberschreitende monetäre Impulse, die besonders in der Globalisierung den internationalen Wirtschaftszusammenhang ausmachen (Einkommens-, Preis-, Zins-, und Wechselkurseffekt). Bei großen Volkswirtschaften (z. B. USA) kann der Einkommenseffekt eine Lokomotivfunktion (Locomotive effect) einnehmen. "Wenn die Weltwirtschaft nicht in Schwung kommt, wird auch Deutschland nicht wachsen, selbst beim vierten und fünften Konjunkturpaket nicht", Christoph Schmidt, RWI-Essen und Wirtschaftsweiser.

Vollkommene Kapitalmobilität: Sie bedeutet, dass inländische und ausländische Wertpapiere vollkommene Substitute darstellen. Damit wird der inländische Zinssatz vollständig durch den Zins im Ausland determiniert.

Die unmögliche Dreiheit: Ein Land kann seinen Wechselkurs festlegen und Kapitalmobilität suchen, jedoch nur auf Kosten der Kontrolle über die Geldpolitik. Kapitalmobilität gab es nicht immer. Das internationale Währungssystem ist ein Spiegel der beiden Ziele, die Staaten jeweils verfolgten. Vor der großen Depression 1930 waren es meist Kapitalmobilität und feste Wechselkurse, so dass die Zentralbank die Arbeitslosigkeit nicht bekämpfen konnte.  Nach dem Zweiten Weltkrieg setzten die Länder auf Kapitalverkehrskontrollen und die Kontrolle der Geldpolitik, um feste Wechselkurse zu erreichen. Un auch heute ist Kapitalmobilität nicht wirklich optimal. Selbst China wendet Kapitalverkehrskontrollen an. Vgl. Marron, D.: Wirtschaft in 30 Sekunden, Librero 2018, S. 98.

Parallelwährung: Theoretisch haben sich F. A. von Hayek (1899-1992) und Thomas Gresham (1519-1579) mit einer Parallelwährung beschäftigt.  In vielen Ländern haben sich historisch Parallelwährungen gebildet. Es gab sie im antiken Griechenland, im Mittelalter und auch in China (1650-1850). In den neunziger Jahren war die DM in den Balkanländern gängiges Zahlungsmittel. In den lateinamerikanischen Ländern ist der Dollar immer noch eine Zweitwährung. Auch auf Kuba gab es zwei Währungen. Prinzip dabei ist immer, stabile Währungen zu sparen und schlechte möglichst schnell auszugeben. Geld kann etwa wegen einer Kreditklemme knapp sein. Reiche schaffen dann ihr Euro-Vermögen noch möglichst schnell ins Ausland. Damit wären die Armen die Dummen, soziale Ungleichgewichte würden wachsen. Sehr negativ wären auch die Banken der Länder betroffen, die hohe Abschreibungen machen müssten. Dieser Mechanismus ist wichtig bei der Diskussion um die Auflösung der Währungsunion und die Wiedereinführung von nationalen Währungen als Parallelwährung. Würde z. B. in Griechenland die Drachme wieder als Zweitwährung eingeführt, stiegen rasant die Importpreise und das Defizit in der Handelsbilanz an. Es könnte einen Inflationsschock geben. Parallelwährungen wären ein Experiment mit dem Euro als Sicherheitsnetz.  Die Wahrscheinlichkeit für die Einführung steigt, je größer die ökonomische Krise in Ländern wie Griechenland und Italien wird. 2013 bringt die CSU einen vorübergehenden Austritt der Krisenländer aus dem Euro ins Gespräch. 2014 gibt es die Parallelwährung auf der Krim, weil nach dem Anschluss an Russland die ukrainische und russische Währung vorübergehend gelten. Der ehemalige griechische Finanzminister Varoufakis hatte einen Plan für eine virtuelle Währung entwickelt. Mit Hilfe eines Hackers wollte er Zugang zu den Steuerkonten der griechischen Finanzverwaltung gewinnen. Dann wollte er eine virtuelle Verrechnungswährung schaffen. Am Ende hätte ein paralleles Bankensystem mit eigener Währung gewesen. Eine lange Tradition mit Parallelwährungen in Krisenzeiten hat Japan. Eine solche Währung ist der Reneria nach Fukushima. Er fußt auf der Idee, dass bei Geldknappheit der Warenaustausch zum Erliegen kommt und so der Wiederaufbau nicht möglich ist. So schuf Takahashi eine neue Währung und verteilte sie in Familie und Gemeinde. Die Währung hielt sich solange, bis die Versicherungen Schäden bezahlten. 2018 entwickelte der designierte Finanzminister der Koalition Lega und Fünf Sterne ein Konzept für eine Parallelwährung in Italien (er hatte es theoretisch Jahre vorher durchdacht). Er wurde dann allerdings nicht vom Staatspräsidenten ernannt. Es ruht sicher in der Schublade. Wenn die übrigen Euro-Staaten Italien von ihren Refinanzierungsgeschäften ausschließen, käme dies einem Rauswurf aus dem Euro gleich. Berühmt ist der Fall von Joshua A. Norton 1859 in den USA. Er ließ sich in Sam Francisco zum Kaiser der Vereinigten Staaten ausrufen. Später begann er, sein eigene Währung herauszugeben, die tatsächlich in von ihm besuchten Bars akzeptiert wurde (vgl. Mark Twain, Die Abenteuer des Huckelberry Finn).

20 Jahre bzw. 25 Jahre Euro: Am 1. Januar 1999 wurde der Euro als Buchgeld eingeführt. Die Europäische Währungsunion hat einige Krisen überstanden. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt wurde nicht vollständig eingehalten. Eine geordnet Staatsinsolvenz ist innerhalb der EU nicht möglich. Diese Instrumente sollen reformiert werden. Vgl. Fratzscher u. a. Zeitgespräch: 20 Jahre Euro: eine Erfolgsgeschichte?, in: Wirtschaftsdienst 2018/ 12, S. 839ff. Am 1. Januar 2024 feiert der Euro das 25-Jährige. Es ist ein Geburtstag ohne Feiern. Er ist ein Erfolgsmodell. 20 Staaten und 350 Mio. Menschen bekannten sich zu einer Währung. Vgl. FAZ, 29.12.23, S. 19.

Währungsunion (Vgl. Europäische Währungsunion weiter unten): Mehrere Länder schließen sich zusammen und geben ihre nationalen Währungen zugunsten einer gemeinsamen Währung auf (zum Beispiel Euro). 

Optimaler Währungsraum: Robert A. Mundell, geb. 1932, stellte auch eine Theorie optimaler Währungsräume auf (vgl. Robert Mundell, A Theory of Optimum Currency Areas, in: AER, 1961, S. 657-665, auch: Ders., A Plan for a European Currency, 1969). Sie war Bahn brechend für die EU und den €, er lieferte quasi den theoretischen Unterbau. Anhand eines Modells mit zwei Ländern untersuchte er schon 1961 die Wirkung asymmetrischer Nachfrageschocks (Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital mobil, Kapitalmärkte flexibel, Arbeitskräftewanderungen möglich; sie können dann Pufferfunktion des Wechselkurses übernehmen). Vgl. L. S. Copeland, Exchange Rates and International Finance, Harlow GB 2005, S. 172ff. "Länder mit einer gemeinsamen Währung treiben mehr Handel, schöpfen die Gewinne der Arbeitsteilung besser aus und weisen daher einen höheren Lebensstandard auf", R. A. Mundell (Nobelpreis 1999, Schloss bei Siena). Die erste europäische Währungsunion bildete das Römische Reich. Faktisch war das römische Geld dort die Einheitswährung, die weit über das heutige Gebiet der EU hinausging. Die Situation in Griechenland 2010/ 2011 (vor allem Überschuldung) bestätigt die Theorie. Mit der Einführung des Euro begann der Niedergang schleichend. Die ausländischen Währungen waren vorher stark gegenüber der Drachme. Weil dies gegenüber dem Euro nicht galt, blieben die Touristen, die Haupteinnahmequelle des Landes, aus. Die Preissteigerung betrug 20 bis 40% pro Jahr. Griechenland war nicht wettbewerbsfähig für die EU und die EWWU. Weil der Wechselkurs als Ausgleichsmechanismus bei unterschiedlicher Wettbewerbsfähigkeit wegfällt, bleiben als möglicher Anpassungsmechanismus die Lohnhöhe und die Arbeitslosigkeit. Kurz zusammengefasst: Der Nutzen liegt im monetären Effizienzgewinn. Die Kosten liegen im Verlust wirtschaftlicher Stabilität. "Die Einführung des Euro könnte sich als die wichtigste Entwicklung in der Geschichte der internationalen Währungsabkommen seit dem Aufkommen des Dollars als dominierender Währung kurz nach der Gründung der US-Zentralbank, dem Federal Reserve System, 1913 herausstellen", Robert Mundell.

Pfundkurs: 2019 nimmt der Kurs des britischen Pfund Kurs auf die Euro-Parität. Die Angst vor dem ungeordneten Brexit nach der Wahl von Boris Johnson zum Premierminister treibt die Währung in den Keller. Andererseits hilft der Kurs dem Land, seine Exporte etwas anzukurbeln.  Am 03.09.2019 fällt die britische Währung auf den niedrigsten Stand seit Oktober 2016: 1,1972 (Brexit-Nervösotät).

Bank of England: Die Bank von England wurde 1694 als Körperschaft gegründet. Sie konnte zu einem niedrigen Zinssatz Finanzfonds erheben und die nationalen Schulden verwalten. 1696 wurde Isaak Newton Direktor der Münze. Er erkennt, dass Abwertungen das Vertrauen in die Währung mindern und spricht sich für die Prägung neuer Silbermünzen aus. Chef 2014 Carney. Leitzinsen 2007 vor der Weltfinanzkrise 5,0%, 2014 0,5%. Anstieg der Bilanzsumme von 2007 bis 2014 +372%. Stützungskäufe insgesamt 454 Mrd. €. Als erste große Notenbank will sie 2014 bald die Leitzinsen anheben, um die Immobilienblase im Land zu bekämpfen. Unklar bleibt, wie sich die Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Schottlands auswirken wird. Bisher lehnt die Notenbank eine Währungsunion ab. Dabei hat Schottland jetzt schon eigene Banknoten, die nicht uneingeschränkt konvertibel sind. Das konstante Wirtschaftswachstum könnte 2016 eine Leitzinserhöhung mit sich bringen. Die Situation ändert sich grundlegend durch die Brexit - Abstimmung am 23.06.16. Das Pfund bricht ein, während andere Währungen (Franken, Yen) unter Aufwertungsdruck stehen. Die ökonomischen Folgen für GB sind unabsehbar. Die britische Notenbank gilt als Bollwerk gegen den Brexit.  Im August 2015 beträgt der Leitzins 0,5% (dieser Leitzins besteht seit 5.3.09; 2007: 5%). Die steigende Inflation zwingt die Notenbank den Leitzins anzuheben. Das Einkommen der Verbraucher sinkt. Der Index des Verbrauchervertrauens sinkt erheblich. Im August 2018 erhöht die britische Notenbank die Leitzinsen auf 0,75%. Die Inflation soll eingedämmt werden (über der Zielmarke von 2%). Im Dezember 2021 erhöht die Bank of England den Leitzins auf 0,25%. Sie prescht damit als erste wichtige Notenbank vor. ein zweiter Zinsschritt folgt im Februar 2022 (auf 0,5%). Sofort gibt es einen Kursanstieg des Pfundes zum Dollar. Im März 22 erreicht die Inflationsrate schon +7%. Die Gewerkschaften fordern Kaufkraftausgleich. Die britische Notenbank warnt vor einer Lohn-Preis-Spirale. Anfang August 22 wird der Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf 1,75% angehoben. Die Inflationsrate liegt bei 9,4% im Juli 2022. 2022 schrumpft die Wirtschaft (2.Qartal -0,1% gegenüber 1. Trend wird stärker, insbesondere Diensleistungssektor). GB ist Mitte 222 in der schlimmsten Krise seit 50 Jahren. Fianzminister Kwasi Kwateng will mit den Rezepten von Thatcher und Reagan das Land aus der Krise führen.  Nach dem Amtsantritt von Liz Truss fällt das britische Pfund auf einen beispiellos niedrigen Kurs im Vergleich zum Dollar. Die Bank of England sah sich gezwungen an den Anleihemärkten einzugreifen, um die Finanzstabilität zu wahren. Truss muss ihr Steuersenkungspaket begraben und ihren Finanzminister opfern. Am 20.10.22 tritt sie zurück. 2022 musste das britische Pfund gegenüber dem Dollar um -12% abwerten.

Frankenkurs (Schweizer Nationalbank, SNB; Situation der Schweiz): Der Schweizer Franken (von den Schweizern liebevoll "Stutz" genannt) wird von Anlegern und Spekulanten bei den Schuldenkrisen in der EU und den USA als "Fluchtwährung" benutzt (Anleger, die das Risiko scheuen, lieben die Schweiz als Sicherheit). 2007 bekam man für einen Euro noch 1,65 Franken, 2011 waren es zeitweise nur ca. 1 Franken. Die Exportindustrie der Schweiz hat große Schwierigkeiten (Exportquote 54%). Mehr als die Hälfte der Schweizer Exporte gehen in den Euroraum. Als EFTA-Mitglied hat die Schweiz immer die Zoll-Vorteile der EU genutzt. Sie wollte nicht Mitglied in der EU werden, um nicht Nettozahler zu werden und Freiheiten aufzugeben.  Am 06.09.11 muss die Schweiz den Franken an den Euro koppeln. Die Schweizer Nationalbank setzt einen Mindestkurs von 1,20 Franken zu einem Euro. Um dieses Kursziel durchzusetzen muss sie Devisen, insbesondere Euro, kaufen. Würde sie dies nicht tun, käme es zur Auswertung und Rezession. Voraussichtlich bleibt auch das Wirtschaftswachstum hinter den Erwartungen zurück (2011: 1,9%; 2012: 1,3%). Unter dem hohen Kurs leiden auch Hunderttausende von Osteuropäern, die ihre Kredite in Franken aufnahmen. Der Steuerstreit mit der EU kann beigelegt werden, auch eine Annäherung an die USA erfolgt. Es soll ein Steuerabkommen zwischen Deutschland und  der Schweiz geschlossen werden. Grundprinzip ist die Wahrung des Bankgeheimnisses bei automatischer Erhebung der Steuern. Das Abkommen steht Mitte 2012 vor dem Aus. Vielleicht wäre es besser, den Druck auf die Steueroasen insgesamt zu verstärken. 2012 scheint die Schweizer Wirtschaft der Krise zu trotzen. Die Schweiz hat enorme Wettbewerbsvorteile und begann früh mit der Globalisierung (Nestle, Swatch, Novartis). Auf der anderen Seite ist sie ein Hort für Schwarzgeld (2200 Mrd. € von ausländischen Kunden, wobei ca. die Hälfte nicht versteuert ist). Am 09.02.14 findet eine Volksabstimmung über eine Änderung des Abkommens mit der EU über Einwanderung und Arbeit statt. Die Mehrheit stimmt knapp dafür, dass Kontingente eingeführt werden. Damit wird auch die Zuwanderung aus Deutschland begrenzt (binnen drei Jahren ein Gesetz; 23% bzw. 8 Mio. sind Ausländer; die größten Einwanderergruppen sind Italiener und Deutsche). Ende 2014 stimmt die Schweiz noch mal über die Begrenzung der Einwanderung ab (die Öko-Bewegung liefert die Argumente). Die Schweiz ist eng mit der EU verbunden: 56% aller Exporte gehen in die EU; 75% der Importe kommen von der EU. Die Schweiz ist quasi im EU-Binnenmarkt (über ein Abkommen zwischen EU und Efta). Ende 2014 führt die Schweiz auf Einlagen der Banken bei der Zentralbank erstmals in der Geschichte Negativzinsen ein (0,25%), um den Kurs des Franken gegenüber dem Euro stabil halten zu können. Am 15.01.14 gibt die Notenbank (SNB) den Mindestkurs auf (vorher umfangreiche Verkäufe des Franken, um den Kurs zu halten). Auch die Zinsen werden weiter gesenkt. Daraufhin fällt der Euro sowohl zum Franken (0,86) als auch zum Dollar (1,16). Am Schweizer Aktienmarkt kam es zu riesigen Tagesverlusten (Maschinenbau, Uhren- und Pharmaindustrie werden die großen Verlierer sein). Die Deutsche Bank hat alleine Verluste von 130 Mio. Euro. Viele Spekulanten wurden kalt erwischt (vor allem Hedgefonds). Der Franken ist gegenüber den Weltwährungen massiv überbewertet. Das Vertrauen in die Schweizer Notenbank ist erschüttert. Der Wert des Franken hat sich um ca. 20% erhöht. Der aufgewertete Franken bringt Osteuropa in Bedrängnis. Viele Fremdwährungskredite verteuern sich (vor allem Kroatien betroffen). In der Schweiz reagieren die Unternehmen mit Lohnkürzung, Jobverlagerung und Preissenkung. Die  Konsumenten aus der Schweiz stürmen deutsche Onlinestores. Implizit ist die Schweiz mittlerweile zu einer Wechselkursbindung zurückgekehrt (?). Die dauernden Leistungsbilanzüberschüsse und das Nettoauslandsvermögen (Fremd-Währungs -denominiert) sorgen für einen permanenten Aufwertungsdruck. Wahrscheinlich findet die Schweiz zu einer festen Bindung an den Euro in absehbarer Zeit. Im ersten Quartal 2015 hat die SNB -30 Mrd. Franken aufzuweisen. Die WK-Verluste liegen bei 41,1 Mrd. Franken. Im ersten Halbjahr 2015 macht die SNB einen Fehlbetrag von 50,1 Mrd. Franken (47,2 Mrd. €). Zunehmend leiden europäische Banken am Franken. Sie haben in bestimmten Ländern Kredite in Franken gewährt. Die Länder erwägen einen Zwangsumtausch in Landeswährung (z. B. Polen). Die Banken in der Schweiz bekommen auch zunehmend Probleme durch die Steuerbereinigung. 120 Mrd. Franken sind aus diesem Grunde seit 2010 abgeflossen. Die Margen sinken und der Regulierungsaufwand steigt. Nach dem "Frankenschock" sind viele Produkte im Ausland weniger gefragt (Uhren, Schmuck, Präzisionsinstrumente). Zu den größten Verlierern gehört die Tourismusbranche. Das BIP dürfte 2015 stagnieren. Ende Januar 2016 verliert der Franken stark an Wert (1 Euro 1,11 Franken). Wahrscheinlich ist die SNB mit im Spiel (Einfluss über Devisenhandel). Nach dem Brexit am 23.06.2016 kommt es zu einem Höhenflug des Franken. Die Schweizer Notenbank stemmt sich mit Interventionen am Devisenmarkt dagegen. 2017 will die Schweiz mit der EU einen Rahmenvertrag über die Beziehungen abschließen. Die22 Schweiz hat bereits über Verträge Zugang zum EU-Binnenmarkt. Nach den USA und China ist sie der drittgrößte Handelspartner der EU. 2017 zeigt sich, dass die Schweiz den Franken-Schock besser als erwartet weggesteckt hat (2015 und 2016 wuchs die Wirtschaft noch moderat). 2018 stimmen die Bürger über ein Experiment ab: Das Recht zur Geldschöpfung soll allein bei der Notenbank liegen (Einführung des Vollgeldes). Die Abstimmung ist am 10. Juni 2018. Die Schweizer Notenbank achtet ab 2019 verstärkt auf Klimawandel. Durch die Corona-Krise wird der Franken stärker ("Fluchtwährung", "Sicherer Hafen"). Dann ändert sich das Bild. Am 27.1.22 beträgt der Wechselkurs je Euro 1,0392 sfr. Bald könnte ein Euro nur noch einen Franken wert sein. Deutschland bleibt das wichtigste Exportland 2020 (8,3%) vor den USA, China, Italien und Frankreich.  Im März 2022 interveniert die SNB stärker zur Schwächung des Frankens am Devisenmarkt. Im April 2022 beginnt die Schweizer Neutralität zu wanken. Der Ukraine-Krieg lässt viele Eidgenossen grübeln. Trotzdem verweigert die Schweiz in ihrem Land hergestellte Munition für deutsche Panzer in der Ukraine (Neutralität). Im Februar 2024 lag die Inflation bei 1,2%. Die SNB schreibt ein Minus von 3,2 Mrd. Franken für das Jahr 2023. Die Schweiz wird als Investitionsstandort immer attraktiver (Umfrage des Ifo-Instituts/ München, 2024). Trotz hoher Löhne zieht die Schweiz Investitionen aus Deutschland an: Dazu gehören 2024 Miele, Kärcher, Stihl. Die Standortattraktivität der Schweiz sei höher: Niedrigsteuerland, geringere Energiekosten, bessere Bevölkerungsstruktur. Vgl. NZZ 10.4.24, S. 1. Der Rohstoffhandel in der Schweiz blüht 2024. Sie ist weltweite Drehscheibe für Transaktionen mit Erdöl, Kupfer und Weizen. Vgl. NZZ 15.4.24, S. 18. 2024 entpuppt sich das Sammeln von Signaturen bei Volksabstimmungen als teils schräges Geschäftsmodell. Der "Unterschriften-Beschiss" verunsichert die Schweizer.  "In der Schweiz will niemand, der noch alle Tassen im Schrank hat, in die EU", Ueli Maurer, Verteidigungsminister der Schweiz 2012. Einige Kommunen in NRW haben Kredite in Schweizer Franken aufgenommen. Statt Geld zu sparen wird es jetzt richtig teuer. Probleme haben auch mittlerweile die Schweizer Unternehmen. So bricht der Gewinn bei Roche ein. Im ersten Quartal 2015 sinkt das BIP gegenüber dem Vorquartal um -0,2% (erstmals Schrumpfung seit 2011; 2014 noch + 2,0%; Kurs Mai 2015: für 1 Euro 1,03 Franken). Mittlerweile zeigen sich Mitte 2015 zwei andere dramatische Folgen: Der Euro wird zur Parallelwährung. 72% der Schweizer Unternehmen streichen Arbeitsplätze wegen der Aufwertung des Franken.   Zum 31. März 2016 hat die Schweizer Nationalbank eine Bilanzsumme von 634,6 Mrd. Euro. Der Wert der gekauften Aktien an US-Unternehmen beträgt 55,3 Mrd. €. Im April 2017 legt die Apothekenfirma Galencia Sante ein starkes Debüt an der Schweizer Börse SIX hin. Ende 2017 kauft die Notenbank (SNB) einen Papierlieferanten (Firma Lanqart mit 250 Mitarbeitern, stellt auch Geldscheine her). 2018 wächst die Wirtschaft der Schweiz kräftig. Grund ist die Nachfrage aus dem Ausland (größte Märkte Deutschland und USA). Im Mai 2019 stimmen die Schweizer in einer Volksabstimmung für die Verschärfung der Waffengesetze. Damit akzeptiert die Schweiz auch die schärferen Waffenregeln der EU.

Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU über die Finanzmärkte: 2019 läuft der Streit schon 5 Jahre. Zunächst ging es vor allem um das Bankgeheimnis. Es geht neuerdings um die Regeln auf den Finanzmärkten. Die Schweiz pocht auf ihrer eigenen Reglementierung. In erster Linie betroffen sind die Börsen. Die EU erkennt ab 1. Juli 2019 die Reglementierung der Schweiz nicht mehr an. Für Aktienbesitzer Schweizer Aktien wird es teuerer. Dazu gehören auch Schwergewichte wie Nestle, Roche und Novartis.

Zentralbank der Türkei: Im September 2020 erhöht die Zentralbank den Leitzins deutlich um 2,0 Prozentpunkte auf 10,25 %. Das ist eine Trendwende. In letzter Zeit seit September 2019 gab es nur Zinssenkungen (damals Leitzins bei 19,75%). Die türkische Lira fällt auf ein Rekordtief im Oktober 2020 (7,955 gegenüber Euro, 9,3662 zum Dollar; ein Drittel seit Jahresanfang; Probleme für Haushalte und Unternehmen; Devisenreserven verschwinden). Doch geht noch tiefer: Neuer Rekord im November 2020 (1€ = 10,18 Lira). Das entspricht einem Plus des Euro von 60% binnen Jahresfrist. Der Zentralbank-Chef wird entlassen. Kurz darauf tritt der Finanzminister zurück (Schwiegersohn Erdogans). Internationale Anleger ziehen Milliardensummen ab. Der Investitionsstandort Türkei nimmt schweren Schaden. Neuer Zentralbankchef wird im November 2020 Naci Agbal. Er soll Einfluss auf den Präsidenten haben. Die Kriege in Syrien, Libanon, Libyen und Aserbaidschan sind teuer. Steigende Zinsen würden Konsum und Investitionen drosseln. Erdogan nimmt 2021 die Zentralbank an die kurze Leine. Daraufhin werden die Zinsen mehrmals gesenkt. Die Niedrigzinspolitik ist umstritten. die Lira schwächelt total. Am 1. Dezember 21 sinkt die Lira auf einen neuen Tiefststand: 16 Lira für einen Euro (WK 6,46; 0,08 $ 29.11.21). Der Leitzins der Zentralbank steht bei 15%. Die Teuerungsrate beträgt 20%. Erdogan wirkt, als stünde er am Ende seiner Kräfte. Die nächsten Wahlen sind 2023. Wenn Erdogan bis dahin durchhält, könnte es der teuerste Abschied in der Geschichte der Türkei werden. Mitte Dezember 2021 kommt es zu einem weiteren Eingriff der Zentralbank: Nach dem Lira-Verfall verkauft man Dollar-Reserven. Die schwache Lira treibt den türkischen Export in Rekordhöhen; auch die Touristen freuen sich. Umgekehrt ist der Effekt für die deutschen Exporteure. Der Euro wertete gegenüber der Lira 2021 um 14,6% auf. Das dämmt die deutschen Exporte in die Türkei. Ein teures Maßnahmenpaket bringt Ende 2021 eine Erholung für die türkische Lira. Erdogan lässt verbreiten, dass in der Stadtverwaltung in Istanbul Terroristen arbeiten. Er will den Bürgermeister madig machen, der von der Gegenpartei ein Konkurrent sein könnte. Im Vergleich zur US-Währung hat die Lira 2021 um 44% abgewertet. Der Kursverfall spiegelt den Vertrauensverlust des Finanzmarktes gegenüber Erdogans Politik wider. Erdogan kündigt den Besuch in Saudi-Arabien an. Die wirtschaftlich angeschlagene Türkei will die Beziehungen normalisieren (rote Liste, Schulschließungen). Die Türkei braucht konkrete wirtschaftliche Zusagen (Investitionen). Wenn das System in der Türkei zusammenbrechen sollte, droht Massenemigration. 2022 gibt es Währungsexperimente mit Nebenwirkungen. Der türkische Staat sichert Wechselkursrisiken von Lira-Anlegern ab. Immer mehr Sparer nutzen das Konstrukt. Der Lira-Kurs ist stabil. Trotzdem geht viele Geld verloren. Im Juni 23 wird der Zinssatz auf 15% angehoben. Erdogan ernennt eine Notenbankchefin (Erkan). 2023 wird Hafize Gaye Erkan neue Notenbankchefin. Sie muss dringend die Lira stabilisieren. Sie erhöht gleich den Leitzins auf 15%, was aber kaum Auswirkungen hat. Eine zweite Erhöhung kommt im September 23 auf 25%. Dadurch verteuern sich die Kredite. Es könnte eine Rezession kommen. Bis Jahresende wird trotzdem noch eine Inflation von bis zu 60% erwartet, für 2024 noch über 30% (Prognose). Anfang 2024 gerät die Zentralbankchefin  Hafice Gaye Erkan ins Zwielicht. Es wird der Vorwurf der Vetternwirtschaft erhoben. Für Vate rund Mutter gibt es Büros in der Zentralbank. Im Januar 2024 erhöht die Zentralbank den Leitzins auf 45% (Anstieg um 2,5 Prozentpunkte). Im Jahr 2023 betrug die Inflation 65%.  Die türkische Zentralbank bekommt die Preissteigerung nicht unter Kontrolle. Notenbankchefin Hafize Gaye Erkan tritt im Januar 24 zurück (auch wegen der Korruptionsvorwürfe). Nachfolger wird Fatih Karahan. Die Lira ist auf einem neuen Rekordtief.  "Wir sind im Kampf gegen jene, die die Türkei durch fesselnde Zinssätze, Devisenkurse und Inflation zur Kapitulation zwingen wollen", R. T. Erdogan, Präsident der Türkei, im November 2020.

Zentralbank Norwegens: Sie betreut auch einen der größten Staatsfonds der Welt. Er geht auf die hohen Energievorkommen Norwegens zurück. Ab September 2022 sollt der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (vorher lange Regfierungschef in Norwegen) Chef der Notenbank werden. Wegen des Ukraine-Krieges wird sein Mandat aber verlängert. Vorübergehend übernimmt Ida Wolden die Leitung der Zentralbank. Stoltenberg soll sein Mandat bei der Nato noch mal verlängern (2024). Er ist seit 2014 Nata-Chef.

Zentralbanken in China, Japan, Indien, Südkorea, Russland und in anderen Ländern in Asien vgl. Asien und China.

Kredite ans Ausland aus Deutschland: Diese Kredite sind in der Vergangenheit mehrmals schon geplatzt. So bei argentinischen Staatsanleihen, bei Immobilienkredite in die USA, bei griechischen Staatsanleihen. Hier wird auch das Geld aus dem Exportüberschuss Deutschlands angelegt. Es kommen immer wieder Vorschläge von Ökonomen, die Exportüberschüsse zu verringern und mehr im eigenen Land anzulegen. Durch die Verbesserung der Infrastruktur könnte Deutschlands Wirtschaft dann auch schneller wachsen. Das ist aber nicht so einfach zu planen, da Exporte von unternehmen getätigt werden. Für den Wechselkurs des Euro ist in der Hauptsache die EZB verantwortlich. "Foreign trade takes place between firms, not between countries", Kindleberger, schwedischer Ökonom.

Geldanlagen im Ausland: Deutsche Banken, Unternehmen und Privathaushalte haben von 2008 bis 2018 etwa 2700 Milliarden Euro an Kapital im Ausland angelegt. Insgesamt beläuft sich das deutsche Auslandsvermögen auf 9007 Milliarden Euro. Das Geld steckt vor allem in Anleihen, Aktien und anderen Unternehmensleistungen. Das meiste Geld ist in der EU oder der USA angelegt. Vgl. Schieritz, Mark: Dummes deutsches Geld, in: Die Zeit Nr. 28, 4. Juli 2019, S. 21 (basierend auf einer Studie 2019 von Hünnekes, Schularick, Trebesch).

Price Level Targeting (PLT): Die niedrigen Zinsen sind vor allem eine Folge der Demographie in den Industrieländern. Wegen der zunehmenden Lebenserwartung sparten die Menschen verstärkt fürs Alter; das hohe Kapitalangebot drücke den natürlichen Zins  (bei der die Wirtschaft mit normaler Auslastung ihrer Kapazitäten wächst und das Preisniveau stabil ist) gegen null. Die Zentralbanken werden daher gezwungen, ihre Leitzinsen den Marktzinsen anzupassen. Drohe eine Rezession, müssten sie den Leitzins unter den natürlichen Zins und damit unter null Prozent drücken, um die Konjunktur zu stützen. Dann gibt es ein Problem: Bei negativen Zinsen fliehen die Menschen ins Bargeld, und die Banken in eine Krise. Eine höhere Inflation könnte dieses Problem lösen. Genau hier setzt das PLT - Konzept an. Die Idee geht auf den ehemaligen Fed - Chef Ben Bernake zurück. Die Inflation dürfe auch mal den Zielwert von 2,0% überschreiten. Jahre mit zu niedriger Inflation dürften durch Jahre mit hoher Inflation ausgeglichen werden. die Mensche antizipieren das und ziehen in der Flaute geplante Käufe vor und kurbeln so die Konjunktur an.

Modern Monetary Theory (MMT): Eine Regierung, die in der eigenen Währung Kredite aufnimmt, kann nicht zahlungsunfähig werden. Sie kann so viele Banknoten drucken lassen, wie sie für die Bezahlung ihrer Verbindlichkeiten benötigt. Einige Befürworter der Theorie rechtfertigen auf Basis des Konzeptes exzessive Staatsausgaben. Sie ignorieren die Probleme hoher Staatsverschuldung. Substanziell neu sind die Erkenntnisse nicht. Sie werden auch eher von Politikern zur Rechtfertigung genutzt. Vgl. Beck, Hanno/ Prinz, Aloys: Wie revolutionär ist die Modern Monetary Theory? in: Wirtschaftsdienst 2019/6, S. 415ff. In den USA wollen die Vertreter dem Weißen Haus Zugang zur Notenpresse verschaffen. Das könnte nach der nächsten Wahl zügig eingeleitet werden.  In den USA ist Stephanie Kelton eine der Protagonistinnen der Theorie (The Deficit Myth). Sie spricht von einer "kopernikanischen Wende". Der Staat könne so viel Geld drucken wie er wolle. Der Staat sei der "monetäre Souverän". Mit Steuern könne er nur ein Teil seines Geldes wieder einziehen. In den USA hat diese Richtung viele Anhänger unter den Demokraten. Ein Wahlsieg könnte einen Schulden - Tsunami zur Folge haben. Es gibt viele Kritiker dieser Theorie. Man spricht von "modernem monetären Unsinn" oder "Voodoo-Ökonomik unserer Zeit" (Rogoff, Summers, USA). In Deutschland gehört H. W. Sinn zu den Kritikern: Der Geldüberhang lande in der "Liquiditätsfalle"  und überschuldete Staaten müssen vor steigenden Zinsen geschützt werden. Eine etwaige Inflation könnte durch eine Rückführung der Geldmenge nicht mehr gezügelt werden. Vgl. Sinn, H. W.: Zerstörung der Inflationsbremse, in: HB 4.1.2021, S. 10. "Wenn sie Politikern die Notenpresse aushändigen, ist es eine Frage der Zeit, bis die Inflation steigt - mögen die Politiker am Anfang noch so große Schwüre leisten, sie nur im besten Sinne zu bedienen", Otmar Issing, ehemaliger Chefvolkswirt der EZB und Professor in Würzburg. Quelle: WiWo 31/26.7.2019, S. 24. "Die Hysterie um Haushaltsdefizite ist vorbei", Stephanie Kelton, Stony-Brook-Uni New York, eine der führenden Vertreterinnen der MMT. Sie kämpft gegen Schuldenbremsen. Quelle: WiWo 44, 23.1020, S. 38. Einige der Ideen dieser Richtung finden sich schon bei Knapp. Vgl. Knapp, Georg Friedrich: Staatliche Theorie des Geldes, München/ Leipzig 1905.

Inflationsziele der Notenbanken: Obwohl die Notenbanken in der ganzen Welt die Wirtschaft mit Liquidität fluten, springt die Inflation nicht an. Deshalb planen die Notenbanken, die Inflationsziele zu modifizieren. Sie konzentrieren sich mehr auf die Geldmenge. Die Fed in den USA ist Vorreiter (man plant auch in der Schweiz und Japan). Man sucht nach neuen Strategien. Man konzentriert sich erst mal auf die Geldmenge M1. Vgl. Fischer, Malte: Voll daneben, in: WiWo 39, 18.9.20, S. 38f. Das ändert sich 2022 automatisch. Überall auf der Welt geht die Inflationsrate nach oben. Die Notenbanken müssen die Leitzinsen erhöhen.

Internationale Hilfskredite: Bisher ging man davon aus, dass sie die Solidarität zwischen den Nationen fördern. In einem empirischen Projekt wird festgestellt, dass das Gegenteil der Fall ist. Mit Hilfskrediten macht man sich keine Freunde. Vgl. Arnemann, Laura/ Konrad, Kai/ Potrafke, Niklas: Mit Hilfskrediten macht man sich keine Freunde, in: WiWo 13/ 26.3.2021, S. 42.

Länder des globalen Südens mit kritischer Staatsverschuldung: In Südamerika Argentinien. el Salvador. In Afrika Ägypten, Sudan, Somalia, Tschad, Sambia. In Asien Jemen, Sri Lanka, Mongolei, Pakistan. Dadurch sind rund 165 Mio. Menschen verarmt. Die Regierungen sparen bei Sozialem, Gesundheit und Bildung. Hinzu kommen Missernten, Peztizidverbote. Dei Krise hat sich zwischen 2020 und 2023 verschärft: Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg. Vgl. Schultz, Stefan: Dhanush und die Staatspleite, in: Der Spiegel 12/ 16.3.24, S. 46ff.

 

Außenwirtschaftspolitik (Handel mit Schranken; Zölle, Protektionismus, Merkantilismus, Freihandelsabkommen, nichttarifäre Handelshemmnisse, Kooperationen, Wirtschafts-Integrationen; Internationale Wirtschafts-Beziehungen; Handelspolitik, Wirtschaftssanktionen, Sozial- und Umweltstandards, Militärpolitik/Rüstung)

Internationale Arbeitsteilung und ihre Begrenzung: Aus der Geschichte können keine Vorteile der Begrenzung abgeleitet werden. Wenn es doch für nötig befunden wird, sollte der mögliche Zeitgewinn bei der Anpassung an den internationalen Wettbewerb für Strukturreformen genutzt werden. Ein dauerhafter Ausstieg bringt eher Nachteile. Vgl. Werner Plumpe: Die Globalisierung - eine umkehrbare Geschichte? in: Wirtschaftsdienst 2017/ 5, S. 333ff.

Multilateralismus: Gerüst der Globalisierung über internationale Organisationen wie die Welthandelsorganisation (WTO), die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank. Diese Organisationen sollen einen Interessenausgleich organisieren, vereinbarte Projekte überwachen und in Konfliktfällen nach Lösungen suchen. Die Struktur einer Weltarchitektur wurde nach dem 2. Weltkrieg aufgebaut, insbesondere von den USA und Großbritannien. Trump versucht diese gewachsene Ordnung Richtung Bilateralismus zu wandeln. Seine zentrale außenwirtschaftliche These ist, dass das böse Ausland die USA abzocke. Navarro, der Handelsberater, und Trump fordern gebetsmühlenartig neue, "faire" Handelsverträge. Insofern gibt es eine Neuorientierung auf dem Weltmarkt auch für alle anderen Länder. Die Rolle der WTO wird deutlich schwächer. 2018 ist plurilateral das neue Zauberwort (einige Länder nehmen teil). Die Staatengemeinschaft reagiert so auf die US-Blockade der WTO. Es bilden sich neue Koalitionen und neue Formen von Freihandel. Kopperationen und Handel haben mit dazu beigetragen, dass die Welt friedlicher und reicher wurde. Populisten gewinnen immer mehr Boden und setzen nationale Interessen durch. Die Chinesen bauen gezielt Gegeninstitutionen auf, weil sie die Dominanz der USA ablehnen. So etwa die chinesische Entwicklungsbank zur Weltbank. Dambis Moyo spricht von einer "world of disorder". Im April findet immer ein traditionelles Frühjahrstreffen in Washington statt, zusammen mit der Weltbank. 2022 geht es um den Ukraine-Krieg und den Multilateralismus.

Protektionismus: Schutz der eigenen Wirtschaft bei Diskriminierung des Auslandes. Instrumente sind Zölle, Kontingente, Auftragsvergabe und nicht-tarifäre Handelshemmnisse (Normen, Verwaltungsabläufe, bürokratische Schikanen u. a.). In der Weltwirtschaftskrise 2009 verstärkt sich der Protektionismus wieder, vor allem in China ("Buy Chinese"), den USA und Frankreich. Die Verhandlungen in der WTO über ein neues Freihandelsabkommen schleppen sich seit Jahren dahin (Doha-Runde). So greifen immer mehr bilaterale Handelsabkommen um sich (vor allem Japan). Eine verschärfte Form des Protektionismus wird als Merkantilismus bezeichnet (nach dem Wirtschaftssystem des Absolutismus von Colbert zur Zeit Ludwig des XIV in Frankreich). Es entwickeln sich auch neue Formen: dazu gehört etwa eine Sondersteuer auf Kapitalzuflüsse. Dies führt Brasilien im Oktober 2009 ein, um eine weitere Aufwertung des Real zu verhindern, was die Exporte erschwert. Die Regierung führt außerdem einen Importzoll auf Autos ein, um die Autobauer zu zwingen, im Land zu produzieren. Argentinien sperrt 2011 zunehmend Europas Exporteure aus. Dies ist ein Verstoß gegen WTO-Regeln. Argentinien konzentriert sich zunehmend auf Mercosur. 2011 hat Argentinien die massivsten Handelsbarrieren weltweit (Hintergrund sind die Wahlen im Herbst 2011). Man kann den Protektionismus auch instrumentell einsetzen, z. B. in einem Embargo. Die EU erlässt ab 1. Juli 2012 ein Ölembargo gegen den Iran (wegen Atomstreit). Dieses zeigt eine große Wirkung. Aufgrund der drastischen Verknappung der Güter steigen die Preise. Öleinnahmen fehlen im Staatshaushalt. Nach der Weltwirtschaftskrise 2009 nehmen vor allem protektionistische Tendenzen auf den internationalen Rohstoffmärkten zu. 2012 tobt zwischen den USA und China fast ein Handelskrieg. Die USA erheben Strafzölle auf chinesische Solarmodule. Auch die EU erwägt 2013 mögliche Strafzölle auf chinesische Solarimporte aus China (staatliche Subventionen). China könnte mit Vergeltungsmaßnahmen drohen. So sollen Zölle bei Stahlrohren und Chemie-Importen kommen. Zölle werden für die EU vor allem an ihren Außengrenzen zum Problem: Ein wichtiger Zugang für Schmuggelware ist die Grenze zum Nicht-EU-Mitglied Norwegen (z. B. Svinesund). Hier werden Waren nach Norwegen (Alkohol, Fleisch, Tabak) und Schweden (Knoblauch aus China) verschoben. 2013 strebt die EU ein Handelsabkommen mit der USA und Japan an. Zuerst wird wohl eine Freihandelszone zwischen den USA und der EU kommen. Sie wäre die größte Freihandelszone der Welt (2012 Güter im Wert von 600 Mrd. $). Heute beruht Protektionismus auch auf Währungsmanipulationen (siehe oben). Subtil sind auch nicht-tarifäre Handelshemmnisse und Subventionen für heimische Betriebe. Sofort nach Amtsantritt beginnt Trump, protektionistische Maßnahmen einzuleiten (zuerst gegen Mexiko; wirtschaftsnationale Agenda). Als Vorreiter und weltweiter Buhmann im Bezug auf Protektionismus gilt China (meisten Streitfälle vor WTO). Führende Protektionisten sind auch Indien, Russland und die USA. Mexiko werden die geringsten Diskriminierungen nachgesagt. Die wenigsten Benachteiligungen hat Saudi-Arabien (fördert zwei Drittel des Rohöls). Australien gilt als Vorkämpfer des Freihandels. 1263 aktive Handelshemmnisse werden 2016 ermittelt (CEPR/ OECD/ Bloomberg/ WTO; 2010 424; Anstieg von 290%). Nach der US-Wahl im November 2024 könnte der Welt eine neue Protektionismuswelle drohen. Die EU muss darauf vorbereitet sein.   Nach dem letzten Bericht der WTO 2009 sinkt der Welthandel 2009 um 10%. Ein Großteil davon geht nicht nur auf die Weltwirtschaftskrise, sondern auch auf neue Zölle, Bürokratie und Verbote zurück. Die Konjunkturprogramme fördern z. B. "Buy local" - Initiativen und "Anti-Dumping" - Initiativen. Von September bis Dezember 2009 wurden z. B. 105 neue Handelsschranken errichtet (Quelle: Global Trade Alert). Somit erlebt der Protektionismus nach der Finanzkrise und Weltwirtschaftskrise eine Renaissance. Die EU kappt 2012 die Zollvorteile für fast 100 Staaten (APS, betroffen sind Entwicklungsländer). 2013 beschließt die EU Strafzölle (durchschnittlich 45% ab 5. Juni 2013) gegen Solarmodule aus China (Preise sind innerhalb von drei Jahren um fast 75% gesunken, was klar Dumping anzeigt). Daraufhin eröffnen chinesische Behörden eine Anti-Dumping-Untersuchung von Importen legierter Stahlrohre aus der EU, Japan und den USA (später geht es auch um Chemieimporte, Autozulieferteile und Wein). 2013 führt Russland Importbeschränkungen für ausländische Autos ein (Recycling-Gebühr als Sonderabgabe, Schutz der heimischen Autoproduktion). Die EU und Japan legen Beschwerde bei der WTO ein. Im Herbst 2013 stoppt China Fleischimporte aus der EU. Auf zweisprachigen Etiketten seien die englischen Angaben nicht korrekt ins Chinesische übersetzt worden ((Schweinefüße sehr lukrativ, politische Gründe?). Anfang 2014 begrenzt Indonesien den Export von Erzen (vor allem Nickel), um die Produktion im eigenen Land zu fördern (+Exportzölle). Am 23.01.2018 macht Trump seine Ankündigung war und führt Einfuhrzölle (Strafzölle) auf den Import von Solarmodulen und Waschmaschinen ein. Davon sind sehr stark China und Südkorea betroffen. Südkorea will Beschwerde vor der WTO einlegen.  "Wir wollen keine Protektionisten sein, aber wir behalten uns vor, protektionistisch zu sein", Steven Mnuchin, US-Finanzminister 2017. Die weltweiten Importbeschränkungen wachsen von Jahr zu Jahr: 2012: 306; 2016: 570; 2020: 1547. Quelle: WTO (ohne Covid-19-Maßnahmen.

Spaltung der Weltwirtschaft nach dem Ukraine-Krieg: Russland und China werden ihre Lehre aus den Wirtschaftssanktionen des Westens ziehen. 1. Zahlungssysteme: Die Sanktionen zwingen Banker aus Sankt Petersburg und Moskau sich in China umzuschauen. Chinas Konzerne bieten Alternativen. UnionPay und das Zahlungssystem Cips freuen sich. 2. Rohstoffe: Die Staatswirtschaften akzeptieren den Weltmarkt nicht. Sie schließen mit wichtigen Ländern Lieferverträge (Saudi-Arabien, Venezuela). Sie bieten Gegenleistungen wie Schutz, Diplomatie und Waffen. 3. Industrie-Inputs: Vorleistungen werden vorgeschrieben. Russland verwendet eigene Chips wie Baikal oder Ebrus. Bisher werden die Chips in Taiwan gefertigt. Künftig sollen chinesische Firmen das machen. Vgl. Nass, Matthias: Sie planen die Spaltung, in: Die Zeit Nr. 14/ 31.3.22, S. 24. 4. Währung: Der Renminbi ist noch nicht frei handelbar. Entwicklungen dahin sind stehen geblieben. Die Frage ist, was Digitalwährungen leisten können. Die Globalisierung stockt. Die Konzeption "Wandel durch Handel" ist bis auf Weiteres zerstört. Die Zeiten des liberalen Welthandels scheinen vorbei zu sein. Vgl. Haerder , M. u. a.: Am Kipppunkt, in: WiWo Nr. 17/ 22.4.22, S. 28ff.

Friend-Shoring: Unternehmen sollen ihre Handelsbeziehungen weitgehend auf freundschaftlich gesinnte Länder fokussieren. Dafür soll hat eine Sicherheitsprämie gezahlt werden, in dem Sinne, dass diese Strategie mehr kostet. Resilienz wäre dann wichtiger als Effizienz, statt Vernetzung stünde die Autarkie im Vordergrund. . Befürworter dieser Strategie sind Janet Yellen (US-Finanzministerin) und Margret Vestager (Vizepräsidentin der EU-Kommission). Vgl. Fischer, Malte: "Make business, not war!", in: WiWo 37/ 9.9.22, S. 36f. Neue Definition der Globalisierung durch die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai: "Mehr Handel ist nicht notwendigerweise besser für alle"

Exkurs. Neues Zeitalter der Rivalität und des Protektionismus: Die Ära des Freihandels geht zu Ende. Die Welt zerfällt nun in Blöcke, die sich wirtschaftlich stärker gegeneinander abschotten. 2024 sind wir noch in einer Phase des Wandels in der Welt. Die alte Weltordnung zerfällt, Staaten bäumen sich auf, starten einen Machtpoker und suchen einen Neuanfang. Sicherheitsbedürfnisse sind allen Regierungen heute wichtiger als nur ökonomische Effizienzgewinne. Seit dem Ukraine-Vorkriegsjahr 2019 haben sich die Handelsströme 2023 schon stark verändert. Der Güteraustausch zwischen der EU und den USA hat deutlich zugenommen, während er mit Russland abgebrochen ist. Die Handelsbeziehungen zwischen Russland und China sind deutlich gestiegen, Importe und Exporte zwischen der EU und China zeigen trotz der Spannungen noch keine Schwächen.  Die Zahl protektionistischer Maßnahmen steigt rapide an (2009 280;  2023  2307, +724%). Chinas Anteil am globalen BIP steigt und ist durchaus als eigener Block zu sehen (etwa so stark wie die EU, am höchsten ist der Anteil der USA). Die meisten deutschen Exporte gehen in die USA vor Frankreich, Niederlande und China. Bei den Ursprungsländern für deutsche Importe führt China vor den Niederlanden, USA, Polen, Italien. Vgl. Haerder, Max u. a.: Sturmwarnung, in: WiWo 27/ 28.6.24, S. 14ff.

Wertegeleitete Außenwirtschaftspolitik (bzw. wertebasiert): Im Zentrum stehen die Menschenrechte. Sie gehen auf die Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 zurück. Sie wurde von der UN-Menschenrechtskommission geschaffen. Vorsitzende war Eleanor Roosevelt. Dabei waren: John Peters Humphrey, Rene Cassin, Peng Chun Chang, Charles Habib Malik. Artikel 1 lautet: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen". Vgl. Staas, Christian: Sie bauten ein Haus, das schwebt, in: Die Zeit 52/ 15.12.22, S. 18f. Bei einer wertebasierten Außenwirtschaftspolitik können Fallstricke auftauchen: Gerade EU-Interventionen stoßen in bestimmten Ländern auf Widerstand. so hat die ESMA die indische Zentralbank und Börsenaufsicht aufgefordert, eine Vereinbarung zu unterzeichnen, die der ESMA die Überwachung der Clearingunternehmen ermöglicht. Die Inder lehnen das ab. Damit kommt es zu eine Distanz zwischen Indiens und Europas Finanzmärkten. China könnte davon profitieren. Vgl. dieter, Heribert: Die Fallstricke einer wertebasierten Außenwirtschaftspolitik, in: WiWo 24/ 9.6.23, S. 40. Vgl. Michael Lüders: Moral über alles? Warum sich Werte und nationale Interessen selten vertragen, München (Goldmann) 2023. Eine auf Werten basierte Außenwirtschaftspolitik geht davon aus, dass wir die Guten sind. Im Namen von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten werden verheerende wirtschaftliche Folgen in Kauf genommen. Die schwere Rezession führt zu gesellschaftlichen Verwerfungen, weil gerade die Ärmsten des Landes vor existenzielle Herausforderungen gestellt werden. Lüders plädiert für Augenmaß, Sachlichkeit und vor allem für eine Rückbesinnung auf nationale Interessen. Die EU und Deutschland wollen der Welt hohe Standards aufzwingen. Doch sie sind wirtschaftlich dafür nicht mehr stark genug. Vgl. dazu auch Die Zeit 31/ 20.7.23, S. 21

Freihandel und Entspannung (These vom kapitalistischen Frieden): "Make business, not war!" Das ist die Devise dieser Strategie. Würde sich der Westen von Russland und China abkoppeln, um seine Sicherheit und Resilienz zu erhöhen, könnte er mit seiner Abkehr das Gegenteil erreichen. Historisch scheint erwiesen, dass Länder die friedlich miteinander Handel treiben, seltener Krieg gegeneinander führen (im 20. und 21. Jahrhundert weniger Kriege als im 18. und 19. jahrhundert).  "Den Krieg kann nur der liberale Gedanke bekämpfen, der in jedem Krieg nichts  sieht als Zerstörung und Vernichtung, der nie einen krieg herbeiführen will, weil er auch den sieg für den Sieger als schädlich ansieht. Soweit der Liberalismus herrscht, wird es nie Krieg geben", Ludwig von Mises, österreichischer Ökonom (1881-1973)

Protektionismus-Datenbank: An der Universität St. Gallen wird ei größte Protektionismus-Datenbank der Welt betrieben: Global Trade Alert (GTA; Prof. Simon Evenett). Mit Algorithmen werden versteckte Handelsbarrieren aufgespürt. Unter Trump ist vor allem auf dem Feld nicht-tarifärer Handelshemmnisse stark zugelegt worden. China ist die beliebteste Zielscheibe. Vgl. Zeinlinger, Tina: Professor Protektionismus, in: WiWo 41/ 2.10.2020, S. 36f.

Agrarprotektionismus: Besonders in der Landwirtschaft gibt es Protektionismus. Dieser geht von den Industrieländern aus gegen die Entwicklungsländer. Hier sind die Ursachen für viele Probleme der Entwicklungsländer.

Internationale Politik und deutsches Wirtschaftsmodell: Im Jahre 2018 spitzt sich die Situation zu. Deutschland braucht eine Strategie (so wie China sie erfolgreich umsetzt). US-Präsident Trump droht im Rahmen seiner Handelspolitik mit Strafzöllen. Die USA steigen aus dem Atomabkommen mit dem Iran aus und belegen Unternehmen, die mit dem Iran weiterhin Geschäfte machen, mit Sanktionen. Die Weltleitwährung "Dollar" wird von den USA als "Waffe" eingesetzt. Italien will die Schulden "vergemeinschaften". Frankreich (Macron) hat konkrete Euro-Pläne, die es durchsetzen will. Russlands Wirtschaft gerät in die Isolation (Giftanschlag, Krim, Ukraine). Saudi-Arabien erlässt wegen Iran einen Auftragsstopp für deutsche Firmen. Argentinien und die Türkei kämpfen mit Währungskrisen (Abwertungen ihrer Währungen). Wird die Globalisierung zurückgedreht, von der Deutschland am meisten profitiert hat? Im Grunde genommen steht das deutsche Wirtschaftsmodell auf dem Spiel.

Erziehungszollargument (junge Wirtschaftszweige, "Infant Industry"): Einheimische Industrien müssen vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden, solange sie noch so jung ist, bis sie die Fähigkeiten haben, zu gleichen Bedingungen zu konkurrieren. Das Argument geht auf Friedrich List zurück (im Ausland, insbesondere in Asien, einer der bekanntesten deutschen Ökonomen). Die meisten Handelshemmnisse haben seit 2008 folgende Länder eingeführt: Russland, Argentinien, Indien, Weißrussland und Brasilien. Am meisten zu leiden haben unter Handelshemmnissen, die seit 2008 eingeführt wurden, folgende Länder: Italien, Frankreich, Deutschland, USA und China. Vgl. Wirtschaftswoche 16.12.13, Nr. 51; S. 9. Im Englischen wird dieses Argument als Infant-Economy-Argument bezeichnet. Es besagt, dass Entwicklungsländer ihre "unreifen" Industriezweige schützen sollten, damit diese ihre Produktivität erhöhen können. Umfassenderer begründet wird das Argument durch unvollkommene Kapitalmärkte und unvollkommene Information. Außer Zöllen gelten Einfuhrquoten, steuerliche Eingriffe, Wechselkurse als Mittel optimal. Vgl. Joseph E. Stiglitz/ Bruce C. Greenwald: Die innovative Gesellschaft, Berlin 2015, S. 266ff. Erfinder des Erziehungszolls war der Ökonom Friedrich List (1799-1846). Er plädierte dafür, weil etablierte Industrieländer potentielle komparative Kostenvorteile hätten. Deshalb sollten sich aufstrebende Volkswirtschaften vorübergehend schützen. Er warf der damaligen führenden ökonomischen Macht Großbritannien vor, den Freihandel vor allem als Ausrede zu missbrauchen. List hatte auch die regionalen Zölle im damals zerstückelten Deutschland vor Augen. Er lebt einige Zeit in den USA. In Deutschland gründete er den ersten Kaufleute- und Gewerbeverein. Er war ein Anhänger des Freihandels. Er beschäftigte sich auch viele mit der Rolle der Eisenbahn im Verkehr.

Weitere Zollargumente (oft nicht in klassischen Lehrbüchern): 1. Nationale Sicherheitsbedenken. Dieser Grund spielt mittlerweile eine große Rolle im Handelskrieg zwischen den USA und China. 2. Angst vor Globalisierung. Dieser Faktor fehlt in der Regel in Lehrbüchern, ist aber sehr wichtig. Viele Nationen wollen ihre Kultur bewahren und sehen Globalisierung als Bedrohung. 3. Sorge um Umwelt und Ressourcen. Ressourcen gewinnen rapide an Bedeutung. Etwa Seltene Erden (Beispiel China). Man will verhindern, dass sie aus dem eigenen Land rausgehen. Die Produktion von Kleidung und Lebensmittel (Fleisch) kann die Umwelt im produzierenden und exportierende Land erheblich belasten. Das wird zunehmend unter ethischen Gesichtspunkten diskutiert. 4. Sicherung des eigenen Wohlstandsniveaus. Auch dieses Argument spielt im Protektionismus der USA 2020 eine große Rolle: Man will den technologischen Vorsprung sichern und die Arbeitsplätze im eigenen Land halten. Die "Werkbänke der Welt" und der Know-how-Klau (positiv Technologietransfer) sollen bekämpft werden. Vgl. Acemoglu, Daron u. a.: Volkswirtschaftslehre, München 2020, S. 284ff. Vgl. grundsätzlich: Eichengreen, Barry S./ Irwin, Douglas A.: The Slide to Protecionism in the Great Depression: Who Succumbed and Why? in: Journal of Economic History, 70/4 (2020), S. 871-897.

Lernende Gesellschaft und Innovation: Theoretisch argumentieren Joseph E. Stiglitz und Bruce C. Greenwald (Die innovative Gesellschaft, Berlin 2015) gegen Freihandelsabkommen: Grenzenloser Freihandel führt nicht zu mehr Wirtschaftswachstum. Man braucht eine lernfähige und innovative Gesellschaft. Erst Regulierungen und Investitionen ermöglichen Innovation in modernen Industriegesellschaften.

Beggar My Neighbour Policy: Geht auf ein Kartenspiel zurück, bei dem es darum geht, alle Karten der Mitspieler zu gewinnen. Abschieben wirtschaftlicher Lasten auf Handelspartner. Schließlich führt das zu einem Ruin, weil die Staaten sich gegenseitig ruinieren. Viele sehen die Politik von Trump in den USA so. Erst kam der Handelskrieg, der zu einem Währungskrieg führte (vor allem zwischen den USA und China).  Das World Economic Forum hat in seinem Bericht von 2014 ("Global Enabling Trade Report 2014") 138 Länder in ihrer Handelsoffenheit verglichen. Die Schwellenländer sind abgeschlagen. "Trump ist ein Schwein, und jeder Bauer wird sagen: Du kannst nicht mit einem Schwein ringen, denn das Schwein wird dich umstoßen, in den Dreck ziehen und dabei grunzen", Ex-Sprecher von Trump, und früherer Hedgefonds - Manager (Quelle: WiWo, 33, 9.8.19, S. 3).

Merkantilismus: Der Begriff stammt vom Wirtschaftssystem des Absolutismus unter Ludwig dem XIV (begründet von Finanzminister J. B. Colbert). Eigene Wirtschaftsinteressen haben höchsten Vorrang. Die Produktivkräfte im Inland müssen gefördert werden und im außenhandel müssen hohe Überschüsse erwirtschaftet werden. Es wird Autarkie angestrebt. Handel wird nur betrieben, wenn er unumgänglich ist. Wesentlichen Einfluss auf die Ausformulierung des Merkantilismus hatte auch der englische Ökonom David Hume. Gold und Silber sind die Hauptstützen des nationalen Wohlstands. Es sollte ein ständiger Zustrom von Edelmetallen erreicht werden (Zahlungsbilanzüberschuss). Merkantilismus gilt heute als Protektionismus in extremer Form. Es kommen in dieser Hinsicht immer wieder Vorwürfe gegen China und Japan. Japan arbeitet insbesondere mit einem Netz von nicht-tarifären Handelshemmnissen.  Die Bürokratie zögert die Zulassung von Produkten lange heraus bis sie veraltet sind oder nimmt für die Zulassung so hohe Gebühren, dass der Preis nicht mehr konkurrenzfähig ist. Heute steht Merkantilismus auch für den philosophischen Hintergrund der Wirtschaftsausrichtung. Extrembeispiele sind die USA und Deutschland. Die USA sind mit einem Exportanteil von unter 10% eine Binnenwirtschaft. Deutschland ist mit einem Exportanteil von über 40% eine Exportwirtschaft, weshalb in jeder Rede von Merkel der Begriff Wettbewerbsfähigkeit vorkommt. Die Legitimation dafür wird als Merkantilismus bezeichnet. Donald Trump will nach Antritt seiner Präsidentschaft die weltgrößte Volkswirtschaft durch protektionistische Maßnahmen abschotten. Insbesondere die Produktion im eigenen Land will er fördern (Importsteuern, Exportsubventionen). Das ist Merkantilismus und wird von Chefberater Bannon "wirtschaftsnationale Agenda" genannt. Historisch gesehen entstammt diese Strategie der ökonomischen "Mottenkiste" "Das natürliche Mittel zur Steigerung unseres Wohlstandes und Reichtums  ist folglich der Außenhandel, bei dem wir stets folgende Regel beachten müssen: jedes Jahr den Fremden mehr an Wert zu verkaufen als wir von ihnen verbrauchen", Thomas Mun, Merkantilist, um 1630. "Unsere Unternehmen in China werden systematisch benachteiligt", Jörg Wuttke, EU-Handelskammer in China 2017. Die Zollpolitik von Trump 2018 folgt auch der Logik des Merkantilismus. Aber das US-Handelsdefizit gibt es schon seit 40 Jahren. Es hatte und hat zwei wesentliche Ursachen: Die hohe Konsumquote der Amerikaner (die Sparquote ist auf 2,9% abgesackt). Die Rolle des Dollars als Weltleitwährung. Staaten versuchen, durch hohe Handelsüberschüsse hohe Dollar-Reserven aufzubauen. "Die reichen Länder von heute setzen fast ausnahmslos Zölle und Subventionen ein (...). Interessanterweise sind Großbritannien und die USA die beiden Länder, die den Gipfel der Weltwirtschaft durch ihre Politik des freien Marktes und des Freihandels erklommen haben wollen, gerade diejenigen, die Zölle und Subventionen am aggressivsten eingesetzt haben", Ha-Joon Chang.

Autarkie: Abschottung der Wirtschaft vom globalen Handel. Lösen von der internationalen Verflechtung. Die Nationalsozialisten versuchten diese Strategie vor einem Jahrhundert. Mao setzte die Strategie in China um. Vgl. Bidder, Benjamin: Butter aus Steinkohle, in: Der Spiegel Nr. 31/ 307.22, S. 66ff.

Brander-Spencer-These: Länder können mit strategischen Interventionen anfallende Oligopolrenten für sich sichern. Hier besteht eine große Kluft zwischen Theorie (überzeugend) und Praxis (zu komplex, zu viele Informationen fehlen).

Freihandelsabkommen, Struktur, Fragen und Trends: Es geht immer um drei Bausteine: 1. Marktzugang (in der Regel Abschaffung oder Senkung von Zöllen). 2. Regulierung (z. B. Finanzmärkte; Agrarmärkte). Besonders die Regulierung der Arbeitnehmerrechte, die Verbraucher-, Tier- und Umweltschutzrechte sind in der Regel umstritten (auch weil nationale Gesetze ausgehebelt werden). Immer mehr rückt in den Vordergrund, dass im Rahmen der regulatorischen Kooperation in einigen Bereichen völkerrechtliche Verbindlichkeiten begründet werden, die nationale Parlamente aushebeln. 3. Regeln (z. B. Schutz geistigen Eigentums; Nachhaltigkeit; elektronischer Geschäftsverkehr; Sicherheitsstandards). Folgende Aspekte sind immer umstritten: 1. Wird Wachstum geschaffen und wie viel? 2. Warum sind die Verhandlungen intransparent? 3. Profitieren nur Großunternehmen davon? 4. Übergehen die Integrationen, also z. B. die EU, die Nationalstaaten? 5. Werden die Lebensmittel schlechter? (geschützte geographische Herkunftsangaben bedroht) 6. Wird eine Paralleljustiz geschaffen? Multinationale Handelsliberalisierungen dominierten im letzten Jahrhundert. Sie stocken seit Beginn dieses Jahrhunderts. Heute sind regionale Abkommen auf dem Vormarsch in der internationalen Handelspolitik. Das Buch von Petra Pinzler, Wirtschaftsexpertin der ZEIT, mit dem Titel "Der Unfreihandel. die heimliche Herrschaft von Konzernen und Kanzleien" (Reinbek bei Hamburg, Oktober 2015) beschäftigt sich mit dem weltweiten Protest gegen die aktuelle Handelspolitik in Form der geplanten Abkommen TTIP, TISA, CETA. Grundthese des Buches ist, dass die Regeln der Weltwirtschaft gerade umgeschrieben werden zugunsten von Konzernen und Kanzleien. Hart umkämpfte Umweltstandards und soziale Errungenschaften würden zu unerwünschten Handelshemmnissen umdefiniert. "Die Wissenschaft muss den Menschen stärker erklären, wie fatal eine nationale Abschottungsstrategie für Wirtschaft und Wohlstand ist", Jean Tirole, Toulouse, Wirtschaftsnobelpreisträger 2014.

Freihandelsabkommen global: Die wichtigsten Handelsländer schließen meist noch Freihandelsabkommen ab. So die USA mit Europa und Asien (entweder einzelne Länder oder Integrationen). Japan bevorzugt dabei bilaterale Abkommen. Global gibt es etwa 400 Freihandelsabkommen, die in Kraft sind. In der Regel werden gegenseitig protektionistische Maßnahmen abgebaut (vor allem Zölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse). Zu den größten und bekanntesten gehören die EU (die noch mehr ist), die EFTA, ASEAN und die NAFTA. Letztere wurde 1994 zwischen den USA, Kanada und Mexiko geschlossen. 2013 wollen Kanada und die EU ein Freihandelsabkommen schließen. Nach mehr als vier Jahren Verhandlungen wird dieses im Oktober festgezurrt (ceta; +12 Mrd. € EU-BIP; bisher bei 98% der EU- Waren Zölle). Allerdings treten 2014 wieder Verzögerungen auf. Streitpunkte sind der Insolvenzschutz und Klauseln zum Investorenschutz. Deutschland stellt das Abkommen in Frage. Es finden auch Verhandlungen zwischen der EU und den USA statt. Hier blockiert vorerst Frankreich. Man klammert zuerst die Bereiche Kultur und Landwirtschaft aus. 44% des globalen Handels entfallen auf die EU und die USA. 400.000 Arbeitsplätze könnten durch ein transatlantisches Freihandelsabkommen entstehen (ifo-Institut: 160.000 in Deutschland). Ende 2013 blocken die USA. Doch die Gespräche gehen in die zweite Runde. Es werden zähe Verhandlungen erwartet. Fehlende Transparenz ist bisher zu beobachten. Der Widerstand gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) wächst mittlerweile 2014 (besonders umstritten sind der Genmais, das Hormonfleisch, die Chlorhühner und die unterschiedlichen Normen bei Fahrzeugteilen). Sonderechte für Unternehmen sorgen für Unruhe (Profite auf Kosten der Allgemeinheit; Investitionsschutzklauseln). Investitionsschutzvereinbarungen haben in der Regel folgende Ziele: Nicht-Diskriminierung ausländischer Investoren, keine Enteignung ohne Entschädigung, Möglichkeit eines fairen Schiedsverfahrens. Weiter umstritten sind folgende Fragen: Was wird aus dem Umweltschutz; was ist mit Sozialstandards; Schiedsgerichte zu Schutz von Investoren; Es gibt auch Gespräche über ein Abkommen zwischen der EU und Indien (seit 2007). 2013 schließt China ein Freihandelsabkommen mit der Schweiz. In Shanghai und Umgebung (Halbinsel Pudong) wird 2013 eine Freihandelszone eingerichtet, um außenwirtschaftliche Regelungen experimentell zu testen (Freihandelszone Waigaoqiao; Freihandelszone Flughafen Pudong; Freihandelshafen Yangshan). Eine ähnliche Funktion hat Hongkong. Ausländische Banken können erstmals auf chinesischem Staatsgebiet mit Finanzprodukten handeln. Bei Freihandelsabkommen können aber auch negative Folgen auftreten (Sweatshops, Agrardumping). Die Regierung in Japan unter Abe will bis Ende 2013 die Freihandelszone "Trans Pacific Partnership" (alle Pazifikanrainerstaaten: u. a. Japan, Malaysia, Singapur, USA) eingehen. Die Verhandlungen über ein Investitionsabkommen zwischen der EU und China haben im Herbst 2013 begonnen. Ab 2009 hat die EU ein bilaterales Handelsabkommen mit Kanada ausgehandelt (Ceta). Es ist so gut wie fertig und muss noch in die Gremien (mit Investitionsschutzvorschrift; Klagerecht). Ab 2015 wollen Russland, Weißrussland und Kasachstan die Eurasische Wirtschaftsunion gründen als Gegengewicht zur EU. Das Freuhandelsabkommen zwischen der Schweiz und China von 2013 tritt tritt ab 01.07.2014 in Kraft (stufenweiser Wegfall von Zöllen, zweites Land nach Island in Europa). China schließt 2014 auch ein Freihandelsabkommen mit Süd-Korea ab. Darin ist auch  festgelegt, dass der Handel neben Dollar direkt in Renminbi abgewickelt werden kann. 2014 kommt ein Freihandelsabkommen der EU mit China ins Gespräch. Der scheidende EU-Kommissar Karel van Gucht lehnt Verhandlungen noch im Oktober 2014 ab, vor allem wegen eines Investitionsschutzabkommens. Die Bundesregierung hätte Interesse. Auf dem World Economic Forum in Davos stellt die Bundeskanzlerin ein Freihandelsabkommen mit Russland in Aussicht. Ein Freuhandelsabkommen der EU mit Westafrika soll 2015 nicht in den Bundestag ("Durchmogelei"?). Schon seit 15 Jahren wird über TISA (Trade in Services Agreement) verhandelt. Beteiligt sind insgesamt 50 Staaten. Es geht um Handel mit Know-how, Service und Fachleuten (konkret steht die Frage im Mittelpunkt, wie Dienstleistungen grenzüberschreitend erbracht werden können; Marktöffnungen, Marktzugänge). April 2015 findet die 12. Runde in Genf statt. Das Abkommen soll nach dem Baukastenprinzip konstruiert werden. 2016 nimmt die EU Gespräche über ein Abkommen mit Mexiko auf (ein erstes Abkommen ist 2000 in Kraft getreten. Japan will 2017 ein Freihandelsabkommen mit der EU. Das Land hat Sorge wegen der Abschottungspolitik der USA. Das EPA-Abkommen sollen noch 2017 vereinbart werden. Geheime Verhandlungsdokumente rufen Widerstand hervor (illegale Abholzungen, Schutz der Wale, Schiedsgerichte). Vor dem G20-Gipfel in Hamburg erzielt man Einigkeit. Der Vertrag soll bis Ende 2017 fertig sein. Die EU strebt ab 2017 ein Freihandelsabkommen mit Mercusur, der Staatengemeinschaft in Mittel- und Süd-Amerika, an. Die EU strebt auch ein Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland an.  "Das Abkommen liegt im Interesse Europas und im besonderen Sinne Deutschlands", Bundeswirtschaftsminister Rösler 2013 zu den Verhandlungen zwischen der EU und den USA über eine Freihandelszone. "Alle Handelsabkommen, die wir haben, sind schrecklich. Wir werden sie neu verhandeln", Donald Trump im Wahlkampf 2016.

Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (Ceta, Cromprehensive Economic and Trade Agreement) und mit den USA (TTIP, Transatlantic Trade and Investment Partnership  bzw. auch mit anderen Staaten): In der Regel werden gegenseitig protektionistische Maßnahmen abgebaut (vor allem Zölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse). Einheitliche Standards (z. B. in der Automobilindustrie) sollen Kosten reduzieren. Im Februar 2013erwähnt Obama in einer Rede zum ersten Mal die Absicht, ein solches Abkommen zu schließen.  2013 wollen auch Kanada und die EU ein Freihandelsabkommen schließen. Nach mehr als vier Jahren Verhandlungen wird dieses im Oktober festgezurrt (Ceta; +12 Mrd. € EU-BIP; bisher bei 98% der EU- Waren Zölle). Allerdings treten 2014 wieder Verzögerungen auf. Streitpunkte sind der Insolvenzschutz und Klauseln zum Investorenschutz. Deutschland stellt das Abkommen in Frage.  Im Einzelnen sind im Abkommen folgende Bereiche geregelt: Zölle (fallen); Landwirtschaft (Kanada schützt Milchproduktion; EU Fleischwirtschaft); Automobilindustrie (Kanada besseren Zugang zum EU-Markt); Investorenschutz (Schiedsverfahren, bei Rechtsstaaten ungewöhnlich); weitere Regelungen: Berufsabschlüsse, Telekommunikation, intellektuelles Eigentum. Im September macht die EU-Kommission eine Kehrtwende, indem sie die Pläne für private Schiedsgerichte (je 1 Richter von Investor und Staat + 1 Richter, der von beiden benannt wird) fallen lässt. Es finden seit Juli 2013 auch Verhandlungen zwischen der EU und den USA statt. Hier blockiert vorerst Frankreich. Man klammert zuerst die Bereiche Kultur und Landwirtschaft aus. 44% des globalen Handels entfallen auf die EU und die USA. 400.000 Arbeitsplätze könnten durch ein transatlantisches Freihandelsabkommen entstehen (ifo-Institut: 160.000 in Deutschland). Ende 2013 blocken die USA. Doch die Gespräche gehen in die zweite Runde. Es werden zähe Verhandlungen erwartet. Fehlende Transparenz ist bisher zu beobachten. Der Widerstand gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) wächst mittlerweile 2014 (besonders umstritten sind der Genmais, das Hormonfleisch, die Chlorhühner und die unterschiedlichen Normen bei Fahrzeugteilen). Viele Normen bestehen in den USA regional und würden durch TTIP nicht vereinheitlicht. Sonderechte für Unternehmen sorgen für Unruhe (Profite auf Kosten der Allgemeinheit; Investitionsschutzklauseln). Investitionsschutzvereinbarungen haben in der Regel folgende Ziele: Nicht-Diskriminierung ausländischer Investoren, keine Enteignung ohne Entschädigung, Möglichkeit eines fairen Schiedsverfahrens. Weiter umstritten sind folgende Fragen: Was wird aus dem Umweltschutz; was ist mit Sozialstandards; Schiedsgerichte zu Schutz von Investoren. 2014 rückt bei der SPD immer mehr in den Mittelpunkt, dass Arbeitnehmerrechte preisgegeben werden könnten. Man bemüht sich um die Konstruktion "roter Linien". Auch die Lockerung des Verbraucherschutzes gerät in die Diskussion: Der Schutz regionaler Produkte könnte aufgehoben werden (Herkunftsbezeichnung; Qualitätsstandards der EU). Zu Beginn 2015 wird bekannt, dass die USA ein Mitspracherecht bei der Ausarbeitung von EU-Gesetzen will (Standards abstimmen). Es geht auch um die Beeinflussung von Finanzmarktregeln durch Banklobbyisten ("Wallstreet"). Die SPD will 2015 eine rote Linie ziehen bei Zwangsprivatisierung und Absenkung von Sozial-, Umwelt- und Verbraucherstandards. Bei Ceta wird die Paralleljustiz für ausländische Investoren weiter abgelehnt. Die EU-Kommission hält aber daran fest. Am 26.09.2014 findet ein EU-Kanada-Gipfel statt. Das Abkommen soll eine Blaupause für TIPP sein. Der Vertrag bzw. das Regelwerk umfasst 1600 Seiten. Damit ist Kanada das erste Land der G7, was mit der EU ein Freihandelsabkommen abschließt. Das Europaparlament, der Europäische Rat und eine Reihe nationaler Parlamente müssen noch zustimmen. Die Bundesregierung möchte das Abkommen bis Ende 2015 unter Dach und Fach bringen. Ende Juli 2015 werden nach mehr als anderthalb Jahren Pause die Gespräche zu TTIP fortgesetzt. Von Seiten der EU ist die Handelskommissarin Cecilia Malmström federführend. In Deutschland ist der Widerstand wohl am größten in der Bevölkerung (insgesamt würde Deutschland wohl am meisten profitieren). Die EU drängt im Oktober 2015 darauf, dass die Sozial- und Umweltstandards, wie sie in der EU gelten, in dem Abkommen beibehalten werden. Es soll das Vorsorgeprinzip gelten: es werden nur Produkte erlaubt, wenn deren Unschädlichkeit für Mensch und Umwelt nachgewiesen ist. Im August 2015 schließt die EU ein Handelsabkommen mit Vietnam. Zölle und andere Handelsbarrieren sollen abgebaut werden. Das Abkommen soll Ende 2017 in Kraft treten. Am 16.12.2015 schließt die EU ein Freihandelsabkommen mit der Ukraine. Daraufhin setzt Russland den Freihandel mit dem Land aus. 2016 nimmt die EU Verhandlungen mit Mexiko auf. Im August 2016 erklärt Bundeswirtschaftsminister Gabriel die TTIP - Verhandlungen für gescheitert. Ebenso äußert sich Frankreich. Auch Belgien rückt ab. Die USA sind optimistischer. Ceta soll zu Ende gebracht werden. Gegner klagen in Deutschland vor dem Bundesverfassungsgericht (bekannt wird die Klägerin Frau Grimmenstein, Flötenlehrerin im Sauerland). Mitte Oktober 2016 entscheidet das Gericht. Die Eilanträge gegen Ceta werden abgelehnt. Das Gericht macht der Bundesregierung aber klare Auflagen. In der SPD soll der Parteikonvent entscheiden: Er stimmt am 19.09.16 zu. Bisher ist der Handel zwischen der EU und Kanada eher begrenzt (2,0% aller Exporte der EU). Die EU exportieren 2015 für 35,2 Mrd. € nach  Kanada. Umgekehrt exportiert Kanada 28,2 Mrd. € (7,5%). Ceta könnte von US-Firmen als Hintertür in die EU genutzt werden. Am 17.09.16 demonstrieren Zehntausende in Deutschland gegen die beiden Abkommen. In der EU reicht eine qualifizierte Mehrheit der Handelsminister zur Zustimmung. Die kanadische Regierung werden von den USA bedrängt. Sie fürchten, dass Ceta zum Vorbild für andere EU-Handelsabkommen wird. Die Wallonie in Belgien legt ein Veto gegen Ceta ein. Eine Entscheidung der EU-Handelsminister wird deshalb verschoben. Die kanadische Handelsministerin bricht die Verhandlungen ab. Freeland bleibt aber in Europa, um abzuwarten. In Belgien kann man sich einigen. Nun fehlen noch die Zustimmung der EU und Kanadas zu dem Kompromiss. Die kommt. Am 30.10.16 kann das Abkommen unterzeichnet werden. Es tritt vorläufig in Kraft (das EU-Parlament und die Parlamente der Mitgliedsstaaten müssen noch zustimmen). Das EU-Parlament stimmt am 15.02.17 zu. Damit können Teile in Kraft treten. So könnte ein vernachlässigter Partner Europas mehr Chancen bekommen und zur Brücke nach Amerika werden. Das Abkommen tritt am 20.09.17 offiziell in Kraft. Im Mai 2017 setzt der Europäische Gerichtshof höhere Hürden bei Handelsabkommen. Die Befugnisse der nationalen Parlamente wird gestärkt (konkret ging es um ein Abkommen mit Singapur von 2013; Schlichtungsverfahren bei Investitionen müssen die Parlamente einbeziehen). Italien will das Ceta - Abkommen 2018 nicht akzeptieren, weil seine Bauern benachteiligt seien. GB möchte im Brexit ähnliche Bedingungen wie mit Kanada vereinbart. Im März 2022 lehnt das Bundesverfassungsgericht eine Klage gegen den Handelspakt ab. Im März 2022 streitet die Koalition in Deutschland über eine TTIP - Neuauflage. Die FDP ist dafür, Grüne und SPD dagegen. Im April 22 bringt die CDU einen neuen Anlauf für TTIP ins Spiel. 2022 verwundert es, warum die EU und Deutschland nicht mehr auf Kanada zugehen. Kanada hat Erdöl, Erdgas, Metalle, Holz und Düngemittel. Es ist kein Schurkenstaat. Alle klagen von Ceta - Gegnern wurden bisher abgewiesen. Die Ampel-Regierung  spricht sich im Sommer 2022 für das Ceta - Abkommen aus. Ende August 2022 einigt man sich mit der EU. Deutschland stimmt Ende November 2022 im Bundestag dafür. Die USA sind im September 2022 gegen neue TTIP-Verhandlungen. Die Handelsbeauftragte Tai äußert sich zur Kritik am US-Subventionsprogramm. Die USA werden extrem protektionistisch.   In Deutschland sind 256.000 landwirtschaftliche Unternehmen Familienbetriebe. Das sind 90 Prozent, die 65 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche bewirtschaften. Diese Unternehmen würden im ungleichen Wettbewerb mit den landwirtschaftlichen Großfarmen der USA und Kanadas erhebliche Probleme bekommen. Hinzu könnten andere Wettbewerbsvorteile der US-Landwirtschaft kommen (Wachstumshormone sind in der Mast zugelassen). "Wenn das geplante Freihandelsabkommen der EU und den USA irgendwann verabschiedet wird, dann werden nur wenige Unternehmen nach eigener Einschätzung davon profitieren", Repräsentative Umfrage des Handelsblatt unter 667 Managern der Deutschen Wirtschaft Ende 2014 (Handelsblatt Business Monitor). Seit 2015 sind erstmals Originaldokumente zu TTIP öffentlich einsehbar. An einer öffentlichen Befragung im Netz beteiligen sich bis Mitte Januar 2015 150.000 EU-Bürger. 145.000 positionieren sich dagegen. An den Investitionsschutzklauseln soll gefeilt werden. Auf europäischer Seite ist die Schwedin Cecilia Malmström als EU-Handels-Kommissarin zuständig. Vgl. auch: Thilo Bode, Die Freihandelslüge, DVA 2015. Nach einem Gutachten des Forschungsinstituts CEPR soll das TTIP 0,5% mehr Wachstum bringen insgesamt (nicht jährlich). 200 Änderungsanträge hatten die EU-Parlamentarier zur TTIP - Stellungnahme eingereicht. Zu viele für eine Abstimmung. In Deutschland gibt es 2015 immer wieder Probleme mit der Transparenz. Zu Geheimakten haben oft nur wenige CDU-Abgeordnete Zugang. Anfang 2016 sollen alle Abgeordneten Zugang zu den Akten bekommen. Mittlerweile schlägt auch die Kulturindustrie Alarm. Sie sieht einige Normen bedroht: Die Buchpreisbindung, die staatliche Kulturförderung, das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Leider wird in den TTIP-Verhandlungen kaum über Umweltschutz geredet. Im Herbst 2015 bildet sich in Deutschland die Initiative "KMU gegen TTIP". Ihr gehören über 500 KMU an. Darunter sind viele Bio-Firmen.  Die Initiative gibt es auch für Österreich. Mitte Dezember 2015 stimmt in Deutschland die SPD auf ihrem Parteitag den Handelsabkommen zu (mit einem "ja, aber"). Ab Februar 2016 liegen im Bundestag die geheimen Verhandlungsprotokolle zur Einsicht aus (Anmeldung, nur für Bundestagsabgeordnete). Es bildet sich eine Europäische Bürgerinitiative Stop TTIP. Sie sammelt tausende von Unterschriften gegen das Abkommen (Quelle: EBI). Ca. 40.000 Deutsche wollen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen Ceta klagen. Beim Besuch der Hannover-Messe am 24.04.16 wollen Obama und Merkel den Durchbruch beim Abkommen schaffen (USA Partnerland auf der Messe). Zehntausende demonstrieren dagegen ("TTIP ein Trojaner"). In Hannover findet ein kleiner Gipfel statt (G5). Nach Obama bringt TTIP höhere Standards. Abschriften geheimer Verhandlungsdokumente zeigen, dass die USA die EU erheblich unter Druck setzen (von Greenpeace aufgedeckt). Dissonanzen gibt es vor allem beim Verbraucherschutz (Gentechnik; Vorsorgeprinzip gegen Risikoprinzip), bei der Landwirtschaft (Wachstums-Hormone) und beim Marktzugang für die Automobilindustrie. Luxemburg stellt sich als erstes EU-Land gegen das Abkommen mit Kanada. Die EU-Kommission will 2016  das ausgehandelte Ceta - Abkommen mit Kanada abschließen ohne Zustimmung der Parlamente der einzelnen Mitgliedsländer. Im letzten Moment entschließt man sich dazu, alle nationalen Parlamente abschließen zu lassen. Es entsteht eine Grundsatzdebatte, ob über den europäischen Außenhandel nationale Parlamente abstimmen sollen. Die SPD an Rhein und Ruhr, der stärkste Landesverband von NRW, lehnt 2016 TTIP ab. Damit wird vor den Bundestagswahlen keine Entscheidung mehr fallen. Mit dem Amtsantritt von Trump lässt sich TTIP nicht mehr umsetzen. Die Regierung will auch später in der Handelskrise keine neuen TTIP-Gespräche. Vielleicht gibt es einen Neustart unter Biden. Doch auch er steht für "Buy American". Viele würden eine engere Zusammenarbeit der Länder begrüßen, die für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stehen. Es sollte aber keine Koalition gegen China sein.

Rat für Handel und Technologie (TTC): Trade and Technology Council. Bis Mai 2022 haben zwei Treffen stattgefunden. Das letzte in Paris. Biden und von der Leyen haben in ins Leben gerufen. Ursprünglich ging es um die Exportkontrollen gegen Russland. Inzukunft hoffen die USA, auch hierübe rdie China-Politik der EU beeinflussen zu können. Die EU ist jetzt grundsätzlich bereit, Handelspolitik als Mittel in der Auseinandersetzung zwischen Diktaturen und Demokratien einzusetzen. Vgl. Herwartz, C./ Koch, M.: EU und USA vertiefen ihre Partnerschaft, in: HB Nr. 95, 17. Mai 2022, S. 10f.

Freihandelsabkommen der EU mit Mercosur: Die EU und der Staatenbund Mercosur in Mittelamerika (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) schließen im Juni 2019 einen Freihandelsvertrag und bilden eine Freihandelszone 8die Verhandlungen liefen schon seit 1999). Es ist die größte der Welt. Zölle sollen abgebaut werden. Der Warenaustausch soll gestärkt werden. 780 Millionen Menschen sind betroffen. 91% der Zölle würden wegfallen. Unternehmen in der EU könnten 4 Mrd. € Zölle einsparen. Es könnte Auswirkungen auf EU-Bauern geben. Es werden aber Quoten vereinbart. Trotzdem fürchtet der Deutsch Bauernverband um Familienbetriebe: Ungleiche Anforderungen bei Umwelt- und Klimaschutz, Antibiotika - Einsatz und Pflanzenschutz könnte zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Besonders betroffen seien Produzenten von Rindfleisch, Geflügel und Zucker. Frankreich will vorerst nicht ratifizieren. Es verlangt zusätzliche Garantien: z. B. Amazonas-Regenwald. Die Argumente von Macron sind nachvollziehbar: Die Möglichkeit, Importe auch zu stoppen, wäre wichtig. Allein der Fleischimport könnte zum Problem werden, weil in Südamerika billiger produziert werden kann, ohne Berücksichtigung des Klimawandels. Die Waldbrände 2019 in Brasilien im Amazonas-Regenwald, die von Bolsonaro provoziert wurden, könnten das Abkommen noch scheitern lassen. Als erstes Parlament spricht sich das österreichische gegen das Abkommen aus: Großbetriebslandwirtschaft, lascher Umgang mit Gentechnologie, mangelnde Nachhaltigkeit (Amazonas-Urwald). Die Politik Bolsonaros wird immer verrückter. Immer mehr EU-Regierungen wenden sich ab. Trotzdem sollte die EU im Gespräch bleiben. Frankreich gibt bei den Kritikern den Ton an. Die EU will im Oktober 2020 das Thema Umwelt neu verhandeln (Regenwald im Amazonasgebiet, Rodung für Viehzucht und Soja). Nach dem Wahlsieg von Lula in Brasilien werden die Verhandlungen wieder belebt. Bundeskanzler Scholz reist Ende Januar 2023 mit Industrievertretern nach Argentinien, Brasilien und Chile. Man braucht Rohstoffe (Lithium, Schiefer-Gas) aus Südamerika. Europäische Unternehmen sollen investieren. Südamerika ist eine Alternative für die EU. Die Partnerschaft mit China steht unter Druck, Russland fällt wegen des Ukraine-Krieges aus. Erst schien das Abkommen so gut wie beschlossen. Doch dann formiert sich harter Widerstand. Umweltverbände, Grüne, Österreich, Niederlande, Frankreich. Vgl. Sauga, Michael: Aufstand gegen den "Giftvertrag", in:  Der Spiegel 10/ 4.3.23, S. 71. Im Juli 2023 kommen Vertreter der CELAC - Staaten nach Brüssel. Es geht wieder um das Freihandelsabkommen. Ein Durchbruch wird immer noch nicht erwartet. 2024 wird der Mercosur-Deal auf den Sommer verschoben (nach der Europawahl). Der Vertrag soll aber noch in diesem Jahr besiegelt werden. 2024 stockt er noch im August. Die Grünen wollen verbindliche Ziele beim Amazonas-Regenwald. Ende 2024 kommt wohl das stille Ende des Mecrosur - Abkommens. Schuld ist Emmanuel Macron. Aber Frankreich steht allein. Die Landwirte in der EU sind auch gegen das Handelsabkommen. Es kann wohl den Abschluss des EU-Handelsabkommens nicht verhindern.  Der Druck ist zu groß. Mittlerweile hat China die EU überholt (24% als Bestimmungsland, EU 15%, USA 12%).   Der EU-Handel mit Mercosur - Staaten lag 2023 bei einem Volumen von 111 Mrd. €

Mercosur: Lateinamerikanische Staaten (Gemeinsamer Markt des Südens). Sie schlossen sich 1991 zusammen. Die Wirtschaftsintegration umfasst 72% der Fläche des Kontinents, 700 Mio. Menschen. Der Anteil an der Weltbevölkerung beträgt 3,9%, der Anteil an der weltweiten Wirtschaftsleistung 2,8%. Der Markt macht ca. 20% der Weltwirtschaft aus, 31% der weltweiten Warenexporte. Mitglieder sind Brasilien, Paraguay, Argentinien, Uruguay. Ein Abkommen mit der EU rückt 2022 in weite Ferne. Lula, neuer Präsident in Brasilien, will dann neu verhandeln. Er will neben Agrarindustrie auch indigene Bevölkerung und Umwelt stärker einbeziehen. Habeck und Özdemir, die zwei grünen Minister, reisen im März 2023 nach Brasilien und Kolumbien (mit Industrievertretern: VW, SAP, Bayer). Sie wollen Mercosur neu beleben. Es gibt 2023 zwei Knackpunkte: Europa will höhere Umweltauflagen. Mercosur will den Mittelstand schützen  und Staatsaufträge intern vergeben. Venezuela wurde schon 2016 suspendiert. Seit Wochen ringen hochrangige Beamten 2023 um Formulierungen und Zusatzerklärung. In der Umweltpolitik ist es zu einer Annäherung gekommen. Zugeständnisse macht die EU beim Beschaffungswesen 8etwa im Gesundheitsbereich).

Pazifische Allianz: Mexiko, Peru, Chile. Die EU plant 2022 ein Freihandelsabkommen mit diesem Pakt. Schweden will während seiner Ratspräsidentschaft aktiv werden. Am 30.1.23 besucht Bundeskanzler Scholz Chile. Man schließt ein Rohstoffabkommen. Deutschland hilft bei der Bergbautechnologie.

Handelsvertrag der EU mit Großbritannien (GB, UK) nach dem Brexit: Rund die Hälfte des Außenhandels GB ist mit der EU. Es soll ein Freihandelsabkommen kommen. Eine Zollunion mit einheitlichen Zöllen zu Drittländern schließt GB aus. Es könnte aber zu einem Regulierungs-, Steuer- oder Sozialdumping führen. Ein "level playing-field" soll das ausschließen. Besonders konfliktreich ist die Steuerpolitik. GB will sich auf keinen Fall auf die Einhaltung von EU-Standards bei Umweltschutz, Arbeitnehmerrechten und staatlichen Beihilfen festlegen lassen. Die EU will mit aller Macht vermeiden, dass ein Freihandelsabkommen den Wirtschaftsbeziehungen in einem freien Markt vergleichbar ist. Sehr konfrontativ könnten Verhandlungen zu den Fischereirechten werden. Die Verhandlungen ziehen sich lang bis Heiligabend 2020. Dann zeichnet sich eine Einigung ab, die vorläufig ab 2021 in Kraft treten kann. Es soll keine Zölle und Mengenbeschränkungen geben, also unbegrenzter Handel (aber GB ist aus dem Binnenmarkt raus, aber es wird Zollformalitäten und Warenkontrollen geben). Beim Fischfang einigt man sich. Für Fischer der EU reduzieren sich die Fanggründe um ein Viertel. Es gibt eine Zusammenarbeit bei Energie, Transport, Justiz und Polizei. London steigt aus dem Erasmus-Programm für Studenten aus. Die Haupt-Stadt ist aber der große Verlierer: Für Bankdienstleistungen gilt keine Freizügigkeit.  Das gilt für alle Dienstleistungen, die für GB 80% ausmachen. Die Insel wird auch nicht mehr die Hauptanlaufstelle für Direktinvestitionen aus dem Ausland sein. Insofern ist GB der Verlierer. Die Personenfreizügigkeit endet. Wer zukünftig in GB arbeiten und leben will, braucht ein Visum. Das Abkommen verhindert das schlimmste Brexit - Chaos. Wichtige Streitpunkte wurden aber in die Zukunft verschoben. Hinter dem Finanzsektor ist ein Fragezeichen. Lieferketten könnten neu sortiert werden. Der Sonderstatus für Nordirland schafft neue Probleme. Der Europäische Gerichtshof ist für GB nicht mehr zuständig. Die 27 EU-Staaten stimmen dem Brexit-Pakt zu. GB ist am 30.12.20 dran und billigt den Vertrag. Das EU-Parlament muss noch 2021 darüber abstimmen. Gibraltar gehört weiter zum Schengen-Raum. Es sollen in GB neue Freihäfen eingerichtet werden (die waren aber schon mal abgeschafft worden). Die Landwirtschaft soll nur noch bei Biodiversität unterstützt werden (eine radikale Erziehungskur). Ansonsten will am das Singapur an der Themse werden (Deregulierung). Im Januar kommt es zu einem diplomatischen Affront gegen die EU: Die EU-Delegation wird im Status herabgestuft. Die EU fürchtet, dass der Londoner Schritt Schule machen könnte. Dem Volumen nach ist Großbritannien der zweitwichtigste Handelspartner der EU nach den USA und vor China. Nach dem Brexit-Deal gibt es ein Zollchaos. Überbordende Grenzformalitäten führen dazu, dass größere EU-Frachtfirmen ihr Großbritanniengeschäft vorläufig einstellen (viele Online-Versender schleißen sich an).

Handelsabkommen zwischen Großbritannien und Kanada: Im November 2020 kommt ein vorläufiges Abkommen. Es ist nichts anderes als die Fortschreibung des EU - Kanada- Abkommens Ceta. Es ebnet den Weg für weitere Verhandlungen. Großbritannien strebt auch eine Mitgliedschaft in TPP an.

Freihandelsabkommen in Asien und mit Ländern aus Asien: Zwei interkontinentale Handelszonen sind geplant. Einmal die Freihandelszone Asien Pazifik (FTAAP). Sie wird vor allem von China propagiert. Sie würde 40% der Weltbevölkerung umfassen (21 Mitgliedsstaaten, 2,8 Mrd. Menschen, 10,8 Mrd. Dollar). Die Transpazifische Partnerschaft (TPP) ist eine kleinere Alternative zur FTAAP. Möglichst bis 2015 wollten die USA und Japan dies umsetzen ohne China (12 Länder, darunter auch: Kanada, Australien, Südkorea, Mexiko, Malaysia, Chile, Peru, Neuseeland, Singapur, Vietnam); 0,8 Mio. Menschen, Gesamtexporte 5,5 Mrd. Dollar, WTO/ IMF). Die Gespräche auf Hawaii scheitern Mitte 2015. Mitte Oktober 2015 erzielt man Einigkeit. Das Vertragswerk umfasst 30 Kapitel. 18.000 Zölle und andere Handels- und Investitionshemmnisse sind betroffen. Auch die Harmonisierung von Umweltschutz- und Arbeitsschutzmaßnahmen ist vorgesehen. In Asien gibt es dagegen so gut wie keinen Widerstand. Es entsteht eine neue Infrastruktur von Regeln für den Handel (Desaster für Umwelt? Lobby-Einflüsse, etwa bei Arzneimitteln).Nach Amtsantritt will Trump das Abkommen nicht mehr; 2018 erwägt er aber eine Rückkehr zu TPP.  Vielleicht kann dieses Abkommen als Blaupause für TTIP gelten. Sofort nach Amtsantritt am 23.01.17 kündigt Trump TPP auf. Australien will China jetzt ins Boot holen. So entsteht CPTPP. Wichtig ist noch die südostasiatische Freihandelszone Asean. Sie hat zehn Mitgliedsstaaten: Vietnam, Thailand, Laos, Kambodscha, Myanmar, Malaysia, Philippinen, Brunei, Indonesien, Singapur. Bedeutsam ist auch die APEC: Die APEC ist mit einer Bevölkerung von 2,6 Mrd. und einem Anteil von 41% an der Weltbevölkerung, die größte Wirtschaftsintegration, auch schon 60% Intra-Handel, 21 Staaten, 50% des Welt - BIP. Hier sind noch - grob gesprochen -   zusätzlich China, Japan, Australien, Neuseeland, Kanada, USA, Russland, Taiwan, Mexiko, Chile, Peru  dabei. Die EU plant Handelsabkommen mit zwei Ländern in Asien: Mit China laufen seit 2013 Verhandlungen über ein Investitionsabkommen. Mit Indien laufen seit 2007 Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen. Auch ein Handelsabkommen mit Japan nach dem Vorbild von Ceta ist geplant. Japan hat großes Interesse. Das Abkommen wird Jefta (später auch EPA) genannt. Die Verhandlungen laufen schon seit 2013. Sie sollen schnell zu Ende gebracht werden, nachdem beide Regionen in Bezug auf die USA gescheitert sind.  Ziel ist der G20-Gipfel am 07.07.17 in Hamburg. Man einigt sich aber erst im Dezember 2017: Zölle werden abgebaut. Das Abkommen tritt 2019 in Kraft. Das BIP in Deutschland könnte um + 20 Mrd. € wachsen (Ifo-Institut, München). Für Japan ist die EU drittgrößter Handelspartner; für die EU ist Japan sechstgrößter Handelspartner. Am 17.07.2018 schließen die EU und Japan das Freihandelsabkommen. In Anbetracht der Handelspolitik der USA unter Trump gibt es kaum Widerstände. Das Abkommen steht für 30% des Welthandels und 25% aller Exporte. 99% aller Zölle sollen wegfallen. Kameras und Motorräder dürften in Europa billiger werden. Die Landwirtschaft der EU könnte mehr nach Japan exportieren (z. B. Wein). 2016 plant Asien eine weitere Freihandelszone, nämlich RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership). Der Anteil an der Weltwirtschaftsleistung betrüge 30,5%, der Anteil an der Weltbevölkerung 47,9%. Mitgliedsländer wären China, Indien, Süd-Korea, Japan, Indonesien, Australien, Myanmar, Vietnam, Laos, Thailand, Kambodscha, Philippinen, Malaysia, Singapur, Brunei. Im Juni 2019 schließen die EU und Vietnam ein Freihandelsabkommen (EVFTA). 99 Prozent aller Zölle sollen abgebaut werden. Etwa zwei Drittel aller Waren werden von Zöllen befreit. Kinderarbeit wird verboten. Geistiges Eigentum wird geschützt. "Der Unterschied zwischen China und uns ist: China hat eine Strategie", Sigmar Gabriel, Bundeswirtschaftsminister 2016.

RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership): Das Freihandelsabkommen kommt im November 2020 zustande. Es ist die größte Freihandelszone der Welt.  Es hat 2,2 Mrd. Verbraucher. Es umfasst ca. ein Drittel des Welthandels. 15 Staaten machen mit. Es sind die 11 Asean - Staaten (China, Thailand, Laos, Malaysia, Singapur, Kambodscha, Vietnam, Burma, Indonesien, Philippinen, Brunei)  + Japan, Südkorea, Australien, Neuseeland. Chinas Position verstärkt sich in der Welt: China ist China ist das Zentrum und füllt das Vakuum, das die USA unterlassen. Die USA hatten sich zurückgezogen. Zölle werden gesenkt (Abbau von 90%, innerhalb von 15 Jahren), Investitionen vereinbart, es gibt neue Regelungen für den Handel. Die Dienstleistungen sind mit einbezogen  (auch Online-Handel; aber auch Teile ausgenommen). Landwirtschaftliche Produkte sind nicht einbezogen. Bei gemeinsamen Produktstandards ist man nicht ambitioniert. Indien war aus den Verhandlungen ausgestiegen, weil es fürchtete, von chinesischen Billigwaren überschwemmt zu werden. Man bietet Indien aber noch die Möglichkeit, beizutreten. Die Bedeutung des Abkommens liegt in der  Geopolitik, weniger in der Ökonomie. Es ist bisher eher oberflächlich und zahm. Der chinesische Markt ist sowieso sehr wichtig, das war in der Praxis immer klar. Einige Länder wie Japan, Südkorea, Australien, Neuseeland haben aber durchaus auch an intensivem Handel mit der EU Interesse. Japan und Südkorea ziehen schon einen Tel ihrer Firmen aus China ab. Es profitieren vor allem Länder wie Indonesien, Vietnam, Malaysia. Die Pandemie und RCEP deuten endgültig auf das asiatische Jahrhundert. Die Dynamik von RCEP ist nicht groß, weil politische Konflikte zwischen China, Indien und Südkorea bestehen.

"Auch europäische Unternehmen, die in der Region tätig sind, profitieren von resilienteren Lieferketten. Des Weiteren ist mit einer Harmonisierung von Standards über alle 15 RCEP-Mitgliedsländer hinweg zu rechnen. Diese Vereinheitlichung erleichtert europäischen Exporteuren die Geschäfte mit Asien. Dennoch wird Europa durch Handelsumlenkungseffekte, die durch den neuen Mega-Deal entstehen, insgesamt verlieren: Wenn der Handel zwischen den asiatischen Ländern ansteigt, fällt die Nachfrage nach Waren aus dem Westen. Das RCEP-Abkommen ist die chinesische Antwort auf das gescheiterte TPP (Trans-Pacific Partnership). China nutzte die Chance und stieß in das entstandene Machtvakuum." Siehe Flach, L./ Teti, F.: RCEP-Abkommen: Versteckte Auswirkungen, in: Wirtschaftsdienst 12/ 2020, S. 904.  "Meilenstein der ostasiatischen Zusammenarbeit", Le Keqiang, chinesischer Ministerpräsident, November 2020.

EPA (auch Jefta): EU - Japan - Handel durch ein Partnerschaftsabkommen. Es deckt 40% des Welthandels ab. Es ist am 1. Februar 2019 gestartet. Bis Ende 2020 zeichnet sich ein Erfolg ab. Man strebt Verbesserungen von Seiten der EU an: Japans Eisenbahnsektor und japanische Standards. Die größte Zufriedenheit gibt es im Lebensmittelbereich.

CPTPP: Freihandelsabkommen zwischen Ländern um den Pazifik, eigentlich gegen RCEP gerichtet. Mitglieder sind Australien, Japan, Indien, Singapur, Kanada, Mexiko. Die USA warten noch ab. Trump wollte davon nichts wissen. Großbritannien hat einen Aufnahmeantrag gestellt. Auch China! Auch Südkorea hat die Absicht, der Integration beizutreten. Es herrscht viel Bewegung, auch durch das Vakuum, was die USA hinterlässt. CPTPP ist ein attraktiver Absatzmarkt (6% des deutschen Außenhandels), Problematisch könnte es werden, wenn China über die CPTPP die Standards für den Handel bestimmt. Vgl. Langhammer, Rolf J.: Im Freihandel ist Lasagne bekömmlicher als Spaghetti, in: WiWo 50, 10.12.21, S. 42.

Asia-Pacific-Trade Agreement (APTA): Es ist ein Handelsabkommen zwischen Bangladesch, Indien, Laos, Republik Korea, Mongolei und Sri Lanka.

Anbindungsprojekte zwischen der EU und Asien: Im Rahmen des Seidenstraßenprojektes gibt es zahlreiche Einzelvereinbarungen (z. B. Finanzierung der Donaubrücke in Serbien). 2. Studentenaustausch und Fachkräftemobilität (5300 indische Studierende sind 2019 im EU - Erasmus Programm; viele Studenten kommen auch aus China und Pakistan). 3. Marktteilnahme (Förderung von Projekten in Südostasien). 4. Elektrizität (Investitionen der EU-Investmentbank in Kirgistan, Tadschikistan, Afghanistan und Pakistan). 5. Datentransfer (gemeinsame Standards EU - Japan). Vgl. Handelsblatt, 15. August 2019, S. 8f.

Investitionsabkommen zwischen der EU und China (Comprehensive Agreement on Investment, CAI Unterhändler: Dombrovskis, Liu He): Die EU und China planen seit längerem ein Investitionsabkommen. Im Sommer 2020 will Angela Merkel mit Spitzenvertretern der EU nach Peking reisen. Das Verhältnis zu China ist Anfang 2020 angespannt. Das Abkommen soll im Herbst 2020 fertig sein. Experten rechnen aber mit einer Verschlechterung der Beziehungen im Laufe des Jahres, so dass es länger dauern dürfte. End e2020 dringt Deutschland in der EU auf ein Abkommen. Einige Staaten haben aber Zweifel (Irland, Niederlande, Italien). Das Abkommen soll vor dem Amtsantritt der neuen US-Regierung am 20.01.21 fertig sein (das wollen beide Seiten). Die Arbeitnehmerrechte sind am umstrittensten (ILO, Zwangsarbeit, Umerziehungslager). 2021 könnte China als Handelsgroßmacht aggressiver auftreten, man hat die USA bei der Größe der Volkswirtschaft bald erreicht. Die Einigung über den Vertrag wird am 30.12.20 erzielt. Kernpunkt ist der verbesserte Marktzugang in China. Damit sollen neue Geschäftsmöglichkeiten geschaffen werden. Zuletzt macht China noch Zusagen im Bereich Klimaschutz. Der Investitionschutz bleibt noch offen. Offen ist auch noch die Berücksichtigung von EU-Firmen bei öffentlichen Ausschreibungen in China. Die finale Ratifizierung ist erst Anfang 2022 vorgesehen. Der genaue Wortlaut ist unter Verschluss. Besonders interessant dürften die Nebendeals sein. Gegen das Abkommen werden drei Argumente vorgebracht: 1. Konterkarierung in der Praxis in China. 2. Legitimation der chinesischen Positionen (Taiwan, Honkong, Tibet). 3. Verhältnis zu europäischen Ländern an der Peripherie und den USA. Vgl. Huotari, Mikko: Chancen - und drei große Risiken, in: HB, 4.1.2921, S. 48. Man hört oft, dass es eine Vereinbarung auf den letzten Drücker war. Das stimmt aber nicht. Vgl. auch: Ziesemer, Bernd: Schnell noch Brücken bauen, in: Capital 2/2021, S. 42ff. Wegen Xinjian, Hongkong und restriktiver Zensur wird das Abkommen 2021 erstmal auf Eis gelegt und nicht vom EU-Parlament beschlossen. Die Wirtschaftsverbände stören sich vor allem an einen Punkt: Bei NGO können Büros in China auf Verlangen des Staates von Chinesen geleitet werden. Im April 2023 soll das CAI (Comprehensive Agreement on Investment) wieder belebt werden. Macron (französischer Präsident) und Ursula von der Leyen (EU-Kommissionschefin) reisen nach Peking. Das Abkommen würde Europäern in China Minderheitsbeteiligungen ermöglichen, in Bereichen, in denen bisher kein Zugang erlaubt war: bei Finanzdienstleistungen, Versicherungen, Krankenhäusern, Immobilien, Luftfahrt und Cloud-Diensten. China steht unter Druck. Es gibt einen gigantischen Kapitalabfluss (für 2023 erwartet der IWF 5,5%). Hinzu kommt, dass dei US-Regierung an einem Screening - Mechanismus arbeitet, um DI  für bestimmte High-Tech-Branchen in China zu überwachen und zu erschweren. Die EU-Kommission könnte ähnliches machen. Vielleicht will China auch erreichen, dass die EU die Sanktionen wegen der Uiguren aufhebt. Vgl. Wettlach, Silke: Wie CAI aus der Kiste, in: WiWo 14/ 31.3.23, S. 28f.  100 Mrd. € ist der Wert der Waren, die Deutschland 2020 nach China exportiert. Hinter den USA und Frankreich liegt China an dritter Stelle bei den deutschen Warenexporten. China ist für die EU der drittwichtigste Handelspartner nach USA und Großbritannien (bei den Warenexporten).

Freihandelsabkommen in Afrika (AfCFTA): Am 06.07.2019 schließen 53 Länder Afrikas ein Freihandelsabkommen. Nur Eritrea wartet noch ab. Man hatte 17 Jahre verhandelt. In den Ländern leben 1,2 Milliarden Menschen. Zölle sollen auf längere Sicht abgeschafft werden. Bisher werden innerhalb Afrikas nur 20 Prozent aller Waren gehandelt. Das soll sich ändern. Vorbild ist die EU. Der Binnenhandel soll auf 60% anwachsen. Derzeit entfallen 65% des Handels auf Außenhandel mit Europa. Fraglich ist, ob die teilweise korrupten Politiker tatsächlich alle auf Zölle verzichten, von denen sie bisher gut lebten.

Gemeinschaft Zentralafrikanischer Staaten (CEMAC): Kamerun, Tschad, Äquatorialguinea, Gabun, Kongo.

Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC): Uganda, Kenia, Tansania, Ruanda, Burundi.

Ecowas: Westafrikanischer Staatenbund für Wirtschaft. Gründung 1975 in Lagos/ Nigeria. Hauptsitz ist Nigeria. Den Vorsitz 2023 hat der nigerianische Präsident Bota Tinubu. Mitglieder sind 15 Staaten Westafrikas. Nigeria erlässt beim Putsch in Niger sofort eigene Sanktionen: Strom kappen, Grenze geschlossen. Die anderen Staaten können sich bei Sanktionen gegen Niger nicht einigen. Algerien und Tschad sind dagegen. Auch Frankreich als ehemalige Kolonialmacht spielt eine wichtige Rolle.

Handelsabkommen zwischen der EU und Kenia: Es wird 2023 geschlossen. Die Exporte aus Kenia für Kaffee, Schnittblumen  und Tee sollen erleichtert werden.

Kooperationsrat der Arabischen Staaten des Golfes (GCC): Saudi-Arabien, VAE, Oman, Kuwait, Bahrain, Katar.

NAFTA (USMCA, neu): Nordamerikanische Freihandelszone. Sie besteht seit 1993. Beteiligt sind die Länder USA, Mexiko und Kanada. Der Waren- und Dienstleistungshandel ist sehr stark gestiegen. Hoch ist auch mittlerweile der Anteil an Vorleistungen, (Intermediate Goods) was auf Liefer- und Produktionsketten hindeutet: US-Exporte nach Mexiko (65% Anteil Vorleistungen), US-Exporte nach Kanada (47%); US-Importe aus Mexiko (40%), aus Kanada (56%). Quelle: US Bureau of Ecomomic Analysis. Die USA wollen unter Trump das Abkommen neu verhandeln. Die USA und Mexiko einigen sich am 27.08.18 auf ein neues Freihandelsabkommen: Mexiko braucht ein solches Abkommen, weil 80% seiner Export-Waren und -Dienstleistungen in die USA exportiert werden. Kanada gerät durch das Abkommen unter Druck. Aber die Verhandlungen scheitern vorerst Ende August 2018. Damit steht die NAFTA auf der Kippe. Am 30.09.2018 einigen sich die USA und Kanada schließlich auf einen neuen NAFTA-Vertrag. Kernpunkte sind: Die USA exportieren nach Kanada zollfrei landwirtschaftliche Produkte, Kanada exportiert zollfrei Autoteile und Autos. Das neue Abkommen heißt USMCA und löst die NAFTA ab. Die Unterzeichnung soll Ende November 2018 kommen. Der Streit um Stahl und Aluminium wird nicht beendet. Erstmals seit der Einleitung seiner Handelspolitik schafft Trump im Mai 2019 Sonderzölle wieder ab (binnen 48 Stunden, waren wegen nationalen Notstands gekommen): Die Zölle auf den Handel mit Stahl- und Aluminiumprodukten mit Kanada und Mexiko. Damit dürften auch Vergeltungszölle fallen. Für Warenexporte der USA ist Kanada an erster Stelle, vor Mexiko und China.

United States-Mexico-Canada-Agreement (USMCA): Abschluss im Juni 2020. Er tritt ab 01.07.20 in Kraft. Es ist der Folgevertrag von NAFTA, der nordamerikanischen Freihandelszone. Trump hatte auf eine Reform gedrungen. Das Gesamtvolumen des Handels liegt bei 1,2 Billionen Dollar. Vor allem Mexiko braucht das Abkommen zum Überleben 76% aller Exporte gehen in die USA.  44% aller Importe sind aus den USA. Für Warenexporte der USA ist Kanada an erster Stelle, vor Mexiko und China.

OAS (Organisation of American States) Organisation amerikanischer Staaten; die linksnationalistischen und sozialistischen Staaten Nicaragua, Venezuela und Kuba sind nicht dabei, weil sie ausgeschlossen wurden oder ausgetreten sind. 2022 kommt es zu einem Treffen in Los Angeles. Weil die drei Staaten nicht eingeladen wurden, solidarisieren sich Bolivien und Mexiko mit den Staaten und kommen auch nicht. Kritik kommt von Argentinien, Chile, Honduras.

Freihandelszone für die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS): Russland, Belarus, Ukraine, Moldawien, Kasachstan, Armenien.

Pazifisches Abkommen über engere Wirtschaftsbeziehungen (PACER-Plus): Australien, Neuseeland, Nauru, Tuvalu, Kiribati, Samoa, Tonga, Niue, Cookinseln, Salomonen, Vanuatu.

ASEAN (Verband Südostasiatischer Staaten): Vietnam, Thailand, Kambodscha, Laos, Myanmar, Malaysia, Singapur, Indonesien, Philippinen, Brunei Darussalam mit Kooperationspartnern: Indien, Kirgistan, Tadschikistan, China, Korea, Japan, Australien, Neuseeland.

Investitionsschutzabkommen bzw. -Investorenschutzklauseln (ISDS): In der Regel immer Bestandteil von Freihandelsabkommen. Regelungen zum Investitionsschutz sollen Investoren davor schützen, durch veränderte rechtliche Rahmenbedingungen Verluste zu erleiden. Sie zielen aber auch auf die Wirtschaftsverfassung eines Nationalstaates, denn die Profitabilität der Investitionen ist durch Änderungen des Arbeits-, Verbraucherschutz- und Umweltschutzes betroffen. Es besteht also ein großer Zielkonflikt zwischen Rechtssicherheit und Verzicht auf Souveränität. Die meisten bisher existierenden Investitionsschutzabkommen bieten vier Garantien: Diskriminierungsverbot (ausländischer Investor nicht schlechter gestellt); Verbot entschädigungsloser Enteignung; Gebot billiger und gerechter Behandlung (fair and equitable treatment); freier Transfer von Kapital (transfer of funds). Vgl. Investitionsschutzabkommen: mehr Rechtssicherheit oder Verzicht auf Souveränität?, in: Wirtschaftsdienst 2014/ 7, S. 459ff. Ein besonderer Punkt stellt das "Treaty Shopping" dar. Damit wird der Missbrauch von Abkommen bezeichnet. Sachlich unbegründete Schadensersatzforderungen werden mit Spitzenanwälten durchgesetzt. Deshalb wird parallel auch über multilaterale Systeme (UN-Investitionsgerichtshof) nachgedacht. Allerdings haben einzelne EU-Länder bereits solche Abkommen bilateral mit den USA.  Ende Februar 2016 einigen sich Kanada und die EU über die neue Form des Investorenschutzes bei Ceta. Es wird ein neues Handelsgericht berufen (internationales Gericht, transparent)..

Schiedsgerichte (auch Unterschiede Ceta, TTIP): Sie sind Bestandteil vieler Investitionsschutzabkommen. Es handelt sich um private Schiedsgerichte (je 1 Richter von Investor und Staat + 1 Richter, der von beiden benannt wird). Sie hebeln das nationale Recht aus. Entscheidend ist, wie und womit die Schiedsgerichte besetzt werden (Anwälte oder unabhängige Richter). Diskutiert wird über die Einrichtung unabhängiger, öffentlicher globaler Schiedsgerichte (internationaler Investitionsgerichtshof; EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström). Die EU-Kommission schlägt dann im Herbst 2015 eine ganz konkrete Reform des Schiedsgerichts-Systems vor: mehr Transparenz, eher Struktur traditioneller Gerichte. Bei Ceta gibt es keine privaten Schiedsgerichte., sondern einen Schiedsgerichtshof mit zwei Instanzen. Auch andere Punkte unterscheiden Ceta von TTIP: Sozial- und Kulturstandards sind nicht betroffen. Öffentliche Dienstleistungen, die privatisiert wurden, können wieder verstaatlicht werden. Die Rechte der Parlamente werden nicht eingeschränkt. Alle Gremien, die durch Ceta neu entstehen, dürfen zunächst nur beratende Funktion haben und nicht die Parlamente und Regierungen einschränken. 2018 unternimmt die EU einen Vorstoß für einen neuen internationalen Schiedsgerichtshof. Zuerst soll mit der UNO verhandelt werden. Indien, China und die USA äußern sich zurückhaltend. die EU hat ein Interesse daran, weil sie für Ceta ein solches Gericht sowieso braucht (ca. 15 Richter). Für jedes weitere Abkommen müsste ein Gericht eingerichtet werden. Die EU erwägt 2018, die Schiedsgerichte durch einen internationalen Gerichtshof zu ersetzen. Im Frühjahr 2019 will die UN-Kommission für Handelsrecht (UNCITRAL) sich mit dem Vorschlag befassen. Das internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) hat einige unklare, umstrittene Verfahren durchgeführt. Gerne wird als Beispiel immer wieder auf Vattenfall verwiesen. Das schwedische Unternehmen klagt wegen des Atomausstiegs gegen Deutschland. Es fordert von der Regierung 4,7 Mrd. Euro Schadensersatz. entschieden wird über die Klage vor dem Schiedsgericht ICSID in Washington. Andere aktuelle Fälle sind Emmanuel Gaillard, der als Ex-Yukos-Eigner 50 Mrd. Dollar erstritt oder die Brüder Micula, die Rumänien für 250 Mio. Dollar verklagen. Die wichtigsten Verfahren internationaler Schiedsgerichte sind die folgenden: USA gegen Iran; Iran-United States-Claims-Tribunal; seit der Revolution 1979 Hunderte von Verfahren. Phillip Morris gegen Australien; Entschädigung für drastische Warnbilder auf Zigarettenschachteln. Vattenfall gegen BRD; Entschädigung wegen Abschaltung der Kraftwerke. Fraport vs. Philippinen; Besitzrecht an Terminal 3 des Flughafens Manila. Oxy vs. Ecuador; Schadensersatz. Vgl. Wirtschaftswoche, Nr. 7, 09.02.15, S. 22. Der Bundesverband der mittelständischen Industrie lehnt 2015 Schiedsgerichte ab (keine Paralleljustiz). Eines der 2016 schon bestehenden Schiedsgericht ist das private ICSID in Washington. Es fällt 2016 ein Urteil im Streit zwischen Uruguay und dem Tabakkonzern Philip Morris. Der Konzern wollte die strengen Rauchergesetze im Land aushebeln; scheitert aber.

Ethische Anforderungen an Handelsabkommen: Bei internationalen Abkommen werden sinkende Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards befürchtet. Deshalb sollten die ethischen Maßstäbe diskutiert werden. Diese können sein: 1. Maßstab der Tauschgerechtigkeit (globales Gemeinwohl). 2. Maßstab der Verfahrensgerechtigkeit (Transparenz). 3. Maßstab der Generationengerechtigkeit. Dabei geht es um Fragen der Machbarkeit, Wirksamkeit und Interessenabwägung. Vgl. Johannes Wallacher: Ethische Maßstäbe für gerechte Regeln des Welthandels, in: Wirtschaftsdienst 2018/ Sonderheft, S. 63ff.

Zölle: Werden an der Grenze als Steuern erhoben. Grundsätzlich gilt im Zollrecht: Je weiter eine Ware verarbeitet ist, desto höher ist der Zollsatz. Der heimischen Wirtschaft soll erleichtert werden, Rohstoffe einzuführen und im eigenen Land zu produzieren. Gütern soll zu einem Tarifsprung verholfen werden: Ein exportiertes Gut soll in eine neue Kategorie fallen. Unter Zöllen leiden Konsumenten am meisten, weil die Preise steigen. Die Lobbyisten von großen internationalen Firmen  versuchen immer, ihre Produktionsbedingungen zu schützen und haben insoweit Interesse an Schutzzöllen. Unter Importzöllen auf Agrarprodukte leiden am meisten die Entwicklungsländer und die Konsumenten der Industrieländer.  Auf der ersten Weltausstellung der Geschichte in London 1851 stellte noch die Deutsche Zollunion aus. Gezeigt wurden von deutscher Seite ausgewählte Tierpräparate. 14.000 Aussteller aus aller Welt zeigten Maschinen, Rohstoffe, Fabrikate und Kunstgegenstände.

Zolleffekte: Zölle verändern die Gleichgewichtspreise und -mengen. Sie verringern künstlich den gesellschaftlichen Mehrwert in einem Land (Konsumenten- und Produzentenrente). Zölle heben den Binnenpreis und die Produzentenrente (Producer surplus), sie senken die Konsumentenrente (Nettowohlfahrtsverlust/ Deadweight: Nettoverlust der gesamten Rente, Konsumenten- plus Produzentenrente), sie verbessern die Terms of Trade. Insgesamt kommt es durch Deregulierung der Märkte zu einem Zollabbau. Die Terms of Trade stellen das Verhältnis der Export- zu den Importgüterpreisen dar (x WK im Nenner). Außer Zöllen zählen unter anderem auch Importquoten und nicht-tarifäre Handelshemmnisse zum Protektionismus. Der deutsche Ökonom Friedrich List gilt als einer der Vordenker auf diesem Gebiet, der auch als einer der ersten Kritiker der Freihandelsthese auftrat. Auf der anderen Seite führt die Liberalisierung durch Zollabbau besonders durch den Abbau von Zöllen auf Vorleistungen zu einer Produktivitätssteigerung (vgl.: M. Amiti/ J. Konings: Trade Liberalization, Intermediate Inputs and Productivity: Evidence from Indonesia, , in: American Economic Review, Vol. 97, S. 1611-1638 (Dezember 2007). Das weltweite Zollniveau (Durchschnitt weltweit) ist von 13,1% 1995 auf 7,5% 2016 kontinuierlich gefallen. Es gilt das Meistbegünstigungsprinzip: Zollvorteile, die einem Vertragspartner gewährt werden, müssen auch allen anderen Vertragspartnern gewährt werden (Quelle: Weltbank). "Schutzzölle wirken als Reizmittel auf diejenigen Zweige der Industrie, welche das Ausland besser liefert als das Inland, zu deren Produktion aber das Inland befähigt ist", Friedrich List (in Entwicklungs- und Schwellenländern einer der berühmtesten deutschen Ökonomen). Staaten haben in der Regel Exklaven und Enklaven. Es sind Gebiete , die zolltechnisch zu einer anderen Nation gehören. Zum Beispiel ist das Dorf "Büsingen" ein deutsche Exklave, das zolltechnisch zum Schweizer Kanton Schaffhausen zählt. Das Klein-Walsertal ist eine Enklave: es gehört zolltechnisch zu Deutschland, als Gebiet zu Österreich (nur noch historisch). 

Nicht standardisierte Produkte und Preis: Der Zoll beeinflusst direkt den Preis eines Gutes (siehe oben). Bei diesen Gütern bestimmte viele andere Faktoren auch den Preis wie Größenvorteile, Kundenpräferenz, Reputation, Servicequalität, Image. Unternehmen können dann Zölle in Absatzpreisen an Kunden weitergeben.

Importzoll: Der Importzoll ist immer noch die häufigste Zollart. Er wird allerdings in allen möglichen raffinierten Varianten heute angewandt. Zum Beispiel erlaubt Kuba seit 2014 den Import von Autos. Die Einfuhr läuft dabei über den Staat. Der erhebt eine saftige Gebühr dafür. Bo kostet ein Peugeot 508 190.000 € (in Deutschland ab 25.000€ zu haben). Ähnlich funktioniert die Luxussteuer in China. Importierte Premium-Produkte werden mit einer hohen Steuer belegt. Sinn hier ist, die Produktion solcher Produkte in China herbeizuführen. Große Unternehmen unterlaufen häufig den Importzoll. Sie kooperieren mit Unternehmen im Zollgebiet. So schließt sich zum Beispiel 2014 der US-Bananen-Händler Chiquita mit dem irischen Wettbewerber  Fyffes zusammen und braucht den Zoll nicht zu bezahlen (handeln auch Ananas und Melonen). Exotische Zollbestimmungen gibt es sogar mitten in Europa. 2015 bremst der Schweizer Zoll den Pizza-Grenzverkehr von Deutschland in die Schweiz (Zollabgaben, agrarpolitische Bestimmungen). Relativ hohe Importzölle gibt es in Argentinien und Brasilien auf Nahrungsmittel. Davon profitieren Schmuggler im Grenzgebiet zu Paraguay. Trump will die Länder, die einen Handelsüberschuss mit den USA haben, mit einem Importzoll von 20% belegen. Er hält auch 2018 grundsätzlich an der Idee eines Importzolls bzw. einer Importsteuer fest. Zumindest will er Retorsionszölle einrichten (d. h. für Waren von Ländern, die ihrerseits  Importzölle erheben). Er geißelt "so genannte Verbündete, die aber keine Verbündete beim Handel" seien. Will die USA Europa verschonen, müsste sie Importquoten einführen. Die EU-Kommission prüft Strafzölle auf Whiskey, Orangensaft, Jeans und Harley Davidson. Beim Stahl argumentiert die US-Regierung mit nationaler Sicherheit. Damit hat die Regierung mehr Spielräume als bei einem klassischen Anti-Dumping-Verfahren. Anfang März gibt die US-Regierung die Zollsätze bekannt: 25% bei Stahl, 10% bei Aluminium. Die Importzölle sollen ab Ende März. 2018 gelten. Ausgenommen sind vorerst nur die Nachbarn Mexiko und Kanada. China benutzt systematisch Importzölle auf bestimmte Produkte, um die Produktion vor Ort zu fördern. Gut funktioniert dies in der Automobilindustrie. Fast alle westlichen Firmen betreiben mittlerweile Produktionsstandorte im Land, zum großen Teil in Kooperation mit chinesischen Firmen (Technologietransfer für China garantiert). 2018 senkt China die Importzölle für 1500 Konsumgüter (durchschnittlich von 15,7% auf 6,9%, ab 1.7., Senkung um 60%). Betroffen sind Bekleidung, Schuhe, Fitnessprodukte. Bei Kühlschränken und Waschmaschinen sinkt der Zollsatz von 20% auf 8%. Bei verarbeitenden Lebensmitteln und Mineralwasser sinkt der Zollsatz von 15,2 auf 6,9%. Kosmetika, Haut- und Haarpflege, Medizin- und Gesundheitsprodukte profitieren von einer Zollsenkung von 8,4% auf 2,9%.  Bereits im Dezember 2017 hatte China die Importzölle für 200 Produkte gesenkt (17,3% auf 7,7%, Lebensmittel, Pharmaartikel, Bekleidung). Wegen der laufenden Handelsverhandlungen verschieben die USA die Entscheidung über weitere Zölle gegenüber China über den 1. März 2019 hinaus.  Chinesische Unternehmen versuchen, mit illegalen mitteln Anti-Dumping-Zölle bei Solarprodukten zu umgehen. Die Solarmodule werden über Taiwan und Malaysia gehandelt mit falschen Papieren. 2016 macht die Stahlbranche in der EU Druck, weil sie vor unfairem Handel geschützt werden will. Günstige Importe aus China und Russland (von Staatsbetrieben, die subventioniert werden) verzerren den Wettbewerb. Die EU-Kommission beschließt im Februar 2016 Anti-Dumping-Zölle für Stahl einzuführen, um der europäischen Stahlbrache zu helfen. Die Maßnahmen sind nicht ungefährlich, weil die Chinesen Retorsionszölle machen könnten. Im Mai 2016 erlassen die USA US-Zölle gegen Billigstahl aus China. Im November 2016 folgen Zölle gegen Billigstahl aus Europa. "Grüne" Produkte sollten zollfrei werde. Entsprechende Verhandlungen im Rahmen der WTO scheitern. Die Wirtschaftsgeschichte ist voll von interessanten Beispielen: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erhob England Kornzölle, weil Getreide im Ausland billiger war. Ab 1850 gab es dann wieder Freihandel. Der Brexit könnte GB teuer zu stehen kommen. Für Bauteile und Vorleistungen könnten bis zu 4% Importzölle anfallen. Bei vielen Exporte schreibt die WTO einen Ausfuhrzoll von 10% vor. Im Oktober 2017 fordern die EU-Radhersteller Importzölle gegen E-Bikes aus China. Die niedrigen Preise kämen durch unfaire Subventionen zustande.

Zollfreiheit unter einer Wertgrenze: Produkte mit einem Wert unter 150 € sind in der EU frei von Importzöllen. Chinesische Handelsplattformen (Shein, Temo u. a.) nutzen das systematisch aus. Sie überschwemmen Europa mit Portosendungen. Dabei haben sie hier auch noch Vorteile, weil China als Entwicklungsland gilt. Auf diese Unternehmen hat man bei uns keinen Zugriff und keine Kontrollmöglichkeit der Wertschöpfungsketten. Es wäre dringend erforderlich, dass diese Unternehmen Niederlassungen in der EU einrichten müssen. Es ist schlecht, wenn Konsumenten Importeure sind.

Importquote: Mengenbeschränkung im Außenhandel. Exportquoten gibt es auch, aber selten (z. B. bei Rohstoffen, die im eigenen Land weiter verarbeitet werden sollen, Beispiel China). Importquoten können auch mit Importzöllen verbunden werden (Menge und Preis werden reguliert). So etwas gab es in der EU für den Zucker bis 1. Oktober 2017. Importquoten können ein Schutz sein, wenn in Drittländern entsprechende Wirtschaftszweige hoch subventioniert werden. Importquoten hatte die EU in einigen Bereichen gegenüber Japan. Trump und die US-Regierung erwägen 2018 Importquoten auf Stahl und Aluminium.

Strafzoll: Er ist ein Importzoll und wird in der Regel mit Anti-Dumping begründet. Viele Länder und Wirtschaftsintegrationen haben den Strafzoll. Vor allem bei Stahl erhebt die EU Strafzölle gegen China, Indien und Russland. Am 31. März 2017 unterzeichnet der amerikanische Präsident Trump ein Dekret, das nach Branchen und Ländern geprüft werden soll, wo die USA ein großes Handelsdefizit haben. Daraus soll auf die Verletzung von Handelsverträgen geschlossen werden. Dann sollen Strafzölle eingeführt werden, die in Proportion zu der Höhe des Defizits stehen. Betroffen davon sind China, Japan, Deutschland, Mexiko, Vietnam, Indien, Thailand, Südkorea. Aus Deutschland geht es um die Stahlunternehmen Salzgitter und Dillinger Hütte. Am 23.01.2018 macht Trump seine Ankündigung war und führt Einfuhrzölle (Strafzölle) für den Import von Solarmodulen (20 bis 30%) und Waschmaschinen (50%) ein. Davon sind sehr stark China und Südkorea (Samsung, LG) betroffen. Südkorea will Beschwerde vor der WTO einlegen. Aus Deutschland wird es Folgen für  Miele und BSH haben. Eine Erweiterung ist eventuell für 2018 auf Stahl und Aluminium geplant. Diese Zölle kommen auch ab Ende März 2018 (beschlossen 08.03.18). Sie werden bei allen Exportländern erhoben (auch bei denen , die keine Zölle haben). Ausnahmen gibt es für Kanada und Mexiko. Trump will die Zölle noch auf Importautos ausdehnen (hier gibt es ein Ungleichgewicht der Zölle (EU 10%, USA 2,5%). Interessant ist der Aspekt bei Handys. Das iPhone 7 von Apple wird in China montiert und zählt als Import. Es ist 2018 für 16 Milliarden US-Handelsdefizit verantwortlich. Soll hier auch ein Schutzzoll eingeführt werden?

Exkurs. Chinesische Subventionen und Strafzölle des Westens: Weil die Binnenmarkt -Konzeption wegen Krise und sinkender Kaufkraft nicht so funktioniert, flutet China die Welt mit subventionierten Waren. Die USA reagieren mit extremen Strafzöllen (bei E-Autos 100%). Dadurch schrumpfen die Gewinnmargen bei chinesischen Firmen so stark, dass sich Exporte in die USA nicht mehr lohnen. Ausweg sind Direktinvestitionen in Mexiko. Man schätzt, dass die Subventionen für Industrieunternehmen in China 2019 1,73% des BIP betrugen (im Vergleich: Frankreich 0,55; Deutschland 0,41; USA 0,39; Quelle: Die Zeit 22/ 16.5.24, S. 19). Chinaspezifische Instrumente sind: Grundstücksverkäufe unter Marktpreis; Öko-Dumping bei der Produktion in China (Umweltvorgaben, Logistik); gezielte Geldzuwendungen, um bei Ausschreibungen zu unterbieten (CRRC in Bulgarien), Steuernachlässe bei Unternehmen. Für die EU ist es schwieriger als bei den USA mit Schutzzöllen zu antworten. Zwar hält auch das marktliberale IfW in Kiel Schutzzölle für denkbar, aber in der Regel ist für europäische Unternehmen der Markt in China wichtiger als umgekehrt. Deshalb hat man Angst vor Retorsionszöllen oder anderen nicht-tarifären Gegenmaßnahmen. Vgl. Hägler, M./ Mühling, J.: Hart am Wind, in: Die Zeit 22/ 16.5.24, S. 19. Viele plädieren für einen offenen wirtschaftlichen Austausch. So: Fischermann, Thomas: Keine Angst vor Geschenken, in: Die Zeit 24/ 29.5.24, S. 24. Die EU hat eine Anti-Subventionsuntersuchung durchgeführt. Aufgrund der Ergebnisse werden Straf-Zölle auf EU-Autos aus China ab 4.7.24 eingeführt (Bekanntgabe 11.6.24). Die Zölle sind nach Firmen unterschiedlich, je nach Kooperation und Subvention: BYD 17,4%; Geely 20%, SAIC 38,1%.; sonstige 38,1 (keine Kooperation). Andere Lösungen sind bei Kooperation möglich (im Durchschnitt 21%). Vgl. auch: Stefan, Sabine: US-Zölle gegen China: EU unter Zugzwang, in: Wirtschaftsdienst 6/ 2024, S. 364. Einige Ökonomen halten Subventionen für Schlüsselbranchen für ökonomisch sinnvoller als Strafzölle auf Importe. Vgl. WiWo 31/ 26.7.24, S. 39.

Retorsionszoll: Gegenmaßnahme für ausländische Zölle (Antworten). 2018 beantragt die EU vor der WTO solche Zölle mit Listen von Produkten. Liste 1 (ab 20. Juni 2018; 25%): Mais, Reis, Erdnussbutter, Orangensaft, Preiselbeeren, Bourbone Whiskey, Zigarren und Zigaretten, Puder, Blue-Jeans, T-Shirts, Baumwollwäsche, Stahl- und Stahlprodukte. Liste 2 (ab 23. März 2021; 10-50% Zollsatz): Taschentücher, Textilien, Schuhe, Haushaltsartikel, Rückspiegel für Autos, Touch-Screens, Lampen für Sonnenstudios. Mexiko erlässt im Juni 2018 Zölle auf die Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte aus den USA. Die EU-Staaten sind im Juni 2018 einstimmig für die Zölle gegen die USA. Auch der Nachbar Kanada erhebt Vergeltungszölle. Sie betreffen Stahl, Aluminium und Agrarprodukte im Volumen von 12,6 Mrd. US-Dollar. Retorsionszölle sind unvermeidbar, weil bei den Produkten wie Stahl sonst der Markt überschwemmt würde.

Exportzölle (Ausfuhrzölle): Zölle auf Ausfuhren in andere Länder. Werden von der WTO geregelt. Für Autoexporte sind 10% vorgeschrieben. Exportzölle spielen überwiegend in Entwicklungsländern eine Rolle. China erhebt Exportzölle auf Seltene Erden, um die Weiterverarbeitung im eigenen Land zu fördern.

Konzentrationszoll: So könnte etwa der Import von Lithium aus einem Land so lange zollfrei sein, wie der Anteil des Landes an den Gesamtimporten der EU eine gewisse Schwelle, z. B. 25%, nicht überschreitet. Vgl. Felbermayr, Gabriel: Gleichgewicht des Schreckens, in: WiWo 32/ 2.8.24, S. 27.

Effektive Zollschutz: Zoll für das Endprodukt (Nominalzoll) im Vergleich zu den Zöllen auf importierte Vorleistungen (Kosten für die Unternehmen). Je höher die Schutzzölle für die Endprodukte und je niedriger die Zölle auf die Vorprodukte ausfallen, desto stärker ist die Wertschöpfung (und auch Gewinne).

Klimazölle: Einführung auf CO2-intensive Waren. Es müssten alle Länder mitmachen. Sonst kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen für Unternehmen. Es könnte zur Eskalation von Handelskonflikten kommen.

Exportsubvention: Staatlicher Zuschuss an einzelne Unternehmen für Güter ans Ausland. Der Effekt ist anders als beim zoll (gegenteiliger Effekt auf TOT). Exportsubventionen gibt es in der Agrarwirtschaft der EU.

Nicht-Tarifäre Handelshemmnisse: Behinderung der Importe durch Verwaltungsvorschriften, Normen und kleinere Schikanen (+ Maßnahmen an der Grenze, gesundheitspolitische Standards). Lange galt Japan als Paradebeispiel einer solchen Politik. Heute sind nicht tarifäre Handelshemmnisse relevanter als Zölle.

Analyse des Zolls und andere handelspolitische Maßnahmen: Auch bei Exportsubventionen, Importquoten und freiwilligen Exportbeschränkungen sowie bei weiteren handelspolitischen Maßnahmen kann die vorhergehende Analyse eingesetzt werden. Zentral ist immer die Einschätzung von Kosten und Nutzen anhand der Produzenten- und Konsumentenrente. Besonders zugenommen haben die Zölle und Exportreglementierungen im Bereich "Rohstoffe". Der BDI warnt vor Wettbewerbsverzerrungen. Am restriktivsten sind Russland, China und Indien.

Smart Sanctions: Vorbild waren die USA mit dem Magnitsky Act 2016. Das Gesetz ermächtigt die Regierung Menschenrechtsverletzer persönlich zu bestrafen, ihr Vermögen einzufrieren und ihnen die Einreise zu verweigern. Die EU folgte 2020 mit ihrer globalen Sanktionsregelung im Bereich Menschenrechte. Sie kam gegen China (Uiguren), Russland und Belarus zum Einsatz. Man will das Instrumentarium weiterentwickeln, um es zielgenauer zu machen und Ausweichreaktionen zu erschweren. Vgl. Felbermayr, Gabriel: Warum eine neue Form von Sanktionen Europas einzige Waffe ist, in: WiWo 28/9.7.21, S. 41.

Steuerpolitik I (Cash-Flow-Steuern; bestimmungslandorientierte Besteuerung): Fraglich ist bisher, ob die USA wirklich mit Importzöllen arbeiten werden. Diese fordern oft Vergeltung (Retorsionszoll) hervor. Raffinierter wären Steuern.  Solche Cash-Flow-Steuern belasten nachträglich die ausländische Wertschöpfung, die in Importgütern steckt. Die inländische Wertschöpfung, die in Exportgütern steckt, bleibt steuerfrei. Die amerikanische Finanzadministration arbeitet nach dem Präsidentschaftsantritt von Trump an einem solchen Instrumentarium. Allerdings entscheidet sich die US-Administration am Ende gegen dieses Modell.

Steuerpolitik II (allgemein im Hinblick auf Protektionismus): Es geht als Ziel um die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen auf internationalen Märkten. 1. Steuersatz auf Unternehmensgewinne (in Deutschland Körperschaftsteuer) sinkt. In den USA war die Senkung von 35% auf 21%. 2. Abschaffung des Anrechnungssystems für die Besteuerung von Auslandsgewinnen. Künftige im Ausland erzielte Gewinne von US-Konzernen sind bei Überweisung in die USA nicht mehr steuerpflichtig. Umstellung auf ein Freistellungsverfahren. 3. Sofortabschreibung für Investitionen. 4. Sonderegeln für die Besteuerung von Einkünften aus immateriellen Wirtschaftsgütern (Ansiedlung von Patenten, die im Ausland genutzt werden, und Einnahmen abwerfen müssen nur noch mit 13,125% versteuert werden. 5. Verschärfung von Steuerregeln: Beschränkung des Zinsabzugs, keine Sofortabschreibung für Ausgaben für Forschung und Entwicklung, Hinzurechnungsbesteuerung für ausländische Töchter, Mindestbesteuerung für Multis. Folgen könnten und sollen sein: Investitionen und Arbeitsplätze gibt es mehr in den USA . Es hat aber keine internationale Abstimmung gegeben. Vgl. Clemens Fuest: Steuerpolitik als Mittel des Protektionismus? in: Wirtschaftsdienst 2018/ Sonderheft, S. 4ff.

Metzler-Paradoxon: Wenn die Zollhöhe den Optimalzoll überschreitet, verschlechtert sich im Inland die Wohlfahrt, ohne dass es im Ausland zu Verbesserungen kommt.

Lerner Symmetry Theorem: Der Zoll auf Importe wirkt wie eine Steuer auf Exporte. Bei Stahl kann man das genau beobachten: Einführung höherer Importzölle der USA auf Stahl. Phase 1: heimische Stahlproduktion in USA wächst. Stahlpreise steigen. Löhne steigen. Phase 2: Exporte von Stahl gehen wegen höherer Preise zurück. Phase 3: Exportverfall geht weiter und Handelspartner haben weniger Geld für Kaufkraft in den USA. Weniger Dollars kommen in den internationalen Markt, der Außenwert des Dollar steigt, es gibt weniger Exporte.

Freiwillige Exportbeschränkungen: Wenn ein Land die Ausfuhr bestimmter Güter auf eine Höchstmenge festlegt (Voluntary Export Restraint). Meist Antizipation eines Importkontingents. Die künstliche Verknappung kann den Anbietern des Exportlandes zusätzliche Gewinne (Quotenrenten) verschaffen, da der Preis des Gutes im Importland meist steigt (vgl. Krugman/ Obstfeld, a. a. O.). Das Gegenteil sind Exportsubventionen, mit denen die Industrieländer häufig z. B. bei Nahrungsmitteln arbeiten. In diese Kategorie gehören auch Exportkreditförderungen. Die Entwicklungsländer können nicht mit den billigen Importen aus reichen Ländern konkurrieren. Immer mehr Menschen in armen Ländern hungern (963 Mio. 2008). Insofern ist die Hungerhilfe vieler Länder ein regelrechtes Lebensmitteldumping. In der Weltwirtschaftskrise 2009 werden wieder Exportzölle eingeführt, z. B. in China für wichtige Rohstoffe (z. B. für Bauxit, Mangan, Silizium u. a., 90% kommen aus China). China hat ein System von Export- und Importzöllen auf die gesamte Wertschöpfungskette aufgebaut, um wichtige Rohstoffe im Land zu halten. 2014 kommt ein Schiedsspruch der WTO gegen die Exportbeschränkungen bei Seltenen Erden. China ficht das Urteil an (besserer Schutz von Umwelt und Ressourcen). Schärfer sind Local-Content-Klauseln, die vorschreiben, dass ein bestimmter Teil des Endprodukts aus inländischer Herstellung stammen muss. Vgl. Krugman/ Obstfeld: Internationale Wirtschaft, München u. a. 2004, S. 265 ff. Im Jahre 2016 gibt es eine kuriose Forderung aus Schweden an die USA. Sie sollen den Export lebender Hummer in die EU verbieten. US-Hummer vor der schwedischen Küste nehmen zu und verdrängen einheimische Arten.

Strategische Handelspolitik (P. Krugman, geb. 1954, Nobelpreis 2008, wichtigster Aufsatz: Scale Economics, Product Differentiation, and the Pattern of Trade, in: AER, 1980): Ein Land überlässt es nicht dem Markt, wo sich komparative Vorteile herausbilden, sondern greift wirtschaftspolitisch bei einem Oligopolisten ein, damit im Bereich der Schlüsseltechnologien und Spitzenprodukte gewinnbringende Weltmarktanteile für die eigene Wirtschaft gesichert werden. In der Regel geschieht dies über Subventionen, d.h. Geldleistungen des Staates an Unternehmen ohne marktliche Gegenleistung. Vgl. Krugman/ Obstfeld, Internationale Wirtschaft, München 2004, S. 289 ff. Ein gutes Beispiel ist die staatliche Unterstützung von Boing und EADS (Airbus), die auch vom Schiedsausschuss der WTO untersucht wurde. Die Idee der strategischen Handelspolitik geht unter anderem auf Brander/ Spencer zurück,  die ein entsprechendes Modell entwickelt haben (Cournot-Dyopolisten, Konsumeffekte in Drittländern, Exportsubventionen, Rentenumlenkung).  "Handel ist das große Allheilmittel, das ... sämtliche Nationen der Welt mit der gesunden und rettenden Vorliebe für Zivilisation impft", Richard Cobden. Vgl. auch in neuerer Zeit: Petersen, Thieß: Strategische Handelspolitik 2.0: in: Wirtschaftsdienst 5/2023, S. 326-331.

Subventionen und Außenhandel: Subventionen sind - wie gesehen - das Grundelement strategischer Handelspolitik. Sie spielen in Konflikten immer wieder eine zentrale Rolle. China hat seine Solar-Industrie und seine Elektro-Auto-Firmen hoch subventioniert. Die Probleme für das Ausland kommen, wenn Überkapazitäten weit unter Preis in den Weltmarkt gedrückt werden. Die USA subventionieren versteckt mit Rüstungsausgaben (Boing). Die EU subventioniert relativ offen und wird dazu auch vor der WTO angeklagt (Airbus). Noch 2019 droht Trump mit Sonderzöllen wegen verbotener Flugzeugsubventionen.

Kampf um Wertschöpfungsketten (Modell der Institutionenökonomik/ Jean Tirole, Toulouse, Nobelpreis 2014): Die Institutionenökonomik/ Tirole bietet ebenfalls wie Krugman eine Alternative zum Freihandelsmodell. Freihandel wird nicht als Wert an sich gesehen. Es ist eines der Verfahren, um für eine Gesellschaft Wohlstand zu erzeugen. Aktuelle Handelskonflikte (wie zum Beispiel der zwischen den USA und China 2018) ergeben sich danach aus grundlegend veränderten Risiko- und Kommunikationsstrukturen. Die Digitalisierung senkt die Transaktionskosten weiter und verändert das Risiko. Es entstehen durch reduzierte Informationsasymmetrien neue Institutionen im Kontext der Plattformökonomie. Dadurch wandeln sich Informationstransport, Informationsspeicherung und Informationsverarbeitung. Die Digitalisierung beeinflusst auch die Industriestruktur: Systemtreiber sind die Fähigkeit zur Kontrolle des Agenten und die Möglichkeit, Skaleneffekte zu realisieren. Es kommt zu einer Reintegration von Wertschöpfungsketten. Treiber sind die Finanz- und Schuldenkrise, die Störanfälligkeit von Lieferketten und die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts. In diesem Zusammenhang sind Zölle ein Mittel der politischen und wirtschaftlichen Rivalität. Unter zu erwartenden Konfliktbedingungen ist die Sicherung der Lieferkette entscheidend dafür, die Rivalität auszuhalten bzw. siegreich zu beenden. Die Staaten haben ein Dominanzproblem:  Die USA haben ein großes Leistungsbilanzdefizit (im Opiumkrieg hatte es England), China hat einen historischen Nachholbedarf (mandschurische Machtübernahme 1647, Opiumkrieg 1839). "Made in China 2025" soll die Hochtechnologie sichern aufgrund eines schuldengetriebenen Entwicklungsmodells. Im Grunde genommen will China sich weiterhin erfolgreich in der globalen Lieferverflechtung positionieren. Man kann dies in der "Crying Curve of Asia" darstellen. Freie Märkte sind nach diesem Modell auf dem Rückzug. Vgl. Ulrich Blum: Der Kampf um Wertschöpfungsketten: Krieg gegen den Freihandel? in: Wirtschaftsdienst 2018/10, S. 737ff. 

Strategie bei ausländischen Firmenkäufen: Es gibt in der Regel zwei mögliche Strategien: Unilaterale Offenheit oder Reziprozität bei Direktinvestitionen. Das Thema wird sehr aktuell für Deutschland bei den Firmenkäufen aus China 2016 (Kuka). Zahlreiche europäische Unternehmen werden von chinesischen Investoren übernommen. Die EU müsste ein gemeinsames Regelwerk entwickeln. Die Strategie der reziproken Liberalisierung wurde von dem Spieltheoretiker Robert Axelrod entwickelt. Es ging damals vor drei Jahrzehnten um japanische Direktinvestitionen in den USA und Europa. Negative Folgen können durch Vergeltungsmaßnahmen entstehen, die im Falle des riesigen Absatzmarktes von China verheerend für die deutsche Wirtschaft wären. Deshalb hat sich Deutschland für die unilaterale Öffnung entschieden. In letzter Zeit gab es aber Einsprüche gegen Übernahmen (z. B. Aixtron). Der Schutz ist in Deutschland im Außenwirtschaftsgesetz verankert. Dieses soll 2018 verschärft werden. Das birgt aber auch Risiken: Ausländische Direktinvestitionen sind ein wichtiger Treibstoff für den Motor einer Volkswirtschaft. Die Schwäche des Produktivitätswachstums ist schon ein Alarmzeichen. Die Prüfschwelle für Firmenübernahmen soll gesenkt werden. In sicherheitsrelevanten Bereichen soll sie von derzeit 25 Prozent auf 10 Prozent fallen. 2018 prüfte das Bundeswirtschaftsministerium 78 Übernahmen deutscher Unternehmen. Das waren 12 mehr als 2017. Dei meisten betrafen mit 27 Firmenkäufer aus China.

Untersagen von Direktinvestitionen im eigenen Land: Stellt heute eine wichtige Handelsbarriere dar. Wird von fast allen Ländern eingesetzt. Eine spezielle Form ist der Joint-Venture-Zwang. Er galt lange in China für ausländische Firmen. Er wurde nach und nach reduziert auf einzelne Branchen. 2018 soll der Zwang ganz aufgegeben werden (Reaktion auf Protektionismus von Trump). Das deutsche Außenwirtschaftsgesetz sieht eine Überprüfung von Übernahmen ab 25%-Anteil vor. 2018 soll die Grenze auf 105 gesenkt werden. Viele Experten blicken neidisch auf CFIUS (Committee on Foreign Investments in the United States). Es stellt den US-Investitionschutz dar. Die Runde wurde 1975 gegründet. 2009 wurden 65 Geschäfte untersucht, heute sind es bedeutend mehr.

Erschwerung von Firmenübernahmen: In der Corona-Krise 2020 soll ein Schutzwall gegen ausländische Investoren errichtet werden. Es soll ein Gesetzentwurf zur Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes eingebracht werden. Wirtschaftliche Schwächeperioden sollen nicht von Schnäppchenjägern genutzt werden können. Der Erwerb durch Investoren außerhalb der EU soll bereits bei "voraussichtlicher Beeinträchtigung" der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verhindert werden. Bisher muss eine Gefährdung vorliegen. Das entspricht einer Neuausrichtung der Industriepolitik.

Exkurs. Soll der deutsche Staat die Industrie vor Konkurrenz aus China schützen? Die Entwicklung der Solarbranche wird auf der einen Seite als warnendes Beispiel gesehen. Weil sie zu wenig Subventionen bekam, wanderte sie aus Deutschland ab bzw. die chinesischen Subventionen waren zu hoch. Bei der Automobilindustrie sollte sich das nicht wiederholen. Wenn der chinesische Markteintritt gelingt, geht es den etablierten Firmen Daimler, BMW, VW an den Kragen.  Auf der anderen Seite wird vor einem Subventionswettbewerb gewarnt. Deutsche unternehmen würden den Staat einspannen. Man könne fremde Subventionen auch ausbeuten. Daraus können eigene Produkte integriert werden un d attraktive Angebote für den Weltmarkt gemacht werden. Vgl. WiWo 46/ 2023, S. 37.

Gegenmaßnahmen der EU in internationalen Handelskonflikten: Im Oktober 2023 kommt ein entsprechendes rechtliches Instrument. Hintergrund waren die Handelsbeschränkungen Chinas gegen Litauen. Künftig kann die EU den Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen für Firmen der betreffenden Länder beschränken oder den Vertrieb bestimmter Produkte aus Europa blockieren.

Wirtschaftspolitische Maßnahmen gegen Leistungsbilanzüberschüsse: 2016 hatten etwa folgende Länder Leistungsbilanzüberschüsse (Salden in Prozent in Prozent des jeweiligen BIP): Deutschland (+8,3), Japan (+3,9), Italien (+2,7), China (+1,8). Defizite hatten Frankreich (-1,1), USA (-2,6) und Großbritannien (-4,4). Folgende wirtschaftspolitischen Maßnahmen helfen grundsätzlich gegen Ungleichgewichte der Zahlungsbilanz: 1. Höhere Investitionen (wenn ausländische Unternehmen profitieren). 2. Senkung der Steuern (wenn die Bürger mehr Waren aus dem Ausland kaufen). 3. Höhere Löhne (deutsche Waren werden teurer). 4. Weniger Sparen (und weniger Geld wird ins Ausland geschafft). 5. Aufwertung des Euro

Internationale Wettbewerbsfähigkeit:  Es gibt eine Fülle von Theorien und empirischen Messkonzepten. Theoretisch wird normalerweise an den klassischen Außenhandelstheorien angeknüpft (z. B. Theorie der komparativen Kosten). Empirisch arbeitet man z. B. mit den Terms of Trade. Vgl. die Seite "Methode". Aktuell vertritt Gerard Lyons das Konzept der drei Cs: Cash, Commodities, Creativity (Gerard Lyons: Das neue Wirtschaftswunder. Wie wir von der kommenden Weltordnung profitieren werden, Berlin 2014). Aus diesen drei Faktoren leitet er die richtige Balance, Investitionen, Wachstumsgewinne und die notwendige Politik ab. In der Globalisierung konkurrieren die immobilen Volkswirtschaften um das mobile Kapital. Es kommt auf die zugrunde liegenden Indikatoren an. Häufig werden Produktivität und Wirtschaftswachstum genommen. Manchmal auch die Direktinvestitionen, die Forschungsausgaben u. a.. Das World Economic Forum verdichtet über 100 Indikatoren zu einem Index (Global Competitiveness Report). 2008/2009 liegen die USA vor der Schweiz und Dänemark. Weiter Indikatoren und Indizes berechnen folgende Institutionen: Bertelsmann Stiftung, Fraser Institute, Heritage Foundation, IMD Schweiz. Vgl. auch: Küter, J.: Länderrankings zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit, in: Wirtschaftsdienst 2009, 10, S 691ff. Sehr wichtig für die internationale Wettbewerbsfähigkeit ist der Anteil des Produzierenden Gewerbes an der Wertschöpfung. Deutschland kann mit seinen 1500 Weltmarktführern und seinem 23%-Anteil industrieller Wertschöpfung am BIP durchaus als Vorbild in der EU gelten (EU der 27 2012 nur 15,2%; -3,3% gegenüber 2000).

Integrationstheorie: Regionale Integrationen (z. B. EU) haben statische Handelsschaffende und Handelsumlenkende Wirkung und dynamische Effekte wie höhere Wettbewerbsfähigkeit und höhere Mobilität der Produktionsfaktoren (Viner). Die Europäische Union ist die größte funktionierende Wirtschaftsintegration der Erde. Die Einheitswährung wird von 330 Mio. Menschen genutzt (Euroland), deren BIP sich auf 4 Bio. € bemisst. Rund ein Dutzend weiterer Länder haben die Option auf die Euro-Zone. Konvergenz-Kriterien des Maastrichter Vertrages sind die Vorbedingung für den Beitritt. Der Austritt ist auch möglich durch eine Exit-Option für die EU-Mitgliedschaft. Weitere Integrationen finden sich auf der Seite "Links/ Internationale Wirtschaft).

Handelsriesen: Die größten Handelsakteure in der Welt sind die USA, China und die EU. Vom Umfang des Bruttoinlandsproduktes her führt die USA (19.362 Mrd. US-$ 2017) vor der EU (17.113 Mrd. US-$ 2017) und China (11.938 Mrd. $ 2017). Der Anteil der Exporte ist am höchsten in China (19,1%) vor EU (12,3%) und USA (8,0%). Die USA hatten 2017 ein Außenhandelsdefizit von -796,1 Mrd. $; die EU (28,3) und China (434,9) Überschüsse. Quellen: IWF, US-Census, Eurostat. In Anbetracht dieser Situation wollen die USA mehr Protektionismus (vor allem Importzölle, auch Strafzölle genannt). China antwortet sofort. Die Position der EU ist noch unklar. Es ist das Ende der "Pax Americana", bezogen auf den Handel und viele andere Gebiete.

Grundprinzipien internationaler Handelsbeziehungen (vereinbart in der WTO): 1. Meistbegünstigung: Die Mitgliedsländer sind verpflichtet, alle Handelsvorteile, die sie einem Vertragspartner gewähren, auch allen anderen Handelspartnern anzubieten. 2. Inländerbehandlung: Ausländische Waren und deren Anbieter dürfen nicht schlechter behandelt werden als inländische. 3. Transparenz: Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, alle Regelungen und eventuelle Beschränkungen des Außenhandels zu veröffentlichen. Das sind normalerweise die Rahmenbedingungen für internationalen Handel und Protektionismus. Trump verstößt ab 2018 systematisch dagegen.

Komplexität im Handel: Zwischenstaatliche Kooperation in der internationalen Handelspolitik hat sich seit dem Ende des 2. Weltkriegs so dynamisch entwickelt, dass ein einheitlicher institutioneller Rahmen Staaten mittlerweile zu wenig Flexibilität lässt, um auf globaler Ebene Handelshemmnisse zu reduzieren. Daraus resultiert ein Prozess institutioneller Dezentralisierung, der für die Weiterentwicklung der Ordnung konstitutiv ist. Vgl. Benjamin Faude: Mehr Komplexität wagen. Dezentralisierung stützt die liberale Handelsordnung, in: WZB Mitteilungen, Heft 159, März 2018, S. 10ff.

Vergleich der Zölle in der EU und den USA (Handelsstreit zwischen EU und USA): 2018 erhebt die EU im Durchschnitt etwas höhere Zölle als die USA. Nach Angaben der WTO liegt der EU-Schnitt bei 5, 2%. In den USA werden 3,5% fällig. Auch wenn man die Zollsätze mit den importierten Mengen gewichtet, liegt Europa höher. Dieser gewichtete Zollsatz liegt bei der EU mit 3,0% etwas höher als in den USA mit 2,4%. Es gibt allerdings erhebliche Unterschiede bei einzelnen Produktgruppen: z. B. bei Autos EU 10%, USA 2,5% (LKW 25%)  Die EU-Zollsätze gelten allerdings für alle Länder. Die EU hat vor allem hohe Zölle im Agrarbereich: Getreide 15,9%; Tabak und Getränke 19%; Milch 37,4%. Die USA erheben Zölle auf Baumwolle (16%); Lederwaren 55%; Chemikalien 7%. Besonders hoch sind die US-Import-Zölle bei Kleinlastwagen, zu denen auch die SUV zählen (20%). Betrachtet werden müssen allerdings auch Dienstleistungen und Direktinvestitionen. Außerdem gibt es andere Beschränkungen (Importmenge, nicht-tarifäre Hemmnisse). Bei Die WTO wird wahrscheinlich nicht helfen können. Hier bewegt man sich rechtlich in einem "Niemandsland" (Ifo-Institut, 2018). TTIP wären eigentlich alle Zölle gefallen. In Anbetracht dieser Gefälle kann man etwas mehr Verständnis für die Politik Trumps aufbringen. Die EU will auf das Inkrafttreten der Importzölle der USA mit Retorsionszöllen antworten: Stahlprodukte, Bourbon-Whiskey, Erdnussbutter, Harley-Davidson, Levi´s Jeans ("Europe United"). Nach Berechnungen der WTO liegt der Einfuhrzoll auf Industriegüter , gewichtet nach dem Handelsvolumen, in den USA bei 1,6%, in der EU dagegen bei 1,4%. Von allen Ländern der EU hat Deutschland das größte Handelsvolumen bei PKW mit den USA: 2017 wurden Autos im Werte von 20,1 Mrd. Dollar exportiert, und Autos im Werte von 5,8 Mrd. $ importiert. Trump droht immer wieder mit einem Zoll auf Autos in Höhe von 20%. Neben Deutschland haben nur noch GB und Italien einen nennenswerten PKW-Handel mit den USA, Frankreich hat seinen ganz zurückgefahren. Bisher konnte sich Deutschland darauf verlassen, dass die EU weitgehend Produkte auf den Binnenmarkt lässt, diese werden aber in Deutschland kaum gekauft im Vergleich zu deutschen Produkten. Es gibt auch eine ganze Reihe von Produkten im Handel, die nicht mit Zöllen belegt sind: Impfmittel aus den USA, Medikamente aus Deutschland; medizinische Instrumente aus den USA, Fahrzeugteile aus Deutschland; chemische Erzeugnisse aus den USA; Flugzeuge, Flugzeuge, Helikopter aus Deutschland. EU-Kommissionschef Juncker und US-Präsident Trump vereinbaren Ende Juli 2018 Handelsgespräche zu führen und vorerst keine neuem Zölle einzuführen. Die EU schließt dabei generell den Agrarsektor aus. Vorerst will man aber mehr Soja und Flüssiggas aus den USA importieren. Man ist sich darin einig, dass es ein neues Handelssystem geben muss. doch der Handelsdeal mit den USA könnte noch scheitern. Im EU-Parlament wächst die Skepsis gegenüber der Absprache von Juncker und Trump. Trump droht erneut mit Strafzöllen auf Autos. Bundeswirtschaftsminister Altmaier rechnet nach den US-Kongresswahlen mit einem Zollabkommen. Trotzdem ist der internationale Handel unsicherer geworden. Wegen der Wertschöpfungsketten wird die Situation immer komplexer. Die Situation wird insbesondere für den Mittelstand immer weniger planbar. Ende 2018 lädt die US-Regierung die deutschen Auto-Bauer (VW, Daimler, BMW) nach Washington ein. Es geht um die Verhinderung der US-Autozölle. Die Autobauer legen Investitionsprogramme für die USA vor. Trump reagiert positiv darauf. Das Handelsministerium entscheidet aber darüber, ob die deutschen und EU-Autos eine Bedrohung für Sicherheit der USA darstellen. Bei Bejahung könnte Trump innerhalb von 90 Tagen Sonderzölle (in Höhe von 25%) erheben. Die EU droht sofort mit Vergeltung. Trump will einen "Deal". Es will deutliche Erleichterungen der US-Agrarexporte und mehr EU-Importe von Erdgas. Bei den Agrarexporten blockiert aber Frankreich. Im April 2019 droht Trump der EU, weil er bei Airbus Subventionen sieht. Der Streit ist alt und war sogar vor der WTO. Die EU sieht bei Boing eine verdeckte Förderung durch Rüstungsprojekte. Trump geht es wohl darum, Druckmittel im Handelsstreit zu bekommen. Im April 2019 sollen noch die Handelsgespräche zwischen der EU und den USA beginnen. EU-Handelsbeauftragte Malmström bekommt dafür das Mandat. Mitte April 2019 können die Handelsgespräche zwischen der EU und den USA beginnen. Der Widerstand aus Paris wurde überstimmt. Die USA machen Drohungen: Strafzölle auf europäische Autos werden angekündigt. Vorerst werden diese in den nächsten sechs Monaten wohl nicht kommen. Trump schiebt die Entscheidung auf, während förmliche Verhandlungen zwischen der EU und der USA laufen. Die USA fordern europäische Exportquoten. Die Automobilproduzenten der USA exportieren relativ wenig (1,80 Mio. Autos von 11,31 Mio. 2018). Die deutschen Produzenten in den USA exportieren relativ viel (BMW: 69%; Daimler 60%; VW: 31%). Im Juni 2019 will die EU den amerikanischen Rindfleischproduzenten zu besseren Marktchancen verhelfen. Ein Teil des EU-Einfuhrkontingents wird für US-Anbieter reserviert (muss aber hormonfrei sein). Damit erhöht sich stark der US-Export von Rindfleisch. Das dürfte zu Lasten Australiens und Argentiniens gehen. Die USA werfen der EU weiterhin versteckte Subvention der Flugzeugindustrie vor. Die WTO entscheidet in diesem Streit für die USA: Airbus wurde von der EU verbotswidrig subventioniert. Daraufhin erheben die USA sofort Strafzölle auf Flugzeugteile aus der EU in Höhe von 10% (die US-Fluglinienfirmen sind nicht begeistert). Weitere Strafzölle kommen auf einige Agrarprodukte (Käse, Wein, Butter, Olivenöl, Kaffee) in Höhe von 25% ab 18.10.19. Diese Zölle gelten zum Teil nur für einzelne EU-Länder. Die EU wartet das Urteil der WTO bezüglich Boing ab. Danach sollen Vergeltungszölle eingerichtet werden (Flugzeugkomponenten, Tomatenketchup, Spielekonsolen). 2020 könnte Trump die EU und Deutschland wieder ins Visier nehmen. Die USA sind weiterhin größter Export - Kunde geblieben. Der deutsche Exportüberschuss ist so groß wie gegenüber keinem anderen Land (2019). An der China-Front ist erst mal Ruhe. Im Februar 2020 erhöhen die USA die Strafzölle auf Airbus-Flugzeuge von 10 auf 15% (Hintergrund ist ein Urteil des WTO-Gerichte wegen unerlaubter Subventionen der EU; ein Urteil über die Förderung von Boing/ Militär steht noch aus). Die USA erwarten Konzessionen im Bereich Landwirtschaft. Sie drohen Deutschland mit höheren Autozöllen und Franreich mit dem Verlust von Aufträgen (US-Bahnkonzern Amtrak an Alstom). Die WTO gibt im Oktober 2020 der EU bei Strafzöllen gegen Boing recht: Importzölle können erhoben werden, weil die USA Boing versteckt subventioniert. Die EU kündigt Strafzölle auf US-Produkte an (Ketchup, Wein, Spielekonsolen) an. Die USA Strafzölle betragen Ende der Amtszeit von Trump 7,5 Mrd. US-$ (Wein, Cognac, Käse, Butter). Die EU liegt bei Strafzöllen in Höhe von 4,0 Mrd. $. Nach dem Amtsantritt von Biden einigt man sich Anfang März 2021 im Flugzeug-Streit: Die Strafzölle werden auf Eis gelegt. Der Streit um die Beihilfen ist schon 16 Jahre alt. Damit werden auch dei US-Strafzölle auf Wein ausgesetzt. Die Ausfälle für deutsche Winzer haben 12 Mio. € betragen. Quelle: Deutsches Weininstitut (DWI), Bodenheim. 2021 streben die EU und die USA eine Lösung beim Streit um Strafzölle an. ein Gipfeltreffen findet in Brüssel statt (mit Biden). Mittelfristig sollen Zölle fallen. Biden muss vorsichtig sein wegen Wahlkreisen der Republikaner. Im 1. Quartal 2018 ist der Handelsüberschuss der Euroländer mit den USA angestiegen (66,9 Mrd. €, +16%).  Im Juni 2019 brechen die deutschen Exporte ein (8% gegenüber Juni 2018). Die internationalen Handelskonflikte (Trump, Brexit) scheinen durchzuschlagen. Seit Ausbruch des Handelsstreits zwischen EU und USA sind dei Exporte Deutschlands in die EU um 40% zurück gegangen (bis mai 21).

Protektionistische Maßnahmen der USA: Konkret kommen 2018 als erste handelspolitische Maßnahmen von Trump Zölle auf den Import von Stahl, Aluminium und Waschmaschinen. Schon vorher hatte es in der jüngsten Wirtschaftsgeschichte US "Safeguard Measures" gegeben seit 1995: 1999 für Lammfleisch, 2000 Stahldraht, 2000 rund geschweißte Leitungsrohre, 2002 spezifische Stahlprodukte. Vgl. Frenkel, M./ Walter, B.: Der neue Protektionismus der USA, in: Wirtschaftsdienst 20187 4, S. 276ff. Die Strafzölle für Stahl und Aluminium sind für die EU bis 1. Mai 2018 ausgesetzt. Die USA stellen Bedingungen für eine Verlängerung der Frist, z. B. Zugeständnisse bei Importzöllen für amerikanische Autos. Trump verlängert die Frist für die Zölle auf Stahl und Aluminium am 01.05.18 bis 01.06.18 für die EU, Mexiko und Kanada. Die EU hat eine Liste von Retorsionszöllen auf verschiedene Produkte erarbeitet und hält sie bereit. Unter anderem gehört Erdnussbutter dazu. Die Liste wird an die WTO weitergegeben. Gleichzeitig bietet man den USA an, Handelserleichterungen zu gewähren, wenn die EU dauerhaft von den Zöllen auf Stahl und Aluminium ausgenommen wird. Einzelne Firmen können auch Anträge an das US Handelsministerium stellen, um von Zöllen ausgenommen zu werden (importierte Produkte aus den USA). Bis Mitte 2018 sind dies ca. 3000 Unternehmen aus der EU. Schließlich einigt sich China mit den USA im Handelsstreit vorerst: Es gibt keine Zölle. China importiert mehr US-Waren (ohne konkrete Mengenzusagen). Die Verhandlungen mit der EU stocken. Um von den Zöllen auf stahl und Aluminium ausgenommen zu werden bietet die EU Folgendes: 1. Angleichung von zöllen bei Autos und Lastwagen. 2. Mehr Flüssiggas aus den USA. 3. Anpassung von nichttarifären Handelshemmnissen wie Industrienormen. 4. Reform der WTO. Japan und Russland sind auch von protektionistischen Maßnahmen der USA betroffen. Beide drohen auch mit Vergeltung. Ende Mai 2018 erwägen die USA, Zölle auf Importautos, auch Autoteile, einzuführen (25%, bisher 2,5%, für LKW bisher 25%, EU  10%, nationale Sicherheit; Kosten für Deutschland auf 5 Mrd. € geschätzt). Das würde neben Deutschland besonders hart Japan und Südkorea treffen. Aber auch Mexiko und Kanada ginge es an. Am 01. Juni 2018 treten die Zölle wie vorgesehen in Kraft. Trump soll dem französischen Präsidenten Macron bei dessen letzten Besuch in den USA im April 2018 gesagt haben, dass er seine Handelspolitik so lange fortsetzen werde, "bis auf der Fifth Avenue in New York keine Modelle von Mercedes mehr rollen". Trump muss bei Schutzzöllen den Kongress einschalten. Eventuell soll der Gesetzentwurf an das Haushaltsgesetz für das US-Militär angehängt werden (nationale Sicherheit). China bietet im Zollstreit an, die Importe aus den USA um 70 Mrd. Euro zu erhöhen, um seinen Handelsüberschuss zu reduzieren. Trotzdem verhängen die USA am 15.0618 weitere Strafzölle gegen China (25%; Produkte im Wert von 50 Mrd. US-$; 1100 Produkte; Industrie- und High-Tech-Produkte aus dem China 2025-Programm). Das iPhone aus China wird ausdrücklich ausgenommen (Versprechen von Trump an Tim Cook). China kündigt umgehend an, dass Retorsionszölle erhoben werden auf 659 verschiedene Produkte (Sojabohnen, Schweinefleisch, Huhn, Fisch, Hummer, Whiskey, Rüstungsgüter, Geländewagen, Elektroautos u. a.; 25%-Zoll). Der Marktzugang für US-Investoren könnte auch erschwert werden. Es wird immer wieder kritisiert, dass die USA sich auf den Warenhandel beschränken und übersehen, dass sie mit vielen Ländern einen Ausfuhrüberschuss im Dienstleistungsbereich haben (durch die US-Internetfirmen Amazon, Google und Apple). Außerdem halten die USA im großen Umfang hochrentierliche ausländische Aktien, während das Ausland überwiegend niedrig verzinste US-Anleihen hat. die USA verdienen zusätzlich an dem Privileg, dass der Dollar Weltleitwährung ist (Importüberschüsse mit negativer Verzinsung finanziert). Die Zollpolitik der USA kann zu einer Umverteilung des Handels führen. Mehr Autos aus Japan und Süd-Korea dürften z. B. auf den europäischen Markt drängen. Ebenso dürfte billiger Stahl den EU-Markt überschwemmen. Deshalb sind Gegenzölle unerlässlich.  Die Stahlzölle wirken bisher eher katastrophal; Nur 140.000 aus den USA erzeugen Stahl und profitieren. 6,5 Mio. verarbeiten Stahl. Das Handelsdefizit wird eher größer (Juni 2018 +7,3%). Das US-Handelsministerium lehnt 2018 rund 22.000 Anträge auf Ausnahmen von Strafzöllen ab. Die Antragssteller können nicht nachweisen, dass sie in den USA keine Alternativen haben. Trump setzt Strafzölle als Mittel der Politik ein. Gegen die Türkei verdoppeln die USA im August 2018 den Strafzoll auf Stahl und Aluminium (50%). Die Lira schmiert daraufhin völlig ab (sie hat seit Jahresbeginn die Hälfte ihres Wertes verloren). Türkisch Unternehmen und Banken können die Schulden nicht mehr bedienen. Die Türkei antwortet mit Retorsionszöllen (Autos, Kosmetika) und droht mit einem iPhone-Boykott. Gegenüber China erwägt Trump im September 2018 neue Strafzölle im Wert von 200 Mrd. Dollar. Dann wären die Hälfte aller US-Importe aus China mit Sonderzöllen belegt. China droht sofort mit weiteren Gegenzöllen. Trump erwartet im März 2019 eine Einigung mit China. In den USA macht sich Ernüchterung breit. Unter Trump ist das Außenhandelsdefizit der USA gestiegen statt gesunken. Die Rezepte von Trump scheinen zu versagen. 2019 wächst der Druck auf Trump einen Handelsdeal mit China zu machen. Dahinter steht eine Allianz der Autoindustrie mit Sojabauern und Hummerfischern u. a. Doch Trump will die Strafzölle gegen China ausweiten. Er ist in der besseren Position: China hat das Spektrum ausgereizt und kann nur noch erhöhen.  Die USA können die betroffenen Güter noch stark ausweiten. Lightnizer, der Handelsbeauftragte, kündigt im Mai 2019 eine Ausweitung der US-Zölle auf die Höhe von 25% auf alle verbliebenen Importe aus China an. Das beträfe Waren im Wert von 300 Mrd. $. Er setzt eine Frist von drei Monaten für ein Abkommen. China ist in der schwächeren Position, weil es nur noch die Zölle erhöhen kann. China antwortet mit Vergeltung: Für Waren im Werte von 60 Mrd. $ werden Zölle in Höhe von 25% ab Juni 2019 erhoben, wenn man sich nicht einig wird. Auto-Strafzölle für die EU und Japan vertagt Trump im Mai 2019 um 6 Monate. Es werden Gespräche über Handelsabkommen eingeleitet (Malmström, Lightnizer). Die EU will allerdings dabei nicht gegen WTO-Spiel-Regeln verstoßen. Im Mai 2019 setzen die USA Huawei und 43 andere chinesische Unternehmen auf eine "schwarze Liste". Daraufhin will Google das Unternehmen nicht mehr mit dem Betriebssystem "Android" versorgen. Das könnte Huawei schwer schaden. Dann werden die Strafmaßnahmen gegen Huawei wieder etwas gelockert (zunächst für drei Monate; Software wird geliefert). Huawei will 2020 ein eigenes Betriebssystem bringen, das seit 2012 entwickelt wurde. China antwortet mit einer Androhung eines Exportstopps beziehungsweise einer Exportbeschränkung bei Seltenen Erden. Diese werden für die Handy-Produktion benötigt. 2019 ist China der Rohstoffproduzent für 70% der Seltenen Erden. 80% werden in die USA exportiert. Trump will Strafzölle ab Juni 2019 auch einsetzen, um Mexiko dazu zu zwingen, gegen illegale Migration vorzugehen (+5% jeden Monat; 377 Mrd. $). Das würde auch deutsche Autobauer in Mexiko treffen. Später setzt Trump die Zölle aus, weil Mexiko eine Verschärfung der Grenzkontrollen zusagt. Im Juni 2019 sagt Trump französischen Edelweinen den Kampf an. Die EU möchte Agrarprodukte bei Handelsvereinbarungen ausnehmen. Am 28.06.19 treffen sich die Regierungschefs der G20 in Osaka. . Die Präsidenten der USA und Chinas stehen im Mittelpunkt. Sie treffen sich zu mindestens einem Spitzengespräch. Die Strafzölle und Nordkorea sind Schlüsselthemen. China könnte sicher Nordkorea zu einem Atomabkommen zwingen und die USA könnten China beim Handel entgegenkommen. Trump steht unter erheblichem Druck der Sojabohnen-Farmer (Exporte sind im 1. Quartal 2019 um 80% eingebrochen, sind seine Wähler). Am 01.08.19 verhängen die USA neue Strafzölle gegen China: Es handelt sich Produkte im Wert von rund 300 Milliarden Dollar. Die Strafzölle gelten ab September 2019 und haben die Höhe von 10%. Die Handelsgespräche wurden vorerst ohne sichtbare Fortschritte beendet. Sie sollen im September 2019 fortgesetzt werden. Betroffen sind besonders wichtige Produkte für China wie Handys, Laptops, Textilien und Spielzeug. Die Produkte werden in den USA teurer. Die USA scheinen die Veränderung von Lieferketten zu beabsichtigen. Als Retourkutsche werten die Chinesen den Renminbi, ihre Währung, ab. Vorübergehend rutscht der Renminbi unter 7 (die chinesische Zentralbank, die nicht unabhängig ist, hat den größten Einfluss). Die USA sprechen von Währungsmanipulationen. Die USA verschieben die jüngsten Zollerhöhungen von 10% gegen China auf Anfang Dezember 2019 (wegen Weihnachtsgeschäft in den USA). Anfang Oktober 19 werden neue Handelsgespräche zwischen den USA und China stattfinden. Trump will China auf jeden Fall in die Knie zwingen. Mitte Oktober 2019 spricht Trump von einem Teilabkommen: Er verzichtet auf weitere Erhöhungen (bei einem Treffen mit dem chinesischen Vize-Ministerpräsidenten Liu He). Einigung bei Geistigen Eigentum, Finanzdienstleistungen, Währungsfragen und Agrarprodukten (China sagt hier feste Importe zu).  Mehr soll bei einem Treffen von Xi und Trump im November kommen. Im Dezember 2019 drohen die USA mit Sanktionen gegen Frankreich. Strafzölle auf Wein, Champagner und Käse für die Digitalabgabe der Internetriesen der USA in Frankreich. Mit China spricht man im Dezember 2019 von einem Teilabkommen. Die USA gehen auf China zu. Neue Strafzölle treten nicht in Kraft 15%, Warenwert 160 Mrd. ). Die USA versuchen mit aller Macht Ende 2019, die Gaspipeline Nord Stream 2 zu verhindern. Repräsentantenhaus und Senat billigen Sanktionen gegen die beteiligten Firmen (Gazprom, OMV, Wintershall, Dea (Mehrheitseigner BASF), Engie, Uniper. Die Sanktionen könnten verzögern. Die USA begründen sie mit der drohenden Abhängigkeit von Russland. Nach einem Urteil der WTO wegen unzulässiger EU-Subventionen dürfen die USA 2020 Strafzölle auf Importe aus der EU im Wert von 7,5 Mrd. € erheben. Die USA führen US-Zölle in Höhe von 25% auf EU-Weinimporte ein. Das trifft Winzer aus Deutschland, insbesondere RLP, hart. Riesling - Winzer von der Mosel exportieren 80% in die USA. Die USA sind weltweit der größte Exportmarkt für deutsche Weine. Die USA erwägen sogar eine Erhöhung auf 100%. Deutsche Winzer, insbesondere aus RLP,  fordern Kompensationszahlungen vom Bund. Im Streit um die rechtswidrigen EU-Subventionen für Airbus fallen die Sanktionen der USA im Sommer 2020 milde aus: Es trifft nur Marmeladen aus Deutschland und Frankreich mit 25%. Ebenso sind Backwaren (Süßgebäck: Kekse und feinere Backwaren) betroffen. Im ersten Halbjahr 2020 bricht der Export um 30% ein. Der Zoll beträgt hier 25%. Auch hier fordert der Verband Ausgleichszahlungen.  2021 streben die EU und die USA eine Lösung beim Streit um Strafzölle an. ein Gipfeltreffen findet in Brüssel statt (mit Biden). Mittelfristig sollen Zölle fallen. Biden muss vorsichtig sein wegen Wahlkreisen der Republikaner. Beim Streit zwischen Boing und Airbus einigt man sich. Auf dem G20-Gipfel Ende Oktober 2021 in Rom geben die USA bekannt, dass diei Strafzölle auf Stahl und Aluminium wegfallen sollen. Das soll nur für nachhaltige Produktion gelten, wobei China als umweltschädlich definiert wird. 2022 kommen Analysen zu dem Schluss, dass der Protektionismus von Trump ein Fehlschlag war: Er hat einmal dei Inflation erhöht (um bis zu 2 Prozentpunkte) und zum anderen die Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe eher verringert. Vgl. Strain, Michael: Wie sich durch Freihandel die Inflation bändigen lässt, in: WiWo 27/ 1.7.22. Mitte 2022 macht Biden ein milliardenschweres Gesetzespaket gegen die Inflation. Es soll im Auftrieb für die Midterm-Wahlen im November geben. Dabei werden E - Autos - Hersteller aus Drittländern diskriminiert. Steuervergünstigungen von bis zu 7500 $ gibt nur für Autos von US-Herstellern. Das trifft Deutschland besonders hart, weil auch der chinesische Markt Probleme bereitet. Im September 24 plant die US-Regierung eine nächste Importhürde.  Es soll ein Dekret verabschiedet werden, dass chinesische Hard- und Software in intelligenten Autos verbietet. Handelsministerin Gina Raimondo begründete dies mit Befürchtungen um die nationale Sicherheit und die Privatsphäre von US-Bürgern. Vgl. HB 24.9.24, S. 1. Im August 2018 gibt es eine Umfrage unter US-Ökonomen. Nach Einschätzung der Ökonomen schadet die Zollpolitik der USA der heimischen Wirtschaft (NABE). 60% fordern mehr Kampf gegen Klimawandel, 74% mehr Maßnahmen gegen die Einkommensunterschiede. 

Wirkungen der US-Zölle auf Stahl und Aluminium in der EU: Die Preise für Stahl und Aluminium können steigen. Es sind wichtige Vorleistungen für die Automobilindustrie. Es kann zu Umlenkungseffekten kommen. So könnte billiger Stahl aus China in die EU drängen. Deshalb sind Retorsionszölle unerlässlich. Die EU arbeitet dabei mit Freimengen (nur Überkapazitäten sollen erfasst werden). Auf jeden Fall lösen die US-Zölle weltweite Dominoeffekte aus. Produktionsverlagerungen und Jobverluste sind mittel- bis längerfristig möglich, aber schwierig vorauszuberechnen. Zölle (Importzölle) wirken sich auch nie nur auf die Importe aus. Sie reduzieren immer auch die Exporte (theoretische Begründung: Lerner Symmetry Theorem). Im Sommer und Herbst 2018 kommt es zu einem Export - Boom von Soja aus den USA. Die USA lösen Brasilien als Hauptlieferant ab. Die Sojabohnen aus Brasilien braucht auch China. Beim Containervolumen sind noch keine größeren Auswirkungen zu sehen. Anders ist dies beim Handel der USA mit Asien: im ersten Halbjahr 2018 gehen weniger Container von den USA nach Asien, aber mehr Container von Asien in die USA. Nach einer Studie des IW in Köln von 2019 profitieren Mexiko, Kanada und Frankreich am stärksten vom Handelskrieg. Das US-Handelsdefizit gegenüber der EU und auch gegenüber China schrumpft Ende 2019 (global um 4,7% auf 52,5 Mrd. $).  Im Oktober 2020 verhängen die USA noch mal Import-Zölle gegen Aluminium aus Deutschland (zwischen 541 und 353%; betroffen sind 18 Staaten; vorübergehend; Strafzölle). Der stahl bleibt Knackpunkt in Handelsverhandlungen zwischen der USA und der EU 2023. Es geht um grünen Stahl.

Beurteilung der Auswirkungen der US-Zölle: Die US-Wirtschaft kommt bis 2019 damit sehr gut zurecht. Die Aktienkurse der Unternehmen sind im normalen Bereich, die ALQ ist historisch niedrig. Bisher sind die politischen und ökonomischen Kosten für Trump noch nicht so hoch, dass er aufgibt. Die US-Konsumenten tragen bisher die Kosten, ohne das sie es merken. Bisher verhalten sich die meisten Staaten eher gemäßigt gegen Trump und halten die Retorsionszölle im Rahmen (EU, Japan, China). Wenn diese Staaten sich härter verhalten würden, könnte eine weltweite Rezession drohen. Eine Verschärfung tritt dadurch ein, dass der chinesische Renminbi abgewertet wird. Durch indirekte Zolleffekte sind viel mehr Staaten betroffen: Sie entstehen, weil mit Importzöllen belegte Produkte z. B. in Deutschland oder der EU als Vorleistungen verwendet werden. Außerdem scheint der Handelskrieg Dauerzustand zu werden. Damit entsteht einen große Unsicherheit, die dem Außenhandel auch nicht gut tut. Fraglich ist, ob Trump eines seiner Hauptziele erreicht, nämlich die Garantie für heimische Jobs. In der Schuhindustrie der USA gibt es schon seit 1930 hohe Einfuhrzölle in die USA. Trotzdem kommen 2018 98% aller Schuhe aus den Ausland, 75% davon sind aus China. Die neue Einfuhrabgabe liegt bei 68,5%.  Trotzdem sind die Betriebe in den USA nur Nebenbetriebe in Nischen. Es fehlen Fachkräfte und Zulieferer, die für Gründungen notwendig wären. Das Handelsabkommen mit Vietnam durch Obama, treibt die Produzenten nach Vietnam. Nur die Preise in den USA steigen. Im ersten Halbjahr 2019 zeigen sich deutliche Wirkungen der Zölle im Handel zwischen den USA und China: US-Exporte nach China -12%; US-Importe aus China -19%. Die obersten 10% der Spitzenverdiener sind für 50% der Konsumausgaben verantwortlich. Damit hat sich der Anteil der Superreichen am  Konsum seit 2008 fast verdoppelt. Quelle: Moody`s. Seit dem Ausbruch des Handelsstreits kaufen die Amerikaner aber weniger in den USA oder halten ihr Geld mehr zusammen, weil sie Angst haben. Sehr stark wird in den USA dadurch die "Wohlstandsarbeit" getroffen. Das sind persönliche Dienstleistungen armer Bürger für Reiche. Auch der Markt für Luxusimmobilien bricht ein. Edelboutiquen und Auktionshäuser haben Probleme. Die Zölle gegen China senken nicht das das Handelsbilanz-Defizit der USA: Im November 2016 beim Wahlsieg von Trump betrug das Defizit 68 Mrd. $. Im Juli 2020 betrug es schon 89 Mrd. $ (Gründe: Amerikaner sparen viel, viele Betriebe umgehen Zollhürden, Corona hat Exportmärkte beschädigt; Quelle: United States Census Bureau 2020). Es kamen weitere Effekte hinzu: US-Unternehmen kauften Vorprodukte in anderen Ländern (Vietnam, Mexiko). Der Dollarkurs war vor Corona stark gestiegen, so dass sich Importe verbilligten. Der Neoprotektionismus kostet viel Geld: Rettungspakete für Bauern, US-Autos wurden nicht mehr verkauft. 2019 weisen die USA schließlich das höchste Handelsdefizit seit 14 Jahren auf. Der Protektionismus der USA ist gescheitert. Berechnungen des Center for Economic Policy Research in London sehen die volkswirtschaftlichen Verluste durch die Handelsbeschränkungen in den USA bei rund 6,6 Milliarden Dollar im Monat. Das wären 80 Mrd. $ im Jahr und ein halbes Prozent der jährlichen Weltwirtschaftsleistung. Der Handel zwischen den USA und China bricht von Januar 2019 bis Juli um 13,4% ein.  "Wenn Waren nicht die Grenzen überqueren, dann werden es Soldaten tun", Frederic Bastiat, französischer Ökonom (1801 - 1850).

Beurteilung der US-Ökonomen (Nabe): Die Ökonomen sehen 2019 eine Rezessionsgefahr durch die protektionistische Handelspolitik. Mit 60%-Wahrscheinlichkeit sehen sie bis 2020 eine Rezession. Sie schätzen einen Wachstumsrückgang (2019: 2,6%; 2020: 2,1%).

Protektionismus unter Biden: Biden setzt die protektionistische Handelspolitik der USA konsequent fort. Die EU merkt das relativ spät, weil sie ansonsten eine gute Kommunikation mit der US-Regierung pflegt. Außerdem haben die USA Europa stark im Ukraine-Krieg unterstützt bzw. waren die treibende Kraft. Aber schon der Krieg lag voll im Interesse der USA. Die EU muss sich in ihrer Energiepolitik von Russland lösen und das teurere LNG aus den USA kaufen. Deutschland muss   sich aus der Abhängigkeit von China befreien. Das Aufrüstungsprogramm kommt in erster Linie amerikanischen Rüstungsfirmen zugute.  Das IRA (Inflation Reduction Act) mit mindestens 370 Mrd. $ ist nur für Unternehmen, die ihre Lieferketten voll in den USA haben. So werden Investitionen in die USA umgelenkt (die EU will sich mit eigenen Programmen gegen die Abwanderung ihrer Industrie wehren). Das Programm löst weltweit Sorgen vor einem Investitionswettlauf aus. Abe res läuft nicht so reibungslos. Nach zwei Jahren 2024 gibt es 172 Projekte, 112 Billionen US-$ Investitionen, 93.400 Arbeitsplätze. Offenbar gibt es auch in den USA viel Bürokratie. Vgl. Die Zeit 37/ 29.8.24, S. 24.

Stellung der US-Konzerne: 600 Firmen fordern im Juni 2019 eine Lösung des Konflikts mit China. Preise in den USA müssten nach oben gehen und Arbeitsplätze seien gefährdet. Die Verunsicherung sei groß.

EU-Abwehrgesetz (Iran, Tauschbörse; Handelsgesellschaft Instex): Es ist ein bestehendes Gesetz, dass die EU wieder aufleben lässt. Europäische Unternehmen, die mit Iran Handel treiben, können notfalls vor US-Sanktionen geschützt werden. Man spricht von "Blocking Statute". Die Möglichkeit besteht, dass die europäischen Unternehmen für möglicherweise entstehenden Kosten und Verluste entschädigt werden. Theoretisch könnten sie sogar für das Halten an US-Sanktionen bestraft werden. Ob dies in der Praxis funktioniert, dürfte aber fraglich sein. Im Zweifel entscheiden sich Unternehmen für die USA, weil der Markt wichtiger ist. Das Problem sind auch die Banken. US-Banken und ihre Töchter haben den Zahlungsverkehr in der Hand (Dominanz der USA auf den Finanzmärkten). Die großen deutschen Banken ziehen sich schon aus dem Iran eher zurück (Commerzbank, DZ Bank). Die EU fordert von den USA, keine Strafen gegen europäische Firmen zu verhängen. Der Export deutscher Firmen in die USA macht 8,7% der deutschen Gesamtexporte aus, während der Anteil des Iran bei 0,3% liegt. Folglich verzichtet etwa Herrenknecht (Tunnelbohrmaschinen) auf das Iran-Geschäft, um das USA-Geschäft nicht zu gefährden. Beim Iran-Boykott gibt es immer einen Gewinner, das ist China. Deutsche mittelständische Unternehmen suchen nach Schleichwegen im Handel mit dem Iran. Sie nutzen informelle Kanäle. Die Europäer erwägen, über eine Zweckgesellschaft Exporte und Importe mit dem Iran zu verrechnen (eine Art Basar). In dieser Tauschbörse bzw. Plattform sollen Forderungen  iranischer und europäischer Unternehmen verrechnet werden. Der Iran importiert vor allem Chemische Produkte, Nahrungsmittel und Verarbeitete Produkte aus der EU. Der Iran exportiert genauso Nahrungsmittel, Chemische Produkte und Verarbeitete Produkte in die EU. Noch 2018 ziehen sich die DAX-Unternehmen komplett aus dem Iran zurück. Trump leitet im September 2018 eine Sitzung des Welt-Sicherheitsrates in New York: Er fordert eine rigorose Linie gegen den Iran und droht nochmals allen Unternehmen, die Geschäfte im Iran machen, mit Sanktionen. Das oberste UN-Gericht entscheidet im Oktober 2018, dass die USA die Sanktionen gegen den Iran teilweise aufheben müssen: Das gilt für humanitäre Güter. Betroffen sind Medikamente, Nahrungsmittel, Agrarprodukte und Flugzeugteile. Im Oktober 2018 häufen sich die Anzeichen, dass die EU eine Bank für Iran-Geschäfte gründet. Zunächst soll eine Zweckgesellschaft mit Russland und China entstehen als Tauschbörse. Später soll so schnell wie möglich die Banklizenz folgen. Die US-Sanktionen gegen den Iran dürften wenig Auswirkungen auf den Preis des Öles haben. Hauptabnehmer sind die Türkei, China und Indien, die bei den Sanktionen nicht mitmachen. Dies garantiert ein Überleben der iranischen Ölindustrie. Im April 2019 verschärfen die USA ihre Sanktionen gegen den iranischen Ölverkauf. Sie weiten die Sanktionen auf die Käufer aus (China, Indien, Japan, Italien). Im Zweifel entscheiden sich die Unternehmen immer noch für die USA statt für Iran. Bisher ist es nicht gelungen, den Iran in das Finanzsystem zu integrieren mit normalem Zahlungsverkehr. Immer mehr deutsche Unternehmen gehen Richtung Krypto - Währung. Deutschland, Frankreich, Großbritannien gründen die Handelsgesellschaft Instex, um Geschäfte mit dem Iran trotz US-Sanktionen machen zu können. Im Dezember treten die Niederlande, Belgien, Dänemark, Finnland, Schweden, Norwegen bei. Es geht vor allem um den Absatz iranischen Erdöls im Ausland. 2018 betrug der Außenhandelsüberschuss Deutschlands gegenüber dem Iran noch 1,0 Mrd. €; 2019 fällt er auf 1,0 Mrd. €. Instex scheint nicht zu funktionieren. Im Hindergrund wirkt auch stark die Drohung von Trump, dass die EU hart gegen den Iran vorgehen soll, ansonsten führt die USA Autozölle ein. Erstmals umgeht die EU in großem Ausmaß 2020 die US-Sanktionen gegen den Iran. Das machen Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Bei den Ausführen handelt es sich um medizinische Güter. Im Iran ist die Plattform STFI der Partner. Die Entwicklung von Instex dauerte viel länger als zunächst geplant.

Im Februar 2019 findet die EU einen anderen Weg, die US-Sanktionen zu umgehen. Es wird von den führenden Staaten der EU (Deutschland, Frankreich, Großbritannien) eine Gesellschaft gegründet, über die der Handel abgewickelt werden soll. Sie heißt Instex und hat ihren Sitz in Paris. Geschäftsführer der frühere Deutsche Bank-Manager Per Fischer. Primär geht es um die Rettung des Atomabkommens mit dem Iran. Grundprinzip der Gesellschaft soll der Tauschhandel sein. Die EU-Staaten tauchen Waren gegen Öl. Die USA erwägen im August 2020 die Iran-Sanktionen zu verlängern. Die EU sieht dafür keine Berechtigung. Die USA wollen die Sanktionen wieder einführen, die vor dem Atomabkommen galten. Der UN-Sicherheitsrat lehnt ab (mit Stimme Deutschlands; bezweifelt die Zuständigkeit der USA, weil sie vom Abkommen zurückgetreten ist).

Neue EU-Handelsstrategie: 2021 feilt man an einer Strategie. Die Koordination liegt beim Handelskommissar Dombrovskis. Man will die Interessen gegenüber China und den USA verteidigen. 85% des Wachstums findet mittlerweile außerhalb Europas statt. Im Handel mit den G20-Staaten will die EU das Ziel der CO2-Reduzierung festschreiben. Auch auf der WTO-Ebene soll der Klimaschutz mehr Beachtung finden. Das Lieferkettengesetz soll zur Grundlage werden. Im Verhältnis zu China und den USA sucht man den Schulterschluss mit Biden. Die EU will ein Instrument bis zum Jahresende schaffen, um auf den Versuch der USA zu reagieren, auf europäische Gesetze Einfluss zu nehmen. Vgl. FAZ 18.2.2021, S. 19.

EU-Handelsverträge mit Rohstoffversorgung kombiniert: Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und seine ökonomischen Folgen (Krise, Wirtschaftssanktionen) macht den Begriff "Strategische Autonomie" in der EU aktuell. Man will sich aus der Abhängigkeit dominanter Handelspartner befreien. Die Rohstoffversorgung soll berücksichtigt werden. Russland soll isoliert werden. Neue Staaten werden anvisiert: Neuseeland, Australien. Die Zahl der bilateralen Handelsverträge sollen erweitert werden. Am größten bei den bilateralen Partner ist bisher der Handel mit der Schweiz (21,5Mrd. €), vor der Türkei (11,3), Japan (9,4), Norwegen (7,8), Süd-Korea (7,7).  Vgl.Sauga, Michael: TTIP, aber nachhaltig, in: DER Spiegel Nr. 13/ 26.3.22, S. 68ff.

Global Gateway der EU (gegen den Expansionskurs Chinas/ Seidenstraße): Im November 2021 entwickelt die EU einen 300-Milliarden-Plan (Global Gateway). Sie will das Geld investieren, um Infrastrukturprojekte weltweit zu fördern. Es ist Europas Antwort auf Chinas Seidenstraßeninitiative. Die EU will zu einem geopolitischen Akteur werden. 147 Mrd. € sollen von Europäischen Entwicklungsorganisationen wie der KfW kommen. Europa ärgert es besonders, dass bei den Ausschreibungen der "Belt and Road" - Initiative der Chinesen europäische Unternehmen so gut wie keine Chancen haben. Die USA sind mit ihrer Gegen-Strategie allerdings voraus ("Leuchtturmprojekte" beginnen schon Januar 22; "Build back better World"). Auch Japan will agieren. Im Rahmen der G7 sollen die Projekte verzahnt werden.  Vgl. HB 30.11.21, S. 1. Der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine könnte die Neue Seidenstraße massiv behindern. Diese Strategie setzt auf eine Konzeption von Eurasien. Wenn Russland isoliert ist und Länder in Osteuropa und Südeuropa von der EU nicht mehr abzuspalten sind (der Krieg eint die EU) wackelt die Konzeption. Vgl. Klein, Martin: Krieg in der Ukraine, in: Wirtschaftsdienst H. 3/ 2022, S. 157. Im April 2022 wird das Global Gateway-Projekt wieder belebt. Mit ihm will die EU ihren Einfluss in der Welt ausbauen (Entwicklungspolitik). Die stärkere internationale Vernetzung soll die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken. Es sollen auch demokratische Werte und Standards gefördert werden.

EU-Paket gegen Erpressung durch Drittstaaten im Handel: Im März 2023 einigen sich das Europaparlament und der Ministerrat auf ein neues Handelsinstrument gegen Erpressung. Es ist insbesondere gegen China entwickelt worden. Es soll ein Schutzinstrument sein, dass verhindert, dass Drittstaaten Handel als politische Waffe einsetzen. Ausgangspunkt war die Blockade Chinas für Litauen bei Eröffnung eines Büros von Taiwan. Gegenmaßnahmen der EU sind Zölle, Einfuhrbegrenzungen, Zugang zum EU-Binnenmarkt, Beteiligung bei öffentlichen Ausschreibungen. Die EU soll zunächst direkt mit dem betroffenen Drittstaat verhandeln. Bei Nichtzurücknahme soll gehandelt werden. Vgl. FAZ 29.3.23, S. 19.

Handelskrieg: Die Einführung von immer mehr Straf-Import-Zöllen durch die USA 2018 könnte zu einem Handelskrieg führen. Viele betroffene planen mit Retorsionszöllen. Gravierender könnten Domino-Effekte sein: Insbesondere die asiatischen Anbieter dürften auf Europa ausweichen. Trump will mit den Zöllen seine Wähler belohnen, d. h. traditionelle Industriezonen wie der Rust-Belt, sollen geschützt werden. Auch diese Art des Protektionismus könnte Schule machen. Die Verarbeitende Industrie in den USA könnte Nachteile haben. Autos könnten z. B. teurer werden, weil die Vorleistungspreise durch Zölle steigen. Auch viele langlebige Gebrauchsgüter werden im Preis steigen und vielleicht nicht mehr gekauft werden. Zölle führen immer zu höheren Preisen und Nachteilen von Konsumenten (Konsumentenrente). Sofort protestieren die EU, Kanada, China, Australien, Mexiko und Russland. Man will auch vor der WTO klagen (allerdings kaum Sanktionsmöglichkeiten). Aus Handelskriegern ist selten ein Sieger hervorgegangen. Betroffen sind auch vor allem Verbündete der USA, in erster Linie Kanada. Es soll allerdings Sonderregelungen für Kanada und Mexiko geben. Trump will die Zölle auf Importautos ausdehnen (EU bisher 10%, USA 2,5%). Die Berufung auf die nationale Sicherheit gibt dem Präsidenten immer einen größeren Handlungsspielraum, wie die Zölle stark innenpolitisch motiviert sind 8nur ein Bruchteil für das Militär). Die EU erwägt Retorsionszölle (Erdnussbutter, Orangensaft, Harley Davidson, Wiskhey). Damit dies nicht passiert, droht Trump mit Importzöllen für Autos. Auf jeden Fall will sie vor der WTO Beschwerde einlegen (die kommt im April 2018, Schlichtungsstelle, erwägt auch Vergeltungszölle). Diese Zölle sind mehr symbolisch und sollen gezielt Wahlkreise von Republikanern treffen. Wahrscheinlich wäre es strategisch sinnvoller, die Handelsintegrationen mit dem Rest der Welt auszubauen (China, Indien, Südamerika). Die EU hat das Problem, dass sie nicht als geschlossenes System betrachtet wird, sondern eher die starken Länder im Vordergrund stehen. Die USA sind von China und Japan finanziell abhängig, nicht von Europa. Vielleicht hat der Handelskrieg den Vorteil, die EU zusammenzuschweißen. Einfach wird das nicht, weil die großen Wettbewerber gezielt versuchen, Europa zu spalten (die USA Deutschland und GB vom Rest; China Osteuropa, Russland Südeuropa). So ist die EU zuviel mit sich selbst beschäftigt. Beim G7-Gipfel in Quebec/ Kanada kommt keine Abschlusserklärung zustande. Die USA stehen gegen die anderen sechs. Ein ganz entscheidender Punkt wären US-Zölle auf Autos. Damit würde das Herz der deutschen Volkswirtschaft getroffen. Der Schaden wäre immens, es müssten auch Liefer- und Produktionsketten umgestellt werden. Dann müsste die EU eigentlich gegen US-Dienstleistungen vorgehen (digitale Umsatzsteuer). Harley-Davidson will ein Teil der Produktion ins Ausland verlagern (Folge der ausländischen Retorsionszölle). Insgesamt sind die Folgen eines Handelskrieges unmöglich zu prognostizieren. Das liegt auch daran, dass sich Unternehmen verteidigen. Sie finden immer wieder neue Tricks und Wege (oft in der Preispolitik oder mit Lobbyismus). Manche Firmen erwägen auch eine Standortverlagerung aus den USA heraus (z. B. BMW aus Spartanburg/USA nach China). Vorübergehend führt der Handelskrieg auch zu einer Ausweitung des Handels, weil Transaktionen vorgezogen werden. Trump droht regelmäßig mit einer Ausweitung der US-Zölle. Bei der EU auf Autos, bei China auf alle Produkte. Der Widerstand in den USA wächst (Hersteller, Verbände, Zulieferer, Bundesstatten). Vor allem das Argument "nationale Sicherheit" wird zunehmend in Frage gestellt. Am 23.08.18 werden neue Sonderzölle von den beiden größten Wirtschaftsnationen verhängt: 25% auf Waren im Werte von 16 Milliarden Dollar. USA: Zölle auf Halbleiter, Chemikalien, Plastik, Motorräder, Elektroroller. China: Benzin, Autos, Stahl, Medizintechnik. Auf dem G20-Gipfel Anfang Dezember 2018 in Buenos Aires sprechen Trump und Xi Jinping miteinander. Sie vereinbaren, bis März 2019 keine weiteren Zölle zu erhöhen. Die Chinesen versprechen, mehr amerikanische Waren zu kaufen. Auf dem G20-Gipfel im Juni 2019 vereinbaren die USA und China ein Fortsetzen der Handelsverhandlungen, es kommt zu einem "Waffenstillstand". Was bleibt ist die hohe Unsicherheit. Sie ist die effektivste Waffe von Trump im Handelskrieg, wirkungsvoller als Zölle. Im August 2019 kündigt Trump an, dass die Zölle auf chinesische Waren erhöht würden (auf 30%, die vorher bei 25% waren; auf 15%, die vorher bei 10% waren). China will seine Zölle auch erhöhen. Anfang November 2019 kommt man zu einer Verständigung, Sonderzölle wieder abzubauen. Es soll schrittweise abgerüstet werden. Im Dezember 2019 (Treffen zwischen Trump und Xi Jinping) soll ein Handelsvertrag abgeschlossen werden. Ein erstes Abkommen kommt im Januar 2020 zustande: Unterschrift am 15.01.20 im Weißen Haus. China erhöht seine Importe aus den USA. Probleme bei geistigen Eigentum und Technologietransfer sollen gelöst werden. Die USA verhängen nicht angedrohte Strafzölle (150 Mrd. US-$). Die bestehenden Zölle bleiben bestehen bis zu einem vollständigen Abkommen.   Die neue Handelspolitik der USA wird aktiv von einer Clique gelenkt: Dazu gehören Handelsminister Wilbur Ross, der Handelsbeauftragte Robert Lightnizer und der Exprofessor Peter Navarro. Sie vertreten als Klienten Stahlunternehmen oder haben Aktienpakete dieser Unternehmen. Navarro hat ein Buch mit dem Titel "Tod durch China" geschrieben. Ihre Macht ist gewachsen, seit der Leiter des Beratergremiums Gary Cohn praktisch nichts mehr zu sagen hat. Er tritt später zurück. Nachfolger wird Larry Kudlow. Er signalisiert eine harte Gangart gegen China und die EU, obwohl er als Befürworter des Freihandels gilt. Sein Credo kann in zwei Sätzen zusammengefasst werden: der freie Markt ist König. Steuern sind Gift. Kudlow kommt vom Fernsehen (eine Art Showmaster, immer wieder von Alkohol und Drogen belastet). Im März 2018 kurz vor Inkrafttreten der Importzölle auf Stahl und Aluminium reisen Bundeswirtschaftsminister Altmaier und die für den EU-Handel zuständige Kommissarin Malmström in die USA. Sie wollen Ausnahmeregelungen für die EU erreichen. Die Zölle für Aluminium, die eigentlich am 23.03.18 in Kraft treten sollten, werden für die EU, Argentinien und Australien auf später verschoben. Dies gilt dann auch für Stahl (zumindest bis 01.05.18). Bei China spricht Trump jetzt von Diebstahl geistigen Eigentums und will Strafzölle auf ausgewählte Produkte erheben. Für China treten die Zölle ab 23.03.18 in Kraft. Weitere Produkte sollen folgen. China erwägt Retorsionszölle (u. a. Schweinefleisch, Früchte, Wein). Dann kommt China aber den USA entgegen und will verhandeln. Südkorea handelt eine dauerhafte Ausnahme von Strafzöllen aus. Die Retorsionszölle  kommen auch im April 2018. Neben den drei eben genannten Produkten sind 125 weitere betroffen. Die Zölle liegen zwischen 15 und 25%. Am 04.04.18 erweitern die USA die Liste an Produkten, die mit Einfuhrzöllen belegt werden (50 Mrd. Dollar). Es handelt sich um ca. 1200 Produkte, jetzt auch im industriellen und High-Tech-Bereich (wichtigste Warengruppen sind Mobiltelefone, Spielzeug, Kleidung;  10% der chinesischen  Exporte in die USA). China antwortet sofort mit über 106 Retorsionszöllen (u. a. Soja, Autos; wichtigste Warengruppen sind Boing -Flugzeuge, Sojabohnen, Neu- und Gebrauchtwaren; ca. 38% der US-Exporte nach China). Die meisten Zollsätze liegen bei 25%. Treffen könnte es auch Whiskey, Zigarren, Orangensaft. Die beiden größten Volkswirtschaften befinden sich auf Kollisionskurs. Führende deutsche Autofirmen sind betroffen. Daimler und BMW exportieren Autos aus den USA nach China (M- und X-Klasse).  Xi Jinping kündigt dann im April 2018 eine Marktöffnung an. Es soll Zugeständnisse gegenüber den USA geben. Eine gute Fallstudie zu den Vor- und Nachteilen der Protektion ist folgende: Gary Hufbauer/ Sean Lowry: US Tire Tariffs: Saving Few Jobs at High Costs, Washington: Peterson Institute for International Economics, April 2012. Schließlich einigt sich China mit den USA im Handelsstreit vorerst: Es gibt keine Zölle. China importiert mehr US-Waren (ohne konkrete Mengenzusagen). Dann kündigen die USA wieder Zölle auf weitere chinesische Exportgüter an: 200 Mrd. Dollar, Inkrafttreten im September 2018,. China kündigt Gegenmaßnahmen an. Ab Ende August kommen weitere Zölle der USA gegen  chinesische Produkte (Chemikalien, Elektronik; am 08.08.18 verkündet). Sofort werden chinesische Retorsionszölle angekündigt (Energie, Rohstoffe). Beim G20-Treffen Anfang Dezember 2018 wollen sich China und die USA treffen und über den Handelsstreit austauschen. Man kommt zu einer Einigung: Bis Ende März 2019 gibt es keine Zollerhöhungen. China erhöht seine Importe aus den USA, vor allem bei Agrarprodukten. Der Handelskonflikt schadet massiv den US-Whiskey-Exporten. Die Ausfuhren brechen im zweiten Halbjahr 2018 ein (Retorsionszölle). Vgl. Oermann, Nils Ole/ Wolff, Hans-Jürgen: Wirtschaftskriege. Geschichte und Gegenwart, Herder 2019. "Die erstrebenswerte Zukunft der Globalisierung liegt nicht in mehr Entgrenzung, sie liegt in der Rückbindung der Ökonomie an territorial gebundene politische Verantwortung", ebenda.

Kosten eines Handelskrieges: Handelsgewinne sind groß und Handelskriege teuer. Etwa ein Viertel des weltweiten Realeinkommens ist auf Handelsgewinne zurückzuführen. Ein Handelskrieg würde etwa ein Viertel der Handelsgewinne zerstören. Vgl. Ralph Ossa: Wie teuer wäre ein Handelskrieg? in: Wirtschaftsdienst 2018/ Sonderheft, s. 13ff. In den USA leidet besonders Kalifornien durch den Handelskrieg. Der Bundesstaat stellt die fünftgrößte Volkswirtschaft der Erde. Für die Tech - Industrie ist die US-Handelspolitik alles andere als hilfreich.

Historische Handelskonflikte: 1. Opiumkrieg zwischen China und England. Zu Beginn des 1900 Jahrhunderts liebten die Engländer Tee, Seide und Porzellan aus China. Die Briten zahlten mit Silber. Es gab ein großes Handelsdefizit bei England. Also ließen die Briten Schlafmohn in ihrer Kolonie Bengalen anbauen und exportierten diesen nach China. Die Handelsbilanz drehte. 1839 erließ der chinesische Kaiser ein Einfuhrverbot für Opium. Darauf griff England mit seiner Kriegsflotte an und entschied 1842 den Krieg für sich. 2. USA gegen die anderen Staaten. In der großen Depression führte Präsident Hoover Zollerhöhungen für 20.000 Produkte ein. Im Schnitt stiegen die Importzölle um 15%. Die anderen Staaten führten Retorsionszölle ein. Folge war ein desaströser Abwertungs- und Zollwettlauf zwischen 1929 und 1932. 3. 1846 hob Großbritannien die Vorzugsbehandlung von Agrarimporten aus seinen Kolonien auf. Auch Kanada war betroffen. 1867 entstand die kanadische Konföderation, später der Staat Kanada. 

Historische Handelsgesellschaften: Als großes Vorbild dient die VOC aus den Niederlanden. Traditionell lief der Handel zwischen China/Asien  und Europa Jahrhunderte über die Seidenstraße (Blüte: Tang-Dynastie, Ming und Qing - Dynastie). Im 17. Jahrhundert kam immer mehr der Seeweg dazu. Führend im Handel mit Südostasien waren Portugal und die Niederlande. Der Portugiese Vasco da Gama hatte den Seeweg nach Asien entdeckt. Huygen und Barents aus den Niederlanden entdeckten neue Seerouten nach China. Daraus entstanden drei Bücher. Sie berichten über den Handel mit Indien, China und Japan. Die Niederlande wollten Malaysia zu ihrem Stützpunkt machen, um das portugiesische Gewürzmonopol zu brechen. Schließlich wurde 1602 die VOC gegründet (Vereinigte Ostindische Companie für Handel). Es war Teil des niederländischen Unabhängigkeitskampfes gegen Spanien und Portugal. Zum Hauptstützpunkt wurde Indonesien. Vgl. J. Elvert: Europa, das Meer und die Welt, München 2018, S. 264ff.

Berechnung des Nutzens aus dem Handel (Zahlungsbilanz-Statistik): Die Zahlungsbilanz muss insgesamt betrachtet werden. Trump führt nur das Defizit der USA in der Handelsbilanz an: +150 Mrd. Dollar übersteigen die Exporte der EU  die der USA 2017. Beim Einkommen aus Direktinvestitionen hat die EU -100 Mrd. weniger Einkommen als die USA. Bei Dienstleistungen  hat die EU ein Defizit von -50 Mrd. $ gegenüber den USA. vgl. Jens Südekum: Hat Trump falsch gerechnet? in: Die Zeit, Nr. 26,  21. Juni 2018, S. 28.

"Marshallpläne" (Hilfsprogramme):  In der Regel handelt es sich um Kooperationen oder Initiativen. Bekannt isr der Plan von M. Jafar, CEO des Öl- und Gasunternehmens Crescent Oil. Er will reiche Länder wie Saudi-Arabien verpflichten, armen Ländern wie Ägypten und Marokko zu helfen. Bekämpft werden sollen damit die hohe Jugendarbeitslosigkeit in den arabischen Ländern. Auch die bessere Integration von Frauen in die Arbeitswelt soll gefördert werden.

Zollunion mit der Türkei: Es gibt ein Abkommen von 1996 zwischen der EU und der Türkei. Die Türkei ist das einzige Nicht-EU-Mitglied in der Zollunion. Das Handelsvolumen hatte sich danach vervierfacht. Das Abkommen ist auf Agrarprodukte, öffentliche Auftragsvergabe und Dienstleistungen beschränkt.  Die Türkei möchte 2017 das Abkommen erweitern; Deutschland legt ein Veto ein. Das Ende der Zollunion würde die türkische Wirtschaft hart treffen. Es wäre die Konsequenz, wenn die Beitrittsverhandlungen zur EU eingestellt würden. Ebenfalls hart wäre es für die Türkei, wenn Kredite nicht gegeben werden (EIB) oder Direktinvestitionen im Land zurückgehen. Griechenland fordert im Oktober 2020 die Eu auf, die Zollunion mit der Türkei zu prüfen. Man verlangt eine Aussetzung.

Zollunion der EU mit Großbritannien nach dem Brexit: Eine vollständige Zollunion könnte eine Lösung darstellen. Dann müsste man aber GB auch Einfluss auf zukünftige Handelsabkommen und Marktzugangsrecht übertragen Das dürfte politisch schwer durchsetzbar sein. Als Problem bliebe weiterhin der britische Dienstleistungsexport zum Europäischen Binnenmarkt.

Zölle der EU gegenüber China: Der EuGH entscheidet im März 2022, dass das Vereinigte Könogreich bestimmte Importe aus China jahrelang nicht ausreichend kontrolliert hat. Dadurch hat GB der EU vermutlich zu wenig Geld aus Zolleinnahmen überwiesen. Damit habe GB gegn EU-Recht verstoßen. Es geht um einen Verlust von 2,7 Mrd. €. Betroffen waren vor allem Schuhe und Textilien.

Außenhandelsförderung: Als Institutionen gibt es in Deutschland die Aka und die KfW (vgl. Finanzierung). Weiterhin stehen Bürgschaften zur Verfügung. Einmal im Rahmen der Forfaitierung (Sonderfall des Factoring). Zum anderen als Hermes Bürgschaften. Allein für den Iran wurden hierfür von Juni 2016 bis Ende 2017 795 Mio. € ausgegeben. 2018 gibt es viele anstehende neue Investitionsprojekte. Es liegen Anfang 2018 108 "Letters of Interest" vor für 28 Mrd. €. Die Krise im Iran könnte die Geschäfte gefährden.

Wirtschaftssanktionen: Beschränkung im Handel zu Ländern, die mit den Sanktionen belegt sind. Sehr lange war Kuba von den USA mit Wirtschaftssanktionen belegt. Nach dem Krimkrieg gibt es Sanktionen der USA und der EU gegen Russland. Der Iran wart lange mit Wirtschaftssanktionen versehen wegen der Atomaufrüstung. Sie enden erst mit dem Atomabkommen. 2018 kündigt Trump dieses Abkommen wieder und führt auch Sanktionen ein gegen ausländische Unternehmen, die mit dem Iran handeln. Die deutsche Wirtschaft bangt um das Iran-Geschäft. Noch größer aber ist die Furcht vor US-Sanktionen. Auch die Türkei wurde schon mit Sanktionen überzogen. Häufig arbeitet man mit Embargos. Andere Maßnahmen sind Strafen gegen Funktionäre/ Politiker, Finanzsanktionen und Wirtschaftssanktionen. Bei Russland und Belarus werden die Grenzen deutlich. Vor allem, wenn die Mittel häufig und über lange Zeit eingesetzt werden. Es gilt: je weniger, desto wirksamer. Vgl. auch: Thumann, Michael: Sanktionen? in: Die Zeit Nr. 44, 28.10.21, S. 25.

Abkopplung von Innovationen: Die USA fahren gegen China diese Strategie. Es ist zu einem Programm geworden. Man will mit aller Macht den Technologievorsprung halten. Besonders Computerchips und KI-Bausteine dürfen nicht an China geliefert werden. Die offene Frage ist: lässt sich Wissen abriegeln und isolieren? Blickt man in die Geschichte muss man die Frage eindeutig mit nein beantworten. Berühmte Beispiele sind die Muranoglasherstellung in Venedig im 17. Jahrhundert, die Lokomotivproduktion in England im 18. Jahrhundert. Auch China selbst konnte die Seidenherstellung nicht geheim halten. Gegenwärtig unterstützt das einen Trend zu zwei Technologiesphären. Vgl. Losse, Bert/ Leonardt, Julia: Wissen lässt sich nicht einsperren. Der Volkswirt, in: WiWo 26/ 21.6.24, S. 34f.

Abkommen zur Ausfuhr von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer (2022): Auf Vermittlung der Türkei von Russland und der Ukraine ausgehandelt. Es sind im wesentlichen Garantien Russlands für die freie Fahrt der Tanker. Es gibt immer wieder Verlängerungen. Russland sperrt sich am Anfang. Es profitieren vor allem die ärmsten Länder. Es ist natürlich auch für die Ukraine von Nutzen. Alternativen mit Bahn und LKW werden permanent verbessert.  Im Juli 2023 verlängert Russland das Abkommen nicht. Es kann seine eigenen Produkte zu wenig absetzen (Dünger, Swift) und verlangt einen Abbau von Sanktionen. Die Ukraine ist zum Alleingang bereit. Russland bombardiert aber schon Odessa und Nikolajew und garantiert nicht mehr die Route übers Schwarze Meer. Die Ukraine und Russland sind wichtige Lieferanten von Mais, Weizen, Gerste, Sonnenblumenöl, Raps. Man braucht die Produkte in Afrika, dem Nahen Osten und Teilen Asiens. Von der Menge her ist China der größte Importeur vor der Türkei.

Keine Zölle auf Landwirtschaftsprodukte aus der Ukraine: Ab Juni 2024 soll das ein weiteres Jahr kommen. Die EU-Bauern wollen die Ukraine-Importe bremsen. Es geht um Getreide, Zucker, Eier, Geflügel. Vgl. Der Spiegel 10/ 2.3.24, S. 57. Man findet dann einen Kompromiss. Es werden Kontingente für Agrarprodukte aus der  Ukraine eingeführt. Mengen, die darüber hinausgehen, werden mit einem Importzoll belegt.

European Council on Foreign Relations (ECFR): Denkfabrik. Von der EU, besonders von Frankreich und Deutschland, mit der Ausarbeitung von Gegenmaßnahmen gegen protektionistische Maßnahmen der USA oder China beauftragt. China droht mit Sanktionen gegen europäische Autokonzerne, wenn Huawei bei G5 nicht zum Zuge kommt. Die USA haben ein ganzes Bündel von Maßnahmen laufen (siehe oben). Dei EU muss eine Katalog von Gegenmaßnahmen haben, der schnell und effektiv einsetzbar ist. Die Taskforce macht folgende konkrete Vorschläge: 1. Europäische Exportbank. 2. Digitaler Euro. 3. Neue EU-Behörde. 4. Gegensanktionen.

Globale Steuerpolitik: Die USA haben lange einen Fiskalimperialismus betrieben. Die großen US-Unternehmen haben im Ausland kaum Steuern gezahlt. Sie haben das Bargeld in der Regel auch außerhalb der USA gebunkert, um dem amerikanischen Steuersystem zu entgehen. Zu nennen sind hier insbesondere Apple, Microsoft, Cisco, Oracle, Alphabet, Johnson&Johnson, Qualcom, Coca-Cola und Amgen. Die EU-Wettbewerbskommissarin leitet 2016 mit Apple den Wendepunkt ein. Immer mehr Regionen in der Welt locken auch 2017 noch mit Steuerschnäppchen: USA, Großbritannien, Osteuropa. Der Steuerwettbewerb dürfte angeheizt werden. Die EU überlegt, die Internetkonzerne nach Unsatz statt nach Gewinn zu besteuern. Damit soll insbesondere Die Steuerausweichung der US-Giganten bekämpft werden. In den USA wird Anfang Dezember 2017 die historische Steuerreform vom Senat gebilligt (es müssen noch Repräsentantenhaus und Präsident folgen, aber wohl sicher): Senkung der Körperschaftssteuer von 35 auf 21 Prozent. Am 20.12.17 wird die Steuerreform beschlossen. Ende 2017 reagiert China sofort auf die Steuerreform in den USA (Ertragssteuersatz von 35 auf 21%). Ausländische Firmen müssen vorerst keine Gewinnsteuern mehr in China zahlen, wenn sie diese im Land investieren. Die Finanzminister der großen europäischen Länder und die EU intervenieren in Washington. Sie sehen eine unerlaubte Subvention für Exporte amerikanischer Unternehmen. Wahrscheinlich kommt der Fall vor die WTO.  auch die Gouverneure einiger US-Staaten wollen vor Gericht (begrenzte Abzugsfähigkeit in einigen Staaten). Die 36 Länder der OECD haben eine Arbeitsgruppe über globale Steuerpolitik. Es geht um einen neue Verteilung des Geldes in der Welt. Auch 128 Staaten des IWF beraten übe reine neue globale Steuerpolitik. Deutschland will eine globale Mindeststeuer.    Das heutige Unternehmenssteuersystem passt nicht zur modernen Wirtschaftsstruktur und zur Globalisierung. Es ist zur Kolonialzeit entstanden. im 18. Jahrhundert wollte GB Anreize für Unternehmen schaffen, in den Kolonien zu investieren. Die Gewinne wurden im Land  der Produktion besteuert. In der Digitalisierung hat sich der Produktionsbegriff gewandelt. so gibt es eine Reihe von Vorschlägen für Alternativen (Land des Konsums, Ausgleichsteuer, Doppelbesteuerrung). 2018 nach der US-Steuerreform holt Apple 252 Mrd. $ aus geparkten Gewinnen in die USA zurück und zahlt 38 Mrd. $ Steuern.

Globaler Pakt gegen Steuertricks: Im Juni 2017 schließen 67 Länder in Paris eine globale Vereinbarung gegen Steuerschlupflöcher globaler Konzerne (am Ende sollen ca. 90 Staaten dabei sein). Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den Teilnehmerstaaten sollen ergänzt werden. Die neuen Regeln wurden von der OECD ausgearbeitet. Sie sollen konsequent das "treaty shopping" verhindern. Den Staaten gehen dadurch jährlich 100 bis 240 Milliarden US-Dollar verloren. Die USA verwehren anderen Steuerbehörden ihre volle Unterstützung.

Konzeption des IWF gegen Steuervermeidung:  2019 legt der IWF das Gutachten "Corporate Taxation in the Global Economy" vor. In ihm werden neue Wege der Besteuerung diskutiert. Der Steuerwettbewerb zwischen den Ländern soll gestoppt werden. Zunächst geht man von neuen Konzeptionen in den USA aus: 1. Global Intangible Low-Taxed Income" (GILTI): Sie betrifft Töchter amerikanischer Unternehmen im Ausland. Das sind Gewinne, die im Ausland unzureichend besteuert werden, nämlich mit einem Satz niedriger als 13,5%. Je höher die Besteuerung im Ausland, desto niedriger fällt die US-Steuer aus. 2. "Base Erosion Anti-Abuse Tax" (BEAT): Für alle Unternehmen mit Sitz in den USA wird mindestens diese Steuer erhoben. Der Steuersatz ist reduziert, aber dafür sind Zahlungen an verbundene Unternehmen im Ausland für Managementgebühren, Zinsen, Patente und Markenrechte nicht abzugsfähig. Ist diese Antimissbrauchssteuer höher als die Steuer nach normalen Regeln , ist sie zu zahlen. 3. Berücksichtigung des gezahlten Gesamtsteuersatzes bei Doppelbesteuerungsabkommen: Gewinne sollten zentral besteuert werden. Nachvereinbarten Kriterien sollten die Einnahmen auf die Länder verteilt werden. Unter diese Kategorie fällt auch die von der EU vorgeschlagene Gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuer (CCCTB). 4. Ein eweitergehende Variante ist die "Destination Based Cash flow Tax". Hier werden Investitionen sofort Gewinn mindernd abgezogen.

Sozial- und Umweltstandards in globalen Lieferketten: Ende 2019 planen Arbeitsministerium und Entwicklungshilfeministerium ein solches Gesetz. Sie wollen Standards in der globalen Produktion erreichen. Das Gesetz kommt dann auch 2021. Vgl. Handel.

CO2-Abgabe als Handelsinstrument (CO2-Grenzausgleich, Border - Taxes): Die EU will CO2-intensive Produkte aus dem Ausland teurer machen, um europäische Jobs zu schützen. Es soll ein CO2-Grenzausgleich kommen. Doch es könnte zu Handelskriegen kommen. Es soll einen CO2-Fußabdruck exportierter Waren geben. Kann das die Klimapolitik effektiver machen? Das Problem dürfte in der Messung liegen. "Eine hersteller- oder produktgenaue Feststellung der Emissionen ausländischer und heimischer Güter ist kaum möglich". Problematisch ist auch die Doppelförderung heimischer Firmen. Sie sind befreit und bekommen kostenfreie Zertifikate. Vgl. Rausch, Sebastian: Lässt sich die Flucht vor dem Co2-Preis wirklich stoppen? in: WiWo 15/9.4.21, S. 43.  Bei importierten Produkten soll der CO2-Verbruach nach versteuert werden. Das betrifft oft nur den Transport. Er ist der beste Schutz vor Öko-Dumping. Man könnte sich an der Mehrwertsteuer orientieren. Er könnte zu einem Eingangstor von Protektionismus werden und handelspolitische Gegenmaßnahmen hervorrufen. Die Idee hat in der EU viele Anhänger. Andere warnen, weil sie erhebliche Gegenmaßnahmen befürchten. Ein gutes Beispiel ist der Strompreis in China und Deutschland: 8 Cent gegenüber 39 Cent pro Kilowattstunde. Der CO2-Preis würde in Zölle eingerechnet.  "Das CO2-Grenzausgleichssystem der EU kann die Verlagerung der Produktion bzw. von Emissionen in Drittländer nur zum Teil verhindern. Es wird sehr hohe Kosten verursachen, nicht zu einer kosteneffizienten Emissionsreduktion beitragen und kaum Anreize für Drittländer schaffen, ihre Emissionen zu reduzieren. Das System ist nicht WTO-konform und wird deshalb Anlass zu handelspolitischen Streitigkeiten und Konflikten geben, unter denen vor allem Deutschland mit seinen hohen Exportüberschüssen zu leiden haben wird. Es spricht vieles dafür, das vorgeschlagene System nicht zu realisieren und die Wettbewerbsnachteile europäischer Unternehmen weiter durch die teilweise kostenlose Zuteilung von ETS-Zertifikaten auszugleichen." Siehe Söllner, Fritz: EU-Pläne für einen CO2-Grenzausgleich, in: Wirtschaftsdienst 8/ 2022, S. 609-617. Auch: Wolf, Andre: Auswirkungen eines CO2-Grenzausgleichs auf nachgelagerte Industrien, in: Wirtschaftsdienst 9/2022, S. 731-734. Auch: Treptow, Thomas: EU-Klimazölle: einnahmen und Emissionsexporte, in: Wirtschaftsdienst 4/ 2023, S. 229.

Kooperative Lösungen zum Klimaschutz: Gegenmodell zum Klimazoll. Angebote an Schwellenländer. Drei Gründe sprechen dafür: 1. Betroffene Grundstoffe werden vor allem aus Russland, der Ukraine und Türkei importiert. 2. Keines der Schellenländer beteiligt sich an den Handelssanktionen gegen Russland. 3. Die Schwellenländer müssen für Dekarbonisierung gewonnen werden. Vgl. Neuhoff/ Goldthau: Kooperative Lösungen zum Klimaschutz, in: HB Nr. 117/ 21.6.22, S. 48.

Zweckentfremdung der Handelspolitik in der EU: Die EU missbraucht Handel für politische Ziele. Zunehmend werden Nicht-Handelsziele in Handelsabkommen eingebaut: Bürgerliche und politische Rechte, Umweltschutz, Wirtschaftliche und soziale Rechte, Sicherheit. Vgl. Olk, Julian: Warnruf: EU missbraucht Handel für politische Ziele, in: HB Nr. 71, Montag, 11. April 2022, S. 6f.

Importverbot der EU aus Umweltgründen:  Anfang Dezember 2022 erlässt die EU ein Verbot für Produkte aus zerstörten Regenwäldern. Das Importverbot gilt für bestimmte Rohstoffe: Kaffee, Kakao, Palmöl, Soja, wenn dafür Waldflächen abgeholzt werden. Es gilt auch für Folgeprodukte wie Rindfleisch, Kautschuk, Holz, Leder, Möbel, Holzkohle. Für die Abholzung gilt die Grenze Dezember 2020. Die Händler haben 18 Monate Zeit, um die Regeln umzusetzen.

US-Klimaschutzprogramm und Investitionsprogramm (Inflation Reduction Act, IRA): Das Programm kommt 2022. Es umfasst 369 Mrd. $. Gefördert wird insbesondere die Energiewende in den USA. Ausländische Unternehmen werden schlechter gestellt. Gefördert werden nur Unternehmen, die die ganze Lieferkette in den USA haben. Die EU fühlt sich durch den Protektionismus benachteiligt. Sie richtet die Industrie-Plattform CleanTechEurope ein, bei der sich Unternehmen beschweren können. Ökonomen haben geteilte Meinungen: Ausgereifte Technologien müssten nicht subventioniert werden. Die EU-Kommission plant trotzdem ein Gegenprogramm. Die 20 größten angekündigten Investments sind: Texas Instruments, Sherman/ Texas: 30 Mrd. $; TSMC, Phoenix / Arizona: 28 Mrd. $; Intel, Chandler/ Arizona: 20; Intel, Licking County/ Ohio: 20; Micron, Clay/ New York: 20: IBM, Hudson Valley/ New York : 20; Samsung, Taylor/ Texas: 17; Micron, Boise/ Idaho: 15; Texas Instruments, Lahi/ Utah: 11; Iberdrola, Massachusetts: 10; Georgia Power, Georgia 7; HiF global, Matagonda County/ Texas: 6; Toyota, Liberty/ North Carolina 5,9; Ford, SK Innovation, Glendale/ Kentucky: 5,8; Ford, SK Innovation, Stanton/ Tennessee: 5,6; LG Energy, Queen Creek/ Arizona: 5,5; Wolfspeed, Pittsboro, North Carolina: 5; Rivian, Madison/ Georgia: 5: Hyundai, SK Innovation, Barlow County/ Georgia: 5; Port of long Beach, Kalifornien: 4,7. Die Förderung hat nach Bereichen folgende Rangfolge: Energie 173; Verarbeitendes Gewerbe 37;  Grüne Finanzierung 45; Industrie 22; Gebäude 51; Verkehr 7. Quelle: WiWo 27/ 30.6.23, S. 16ff.

Bürgschaften: Sie entstehen in den 1920er-Jahren. Ein Berliner Bankier  namens Julius Curtius initiiert sie 1926. 1930 sind  sie wichtig im Handel mit der Sowjetunion für die Messe Leipzig. 1952 kommen sie wieder für die Nachkriegszeit. 1998 gibt es Streit um Atomkraftprojekte in Ausland. Bis heute gehören sie zum Inventar der deutschen Exportförderung. Vgl. WiWo 35/ 23.8.24, S. 94.

Militärausgaben/ Rüstung: Im Jahre 2021 haben die Staaten der Erde erstmals in einem Jahr mehr als 2 Billionen Dollar für ihre Militärapparate ausgegeben. Genau waren es 2,113 Billionen $ (rund 1,94 Billionen Euro). Quelle: Friedensforschungsinstitut Sipri, Stockholm. Die Ausgaben sind im siebten Jahr in Folge gestiegen. Unangefochten an der Spitze stehen die USA (801 Mrd. $). Die Ausgaben waren größer als die der neun weiteren Top - Ten - Staaten. Deutschland liegt auf Platz sieben. Die USA geben 38% ihres BIP für Militär aus. Bei China sind es 14%. Es folgt Indien mit 3,6%. China hat weltweit die meisten Soldaten (2.000.000 vor USA 1.390.000). Die USA führen klar bei den Luftstreitkräften und bei Nuklearspengköpfen. China hat schon mehr Kriegsschiffe. 2030 werden die Militärausgaben Chinas auf 559 Mrd. $ geschätzt (Verdopplung gegenüber 2021). Durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine erreichten die Militärausgaben 2022 weltweit Rekordniveau. Sie stiegen 2022 um 3,7% auf 2,24 Billionen US-Dollar. Quelle: Stockholmer Friedensinstitut Sipri 2023. Spitzenreiter sind die USA, China  und Russland. Indien und Saudi-Arabien komplettieren die Top- fünf. Vgl. auch: Federle, J. und andere: Was Kriege die Welt kosten, in: Wirtschaftsdienst 4/ 2024, S. 283-284. 2023 hat die Welt 2443 Mrd. $ für Rüstung ausgegeben. Die Rangfolge der Ausgaben: USA, China, Russland, Indien, Saudi-Arabien, GB, Deutschland. Die Weltgemeinschaft gibt 2,3% des BIP aus. Fast alle Regionen kaufen neue Waffen. Vgl. WiWo 18/ 26.4.24, S. 14. Im Jahre 2023 sind diei deutschen Rüstungsexporte deutlich angestiegen. Das hat vor allem mit der Ukraine zu tun (65% der Exporte). Unter den wichtigsten Empfängerländern ist erstmals wieder Saudi-Arabien.

 

Globale Institutionen (Global Government, supranationale und internationale Institutionen; + besonders einflussreiche Organisationen; Governance; Leitwirtschaft USA mit Institutionen; Globale Politische Ökonomie)

"Wir brauchen eine neue Weltordnungspolitik", Reinhard Kardinal Marx, Bischof von München und Freising, Berater des Papstes für die Reform der Kurie.

"Wer zählt die Völker, nennt die Namen, die gastlich hier zusammenkamen?", Friedrich Schiller, deutscher Dichter.

Vereinten Nationen (UN), New York: Gründung 1945 (in San Franciso). Sitz ist New York. Die UN beherbergen unter ihrem Dach viele wichtige Organisationen, vor allem für Entwicklungsländer. 2000 wurde acht Ziele formuliert, die bis 2015 erreicht werden sollen. Diese sind als Millenniums-Ziele bekannt. Sie richten sich auf Armut und Hunger, Kindersterblichkeit, Mutterschaft, Bildung, Krankheitsbekämpfung, Lebensbedingungen, Gleichberechtigung und globale Entwicklungspartnerschaft. Besonders wichtige Unterorganisationen für ökonomische Aspekte sind folgende: Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC), UNCTAD (Welthandels- und Entwicklungskonferenz), FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation), ILO (Internationale Arbeitsorganisation), UNESCO (Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur), UNIDO (Organisation für industrielle Entwicklung), WHO (Weltgesundheitsorganisation). Es gibt auch einen UN-Hoch-Kommissar für Menschenrechte. Vgl. für guten Gesamtüberblick "Fischer Weltalmanach". Zahlen, Daten, Fakten, Frankfurt (jährlich).  Im Dezember 2016 wird der Portugiese Antonio Guterres Nachfolger von Ban Ki Moon als Generalsekretär der UN. Das Corona-Virus legt 2020 gnadenlos die Schwächen des internationalen Systems offen. Das verstärkt sich im Gaza-Krieg 2024. Die Organisation soll sogar die Terrororganisation Hamas unterstützt haben. 2024 sind die Vereinten Nationen quasi außer Betrieb. An allen Ecken und Kanten müssen die UN sparen. Ausgerechnet ist das in einer Zeit der Konflikte und Katastrophen. Säumige Mitglieder nehmen eine Schwächung bewusst in Kauf. Nur 123 Mitglieder zahlen den vollen Beitrag. Am stärksten wirkt sich die Kürzung der USA aus. Im September legen Deutschland und Namibia bei einem Gipfel der UN einen Reformplan für die Organisation der UN vor. Er wird angenommen (Russland stimmt dagegen). Bundeskanzler Scholz ist anwesend am 22.9.24 (am Tag der Landtagswahl in Brandenburg).  2017 müssen die UN auf Druck der USA ihre Mittel für Friedensmissionen um 600 Mio. Dollar kürzen. Am 1. Juli 2020 übernimmt Deutschland den Vorsitz im Sicherheitsrat der UN für einen Monat.

UNCTAD: Welthandels- und Entwicklungskonferenz. Gründung 1964. Sitz ist Genf. Es gibt 194 Mitgliedsstaaten. Alle vier Jahre findet eine Konferenz der Mitglieder statt. Zwischen den Konferenzen wirkt als Organ der Handels- und Entwicklungsrat. Generalsekretär ist Mukhisa Kituyi aus Kenia.

UN-Menschenrechtskommission: UN - Menschenrechtskommissarin ist 2022 Michelle Bachelet. Erstmals nach 17 Jahren darf sie China besuchen. Pünktlich zu diesem Besuch kommt ein nei dagewesenes Datenleak aus dem Inneren des Sicherheitsapparats raus. Es dokumentiert die brutale Repression in Xinjiang.

World Trade Organization (WTO): Sie ist eine internationale Organisation mit Sitz in Genf und wurde 1994 als Nachfolge zu GATT (1955) gegründet (ging aus der Uruguay-Runde von 1986-1994 zur Liberalisierung des Welthandels hervor). Generaldirektor ist der Brasilianer Roberto Azevedo (für zweite Amtszeit wieder gewählt). Ende des Jahres 2020 braucht man einen Nachfolger: Favoritin ist die spanische Außenministerin Arancha Gonzales. Vizechef ist ein Deutscher 2020: Karl Brauner, leitete vorher die Abteilung Außenwirtschaftspolitik im Bundeswirtschaftsministerium. Außer GATT gehören Gats (Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen) und Trips (Abkommen über Urheberrechte) dazu. Sie befasst sich mit der Regelung der weltweiten Handels- und Wirtschaftsbeziehungen. Ihr Ziel ist die Liberalisierung und Transparenz des internationalen Handels und der Abbau von Handelshemmnissen. Handelskonflikte zwischen Mitgliedsländern werden vor dem WTO-Schiedsgericht ausgetragen. 2007 gehörten der WTO 151 Staaten an, die für 98% des Welthandels stehen. 2017 gibt es 164 Mitgliedsstaaten. 2009 befindet sich die WTO in einer Art Krise, weil die Machtverteilung nicht stimmt, weil sie sich eher um Kleinigkeiten kümmert und weil sie nichts zur Krisenlösung beiträgt. Vgl. H. Sauter: Weltwirtschaftsordnung, München 2004, S. 130ff. Bis Ende 2011 soll Russland beitreten (18 Jahre Verhandlungen, wirksam erst im Juni 2012 mit Zustimmung des russischen Parlaments). Damit gibt es 154 Mitglieder (97 Prozent des Welthandels). Der durchschnittliche Zollsatz für alle Produkte soll auf 7,8% fallen. 2013 gibt es 159 Mitglieder (Hongkong und EU eigenständige Mitglieder). 60 Prozent sind Entwicklungs- und Schwellenländer. Die bekannteste Welthandelsverhandlungsrunde ist zur Zeit die Doha-Runde. Hier wird über die Liberalisierung des Welthandels verhandelt. Davor lief die Uruguay-Runde (1986-1994). Ein Niedergang der WTO würde Deutschland hart treffen. Länder wie China und Indien gewinnen an Gewicht und machen dann ihre eigenen Regeln. Die Inländerbehandlung wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen (Grundsatz, dass ausländische Konkurrenten die gleichen Konditionen haben müssen).  Globalisierungsgegner (Attac) kritisieren die Verhandlungsprozesse als undemokratisch und intransparent. Ende 2013 wird bei der Welthandelskonferenz auf Bali ein historischer Durchbruch beim Abbau von Handelsschranken erzielt (Bali-Paket). Gemessen am ursprünglichen Doha-Programm handelt es sich um ein Päckchen. Zuletzt geben Indien und Cuba ihre bisherige Blockadehaltung auf. Entwicklungsländer werden unter bestimmten Bedingungen von Begrenzungen für Agrar-Beihilfen ausgenommen (generell Beschränkung von Agrarsubventionen; Sicherung der Nahrungsmittelversorgung, vor allem Reis; Indien plant ein Wohlfahrtsprogramm in Höhe von 15 Mrd. Euro für 800 Mio. Menschen). Die Einigung erfasst die drei Bereiche Landwirtschaft, Ernährungssicherheit und Handelsvereinfachung. Die Zollformalitäten für den grenzüberschreitenden Warenverkehr sollen einfacher werden. Die Entwicklungshilfe im Bereich des Handels soll verstärkt werden. Die Entwicklungsländer sollen besseren Zugang zu den Märkten der Industrieländer bekommen. Das einzig rechtsverbindliche Abkommen betrifft den Abbau handelsrelevanter Bürokratie an Häfen, Flughäfen und Zollbehörden. Damit sind 18 Jahre Stillstand vorbei. Zu guter letzt scheitert das Abkommen am Widerstand Indiens im August 2014. Indien will von der WTO die Erlaubnis, Lebensmittel subventionieren zu dürfen. Echten Handlungsdruck dürfte das zukünftige transatlantische Handelsabkommen zwischen der EU und den USA erzeugt haben. Schließlich einigen sich Indien und die USA im November 2014 im Streit um die Lebensmittelsubventionen. Das indische Subventionsprogramm für Nahrungsmittel (insbesondere Getreide) soll vorerst nicht durch das Abkommen mit der WTO betroffen sein. Schließlich hat noch Argentinien Bedenken, die aber auch ausgeräumt werden können. Insofern kann der Pakt von Bali in Kraft treten (Vereinfachungen im internationalen Warenaustausch. 2015 sinkt die Bedeutung der WTO in der Handelspolitik. Am 15.12.15 treffen sich die 162 Mitgliedsstaaten zum ersten Mal nach 2 Jahren. Ein Durchbruch ist nicht zu erwarten. Andere Foren sind wichtiger. Überraschend einigt man sich auf einen Abbau von Agrar-Subventionen (vor allem Export-Subventionen). Mit der Maßnahme sollen ärmere Länder einen leichteren Zugang zu den Weltmärkten bekommen. Bei rund 200 Gütern der IT - Branche werden Einfuhrzölle abgeschafft. Immer wieder umstritten ist der Punkt, dass erfolgreiche Schwellenländer - wie z. B. China - immer noch darauf bestehen, als Entwicklungsländer eingeordnet zu werden. Seit Beginn der WTO wurden gegen die USA die meisten Streitfälle vorgebracht (120 als Beklagte, 100 als Kläger). Es folgen die EU (über 90 als Kläger, knapp 90 als Beklagte), vor China, Indien und Argentinien. Im Dezember 2017 treffen sich die Mitgliedsländer in Buenos Aires. Der Freihandel soll einen  Schub bekommen.  Aber die Probleme wachsen 2018, weil die USA eine Reihe von Strafzöllen einrichten. China und die EU wollen antworten (Retorsionszölle). Es wird schwerer Schaden für die WTO befürchtet. Man spricht schon scherzhaft von Welt-Nicht-Handelsorganisation. Sie kämpft ums Überleben, weil es immer mehr bilaterale Freihandelsabkommen bzw. Integrationen gibt. Das grundlegende Problem ist, dass der WTO Durchgriffsrechte fehlen. Die EU und China bringen die protektionistischen Maßnahmen der USA 2018 vor den Schlichtungsausschuss der WTO. Im Mai 2018 meldet die EU Vergeltungszölle gegen die USA an. Im Juni 2018 verklagt die EU China. Es geht um geistiges Eigentum. Die EU will ab 2019 die USA umgehen. Mit möglichst vielen Mitgliedsstaaten sollen bilaterale Verträge abgeschlossen werden. Das WTO-Berufungsgremium soll außerhalb der EU abgebildet werden. So soll auch das Schlichtungsverfahren gerettet werden. Der Vormarsch des Protektionismus unter Trump bedroht die WTO. Die Reform geht nicht voran. Nur nauch 64 Staaten von 164 beteiligen sich 2019 an der Digitalagenda. Es wird von einigen Mitgliedern eine WTO der zwei Geschwindigkeiten gesehen. Es könnte auch eine Mini - WTO ohne die USA kommen. Im Moment zeichnet sich noch keine Lösung des Grundproblems ab: Der US-Anteil am Welthandel ist seit Jahren rückläufig. Damit ist das Interesse der USA schon seit der 1990er Jahren rückläufig (schon vor Trump). China könnte in die Führungsrolle (Kraft, Wille) schlüpfen, ist aber wohl nicht konsensfähig. Der EU fehlt Wille und Kraft. Es könnte das Zeitalter der Unordnung beginnen. Die Berufungsinstanz des Gerichts für globale Handelsstreitigkeiten kann schon nicht mehr arbeiten. Die Trump - Regierung verhindert Nachbesetzungen. 2020 ist die Liberalisierung des Welthandels zum Erliegen gekommen. Ein Grundproblem der WTO ist ihre Heterogenität. Ein Austritt der USA macht eigentlichen keinen Sinn (nur 22 Mio. 11% Mitgliedsbeitrag). 2020 kommt es zu einem Gerangel um den Job an der Spitze. Große Chancen haben zwei Frauen: Amina Mohamed aus Kenia und Ngozi Okonjo-Iweala aus Nigeria. Der Untergang der WTO ist erst mal abgesagt. Von August  20 bis November 20 bleibt man wohl erst mal ohne Chef: Die meisten Länder (über 140) wollen für den Übergang den Deutschen Vize-Direktor Karl Brauner. Die Amerikaner wollen nur ihren Vize Alan Wolff akzeptieren. Schließlich wird die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala neue Chefin (ehemalige nigerianische Finanzministerin). Sie gilt als gewiefte Diplomatin.  164 Staaten waren für sie und die EU geschlossen. Die USA hatten noch blockiert. Sie will die WTO reformieren (eine fast unmögliche Mission). Zunächst geht es um den Patentschutz für Impfstoffe. Die reichen Länder setzen sich durch. Es gibt sogar zunehmend Vorschläge zu einer neuen Handelsordnung ohne China (Freihandelszone, handelspolitischer Club). Von der Ausbildung her ist Okonjo-Iweala Ökonomin. Sie fordert mehr Ehrgeiz im Kampf gegen den Klimawandel. Biden blockiert die Besetzung von Richterstellen Ende 2021. Er legt damit den Streitschlichtungsmechanismus lahm. Abe reine Liberalisierung des Dienstleistungssektors kann beschlossen werden. Es sind aber nur 67 Staaten (von 164) beteiligt. Man erfindet dafür den Namen "Plurilateralismus". Salopp spricht man "Clubwirtschaft". WTO-Vize Karl Brauner (ein Deutscher) fordert schon lange eine WTO der zwei Geschwindigkeiten. Vgl. Losse, Bert: Die neue Clubwirtschaft, in: WiWo 51/17.12.21, S. 40f. Im Januar 2022 startet die EU ein WTO-Verfahren gegen China: Man springt Litauen im Handelsstreit mit Peking bei.  China will Litauen abstrafen und setzt dafür auch deutsche Firmen unter Druck (bilaterale Beziehungen zu Taiwan). 2022 gibt es einen großen Streit über Patente und Covid-19-Impfstoffe (EU, Deutschland, GB, Schweiz gegen Freigabe). Die WTO steckt in einer Krise. Die neue Friendshoring-Doktrin der USA behindert Lieferketten und Handelsbeziehungen. Die WTO müsste den US-Protektionismus eigentlich eindämmen. Das ist zumindest eine Chance für die WTO. Vgl. Krueger, Anne: Wir müssen den Protektionismus eindämmen! in: WiWo 24/ 10.6.22, S. 41. Im Juni 2022 schafft die WTO den Durchbruch bei Patenten und der Fischerei. Es ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass wieder ein Abkommen gemacht wird. Ein Gericht der Welthandelsorganisation entscheidet 2023, dass die derzeit ausgesetzten Zölle auf Stahl und Aluminium den internationalen Regeln widersprechen. Ein ähnliches  Urteil wird zu spanischen Oliven gefällt.  Die WTO muss auch über die US-Subventionen im Rahmen des IRA entscheiden. 2023 ist der Deutsche Ralph Ossa Chefökonom. Er analysiert, dass der Ukraine-Krieg 2022 weniger negativ wirkte als befürchtet. Im Februar 2024 findet ein Ministertreffen in Abu Dhabi statt. Die 164 Mitglieder sind zerstritten. Die Chefin Ngozi Okonjo-Iweala versucht, Optimismus auszustrahlen. Aber die Berufungsinstanz der WTO-Streitschlichtung dürfte nicht wieder flott gemacht werden. Dem Welthandel droht eine Blockade und eine weitere Fragmentierung. Leiden dürften kleine Entwicklungsländer - und die Exportnation Deutschland. Vgl. HB 27.2.24, S. 8.  Im August 2024 verklagt China die EU wegen der E-Auto-Zölle. Der Streit zwischen Peking und Brüssel geht in die nächste Runde. Im September 24 legt die WTO ihren Welthandelsbericht 2024 in Genf vor. Sie räumt ein, dass nicht alle Länder und auch nicht alle Mitglieder der Gesellschaft von Handel und wirtschaftlicher Entwicklung profitieren. Die Einkommensungleichheit sei genauso hoch wie vor 100 Jahren.  "Die Beihilfen der reichen Länder gefährden den Abschluss der WTO - Runde", Indiens Handelsminister Kamal Nath, 2007. "Es ist hier wie bei der Marine. Entweder ist man auf hoher See im Einsatz, oder man muss das Schiff klarmachen", Pascal Lamy, ehemaliger Chef der WTO, über die Aufgabe der WTO. 2014 bringt Deutschland das russische Importverbot für Schweine und bestimmte Schweineprodukte aus der EU vor die WTO. Die WTO entscheidet in diesem Streit für die USA: Airbus wurde von der EU verbotswidrig subventioniert. Daraufhin erheben die USA sofort Strafzölle auf Flugzeugteile aus der EU in Höhe von 10%. Weitere Strafzölle kommen auf einige Industrie- und Agrarprodukte in Höhe von 25%. Die EU wartet das Urteil der WTO bezüglich Boing ab. Danach sollen Vergeltungszölle eingerichtet werden. "In einer offenen Volkswirtschaft sind die Vorteile von Freihandel in der Summe immer größer als die Nachteile", Roberto Azevedo, Generalsekretär der WTO 2015. Auch von ihm aus 2017: "Wir müssen intensiv darüber reden, wie wir die Regeln des Welthandels verbessern". Ebenso nach dem G20-Gipfel 2017: "Man weiß immer, womit Handelskriege anfangen - aber nie, wo sie enden".

Internationaler Währungsfonds (IWF, IMF): Der internationale Währungsfonds, gegründet 1944 in Bretton Woods mit Sitz in Washington,  hat zur Zeit 187 Mitgliedsländer. Neue Chefin wird 2019 die Bulgarin Kristalina Georgieva. Chefposten 2011 bis 2019 Christine Lagarde (wurde Chefin der EZB), bis 2011 D. Strauss-Kahn, Vize Frau Nemat Shafik. Chef-Ökonom ist seit 2015 Maurice Obstfeld (er verkündet auch die Zahlen über die Entwicklung der Weltwirtschaft). Chefvolkswirtin 2021 ist Gita Gopinath. Sie soll künftig erste Stellvertreterin von Georgieva werden. Ihr Nachfolger könnte der Deutsche Tobias Adrian werden (aus Hessen, vorher bei der Fed). Die vorrangigen Aufgaben liegen in der internationalen Währungspolitik (stabile internationale Währungsordnung), der Unterstützung des Welthandelswachstums und in der Vergabe finanzieller Mittel an Mitgliedsländer zur Überwindung von Zahlungsbilanzproblemen. Es ist eine Art Devisenpool, aus dem Kreditfazilitäten und Sonderziehungsrechte zur Verfügung stehen.  Die Kredite sind an teilweise scharfe wirtschaftspolitische Auflagen geknüpft (Konditionalität, oft auch Sozialabbau; Expertenteams prüfen die betroffenen Länder). Die größten Kredite 2009 bekamen Mexiko (47 Mrd. $) und Polen (20,5 Mrd. $). Die Stimmrechte der Mitgliedsländer (2013 188) ergeben sich aus den Kapitalanteilen, die sich an der Wirtschaftskraft orientieren. Bei wichtigen Entscheidungen ist eine Mehrheit von 85% der Stimmen nötig. Für 2015 ist eine Reform der Stimmrechte geplant (mehr Einfluss der Schwellenländer). Nach der Finanzkrise 2008/ 2009 soll der IWF eine Art Frühwarnsystem für globale Krisen werden. Er wird auch mit zusätzlichen Liquiditätsmitteln ausgestattet (500 Mrd. $, 250 Mrd. $ in Sonderziehungsrechten). Mindestens einmal im Jahr findet eine Tagung statt. In der Regel wird der IWF von einem Lenkungsausschuss gesteuert, in dem die größten Anteilseigner sitzen (internationaler Währungs- und Finanzausschuss, IMFC). Im Oktober 2010 kommt es zu einer Reform: China und Indien bekommen mehr Stimmen (China überholt Deutschland als drittstärkste Macht). Dies soll weiter verändert werden. Die zehn größten Anteilseigner sind nun USA (16,5%), Japan (6,1%), China (6,1%) , Deutschland (5,3%), Großbritannien (4,0%), Frankreich (4,0%), Italien (3,0%), Russland, Indien, Brasilien. Die Schwellen- und Entwicklungsländer halten 2014 44,8%. 2010 bildet sich die Palais-Royal-Initiative, die den IWF reformieren will. Sie wird vom ehemaligen Chef Camdessus angeführt. Die Überwachung soll verstärkt werden, um hohe Wechselkursschwankungen und Ungleichgewichte abzubauen. Damit wird der IWF zu einer Währungspolizei (2011). In der Praxis hat gegenwärtig noch die US-Bank Goldman Sachs großen Einfluss ("Government Sachs"). Im Herbst eines jeden Jahres findet die Jahrestagung statt (meist in Washington, und zusammen mit der Weltbank). Ende 2011 stockt die EU ihre IWF-Mittel um 150 Mrd. € auf. Im Januar 2012 wird das Kreditvolumen des IWF um bis zu 500 Mrd. $ aufgestockt. Die Schwellenländer fordern immer stärker mehr Macht. Sie wollen andernfalls nicht zusätzliche Milliarden an die EU-Länder geben. 2012 sieht die Stimmenanteilsverteilung wie folgt aus: USA 16,8; EU 31,0 (Deutschland 5,8); Japan 6,2; China 3,8; Russland 2,4; Indien 2,3; Brasilien 1,7. Die bisherigen Zuwendungen nützten vor allem dem Westen (Mexiko-Krise 1995/96 18 Mrd.$; Asienkrise 1097/98 40 Mrd. an Südkorea, Indonesien und Thailand; Euro-Krise seit 2009 107 Mrd. $ an Griechenland, Portugal und Irland). 2012 werden die IWF-Mittel aufgestockt (Eurozone 200 Mrd. $, Sonstige Europäer 61, Nicht-Europäer 171, darunter China und Japan je 60). Beim G20-Gipfel im Juni 2012 wird der Krisenfonds um 456 Mrd. $ aufgestockt. Anfang Oktober 2013 treffen sich die Finanzminister in Washington. Die Frühjahrestagung von IWF und Weltbank ist am 17.04.15 in Washington. Die Jahrestagung der beiden Finanzorganisationen IWF und Weltbank findet 2015 in Lima/ Peru statt (09.10.15). Bis 2015 hat der IWF 32 Mrd. € an Griechenland gegeben. Deshalb dringt er auf Schuldenerleichterungen. Der IWF würde sich gerne ais der Griechenland-Rettung verabschieden. Dann müssten die Euroländer die Lasten alleine tragen (Schuldenerlass). Die USA wollen in Griechenland kein Geld verlieren. Der IWF ist mittlerweile nicht mehr die Vorhut neoliberaler Invasoren. Die Chefin Lagarde gerät wegen ihrer großzügigen Griechenlandpolitik unter Druck (aber auch wegen Korruptionsverdacht in Frankreich). Im Dezember 2016 wird sie in Frankreich wegen fahrlässigen Umgangs mit dem Staatsvermögen für schuldig befunden. Im September 2016 vergibt der IWF einen Großkredit an die Ukraine. Auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank im Oktober 2016 wird vor Abschottungstendenzen in der Welt gewarnt (Brexit, Kriege, Flüchtlinge). Die Bundesregierung plant für die Krisen der Zukunft mit einem eigenen Europäischen Währungsfonds. Im August 2017 warnt der IWF vor Cyber-Angriffen auf die Netzwerke von Geldinstituten (Sorge um Finanzstabilität in der Welt). Am 20. und 21.04.2018 findet eine IWF - Tagung in Washington statt. Finanzminister Scholz ist zum ersten Mal dabei. Es geht um drohende Strafzölle der USA, die Reform der Euro-Zone und um Griechenland. Im Mai 2018 schlägt der IWF Deutschland vor, die Bürger zu entlasten und mehr zu investieren. Im Mai 2018 bittet Argentiniens Präsident den IWF um Finanzhilfe. Südamerika hält den Atem an, weil der IWF in Chile oder Bolivien eher Schocks verursacht hat. Subventionen und Sozialleistungen sollen wohl die Wahlen beeinflussen. Bei der Tagung des IWF und Weltbank in Washington im April 2019 steht Bundesfinanzminister Scholz unter Druck. Er soll für mehr öffentliche Investitionen in Deutschland sorgen, um als Konjunkturlokomotive zu fungieren. Im Februar 2021 appelliert die IWF-Chefin an die reichen Länder, weil arme Länder den Anschluss verlieren. Im August 2021 erhöht der IWF seine eigene Reservewährung, um Entwicklungs- und Schwellenländer im Kampf gegen Corona zu unterstützen. Die so genannten Sonderziehungsrechte (SDR) werden um 650 Mrd. US-$ erhöht.  Etwa 275 Mrd. $ sollen an die ärmsten Länder gehen. Die SDR wurden erstmals in großem Maße nach der Finanzkrise 2008/9 in Umlauf gebracht. 2021 beschleunigt sich der Bedeutungsverlust des IWF. Chefin Georiewa kommt mit der Organisationsreform nicht voran. Der Fonds wird zunehmend politisiert. Das Vetorecht der USA erweist sich auch immer mehr als problematisch. Der Einfluss erodiert. Vgl. Wettlach, Silke: "Gebt so viel Geld wie möglich aus", in: WiWo 40, 1.10.21, S. 36f. Im April findet immer ein traditionelles Frühjahrstreffen in Washington statt, zusammen mit der Weltbank. 2022 geht es um den Ukraine-Krieg und den Multilateralismus. Der IWF macht auch regelmäßig ökonomische Prognosen. So auch über die Wachstumsraten: 2022 liegt Kanada mit +3,9% vorne. Ende 2022 unterstützt Gopinath den Kurs von Finanzminister Lindner (Schuldenbremse). 2024 unterstützt Berlin eine zweite Amtszeit von Kristalina Georgiewa. Vgl. auch: Lindner, Christian/ Nagel, Joachim: Stabilitätsanker im globalen Finanzsystem, in: HB 74/ 16.4.24, S. 16.  "Die Mitarbeiter arbeiten in den entwickelten Staaten unter dem Druck, die Entscheidungsträger nicht zu verärgern", Unabhängige Evaluierungskommission des IWF. Ende 2010 werden von den Währungsreserven 3,062 Mrd. in US-$ gehalten, 1,346 Mrd. in €, 202,2 Mrd. in Pfund und 181,2 Mrd. in Yen. Die größten Schuldner des IWF sind 2014 Portugal, Griechenland und Irland. Auf der IWF - Tagung in Washington im April 2014 geht es um die Gefahren der Deflation in der Welt. Es wird ein stärkerer Einsatz für mehr Wachstum vereinbart. Im Mai 2014 hilft der IWF der Ukraine: 17 Mrd. Dollar (12,3 Mrd. €) an Kredithilfen erhält das Land. Hilfspakete der USA und der EU sollen folgen. Auf der Herbst - Tagung des IWF und der Weltbank, die am 10.10.14 beginnt, in Washington geht es um die Suche nach mehr Wachstum. Die Staaten sollen mehr investieren. Vor allem die Furcht vor der Rezession in der EU bestimmt die Tagung. Der schuldenfreie Haushalt in Deutschland stößt auf wenig Verständnis. Im April 2015 gibt es eine Frühjahrestagung des IWF(188 Notenbankchefs und Finanzminister) in Washington: Kernbotschaft ist, dass das Wachstum zerbrechlich ist. Vgl. auch: Ernst Wolff: Weltmacht IWF. Chronik eines Raubzugs, Marburg 2014 (auch Ausgabe in englischer Sprache). Mitte Dezember 2015 geben die USA ihren Widerstand gegen eine Reform des IWF auf: China und andere Schwellenländer bekommen mehr Einfluss. Die Fonds-Quote von China steigt auf 6 Prozent.

Chinas Gegensystem zum IWF: China baut seit einigen Jahren ein Gegensystem auf. Es ist für Länder des globalen Südens gedacht. Seit der Jahrtausendwende wurden 104 Mrd. $ an EL an Kredite vergeben. Das ist etwa 40% der Kreditvergabe des IWF. Hinzu kommen 240 Mrd. $ an Liquiditätshilfen und Notkrediten an über 20 Länder, davon allein 185 Mrd. von 2016 bis 2021. Der Zins lag mit 5% höher als beim IWF mit Durchschnitt 2%. Vieles hängt mit der Neuen Seidenstraße zusammen. Die chinesische Zentralbank hat auch gigantische Währungstauschgeschäfte gemacht. Ein großer teil der Notkredite lief über SWAP-Abkommen. Vgl. Studie des IfW, Kiel 2023. Auch FAZ 29.3.23, S. 19.

Finanzgipfel 2023 in Paris (globaler Pakt für neue Finanzordnung): Es geht im Juni 2023 um Klimaschutz und Armutsbekämpfung. Vertreter von etwa 100 Staaten, internationalen Entwicklungsbanken, IWF und anderen Organisationen  beraten über Hilfen für arme Staaten im Klimaschutz. Das Machtstreben Chinas drängt den Westen zur Reform der Finanzinstitutionen - und und mehr Rücksicht auf den globalen Süden.

Die Weltbank Chef 2019 David Malpass (studierte an der ältesten Jesuitenhochschule und Elitehochschule Georgetown in Washington). Ohne Gegenkandidat. Von Präsident Trump ins Amt gebracht. Vorher bei Bear Stearns (pleite) und als Wirtschaftsanalyst selbständig. (Chef: ehemals Robert Zoellick, USA; Nachfolger seit Juli 2012 Jim Yong Kim aus den USA, gebürtiger Südkoreaner, Präsident von der Uni Dartmouth; Chefökonom Justin Yifu Lin, China; ab Ende 2016 Paul Romer; auch bekannt der Ökonom Ayhan Kose; ab 2018 Chefvolkswirtin Pinelopi Koujianou Goldberg; Forschungsdirektorin ist Asli Demirgüc-Kunt). Jim Yong Kim tritt am 07.01.19 zum 01.02.2019 zurück. Die Weltbank kümmert sich insbesondere um Entwicklungsländer und Schwellenländer. Hauptaufgabe ist heute die Unterstützung von weniger entwickelten Mitgliedsstaaten (insgesamt 187 Mitglieder; Sitz Washington) durch finanzielle Hilfen, Beratungen und technische Hilfen. Zusammen mit ihren Tochterinstituten (IDA: Internationale Entwicklungsorganisation, IFC: Internationale Finanzkooperation, MIGA und ICSID: Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) bildet sie die Weltbankgruppe.  2008 lag das Kreditvolumen bei 24,7 Mrd. US-Dollar für rund 300 Projekte (ein Viertel nach Afrika, ein Fünftel nach Lateinamerika, ein Drittel nach Asien). 2008 wurden die Folgen des Anstiegs der Lebensmittelpreise abgefedert. 2011 betrug das Finanzierungsvolumen 177,1 Mrd. $. 2800 Projekte wurden in 30.500 Standorten durchgeführt. An der Spitze steht das Ziel bis 2015 die Zahl der Armen zu halbieren gemessen am Stand von 1990. (vgl. auch  IMF  und Weltwirtschaftsordnung bei Aktuelles). Wegen harter Auflagen bei der Kreditvergabe wird die Bank kritisiert. 2010 erwägt die EU nach der Griechenlandkrise die Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds. Geregelt werden müssen Aufgaben, Finanzierung, Hilfsformen, Sanktionen, institutionelle Verankerung und Zeitplanung. Ähnliche Probleme hatten die USA in ihrer Frühgeschichte. Ab 2016 will die Weltbank verstärkt erneuerbare Energien in armen Ländern anschieben. Bis 2020 sollen 150 Mio. Haushalte in armen Ländern grünen Strom bekommen (Investitionsbudget von 3,5 Mrd. Dollar). Nach die USA und Trump drastisch die Mittel für Entwicklungsländer kürzen wollen, bangt die Weltbank um ihre Zukunft. Die Schlagkraft zur Armutsbekämpfung ist bedroht. Viele ärmere Länder könnten bald Probleme bei der Finanzierung ihrer Staatshaushalte bekommen. Jim Yong Kim will 2017 private Investoren einsetzen, um arme Länder zu unterstützen. Die Anteilseigner der Weltbank stimmen im April 2018 einer Kapitalerhöhung  über 13 Milliarden Dollar zu (auch die USA uns China). Trump will 2019 den China-Kritiker und Ökonom David Malpass als Präsidenten der Weltbank vorschlagen. Traditionsgemäß stellen die USA den Weltbankchef. Die Weltbank vergibt immer noch Kredite an China. Trump stoppt die Vergabe. Designierter Chef 2023 Ajay Banga/ Indien (in Pune als Sohneines Offiziers geboren), mittlerweile auch US-Staatsbürgerschaft, vorher Chef von Mastercard/ USA sowie General Atlantic/ New York und Mitglied des Beraterausschusses für Handelspolitik unter Obama, auch Berater von Vizepräsidentin Harris. Chefökonomin ist Carmen Reinhard und zugleich Vizepräsidentin. Die Meinungen über Banga gehen weit auseinander. Den einen gilt er als Hai der Wallstreet, manchen auch als Hoffnungsträger für den globalen Süden. "Für die innere Statik der Euro-Zone brauchen wir eine Institution, die über die Erfahrungen des IWF und über analoge Durchgriffsbefugnisse verfügt", Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. "Die Banker haben das Justizsystem gekauft", Jeffrey Sachs, US-Ökonom. Die Weltbank hat ihre Ausleihungen und Finanzhilfen 2013 auf 61 Milliarden Dollar gesteigert.

Welternährungsorganisation der UN (FAO): Hauptsitz ist Rom. Sie soll die Ernährungssicherheit weltweit verbessern. 194 Staaten sind 2019 Mitglieder. Der Haushalt umfasst im gleichen Jahr 2,6 Mrd. Euro. 2019 wird ein neuer Generaldirektor gewählt. Es wird der Chinese Qu Dongyu. Er war bisher chinesischer Vizeminister für Landwirtschaft.

WHO (World Health Organisation, Weltgesundheitsorganisation), Genf: 194 Mitgliedsländer (7000 Mitarbeiter). Chef/ Generaldirektor 2020 ist Tedros Ghebreyesus (Ex-Außenminister Äthiopiens; seit 2017). Die WHO erhält Pflichtbeiträge ihrer Mitglieder und freiwillige Beiträge. Die meisten Beiträge sind zweckgebunden und an bestimmte Tätigkeitsfelder geknüpft. In der Corona-Krise stellen die USA ihre Zahlungen ein (400 Mio.$  pro Jahr, insgesamt 553 Mio. $, ca. 10%). Sie waren der größte Beitragszahler. Trump wirft der Organisation Fehler und die Nähe zu China vor. China unterstützte maßgeblich die Wahl Tedros 2017. Er lobt immer wieder China in der Krise, obwohl sich Zweifel mehrten. China beharte lange auf offenen Grenzen, was er unterstützte. Andererseits hat Tedros Heilmittel für arme Länder zur Verfügung gestellt und die Entwicklung eines Impfstoffes vorangetrieben. Vielleicht sucht Trump auch nur einen Sündenbock, um von seinem Missmanagement in den USA abzulenken. Die WHO scheint auch zum Spielfeld der Konkurrenz zwischen China und den USA zu werden. Am 18. und 19.05.20 schalten sich die 194 Mitgliedsländer zu ihrem Jahrestreffen virtuell zusammen. Der Generalsekretär steht in der Kritik. Man beschließt eine unanhängige Überprüfung. Die Rolle der WHO und der zeitliche Ablauf in der Corona-Krise sollen überprüft werden. Die USA treten Ende Mai 2020 aus (formal im Juli 2020, in einem Jahr wirksam). Die Gelder werden für andere Gesundheitsprojekte zur Verfügung gestellt. Die Jahrestagung 2021 findet wegen der Corona-Pandemie im Mai virtuell statt. Merkel warnt vor neuen Pandemien. Die reichen Länder werden scharf kritisiert, weil sie die Impfstoffmengen aufgekauft haben. Der Äthiopier Tedros Adhanom Ghebreyesus will WHO-Chef bleiben. Das dürfte von den USA und China abhängen (er galt als zu China-freundlich, später zu USA-freundlich) . Er wird wieder gewählt (194 Staaten keinen Gegenkandidaten).   Das Gesamtbudget der WHO über zwei Jahre (2018/19) betrug 5,1 Mrd. €. Dabei hatten die größten Anteile: 1. USA (14,67%, Gates-Stiftung 9,76%, GAVI Impfallianz 8,39%, GB 7,79%, Deutschland 5,68%, EU-Mittel 3,3%, China 0,21%). Die größten Projekte der WHO waren Polio-Bekämpfung, Zugang zu Grundversorgung und Ernährung, Impfprogramme, Epidemievorbeugung.

Internationales Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten (ICSID), Washington D. C.: Gehört zur Weltbankgruppe (Dachorganisation). Gründung 1966. Verhandelt auch Entschädigungszahlungen für ausländische Investoren in deutsche Atomkraftwerke, wie z. B. Vattenfall.

BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Basel): "Zentralbank der Zentralbanken", fördert die internationale Zusammenarbeit im Währungs- und Finanzbereich, gegründet 1930 (um deutsche Reparationszahlungen nach dem 1. Weltkrieg abzuwickeln) Die BIZ hilft auch bei der Verwaltung der Währungsreserven. Generaldirektor ist aktuell Jaime Caruana/ Spanien Chefvolkswirt: Claudio Borio/ Italien; vorher Hyun Song Shin/ Süd-Korea, davor Stephen Cecchetti). Seit 2006  haben sich die Devisenreserven weltweit verdoppelt. Hervorzuheben sind die Steigerungen bei Russland, Brasilien und Indien. 2010 warnt die BIZ vor einer globalen Schuldenkrise, Mitte 2010 vor einer erneuten Finanzkrise. Aus der Arbeit des Basler Ausschusses bei der BIZ resultieren Basel I bis III. Insgesamt sind 60 Zentralbanken Mitglieder (2014). Daraus wird ein Verwaltungsrat gebildet. Eine Geschäftsführung leitet das Tagesgeschäft.  Die BIZ gibt regelmäßig einen Bericht heraus. Die Bank besteht aus drei Aufgabenbereichen: Aufgabenbereich 1(Kooperation der Zentralbanken); Aufgabenbereich 2 (Finanzmarktregulierung vereinheitlichen, Baseler Ausschuss, Financial Stability Board); Aufgabenbereich 3 (Bank für die Zentralbanken). 140 Institutionen nutzen die Bank (Gewinn 2014/15 682 Mio. Euro). Mitte 2014 warnt die Bank vor weiteren Finanzturbulenzen. Ausgelöst werden könnten sie durch eher als konservativ geltende Großinvestoren wie Pensionsfonds oder Vermögensverwalter. Mitte 2015 fordert die BIZ ein neues Mandat für die Geldpolitik (mehr Finanzstabilität sicherstellen). Im Juni 2017 warnt die Bank vor Protektionismus. Sie befürchtet eine Abkehr von der Globalisierung. Im November 2017 warnt die Bank davor, dass in vielen Ländern die Inflation der einzige Indikator der Notenbanken sei.  "Exegi monumentum aere perennius", Horaz (Ich habe ein Denkmal errichtet, dauerhafter als Erz). "Ist die Geldpolitik für lange Zeit sehr locker, vermindert sich der Reformdruck. Nur wenn die Volkswirtschaft die notwendigen Strukturreformen umsetzt, kann die Geldpolitik ihre volle Wirkung entfalten", Jaime Caruana 2014.

Notenbank der USA (Fed): 1794 beginnt das US-Schatzamt mit der Prägung der ersten nationalen US-Währung. Schon 1775 autorisierte der Kontinentalkongress die Herausgabe des US-Dollars. Die amerikanische Notenbank "Fed" hat mehr noch als die EZB auch die Aufgabe, die Binnenkonjunktur positiv zu beeinflussen. Erst seit 1913 besteht sie ununterbrochen (der Kongress beruft den Fed-Chef, der dem Offenmarktausschuss/ FOMC vorsitzt). US-Präsident Woodrow Wilson rief die Fed ins Leben. Vorher waren schon zwei Versuche gescheitert (1791 die "First Bank" und 1816 die "Second Bank"). Während die Stabilität des US-Dollar lange Jahre durch den Goldstandard und das Bretton-Wood-System gesichert war, beruht sie seitdem vor allem auf dem Vertrauen in die Fed. Das Federal Open Market Committee steuert die Geldpolitik. Äußerungen des amerikanischen Notenbankchefs haben große Auswirkungen auf die Finanzmärkte ("Moral Suasion"). So führt etwa die Ankündigung, die Lockerung der Geldpolitik aufzugeben, zu Kursstürzen an den Aktienmärkten im Juni 2013. Es gibt Gerüchte über ein Ende der Ära Ben Bernanke; Nachfolgerin wird Janet Yellen ab Februar 2014. Die Politik der Fed nützt vor allem den Anleihebesitzern und den Aktionären. Viele Kleinunternehmen bekommen von der Hausbank keine Kredite mehr. Im Herbst 2012 kündigt Bernanke sogar an, dass die Fed Immobilien-Anleihen unbegrenzt auf kaufen will (Neuland). 2013 erwirbt die Fed jeden Monat Hypothekenpapiere und Staatsanleihen im Wert von 85 Mrd. $, um die Zinsen zu drücken (weiter lockere Geldpolitik, aber Reduzierung der Käufe). Die Fed hält auch auch im Herbst 2013 am fast Nullzins fest (Finanzmärkte sind dadurch in Hochstimmung). 3,6 Billionen Dollar beträgt die Bilanzsumme der US-Notenbank (aufgebläht durch die Anleihekäufe, 2007 nur 900 Milliarden $ Bilanzsumme). Mit einer falschen Geldpolitik hat die amerikanische Notenbank die weltweite Finanzkrise mit verursacht. Auch 2010 hält sie den Zinssatz bei 0,25 extrem niedrig, um den Aufschwung nicht zu gefährden. Sie legt Kaufprogramme für Staatsanleihen auf (bisher 2). Vgl. Yellen, Janet: U.S. Monetary Policy Objectives in the Short and Long Run, Jahrestagung der American Economic Association in San Francisco, Januar 2009. Im Oktober 2013 wird Yellen Chefin der US-Notenbank (erste Frau auf dieser Position). Die Finanzkrise 2008/2009 hat zu der Grundsatzdebatte geführt, ob die Zentralbanken nicht nur gegen Inflation, sondern auch gegen Spekulationsblasen kämpfen sollen. Gemessen an dem US-Dollar-Index (misst den Außenwert gegenüber einem Korb aus sechs Währungen) verblasst die Leitwährungsfunktion des Dollars zusehends. Die Politik des billigen Geldes in den USA geht allmählich zu Ende. Ab Januar soll das Programm zum Ankauf von Staatsanleihen und Hypothekenpapieren verkleinert werden. Dies wird auf der Sitzung am 29.01.14 beschlossen (um zehn Milliarden $ verringert, 2014 beträgt der Bestand an Stützungskäufen: 2866 Mrd. €). Die Notenbank reagiert damit auf den Aufschwung in den USA.  Der Leitzins bleibt unverändert. Auch im März 2014 wird der Ankauf von Staatspapieren und Hypothekenpapieren um weitere 10 Mrd. $ verringert (der Leitzins wird nicht angetastet). Im März 2014 bestehen 29 von 30 US-Banken den Stresstest der Notenbank. Allerdings hatte man sich bei den Kernkapitalquoten verrechnet. Im April 2014 gibt Yellen bekannt, dass die Fed die Wirtschaft noch längere Zeit stützen muss. Die Arbeitslosenquote von 6,7% täusche (viele Teilzeitarbeiter). Im US-Kongress wird 2014 ein Gesetzentwurf der Republikaner diskutiert, der der amerikanischen Zentralbank formale Regeln für die Geldpolitik vorschreiben will. Die Fed fürchtet um ihre Unabhängigkeit. Ende Oktober 2014 stellt die Fed den Aufkauf von Staatsanleihen und Hypothekenpapieren ein. Eine Zinswende wird von Goldman Sachs für September 2015 erwartet (erste Zinserhöhung). Vielleicht kommt sie in Anbetracht der Konjunkturentwicklung schon früher. Yellen rechnet mit einer Leitzinserhöhung noch 2015. Im Herbst 2015 kommt die Erhöhung noch nicht; sie müsste also spätestens Ende 2015 kommen. Die Notenbank steckt aber in einem Dilemma: Schwache Arbeitsmarktdaten stellen die erste Zinserhöhung seit neun Jahren infrage. Nach knapp 10 Jahren wird dann am 16.12.2015 die Zinswende eingeläutet: Die Leitzinsen werden auf 0,25 bis 0,50% erhöht. Ende Mai 2016 kündigt Yellen vorsichtig die nächste Zinserhöhung an. Diese kommt am 14.12.16. Der Leitzins wird auf 0,5 bis 0,75% leicht angehoben. Für 2017 werden drei weitere Zinsschritte angekündigt (nach Expertenberechnungen wäre ein Leitzins von 3,8% angemessen; das wäre eine Katastrophe für die EU). Der Dollar gewinnt stark an Wert. Die Schulden der Schwellenländer, die in Dollar gehalten werden, steigen. Dies könnte auch ein Signal für die EZB sein. Nach dem Amtsantritt von Trump gilt 2017 das Motto "Audit the Fed". Die Notenbank soll an die kurze Leine gelegt werden. Trump will Führungspositionen mit seinen Gefolgsleuten besetzen. Ende 2017 stehen Jerome Powell und Kevin Warsh zur Diskussion. Jerome Powell soll an die Spitze. Janet Yellen will dann das Direktorium verlassen. Der Wechsel erfolgt im Februar 2018. Im März 2017 erhöht die Fed den Leitzins auf die Spanne von 0,75 bis 1,0%. Am 14. Juni 2017 folgt eine  weitere Anhebung auf 1,0 bis 1,25%. Am 13.12.2017 erhöht die Fed die Leitzinsen auf eine Spanne zwischen 1,25 und 1,50%. Am 21.03.18 folgt eine weitere moderate Anhebung um 0,25 Punkte auf einen Zielkorridor von 1,50 bis 1,75 Prozent. Am 13.06.2018 wird der Leitzins auf 2,0% festgelegt. Das ist so hoch wie vor der Finanzkrise 2008. Begründung: gute Konjunktur, Arbeitsmarkt, Inflation. 2018 kritisiert Präsident Trump immer wieder die Fed. Er stellt damit die Unabhängigkeit in Frage. Er will Zinserhöhungen verhindert. Tatsächlich schwächt er den Kurs des Dollars. Ende September 2018 steht eine weitere Zinserhöhung bevor auf 2 bis 2,2,25%. Die kommt am 26.09.2018 (dritte Schritt in diesem Jahr). Ende 2018 prüft die Fed ihre Strategie. Die Bank soll für die nächste Krise gut gerüstet sein. Am 19.12.2018 erhöht die Fed den Leitzins auf 2,25 bis 2,5%. Die Fed plant weitere Zinserhöhungen. Die Börsen werden weltweit auf Talfahrt geschickt. Im Juli 2019 fordert Trump die Notenbank auf, die US-Leitzinsen zu senken. Er spricht von "fehlerhaften Denkprozessen". Die Fed senkt auch den Leitzins am 31.7.19, aber weniger als Trump fordert: Spanne von 2,0 bis 2,25%. Powel, der Chef der Notenbank, deutet an, dass dieses Jahr keine weiteren Zinssenkungen geplant seien. Damit wird aber ein weltweiter Trend zu einer lockereren Geldpolitik verstärkt (Indien, Südkorea). Trump bezeichnet im August 2019 den Chef der US-Notenbank als seinen Feind (er vergleicht ihn mit Chinas Staatschef Xi Jinping). Am 17.09.2019 senkt die US-Notenbank erneut den Leitzins: um einen Viertelpunkt - auf die Spanne von 1,75 bis 2,0 Prozent. Sieben von 17 Währungshütern signalisieren auch, dass dieses Jahr noch einmal nachlegen wollen. Weiterhin werden die Zinsen auf die Überschussreserven der Banken , damit das Parken von nicht benötigtem Geld weniger attraktiv wird. Trump wirft der Notenbank erneutes Versagen vor (er will bedeutend niedrigere Zinsen). Am 30.10.2019 senkt die Fed den Leitzins weiter: um 0,25 Prozentpunkte auf den Korridor von 1,5 bis 1,75%. Die Warnsignale für eine Abkühlung der Konjunktur häufen sich. Trump stellt 2020 wieder mal die Unabhängigkeit der Notenbank in Frage. Er braucht billiges Geld, um im Wahljahr die Wirtschaft anzukurbeln. Zwei Posten in der Führung besetzt er mit Anhängern: Christopher Waller, Judy Shelton. Am 03.03.2020 senkt die Fed den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte (Corona-Virus und Konjunktur) auf 1,0 bis 1,25%. Am 16.3.20 kommt eine weitere Senkung auf 0 bis 0,25% (Corona-Krise in den USA). Bei jedem Kurseinbruch in den vergangenen Jahrzehnten flutete die Fed die Märkte mit Geld. Die Fed lässt Ende 2020 alle US-Großbanken den Stresstest bestehen - das gilt auch für die Deutsche Bank. Die US-Banken kündigen Aktien-Rückkäufe an. Zinserhöhungen rücken Mitte 2021 näher. Die Zinsprognosen gehen von einer zweimaligen Steigerung 2023 aus. Die Notenbank hat durch massive Ankäufe von Schatzanleihen und Hypotheken besicherten Wertpapieren ihre Bilanz aufgebläht. Die Wachstumsrate der Geldmenge M2 ist 2020 steil gestiegen. Im September 21 revidiert die Fed die Prognose des BIP-Wachstums für die USA für 2021: von 7% auf 5,9% (Ausbreitung der Delta-Variante). Die US-Notenbank warnt den Senat vor einer Blockade der geplanten Erhöhung der Schuldenobergrenze gewarnt (Republikaner. Ende 2021 schwankt Biden zwischen Jerome Powell und der Demokratin Lael Brainard. Die Wahl fällt in eine Phase, in der die FED wegen unerwartet hoher Inflation unter Druck steht. Der Notenbank-Chef Powell wird dann doch für eine zweite Amtszeit nominiert.). Im Januar 2022 kündigt die Fed quasi an, dass sie bei der nächsten Sitzung am 16. März 2022 die Leitzinsen erhöhen wird um 0,25 Prozentpunkte (hohe Inflation, gute Lage am Arbeitsmarkt). Das geschieht dann auch um 0,25 Prozentpunkte auf eine Spanne von 0,25 - 0,50%. Weitere Anhebungen sollen folgen. Am 4.5.22 wird der US-Leitzins noch mal deutlich erhöht: Spanne von 0,75 bis 1%. Im Mai 22 steigt die Inflationsrate in den USA auf 8,6%. Im Juni 22 hält die Fed dagegen: Am 15.6.22 wird der Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf die Spanne zwischen 1,50 und 1,75% erhöht. Am 27.7.22 wird der Leitzins um 0,75 Prozentpunkte angehoben auf die Spanne von 2.25 bis 2,5%. Im Juni 2022 betrug die Zahl der Arbeitslosen schon 5,9 Mio.; sie dürfte nun weiter ansteigen. Am 21.9.22 wird der Leitzins wieder um 0,75 Prozentpunkte angehoben. Damit liegt er nun in der Spanne von 3 bis 3,25%. Hintergrund ist die hohe Inflation (8,3% im August 22). Eine weitere Zinserhöhung kommt am 02.11.22 um 0,75 Prozentpunkte auf die Spanne von 3,75 - 4,00 %. Die nächste Leitzinserhöhung ist am 14.12.22 um 0,50 Prozentpunkte auf die Spanne zwischen 4,25 - 4,5%. Am 1.2.23 erfolgt die nächste Erhöhung um nur 0,25 Prozentpunkte, weil die Inflation zurückgegangen ist. Bald soll eine Erhöhung des Leitzinses auf 6% kommen (starker Arbeitsmarkt, nur leichter Rückgang der IR). Ob das so wird, ist fraglich. Die Bankenkrise in den USA könnte die Notenbank von ihrem Kurs abbringen. Dieser wird moderater und eine Gradwanderung zwischen Bankenpleite und Teuerung. Am 22.3.23 wird der Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf die Spanne  zwischen 4,75 - 5,0% angehoben. Am 3.5.23 wird der Leitzins in den USA um weitere 0,25 Prozentpunkte auf die Spanne zwischen 5,0 und 5,25% erhöht. Das ist das höchste Niveau seit 2007 vor der Finanzkrise. Die Fed hatte abzuwägen zwischen der Stabilität des Bankensektors und den Verbraucherpreiserhöhungen. Am 26.7.23 erhöht die Fed den Leitzins auf die Spanne von 5,25 - 5,50%. Der Zinsgipfel könnte damit erreicht sein. Für 21.924 wird eine Zinssenkung angekündigt. Offen bleibt, ob um 0,25 oder 0,5 Prozentpunkte. Es werden dann 0,5 Prozentpunkte am 18.9.24. Damit liegt der Leitzins bei 4,75 bis 5,00% (zuletzt Senkung März 2020). Trump will bei einem Sieg die amerikanische Notenbank  domestizieren. Mit diesem Plan sind bereits frühere Präsidenten gescheitert. Vgl. Heissler, Julian: Trump im Nacken, in: WiWo 39/ 20.9.24, S. 36f. Am 7.11.24 kommt eine weitere Zinssenkung der Fed um -0,25 Prozentpunkte auf die Spanne zwischen 4,50 bis 4,75%. Die Inflation geht weiter zurück.   2007 vor der Weltfinanzkrise betrug der Leitzins in den USA 5,25%. Seit 2007 bis 2014 hat sich die Bilanzsumme der Fed um +376% erhöht. "Eine zu niedrige Inflation erhöht die reale Schuldenlast der privaten Haushalte und unternehmen und verringert die Fähigkeit der Zentralbank, einen Konjunkturabschwung zu bekämpfen", Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed, 2019. "Es kann sein, dass die Zinssätze etwas steigen müssen, damit die Wirtschaft nicht überhitzt", Janet Yellen, US-Finanzministerin 2021.

Notenbankertreffen, Sintra/ Portugal: Es findet jährlich statt (Juli). Es geht um einen großen Austausch zur Geldpolitik. Es ist ein Ringen um den richtigen Zins. Generalfrage 2024 ist, wie gezähmt die Inflation ist. Wichtigste Vertreter sind Fed und EZB. Es sind auch die nationalen Notenbanken Europas vertreten. Es kommen auch Vertreter von großen Privatbanken.

Weltleitwirtschaft: Wichtige Wirtschaftsdaten der USADie USA sind die größte Volkswirtschaft der Erde und Träger der Leitwährung "Dollar" (19,391 Billionen $ BIP 2017). Mit 24,1% hat das Land den höchsten Anteil am Welt - BIP (China 18,5, EU-27 18,7%). Mit 325 Mio. Menschen haben die USA nach China und Indien die drittgrößte Bevölkerung der Welt. Trotzdem haben sie bis Mitte Oktober 2020 mehr Corona - Tote als China und Indien (217.000). Das größte ökonomische Problem sind die Schulden. Bis Anfang 2020 ist die Gesamtverschuldung auf 22,4 Billionen Dollar gewachsen, 2012 beträgt sie voraussichtlich 29,3 Bill. US-Dollar bis 2023 soll die Verschuldung voraussichtlich noch bei 17,5 Billionen $ liegen. Die verfassungsmäßige Höchstgrenze ist bei 14,3 Billionen $. Das Haushaltsdefizit liegt seit 2009 - nach der Finanzkrise - bei 10% des Bruttoinlandsprodukts, was das Dreifache der EU-Schuldengrenze darstellt und höher als bei Griechenland ist. Die Staatsschuldenquote liegt 2021 bei 134% (EU-27 92%; China 67%). Es gibt 50 Bundesstaaten. Hauptstadt ist Washington. Die Verfassung ist von 1789. Von großer Bedeutung ist das höchste Gericht der USA (Supreme Court), das über die Verfassung wacht. Präsident Trump sorgt dafür, dass die Mehrheit zu Gunsten der Republikaner am Ende seiner ersten Präsidentschaft bei 6:3 liegt. Das könnte noch eine große Rolle spielen, wenn es um die Legalität des Wahlverfahrens und des Wahlergebnisses geht, aber auch um den Stopp der Gesundheitsreform von Obama. 2019 beträgt der Handelsbilanzsaldo noch -864 Mrd. US-$, er ist durch die protektionistische Handelspolitik kaum zurück gegangen (2018: -880). Für das Jahr 2021 wird ein Wirtschaftswachstum von nur +3,1% prognostiziert (China: 8,2%; EU-27 +5,0%).  Gegen Ende 2020 kommt die US-Wirtschaft fast zum Stillstand. Corona hinterlässt auch tiefe Spuren am Arbeitsmarkt. Die Zahl der Pleiten steigt. Die designierte Finanzministerin unter Biden Janet Yellen warnt vor einer "amerikanischen Tragödie". Am 20.12.20 einigen sich Demokraten und Republikaner in den USA auf ein weiteres Konjunkturpaket:  900 Mrd. Dollar ("American Rescue Plan"; insgesamt 1,9 Billionen $)). Es soll Hilfen für Arbeitslose geben. Ende März kommt ein gigantisches Infrastrukturpaket und Programm der Modernisierung ("American Jobs Plan"): 650 Mrd. € in klassische Infrastruktur (Ersetzen der maroden). 300 Mrd. $ gehen in die Energieeffizienz. Mit 180 Mrd. $ soll die KI gefördert werden. Finanziert werden soll da sProgramm mit _Steuererhöhungen (Körperschaftssteuer von 21 auf 28%, Steueroasen einschränken, Reichensteuer). Im Mai 2021 setzen Inflationsängste in den USA weltweit die Aktienmärkte unter Druck. 4,2% steigen die Verbraucherpreise im April 2021, später noch viel stärker. Die US-Konzerne werden 2022  immer besser. Mit jeder Krise erweitern die 500 größten Unternehmen der USA ihren Renditevorsprung gegenüber Europa. Es gibt zwei Gründe dafür: Der selbst verstärkende Tech - Vorsprung - Effekt und die Schwäche Europas durch den Ukraine-Krieg. Das profitabelste europäische Unternehmen war Gazprom aus Russland (24,5 Mrd. Euro Gewinn 2021). Laut Ökonomen wird eine Rezession für 2023 immer unwahrscheinlicher (im letzten Quartal 2022 legt die Wirtschaft überraschend stark um 2,9% zu). Vgl. auch generell zur Wirtschaft der USA: Klein. Laurence/ Goldberger, A. S.: . An Econometric Model of the United States, 1929 - 1952, Amsterdam 1955. 1980 bekam Klein den Wirtschaftsnobelpreis. Nozick, Robert: Anarchy, State, and Utopia, New York/ Oxford 1974. 2023 (Mai) einigt man sich im Prinzip im Haushaltsstreit und vermeidet die Zahlungsunfähigkeit. Wichtige Streitpunkte bleiben: Drastische Sparpläne, Reizthema Soziales, Energieprojekte, Streit um die Ukrainehilfe. Ende 2023 lagen die Schulden der USA bei 120% des BIP. Die Wirtschaft wuchs um 2,5%. Grund dafür ist auch das gigantische Investitionsprogramm IRA. Die US-Regierung musste 10% ihrer Einnahmen als zinsen an gläubiger zahlen. Das ist doppelt so viel, wie sie für Bildung und Forschung ausgab. Der Zinsanteil dürfte steigen, weil die Niedrigzinsphase vorbei ist.

Exkurs: Ist das politische System der USA noch zu retten? Viele Amerikaner glauben, das politische System der USA sei so konzipiert, dass es dem öffentlichen Interesse diene. Doch das ist nicht zutreffend. Es unterliegt den gleichen Anreizen und Kräften wie jede privatwirtschaftliche Branche. Leider har das zu einem ungesunden Wettbewerb geführt. Wahlen und Gesetzgebungsverfahren sind so gestaltet, dass das Duopol aus Republikanern und Demokraten gewinnt, während das öffentliche Interesse verliert. Das Wahlsystem und die Gesetzgebungsverfahren müssen sich deutlich verändern. Siehe Gehl, K. M./ Porter, M. E.: Wie das Politische System der USA zu retten ist, in: HBM Oktober 2020, S. 42ff. Besonders bei den Demokraten fällt auf, dass sie schon länger wichtige Probleme des Landes ignorieren: Ungleichheit, Arbeitslosigkeit, Sozialversicherung (Gesundheit), Verschuldung der Privathaushalte. Sie konzentrieren sich auf die wirtschaftsstarke und wohlhabende Bevölkerung der West- und Ostküste. Gerade bei den Verlierern der Globalisierung hatte Trump gepunktet (siehe oben). Eine liberalere Politik, die Chancengleichheit und mehr Einkommen für gute Leistung für die Mehrheit vertritt, scheint keine Mehrheiten in den USA zu haben. Das bis heute scharfsinnigste Buch über die Demokratie in den USA ist schon sehr alt: Alexis de Tocqueville (1805-1859), "Über die Demokratie in Amerika", 1835/ 1840. Er war im Auftrag der französischen Regierung in die USA gereist, um das Rechts- und politische System zu studieren. Er analysierte in seinem Buch das Verhältnis von Freiheit und Gleichheit und die Grenzen der Gleichheit und das Ende des Mitleids. Er analysiert den Konflikt zwischen Ehre/ Bürgerarbeit und Geld. Es ist eines der meist rezitierten Werke der Sozialwissenschaften. Das US-Wahlsystem führt auch zu Apathie: Das Wahlleutesystem (Electoral College) ist antiquiert. Es stammt von den Gründervätern 1787. Es kam unter Druck und den damaligen Verhältnissen zustande. Die US-Verfassung lässt sich aber nur schwer ändern. Man braucht für einen Sieg mindestens 270 Wahlmänner ("The Winner takes it all", es gibt 538). Auch kleiner US-Staaten sollen zählen, was der tiefere Sinn dahinter ist. Die prominenten Ökonomen, die Mitglieder der Demokraten sind oder Symphatisanten, haben sich immer mit Kritik am eigenen US-System zurückgehalten (Reich, Yellen, Krugman). Sie haben die sich schon lange abzeichnende Spaltung der US-Gesellschaft links liegen gelassen und sich lieber mit Missständen in der EU oder China beschäftigt. Vielleicht haben sie auf Karriere im System gehofft oder waren betriebsblind. Deshalb muss man auf eine Novelle zurückgreifen, die allerdings mehr ein Sachbuch über das aktuelle Amerika ist. Es wird eindrucksvoll gezeigt, dass das große Versprechen von Glück und Wohlstand nicht mehr gilt. Auch Biden spielt in dem Buch eine Rolle. Wenn man das Buch gelesen hat, hält sich die Hoffnung auf eine Reform in den USA unter den Demokraten sehr in Grenzen. Vgl. George Packer: Die Abwicklung. Eine innere Geschichte des neuen Amerika, Frankfurt 2015 (Fischer, die US-Originalausgabe erschien schon 2013, trotzdem ist das Buch immer noch hochaktuell, weil alle US-Ökonomen versagt haben).

Exkurs: Kleptokratie: In den mächtigsten Ländern der Welt USA, China, Russland herrscht eine Art Kleptokratie. Es gibt enge Verbindungen zwischen Wirtschaft und Staatschefs bzw. Präsidentschaftskandidaten. In Russland und China ist das durch die Staatsunternehmen von Natur aus bedingt. In den USA kommt es auch durch den Wahlkampf. Man braucht dafür das Geld von der Wirtschaft. Außerdem sind in der Regel Familienmitglieder in hohen Posten der Wirtschaft (der Sohn von Biden und die Kinder von Trump). Sie werden dort unterstützt. Steuertricks sind sehr verbreitet (Trump hat maximal 750 Dollar Einkommensteuer gezahlt: hohe Kosten für Wohnen, Friseur u. a.; auch Verlustvortrag).

Exkurs. Netzwerke der USA: Die Weltwirtschaft ist abhängig von amerikanischen Konzernen und ihren Strukturen. Die USA machen daraus auch eine geopolitische Waffe. Die US-Regierung kontrolliert die Strukturen der Globalisierung. Sie kann Druck auf Länder ausüben, etwa durch Sanktionen. Zu den Strukturen gehören Datenleitungen des Internets (Glasfaserkabel) , Lieferketten, Finanzsysteme (z. B. Swift). Man spricht auch von Untergrund-Imperium. China ist dabei, eigene Knotenpunkte aufzubauen (z. B. Cips). Eine zentrale Rolle spielt der Dollar als Weltleitwährung. Die Unternehmen verhalten sich allerdings nicht einheitlich /z. B. Google, Microsoft).  Vgl. Newman, Abraham L.: Underground Empire - How America Weaponized the World Ecomomy, 2023. Auch Interview mit Newman in Der Spiegel 40/ 30.9.23, S. 58f. Wegen der Macht der Konzerne in den USA spricht man auch von einer "Private Economy". Den Unternehmen ist quasi egal, wer regiert, sie steuern das Land.

Exkurs. Wirtschaftsdominanz der USA: Das BIP der USA ist Weltspitze. 28,78 Bill. $, EU 18,98; China 18,53. von 2007 bis 2024 ist folgendes Wachstum zu verzeichnen: USA +37,1%; EU +18,2%; China +215,6%. 2007 betrug der Anteil der USA am weltweiten BIP 24,7%, 2023 26,1% (EU 25,2%; 17,5%; China 6,1%; 16,9%). Die große Schwachstelle der US-Wirtschaft sind die hohe Staatsverschuldung (35,47 Bill. $, +280% 2007 bis 2024. Haushaltsdefizit -1,88 Bill. $ 2024. Vgl. HB 22.10.24, S. 12f.

Bidennomics: Biden den USA hat viele neue Vorstellungen über die Wirtschaft. Er versucht, seine eigne Philosophie zu entwickeln (Bidenomics): 1. Der Markt ist nicht unfehlbar, aber immer noch dominant. 2. Staat muss für Vollbeschäftigung sorgen, nicht mehr nur Wirtschaftsschwankungen ausgleichen. 3. Höhere Staatsausgaben und Verschuldung sind vertretbar (Anlehnungen an NMT). 4. Klimaschutz und Außenhandel sollen Jobs sichern ("New Deal"). 5. "America first" (gilt auch weiterhin). Dafür versucht man aber, andere Länder einzuspannen (Bsp. IRA). 6. Vermögens- und Einkommensverteilung sind ungerecht (Korrektur über Steuerpolitik?).

Exkurs. Trumpismus. Trumps Retro-Ökonomie: Im Falle seiner Wiederwahl will Trump die Fed und den Dollar schwächen. Das könnte zum Nachteil für amerikanische Verbraucher werden, weil die Preise für Waren mit Importanteilen steigen. Es könnte auch wieder die Inflation beleben. Federführend ist das America First Institute (Aaron Hedlund). Viele Berufsbeamte sollen durch Personen ersetzt werden, deren Treue zu Trump sichergestellt sein wird (linientreues Personal). MAGA (Make America Great Again) ist wie eine Sekte mit Fetischen und Riten. Trump wird auf jeden Fall den finanziellen und materiellen Beitrag zur Nato zurückfahren (Zerfall der Nato? J. D. Vance: Was geht mich die Ukraine an?), was Europa teuer wird. Trump hat keine Lust mehr, sich um die Belange Europas zu kümmern. Asien ist wichtiger für dei USA. Im Grunde genommen setzt Putin auf Trump (wenn Trump die Wahl verliert, ist seine Kalkulation am Ende). Weiterhin soll der Protektionismus weiter verstärkt werden. Weitere Zölle sollen eingeführt und erhöht werden. Waren aus der EU sollen mit 10% Zoll belegt werden, weil die EU weiter mit China im großen Ausmaß Handel betreibt (das soll für alle Länder gelten, die mit China handeln). Die Zölle gegenüber China sollen sehr hoch bleiben (bis 60% bei E-Autos). China soll noch stärker von Technologie abgekoppelt werden. Die Steuern sollen gesenkt werden, vor allem die Unternehmenssteuern. Vgl. auch Maurice Obstfeld, in: WiWo 26/ 21.6.24, S. 37. Nach den Schüssen auf Trump im Juli 2024 setzen Anleger auf sein Comeback. Die Kryptowährung Bitcoin und US-Aktien sind gefragt.

Exkurs. Wirtschaftspolitik von Harris: Bisher ist sie eher vage. Sie muss die Mittelschicht erreichen, um die Wahl zu gewinnen. In der Bevölkerung hält man Trump noch für kompetenter. Viele der Ideen der Demokraten sind unter Biden entstanden (vgl. oben): 1. Besteuerung großer Konzerne mit 28% statt 21%. 2. Entlastung der Mittelschicht bei hohen Mieten durch Steuergutschrift bei Kindern. 3. Staatshilfe beim Hauskauf. 4. Keine Besteuerung von Trinkgeld. 5. Dämpfung der Lebensmittelpreise. 5. Walz soll für Kontakte zu Arbeitern und Gewerkschaften stehen. 6. "Soft landing" der US-Konjunktur um jeden Preis. Vgl. Book, Simon: Klassenkampf light, in: Der Spiegel 35/ 24.8.24, S. 62f.

Auslandsinvestitionen der USA: 2019  sah die Verteilung der Direktinvestitionen der USA nach Zielregionen wie folgt aus (in Mrd. US-Dollar): Europa 3571; Asien 955; Südamerika 912; Kanada 402; Mittlerer Osten 75; Afrika 43. Quelle: Bureau of Economic Analysis.

 US-Kapitalmarkt: 2024 will die US-Wertpapieraufsicht SEC mit einer groß angelegten Reform das Anleihegeschäft sicherer machen. Die Regeln werden bis 2026 schrittweise eingeführt. Es sind die folgenschwersten Änderungen für das Geschäft mit amerikanischen Staatsanleihen. Das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen liegt bei 760,5 US$ (insgesamt 25 Billionen US$ ausstehende Papiere). In Krisenzeiten kommt es immer wieder zu Verwerfungen. Es soll auch eine Neubewertung kommen. Die Abwicklung soll über eine zentrale Gegenpartei erfolgen (wie bei Aktien und Derivaten). Dei Organisation dafür gibt es: Die FICC seit 2003. Das zentrale Clearing soll den Markt widerstandsfähiger machen. Für Händler steigt der Aufwand. Es gibt noch einige Ausnahmen für Hedgefonds. Vgl. Misch, Michael: Radikalumbau mit Nebenwirkungen, in: HB 30.01.24, S. 28f..

Exkurs. Staatsanleihen der USA: Die Schuldenpapiere der USA als Staat geraten 2023 wieder mal unter Druck. Normalerweise gelten sie als sichere Hafen für Geldanleger. Aber 2023 verlangen die Investoren höheren Zins, weil sie einen Ausgleich für das Risiko wollen. Die ganzen Krisen in der Welt (Ukraine, Gaza, Chinas und Europas Wirtschaft) führen zu weniger Anlagen und damit sinkenden Preisen. Das könnte auch Folgen für Unternehmen und Arbeitnehmer in Deutschland haben. Die internationalen Notenbanken als beste Kunden halten sich zurück. Natürlich haben die USA auch an Kredit verloren. Hinzu kommt, dass der größte Kunde China umschichtet. Vgl. Buchter, Heike: Das große Beben, in: Die Zeit Nr. 46/ 2.11.23, S. 29.

Schulden/ Verschuldung der USA: Im August 2023 stuft die Rating - Agentur Fitch die Kreditwürdigkeit der USA von AAA auf AA+ ab. Auf die Börsen in aller Welt scheint das noch keinen Einfluss zu haben. In Anbetracht des Riesenkonjunkturprogramms sind die Wirtschaftsexperten optimistisch. Ende 2023 lagen die Schulden der USA bei 120% des BIP. Die Wirtschaft wuchs um 2,5%. Grund dafür ist auch das gigantische Investitionsprogramm IRA. Die US-Regierung musste 10% ihrer Einnahmen als Zinsen an Gläubiger zahlen. Das ist doppelt so viel, wie sie für Bildung und Forschung ausgab. Der Zinsanteil dürfte steigen, weil die Niedrigzinsphase vorbei ist. 2024 brennt die Schuldenlunte weiter. Die USA leben über ihre Verhältnisse. Der nächste Präsident muss den Haushalt sanieren, um die Bonität de Landes zu wahren. Doch wie soll das geschehen? 2024 kratzen der Schulden der US-Bundesregierung an der Marke von 28 Billionen $. Das sind 99% des BIP. Rechnet man die Staatsanleihen hinzu, die die staatliche Rentenversicherung hält, liegt die Schuldenquote im Februar 2024 bei 127%. Hinzu kommen die Anleiheschulden der Bundesstaaten und Kommunen in Höhe von 4 Billionen $. Bis 2034 soll die Schuldenquote des budnes auf 116% des BIPs steigen, bis 2054 auf 172% (CBO). Die Finanzpolitik muss geändert werden. In den nächsten Jahren werden auch dei Zinsausgaben anwachsen. Es bleiben fast nur Steuererhöhungen. Vgl. Fischer, Malte: Die Schuldenlunte brennt weiter, in: Wiwo 8/ 2024, S. 36f.

OECD: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist die Spitzenorganisation der westlichen Industrieländer (Generalsekretär: Angel Gurria, aus Mexiko; Chef-Volkswirt Pier Carlo Padoan, 2014 Finanzminister Italien). Bis 2022 ist Laurence Boone dann Chefökonomin und stellvertretende Generalsekretärin. Dann wird sie Chefin des Europaressorts unter Macron.  2022 ist Mathias Cormann Generalsekretär. Chefökonomin 2023 ist Clare Lombardelli.  Gegründet 30.09.1961, Koordinierung des Wiederaufbaus in Europa). Sie hat 2021 37 Mitgliedsländer, zu denen auch Länder aus Asien und  Osteuropa zählen, die sich zur Demokratie und Marktwirtschaft bekennen (über 20% der Weltbevölkerung und ein Drittel der Weltproduktion). Die Länder haben ein relativ hohes Pro-Kopf-Einkommen. Sie ging aus einer Organisation der Marshall-Hilfe-Mittel hervor, OEEC). Das Sekretariat ist in Paris und betreibt Forschungsprojekte über volkswirtschaftliche Entwicklungen und gesellschaftlichen Wandel. Das höchste Organ ist die Ministerkonferenz. Bekannt sind die Wirtschafts- und Bildungsprognosen der OECD. Am bekanntesten in Deutschland ist die Pisa-Studie geworden. Russland und China bemühen sich seit längerem, der Organisation beizutreten. Insgesamt haben die OECD-Staaten 2016 120 Mio. Euro für Entwicklungshilfe ausgegeben (+7,4% gegenüber dem Vorjahr). Im Oktober 2018 geben die USA ihre OECD-Blockade auf (Opfer der Trump - American first - Politik). Die Schwedin Cecilia Malmström, die früher Handelskommissarin der EU war und gerne WTO-Chefin geworden wäre, wird vielleicht neue Chefin der OECD. Sie folgt dann auf Angel Gurria (gibt den Posten im Mai ab).. Aber es kommt anders: Der Australier Cormann soll neuer OECD-Chef werden. Er war früher mal Finanzminister in Australien. Innerhalb der OECD gibt es die Untergruppe Inclusive Framework. sie umfasst 139 Staaten. Im Sommer 2021 unterstützen davon 132 die Mindeststeuer für global agierende Unternehmen. Im Oktober 2021 einigt man sich auf eine globale Steuerreform (mindestens 15% Unternehmenssteuer). Angesichts des Einmarsches in die Ukraine werden die formell bestehenden Beitrittsverhandlungen, die es seit 2014 gibt, mit Russland beendet. 2021 wurde die Spezialeinheit New Approaches to Economic Challenges (NAEC) gegründet. Es ging um die Frage, warum niemand die Finanzkrise vorausgesehen hatte. Chef ist William Hynes. Er brachte zahlreiche Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen zusammen. Cormann beendet dann dieses Projekt. Das ruft die Kritik zahlreicher Ökonomen hervor (u. a. Stiglitz, Rodrik, Mazzucato, White). Die OECD fährt auch Kampagnen. so die Global Money Week (GMW). 2023 ist sie vom 20-23. März. Es geht um Finanzbildung und bessere Finanzentscheidungen. Regelmäßig werden auch Untersuchungen zu allen möglichen Themen veröffentlicht: Bildung, Gesundheit (immer mehr Menschen bewegen sich zu wenig). Im Mai 2023 kommt ein Prüfbericht. Im Zentrum stehen Energiewende und Klima. In Deutschland wird mehr Tempo angemahnt. Es gibt konkrete Empfehlungen.    Der Wirtschaftsausblick für Deutschland für 2010 liegt bei 1,6% Wachstum und 4 Mio. Arbeitslosen (2011 4,3 Mio.). 2012 wird eine Konjunkturprognose im Mai 12 erstellt. Für Deutschland wird mit 1,2% Wachstum für 2012 gerechnet, für 2013 mit 2,0%. Die OECD gibt für 2023 folgende Wachstumsprognose ab: Welt +2,2%; China +4,6%; USA +0,5%; Euro-Raum +0,5%; Deutschland -0,3%.

World Economic Forum (WEF), Davos: Seit 2015 ist das als internationale Organisation anerkannt. 1971 veranstaltete Klaus Schwab das erste Managertreffen in Davos. Es sollte Manager und Politiker zusammenbringen. Es ist eine globale Plattform, die unaufhörlich expandiert. Das Forum firmiert als Stiftung und  arbeitet ohne Profitziel. "Improving the state of the world" lautet das Ziel des WEF. Es hat eine ganze Reihe praktischer Initiativen gestartet (Impfung, Ausbau der Landwirtschaft in Dritter Welt). Finanziert werden die Projekte durch Unternehmen und Stiftungen. Auf dem Word Economic Forum in Davos, das vom 26. 01. 2011 bis 30.01. 2011 stattfand (wird seit 1971 jährlich durchgeführt), war  das Thema: "Globale Normen, um die Welt wieder in Ordnung zu bringen". 2012 ging es in etwa zur gleichen Zeit um die Schuldenkrise und die Zukunft des Kapitalismus. 2014 gibt das Weltwirtschaftsforum einen Risikobericht heraus: Es besteht die Gefahr einer erneuten Finanzkrise. Die Kluft zwischen Reich und Arm wird immer größer. Besorgniserregend ist die hohe Arbeitslosigkeit in vielen Ländern. 2500 Führungskräfte aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Politik kommen. 1,7 Mio. € kostet das Treffen, das von Klaus Schwab gegründet wurde und sich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. Mittlerweile gibt es auch eine Sommerveranstaltung. Diese findet im September 2012 im chinesischen Tianjin statt. 2013 geht es ab dem 22.01. um die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte, aber auch um Nachhaltigkeit, Managementmethoden und neue Technologien. Das Weltwirtschaftsforum 2015 beginnt am 21.01.15 in Davos. Es geht um "The New Global Context". 2016 geht um die "Herausforderungen der vierten industriellen Revolution" ("Zustand der Welt verbessern" ist ständiger Leitspruch). Am 17.01. beginnt das Weltwirtschaftsforum 2017 in Davos. Themen sind: Armut, Klimawandel, Zukunft der USA nach der Wahl. Es gibt 3000 Teilnehmer und 400 Veranstaltungen. Mittlerweile wird eine Wertschöpfung von über 40 Millionen Euro generiert. 2018 werden auf dem Weltwirtschaftsforum hohe Gäste erwartet, die dann mehr Aufmerksamkeit erregen als die Themen (Trump, Trudeau, Macron, Merkel, May, Modi; Netanjahu). Das Treffen beginnt am 22.01.18. Der Schwerpunkt liegt auf Krisen in der Welt. "Amerika zuerst bedeutet nicht, Amerika alleine. Wenn die USA wachsen, dann wächst auch die Welt", Trump auf dem Forum in Davos am 26.01.18. Thema des Treffens 2019 in Davos ist "Globalisierung 4.0: Auf der Suche nach einer globalen Architektur im Zeitalter der vierten industriellen Revolution". Das Jahrestreffen findet vom 22. bis 25 Januar 2019 statt. Viele Staatschefs haben abgesagt. Es kommen Merkel und Abe. Beide sprechen sich für Multilateralismus und Kooperation aus. Vom 21. Januar 2020 an geht es in Davos um einen nachhaltigeren Kapitalismus (4 Tage, bis Freitag). Es ist das 50. Treffen und damit ein Jubiläum. Der Klimawandel steht im Vordergrund. Stargäste sind Trump und Greta Thunberg. Es geht auch um Geopolitik mit ihren schweren Krisen (USA vs. Iran, Terrorismus). 2021 beginnt das Forum am 24.01.21. Besonders Augenmerk wird auf Asien gelegt, wo mittlerweile mehr als 50% der Weltwirtschaftsleistung erbracht werden. Unterstützer des Forum sind mehr als 1500 Führungskräfte aus mehr als 70 Ländern. Das Gipfeltreffen der globalen Elite findet virtuell statt. Am 23. 5.2022 beginnt in Davos wieder ein reales Treffen. Russen sind nicht erwünscht. Zentrales Thema ist der Ukraine-Krieg und die neue Weltordnung. Es geht auch um Moral in Unternehmen (in Bezug auf den Ukraine-Krieg). 2023 im Januar findet das Weltwirtschaftsforum in Davos wieder zur gewohnten Zeit statt. Es kommen 2700 Menschen aus 52 Ländern. Das Thema lautet "Zusammenarbeit in einer fragmentierten Welt". Man spricht vom Ende der Hyperglobalisierung. Themen sind Inflation, Energie- und Ernährungskrise contra Klimaschutz, Geopolitik, Arbeitsmarkt und Fachkräftemangel.  2024 findet die 45. Auflage in Davos statt. Es beginnt am 15.1.24 mit ca. 2800 Teilnehmern aus 120 Ländern. Das Motto lautet: "Vertrauen wiederherstellen" (Themen: aktuelle Kriege, Klimakrise, steigende Lebenshaltungskosten, KI). Es kommen Selenskyj aus der Ukraine und der chinesische Premier Li Qiang (auch Blinken/ USA, Macron, Herzog). Es reisen auch führende Vertreter der KI an. WEF - Präsident ist Jörg Brende. Deutschland spielt nur noch eine Nebenrolle.

Weltsozialforum, Porto Alegre/ Braslien: Es wird 2021 20 Jahre alt, gegründet also 2001. Jährlich findet ein Treffen statt. Es geht um soziale Gerechtigkeit in der Welt. Die Situation der armen Länder soll verbessert werden.

ILO/ International Labour Office, Genf: Kernarbeitsnormen (Core Labour Standards) der ILO (International Labour Organization): Diese Normen von 1998 legen für alle 185 Mitgliedsstaaten der ILO autoimatisch Mindeststandards wie Vereinigungsfreiheit, Beseitigung von Zwangs- und Pflichtarbeit, Abschaffung von Kinderarbeit und die Beseitigung der Dikriminierung im Beruf fest und machen damit acht internationale IAO-Übereinkommen verbindlich. In vielen Ländern schwierig durchzusetzen, da es dort eine stark ausgeprägte informelle Ökonomie oder Schattenwirtschaft gibt, in der Gewerkschaften keine Rolle spielen.  Vgl. Vgl. Ernst, D./ Sailer, U./ Gabriel, R.: Nachhaltige Betriebswirtschaft, München 2021, S. 408.

Metropolen: Die Verstädterung der Welt schreitet in der Globalisierung fort. 600 große Städte beeinflussen das globale Wirtschaftswachstum maßgeblich. Hier wird entwickelt, gefertigt und konsumiert. Schwieriger wird die Regierbarkeit und Bewohnbarkeit. 2012 sind die zehn größten Megacitys Tokio (36 Mio. Einwohner), Mumbai (21 Mio.), Mexiko-Stadt (19 Mio.), New York (19 Mio.), Sao Paulo 18,8 Mio.), Shanghai (17,5 Mio.), Kalkutta (16,9 Mio.), Delhi (15,7 Mio.), Peking (15,2 Mio.), London (14,5 Mio.). Nicht einheitlich ist die Messung und Abgrenzung der Städte. So wird auch die chinesische Stadt Chongqing als größte Stadt der Welt bezeichnet. Saudi-Arabien baut ab 2021 eine Mega-City ans Rote Meer.

Non-Governmental Organization (NGO): Nicht-Regierungsorganisationen. Unabhängige Organisationen, die Staaten im Bereich der Bürgerrechte (Amnesty International), der Ausgabenpolitik (Steuerzahlerbund), oder anderer Maßnahmen beraten. Sie haben weltweit an Gewicht gewonnen. Im Welthandel ist Attac sehr aktiv. Es wirft der WTO vor, unter dem Etikett "Liberalisierung des Welthandels" die Interessen der Industrieländer zu verfolgen. 2013 verfolgt Russland NGO im Land (insbesondere Parteistiftungen) und droht mit Beschlagnahme von Vermögen. Davon zu unterscheiden sind in Deutschland die Parafisci. Dazu gehören Kirchen, öffentliche Rundfunkanstalten und Parteien. Hier gelten jeweils einzelne Regelungen für die Organisationen (zwischen Staat und Privat). In allen Parteien in Deutschland gibt es Befürworter einer Trennung zwischen Staat und Kirche.

Oxfam, Nairobi/ Kenia (internationale Entwicklungshilfe-Organisation, Großbritannien, Gründung 1942 in Oxford/ GB;: Eine der bekanntesten NGO. Beschäftigt sich mit der Verteilung (Arm und Reich, EL) in der Welt.   Auch Studien zu Armut und Vermögensverteilung; seit 2013 Chefin Winnie Byanyima aus Uganda: "Die Welt wird immer instabiler"; 2018 muss wegen eines Prostitutionsskandals in Haiti die stellvertretende Vorsitzende zurücktreten; die EU will Gelder kürzen). Regelmäßig vor dem Weltwirtschaftsform in Davos kommt eine Meldung. 2023 wird für 2022 ein Anstieg der Ungleichheit vermeldet. Der Hauptfaktoren sind die stark gestiegenen Lebensmittel- und Energiepreise. Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer.

Multinationale Konzerne (Multis): Zum Beispiel übertrifft der Umsatz von GM das BIP von mehr als 100  Staaten. Sogar der Umsatz von Wal-Mart Stores übertrifft 2012 mit 422 Mrd. US-$ das BIP von Norwegen (418). Weitere große Multis nach dem Umsatz sind Royal Dutch, Exxon, BP, Sinopec, PetroChina, Toyota, Chevron, Total, ConocoPhillips. Multis sind die treibende Kraft der Globalisierung, indem Sie die Haupt-Träger der Direktinvestitionen sind. In Bezug auf Umwelt, Korruption, Machtmissbrauch und Preisdiskriminierung kann Fehlverhalten auftreten, das durch Haftungsbeschränkungen verstärkt wird. Globale Gesetze und Machtbeschränkung verbunden mit sozialer Verantwortung müssen dem entgegenwirken. Multis arbeiten mit Verrechnungspreisen: dies sind interne Preise, zu denen Teile und Komponenten innerhalb eines Unternehmens von vorgelagerten an nachgelagerte Abteilungen "verkauft" werden (müssen allerdings in Deutschland nach versteuert werden; dadurch z. B. in den USA indirekte Wirtschaftsförderung). Hiermit kann man hervorragend Ertrags-Steuern sparen (Google, Amazon, Starbucks). In Deutschland hilft seit 2008 auch die Zinsschranke: Die Tochterfirmen von Multis können Zinsausgaben über eine Freigrenze von drei Millionen Euro hinaus nicht von den Gewinnen absetzen.  Die OECD übt 2013 deutliche Kritik an der künstlich niedrigen Steuerlast: Sie bemängelt die Aushöhlung von Steuerbemessungsgrundlagen und die Verlagerung von Gewinnen. Gewinne werden von Land zu Land verschoben (Doppelbesteuerungsabkommen werden in "Doppel - Nichtbesteuerungsabkommen" umgewandelt). Auch viele große Unternehmen betreiben Steuervermeidung. Sie gründen ein dichtes Netz von Auslandstochterfirmen in den Steueroasen und sparen so viele Milliarden $ Steuern (Apple, Microsoft, Facebook, Starbucks). In Kombination mit Irland bilden die Niederlande für große Konzerne das optimale Gespann. Dadurch beteiligen sich Multis kaum noch an der Infrastruktur ihres Standortes. Die Steuervermeidung der globalen Konzerne ist allerdings nicht genau zu ermitteln.  Auf G20-Ebene (auch bei G8) sollen Handlungsoptionen dagegen diskutiert werden. Die Direktinvestitionen werden normalerweise innerhalb der Triade der Weltwirtschaft (Nordamerika, EU, Ostasien) abgewickelt. Nach dem Transnationalitätsindex ist das kanadische Unternehmen Barrik Gold Corp. an erster Stelle. In Deutschland ist die Linde AG am weitesten. Nach dem Aktienwert ist Siemens der größte deutsche Multi (Platz 42 in der Welt 2011, 2. Platz BASF). Weltweit führt Exxon vor Petrochina. Es gibt Bestrebungen in einzelnen Ländern, Multis mit Sondersteuern zu belegen. Diese soll bei Konzernen erhoben werden, die den Markt brauchen. Ungarn macht damit 2011 den Anfang. Einige multinationale Konzerne sind auch durch massiven Einfluss auf Politik aufgefallen (z. B. United Fruit Company/Chiquita). Ca. 120 Multinationale Unternehmen der 500 größten der Welt kommen aus Schwellenländern (380 aus Industrieländern). Es halten sich Gerüchte, dass einige Multis Rechenzentren und andere Institutionen auf Plattformen in hoher See planen, um staatliche Regularien zu umgehen. Damit würden diese endgültig zu Kleinstaaten. Laut Angaben der Weltbank kontrollieren die 500 größten Privatkonzerne 2016  52,8% des Weltinlandsprodukts. die ETH Zürich liefert 2017 folgende Daten: Sie untersuchte die Besitzstrukturen von 43.000 Multis. Sie fand heraus, das ein Prozent der Firmen mehr als 40 Prozent der Maschinen und anderen Investitionen auf der Welt kontrolliert. Das Kartellrecht greift hier nicht mehr. Bei der Wahl des Sitzes spielen Steuerersparnis und geringere Mitbestimmung ein große Rolle.  Die deutschen DAX - Unternehmen sind Multis. 2007 arbeiteten hier ca. 46% aller Beschäftigten in Deutschland. Diese Unternehmen wachsen vor allem im Ausland und schaffen auch dort mehr Stellen. In Europa ist Royal Dutch Shell das größte Unternehmen 2009. Die höchste Umsatzrendite haben russische Unternehmen. 2010 gehören bereits drei chinesische Unternehmen zu den zehn größten der Welt (Petrochina mit Platz 2, ICBC, China Construction Bank). Europäische Unternehmen scheuen die Übernahme von Unternehmen in Asien. Als deutscher Multi ist an sich SAP ein positives Beispiel: 2011 wurden 16% des Umsatzes in Deutschland erzielt, aber 55% der Steuern hier gezahlt. Trotzdem gibt es eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Fiskus wegen Finanzströmen zwischen 2003 und 2006. Auch der VW-Konzern zahlt in Deutschland mehr als 3 Mrd. € Ertragsteuern (von 5 Mrd. € weltweit). 2013 sind 47 Unternehmen aus den USA und 29 unternehmen aus der EU und davon 7 aus Deutschland unter den Top 100 der Welt nach dem Marktwert. Das wertvollste Unternehmen der Welt ist Apple. 2014 wollen sich die beiden größten Zementhersteller der Welt Holcim und Lafarge zu einem neuen Champion zusammenschließen. Die Kartellbehörden sind alarmiert. Die Preise könnten um 25% steigen. 2014 kommt es am Aktienmarkt zu einer Rückkehr des Westens: Apple, Microsoft und Exxon sind die wertvollsten Firmen (81 von 100 wertvollsten aus Nordamerika und Europa, aus Deutschland stammen 5, nur China kann unter den Schwellenländern mithalten). US-Multis horten Milliarden im Ausland, weil Rücktransfers von Gewinnen in die USA mit 35% besteuert werden (Quelle: JP Morgan: US Equity Strategy). 2016 sind Apple, Alphabet und Microsoft die wertvollsten Firmen der Welt. Die SAP steht als deutscher Spitzenreiter auf Platz 60. Im Jahr 2023 liegt die SAP auf Platz 61, Siemens auf Platz 88. Amazon und Facebook sind mittlerweile unter den Top 10. 2019 liegt eine Studie von E&Y vor: Untersucht werden die 1000 umsatzstärksten börsennotierten Unternehmen der Welt. 299 Unternehmen aus den USA sind darunter. 146 Firmen aus Japan. China folgt mit 79 Unternehmen. Großbritannien und Frankreich folgen mit 45 Firmen. Deutschland hat 44 Unternehmen. Im Gewinnranking lag Apple an der Spitze vor Samsung.

Geschichte der Multis: Im 17. Jahrhundert gab es die ersten multinationalen Unternehmen (z. B. British East India Company gilt als das erste moderne multinationale Unternehmen, 1602 gegründet). Erst in der Zwischenkriegszeit und nach dem 2. Weltkrieg entstanden vermehrt Multis. Eine starke Zunahme gab es in den 1970er und 1980er-Jahren., wobei auch zunehmend Unternehmen aus Europa und Japan dabei waren. In jüngster Zeit entstammen die Multis vermehrt aus Schwellenländern. 2008 hatten die OECD-Länder nur noch einen Anteil von 72% an den Multis. Die Zahl wird insgesamt auf 82.000 geschätzt (Je nach Abgrenzung; Quelle: UNCTAD). Vgl. K. Morasch/ F. Bartholomae: Internationale Wirtschaft, Konstanz/ München 2011.

Verflechtung der Multis: Über die weltweite Verflechtung gibt es noch keine Untersuchung. Sie gibt es aber. die Verflechtung kommt auch indirekt über ausländischen Aktienbesitz. so sind dei 40 DAX-Konzerne überwiegend vom Aktienbesitz her keine deutschen Unternehmen mehr. Die europäischen Großkonzerne sind eng verflochten. Handel, Austausch und Entscheidungsstrukturen verbinden die Unternehmen miteinander. Vgl. Scholz, robert u. a.: Ungleich starke Fäden, in: WZB Mitteilungen, 1/23, S.20ff.

Struktur mulinationaler Unternehmen: Begriffe: ein globales Unternehmen hat überall die gleichen Produkte (Apple). ein multinationales Unternehmen passt sein Produkt an (McDonald´s: in Indien kein Rindfleisch, in Malaysia Reisbrei, in Japan Shrim-Burger). Ein Transnationales Unternehmen hat keinen Bezug zu einem Herkunftsland. Multis sind in der Regel in GB/ London, USA, Niederlande, China, Brasilien, Japan und Indien vertreten. Sie haben Zentralen in Europa, Nordamerika, Südamerika, Asien, Australien und Afrika (Süd-Afrika).

Internationale Mindestbesteuerung von Unternehmen: Sämtliche große Player wollen die Reform, wie das Treffen der G20-Finanzminister im Juni 2019 gezeigt hat. Es soll ein System effektiver internationaler Mindeststeuern auf den Gewinn multinationaler Unternehmen bis Ende 2020 kommen. Eine Mindeststeuer könnte die Effizienz und Effektivität der internationalen Besteuerung deutlich steigern und den Steuerwettbewerb abmildern. Es gibt jedoch große Herausforderungen, exzessive Compliance - Kosten zu vermeiden und Doppelbesteuerungsabkommen zu begrenzen. auch wird die nationale Souveränität in der Besteuerung durch eine solche Reform untergraben. Vor allem dürften zwei Elemente zum Einsatz kommen: 1. Income Inclusion Rule. 2. Tax on Base Eroding Payments. Zu1.: Der Anreiz wird vermindert, Gewinne und Investitionsvorhaben rein aus Steuergründen in Niedrigsteuerstandorte zu verlagern. Zu 2. Abfließende Zahlungen an verbundene Unternehmen im Ausland werden bis zur Höhe des effektiven Mindeststeuersatzes belastet. Vgl. Becker, Johannes/ Englisch, Joachim: Internationale Mindestbesteuerung von Unternehmen, in: Wirtschaftsdienst 2019/9, S. 642ff.

Matthäus-Effekt: Er geht auf en Soziologen Robert K. Merton zurück. Er übernahm einfach einen Bibelvers: "Denn wer da hat, dem wird gegeben". Dieser Effekt passt bestens für Multis. Sie werden immer größer und mächtiger. Heute sind Multis achtmal so profitabel wie der Unternehmensschnitt (2017). Diese Marktmacht kann kaum noch kontrolliert werden und sie kann leicht missbraucht werden.

Kobold-Ökonomie ("leprechaun economics", Paul Krugman): Erklärung für das hin und her Flattern des BIP von Irland. Die Multis sorgen aufgrund von rechtlichen Vorgaben für statistische Korrekturen in der Wertschöpfung (Outsourcing, Offshoring).

Patriotismus der Multis: Multis sind ex definitione vielen Ländern verpflichtet, weil sie weltweit zu Hause sind. Sie haben aber immer ein Mutterland, das gerne möglichst viele Arbeitsplätze will. 2017 entsteht eine entsprechende Diskussion bei Siemens. Der Konzern will trotz hoher Gewinne Werke in Görlitz und Berlin schließen, obwohl diese fast existenzielle Bedeutung für die Region haben. Die Siemens - PR spricht von "Eigentümerkultur". Es geht letztlich um Interpretationen von Moral.

Staatsunternehmen bzw. staatlich kontrollierte Firmen: Sie spielen noch eine herausragende Rolle in den ehemaligen Staaten mit Zentralverwaltungswirtschaft. An ersten Stelle sind hier Russland und China zu nennen. Die chinesischen Staatsunternehmen überschwemmen einerseits westliche Märkte mit Billigprodukten und Überkapazitäten, die zu Dumping-Preisen in den Markt gedrückt werden. Andererseits versucht man westliche Unternehmen, vor allem aus dem Maschinenbau, zu übernehmen, um Zugang zu Know-how und Kunden zu gewinnen.

Münchner Sicherheitskonferenz (MSC): Seit 2008 in München, 1963 gegründet. Konferenzchef Wolfgang Ischinger wird 2022 durch Christoph Heusgen abgelöst. Es geht um Waffen, Bündnisse, Klimawende, Cybersicherheit u. a. Wichtigste Organisation im Hintergrund ist die Nato. Bis 2021 war auch Russland immer anwesend. Die Konferenz gerät durch die enge Verzahnung mit der deutschen Rüstungsindustrie in Verruf. Sie findet jährlich statt in München. MSC-Chef ist Wolfgang Ischinger 2020. 2022 wechselt die Führung. Er prägt 2020 den Begriff "Westlessness": Der Westen schwindet zusehends, und er ist zutiefst verunsichert. Das alte Amerika wird vermisst. Man redet über Syrien, Libyen. Auch das Thema Atomwaffen wird behandelt. In der Konferenz im Februar 2023 in München steht der Ukraine-Krieg im Mittelpunkt. Neben Bundeskanzler Scholz kommt auch die US-Vizepräsidentin Kamala Harris. Am Rande kommt es zu einem Treffen von US-Außenminister Blinken mit seinem chinesischen Kollegen Wang Yi. Der will eine Friedensinitiative für den Ukraine-Krieg starten. Es gibt einen Schulterschluss des Westens (EU, USA) gegen Moskau und Peking. Am 16.2.24 beginnt die 60. Münchener Sicherheitskonferenz. Man sieht die regelbasierte Weltordnung in Gefahr. Es gibt die Warnung vor Verteilungskämpfen (Weltenbeben). Trumps Äußerung, nur den Länder zu helfen, die vollständig zahlen, sorgt für Unruhe.

Nato: Atlantisches Bündnis bzw. Nordatlantikpakt. Gegründet 1949 in Washington; Sitz heute Brüssel/ Belgien. Eigentlich eine rein militärische Gemeinschaft. Durch die Ereignisse 2022 (Ukraine-Krieg, Norderweiterung, Zustimmung der Türkei, Treffen in Madrid/ Spanien, Aufrüstung) wirkt sie auch stark ins Ökonomische hinein. So ist der Nato-Gipfel 2022 Teil einer Zeitenwende im Westen. Die starke Aufrüstung, vor allem Deutschlands, kommt ökonomisch der US-Rüstungsindustrie zugute. Beim Nato-Gipfel im Juli 2023 in Vilnius/ Litauen knüpft die Türkei die Zustimmung zu einem Beitritt Schwedens an die Wiederaufnahme von Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der EU. In vielen Punkten kommt man der Türkei entgegen, so dass sie schließlich dem Nato-Beitritt Schwedens zustimmt. auch Ungarn stimmt zu. So hat die Nato 2024 32 Mitglieder. Der Niederländer Mark Rutte soll neuer Generalsekretär werden (Nachfolger des Norwegers Stoltenberg, der Chef der Zentralbank dort wird). Doch er hat mächtige Gegner, allen voran Viktor Orban. Die osteuropäischen Länder stellen sich hinter den Gegenkandidaten Klaus Johannis (Präsident Rumäniens). Ungarn hält Rutte auf (er hatte Ungarn oft kritisiert). Ab Juni unterstützt auch Ungarn Rutte als Generalsekretär. Johannis zieht seine Kandidatur zurück. Damit ist der Weg für Rutte (auch genannt "Teflon-Mark") frei. Er wird ab Oktober 24 Generalsekretär. Am 9.7.24 beginnt ein Nato-Gipfel in Washington/ USA. Die Nato wird 75 Jahre alt. Es geht bei dem Treffen vor allem um die Unterstützung der Ukraine. Weitere Themen sind: Sorge um Biden, Verteidigungsausgaben, neuer Gegner China (die Zusammenarbeit mit den Indo-Pazifik-Staaten soll ausgebaut werden), Führungswechsel. Das Nato-Hauptquartier für den Ukraine-Krieg wird nach Wiesbaden verlegt. In Deutschland sollen Langstreckenwaffen (US-Marschflugkörper) stationiert werden. Die Ukraine bekommt F16-Kampfjets. Biden verwechselt in einer Rede Selenskyi und Putin sowie Harris und Trump. Rutte, der neue Generalsekretär, muss sich mit dem neuen Verteidigungskommissar der EU abstimmen. Rutte im Oktober 2024: Kein schneller Nato-Beitritt der Ukraine.

Lateinamerika-Gipfel: Umfasst 33 Länder und mehr als 700 mio. Einwohner. Wirtschaftlich dringt China stark in diesen Raum. Die EU will verlorenes Terrain zurückgewinnen. Die Staaten von Mexiko bis Argentinien sehen sich selbst als geopolitischer Akteur. Ab 17.7.23 beginnt der aktuelle Gipfel.

Weitere internationale Organisationen werden in anderen Abschnitten behandelt, z. B. bei Entwicklungsländern. Viele finden sich auch auf der Asienseite nach den Ländern.

 

Ländergruppen (G-Länder, Schwellenländer, außer Entwicklungsländer: eigene Kategorie; + wichtige bzw. zur Zeit sehr interessante einzelne Länder; vor allem Südamerika, Vorderasien; Afrika bei EL; alle sonstigen asiatische Länder bei Asien/ China; die europäischen Länder bei EU in dieser Kategorie "Globalökonomik)

G8 bzw. G7 (Great 8; auch andere G-Gruppen, ohne Russland G7): Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, USA, Russland. 13,2% der Weltbevölkerung, 55% der Weltwirtschaftsleistung, 37% des Welthandels, 17,5% der Weltbevölkerung. Die G8 ersetzen in Wirtschaftsfragen zunehmend die UN2007 hatte Deutschland den Vorsitz, Gipfeltreffen vom 6. -8. 06. 2007 in Heiligendamm (insgesamt waren hier 13 Staaten vertreten). Themen waren u. a. Kapitalmärkte, Afrika, Klimawandel, Schutz geistigen Eigentums und Weltwirtschaft( Risiken, Handel, Schwellenländer, Spielregeln). Seit 2008 hat Japan den Vorsitz. Im Sommer 2008 fand das Treffen in Toyako/ Japan statt. 2009 im Juli findet ein Treffen in den Abruzzen/Italien statt. Im Mai2012 findet ein Treffen in Camp David, USA, statt. Es geht um Wachstumsprogramme, Spekulationen und Klimawandel.  Ab 2009 geht es insbesondere um die Finanzmärkte: Stress-Test für Banken, Anstieg der Rohstoffpreise, Umsetzung der G20-Beschlüsse, Ausstiegsszenario aus den Rettungsplänen. Die Bedeutung der Runde sinkt. Beim Treffen in Huntsville/ Kanada im Juni 2010 wird die Finanztransaktionsteuer abgelehnt. Beim Treffen im Mai 2011im französischen Deauville geht es um einen Stresstest für Atomkraftwerke (EU als Vorbild) und um Hilfen für Nordafrika. Auf dem G8-Gipfel 2013 in Nordirland (Lough Erne) kommt es zum Streit um die Militärhilfe für Syrien. Das eigentliche Hauptthema ist eine Freihandelszone zwischen der EU und den USA. Ohne Russland spricht man von den G7.  Wenn China zu den G8 dazukommt, ergeben sich die G9. Mit Indien spricht man von den G10 (ein solches Treffen in Heiligendamm). Die größten Gläubigerländer bilden die G14. Der informelle Zusammenschluss der 19 größten Gläubigerstaaten wird "Pariser Club" genannt. Die OECD setzt sich aus den G30 zusammen. Sarkozy will die G8 auf die größten Wirtschaftsnationen G13 erweitern. 2014 nach der Krimkrise und dem Anschluss der Halbinsel an Russland wird Russland bis auf Weiteres aus der G8 (seit 1998 Mitglied) ausgeschlossen, so dass die G7 wieder agiert. Das nächste Treffen 2014 fand in Brüssel Anfang Juni statt. Es ging u .a um die Ukraine-Krise. 2015 findet am 07.06. und 08.06 ein G7-Gipfel im oberbayrischen Schloss Elmau im Werdenfelser Land nahe Garmisch-Partenkirchen statt (Deutschland hat 2015 den Vorsitz; Kosten von 130 Mio. €, wahrscheinlich bis zu 400 Mio. €). Ein Vorbereitungstreffen ist im April 2015 in Lübeck. Globalisierungsgegner protestieren gegen den G7-Gipfel (es gibt auch ein Camp der Gegner). Themen sind TTIP, Ukraine-Krise, Griechenland, Klimawandel und Armut in der Welt. Der Gipfel bringt folgende Ergebnisse: Die G7 bekennen sich zum Zwei-Grad-Klimaziel bis 2100 (Geltung ab 2020, kein Einspruch von Japan und Kanada). Bis 2050 sollen die Treibhausgase aus der Nutzung fossiler Energieträger, insbesondere Kohle, um 40 bis 70 Prozent reduziert werden. Bei TTIP sollen noch 2015 deutliche Fortschritte erzielt werden. Die Sanktionen gegen Russland sollen eventuell verschärft werden. Bei der menschlichen Gesundheit sollen Antibiotika und Ebola besonders im Blickpunkt stehen. Unabhängig von diesem Treffen der Regierungschefs gibt es immer einen G7-Finanzgipfel. 2015 findet er in Dresden statt: Es geht um mehr Wirtschaftswachstum, Finanzmarktregulierung und Steuervermeidung. Es geht um atomare Abrüstung und die aktuellen Krisen. Ende Mai am ab 26.05.2016 treffen sich die G7 in Ise-Shima in Japan (seit fast 2000 Jahren steht dort der Shinto-Schrein). Es ist der heiligste Ort des Shintoismus. Ein Deutscher ist Wirtschaftsberater des japanischen Ministerpräsidenten (Jeper Koll). Japan ist der Meinung, dass die Weltwirtschaft zyklisch und strukturell unter ihren Potential agiert und such Partner für staatliche Infrastrukturprogramme. Weiterhin geht es auf dem Gipfel um Terrorbekämpfung und  Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Es geht auch um eine Erhöhung der Frauenerwerbstätigenquote (besonderes Interesse Japans). Präsident Obama aus den USA besucht als erster Präsident Hiroshima. China und Russland sind empört über den G7-Gipfel, bei dem sie nicht teilnehmen dürfen (Vorgehen der jeweiligen Länder in der Ukraine und im Südchinesischen Meer). Mitte Mai 2017 tagt der G-7-Gipfel in Sizilien (Bari). Sicherheitskontrollen erweisen sich als schwierig. In der Geldpolitik wird eine Wende angekündigt. Die Staats- und Regierungschefs der G7 treffen sich am 26.05.17 in Taormina auf Sizilien. Im Mittelpunkt stehen die Handels- und Umweltpolitik. Trump und die USA vertreten andere Positionen im Freihandel, dem Klimaschutz und in der Flüchtlingskrise. Die G7 befinden sich in einer Krise. Zumindest die Prinzipien freien Handels werden betont. Bei der Bekämpfung des Terrorismus herrscht Einigkeit. Uneins mit den USA bleibt man bei Flüchtlingen und Klimaschutz. Ab 2018 hat Kanada den Vorsitz. Premierminister Trudeau muss die heikle Aufgabe meistern, eine Balance zwischen der USA und den übrigen sechs aufrechtzuerhalten. Es geht auch um die NAFTA. Beim G7-Gipfel im April 2018 im kanadischen Toronto wird einer Rückkehr Russlands eine klare Absage erteilt. Am 01.06. 18 treffen sich die Finanzminister und die Notenbankchefs der G7 in Whistler/ BC Kanada. 6 Staaten verurteilen die Zollpolitik des 7. Staates USA. Am 8. und 9.6.18 treffen sich die Staats- und Regierungschefs der G7 in Kanada/ Quebec (Charlevoix). Im Mittelpunkt steht auch die Zollpolitik der USA. Zumindest kann man sich auf eine gemeinsame Informationsstelle einigen. Bis 2020 sollen die EL 2,5 Mrd. Euro für Frauen bekommen. Trump provoziert damit, dass er Russland wieder beteiligen will. Er reist früher ab zum Treffen mit Kim. Am Ende kommt es zu einem Eklat. Trump nimmt die Zustimmung zu der Abschlusserklärung per Twitter wieder zurück, weil er sich vom kanadischen Ministerpräsidenten Trudeau beleidigt fühlt. Am 24./ 25. August treffen sich die Staats- und Regierungschefs der G7 in Biarritz an der französischen Atlantikküste. Man trifft sich im Hotel La Bellevue unmittelbar am Meer. Unter anderem geht es um die neue französische Digitalsteuer. Im Mittelpunkt soll das Thema Entwicklung und Ungleichheit stehen. Deshalb sind auch Vertreter afrikanischer Staaten eingeladen. Es geht auch um die Waldbrände im Amazonas-Regenwald. Bolsonara reagiert empört darauf, dass die Brände auf die Tagesordnung der G7 kommen. Eine Abschlusserklärung wird nicht erwartet: Trump, GB unter Johnson, Italien ohne Regierung, zu viele Probleme. Überraschend holt Macron den iranischen Außenminister Sarif dazu. Es soll Bewegung in den Konflikt zwischen den USA und Iran gebracht werden. Sogar ein Treffen zwischen dem iranischen Staatspräsidenten und Trump wird angedacht. In Bezug auf den Handelskrieg mit China will Trump wieder verhandeln. Er will auch bald nach Deutschland kommen. Das nächste G7-Treffen ist in den USA, Trump hat seine Golfanlage in Florida vorgesehen. Wegen Corona wird es dann doch Washington. Die geplante Videokonferenz soll aber durch ein Treffen ersetzt werden. Merkel will aber nicht kommen. Schließlich verschiebt Trump den Gipfel in den Herbst (September?). Er will auch den Kreis erweitern und zusätzlich folgende Länder einladen: Russland, Süd-Korea, Australien, Indien. Im Februar 2021 findet ein G7-Gipfel virtuell statt. Milliarden sollen für den globalen Kampf gegen Corona bereitgestellt werden. Deutschland ist der größte Geldgeber vor USA und GB. Im Juni 2021 soll der nächste G7-Gipfel in GB stattfinden. Biden will seine erste Auslandsreise dahin antreten und auch den Nato-Gipfel in Brüssel/ Belgien besuchen. Die Außenminister treffen sich schon am 04.05.21 in London, um den Gipfel vorzubereiten. Dem wachsenden Einfluss Chinas soll entgegengetreten werden. Auf dem G7-Gipfel in Cornwall (Carbis Bay) im Juni 21 (Anfang Juni 2021 vorher Finanzminister in London)  strebt man eine globale Infrastrukturallianz an. Die westlichen Industrieländer planen eine Gegenoffensive zu Chinas Seidenstraße. Man einigt sich auch auf eine Mindestbesteuerung von 15% und auf eine Verkaufs orientierte Besteuerung. Der Streit GB mit der EU über Nordirland überschattet das Treffen. Ein weiteres Thema ist die Verteilung von Impfstoffen in der Welt. Die G7 spenden 2,3 Mrd. Dosen. Man übt scharfe Kritik an China und Russland und einigt sich auf einen härteren Kurs gegenüber China. Beim Klimaschutz wurden die Beschlüsse der Klimakonferenz von Paris bestätigt. Die Differenzen aus der Zeit von Trump werden beigelegt. Am 10./11. Dezember 2021 treffen sich die Außenminister der G7 in Liverpool. Es geht um den Ukraine-Konflikt, Corona u. a. Man einigt sich auf gemeinsame Verhaltensgrundsätze gegenüber China, Russland und Iran. Man droht Russland mit "massiven Konsequenzen und hohen Kosten", wenn es die Ukraine angreift. Im Juni findet ein G7-Gipfel wieder auf Schloss Elmau in den bayrischen Alpen statt (26.-28.6.22; 166 Mio. €). Mittlerweile haben die G7 eine Impact-Taskforce, die nachhaltige Investitionen stärken und koordinieren soll. Saori Dubourg, Vorstandsmitglied bei der BASF, ist dabei. Ab 01. Januar 2022 hat Deutschland den Vorsitz der G7 übernommen (Frankreich die Ratspräsidentschaft in der EU). Scholz will einen "Globalen Klimaclub" der G7 (enge Abstimmung). Bei seiner USA-Reise  im Februar 22 spricht Scholz mit Biden auch über den Vorsitz (außerdem Ukraine-Krise). Am 24.3.22 beraten Nato, EU-Rat und G7 zusammen in Brüssel über den Ukraine-Krieg und Gegenmaßnahmen gegen Russland. Am 14.5.22 wird in Schleswig-Holstein Weissenhäuser Strand an der Ostsee) der nächste G7-Gipfel von den Außenministern vorbereitet. Die G7-Staaten wollen Grenzveränderungen durch Gewalt niemals anerkennen. Für den G7-Gipfel 2022 in Elmau/ Bayern plant der Bund 80 Mio. Euro ein. Er findet vom 26. bis 28. Juni 2022 auf Schloss Elmau statt. Drei Wochen lang finden Grenzkontrollen statt.  Auf dem G7-Gipfel-Treffen in Elmau/ Bayern wird ein Programm in Höhe von 600 Mrd. $ (568 Mrd. €) an Entwicklungshilfe beschlossen. Die Summe soll in den kommenden 5 Jahren mobilisiert werden. Allein die USA wollen 200 Mrd. $ aufbringen. Damit soll Infrastruktur für die Entwicklungsländer ermöglicht werden ("Partnerschaft für Globale Infrastruktur"). Es soll eine Antwort auf die gigantische Investitionsoffensive Chinas sein. Weitere Sanktionen gegen Russland werden vereinbart (Importverbot für russisches Gold, Beschränkung der Öleinnahmen Russland durch Höchstpreise, weitere Hochtechnologiekontrolle). Für die letzten Tage waren noch Indien, Indonesien, Südafrika, Senegal, Argentinien eingeladen. Mit den fünf Gästen wird über Klima und Ernährung beraten. Auch hier wurden Partnerschaften vereinbart (vor allem Energiepartnerschaften). 4,5 Mrd. $ werden für die Hungerhilfe zur Verfügung gestellt. am 11.10.22 kommt es zu einem Sondergipfel der G7 in Brüssel. Es geht um den Ukraine-Krieg und weitere Sanktionen gegen Russland. Ab 03.11.22 findet ein G7-Gipfel der Außenminister in Münster/ Deutschland (Friedenssaal im Rathaus, geschichtsträchtig: Friede zu Münster nach dem 30-jährigen Krieg) statt. Deutschland hat den Vorsitz. Es geht um die Ukraine, Taiwan, Proteste im Iran, Inflation und anderes. Es sind auch andere Länder geladen, z. B. Kenia und Süd-Afrika. Im April 2023 treffen sich die Außenminister der G7 in Japan/ Sonderzug/ Nagano. Themen sind der Ukraine-Krieg und die Haltung gegenüber China bzw. die Situation im Indo-Pazifik-Raum. Die Umwelt- und Energieminister treffen sich parallel in Sapporo. Es gibt konkrete Beschlüsse: Kein Plastikmüll bis 2040. Mehr Windenergie. Beschleunigter Ausstieg aus den fossilen Energieträgern. Am 19./ 20. 5.2023 treffen sich die Regierungschefs der G7 in Hiroshima/ Japan. Man will gegen den Export russischer Diamanten vorgehen.  Allein das Unternehmen Alrosa erzielte 2021 332 Mrd. Rubel (4 Mrd. €) Einnahmen. Russische Diamanten, die über Indien oder VAE gehandelt werden sind erkennbar. Es werden auch Beschlüsse zu China gefasst. Der wirtschaftliche Aufschwung dort sei gewollt uns solle nicht behindert werden. Es sollen Lieferketten breiter werden und das Risiko minimiert werden. China drückt sein "starke Unzufriedenheit" aus. Auch andere, wichtige Länder sind dabei: Brasilien, Indien, Indonesien. Weitere Themen sind: Risiken von KI, E-Autos und Gas-Investitionen, Warnung vor Atomkrieg. Ab 13.6.24 treffen sich die G7 in Italien. Ort ist Borgo Egnazia, ein Dorf an der Adriaküste in der Region Apulien zwischen Bari und Brindisi. Themen sind weitere Sanktionen gegen Russland und  Zölle gegen chinesisches Dumping. Der Ukraine werden längerfristig 50 Mrd. € zur Verfügung gestellt.  Sie werden aus den Zinsen von russischem Vermögen in Europa und den USA beglichen. Hauptquartier für dei Ukraine-Hilfen wird Wiesbaden/ Erbenheim. Es gibt Druck auf China wegen der Russlandnähe. wieder anwesend waren die Regierungschefs Indiens, Brasiliens, Argentiniens, Türkei. Der Papst war auch da. Einen Missklang gibt es wegen der eigenmächtigen Streichung des Schwangerschaftsabbruchs in der Abschlusserklärung durch Italien. Im Oktober 2024 machen die G7 einen Aktionsplan gegen Schleuser.  Im Mai 2013 beschließen die G7 eine stärkere Kooperation gegen die Steuerhinterziehung.

Exkurs Schloss Elmau: Zum zweiten Mal sind die Staats- und Regierungschefs der G7 zu Gast in dem Luxushotel in Bayerns Bergen. Schlossherr ist Dietmar Mueller - Elmau. Das Schloss liegt rund 100 km südlich von München auf 1000 Metern Höhe. Es liegt im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Mueller-Elmau mischt Asien und Europa: Toilette aus Japan, Motive aus Indien, Teppiche aus dem Iran.

G5: Sie gibt es nur hypothetisch. Vielleicht kommen sie in absehbarer Zeit in der Realität. Sie repräsentieren die aktuelle Machtverteilung in der Welt: USA, China, Russland, EU, Indien.

Die G20  (G21 ab 2023) sollen künftig ein Forum für Finanzfragen sein (zwei Drittel der Weltbevölkerung, 85% der weltweiten Wirtschaftskraft, 80% des Welthandels, Treffen seit 1999) und vielleicht sogar eine Art Weltregierung. Auslöser für die Gründung 1999 war die Finanzkrise in Asien. Hier sind die Finanzminister und Notenbankchefs von 19 Staaten vertreten. Hinzu kommt die EU. Außer den G7 gehören Russland, Argentinien, Australien, Brasilien, China, Indien, Indonesien, Süd-Korea, Mexiko, Saudi-Arabien, Süd-Afrika und die Türkei dazu. Die Gruppe besteht seit 1999 (früher nur Notenbankpräsidenten und Finanzminister, seit 2008 auch Staats- und Regierungschefs). Die Gruppe repräsentiert 90% der weltweiten Wirtschaftsleistung. Es fehlt noch ein gemeinsames Sekretariat. Es soll der Rahmen für eine neue weltweite Finanzordnung abgesteckt werden (globale Finanzaufsicht, Beschlüsse des Londoner Gipfels): Kontrolle von Hedge-Fonds, Begrenzung der Gehälter der Bankmanager, Aufstockung der Mittel des IWF, Schwarze Liste der Steueroasen. Aufwertung des Financial Stability Forum (FSF) zum Financial Stability Board (FSB). Schleichender Protektionismus soll gestoppt werden. In Pittsburgh werden erste Beschlüsse gefasst. Ende 2009 trifft man sich wieder in Toronto/ Kanada. Es geht um die globalen Finanzmärkte und ihre Regulierung. Beschlossen wird auch, die Schulden bis 2013 zu halbieren und bis 2016 ohne neue Schulden auszukommen. Im Juni 2010 findet ein wichtiges Treffen in Busan/ Süd-Korea statt. Es geht um eine stärkere Kontrolle der Banken und anderen Finanzinstitutionen und um die Reduzierung der Haushaltsdefizite. In Bezug auf das Eigenkapital der Banken sollen Vorschläge erarbeitet werden, eine weltweite Bankenabgabe kommt nicht. Im Oktober 2010 trifft man sich in Süd-Korea. Eine Reform des IWF wird beschlossen. Die USA stoßen mit ihrer Forderung nach Ausweitung der Binnenbachfrage auf Granit. Auf der Konferenz Ende 2010 in Seoul geht es um Handelsbilanzen (Exportbeschränkung, evtl. neue Zahlungsbilanz) und Währungspolitik (Schwächung des$ durch die Geldpolitik der USA). Man einigt sich auf eine Bankenrücklage für Krisenfälle und mehr Eigenkapital (Basel III). Der IWF soll weiter reformiert werden (mehr Stimmenanteile der Schwellenländer). Am 19.02.2011 einigt man sich auf einem Treffen in Paris (Finanzminister, Notenbankchefs) auf Indikatoren, an denen sich wirtschaftliche Fehlentwicklung festmachen lässt: Haushaltsdefizit, Gesamtverschuldung, private Sparquote, Investitionen, Handels- und Leistungsbilanz sowie Wechselkurs, Steuer- und Währungspolitik. Es herrscht große Sorge über die hohen Agrarpreise in der Welt.2011 einigen sich die G20 auf ein Alarmsystem gegen globale Ungleichgewichte. Aufgrund von Alarmschwellen sollen Schieflagen rechtzeitig erkannt werden. Im November 2011 beraten die G20 in Cannes über die globalen Finanzmärkte. Die 29 größten Banken der Welt sollen zusätzliches Eigenkapital aufbringen (Deutsche Bank, Commerzbank in Deutschland). Eine weltweite Finanztransaktionssteuer wird nicht beschlossen. Italien wird durch den IWF kontrolliert. Im Februar 2012 findet eine Tagung in Mexiko-Stadt statt (Finanzminister, Notenbankchefs). Europa solle mehr für die Stabilität tun, bevor sich der IWF stärker engagiere. Am 18. Juni beginnt ein G20-Gipfel in Los Cabos/ Mexiko. Euro-Krise, Griechenland-Wahl und Fiskalpakt stehen im Mittelpunkt. Das wichtigste Ergebnis ist, dass der Krisenfonds um 456 Mrd. $ aufgestockt wird (vor allem durch Mittel der Schwellenländer: China 43 Mrd., Indien und Russland je 10 Mrd.). Mitte Juli 2013 treffen sich die G20 in Moskau. Es soll ein Aktionsplan für den nächsten Gipfel im September entwickelt werden. Im Mittelpunkt soll die Sanierung der öffentlichen Haushalte mittelfristig stehen. Kurzfristig geht es um Impulse für mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze. Anfang September findet der Gipfel in St. Petersburg statt (konkreter Zeitplan für Staatsfinanzen bis 2017, Kampf gegen Steuervermeidungsstrategien, also Gewinnverlagerung multinationaler Unternehmen). Die Schattenbanken sollen stärker kontrolliert werden. Allerdings waren alle Beschlüsse bisher immer relativ unverbindlich. Ende Februar 2014 findet ein Treffen (Finanzminister, Notenbankchefs) in Sydney/ Australien statt. Ausgangspunkt ist die Straffung der Geldpolitik in den USA. Die Schwellenländer drängen darauf, gemeinsam gegen steigende Zinsen vorzugehen. Die Industriestaaten wollen davon nichts wissen. Die meisten Schwellenländer (außer China) befinden sich in einem Sinkflug bzw. haben Turbulenzen. Im September treffen sich die Finanzminister und Notenbankchefs der G20 (mit Russland) in Cairns (Australien). Es geht um das Wachstum der Weltwirtschaft (+2% 2014). Deutschland will nicht mehr investieren (um die Wirtschaft in Europa anzukurbeln), sondern mahnt Strukturreformen an. Im November 2014 gibt es ein G20-Treffen im australischen Brisbane. Russland schickt Kriegsschiffe vor die Küste. Die Länder wollen ihr Wirtschaftswachstum in fünf Jahren auf 2% erhöhen. Am 15.11.2015 treffen sich die G20 zu einem Gipfel in Antalya/ Türkei. Im Februar 2015 kommen die G20 in Istanbul zusammen (Ukraine, Griechenland). 2015 hat die Türkei die Präsidentschaft, 2016 China, 2017 soll Deutschland dran sein. Die G20-Finanzminister wollen auf ihrem Treffen in Lima Mitte Oktober 2015 Steuerschlupflöcher schließen: neue Regeln für Multis; Country-by-Country-Reporting im Heimatland; dann von dort Meldung an alle Länder; in jedes Steuerabkommen zwischen Ländern wird Steuervermeidung verboten; Schiedsverfahren zwischen Staaten. Am 15.11.15 und 16.11. treffen sich die Staatschefs der G20 in der Türkei (Antalya, Belek). Es geht um Terrorismus und Flüchtlinge. Durch diese beiden Themen treten die wirtschaftlichen in den Hintergrund. Im Hinblick auf Terrorismus wird Folgendes vereinbart: Mehr Zusammenarbeit und Informationsaustausch, terroristische Propaganda im Internet soll bekämpft werden, die UN soll eine stärkere Rolle übernehmen. Ende Februar 2016 treffen sich die G20 (Notenbankchefs, Finanzminister) in Shanghai. Man will eine Antwort auf die Börsenturbulenzen suchen. Japan drängt auf Maßnahmen. Es geht auch um die Flüchtlingskrise. Ein Abwertungswettlauf soll vermieden werden. Um globale Wachstumsziele zu erreichen, soll national mehr gegen Konjunkturrückschläge getan werden. Im Juli 2016 treffen sich die Finanzminister und Notenbankchefs im chinesischen Chengdu. Finanzminister Schäuble fordert eine globale Finanzsteuer. Vom 4. bis 5. September treffen sich die G20 wieder in China, und zwar in Hangzhou (am Westsee). Zahlreiche Firmen im Umkreis von 300 km müssen für die Zeit schließen, damit die Luft besser wird. Auf dem Gipfel wird es auch um die Probleme durch Niedrigzinsen gehen. Weitere Themen sind Wirtschaftswachstum, "guter Welthandel" und Klimaabkommen. Es wird eine Taskforce eingerichtet mit einem Aktionsplan zu Innovation und Digitalisierung. 2017 übernimmt Deutschland den Vorsitz der G20. Die nachhaltige Entwicklung Afrikas soll der Schwerpunkt werden. Mitte 17 soll eine Afrika-Konferenz in Berlin stattfinden. Der nächste G20-Gipfel ist vom 7. bis 8. Juli in Hamburg. Regelmäßig werden auch Vertreter von Gastländern eingeladen. Dazu gehören Spanien, die Niederlande, Norwegen, Singapur und die Schweiz. Am und 17. und 18. März 2017 treffen sich vorher die Finanzminister und Notenbankchefs der G20 in Baden-Baden. Dabei ist erstmals der amerikanische Finanzminister Mnuchin. Eine klare Absage an Protektionismus gibt es nicht. Ein laues Bekenntnis zum Freihandel kann man mit viel gutem Willen reininterpretieren. Mittlerweile bilden sich immer mehr Untergruppen bei den G20: so die B20 (wichtige Unternehmen) und die W20 (wichtige Frauen wie Merkel, Ivanka Trump, Lagarde, Königin Maxima). Vor dem Gipfel schließen die Europäer die Reihen gegen Trump: Sie bekennen sich ausdrücklich zum Klimaschutz. Beim Gipfel in Hamburg geht es um folgende Themen: 1. Weltwirtschaft (Handelspolitik). 2. Zukunft Afrikas ("Pakt mit Afrika"). 3. Migration und Flüchtlinge. 4. Klimapolitik. Schwere Krawalle überschatten den Gipfel. Zum ersten Mal treffen sich Putin und Trump persönlich. Sie vereinbaren eine Waffenruhe in Syrien. Beim Klima sind die USA isoliert, weil Trump zu fossilen Brennstoffen zurückkehren will. Im Abschluss-Kommunique spricht man sich für freien Handel aus, erlaubt aber auch nationale Verteidigungsstrategien. 2018 übernimmt Argentinien die G20-Präsidentschaft. Die Notenbankchef und Finanzminister der G20 treffen sich ab 12.03.18 in Argentinien. Man rechnet mit einer Abwertung des Dollars. Thema wird sicher auch die Handelspolitik der USA sein. Sollen die anderen Staaten auf die Strafzölle der USA reagieren? Am 28.07.18 treffen sich die Gesundheitsminister der G20 in Buenes Aires. Im Mittelpunkt steht der Einsatz von Antibiotika. Am 30. 11. und 01.12.18 treffen sich die G20 (Staats- und Regierungschefs) in Argentinien. Es gibt viele Punkte: Strafzölle, Ukraine-Krise, Saudi-Arabien. Die deutsche Delegation mit Merkel und Scholz an der Spitze kommt einen halben Tag verspätet an, weil die Maschine "Konrad Adenauer" einen Defekt hat. Die G20-Staaten raufen sich zusammen und einigen sich auf eine gemeinsame Abschlusserklärung. Merkel kann zwischen der Ukraine und Russland nicht erfolgreich vermitteln. Trump und Xi Jinping sprechen miteinander. Sie vereinbaren, bis März 2019 keine weiteren Zölle zu erhöhen. Die Chinesen wollen mehr amerikanische Waren zu kaufen. Im Juni 2019 findet ein G20-Gipfel in Fukuoka/ Osaka/ Japan statt. Traditionalisten in Japan wollen westlichen Medien die "korrekte" Nennung japanischer Namen vorschreiben. zunächst treffen sich die Finanzminister und Notenbankchefs. Sie beraten über die Besteuerung globaler Konzerne. insbesondere in der digitalen Wirtschaft (Internetkonzerne). Die USA wollen verhindern, dass die Unternehmen aus dem Silicon - Valley zu stark getroffen werden. Aus aktuellem Anlass geht es auch um die Handels- und Zollpolitik. Später treffen sich noch die Umweltminister, dann die Regierungschefs. Sie kommen am 28.06.19 dazu. Die Präsidenten der USA und Chinas stehen im Mittelpunkt. Sie treffen sich zu mindestens einem Spitzengespräch. Die Strafzölle und Nordkorea sind Schlüsselthemen. China könnte sicher Nordkorea zu einem Atomabkommen zwingen und die USA könnten China beim Handel entgegenkommen. Trump steht unter erheblichem Druck der Sojabohnen-Farmer (Exporte sind im 1. Quartal 2019 um 80% eingebrochen, sind seine Wähler). Die USA und China einigen sich darauf, die Handelsgespräche weiter zu führen (kein Eklat! Waffenstillstand). Es gibt eine gemeinsame Erklärung zum Klimaschutz (es gibt ihn und er ist unumkehrbar: von 19 Staaten, USA tolerieren; sie haben aber heimliche Verbündete wie die Türkei, Brasilien, Saudi-Arabien und Australien). Zum gleichen Zeitpunkt gibt es eine Reihe bilateraler Handelsankommen (EU mit Mercosur, Vietnam). 2020 übernimmt Saudi-Arabien den Vorsitz der G20. Das Land will auf Frauenrechte, Klimaschutz und technischen Fortschritt  setzen. Es gibt ein G20-Treffem Ende November 2020 in Saudi-Arabien. Im Vorfeld fand im Oktober 20 ein G20-Frauengipfel statt. Kronprinz Bin Salman betont seine Fortschrittseinstellung. Frauenrechtlerinnen sitzen aber in Haft. Der G20-Gipfel muss wegen Corona virtuell am 21./22.11.20 stattfinden. Es gibt zwei zentrale Themen: 1. Corona. 2. Klimakrise. Auch Trump nimmt noch teil. Er hatte bisher meist blockiert. Man hofft auf eine konstruktive Rückkehr der USA. Am Rande wird über die Menschenrechte in Saudi-Arabien diskutiert. Die G-20 wollen eine gerechte Verteilung des Corona-Impfstoffs über die ganze Welt.  Mehr als vage Versprechungen gibt es aber nicht. Vielleicht hat sich das Format überlebt. Am 9.7.21 beginnt der G20-Gipfel in Venedig. Es treffen sich die Finanzminister und Notenbankchefs der wichtigen Industrie- und Schwellenländer. Sie beschließen die Mindeststeuer für global agierende Unternehmen (historische Steuerreform, 15%). Die Umweltfachminister treffen sich am 24.7.21 in Neapel. Das angestrebte Bekenntnis der führenden Industrie- und Schwellenstaaten das 1,5 Grad-Ziel schon 2030 zu errechen, kommt nicht zustande. Zum G20-Gipfel in Rom führt Merkel Scholz auf internationaler Bühne ein. Das Treffen beginnt am 29. November 2021. Vorher treffen sich schon die Gesundheits- und Finanzminister. Biden trifft sich mit dem Papst. Putin und Xi Jinping sind nur über Video zugeschaltet (wegen der Pandemie). Am ersten Tag steht die Pandemie im Mittelpunkt, am zweiten Tag der Klimawandel. Der G20-Gipfel 2022 findet am 30. und 31. Oktober auf Bali/ Indonesien statt. Putin will teilnehmen. Einige Länder wollen ihn wegen des Ukraine-Krieges ausschließen. Am 20.4.22 treffen sich schon vorher die G20-Finanzminister in Jakarta. Das Treffen wird überwiegend virtuell abgewickelt (auch Lindner bleibt in Berlin). Moskau sitzt auch mit am Tisch. Man berät Maßnahmen gegen eine weltweite Schuldenkrise, insbesondere bei Entwicklungs- und Schwellenländern. Am 7. und 8.7.22 treffen sich die Außenminister zur Vorbereitung des Gipfels. Lawrow, der russische Außenminister, reist früher ab. Was das für den Gipfel bedeutet, ist offen. Beim Treffen in Bali zeichnet sich eine klare Stellungnahme gegen den russischen Angriffskrieg ab. Bisherige Unterstützer Moskaus wie China und Indien blockieren eine gemeinsame Abschlusserklärung nicht. Damit ist Russland diplomatisch isoliert. Xi und Biden haben das wohl bei ihrem Treffen einen Tag vor dem Gipfel vorbereitet. 2023 hat Indien die Präsidentschaft bei den G20.  Chinas Staats- und Parteichef Xi will nicht teilnehmen (das erste Mal). Er schickt Ministerpräsident Li Qiang. Auch Russlands Staatschef Putin kommt nicht wegen einer drohenden Verhaftung. Die Afrikanische Union wird als neues Mitglied aufgenommen (bisher 19 Länder und die EU). Streitpunkte sind der Ukraine-Krieg und der Klimawandel. Im Februar 2024 treffen sich die G20-Außenminister in Rio de Janeiro/ Brasilien. Es geht um die großen Krisen Ukraine und Gaza. Das G20-Treffen findet ab 18.11.24 in Brasilien statt. Brasilien/ Lula hat den Vorsitz 2024 bei den G20. Er lädt Selenskyi nicht ein und will das Thema Ukraine und Kriege (Nahost) nicht in den Mittelpunkt stellen. Es soll um die Klimakrise (Geldtransfer von reichen Ländern an arme) und Geld gegen Hunger gehen. Lula startet eine "Allianz gegen Hunger" (81 Länder machen mit).  Xi, Biden, und Scholz sind dabei. Aus Russland kommt Außenminister Lawrow. Xi und Scholz treffen sich (Xi leugnet die Lieferung von Drohen mit Waffen an Russland). Es geht auch um die Reform internationaler Institutionen (UN-Sicherheitsrat). Das Treffen endet am 19.11. Die USA hatten vorher die Nutzung von US-Raketen auf russischem Gebiet erlaubt (auch GB und Frankreich, Deutschland für Taurus nicht). In der Abschlusserklärung wird befürwortet, Milliardenvermögen effizienter zu besteuern. Die Folgen des Krieges in der Ukraine werden beklagt, Russland nicht als Angreifer benannt. Auch der Überfall der Hamas auf Israel wird nicht erwähnt, stattdessen die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen und die Eskalation im Libanon. Vgl. FAZ 20.11.24, S. 1.  "Es ist ihnen tatsächlich gelungen, ein paar Haasen aus dem Hut zu zaubern", George Soros, Großinvestor, zum Ergebnis des Londoner G20-Gipfels.  Die G20 haben 2019 86% des Welt-Bruttoinlandsprodukts und 63% der Weltbevölkerung.

Financial Stability Board: Gremium bzw. Arbeitsgruppe der G20 (G20-Arbeitsgruppe Finanzen). Legt auf dem G20-Treffen im Dezember 2918 in Bueness Aires Kennzahlen vor, um aufkommende Risken für die Finanzstabilität durch Krypto-Assets zu überwachen. Noch werden die globalen Risken als zu gering eingeschätzt, um die Stabilität des Finanzsystems zu gefährden.

G77: Gruppe der 77. Ein Zusammenschluss von mittlerweile 135 Entwicklungsländern in den Vereinten Nationen mit 77 Gründungsmitgliedern. China ist keine offizielles Mitglied, stimmt sein Vorgehen aber regelmäßig mit der Gruppe ab und gibt unter der Bezeichnung "Gruppe 77 und China" gemeinsame Erklärungen mit ihr heraus.

Group of Thirty: Die 30 mächtigsten Finanzbosse der Welt. auch als G30-Treffen bekannt. Allerdings handelt es sich nicht um Länder. Es geht um Austausch. Die Treffen sind intransparent. Es soll keine Denkverbote geben. Haupttreffpunkt ist Washington D. C. Dabei sind die Notenbankchefs der wichtigsten Länder, Nobelpreisträger der Ökonomie, Chefs der führenden Banken, einige Finanzminister und ehemalige Finanzminister.

G5/ NIC: Gruppe der wichtigsten Schwellenländer: VR China, Indien, Brasilien, Mexiko, Südafrika.

OSZE: Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa: 57 Mitgliedsstaaten. Soll für Sicherheit in Europa sorgen. Einzige Organisation bei der 2016 auch Russland noch dabei ist. Im Dezember 2016 treffen sich die Außenminister in Hamburg. Die Außenministerkonferenz will eine Rüstungsspirale in Europa verhindern. Auch nach Beginn des Ukraine-Krieges ist Russland noch Mitglied. Am 30.11.23 treffen sich diei Außenminister im nordmazedonischen Skopje (Hauptstadt). Der Außenminister der Ukraine und die Außenminister der baltischen Staaten kommen nicht. Dabei sind Blinken, Lawrow und Baerbock. Baerbock verteidigt ihre Teilnahme. Russland tut alles, um das Forum scheitern zu lassen. Jedes Land hat ein Veto-Recht. Der russische Außenminister beschimpft den Westen. Russland ist bei dem Treffen weitgehend isoliert.

Schwellenländer (Nearly Industrialized Countries):  Die O4 (Outreach) sind die wichtigsten Schwellenländer Brasilien, China, Indien und Südafrika. Mittlerweile wird Mexiko noch als fünftes Land einbezogen und man spricht von O5. Die "Next 11" sind jene Schwellenländer, die in den nächsten Jahren ein besonders hohes Wachstum erzielen werden (u. a. Indonesien, Ägypten, Türkei, Philippinen). Seit 2008 werden als G5 China, Indien, Südafrika, Brasilien, Mexiko bezeichnet,  als G3 Australien, Indonesien und Südkorea. Als BRIC - Staaten werden Brasilien, Russland, Indien und China (40% Weltbevölkerung, 20% Weltwirtschaftsleistung) benannt als dynamischste Schwellenländer. Das Konzept geht auf O` Neill, den langjährigen Chef-Volkswirt von Goldman Sachs zurück. 2001 machte er die Prognose, dass die BRIC-Staaten zügig zu den Industrieländern aufschließen könnten. 2009 kamen die Staatschefs dieser Staaten erstmals zusammen. Diese bilden auch die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ). Nach PROGNOS - Ergebnissen von 2008 wird ihre Attraktivität für deutsche Exporteure und Investoren überschätzt. Vgl. Prognos: Globalisierungsreport, Basel 2008 ( www.prognos.com/globalisierungsreport ). In neuester Zeit wird auch die Abkürzung BRICS gebraucht. Dann wird Südafrika noch dazu gerechnet. Zunehmend sind diese Länder aber Magneten für ausländisches Geld. Das spekulative Geld stellt eine große Gefahr in Brasilien (führt 2009 Sondersteuer ein) und Russland dar. Brasilien hat mittlerweile Großbritannien vom Platz 6 der Rangfolge der Volkswirtschaften (BIP) verdrängt. Im März 2013 treffen sich die BRICS-Länder erstmals in Südafrika (Durban). China wird als Kolonialmacht kritisiert. Die Länder gründen eine eigene Entwicklungsbank (Konkurrenz zur Weltbank; für Investitionen; Mittel von 100 Mrd. $; Sitz Shanghai; erster Präsident Inder). Zusätzlich wird ein Rettungsfonds eingerichtet, der auch 100 Mrd. US-$ schwer ist (Alternative zum IWF; China bringt 42 Mrd. $ auf; aus Südafrika 5, aus den anderen Ländern 18). Er soll kurzfristige Liquiditätsengpässe überwinden helfen. Das Gipfeltreffen in Fortaleza/ Brasilien während der WM 2014 festigt diese Vorhaben. Vor allem China und Russland wollen eine Front gegen den Westen aufbauen. 2015 sind die BRICS-Länder zwar immer noch Motor des globalen Wachstums, aber die Unterschiede zwischen ihnen sind wichtiger geworden. Russland und Brasilien zählen eher zu den Verlierern (als große Rohstofflieferanten sind sie vom Preisverfall besonders betroffen; Russland zusätzlich durch die Sanktionen). Damit könnte zukünftig nur noch IC übrig bleiben. 2017 auf dem G20-Gipfel sprechen sich die BRICS-Staaten für offenen Handel aus. Im September 2017 treffen sich die BRICS-Länder in Xiamen/ China.  Ein neues Zeitalter der Weltwirtschaft soll eingeläutet werden. Aber China beansprucht die Führungsrolle. Am 27.07.2018 treffen sich die Staaten in Johannisburg/ Südafrika. die fünf Länderchefs bekennen sich zur WTO und zum Freihandel.  Im November 2019 trifft man sich wieder in Brasilia/ Brasilien. China könnte der Sieger sein (Huawei für die 5G-Netze in Brasilien und Indien). Dafür muss man Finanzhilfen geben. 2022 treffen sich die BRICS-Länder virtuell. Putin wirft dem Westen Egoismus vor. Er gibt ihm die Schuld für die globale Wirtschaftskrise. Er will, dass die Vereinigung eine neue Führungsrolle übernimmt.   Am 2.6.23 treffen sich die Außenminister der Brics - Staaten in Kapstadt/ Südafrika. sie bereiten das Treffen der Staatschefs vom 22.-24.8.23 vor. Auch der russische Außenminister ist dabei. Ägypten und Saudi-Arabien sollen eventuell aufgenommen werden. Putin kommt nicht zum Brics-Treffen im August. Süd-Afrika müsste ihn nach einem Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs verhaften.  Am 22.8.23 beginnt das Treffen. Im Mittelpunkt stehen die Erweiterung (Neugewichtung des Welthandels, Kriterien für Kandidaten) und der Gegengewichtsgedanken zum Westen, der geschwächt werden soll. Für Russland ist es ein Weg aus der Isolation. Das Treffen findet in Johannesburg statt. Hinter den Kulissen ist es mit der Einigkeit schnell vorbei. Die Interessen sind sehr unterschiedlich. Trotzdem kann man sich auf eine Erweiterung einigen: 6 Staaten kommen neu hinzu. Saudi-Arabien, VAE, Iran, Argentinien, Ägypten, Äthiopien. Zukünftig ab 2024 heißt die Gruppe Brics plus (ab dann ist auch der Beitritt der neuen Länder) Sie umfasst 47% der Weltbevölkerung und 37% des Welthandels. Im Vordergrund steht die Kritik an der Machtverteilung in der Welt. Die Stimme des globalen Südens wird gestärkt.  Jetzt dominieren autokratische Länder. Das Problem des Interessenausgleichs zwischen Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländern wird die Welt in den nächsten Jahren in Atem halten. 2002 wurde die Shanghai-Gruppe gebildet. Sie eine von der UN anerkannte Gruppe für regionale Zusammenarbeit (China, Russland, Ex-Sowjetrepubliken, Afghanistan, Türkei Dialogpartner). Zu den Frontier Markets rechnen Bangladesch, Sri Lanka, Kuwait, Emirate, Ghana, Kenia, Nigeria, Sambia, Kolumbien, Peru. China passt nicht in die üblichen Kategorien von Entwicklungs- Schwellen- und Industrieländern. Es hat sich in Krisenzeiten weder an der Banken-, Staatsschulden- und Wachstumskrise der Industrieländer  angesteckt noch ist es vom Kapitalabfluss und der Wachstumsschwäche der Schwellenländer betroffen. Das Land selbst ordnet sich gerne als Entwicklungsland ein, um weiter Unterstützungen zu bekommen. China ist aber stärker als die Schwellenländer (2016 dürfte das BIP der EU überholt werden; 2017 das BIP der USA). Einige Ökonomen bezeichnen das Land als "hybride Leitwirtschaft". China strebt eher Richtung bipolare Welt und schafft systematisch Parallelstrukturen gegn die globalen Einrichtungen.  Vgl. auch meine Artikel über die Schellenländer und den Abwertungswettlauf der Währungen auf der Seite "Case/ Fallstudie". Die Automatisierung stellt die Schwellenländer vor enorme Herausforderungen. Es könnte zu einer Migrationswelle aus den Ländern heraus kommen (2016 Warnung des leitenden Weltbank-Ökonomin Inhira Santos). 2016 ist die Lage der Schwellenländer sehr unterschiedlich. Während Politikverlierer wie Türkei und Russland darben, florieren Länder wie Indonesien, Philippinen, Indien und Mexiko.   "Dieser G8-Gipfel muss denen Hoffnung bringen, die keine Hoffnung haben, und denen Nahrung, die keine Nahrung haben", Robert Zoellick, Weltbank-Präsident in Toyako 2008. 40 Prozent der deutschen Exporte gehen 2015 in die Schwellenländer. Mehr als in die Euro-Zone.

 BRICS: 2006 begründet. In neuester Zeit rückt die Gruppe BRICS in den Vordergrund. Dann wird Südafrika noch dazu gerechnet. Zunehmend sind diese Länder aber Magneten für ausländisches Geld. Das spekulative Geld stellt eine große Gefahr in Brasilien (führt 2009 Sondersteuer ein) und Russland dar. Brasilien hat mittlerweile Großbritannien vom Platz 6 der Rangfolge der Volkswirtschaften (BIP) verdrängt. Im März 2013 treffen sich die BRICS-Länder erstmals in Südafrika (Durban). China wird als Kolonialmacht kritisiert. Die Länder gründen eine eigene Entwicklungsbank (Konkurrenz zur Weltbank; für Investitionen; Mittel von 100 Mrd. $; Sitz Shanghai; erster Präsident Inder). Zusätzlich wird ein Rettungsfonds eingerichtet, der auch 100 Mrd. US-$ schwer ist (Alternative zum IWF; China bringt 42 Mrd. $ auf; aus Südafrika 5, aus den anderen Ländern 18). Er soll kurzfristige Liquiditätsengpässe überwinden helfen. Das Gipfeltreffen in Fortaleza/ Brasilien während der WM 2014 festigt diese Vorhaben. Vor allem China und Russland wollen eine Front gegen den Westen aufbauen. 2015 sind die BRICS-Länder zwar immer noch Motor des globalen Wachstums, aber die Unterschiede zwischen ihnen sind wichtiger geworden. Russland und Brasilien zählen eher zu den Verlierern (als große Rohstofflieferanten sind sie vom Preisverfall besonders betroffen; Russland zusätzlich durch die Sanktionen). Damit könnte zukünftig nur noch IC übrig bleiben. 2017 auf dem G20-Gipfel sprechen sich die BRICS-Staaten für offenen Handel aus. Im September 2017 treffen sich die BRICS-Länder in Xiamen/ China.  Ein neues Zeitalter der Weltwirtschaft soll eingeläutet werden. Aber China beansprucht die Führungsrolle. Am 27.07.2018 treffen sich die Staaten in Johannisburg/ Südafrika. die fünf Länderchefs bekennen sich zur WTO und zum Freihandel.  Im November 2019 trifft man sich wieder in Brasilia/ Brasilien. China könnte der Sieger sein (Huawei für die 5G-Netze in Brasilien und Indien). Dafür muss man Finanzhilfen geben. 2022 treffen sich die BRICS-Länder virtuell. Putin wirft dem Westen Egoismus vor. Er gibt ihm die Schuld für die globale Wirtschaftskrise. Er will, dass die Vereinigung eine neue Führungsrolle übernimmt.   Am 2.6.23 treffen sich die Außenminister der Brics - Staaten in Kapstadt/ Südafrika. sie bereiten das Treffen der Staatschefs vom 22.-24.8.23 vor. Auch der russische Außenminister ist dabei. Ägypten und Saudi-Arabien sollen eventuell aufgenommen werden. Putin kommt nicht zum Brics-Treffen im August. Süd-Afrika müsste ihn nach einem Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs verhaften.  Am 22.8.23 beginnt das Treffen. Im Mittelpunkt stehen die Erweiterung (Neugewichtung des Welthandels, Kriterien für Kandidaten) und der Gegengewichtsgedanken zum Westen, der geschwächt werden soll. Für Russland ist es ein Weg aus der Isolation. Das Treffen findet in Johannesburg statt. Hinter den Kulissen ist es mit der Einigkeit schnell vorbei. Die Interessen sind sehr unterschiedlich. Trotzdem kann man sich auf eine Erweiterung einigen: 6 Staaten kommen neu hinzu. Saudi-Arabien, VAE, Iran, Argentinien, Ägypten, Äthiopien. Zukünftig ab 2024 heißt die Gruppe Brics plus. Sie umfasst 47% der Weltbevölkerung und 37% des Welthandels. Im Vordergrund steht die Kritik an der Machtverteilung in der Welt. Die Stimme des globalen Südens wird gestärkt.  Jetzt dominieren autokratische Länder. Von 22.10. bis 24.10. treffen sich Brics plus - Staaten in Russland. Genauer treffen sie sich in Kasan. Russland hat sich mit aller Macht darauf vorbereitet. 200 Begleitveranstaltungen und eigene Homepage. Die Schwellenländer wollen enger zusammenrücken. Sie wollen einen Gegenpol bilden zur westlich dominierten Welt- und Finanzordnung. Seit 2006 dabei: Brasilien, Russland, Indien, China. Seit 2010 Südafrika. Seit 2024 sind Ägypten, Äthiopien, Iran, sowie die Emirate Mitglieder. Auf der Aufnahmeliste stehen noch 15 afrikanische, 7 lateinamerikanische und 20 asiatische Länder. In Asien zählen dazu Thailand, Indonesien, Vietnam, Saudi-Arabien, Aserbaidschan. Auch die Türkei will Mitglied werden. Argentinien macht seine Mitgliedschaft unter Milei rüchgängig. Eine immer wichtigere Rolle nimmt die New Development Bank (NDB) ein, die 2014 gegründet wurde. Sie hat ihren Sitz in Shanghai. Vgl. Losse, Bert: Die unterschätzte Macht des Brics, in: WiWo Nr. 43/ 18.10.24, S. 34f. Für Russland und China ist Brics sehr wichtig: Russland  kann sich aus Isolation lösen, China will bis 2049 die USA als führende Weltmacht ablösen. China ist in Brics das dominiernde Land (Warenimporte 2.5557 Mrd. US$; Warenexporte 3.380 Mrd. US$). Bei den Wachstumsraten des BIP liegen 2023 Indien und Äthiopien vor China (+7,8%, +7,2%). 2023 macht BRICs plus 45% der Weltbevölkerung aus, 35% des BIP und 50% der CO2-Emissionen. Vgl. HB 22.10.24, S. 4f. Antonio Guterres kommt auch vorbei. Am Rande des Gipfels kommt es zu einem Zweiertreffen von Xi und Modi (erstmals seit 5 Jahren). Vgl. Giesen, C. u. a.: Der Club der anderen, in: Der Spiegel 44/ 26.10.24, S. 70ff.

Commonwealth of Nations, London: Lose Verbindung souveräner Staaten, die ehemals zum britischen Königreich gehörten. Es war das größte reich der Menschheitsgeschichte mit ein Drittel aller Menschen. Die britische Königin bzw. der König ist symbolisch das Oberhaupt. 1931 gegründet, 2,4 Mrd. Menschen). Es gibt 53 Mitgliedsländer. Es handelt sich um die ehemaligen Kolonien Großbritanniens (u. a. Kanada, Indien, Australien). Es findet jährlich ein Treffen statt. 2018 in London geht es um Handelsvereinbarungen nach einem Brexit GB und um Plastikmüll. Doch das königreich schrumpft. Nach dem Tod von Elisabeth beschäftigen sich einige Länder mit dem Umbau zur Republik: Australien, Jamaika, Bagamas, Belize, Antigua, Barbuda, Neuseeland, Kanada. Im Vordergrund steht die Frage nach Kolonialverbrechen. Hinzu kommt, dass GB im politischen System einige Besonderheiten hat: So das House of Lords. Es hat 818 Mitglieder, die nicht vom Parlament gewählt sind. 700 Personen darunter wurden auf Lebenszeit geadelt, 26 Bischöfe der Church of England, 82 Vertreter der Erbadeligen.

Erbsünde: Der Begriff bezieht sich auf die Vorstellung, dass das Konkursrisiko aller Schellenländer hoch ist, selbst wenn sie zuvor noch nie zahlungsunfähig waren. Infolgedessen sind Schwellenländer häufig gezwungen, Kredite in Fremdwährung aufzunehmen. Vgl. Miles, Scott, Breedon: Makroökonomie, Weinheim 2014, S. 648. Schuldenintoleranz: Erhöhte Anfälligkeit der Schwellenländer gegen Schuldenkrisen. Trotz einer vergleichsweise geringen Auslandsverschuldung sinkt das Vertrauen der Gläubiger deutlich. Ebenda, S. 657.

Leap-Frogging: Überspringen von Entwicklungsstufen. Am besten kann dies erreicht werden, indem ausländisches Know-how übernommen wird. Als führend dabei gilt die VR China.

Tigerstaaten: Zuerst Süd-Korea, Hongkong, Singapur und Taiwan. Es folgen Malaysia, Thailand und Indonesien. In diesen Ländern regiert eher der Staat den Markt. Die Länder haben sich Wettbewerbsvorteile in neuen Branchen erarbeitet. Die Investitionen wurden staatlich finanziert. Somit bestimmte der Staat auch die Effizienzkriterien. Die Wirtschaften boomen. Paul Krugman führt diese Entwicklung weniger auf Innovationen als auf Kapitalzuwachs zurück. Damit erklärt er auch die Asienkrise.

Die APEC ist mit einer Bevölkerung von 2,6 Mrd. und einem Anteil von 41% an der Weltbevölkerung, die größte Wirtschaftsintegration, auch schon 60% Intra-Handel, 21 Staaten, 50% des Welt-BIP.  Auf dem APEC-Treffen im November 2006 in Vietnam (Hanoi) wird Russland der Weg in die WTO geebnet. Außerdem soll die Doha-Runde wieder in Gang gebracht werden. Danach findet noch eine Konferenz in Singapur statt, auf der es nur um Umweltfragen geht (keine positiven Signale). Am 05.09. 2007 begann der Apec-Gipfel in Sidney. Es ging um den Klimawandel und die Doha-Runde (Agrarsubventionen) . Der APEC-Gipfel im August 2008 beschäftigt sich mit Strukturreformen und Wirtschaftsförderung. Beim Treffen im November 2008 in Lima geht es um die globale Finanzkrise. Ab 2010 sollen die Handelsschranken abgebaut werden. Henkel will mit Ausbau des Asiengeschäfts wachsen. Siemens beteiligt sich an taiwanischer Benn-Q. Heidelberger Cement gründet mit dem indonesischen Mischkonzern Indorama Lohia ein Gemeinschaftsunternehmen in Indien (Indien ist nach China der zweitgrößte Zementverbraucher in der Welt). Die Metro will weiter in Asien expandieren. 2010 findet ein Apec-Gipfel in Yokohama/ Japan statt: Es geht um die Unterbewertung des Yuan, die Aufwertung des Yen  und die Probleme in den USA. Auf dem Apec-Gipfel im November 2011 geht man weiter Richtung Freihandelszone. Ein Teil der Mitglieder gibt die Schaffung einer Transpazifischen Partnerschaft (TPP) bekannt unter Führung der USA (ohne China). Diese Wirtschaftsgemeinschaft scheitert 2018 nach dem Amtsantritt von Trump. Erstmals bleibt 2018 der Apec-Gipfel in Port Moresby (Papua-Neuginea) ohne Einigung und Abschlusserklärung. Eine Reform der WTO entzweit die USA und China. 2023 im November ist der Apec-Gipfel in San Francisco/ USA. Das könnte die nächste Chance sein für ein Zusammentreffen von Biden und Xi. Beide streben nach einer Vorherrschaft im Indopazifik - Raum und gehen sich in letzter Zeit eher aus dem Weg. Im November 2024 treffen sie die APEC-Länder in Peru. Hier treffen wohl zum letzten Mal Xi und Biden aufeinander.

Gemeinsam mit der Asean, der südostasiatischen Freihandelszone (rund 1,9 Mrd. Menschen insgesamt; Thailand, Laos, Malaysia, Singapur, Kambodscha, Vietnam, Burma, Indonesien, Philippinen, Brunei) will China bis 2010 die größte Freihandelszone der Welt schaffen, auch Japan ist mittlerweile einbezogen. Chinas Anteil am Asean - Außenhandel ist in den letzten zehn Jahren von 4 auf 11% gestiegen.  Ab 11 01. 2007 fand ein Treffen auf der philippinischen Insel "Cebu" statt (als regionale Dialogpartner sind einbezogen: Australien, Neuseeland, Indien, Japan, China und Südkorea). Die Asean - Staaten gründeten im Mai 2007 einen Währungspool (ein Teil der Währungsreserven wird zusammengelegt, Schutz vor Finanzkrisen). Ende Juli 2007 findet ein dreitätiger Gipfel statt (Handelsliberalisierung, Klimaschutz). Asean (Generalsekretär Ong Keng Yong) will bis 2013 sechs neue Freihandelsabkommen abschließen. Bis 2015 sollen die Zölle abgebaut werden. Es gibt mittlerweile auch eine Charta mit Grundprinzipien. Auf dem Gipfeltreffen in Thailand im März 2009 wird beschlossen, bis 2015 eine Wirtschaftsintegration nach dem Vorbild der EU zu schaffen. Der Asean-Gipfel im April 2009 in Pattaya, Thailand (Folgen der Weltfinanzkrise)  muss wegen Demonstrationen abgebrochen werden. Auch das Gipfeltreffen im thailändischen Hua Hin im Oktober 2009 wird von Tumulten begleitet. Es geht um Folgen von Naturkatastrophen und Klimawandel. Ab 2010 fallen viele Zollschranken, der Handel hat sich auf 200 Mrd.  erhöht. Auf der Asean-Konferenz im Oktober 2010 in Vietnam bekräftigen die USA eine Führungsrolle im asiatisch-pazifischen Raum und warnen China vor Einschüchterung der Nachbarn. Noch ist der Dollar die dominierende Währung. Viele kleinere Staaten wickeln auch ihren Außenhandel in Dollar ab (z. B. Thailand 90% des Japan-Handels). Nach Reformen darf das Militärregime in Myanmar 2014 den Vorsitz übernehmen. Auf der Konferenz im November 2011 auf Bali ist die Behandlung der Seegrenzen im südchinesischen Meer zwischen China und USA umstritten. Die Konferenz im November 2012 in Phnom Peng beschließt, bis 2015 völlige Zollfreiheit herzustellen. Im August 2017 feiert der Pakt sein 50jähriges Bestehen auf einer Konferenz in Manila (dabei sind an einem Tisch Nord- und Südkorea). 2023 findet das Treffen der Asean-Gruppe am 5.9.23 in Indonesien statt (Jakarta). Im Mittelpunkt steht die Situation in Myanmar.

Ländergruppen nach einer Einteilung der Weltbank 2013: 1. Reiche Länder 12616 US-$ Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung und mehr; 1302 Mio. Einwohner. 2. Schwellenländer, oberes Mittelfeld 4086 bis 12615 US-$; 2391 Mio. (u. a. China). 3. Schwellenländer, unteres Mittelfeld 1036 bis 4085 US-$; 2507 Mio. (u. a. Indien). Ärmste Länder unter 1036 US-$; 846 Mio. vor Länder in Afrika, einige in Asien).

Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (Shanghai Cooperation): Diese Organisation ist einen Art Gegengipfel gegen die G7. Sie wurde 2001 von China und Russland gegründet. Am 8. und 9.6.18 trifft sich die Organisation in Qingdao/ Ost-China. Zur Organisation gehören China, Russland, Kasachstan, Turkmenistan, Kirgistan, Usbekistan sowie als Neumitglieder Pakistan und Indien an. 20 Prozent des Welthandels und 40 Prozent der globalen Bevölkerung gehören zu den Staaten der Organisation. Beim Treffen im September 2022 in Usbekistan versucht man ein neues Bündnis gegen den Westen aufzustellen. Russland zieht den Iran, die Golfstaaten und die Türkei an sich. Das könnte das bisherige "Mauerblümchen" erheblich aufwerten. Die Gruppe entwickelt sich zu einer asiatischen Gegenmacht. Russland versucht, die Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs mithilfe von China, Indien und Zentralasien zu unterlaufen. Vgl. auch: Goffart, D. u. a.: Der Club der Autokraten, in: WiWo 40/ 30.9.22, S. 26f.

Weitere Staatengruppen: Darüber hinaus gibt es viele weitere Staatengruppen in der Welt (unabhängig von Integrationen). Zu nennen wären der Ostseerat, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die Organisation des Nordatlantikvertrags (NATO), der Golfkooperationsrat (GCC).

Bukarest 9: Östliche Nato-Mitglieder. Sie gehörten zur Sowjetunion oder zum Comecon. Sie treffen sich am 22.2.23 in Warschau/ Polen. US-Präsident Biden hält eine Rede. Er sichert den Beistand der USA nach Artikel 5 des Nato-Vertrages zu.

OPEC: Organisation erdölexportierender Länder. Es handelt sich um ein Kartell von zwölf Mitgliedsländern. Die Opec wurde 1960 in Bagdad von Saudi-Arabien, Iran, Irak, Kuwait und Venezuela gegründet. Sitz ist seit 1965 Wien. Ziel ist es, durch staatliche Kontrolle der Ölquellen und durch Förderabsprachen Gewinne zu sichern. 2014 fördert die Opec noch ein Drittel des weltweiten Erdöls und besitzt drei Viertel der Reserven. Ende 2014 scheitert eine Reduzierung der Fördermenge an Saudi-Arabien. Im April 2016 scheitert die Reduzierung der Menge zur Anhebung des Preises am Iran. Vorerst dürfte deshalb der Erdölpreis nicht stark steigen.  Die Interessen Russlands und Saudi-Arabiens stehen sich oft gegenüber. In der Corona-Pandemie 2020 geht die Ölnachfrage stark zurück. Esperten gehen davon aus, dass die Nachfrage nicht mehr deutlich anzieht, mittelfristig sogar zurück geht. Ende 2014 ist der Ölpreis im Keller (Überangebot von 30%). Eigentlich müsste die Fördermenge reduziert werden. Saudi-Arabien stößt mit deiner Preispolitik die ärmeren Mitgliedsländer vor den Kopf. Das Ölkartell steht 2015 vor der Zerreißprobe. Dies setzt sich 2016 fort. 2022 wird die Nachfrage nach Öl auf 47,0 Mio. Barrel pro Tag geschätzt (2019: 47,9 Mio. Barrel pro Tag). Die Schätzung für 2025 lautet: 46,8 Mio. Barrel pro Tag. Dann dürften auch die Preise weiter fallen.

Supermächte: Länder, die Weltmacht besitzen. Eine genaue Definition fehlt. Meist wird die Gruppe als Ziel genannt. In die Gruppe streben folgende Länder: Indien, Brasilien, Saudi-Arabien, Südafrika, Kenia, Nigeria, Indonesien, Mexiko, Deutschland. Vgl. Ian Bremmer: Wie wird man eine Supermacht? in: Die Zeit 10/ 29.2.24, S. 20.

Globaler Süden: Wird in jüngster Zeit immer häufiger verwendet. Es gibt aber keine einheitliche Definition darüber, wer dazu gehört. Das IW rechnet 25 Schwellen- und Entwicklungsländer dazu, darunter Mexiko, Brasilien, Thailand, Türkei. Diese Länder haben ihren Außenhandel mit China und Russland seit 2010 ausgeweitet. Ausgeführt hat China vor allem Mikrochips, Elektronik, Fahrzeuge  und Stahl. Importiert wurden Erdöl, Eisenerz und Soja. Der Anteil der USA blieb mit 18% unverändert. Der Anteil der EU sank von 17 auf 14%. Vgl. Der Spiegel 19/ 4.5.24, S. 51.

Vereinigte Staaten von Amerika (USA; vgl. zu ausführlicherer, aktueller Analyse Trumpokratie): Größte Volkswirtschaft der Erde und Träger der Leitwährung "Dollar" (15,0 Billionen $ BIP 2013 Schätzung Weltbank). Mit 315 Mio. Menschen haben die USA nach China und Indien die drittgrößte Bevölkerung der Welt. Das größte ökonomische Problem sind die Schulden. Bis Mitte Januar 2011 ist die Gesamtverschuldung auf 15,1 Billionen Dollar gewachsen, bis 2013 beträgt die Verschuldung 17,5 Billionen $.  Die verfassungsmäßige Höchstgrenze liegt bei 14,3 Billionen $. Seit 2005 hat sie sich verdoppelt. Das Haushaltsdefizit liegt seit 2009 - nach der Finanzkrise - bei 10% des Bruttoinlandsprodukts, was das Dreifache der EU-Schuldengrenze darstellt und höher als Griechenland ist. Auch 2011 wird das Defizit zweistellig sein. Fast 900 Milliarden $ schulden die USA China. Extrem dramatisch ist die Schuldensituation einiger US-Bundesstaaten (Illinois, Kalifornien, Michigan, Arizona, Nevada). Sogar die US-Notenbank warnt 2011 immer wieder vor einer Schuldenkrise in den USA und fordert einen strikten Sparkurs. Diesen beginnt die Regierung 2011: für 2012 sind 90 Mrd. Dollar Einsparungen geplant. Im Jahre 2011 (Haushaltsjahr bis 30 Sept. 2011) beträgt das Defizit 1,6 Billionen $ (10,9% des BIP). Gegen Ende des Haushaltsjahres 2013 droht erneut Zahlungsunfähigkeit. Im Januar 2011 steigen die Preise schon um 1,6%. China hält 1,16  Billionen $ der US-Staatsanleihen und hat damit ein Druckmittel auf die US-Haushaltspolitik. Die Fed hat 1638 Mrd. $ (1149 Mrd. €) an US-Staatsanleihen gekauft. 2013 kauft sie jede Woche für ca. 85 Mrd. $ Staatsanleihen (schon 5 Jahre, insgesamt flossen in dieser Zeit 2,75 Billionen $ in den Geldmarkt). Im April 2011 kann der US-Staatsinfarkt (Haushaltsnotstand, Einsparung von 39 Mrd. $) knapp abgewendet werden. Regierung und Opposition streiten um die Anhebung der Schuldengrenze (derzeit 14,3 Billionen $, Ende 2012 16 Mrd. $). Ende Juli 2011 findet man einen Kompromiss, der aber nur 6 Monate gilt (Schuldenobergrenze in drei Schritten erhöhen bis 16,7 Billionen, Ausgabenkürzungen von 2,4 Billionen $). Die Schuldengrenze wurde 1917 durch den "Second Liberty Bond Act" eingeführt und 74-mal verändert. Die Rating - Agentur Standard & Poor´s will die Kreditwürdigkeit der USA herabstufen, was im August 2011 auch passiert (könnte 100 Mrd. $ kosten). Dies löst Turbulenzen an den Börsen aus. Die USA werden von den Rating -Agenturen, die in den USA zuhause sind, normalerweise eindeutig bevorzugt (Fitch bestätigt im August 2011 auch das AAA-Rating). Jeden Tag wachsen die öffentlichen Schulden um 4,38 Mrd. Dollar. Andererseits führen die schrumpfenden Ausgaben der öffentlichen Haushalte zu Bremseffekten beim Wirtschaftswachstum. Letztendlich muss man bei den Ursachen ansetzen (Nullzinspolitik der Notenbank, Niedrigsteuerpolitik der Regierung). Weitere Probleme der USA sind: Bevölkerungsgruppen mit geringer Bildung wachsen besonders stark, Unternehmen investieren in Aktienrückkäufe statt in Maschinen, Infrastruktur und Bildung brauchen Investitionen (hier könnten neue Konjunkturprogramme ansetzen), der private Verbrauch sinkt. Auch die Produktivität schrumpft. In den USA müssen oft Andere als Sündenböcke für den Abstieg herhalten: vor allem Europa wird für die Turbulenzen an den Finanzmärkten verantwortlich gemacht. In den USA werden zu wenig die strukturellen Probleme gesehen. Im Herbst 2011 wird ein Konjunkturprogramm von 450 Mrd. $ aufgelegt (neue Jobs, Infrastruktur, keine zusätzlichen Schulden). Eine "Warren-Buffet" - Steuer soll auf Einkommen über 1 Mio. $ erhoben werden. Immer mehr Menschen demonstrieren in den USA gegen die Macht der "Finanzjongleure" an der Wallstreet. Die USA sind auch nicht auf die ungewohnte Dauerarbeitslosigkeit eingestellt (über 20 Mio. leben unterhalb der Armutsgrenze). Der Arbeitsmarkt tritt auch 2012 noch auf der Stelle (8% ALQ). Die Beschäftigung im Produzierenden Gewerbe liegt 2012 nur noch bei 9 Prozent (Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland). 2013 beträgt die ALQ noch 7,3% (bei 6,5% soll die Niedrigzinspolitik beendet werden). Das Außenhandelsdefizit ist viel zu hoch (374 Mrd. $ 2012).  Die Sanierung des US-Haushalts droht wegen Parteienstreitigkeiten zu scheitern. Sobald die Wirtschaft wieder durchstartet, dürfte auch die Inflationsgefahr steigen. Es ist zu viel Geld bei den Banken, durch die Fed ausgelöst. Die Politik der Fed nützt vor allem den Anleihebesitzern und den Aktionären. Viele Kleinunternehmen bekommen von der Hausbank keine Kredite mehr. Im Herbst 2012 kündigt Bernanke sogar an, dass die Fed Immobilien-Anleihen unbegrenzt auf kaufen will (Neuland). 2013 erwirbt die Fed jeden Monat Hypothekenpapiere und Staatsanleihen im Wert von 85 Mrd. $, um die Zinsen zu drücken (weiter lockere Geldpolitik, aber Reduzierung der Käufe). Die Fed hält auch auch im Herbst 2013 am fast Nullzins fest (Finanzmärkte sind dadurch in Hochstimmung). Über die ökonomischen Probleme hinaus zeigt sich immer mehr eine Blockade des politischen Systems. Wahlkämpfe führen zu immer mehr Zerrissenheit und Hass. Nach der Wahl 2012, die Obama gewinnt, ist im Etatstreit eine Einigung schwer zu finden. Es droht die Fiskalklippe ("fiscal cliff", automatische Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen). Es geht um 600 Mrd. $, die eine Rezession auslösen könnten. Man versucht es mit Buchungstricks. Man findet einen Kompromiss in letzter Minute, muss aber bis spätestens Anfang März 2013 die Schuldenobergrenze von 16,4 Billionen anheben. Ausweg ist, dass die Einhaltung der Schuldengrenze ausgesetzt wird. Ab März 2013 tritt automatisch ein Sparpaket in Kraft. Die könnte die Konjunktur 2013 negativ beeinflussen. Im September droht wieder die Zahlungsunfähigkeit (die Schuldenobergrenze von 16,7 Billionen $ wird im Oktober erreicht; die Republikaner verbinden dies mit der Gesundheitsreform). Der "Shut down" beginnt am 01.10.13. Die Regierung ruft den Haushaltsnotstand aus. Ein Kompromiss sieht vor, das Kreditlimit der Regierung bis zum 7. Februar 2014 anzuheben (Nachtragshaushalt; die hohe Verschuldung bleibt größtes Risiko; Etatstreit kostet 17,7 Mrd. €). Ende 2013 wird der Budgetplan für die nächsten zwei Jahre abgesegnet. Zu Beginn 2014 wird dann erstmals seit 2012 wieder ein richtiger Staatshaushalt verabschiedet (Repräsentantenhaus stimmt zu). Die USA haben aber immer noch eine große kulturelle Strahlkraft (Multikultur, demographische Dynamik, Streitkultur, Vielfalt, Wissenschaft, Informationswelt). Insgesamt importierten die USA für 291,9 Mrd. Euro aus der EU 2012 (Eurostat, vor allem Maschinen, Autos und Arznei). Die USA exportierten Waren und Dienstleistungen im Wert von 205,2 Mrd. Euro 2012 in die EU (vor allem Maschinen, Öl/Kohle/Gas, Mess- und Medizininstrumente). Das Wachstum in den USA wird allerdings mehr von der heimischen Nachfrage getragen. 47 der weltweit wertvollsten Unternehmen haben 2013 ihren Sitz in den USA. 2014 verliert Obama auch die Mehrheit im Senat. Im Alleingang will er Millionen illegaler Einwanderer vor der Abschiebung schützen. Ende 2014 gibt Obama bekannt, dass die Beziehungen zu Kuba normalisiert werden sollen und der Handelsboykott nah und nach aufgelöst werden soll (weitere Annäherung auf dem Amerika-Gipfel in Panama im April 2015). Gegenüber dem Jahr der Finanzkrise 2008 ist die Wirtschaftsleistung  bis 2014 um 12% gewachsen. Somit scheint die schuldenbasierte Wachstumsstrategie aufzugehen. Trotzdem haben die USA in vielen Bereichen Nachholbedarf: Steuerreform (sozialer Unfrieden, Verlierer der Globalisierung), Einwanderungspolitik (illegale Migration), Infrastruktur (zu geringe Staatseinnahmen), hohe Schulden, mangelhafte Bildung. Im November 2016 gewinn Trump die Präsidentschaftswahlen in den USA. Über mögliche ökonomische Folgen habe ich einen speziellen Artikel geschrieben: ökonomische Folgen. Die Kurse an den Börsen steigen; der Job-Motor boomt Ende 2016 (ALQ 4,6%). Eine weitere Anhebung des Leitzinses ist wahrscheinlich.  Diese kommt am 14.12.16. Der Leitzins wird auf 0,5 bis 0,75% leicht angehoben. Für 2017 werden drei weitere Zinsschritte angekündigt. Der Dollar gewinnt stark an Wert. Die Schulden der Schwellenländer, die in Dollar gehalten werden, steigen. Viele neue Jobs (2 Mio.), niedrige Arbeitslosigkeit, steigende Löhne. Obama hinterlässt seinem Nachfolger eine robuste Wirtschaft. Das Risiko der Inflation steigt. 2016 ist die US-Wirtschaft im Vergleich zu 2015 um 1,5% gewachsen. Treiber war vor allem der Dienstleistungsbereich. Im Juni 2017 steigen die USA aus dem Pariser Klimaabkommen aus. Puerto Rico will 2017 ein normaler US-Bundesstaat werden. Die größten US-Geldhäuser bestehen 2017 den Stresstest. In den USA droht 2017 eine Auto-Kreditblase zu platzen. Auf dem G20-Gipfel in Hamburg  sind die USA beim Klima isoliert, weil Trump zu fossilen Brennstoffen zurückkehren will. Im Abschluss-Kommunique spricht man sich für freien Handel aus, erlaubt aber auch nationale Verteidigungsstrategien. Im September 2017 kann sich Trump mit dem Kongress bezüglich des Haushalts einigen. Da keine Einigung mit dem Senat erfolgt, kommt Mitte Januar 2018 der "Shut down" (Haushaltssperre; Beamte können nicht bezahlt werden, öffentliche Gebäude bleiben geschlossen). Am 23.01.18 einigt am sich für einige Wochen.  Ende 2017 kann Trump die Steuerreform durchbringen. Die Ertragssteuern werden auf 15,5% gesenkt. Damit setzt Trump einen weltweiten Steuerwettbewerb in Gang. Der IWF rechnet in den Jahren von 2018 bis 2023 mit 4% Wachstum der Schulden zum BIP (Gesamtverschuldung). Der Präsident Trump erweitert systematisch den Protektionismus gegen den Rest der Welt. Es ist ein Konfrontationskurs. Säulen sind das Steuerdumping (Steuerreform Ende 2017), ein Handelskrieg (mit Importzöllen auf einzelne Produkte) und ein Abwertungswettlauf (Abwertung des Dollars fördern, um die US-Exporte zu stärken). Anfang Februar 2018 gibt es einen Flash Crash an der New Yorker Börse. 2017 ist das Handelsbilanzdefizit auf 566 Mrd. Dollar gestiegen (+12,1%, höchste Niveau seit 2008). Im Februar 2018 startet Trump ein Infrastruktur-Programm (1,5 Billionen Dollar; nur 200 Mrd. $ von Regierung; Rest von Bundesländern, Kommunen und Privatinvestoren). Im Januar 2018 steigt die Inflation auf 2,1%, was eine schnellere Zinserhöhung erwarten lässt, die dann auch kommt (Leitzins 1,5 bis 175%). Trump kann im März 2018 das Haushaltsgesetz unterzeichnen. Es kommen Zölle auf Stahl und Aluminium ab 1.6.18. Im Mai erreicht die Arbeitslosigkeit einen neuen Tiefststand: 3,8% ALQ.  Die Inflation steigt aber auf 2,8% (stärkster Anstieg seit Februar 2012). Am 13.06.2018 wird der Leitzins auf 2,0% festgelegt. Das ist so hoch wie vor der Finanzkrise 2008. Begründung: gute Konjunktur, Arbeitsmarkt, Inflation. Vor den Kongresswahlen am 06.11.2018 ist die US-Wirtschaft gut in Form (ALQ 3,7%; Wachstum hochgerechnet 4,2%). Eine weitere Leitzinserhöung kommt im Dezember 2018: 2,225 bis 2,5%. Im gleichen Monat ist wieder ein Shutdown (Haushaltssperre). Das Repräsentantenhaus genehmigt nicht 5 Mrd. $ für den Mauerbau an der Grenze zu Mexiko. Vorerst ist keine Lösung in Sicht (Anfang 2019). Es ist der längste Shutdown, den Trump auch benutzt, um Institutionen des Landes zu demontieren ("Schlanker Staat"). Der Etat-Streit endet am 26.01. mit einer Zwischenlösung (der Mauerbau konnte nicht durchgesetzt werden). Bäuerliche Familienbetriebe prägten lange Zeit das ländliche USA. Nun stehen die kleinen Bauern vor dem Ende (das könnte noch eine große Rolle bei Handelsabkommen spielen). Im Haushaltsstreit gibt es 2023 eine Einigung: Schuldengrenze wird bis 2025 ausgesetzt. Es gibt geringfügige Haushaltskürzungen. Gouverneur DeSantis greift in Florida in die Lehrpläne der Schulen ein: Es geht um positive Seiten der Sklaverei  (Vorteile von Ausbeutung).  "Es geht darum, ob Amerika bloß ein Fleck auf der Landkarte ist oder ein Licht für die ganze Welt", Barack Obama, zur Lage der Nation 2011. 2011 sind 73,1% des gesamten privaten Nettovermögens in den Händen der reichsten 10 Prozent. 14,0 Mio. Amerikaner sind arbeitslos (9,1%) Mitte 2011. 2013 wächst die Wirtschaft der USA um 3,2%. Der starke Konsum stützt die Konjunktur zum Jahresende. Erstmals seit 1967 testen die USA eine neue Flugzeugträger-Generation. Die neuen Schiffe sollen bis 2018 im Einsatz sein (einer kostet 13 Mrd. Dollar und ist atomgetrieben). Sie können 25 Jahre fahren ohne die Brennstäbe auszuwechseln. 160 Jets können pro Tag starten und landen. Aktuelle Wirtschafts-Eckdaten: Wirtschaftswachstum 2014 2,3%; Inflation 2014 1,7%; Arbeitslosigkeit 2014 6,2%. In den USA tickt 2015 eine neue Kreditbombe: Die Bürger machen kräftig Schulden, um Autos zu kaufen. Die Ausfallraten nehmen zu. 2015 stemmt sich die US-Wirtschaft aber auch erfolgreich gegen den globalen Abschwung: BIP-Veränderung zum Vorjahr voraussichtlich +3,7%; Arbeitslosenquote 5,6%; Quelle:  Bureau of Economic Analysis. 2016 prägt der Präsidentschaftswahlkampf stark die USA. Beide Kandidaten stammen aus der Oberschicht des Landes. Sie haben mehr gemeinsam miteinander als mit den Wählern. Sie gehören zu der Aristokratie der USA und werden von ihr finanziert. 2018 nach der US-Steuerreform holt Apple 252 Mrd. $ aus geparkten Gewinnen in die USA zurück und zahlt 38 Mrd. $ Steuern.

Wichtige Wirtschaftsdaten der Weltleitwirtschaft USADie USA sind die größte Volkswirtschaft der Erde und Träger der Leitwährung "Dollar" (19,391 Billionen $ BIP 2017). Mit 24,1% hat das Land den höchsten Anteil am Welt - BIP (China 18,5, EU-27 18,7%). Mit 325 Mio. Menschen haben die USA nach China und Indien die drittgrößte Bevölkerung der Welt. Trotzdem haben sie bis Mitte Oktober 2020 mehr Corona - Tote als China und Indien (217.000). Das größte ökonomische Problem sind die Schulden. Bis Anfang 2020 ist die Gesamtverschuldung auf 22,4 Billionen Dollar gewachsen, 2012 beträgt sie voraussichtlich 29,3 Bill. US-Dollar bis 2023 soll die Verschuldung voraussichtlich noch bei 17,5 Billionen $ liegen. Die verfassungsmäßige Höchstgrenze ist bei 14,3 Billionen $. Das Haushaltsdefizit liegt seit 2009 - nach der Finanzkrise - bei 10% des Bruttoinlandsprodukts, was das Dreifache der EU-Schuldengrenze darstellt und höher als bei Griechenland ist. Die Staatsschuldenquote liegt 2021 bei 134% (EU-27 92%; China 67%). Es gibt 50 Bundesstaaten. Hauptstadt ist Washington. Die Verfassung ist von 1789. Von großer Bedeutung ist das höchste Gericht der USA (Supreme Court), das über die Verfassung wacht. Präsident Trump sorgt dafür, dass die Mehrheit zu Gunsten der Republikaner am Ende seiner ersten Präsidentschaft bei 6:3 liegt. Das könnte noch eine große Rolle spielen, wenn es um die Legalität des Wahlverfahrens und des Wahlergebnisses geht, aber auch um den Stopp der Gesundheitsreform von Obama. 2019 beträgt der Handelsbilanzsaldo noch -864 Mrd. US-$, er ist durch die protektionistische Handelspolitik kaum zurück gegangen (2018: -880). Für das Jahr 2021 wird ein Wirtschaftswachstum von nur +3,1% prognostiziert (China: 8,2%; EU-27 +5,0%).

Beim Gini - Koeffizienten, dem bekanntesten Maß für Einkommensverteilung liegen die USA 2019 bei 0,42. Der Wert ist höher als in China (0,39) oder der EU (0,30). 0 heißt völlige Gleichheit, 1 = völlige Ungleichheit. Beim Vermögen haben die reichsten 50 US-Bürger so viel wie 50% der US-Bürger (=165 Mio. Menschen), nämlich 2 Billionen US-Dollar. 2021 soll die Arbeitslosigkeit auf 7,3% steigen (zum Vergleich: China: 3,6%). All diese letzten Daten zeigen, in welcher Krise die US-Gesellschaft steckt und wie gespalten das Land ist. Quellen: Bloomberg, US-Census, IMF, Unctad.

Bidenomics: US-Klimaschutzprogramm und Investitionsprogramm (Inflation Reduction Act, IRA): Das Programm kommt 2022. Es umfasst 369 Mrd. $. Gefördert wird insbesondere die Energiewende in den USA. Ausländische Unternehmen werden schlechter gestellt. Gefördert werden nur Unternehmen, die die ganze Lieferkette in den USA haben. Die EU fühlt sich durch den Protektionismus benachteiligt. Sie richtet die Industrie-Plattform CleanTechEurope ein, bei der sich Unternehmen beschweren können. Ökonomen haben geteilte Meinungen: Ausgereifte Technologien müssten nicht subventioniert werden. Die EU-Kommission plant trotzdem ein Gegenprogramm. Die 20 größten angekündigten Investments sind: Texas Instruments, Sherman/ Texas: 30 Mrd. $; TSMC, Phoenix / Arizona: 28 Mrd. $; Intel, Chandler/ Arizona: 20; Intel, Licking County/ Ohio: 20; Micron, Clay/ New York: 20: IBM, Hudson Valley/ New York : 20; Samsung, Taylor/ Texas: 17; Micron, Boise/ Idaho: 15; Texas Instruments, Lahi/ Utah: 11; Iberdrola, Massachusetts: 10; Georgia Power, Georgia 7; HiF global, Matagonda County/ Texas: 6; Toyota, Liberty/ North Carolina 5,9; Ford, SK Innovation, Glendale/ Kentucky: 5,8; Ford, SK Innovation, Stanton/ Tennessee: 5,6; LG Energy, Queen Creek/ Arizona: 5,5; Wolfspeed, Pittsboro, North Carolina: 5; Rivian, Madison/ Georgia: 5: Hyundai, SK Innovation, Barlow County/ Georgia: 5; Port of long Beach, Kalifornien: 4,7. Die Förderung hat nach Bereichen folgende Rangfolge: Energie 173; Verarbeitendes Gewerbe 37;  Grüne Finanzierung 45; Industrie 22; Gebäude 51; Verkehr 7. Quelle: WiWo 27/ 30.6.23, S. 16ff. Die billionenschweren Subventionen lösen einen Industrieboom aus. Biden will das Land wieder zum führenden Produktionsstandort der Welt machen. Dahinter stecken das Misstrauen gegen China - und die Sorge vor einer Rückkehr von Donald Trump.

Russland: (Vgl. ausführlicher Russische Föderation bei Asien; der größte Teil der Fläche des Landes liegt in Asien. Kulturell dominiert Europa) 143,3 Mio. Einwohner (2013). Reales Wachstum des BIP 3,4% (2012; 2014: 0,1%, Prognose 2015: -1,7%). Prognose für 2018: +1,5%. BIP je Einwohner 11.100€ (2012). Staatsschuldenquote 12% (2018: 17,3%). Inflationsrate 5,1% (2012; 2015 15%). Arbeitslosenquote 2018: 5,3% (Prognose). Russische Auslandsverschuldung 2013 ca. 480 Mrd. €. Weltanteile der Produktion: Öl 13%; Gas 18%. Russische Exporte sind im Gegensatz zu denen anderer Länder hauptsächlich Öl und Gas. Russlands Bedeutung im Außenhandel ist stetig gewachsen. 2014 finden die Olympischen Winterspiele in Sotschi statt. In der Ukraine-Krise im März 2014 interveniert Russland auf der Krim. Die G8 droht mit dem Ausschluss Russlands und stoppt die Vorbereitungen zum G8-Gipfel in Sotschi. Der russische Aktienindex bricht ein (große Moskauer Börsen MMWB, RTS). Der Rubel steht schon seit Wochen unter Druck und wurde weiter abgewertet (12% Wertverlust im März 13). Weitere Sanktionen werden von der EU und den USA angedroht. Einreiseverbote für Russen und Kontensperrungen sind geplant (wird nach dem Referendum umgesetzt).. Deutschland deckt seinen Erdgasbedarf zu knapp 39 Prozent aus Russland. Von den Rohölimporten kommen 35% aus Russland. Der deutsche Warenverkehr mit Russland sieht wie folgt aus: Exporte 36,1 Mrd. €; Importe 40,4 Mrd. € (2013; Quelle: Ostausschuss der deutschen Wirtschaft). Der Handel mit Russland hatte 2013 einen Anteil von 3,8% am gesamten deutschen Außenhandel. Die wichtigsten Exportgüter sind Kraftwagen, Maschinen und Chemische Erzeugnisse; die wichtigsten Importgüter Erdöl und Ergas; Metalle, Kokereierzeugnisse. Die deutschen Direktinvestitionen in Russland lagen 2011 bei 9 Mrd. €. Hauptstandorte deutscher Unternehmen sind Nischnekamsk (BASF), Jekaterinburg (Siemens), Irkutsk (Knauf), Samara (Bosch, Noginsk (Metro, Bayer), Moskau (Allianz, Henkel, Airbus), St. Petersburg (MAN), Kaluga (Volkswagen, Continental), Smolensk (E.On), Krasnodar (Claas). Die große Mehrheit auf der Krim stimmt in einem Referendum am 16.03.14 für Beitritt zu Russland. Die EU fürchtet, dass das Muster (russische Mehrheit in der Bevölkerung) auch auf andere Landesteile und Länder angewandt werden könnte. Die größten Handelspartner von Russland sind China (Handelsvolumen 2013 66,8 Mrd. €) und die Niederlande (57,1 Mrd. € 2013). Die Wirtschaft Russlands ist nicht besonders effizient. Die Arbeitsproduktivität beträgt nur 40% der USA. Im Juli 2014 verschärft die EU die Sanktionen gegen Russland (vor allem gegen bestimmte Unternehmen; auch Geldgeschäfte, Waffen und Hightech-Produkte). Auch die USA verschärfen die Sanktionen im Finanz-, Energie- und Technikbereich. Im August 2014 schlägt Russland zurück und verbietet die Einfuhr von Agrarprodukten aus der EU und den USA. Russland befürchtet eine Rezession (und die Privatisierung einzelner Firmen wie Rosneft wird gefährdet). Laut EU-Kommission soll russischen Banken, die eine Staatsbeteiligung von mehr als 50 Prozent haben, die Ausgabe von Aktien und Anleihen in der EU verboten werden. Außerdem werden weitere Namen mit Einreiseverbot und Kontosperrungen belegt. Ende Juli hebt die russische Zentralbank den Leitzins an (um 0,5% auf 8%). Unter dem Druck der Ukraine-Krise muss die hohe Inflation bekämpft werden. Wegen der Zerschlagung des Ölkonzerns Yukos muss Russland eine Rekord-Entschädigung an die einstigen Aktionäre zahlen (37,2 Mrd. €). Anfang September 2014 werden die Sanktionen der USA und der EU verschärft. Am wirkungsvollsten dürften sie im Finanzbereich sein (unter anderem Zugang russischer Firmen zu westlichen Banken eingeschränkt außer Gasfirmen). Diese werden zunächst wegen eines Waffenstillstandes ausgesetzt (aber auch Angst vor Einschränkung der Überflugsrechte). Mitte September werden sie in Kraft gesetzt (Finanzmarkt, Technologie und Ölförderung, Dual-use-Güter, Waffen, Kontensperrung/ Einreiseverbot). Russland kündigt weitere Importbeschränkungen an. Russland baut ab 2014 seine Militärpräsens in der Arktis aus. Das hat angesichts der Ukraine-Krise strategische Gründe. Zudem lagern unter der Arktis riesige Rohstoffvorkommen. Der Start der Freihandelszone zwischen EU und der Ukraine wird auf Ende 2015 verschoben. Russland sucht 2014 die Nähe zu China. Angesichts westlicher Sanktionen werden diverse Abkommen mit China geschlossen. Der Rubel verliert massiv an Wert (50% gegenüber Dollar, 40% gegenüber Euro seit Jahresbeginn 2014). Die Zentralbank erhöht den Leitzins auf 9,5% als Gegenmaßnahme; später sogar auf 10,5% und 17%.  Im November 2014 gibt die russische Notenbank den Rubel frei, worauf hin zunächst eine Erholung des Kurses einsetzt. Die Inflationsrate liegt Ende 2014 bei 8%, was stark die ärmere Bevölkerung bei Lebensmitteln trifft. Die Prognose der russischen Regierung für das Wachstum 2015 liegt bei -3,0% (Zentralbank: -4,8%; erstmals seit 2009 keine Wachstum). Am katastrophalsten wirkt sich der niedrige Ölpreis aus (68% beträgt der Anteil von Öl und Gas am Export). Viele Westfirmen verschieben ihre Investitionen in Russland (36%). Ende 2014 verkauft die Regierung Devisenreserven. Der Ölpreisverfall beeinflusst auch stark den russischen Aktienmarkt (Leitindex im Minus). Insgesamt zeigt die ökonomische Krise auch Putins Versagen in der Wirtschaftspolitik. Staat moderne Industrien aufzubauen, wurde einseitig die Rohstoffbranche gefördert. Ein Tauschgeschäft zwischen der BASF und Gazprom scheitert Ende 2014 an den politischen Verhältnissen. Russland muss Ende 2014 die Banken stützen (16,5 Mrd. Dollar). Die Rating -Agentur Fitch stuft Russland Anfang 2015 auf eine Stufe vor Ramschstatus herunter; Standard & Poor`s gibt wenig später Ramschstatus.. Einige Banken in Europa sind besonders betroffen, wenn russische Kunden ihre Schulden nicht mehr begleichen können (Raiffeisen Bank International aus Österreich; OTP aus Ungarn). Zu Beginn 2015 muss Russland den Etat drastisch kürzen (45 Mrd. $ weniger Einnahmen). Der Mittelstand in Russland ist besonders betroffen (steigende Lebensmittelpreise, Urlaub im Ausland nicht mehr möglich). Die EU will Mitte Februar 2015 weitere Wirtschaftssanktionen verhängen. Die Kapitalflucht aus Russland hatte 2014 einen Umfang von 150 Mrd. $; 2015 werden 115 Mrd. $ geschätzt (die westlichen Banken trifft es am härtesten; der Staat muss einige russische stützen). Das Land brauchte dringend eine Öffnung und Diversifizierung der Wirtschaft (hat aber wegen der Sanktionen und des niedrigen Ölpreises immer weniger Geld dafür). Vielleicht wird Minsk II eingehalten und es kann zu einer Lockerung der Sanktionen kommen. 2015 haben sich Russlands Währung und der Aktienmarkt deutlich erholt. Die EU verlängert Mitte des Jahres 2015 die Sanktionen bis Januar 2016. Nach einer Leitzinssenkung von 11,5 auf 11% ist der Rubel am 31.07.15 auf den tiefsten Stand seit vier Monaten gefallen (1 Euro 67 Rubel; 1 Dollar 61 Rubel). Im August 2015 steht der Rubel bei 81,32 Rubel pro Euro (ein Dollar kostete 70,91 Rubel). Gegen einzelne Produkte aus der EU wird ein Verbot erlassen (z. B. gegen deutsche Waschmittel). Russland hat im Herbst 2015 massive Probleme mit seinen Staatsfinanzen. Das Gesundheitssystem ist schon in einem desolaten Zustand (Reformen notwendig). Die EU verlängert Ende 2015 die Sanktionen bis Mitte 2016. Im Juni 2016 werden die Sanktionen wieder verlängert. Die Löhne dürften in den kommenden Jahren weiter sinken (problematisch für die Armen). Russland braucht weniger Regulierung und eine klarere Rechtsprechung. Im Dezember 2016 verlängert die EU die Russlandsanktionen, aber ohne zusätzliche Strafen. Der Anstieg des Ölpreises Ende 2016 führt zu einer Stabilisierung der russischen Wirtschaft. Die deutschen Direktinvestitionen sind 2016 auf fast 2 Milliarden Euro gestiegen. Ende 2016 gab es knapp 5200 Firmen in Russland mit deutscher Kapitalbeteiligung. 800 deutsche Firmen sind in der deutsch-russischen AHK. 2017 protestiert eine neue Generation (Jugendliche) gegen Korruption und führt das Land in eine innenpolitische Erstarrung. Bei einem Terroranschlag in der U-Bahn von St. Petersburg kommen 11 Menschen ums Leben und über 40 werden verletzt (wahrscheinlich vom Islamischen Staat). Bei einem Besuch von Merkel in Russland Anfang Mai 2017 bekräftigen beide Seiten die deutsch-russische Kooperation. 2017 könnte die Wirtschaft in Russland nach längerer Zeit wieder wachsen. Es gibt immer wieder Festnahmen nach Massendemonstrationen. Die USA wollen Sanktionen gegen alle Firmen erlassen, die Geschäfte mit Russland machen. Das würde besonders Deutschland treffen (BASF; völkerrechtswidrig). Weitere US-Strafmaßnahmen gegen Russland im August 2017 treffen den Gasmarkt (Förderung von US - Fracking?). Im Jahre 2017 geht es dem Land etwas besser. Im November 2017 wird ein neues Mediengesetz erlassen. Es richtet sich in der Hauptsache gegen die USA (behinderten russische Medien in den USA), trifft aber auch andere Staaten). Ende Dezember 2017 verlängert die EU die Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Belgische Abfangjäger fangen Mitte Januar 2018 eine russische Tupolew über den Niederlanden ab (strategische Nuklearübung?). Durch die Sanktionen ist der Handel zwischen Deutschland und Russland stark zurückgegangen (2014 - 2016 Importe -50%; Exporte -31%; Quelle: Destatis). 2017 steigt der Außenhandel Deutschlands mit Russland wieder stark an (Einfuhren 31,4 Mrd. €, vor allem Öl und Gas; Ausfuhren 25,9 Mrd. €). Ein Giftgasanschlag mit Nervengas im englischen Salisbury wird Russland angelastet. Man belegt sich gegenseitig mit Sanktionen. Die EU-Staaten, die USA und Australien folgen Großbritannien. Am 18.03.2018 wird Präsident Putin für weitere sechs Jahre gewählt (67% Wahlbeteiligung, 77% der Stimmen). Russland erwägt 2018 Strafen gegen US-Produkte (Software, Medikamente, Flugzeugzubehör). Allein während des US-Angriffs (auch Frankreich, GB) auf Syrien fällt der Rubel-Wert um 10%. Der Kreml will 2018 die Kontrolle über das Internet. Mit VPN kann man dies aber mühelos umgehen (nicht wie in China). Ganze Geschäftsmodelle werden zerstört. Die Niederlande, Australien und Großbritannien machen Russland für den Abschuss des Malaysia-Airlines-Flugzeugs MH17 verantwortlich. Für die russischen Oligarchen, die häufig auch Sponsoren sind, wird das Klima in London eisig. Mitte September 2018 führt Russland das größte Militärmanöver seiner Geschichte durch (Wostok-2018; Beteiligung von China). 2019 eröffnet Daimler auch eine Produktionsanlage in Russland nahe Moskau; vorerst wird die E-Klasse gebaut. Im April 2019 beschließt das russische Parlament ein kontrolliertes Internet. Merkel lehnt im Juni 2019 bei einem Besuch des ukrainischen Präsidenten Selensky eine Ausweitung der Sanktionen gegen Russland ab. Bei Protesten für faire und freie Wahlen in der Hauptstadt Moskau hat die Polizei im August 2019 über 900 Menschen festgenommen. In Russland arbeiten über 5000 deutsche Unternehmen. Im Dezember verhandeln Russland, die Ukraine, Frankreich und Deutschland in Paris über ein Ende des Ukraine-Krieges. Die Wada schließt Russland vier Jahre von internationalen Sportwettbewerben aus. Ende 2019 wird die Brücke zwischen Russland und der Krim-Halbinsel fertig. Im Dezember 2019 wird eine neue Hyperschallrakete vorgestellt. Die "Avantgarde" soll 20 mal so schnell wie der Schall sein. Sie soll mit Abwehrsystemen nicht abzufangen sein. Es scheint sich im März 2020 abzuzeichnen, dass Putin Präsident auf Lebenszeit bleiben kann.  Durch die Ölpreiskrise (Ölpreis im freien Fall, Konflikt zwischen Russland und Saudi-Arabien) rollt der Rubel immer mehr in den Keller. Die Corona-Pandemie wird lange verdrängt. Der führende Oppositionspolitiker in Russland, Alexei Nawalny liegt mit Vergiftungssymptomen in einem sibirischen Krankenhaus. Moskau macht im Oktober 2020 ein neues Angebot für einen Abrüstungsvertrag.  "Es ist gut, dass vielfältige Handelsbeziehungen zu Russland bestehen. Es ist zudem eines der finanziell solidesten Länder überhaupt mit nur zehn Prozent Staatsverschuldung", Karl-Erivan Haub, Chef des Handelskonzerns Tengelmann. "Die Kosten der Refinanzierung für Banken und kleine und mittlere Unternehmen sind enorm gestiegen", Natalia Akindinowa, russische Ökonomin. "Russland macht mir Angst und viel mehr Sorgen als Griechenland", Robert Shiller, US-Wirtschaftsnobelpreisträger, 2015. In der Ukraine-Krise hat sich die Zu- und Abnahme von Ausländern drastisch verändert: Europäer und US-Amerikaner haben das Land verlassen; Weißrussen, Chinesen und Ukrainer sind gekommen. Im August 2015 lässt Putin demonstrativ illegal eingeführte Lebensmittel aus der EU vernichten. BASF und Gazprom tauschen Unternehmensteile trotz der politischen Lage. Die Allzweckwaffe VEB wird 2016 zum Problem. Sie ist eigentlich keine Bank, da keine Banklizenz (ursprünglich Außenhandelsbank). Vorbild war die KfW. Die Kreditausfälle werden immer größer. 2016 plant Daimler trotz der Sanktionen den Bau eines Autowerkes in Russland.

Weißrussland (Belarus): Hauptstadt Minsk. Weißrussland ist zwar ein selbständiger Staat, aber eng mit Russland verbunden. Im August 2020 gewinnt Lukaschenko noch mal die Wahl (80% der Stimmen). Es gibt Manipulationsgerüchte. Die führende Oppositionsfrau muss nach Litauen flüchten (Tichanowskaja). Andere werden verhaftet. Angesichts des brutalen Vorgehens der Sicherheitsbehörden erwägt die Bundesregierung eine Ausweitung ihrer Sanktionen. Russland hat Belarus Unterstützung zugesagt. Die EU erkennt den Wahlsieg Lukaschenkos nicht an. Ein Gesprächsangebot von Merkel wird ignoriert. Die EU hat aber auch keinen Plan, wie sie die Demokratie nach Minsk bringen will. Russland will schon lange Belarus zurück in sein Reich holen. Was passiert dann, wenn Lukaschenko diesen Weg geht? Oppositionspolitikerinnen müssen im September 20202 das Land verlassen, wenn sie nicht verhaftet werden wollen.

Ukraine: Seit 2014 bis 2019 haben die USA Finanzhilfen in Höhe von 1774 Millionen Euro geleistet. Im gleichen Zeitraum gab die EU 3197 Mio. €., davon Deutschland 787 Mio. Die Exporte in die Ukraine sind im gleichen stark gestiegen: von den USA +109% (auf 2,1 Mrd. €). Von der EU um +30% (auf 27,1 Mrd. €). Die Importe stiegen auch: aus der Ukraine in die USA +44% (auf 1,2 Mrd. €). Aus der Ukraine in die EU +31% (auf 18,0 Mrd. €).  Quelle: WiWo 41, 4.10.19, S. 8. Es bleibt fraglich, ob Putin das Donbas, das große Steinkohle- und Industriegebiet an der russisch-ukrainischen Grenze, irgendwann wieder an die Ukraine zurückgibt. Bei der Krim scheint es ausgeschlossen zu sein. In der Corona-Krise rückt die Leihmutterschaft in den Mittelpunkt. Familien aus 40 Ländern lassen Kinder in der Ukraine bei Leihmüttern gebären (bis zu 56.000 e pro Kind). 200 Kinder in Kiew können nicht zu ihren Eltern. Leihmutterschaft ist legal in der Ukraine. 2020 droht ein neuer Staatsbankrott. Die Zahlungsfähigkeit steht auf der Kippe. Der Landeswährung sinkt wieder. Vgl. die ausführlichere Darstellung auf der Seite Asien/ China.

Kanada: 40 Mio. Einwohner. Hauptstadt Ottawa. BIP: 2,14 Bio. US-$. Kanada ist das zweitgrößte Land der Erde. Es ist Mitglied der G7, der G20 und der NAFTA. Es wurde 1867 gegründet. Vorher war es geteilt in eine britische und französische Kolonie. 1812 gab es einen Krieg des britischen Teils mit den USA. Im Zuge dessen wurden Ontario und Washington angegriffen. 2018 legalisiert Kanada den Konsum von Cannabis. Nach persönlichen Angriffen von Trump auf Premier Trudeau und infolge der Handelspolitik der USA kaufen viele Kanadier nur noch "kanadisch" ein. Sie verzichten auf US-Produkte. Kanada ist nach China der zweitgrößte Handelspartner der USA (sie exportierten Waren im Wert von 282 Mrd. $). Im Sommer 2018 kommt es zu einem heftigen Streit mit Saudi- Arabien. Kanada hatte saudische Menschenrechtsverstöße kritisiert. Die Kritik wird als Einmischung in die inneren Angelegenheiten gesehen. Im Herbst 2018 wird Marihuana (Cannabis) in Kanada legal. Man kann es auch als Freizeitdroge konsumieren. Damit ist Kanada das erste Industrieland mit einer solchen Regelung. Zunächst gibt es nicht genug. 2019 ist Premierminister Trudeau in einen Sumpf von Bestechungsskandalen verwickelt. Am schlimmsten ist seine Verwicklung in "We Charity". Seine Frau ist Botschafterin. Die Familie und Verwandte hat Honorare und sonstige Vorteile bekommen. 2022 wird Kanada von der Ukraine kritisiert, weil es eine Siemens-Turbine für Erdgas nach Deutschland liefert (Sanktionen?). Deutschland und Kanada sind sich einig, dass Russland dei Turbine nur als Vorwand nimmt. 2022 schließen Deutschland und Kanada eine Kooperation ab bei LNG und grünem Wasserstoff (Wasserstoff-Abkommen). Bundeskanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck sind im August 22 in Kanada. Kanada könnte man besten Russland bei der Rohstofflieferung ersetzen (Mineralien, Metalle). Problem sind die langen Verkehrswege (auch in Kanada von der West- an die Ostküste). Kanada hat alle Mineralien und seltenen Erden für die Batterieproduktion. Das Land könnte auch am besten China ersetzen. Die Scheidung von Trudeau inmitten politischer Probleme hält Kanada 2023 in Atem. Ende der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts habe ich Kanada mal länger bereist. Wir waren vor allem in British Columbia und sind auch fast bis an die Grenze zu Alaska gereist (mit Besuch von Indianerstämmen).

Mexiko: 127,0 Mio. Einwohner, 2015: Wirtschaftswachstum 1,2% (2013; Prognose 2017: +2,6%), Inflationsrate 3,6%, Arbeitslosenquote 5,0%, Staatsverschuldung 38,5% des BIP. Aktienmarktbewertung 17,7 (Kurs/Gewinn 2017, Schätzung). Mexiko hat als Autostandort großen Erfolg. Das Land hat mehrere Standortvorteile, vor allem etliche Freihandelsabkommen. So könnte es als Autoexporteur immer wichtiger werden. Sorgen macht die hohe Kriminalitätsrate, vor allem die Kooperation von Polizei und Rauschgiftbanden in einigen Provinzen. Es fehlt auch am Produktionsfaktor "Wissen". Das Freihandelsabkommen NAFTA erzeugt Wachstumseffekte. Der Energiesektor wird liberalisiert. Dadurch könnten die Produktionskosten deutlich sinken. Das Gas ist schon sehr günstig. Mexiko ist weltgrößtes Anbauland für Avocados. Die sprunghaft gestiegene Nachfrage durch das steigende Gesundheitsbewusstsein (Avocados enthalten Vitamin E, Kalium, Folsäure, ungesättigte Fettsäuren) führt zur illegalen Abholzung von Wäldern. Das hat Folgen für das Öko- und Sozialsystem. 2016 geht es mit der Wirtschaft aufwärts. Lähmende Monopole wurden zerstört. Äußerungen im Wahlkampf von Donald Trump führen zu Spannungen mit Mexiko (Mauerbau an der Grenze; die Kosten soll Mexiko übernehmen). Audi hat 2016 ein neues Werk in Mexiko. Man will unter anderem die Exportvorteile in der NAFTA nutzen für den Premium-Markt in Nordamerika. Die Arbeitslöhne sind relativ niedrig. 2016 besteht im Land große Angst vor einem Wahlsieg von Trump in den USA. Der mexikanische Peso gilt als bestes Wahlbarometer für den Ausgang der Wahl in den USA. Steigen die Chancen von Trump verliert der Peso an Wert. Anfang 2017 gibt es gewalttätige Massenproteste gegen eine massive Ölpreiserhöhung (+20%, staatliche Subventionen fallen weg). Die von D. Trump angekündigten Strafzölle auf Autos ausländischer Produktionsstätten aus Mexiko, könnten Direktinvestitionen in Mexiko uninteressant machen. Das Freihandelsabkommen "Nafta", in dem auch Mexiko ist, will Trump neu verhandeln. Außerdem will er eine Mauer zu Mexiko hin bauen, um illegale Immigration aus diesem Land zu verhindern. Mexiko ist eines der gefährlichsten Länder der Welt für Journalisten. In der Regel werden sie von Drogenbanden umgebracht, wenn sie kritisch berichten. Im Grunde genommen ist Mexiko in der Hand von Drogenbanden. Allein 2017 gab es 29.000 Tötungsdelikte (Rekord seit 1997; viele Opfer werden gevierteilt und in Säure aufgelöst). Migration und Migranten sind ein großer Teil des Geschäftes (Sklaverei, Menschenhandel, Prostitution). 2018 gehen die Drogenkriege weiter. Der staatlichen Ölgesellschaft "Pemex" ist nach eigenen Angaben seit 2010 Öl für umgerechnet 2,4 Mrd. Dollar geklaut worden. Mitte Februar 2018 erschüttert ein schweres Erdbeben auch Mexiko-Stadt. Tote gibt es durch einen abgestürzten Hubschrauber. Mexiko ist 2018 die zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas. Es ist ein äußerst erfolgreicher Industriestandort und Exporteur. Besonders wichtig ist Mexiko für die Autobauer. Das Land ist 2018 Gastland der Hannover Messe. Mexiko ist wirtschaftlich gespalten und ähnelt damit Italien. Vor allem im Süden und Südwesten des größten mittelamerikanischen Landes dominieren Armut und Chancenlosigkeit. Eines der Hauptprobleme des Landes ist die weit verbreitete Korruption. Einige bezeichnen Mexiko schon als Mafiokratie. Gerade in der Provinz sind Politik und Drogenkartelle eng verbandelt. Bei der Präsidentenwahl ist ein Richtungswechsel möglich. Der linke Kandidat Lopez Obrador versetzt die Reichen in Panik. Er gewinnt die Wahl und wird Präsident. Mexiko bleibt trotz aller Schwierigkeiten ein Investitionsziel für viele Unternehmen.  Seine neue Leibgarde ist ein Team von Experten (Ärzte, Ingenieure, Rechtsanwälte, Psychologen; Männe rund Frauen). VW arbeitet mit Schallkanonen, um Hagelschäden bei neu produzierten Autos zu vermeiden. 2018 fordern die Landwirte der Umgebung Entschädigungszahlungen wegen der Dürre. Ende 2018 fordert das Land einen Marshallplan für Zentralamerika. Die Grenze zu den USA muss wegen der Flüchtlinge wieder abgeriegelt werden. Beim New Yorker Drogenprozess gegen "El Chapo" gibt er an, in Mexiko die Präsidenten gekauft zu haben. Beim Anzapfen einer Pipeline sterben über 60 Menschen im Januar 2019. Mexikos neuer Präsident Lopez Obrador schwenkt auf die Linie von Trump ein. Allein in den ersten drei Monaten 2019 sind 300.000 Migranten ins Land gekommen (hauptsächlich aus Guatemala und Honduras). Er kehrt zur repressiven Politik zurück und will abschieben. Die Politik von Trump führt zu einem Rückstau der Flüchtlinge in den Grenzstädten Mexikos. Sie bleiben dort oft Jahre oder auf Dauer. Die Politik der friedlichen Annäherung an die Kartelle scheitert ("Abrazos, no Balazos"). Das größte Kartell ist "Cartel Jaliso Nueva Generacion" (CJNG), geführt von "El Mencho". Es ist in 17 Ländern aktiv und besonders aggressiv. USMCA: Abschluss im Juni 2020. Er tritt ab 01.07.20 in Kraft. Es ist der Folgevertrag von NAFTA, der nordamerikanischen Freihandelszone. Trump hatte auf eine Reform gedrungen. Das Gesamtvolumen des Handels liegt bei 1,2 Billionen Dollar. Vor allem Mexiko braucht das Abkommen zum Überleben 76% aller Exporte gehen in die USA.  44% aller Importe sind aus den USA. In der Corona-Krise stoppt die linke Regierung von Lopez Obrador den Ausbau der Wind- und Sonnenenergie. Die Kehrtwende schreckt Umweltschützer und europäische Investoren auf. Die Drogenkartelle sind noch immer sehr mächtig: Sinaloa, CJNG u. a. Sinaloa macht sogar Werbung auf Geldscheinen, was die Notenbank nicht verhindert. Im Mai 2021 erschüttert ein schweres Unglück Mexiko-Stadt: Eine Brücke stürzt ein und mit ihr eine  U-Bahn. 2021 befindet sich das Land im Drogenkrieg. Es ist aber fraglich, ob sich ie organisierte Kriminalität mit militärischer Gewalt beenden lässt. Mexiko verklagt US-Waffenhersteller. Der Drogenkrieg bremst Tourismus und Ansiedlung von Firmen aus. Im Süden Mexikos sammeln sich immer mehr Flüchtlinge. Sie werden aufgehalten. 2022 trifft es Mexikos Journalisten: Fünf Morde in fünf Wochen. Sie stehen im Fadenkreuz von Mafia und Politik. Der Präsident bezichtigt den Berufsstand der Lüge. Mexiko will ab 2022 eine Bahnstrecke für Touristen über die Maya-Halbinsel Yukatan bauen. Dafür werden Urwald und traditionelle Lebensräume zerstört. Es werden auch für die Maya heilige Bäume gefällt. Der Präsident ordnet an, fehlende Genehmigungen zu ignorieren. Zehntausende von Menschen werden im Land vermisst. Viele wurden Opfer eines blutigen Krieges zwischen Drogenbanden. Das organisierte Verbrechen scheint die Macht im Lande übernommen zu haben. Jeden Tag werden in Mexiko etwa 100 Morde verübt. Die Wirtschaft schlägt Alarm. ein Prozess in New York im Februar 2023 gegen den ehemaligen Sicherheitsminister Luna offenbart Einblick in die Verquickung zwischen Politik und Drogenkartellen.  Mexikos Präsident Lopez Obrador regiert populistischer als seine Vorgänger.  Immer mehr Unternehmen verlegen Produktionskapazitäten nach Mexiko. Kurze Wege zu den Kunden sind der Standortvorteil. Die Firmen lassen sich von Drogenkriegen, Gewaltexzessen und einem innovationsfeindlichen Linkspräsidenten nicht abhalten. Die Digitalen Nomaden haben Mexiko-Stadt als Ziel erkannt und treiben die Mieten in die Höhe. Der Präsident Obrador legt sich mit seinen Kollegen Milei/ Argentinien und Noboa/ Ecuador, Maduro/ Venezuela an. 2024 wird in Mexiko noch gewählt. Die größten Chancen hat laut Umfragen Claudia Sheinbaum. Sie hätte viel zu tun. Die Infrastruktur ist marode, das Bildungswesen verwaist. Dei Linksnationalistin gewinnt die Wahl mit fast 60% (der Wahlkampf hatte 39 Todesopfer gefordert). Erstmals hat damit eine Frau in Mexiko das Sagen. Damit könnte die zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas für einen neuen Trend stehen. Allerdings reagieren die Märkte eher nachteilig. Anfang Juni 24 stürzte der Peso um 8% ab (März 2020 bis Ende Mai 24 um 33%). Der mutmaßliche Chef des Sinaloa-Kartells, der mächtigsten Verbrecherorganisation der Welt, wurde 2024 in den USA verhaftet. In Mexiko ist ein brutaler Krieg unter den Erben entbrannt. Vgl. Der Spiegel 39/ 21.9.24, S. 84ff. Mexikos merkwürdigste Heilige ist "Santa Muerte". Hier vermischen sich Katholizismus, Kult und Kitsch. Der Papst wettert gegen den Aberglauben.Nach dem Konzil von Trient schickte die katholische Kirche Mitte des 16. Jahrhunderts Missionare nach Japan. Am bekanntesten wurde Pater Louis Sotelo, der nach Sendai kam. Die Franziskaner missionierten im Gegensatz zu den Jesuiten eher das einfache Volk. In Japan stritten Reiche miteinander. Für Sendai zuständig war ein Shogun, direkt für die Region hatte Date Masozoumi die Verantwortung. Er machte sich Hoffnung, über die Franziskaner das nötige Schiffs-Know-how und den Seeweg nach Neu-Spanien (heute Mexiko) zu finden (einschließlich einer Handelserlaubnis). Dem Shogun selbst waren Christen suspekt, so dass er 1597 26 Christen foltern ließ und später kreuzigen. Pater Sotelo sollte eigentlich auch sterben, wurde dann wegen der Handelshoffnung begnadigt. Spanien hatte quasi ein Monopol auf den Handel mit dem neuen Kontinent Amerika. Mithilfe der Spanier und der Holländer gelang es schließlich, ein hochseetüchtiges Schiff zu bauen. Mit diesem brach man 1613 nach Neu-Spanien auf (Sotelo, der Samurai Hasekura und ein Spanischer Kapitän). Sie erreichten 1614 Acapulco in Mexiko (war der wichtigste Hafen in Mexiko zu der Zeit). An Bord hatte man vor allem Stoffe (auch Seide). Man erreicht in der Hauptstadt beim Vize-König eine Erlaubnis, die Waren zu verkaufen gegen Taufe zum Katholizismus. Die Handelserlaubnis konnte nur der spanische König geben. Also reisten Sotelo und Hasekura mit einem anderen Schiff nach Sevilla (Handelsmetropole für den Handel mit Amerika; am meisten entsetzte man sich über den Gott am Kreuz). Dann ging es weiter nach Madrid. Auch Hazekura ließ sich im Beisein des Kaisers noch taufen für die Erlaubnis. Das war aber sinnlos, weil die Fürstentümer in Japan nach der Vereinigung das Christentum verboten und alle Handelsbeziehungen abbrachen bis 1867 (Ausnahmen nur für die Ostindische Company). Sotelo starb den Märtyrertod, Hasekura wurde geächtet. Der Franziskanermönch Bernardino de Sahugun kommt 1529 als Missionar in das von Spanien eroberte Mexiko. Er schreibt ein Werk über die untergegangene Hochkultur der Azteken und gilt als einer der Begründer der Völkerkunde. Modernere Waffen und der Streit der Azteken mit ihren Nachbarn verhalfen den Spaniern zum Sieg. Obwohl verboten, lässt Sahagun sein Werk kopieren und wandert von Kloster zu Kloster. Er lernt die Sprache der Azteken und verfasst sein Werk auch in deren Sprache Nahuatl. Mutig stellt er sich gegen die Behörden, die sein Werk zensieren wollen. Er begegnet den Menschen unvoreingenommen.

Mexiko als großer Profiteur des neuen kalten Krieges: Mexiko zählt heute zu den wichtigsten Hotspots für Auslandsinvestitionen weltweit. Allein im ersten Halbjahr 2023 kletterten die ausländischen Direktinvestitionen um 41% auf rund 26 Mrd. $. Das war der höchste Halbjahreswert in Wirtschaftsgeschichte Mexikos. Experten sagen bis 2027 knapp 60 Mrd. $ pro Jahr voraus. Vor allem die Automobilindustrie forciert das Tempo. Der Run der Investoren hat geostrategische Gründe. Mexiko profitiert vom neuen kalten Krieg zwischen dem autoritären Block (China, Russland, Iran) und der Allianz der Demokratien und vom globalen Trend zur Deglobalisierung und "Nearshoring". Mexiko lockt mit niedrigen Kosten, gutem Arbeitskräftepotential und einer passablen Verkehrsinfrastruktur. Vor allem aber ist das Land teil der Freihandelszone USMCA. Ausländer können sich über Mexiko gegen das Risiko Trump mit seinem Protektionismus wappnen. Mexiko ist schon zum größten Handelspartner der USA aufgestiegen vor China. Bei der nächsten Wahl im Juni 2024 wird in jedem Falle eine Frau an die Spitze kommen: Dei ehemalige Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt Claudia Sheinbaum oder die Senatorin Xochitl Galvez. Vgl. Losse, Bert/ Heißler, Julian: Run der Investoren, in: WiWo 10/ 1.März 2024, S. 38f. In Mexiko-Stadt wird das Wasser knapp. Der Grundwasserspiegel sinkt, und mit ihm sinkt die Stadt. Ein knappes Drittel des Wassers wird durch das Cutzamala - Stausystem eingespeist. Da immer weniger Regen fällt, sind die Staubecken im März 24 nur zu 39% gefüllt. Es werden schon kommunale Tankwagen eingesetzt, die "Pipas". Vgl. Die Rheinpfalz 2.3.24, S. 1. Gegenüber dem mächtigen Drogenkartell Sinaloa scheint Lopez Obrador einen Kuschelkurs zu fahren. Vgl. Der Spiegel 10/ 2.3.24, S. 74. Mexiko wird 2024 auch immer mehr zum Einfallstor Chinas in die USA. Um Waren ohne Zollbeschränkung in die USA zu liefern, investieren chinesische Unternehmen vermehrt in Mexiko. Jüngstes Beispiel ist BYD, das ein E-Autowerk in Mexiko plant.

Brasilien: Auf einer Fläche von 8,574 Quadratkilometer leben 197 Mio. Menschen (2012). Die Analphabetenquote ist mit fast 10% relativ hoch, auch die Armutsquote mit 21%.  Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt bei 11.630 US-$ (2012; 2013: 14.100). Insgesamt liegt das BIP 2013 bei 2200 Mrd. US-Dollar (siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt; pro Kopf Platz 62!). Die Staatsverschuldung ist mit 66,2% des BIP niedrig (2018: 88,4%). Mit einem Gini - Koeffizient von 0,519 ist die Ungleichheit der Einkommensverteilung hoch. Brasilien ist die siebtgrößte Wirtschaftsnation der Welt (2,425 Billionen $ 2012), wichtigstes Land in Südamerika (52% BIP-Anteile in Südamerika). Die Arbeitslosenquote lag 2014 bei 5,0% (2012 bei 5,5%; 2018: 11,8%); die Inflationsrate bei 6,3% (6,3% auch 2012; 3,7% 2018). Das Wirtschaftswachstum betrug 2014 0,0% (2013 2,5%, Prognose für 2015: 3,1%; 2018: +1,4%). Die Währungsreserven belaufen sich im Herbst 2013 auf 370 Mrd. Dollar. Die Wirtschaftsstrukturen sind komplementär zur deutschen: Brasilien ist reich an agrarischen und mineralischen Rohstoffen. Deutschland kann die technisch hochwertigen Investitionsgüter liefern und von der wachsenden Kaufkraft der Mittelschicht profitieren. Als deutsches Zentrum in Brasilien gilt die Stadt Sao Paulo. Nach dem Wachstumseinbruch 2012 auch nur 0,9%), der noch mit der Weltwirtschaftskrise 2009/10 zusammenhängt, soll ein 250 Mrd. Euro Infrastrukturprogramm den Aufschwung bringen (Brasilien hat die Infrastruktur eines Entwicklungslandes, Prognose 2013 3%). Aber weitere Reformen wären notwendig (Strukturwandel). Das wichtigste Importland ist die USA, das wichtigste Exportland China. Der Außenhandel umfasst bei den Exporte 2018 217,8 Mio. US-Dollar; Importe 159,8 Mrd. $. Im Sommer 2013 gibt es große Demonstrationen (die Menschen sind gegen die hohen Summen für die Fußball-WM und für mehr Investitionen in Bildung und Gesundheit, auch gegen Korruption; Auslöser sind Fahrpreiserhöhungen der öffentlichen Verkehrsmittel in den Metropolen). Haushaltsdefizit und Leistungsbilanzdefizit steigen an. Die Leitzinsen wurden von der Zentralbank auf 8% 2013 erhöht (gegen den Trend die globalen Notenbanken). Hintergrund sind eine höhere Inflationsrate (vor allem astronomische Mieten und hohe Lebensmittelpreise, Inflationsrate 2013 6,7%). Die Arbeitslosenquote liegt 2013 bei 5,5% (Quelle: Weltbank). Eine Reihe von Privatisierungen  stehen an. Es gibt eine Debatte über die richtige Höhe der Körperschaftsteuer. In den nächsten Jahren finden sportliche Großereignisse in Brasilien statt (Fußball-WM 2014, Olympische Sommerspiele). Die marode Infrastruktur und die schwächelnde Wirtschaft begünstigen dies Ereignisse nicht. Im Herbst 2014 wird Dilma Rousseff als Präsidentin knapp wieder gewählt. 2015 ist die Wirtschaft im freien Fall: Inflation, Rezession und Korruption haben das Brasilien im Griff (BIP -6% im ersten Halbjahr 2015). 20% tragen KMU zum BIP bei. Die meisten sitzen in der Region Sao Paulo (40%). Die Opposition versucht immer wieder Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff einzuleiten (Haushalt 2014 durch Gericht für illegal erklärt, Korruption, Petrobras-Schmiergeld-Skandal). Im April 2016 hat ein Amtsenthebungungsverfahren Erfolg. Michel Terner wird neuer Interims-Präsident (Vorsitzender der PMDB, größte Partei; vertritt Interessen von Großgrundbesitzern und Industrieführern). Im August 2016 verliert Rouseff endgültig das Präsidentenamt durch den Senat. In den letzten fünf Jahren (ab 2016 rückwärts) sind die Aktienkurse um 65 Prozent gefallen. In Südamerika wird ein gigantisches Eisenbahnprojekt geplant. Von Santos in Brasilien soll eine Strecke bis nach Ilo in Peru über die Anden gebaut werden. Atlantik und Pazifikküste sollen verbunden werden (insbesondere für Containerzüge). Deutschland mischt maßgeblich mit. Auch der Präsident Terner gerät immer mehr unter Korruptionsvorwürfe. Ex-Präsident Lula soll auch wegen Korruption ins Gefängnis. Die Diskussion darüber zeigt, wie tief Brasilien gespalten ist - politisch und sozial. Im Südwesten Brasiliens (Bundesstaat Mato Grosso Do Sul; so groß wie Deutschland, aber nur 2,7 Mio. Einwohner) ist ein brutaler Kampf um Land entbrannt. Ureinwohner wollen nach 100 Jahren auf ihre alten Territorien. Doch sie stehen in Abhängigkeit von Großgrundbesitzern, die für den Weltmarkt produzieren. 2018 hat in Rio Brasiliens Militär die Kontrolle übernommen (nur Show?, die Kriminalität ist in anderen Bundesstaaten genauso hoch oder höher). 2018 weitet Brasilien seine Kapazitäten zum Soja-Anbau stark aus.  Es profitiert von der Nachfrage aus China, wegen des Handelskrieges mit der USA. Im Jahre 2018 steigen die Ölpreise rapide an. Lastwagenfahrer blockieren die Straßen. Am 7. Oktober wird ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Amtsinhaber Michel Termer tritt wegen Korruptionsaffären nicht an. Der inhaftierte Staatschef Lula, der wegen Korruption einsitzt, ist offizieller Kandidat. Das Wahlgericht lässt seine Kandidatur allerdings nicht zu. Für ihn soll Haddad, der ehemalige Bürgermeister von Sao Paulo, kandidieren. An der Grenze zu Venezuela entstehen Flüchtlingslager. Es kommt immer wieder zu Konflikten. Das Land muss auch die Armee einsetzen. Am 03.09.18 brennt das Nationalmuseum vollständig ab. 200 Jahre Geschichte werden zerstört. Der rechtsextreme Kandidat Jair Bolsonaro kandidiert auch für die nächste Präsidentenwahl. Seine Anhänger verehren ihn leidenschaftlich. Er ist wohl rassistisch, schwulen- und frauenfeindlich. Er punktet mit radikalen Versprechungen. Er gewinnt den ersten Wahlgang und bleibt knapp unter der absoluten Mehrheit. Die großen Konzerne setzen auf ihn, weil er das Amazonas-Gebiet nicht mehr so schützen will (Petrobras, Vale). Er gewinnt schließlich die Stichwahl und wird Präsident. Die Wirtschaft des Landes feiert ihn als "Trump der Tropen". Brasilien ist das erste Land der Welt, das ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Verfassung verankert. Es beginnt mit "Bolsa Familia". Sozialleistungen für die ärmsten Familien. Ein Pilotprojekt gibt es in Quatinga Velho. Der neue Präsident will die chinesische Expansion nach Brasilien beenden. doch das wird schwierig: China kontrolliert bereits alle Schlüsselbranchen. Trotz hoher Mordrate erleichtert der Präsident den Waffenbesitz: "Ein guter Bandit ist ein toter Bandit". Eine Schlammlawine nahe der Stadt Brumadinho zerstört eine Eisenerzmine und bringt über 300 Tote mit sich. Der deutsche TÜV Süd hat sein OK gegeben. Später warnt er vor weiteren möglichen Katastrophen. Es gibt noch mehr Hochrisikodämme im Staate Minas Gerais. Der Fotograph Salgado bekommt im Juni 2019 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels für seinen Kampf für die Umwelt in Brasilien (hauptsächlich mit Fotos). Riesige Waldbrände im Amazonas-Regenwald beunruhigen die Welt im August 2019. Es handelt sich um Brandrodungen. Die EU und Deutschland drohen Bolsonaro damit. das Mercosur - Handelsabkommen scheitern zu lassen (er lehnt Hilfe ab und verhält sich recht passiv). Zumindest verbietet er das Abbrennen von Feldern. Im September 2019 verurteilt ein Gericht Vale zu einer Millionen-Strafe wegen des Dammbruchs (Entschädigungszahlungen). Weitere Klagen sind anhängig. Die brasilianische Staatsanwaltschaft klagt den TÜV Süd wegen des Staudammbruchs an. 2020 leidet die Landeswährung Real unter ständigen Wertverlust gegenüber Euro und Dollar. Präsident Bolsonaro verbündet sich immer enger mit den Evangelikalen. Es droht eine Spaltung in der Kultur. In der Corona-Krise verharmlost der Präsident, so dass es sie das Land hart trifft. Der geachtete Justizminister Sergio Moro tritt im April 2020 zurück (Präsident hatte ohne Rücksprache Polizeichef entlassen). Damit kommt die Regierung in eine Krise. Illegale Holzfäller und Goldgräber nutzen die Corona-Krise, um riesige Flächen zu roden. Bolsonaro scheint sie zu decken. Die Seuche trifft Brasilien auch so hart, weil dei sozialen Unterschiede so gewaltig sind. Die oberen 10 Prozent des Landes haben 55 Prozent der Einkünfte. Die Hälfte aller Bürger lebt von 66 Euro im Monat. Millionen von Dienstmädchen pendeln zwischen Favelas und Mittelschichtenvierteln. Ein Video über eine Kabinettssitzung bringt Bolsonaro in Bedrängnis: Es stellt in bloß. Das oberste Gericht erlaubt die Veröffentlichung. Im Sommer 2020 ist Brasilien das am stärksten betroffene Land von Corona nach den USA. Bolsonaro hat die Krankheit auch (Juli 2020 1,7 Mio. Infizierte, 66.000 Tote). Nach einem Gerichtsbeschluss müssen Facebook und Twitter im Juli 2020 Fake News von 16 Unterstützern von Bolsonaro löschen (Drohungen Verleumdungen). Am 30.07. wird ein neuer Corona-Rekord erreicht: 69.000 Neuinfektionen und 1600 Tote innerhalb von 24 Stunden. Ende November 2020 gibt es schwere Rassenunruhen. Ein Schwarzer war tot geprügelt worden. Im März 2021 erdrückt die Corona-Mutante Brasilien. Die WHO äußert sich besorgt. Präsident Bolsonaro verhöhnt die Opfer. Expräsident Lula darf politisch wieder mitmischen. Das Urteil wegen Korruption hat keinen Bestand mehr. Im März 2021 ernennt Bolsonaro Gesundheitsminister Nummer 4. Es war schwierig, einen zu finden. Ende März 21 wendet sich die Militärführung von Bolsonaro ab. Der Oberbefehlshaber der drei Waffengattungen tritt ab. Die Corona-Situation wird immer katastrophaler. Bolsonaro wollte das Militär einsetzen, um für Ruhe zu sorgen. Auch die Wirtschaft kündigt Bolsonaro das Vertrauen. Ende Mai 2021 protestieren Menschen in 213 Städten und 14 weiteren im Ausland gegen Bolsonaro (Corona, Amazonas-Regenwald, Rassismus). Der Oberste Gerichtshof eröffnet im Juli 2021 ein Verfahren gegen Bolsonaro wegen Korruption. Am 07.09.21 soll es eine Demonstrationswelle zu Gunsten des rechten Präsidenten geben. Der Präsident ist das größte ökonomische Risiko für die Volkswirtschaft. Sie wächst 2021 wahrscheinlich nur um +2,6%. Die Arbeitslosigkeit liegt über 13%. Man spricht von einem verlorenen Jahrzehnt in Brasilien, die "Farm der Welt". Die Agrarprodukte (Soja, Rindfleisch, Zucker, Kaffee) machen rund 70% des Exportes aus. Die Abhängigkeit wächst. 2022 sucht Brasilien die Nähe zu Putin. Das Land wittert seine Chance in der wachsenden Konfrontation zwischen China, Russland und dem Westen. 2022 wählt Brasilien einen Präsidenten. Es scheint nur einen zu geben, der den ultrarechten Amtsinhaber Jair Bolsonaro schlagen kann: Ex-Präsident Lula da Silva. Der ist schon 76 Jahre alt und verspricht, ein neues Brasilien aufzubauen (er ist wegen Korruption verurteilt). Brasilien ist ein Profiteur des Ukraine-Krieges. Es könnte strategischer Partner des Westens werden. Die Wahl hat insofern große Bedeutung. Im September 2022 liegt die Inflationsrate bei 8,73% (Leitzins 13,75%). Lula da Silva führt klar bei allen Umfragen. Wie Bolsonaro auf eine Niederlage reagieren würde, ist unklar. Seine treuesten und fanatischsten Anhänger sind die Evangelikalen (etwa 70 Mio.). Lula da Silva gewinnt am 30.10.22 knapp die Wahl (1,5%-Punkte Vorsprung). Wichtige Repräsentanten erkennen die Wahl an. Bolsonaro bleibt wohl auch nichts anderes übrig. Lula startet 2023. Bolsonaro will die Macht ordnungsgemäß übergeben. Am 8.1.23 stürmen Anhänger von Bolsonaro den Kongress und weitere Staatsinstitutionen  in Brasilia. Die Polizei braucht für die Räumung Stunden, 1500 Personen werden verhaftet. Die Schäden des Putschversuchs sind enorm. Teile der Sicherheitsorgane haben wohl unterstützt. Militär und Polizei sind von "Bolsonarismus" infiziert. Bolsonaro lebt im Exil in Florida. Finanzminister wird Haddad. Der Philosoph ist eine Ausnahmeerscheinung. Aber er setzt eher auf Rezepte von gestern. Mit Schulden geht man lax um. Das Wachstum schwächelt noch. Am 31.1.23 kommt Bundeskanzler Scholz nach Brasilien. Er wirbt für das Freihandelsabkommen der EU mit Mercosur. Im April 2023 besucht Präsident Lula Peking.  China wird immer wichtiger für Brasilien. Mittelschicht und Wirtschaft fühlen sich zunehmend allein gelassen. Der Präsident veranlasste einen Linksruck.2023 kommt ein Gesetz zur drastischen Einschränkung von Rechten der Indigenen. Brasiliens Ureinwohner haben Angst.  Lula hat im Kongress keine Mehrheit. Im Juni 2023 reisen Außenministerin Baerbock und Arbeitsminister Heil nach Brasilien. Sie wollen Pflegekräfte für Deutschland gewinnen. 2023 wird weniger Regelwald am Amazonas abgeholzt (Schutz und Kontrolle). Es findet ein Amazonasgipfel der südamerikanischen Staaten statt. Im Bundesstaat Rio Grande do Sul im Süden Brasiliens kommt es im Mai 2024 zu verheerenden Überschwemmungen. Der Klimawandel verschärft das Muster. Die Hochwasserlage wird immer dramatischer. Mehr als 100.000 Menschen mussten ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Auf über eine Milliarde Euro wird der Schaden bereits geschätzt. Der Generalbundesanwalt prüft, ob Bolsonaro wegen Geldwäsche und anderer Straftaten angeklagt wird.   2014 bedroht eine historische Dürre die Ernten in Brasilien, vor allem die Kaffeeernte. 2015 profitiert das Land von Investitionen aus China (44 Mrd. € in neue Projekte). Die Bereiche sind vor allem Energiesektor und Infrastruktur. Ab 2017 wächst die Wirtschaft wieder. Der Leitzins wird im Mai 2017 auf 10,25% gesenkt. Rios evangelikaler Bürgermeister kürzt 2017 die Zuschüsse zu den Sambaschulen. Die Vorhut der großflächigen Vernichtung des Dschungels sind die Goldsucher. Sie roden am Amazonas, reißen den Boden auf, verseuchen das Wasser mit Quecksilber. Für den Präsidenten Bolsonaro sind sie Helden. Nach den USA hat Brasilien die zweithöchste Todesrate bei Corona (bis Juni 2021 hat das Land über 500.000 Tote) . Es gibt eine eigene Mutante, die sehr gefährlich ist: Personen, die die Krankheit hatten, sind nicht immun. Kern ist die Amazonas-Metropole Manau. Seit 50 Jahren gibt es in dem Land den Krieg gegen die Drogen. Er bringt blutige Polizeioperationen hervor und ändert doch nichts an dem Problem. Keines der Ziele wurde erreicht. Sogar 30 Minuten von der Copacabana regieren Armut und Gewalt. Waffenfirmen aus der EU und den USA verdienen am Krieg gegen die Drogen mit.

Exkurs. Bio-Anbau in Brasilien und Monopol bei Niob: Brasiliens Landlose sind zur größten sozialen Bewegung Lateinamerikas geworden. Sie machen ca. 5 Mio. Kleinbauern aus. Die Landlosen - Bewegung gibt es seit 1984. Auf ihren Parzellen bauen Kleinbauern Gemüse und Obst an. Meist in Bio-Qualität. Sie verkaufen ihre Produkte an die einheimische Bevölkerung. Das geschieht oft über Gemeinschaftshäuser. Es gibt Widerstand - von rechts. Manche behaupten, die Bauern planten wegen ihres Klassenkampfes einen kommunistischen Putsch. Sie wollen soziale Gerechtigkeit schaffen. Nirgendwo auf der Welt  ist der fruchtbare Ackerboden so ungerecht verteilt wie in Brasilien. Das ist ein Erbe der portugiesischen Kolonialzeit, die den Boden unter sich aufgeteilt hatten. Rund 10% der Agrarwirte gehören Zweidrittel von Brasiliens Agrarfläche. Die restlichen 90% der Bauern wirtschaften auf 10% der Fläche. Vgl. Rheinpfalz am Sonntag, 30.9.23, S. 3. Brasilien verfügt über 92% der weltweiten Niob-Produktion. Das ist nahezu eine Monopolstellung. Der Rohstoff ist strategisch im Bereich der Seltenen Erden.

Exkurs. Brasilien als selbstbewusstes Land der Brics+ - Gruppe. Genauso wie Bolsonaro vertritt auch Lula eine unabhängige Position nach eigenen Interessen. Im Gaza-Krieg wendet man sich gegen Israel, im Ukraine-Krieg zeigt man für die Position Russlands Verständnis. In den Mercosur - Verhandlungen mit der EU beharrt man auf eigenen Positionen. Lula besucht am 4.12.23 Deutschland. Scholz wirbt für den Mercusur-Pakt. Es würde die weltweit größte Freihandelszone mit mehr als 700 Mio. Einwohnern entstehen. Die Gespräche mit Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay laufen seit mehr als 20 Jahren. Eine Grundsatzeinigung von 2019 wurde nie umgesetzt. Viele deutsche Großkonzerne sind in Brasilien mit Direktinvestitionen vertreten. Das Land bietet große Chancen. Noch im Dezember wechselt der Mercusur - Vorsitz von Brasilien auf Paraguay (Santiago Pena). Frankreich blockiert die Mercosur -Verhandlungen. Am 18. und 19. 11.24 findet der G20-gipfel in Rio/ Brasilien statt. Brasilien will als ökonomische Großmacht erscheinen. Die Wirtschaft läuft gut. Aber mit ihr wachsen auch die Strukturprobleme.  Man konzentriert sich zu sehr auf den volatilen Rohstoffsektor. Bei zukunftsthemen spielt man kaum eine Rolle (KI, Halbleiter). Im Kongress hat Lula keine Mehrheit. Vgl. Wiwo 45/ 31.10.24, S. 34f.

Argentinien: Zweitgrößtes Land in Südamerika (Weltrang 8). Drittgrößte Volkswirtschaft. 43,4 Millionen Einwohner (2015, Durchschnittsalter 31). 2011 betrug das Wirtschaftswachstum noch 8,9%, 2012 nur  1,9% (2013 3%). 2014 geht das Wachstum auf 0,5% zurück. Das BIP lag 2014 bei 548,1 Mrd. US-$. Die Inflationsrate lag 2012 bei 25,3% (2014: 40%; 2015 24%). Der Peso ist im freien Fall. Der Agrarsektor ist sehr wichtig. Wichtigste Exportgüter sind Sojabohnen, Petroleum und Gas. Zwölf Jahre nach dem Staatsbankrott von 2002 könnte eine neue Argentinienkrise kommen. Ohne Sanierung der Finanzen ist die Spirale aus Inflation und Abwertung nicht zu stoppen. 2013 liegt die Inflationsrate bei 30% und steigt 2014 noch höher. Es kommt zu einem Generalstreik, um die Inflation durch Lohnsteigerungen auszugleichen. Im Juni 2014 entscheiden US-Gerichte, dass das Land Schulden für Staatsanleihen an Hedge-Fonds mit Sitz in den USA in Milliardenhöhe zurückzahlen muss (100%; Schuldenschnitt unwirksam). Argentinien droht wieder mal die Zahlungsunfähigkeit (Staatsinsolvenz). Bis 30. Juli 2014 muss sich das Land mit seinen Gläubigern über eine Schuldenrückzahlung einigen. Da man sich nicht einigt, verursachen die US-Fonds den staatlichen Bankrott. Deutschland hat Forderungen in Höhe von 2,6 Mrd. Euro gegenüber Argentinien. Inhabern argentinischer Staatsanleihen wird ein Angebot zur Umschuldung gemacht. Das aktuelle Haushaltsdefizit 2014 liegt bei nur drei Prozent. Der Protektionismus ist sehr hoch. Anders als beim Konflikt mit den Privatgläubigern beruhen die Rückstände Argentiniens gegenüber den Staatsgläubigern nicht auf Staatsanleihen, sondern größtenteils auf Handelsbürgschaften (vor allem Deutschland und Spanien). Aber die Staatspleite kann für EU-Banken gefährlich werden: Das Land schuldet europäischen Geldhäusern 28 Mrd. Dollar. China will Argentinien retten: Es will umgerechnet 5,6 Mrd. € leihen. Das Geld soll in den Ausbau des Eisenbahnnetzes und in Energieprojekte investiert werden. Außerdem soll ein Devisenaustausch im Wert von 8,5 Mrd. € durchgeführt werden. Am Fall Argentinien werden eklatante Mängel des staatlichen Schuldenrechts deutlich. Argentinien hat die strittigen Anleihen unter US-Recht in Dollar aufgelegt, um sie besser an den Finanzmärkten verkaufen zu können. Hätte das Land sie zuhause platziert, dann gäbe es heute die Probleme nicht. Die Fonds-Gläubiger müssen laut einem neuen Gerichtsurteil 2015 sogar vorrangig bedient werden. 2014 bricht die Wirtschaft ein (-1,7%). Für 2015 werden -1,5% erwartet (Haushaltssaldo -5,5%). Es gibt bei der Entwicklung 2015 in Griechenland große Parallelen mit Argentinien 2001: gewaltige Staatspleite, Bindung an den Dollar, explodierende Schulden, Einbruch des produzierenden Gewerbes, linke Regierung, jahrelang Ausschluss von den Finanzmärkten, radikale Abwertung des Peso, danach wieder Aufschwung. Neuer Staatspräsident im Dezember 2015 Mauricio Macri (Wirtschaftsliberaler; Ex-OB von Buenos Aires). Die ausländischen Investoren halten sich 2016 noch zurück. Die Wirtschaft dürfte um fast 2% schrumpfen. 2017 besucht Angela Merkel das Land. Die EU will mit dem Mercusur ein Freihandelsabkommen abschließen. 2018 übernimmt das Land den Vorsitz bei den G20 von Deutschland. Das Land hat 2018 erhebliche ökonomische Schwächen: Die Staatsverschuldung ist hoch, vor allem in Dollar (52,2%). Mit einem Leitzins von 60% soll die hohe Inflation bekämpft werden (es droht Stagflation). Die Kosten der Haushaltssanierung sind hoch. Der Internationale Währungsfonds soll das Land wieder mal retten. Die Zinserhöhungen in USA (Auslandsschulden!) haben den Niedergang eingeleitet. Die Armut nimmt dramatisch zu, auch die Gewalt. Im Juni 2019 legt ein großer Stromausfall das Land lahm. Die Vorwahlschlappe von Präsident Mauricio Marci hebt die Angst vor einer Staatspleite. Die Rating - Agentur Fitch senkte die Einstufung der Kreditwürdigkeit auf CCC. 2019 stemmt sich das Land gegen Kapitalflucht. Die Zentralbank versucht, die Banken vor dem Kollaps zu bewahren. Die Pläne zur Umschuldung werden konkreter. Argentinien ist wie ganz Südamerika den Rangeleien der Großmächte ausgeliefert. Die USA versuchen mit Macht in ihren "Hinterhof Lateinamerika" zurückzukommen. Im Mai 2020 kämpft das Land gegen die neunte Staatspleite. Eine Frist läuft in wenigen Tagen ab. Es laufen Verhandlungen über eine Umschuldung von 65 Milliarden Dollar. Das Land einigt sich mit seinen Gläubigern über eine Umschuldung (3 Gläubigergruppen, 66 Mrd. $). Im Mai 2021 geht Argentinien wieder in den Lockdown wegen Corona. Den kann sich das Land aber kaum leisten. Es droht wieder mal der Staatsbankrott. Im Herbst 21 wird die Fehde an der Staatsspitze zwischen Präsident und Vizepräsidentin über Twitter ausgetragen. Man sucht 2022 die Nähe zu Russland. Anfang September gibt es einen Mordanschlag auf die Ex-Präsidentin Christina Kirchner. Anfang 2023 beträgt die Inflation 95%. 40% der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Dei verschuldung ist weiter gestiegen. Das Land investiert viel in die Erschließung von Gas- und Ölfeldern. Ende Januar 2023 reist Bundeskanzler Scholz nach Argentinien. Man will die Rohstoffe Lithium und Schiefer-Gas. Die Kooperation der EU mit Mercusur soll wieder belebt werden (Freihandelsavkommen). Im März 2023 kündigt das Land eine Einigung mit GB zu den Falklandinseln an (seit 1833 unter britischer Verwaltung, grundsätzlich wird Anspruch erhoben). 2023 schrumpft durch eine Jahrhundertdürre die Wirtschaft (soja, anderes Getreide). Die Rekordinflation von über100% geht weiter in die Höhe. Der Peso verliert rapide an Wert. Das könnte die Wahl im Oktober beeinflussen. Das Bargeld wird knapp. Wegen der hohen Inflation kommt die Zentralbank mit der Herstellung von Geldscheinen nicht nach. Der Ökonom Javier Milei hat große Chancen bei der nächsten Präsidentenwahl im Oktober 2023 und bei der Stichwahl im November. Er gilt als anarcho-kapitalistisch und ist Anhänger der Österreichischen Schule (Hayek). Er ist Anhänger von Trump und Bolsonaro. Er hält den Staat für kriminell. Zu seinen Auftritten bringt er gerne eine Kettensäge mit. Jeden Tag müssen mehr Menschen die Suppenküchen nutzen. Sein Konkurrent in der Wahl am 19.11.23 ist Sergio Massa, ein Peronist und Mitglied der derzeitigen Regierung. Milei gewinnt die Wahl. Er will die totale Erneuerung Argentiniens (alte politische Ordnung zerstören) , hat aber eigentlich kein Netzwerk. Er gilt als Systemsprenger und Demokratieverächter. Er kürzt die Zahl der Ministerien von 18 auf 8. Im Februar 2024 verbietet Milei das Gendern. Milei ist erst seit drei Jahren in der Politik Er pflegt sein Image als Exzentriker (spielt in Cover-Bands, sein Hund Conan ist Medium nach oben, er agiert mit Motorsäge, angeblich kämmt er sich nie). Im Juni 24 besucht Milei Deutschland. Vorher ist er in Spanien. Er sorgt für Irritationen. Im Oktober 24 verspottet die Pop-Diva Lali Esposito Javier Milei. Sie kritisiert seinen Kahlschlag in der Kultur. Vgl. NZZ 17.10.24, S. 9.

Exkurs. Argentinien im ökonomischen Wandel: Argentinien ist mittlerweile das größte Anbaugebiet von Soja, genmanipuliert und unter Einsatz großer Mengen von Pestiziden und Herbiziden (Monsanto). Soja ist zum Exportgut Nr. 1 geworden. Die Monokultur verbraucht Wasser in großen Mengen, laugt die Böden aus und führt zu Missbildungen bei Menschen, die in dem Gebiet leben. Der Sojaboom hat zusammen mit einer hohen Ausfuhrsteuer auch zu einem starken Rückgang der Rindfleischexporte geführt (200.000t 2014, nur noch Platz 10 in der Welt). Der Abstieg des Landes begann schon vor über 100 Jahren. Die Schuldensucht der Regierungen ist das Grundübel. Man ist stark bei China verschuldet, das keine Schuldenschnitte macht. Vor etwa 100 Jahren war Argentinien mal eines der reichsten Länder der Erde. 2022 hatten die Direktinvestitionen im Land einen neuen Rekord erreicht (15,1 Mrd. US$). In den Jahren 2021 und 2022 boomte das BIP (8,5%, 4,2%). Milei kündigt nach seinem Wahlsieg drastische Reformen an (er nennt sich selbst "Anarchokapitalist"). Scheitert er, versinkt das Land in Chaos. Milei scheint dogmatischer und weniger opportunistisch als seine Vergleiche zu sein (Trump. Bolsonaro) Zunächst will er die Weichwährung Peso durch den US-$ ersetzen (allerdings will er auch die Zentralbank zerschlagen). Damit kann man zwar hohe Teuerungsraten unter Kontrolle bringen. Das ist aber mit hohen sozialen Kosten verbunden. Einige Punkte sprechen für eine positive Entwicklung: Das Land  steht nach Dürre 2023 vor einer Rekordernte. Ausländische Investoren investieren in Bergbau, Öl und Gas. Autokonzerne installieren neue Fertigungslinien (VW). Milei will die Kapitalverkehrskontrollen  und die Zölle abschaffen. Das könnte Mercosur beleben. Er kündigt ein Sparpaket an: Subventionen für Energie, Wasser, Nahverkehr sollen gestrichen werden. Die Steuern sollen erhöht werden. Der Peso soll um 50% abgewertet werden, um das hohe Staatsdefizit zu lindern. Die Demonstrationen gegen die neue Politik häufen sich 2024 (mit den "Töpfeklapperern"). Milei will den Notstand ausrufen und das Demonstrationsrecht verschärfen. "Ich bin nicht gekommen, um Lämmer  zu führen, sondern um Löwen zu wecken", Milei. Ein anderer Spruch: "No hai plata" - Es gibt kein Geld. Milei senkt sofort die Staatsausgaben (Staatsangestellte entlassen), fährt die Subventionen herunter und wertet den Peso ab. Die Argentinier sind wütend, protestieren und das Land ist lahm gelegt. Trotzdem haben viele Argentinier die Sehnsucht nach einem Erlöser. So vergleicht sich Milei mit Moses. Er macht keine Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert. Er ist Anarchokapitalist, Liberaler und Rechtspopulist in einem. Vgl. Glüsing, Jens: Leuchtturm der Unfreiheit, in: Der Spiegel 7/ 10.2.24, S. 76f. Am 10.2.24 trifft Milei den Papst Franziskus in Rom (dieser hatte ihn  schon mal als "Dummkopf" und "Hurensohn" bezeichnet). Der Papst ist auch Argentinier. Er war aber seit 2023 nicht mehr in seiner Heimat. Eine argentinische Nonne aus dem 18. Jahrhundert wird heilig gesprochen. Liberalismus scheint sich nur auf die Wirtschaft zu beziehen. Das Recht zur Abtreibung soll zurückgenommen werden, Gendern wird verboten, Sozialleistungen sollen gekürzt werden. 60% der Argentinier gelten als arm. So gibt es Hochkonjunktur bei der Armenspeisung. Die Inflation erreicht im Februar 2024 254%. Der Widerstand gegen Milei wächst ständig. Es droht ein "Heißer Herbst". Weitere Pläne von Milei sind: 40 staatliche Unternehmen sollen privatisiert werden. Die Staatsausgaben sinken real, weil Renten und Sozialleistungen langsamer an die Inflation angepasst werden. Transport und Strom, Schulen und Krankenhäuser werden nicht mehr subventioniert. Die Schulgebühren haben sich verdoppelt. Der IWF gibt Rückendeckung. Das ist wichtig, weil Argentinien mit 40 Mrd. $ der größte Schuldner ist. Die Zentralbank will die Devisenreserven aufstocken. Vgl. Busch, Alexander: Das kalte Herz schlägt (sich) gut, in: WiWo 12/ 2024, 15.3.24, S. 34ff. Am 1.5.24 billigt das Abgeordnetenhaus ein Gesetzespaket für weitreichende Privatisierung und Kürzungen der Sozialausgaben. Tausende Beamte wurden schon entlassen. Renten wurden eingefroren. 202 4 verleiht die Hayek-Gesellschaft die Hayek-Medaille an Javier Milei, Chef Argentiniens. Sie wird verliehen für "klare Sicht auf die Kraft marktwirtschaftlicher Ordnung" und sein "unerschrockenes Eintreten für individuelle Selbstbestimmung freier Märkte". Seine Fans verehren ihn wie einen Rockstar, für Liberale ist er ein Messias. Andere sehen in ihm einen Anarchokapitalisten, der das Land in den Ruin treibt. Wir werden noch sehen, wer recht behält. Vgl. Die Zeit 27/ 20.6.24, S. 20. Vorerst hat sich 2024 die Wirtschaftskrise verschärft. 54% der Argentinier lebt unterhalb der Armutsgrenze. In der Bevölkerung verliert Milei den Zuspruch (nur noch 52% stehen hinter ihm). Viele Ökonomen loben noch seine ökonomische Aufräumaktion.

Kolumbien: Gilt 2014 als der neue Star unter den Schwellenländern. Es wird zum Stabilitätsanker in Südamerika. Das Land hat ca. 46 Mio. Einwohner und ein Wirtschaftswachstum von 3,7% 2013 (Prognosen für 2014 und 2015 über 4%, IWF). Die wichtigsten Exportgüter sind Erdöl, Petroleum und Kohle (daraus resultiert die steigende Bedeutung des Landes). Die einstige Monokultur "Kaffee" wurde erfolgreich in der Vergangenheit durch Drogenanbau "ergänzt". Die Einkommens- und Vermögensvereilung ist eine der ungleichsten in der Welt. Die ausländischen Direktinvestitionen im Land liegen bei 15 Milliarden US-Dollar 2013. Die deutschen Unternehmen bauen ihre Präsens deutlich aus. Ende Juli stellt die Regierung die Luftangriffe gegen die Farc - Rebellen ein, die ihrerseits schon Waffenruhe verkündet hatten. Damit gibt es so was wie Frieden nach einem halben Jahrhundert. In Kubas Hauptstadt Havanna schließt man am 23.06.16 einen Friedenspakt (der Konflikt besteht seit einem halben Jahrhundert). Auf ehemaligen Kokainfeldern will man Ananas anbauen. Die Farc hat allerdings noch ca. 7000 Kämpfer unter Waffen. Am 2. Oktober 2016 stimmen die Kolumbianer über das Abkommen ab (Paz para el pueblo). In dem seit den 60er Jahren andauernden Krieg wurden über 340.000 Menschen getötet. Die Farc (Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens") war die größte und älteste Guerilla Lateinamerikas (seit 1964, um eine Landreform durchzusetzen; Finanzierung aus Drogenhandel, illegalem Bergbau, Schutzgelder). Die Kolumbianer stimmen knapp gegen den Friedensvertrag (Kampagne des Ex-Präsidenten). Aber Präsident Santos erhält den Friedensnobelpreis. Im November kommt ein neuer Anlauf für einen dauerhaften Frieden. Regierung und Farc - Rebellen unterzeichnen einen neuen, nachgebesserten Vertrag. Dieser wird vom Parlament gebilligt. Seit der Krieg zu Ende ist, gibt es einen Baby-Boom bei den weiblichen Rebellen. Bei Unwettern in Kolumbien kommen Ende März 2017 über 250 Menschen um (Überschwemmungen und Erdrutsche in der Anden-Stadt Mocoa an der Grenze zu Ecuador). Ein Ausflugsschiff vor der Küste sinkt im Juni 2017. Viele Menschen kommen um. Im September 2017 besucht der Papst Kolumbien. Bis zur vollständigen Normalität ist es noch ein weiter Weg. Die Wahlen zum Senat und zur Abgeordnetenkammer im Frühjahr 2018 sind von Gewalt überschattet. Das Gespenst "Venezuela" liegt über der Wahl in Kolumbien. Das "Centro-Democratico" hat Auftrieb. Das Land wird als erstes Land in Südamerika 2018 globaler Partner der Nato. Ivan Duque gewinnt die Wahl am 17.06.18 (Rechter). Er will einen neuen Vertrag mit den Farc und geht damit zurück in die ideologische Vergangenheit. Im Januar 2019 gibt es mindestens acht Tote bei einem Anschlag auf eine Polizeiakademie in Bogota. Im ersten Jahr seiner Amtszeit macht Duque schwere Versäumnisse bei der Umsetzung des Friedensvertrages mit den FARC-Rebellen. Manche Rebellen schließen sich aus Enttäuschung der Linksguerilla ELN an. Der Bananen-Schädlingspilz TR4 richtet ab 2019 große Schäden an. Im Sommer 2019 brennen Teile des Amazonas-Regenwaldes. Kolumbien nimmt die internationalen Hilfsangebote an. Drei Jahre nach dem Friedensvertrag der Regierung mit den Farc  wollen diese wieder zum Guerillakampf zurückkehren. Das ist in schwerer Schlag für den Friedensprozess. Es gibt aber auch Erfolgsgeschichten: Dutzende ehemaliger Rebellen haben als Kaffeewirte den Schritt ins zivile Leben gewagt und geschafft. Ende 2019 kommt es zu Massenprotesten gegen die Regierung. Sie richten sich vor allem gegen den konservativen Präsidenten Ivan Duque. In Bogota kommt es zu einer Ausgangssperre. Auch in anderen Städten gibt es Krawalle. Clans, Mafiosi und ehemalige Guerilla versuchen, Boden zu gewinnen. Grisela Lobo wird im Juli 2020 an die Spitze des Senats gewählt. Das ist ein Ritterschlag für die Lebensgefährtin des Farc-Gründers. Ex-Staatschef Alvaro Uribe wird unter Hausarrest gestellt. Er ist weiterhin das Idol der Rechten. Die Lage im Land ist angespannt. Man hat Angst vor der altbekannten Gewalt. 2021 benennt sich die Farc um: "Partido Communes". Die Kämpfe zwischen der Armee und bewaffneten Gruppen flammen 2021 wieder stark auf. Es soll 13.000 Flüchtlinge geben. 2021 kommt eine Steuerreform, die sehr umstritten ist. Es gibt gewaltsame Proteste. Die Regierung setzt zuerst Polizei, dann auch Soldaten ein. Duque gibt schließlich die Steuerreform (Einkommensteuer ab ab 550 Euro pro Monat, Mehrwertsteuer auf 19%) auf. Damit ist aber nicht das Problem gelöst. 6,3 Mrd. $ sollten so in die Staatskasse kommen. 2020 fiel das BIP der viertgrößten Volkswirtschaft in Südamerika um 6,8%. Die Arbeitslosigkeit stieg auf 20%. Die Armut stieg auf über 40%. Die Arbeitsbedingungen sind zum Teil katastrophal. Die Proteste hören nicht auf (auch mit vielen Toten). Ein geplante Gesundheitsreform wird auch bekämpft. Im Oktober 2021 wird der meistgesuchte Drogenboss Dairo Antonio Usaga gefasst (Otoniel). Im Grenzgebiet zu Venezuela tobt ein Kampf um Gold und Drogen. Verschiedene Gruppen bekämpfen sich bis aufs Messer (Farc, ELN). Bei der Präsidentenwahl im Juni 2022 gewinnt Gustavo Pedro. Er ist links orientiert und ein Ex-Guerillero. Die bislang immer regierende Oberschicht in dem konservativen Land wurde erstmals abgewählt. Pedro gilt als Sturkopf und politisches Talent. Vizepräsidentin wird Francia Marquez (Umweltschützerin, Bürgerrechtlerin). Kolumbiens Wahrheitskommission hat einen erschütternden Bericht über den jahrzehntelangen Bürgerkrieg vorgelegt. Der künftige Präsident Petro will viele Empfehlungen daraus berücksichtigen. Kolumbien nimmt 2022 die meisten Flüchtlinge aus Venezuela auf (über 2 Mio.). Das deutsche Entwicklungshilfeministerium hilft mit Geld. Zum Jahreswechsel 2023 schließt man einen Waffenstillstand mit den Rebellengruppen. Im März besuchen Habeck und Özdemir das Land. Es geht auch um die größte offene Kohlemine der Welt. Sie wird das Monster genannt und von Glencore betrieben. Seit dem Embargo gegen Russland importiert Deutschland verstärkt Kohle von dort. Im Juli 2023 sorgt sich Präsident Gustavo Pedro um seinen Sohn. Ihm wird Geldwäsche vorgeworfen. In Kolumbiens Hauptstadt Bogota´ gibt es ein Cafe von Hörgeschädigten für Hörgeschädigte (weltweit soll es nur fünf von dieser Art geben).

Venezuela: Hauptstadt Caracas. Das Land hat die höchsten Erdölvorräte der Welt. Weiterhin hat das Land hohe Gas- und Goldvorkommen. Der Erdölexporteur  wird 2015 hart vom Ölschock getroffen. Seit der Ölpreis abstürzt (40$, Halbierung in vier Monaten; 2016 unter 30$), sucht das Land verzweifelt nach einem Ausweg. Die Inflation galoppiert und ist mit 64% in zwölf Monaten (Jan. 14 bis Jan 15) die höchste der Welt. 96% der Devisen stammen normalerweise aus dem Erdölexport. 1,5 Cent kostet ein Liter Benzin in Venezuela. Der Preis ist fixiert, was den Staat jährlich zwölf Mrd. Dollar kostet. Die Unternehmen können nicht mehr kostendeckend arbeiten und schließen massenweise. Der Sozialismus gerät ernsthaft in Gefahr. Vgl. Wirtschaftswoche, Nr. 6, 2.2.15, S. 6f. Venezuela ist das ölreichste Land der Erde. Es ist besonders tragisch, dass 2015 der Zerfall der Ordnung droht. Die Ladenlokale sind leer. Marodierende paramilitärische Gruppen gewinnen immer mehr Macht. Ende 2015 gewinnen die konservativen die Wahl. Der Chavismus scheint am Ende. 2016 ruft Präsident Nicolas Maduro den wirtschaftlichen Notstand aus. Der niedrige Ölpreis 2016 könnte in den nächsten Monaten zum Staatsbankrott führen (Auslandsschulden in Höhe von 120 Mrd. $). Die meisten Nahrungsmittel und Konsumgüter müssen importiert werden. Die Inflation ist die höchste der Welt (über 700%). Im Mai 2016 wird der Regierung eine Sonderermächtigung erteilt. Eine Katastrophe soll abgewendet werden. Venezuela verfügt über die größten nachgewiesenen Ölreserven der Welt. Heute steht das Land vor einer Implosion. Das Elend und die grassierende Korruption - auch im Zusammenhang mit dem sozialistischen Regime Chavez - haben das Land zerstört. Der Staat kontrolliert auch 2016 noch das gesamt Wirtschaftsgeschehen. ES gibt drei Wechselkurse für den Bolivar. Schwarzmärkte blühen. Die Geldmenge verdoppelt sich dauernd, weil die Geldscheine zu kleine Werte haben. Die Opposition verstärkt 2016 den Druck; Demonstrationen häufen sich. Die Wahlbehörde stoppt im Oktober 2016 ein Amtenthebungsverfahren gegen den Präsidenten. Die Regierung wirft den USA vor, die Inflation anzuheizen, indem sie Bolivares - Scheine horte. Präsident Maduro nimmt die größten Geldscheine, die 100 Bolivares, aus dem Verkehr. Millionen Venezolaner stehen ohne Bargeld dar, so dass sie keine Weihnachtsgeschenke oder Lebensmittel kaufen können. 2017 fehlen in Venezuela Medikamente und Lebensmittel. Der Zustand der Krankenhäuser ist katastrophal. Ende März enthebt das oberste Gericht das Parlament aus seiner Funktion. Das Gericht stellt sich damit hinter den Präsidenten Maduro, der noch die Armee hinter sich hat. Später lenkt das Gericht ein und nimmt die Entmachtung zurück. Die Inflationsrate ist auf 1660% gestiegen und damit die höchste der Welt. Der Präsident will 2017 die Armee gegen Massenproteste einsetzen. Die Angst vor Bürgerkrieg nimmt zu. Im April 2017 gibt es einige Todesopfer (insgesamt schon 26 seit Beginn der Unruhen) und 400 Festnahmen. 500.000 Milizen sollen bewaffnet werden. Die Geschäfte sind mittlerweile fast ohne Waren. Im April 2017 schließt der Autokonzern General Motors aus den USA seine Produktion in dem Land. Es gibt 2500 Entlassungen. Ende April 2017 tritt das Land aus dem Staatenbund OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) aus. Venezuelas Unterschicht wird seit Hugo Chavez´ Zeiten großzügig alimentiert. Das wird auf Dauer nicht zu finanzieren sein. Fast jeder Venezolaner will eine neue Regierung, aber nur wenige wollen die Opposition. Venezuela bedient ordentlich seine Auslandsschulden (2,2 Mrd. $ Zinsen Anfang 2017; 10 Mrd. $ insgesamt in dem Jahr). 2016 schrumpfte die Wirtschaft um 10%. Der IWF sagt für 2017 2000 Prozent Inflation voraus. Hunderttausende Menschen protestieren immer wieder gegen Maduro. Je schlechter es Venezuela geht, desto präsenter ist Chavez (1999-2013). Er wird zum Mythos stilisiert. Die Chefanklägerin des Landes (Generalstaatsanwältin) wird abgesetzt. Ein kleiner Militärputsch scheitert.  Das Land wandelt sich zur Diktatur. Die staatliche Wirtschaftspolitik ist gescheitert. Trump droht dem Land im August 2017 mit Krieg. Das löst Unruhe in der Region aus. Ein Joint-Venture zwischen dem venezolanischen Staatskonzern PDVSA und dem russischen Ölkonzern Rosneft zur Ölgewinnung wird gebildet. Maduro sucht die Nähe Russlands (Putin sichert wirtschaftliches Überleben zu). Russland als einer der Hauptgläubiger stimmt auch einer Umstrukturierung der Schulden zu. Im November 2017 will Maduro über die Staatsschulden neu verhandeln (Umstrukturierung mit den Gläubigern, riskiert Haushaltskrise). Die Rating Agenturen Standard and Poor`s und Fitch stufen die Kreditwürdigkeit auf CC. 155 Mrd. $ betragen die Schulden bei ausländischen Gläubigern. Ende 2017 will Venezuela die Digitalwährung einführen. Das hoch verschuldete Land sucht so einen Ausweg aus der Finanznot. Die Währung soll mit Öl abgesichert werden. Wahrscheinlich will man so US-Sanktionen umgehen. Der Name ist Petro. Angeblich kann man Hunderte Millionen Dollar kassieren. 2018 ordnet die Regierung Preissenkungen an. Supermärkte müssen von Soldaten bewacht werden, damit sie nicht geplündert werden. In Caicara werden trotzdem Geschäfte von Hungernden geplündert. Hunderttausende fliehen nach Kolumbien, Chile, Panama, Mexiko und Europa. Die Versorgungssituation wird immer katastrophaler. Die Inflation erreicht Mitte Januar 2018 1200%. Die USA und 16 lateinamerikanische Länder drohen damit, die Wahl im Mai nicht anzuerkennen. Im April 2018 steigt die jährliche Inflationsrate auf fast 13.000 Prozent. Präsident Maduro will sich mit einer vorgezogenen Neuwahl die Macht sichern. Regierungsspitze und Militärführung scheinen sich in ein Drogenkartell verwandelt zu haben. Sie bereichern sich, während das Volk hungert. Am 20.05.2018 gewinnt Maduro die Wahl (68%; Wahlbeteiligung 46%). Die Situation in Venezuela wird immer dramatischer: Die Devisen reichen nicht mehr aus, um Arzneien und Lebensmittel zu beschaffen. Die USA wollen Wirtschaftssanktionen verhängen, um die "Wiederherstellung der Demokratie zu unterstützen". Im August 2018 überlebt Präsident Maduro einen angeblichen Drohnenangriff. Es bezichtigt Kolumbien und die USA als Drahtzieher. Kritiker befürchten, dass die Regierung selbst den Vorfall organisiert habe, um die Repression gegen Oppositionelle zu verschärfen. 2,3 Mio. Venezolaner sind schon aus der Heimat geflohen (die meisten nach Kolumbien; aber auch nach Ecuador, Peru und Brasilien). Bis Ende 2018 könnte die Inflation auf 1 Mio. % steigen. Schlimmer kann es kaum werden. Die Regierung Maduro lässt 2018 Ladenbesitzer wegen angeblicher Wucherei verhaften. Die Bevölkerung hungert. Dei Währung verfällt weiter. Eigentlich müsste der Präsident auf die Opposition zugehen, da der Druck zunimmt. Am 23.01.19 gibt es eine Großdemonstration. Das scheint ein Putsch zu sein. Der Präsident des entmachteten Parlaments Guaidos erklärt sich zum Präsidenten (35 Jahre, Charisma). Noch reagiert das Militär nicht bzw. die Oberen unterstützen eher Maduro (Militär ist auch gespalten: Chefs leben von Korruption bei Öl, einfachere Soldaten sind arm). Die USA, Kanada, die EU und die OAS erkennen Guaidos an. Russland, China und die Türkei halten an Maduro fest. Im Hintergrund scheinen die drei Großmächte mitzuwirken (USA, China, Russland). Es kommt zu Verhandlungen zwischen den zwei Präsidenten. Die EU setzt Maduro eine Frist für Neuwahlen. Die USA drohen (Einnahmen des staatlichen Ölkonzerns in den USA eingefroren, Soldaten nach Kolumbien). Beide Präsidenten kämpfen um die Unterstützung der Armee und der Justiz. Maduro warnt die USA vor einem neuen Vietnam. Er gerät aber immer mehr unter Druck. Das Land hat abgewirtschaftet. Anfang Februar schließt Maduro einen Bürgerkrieg nicht mehr aus. Er verspricht nur eine vorgezogene Parlamentswahl, nicht aber eine Präsidentenwahl. Die EU berät mit einer hochrangigen Kontaktgruppe südamerikanischer Länder. Sie will auch eine aktive Rolle spielen, neben den Großmächten (ein einheitliches Vorgehen scheitert an Italien). Maduro stoppt Hilfslieferungen, insbesondere aus den USA, und nennt sie "politische Show". Die USA verfallen wieder in ihre alte "Hinterhof-Mentalität". Der Konflikt könnte sich in der Ölfrage entscheiden. Der Bevölkerung könnte in einigen Wochen das Öl ausgehen. Maduro hat chinesischen Ölfirmen und Rosneft aus Russland Anteile an der staatliche Ölfirma PDVSA gegeben gegen Kredite (intransparent). Ende Februar 2019 eskaliert die Gewalt an Brücken zwischen Venezuela und Kolumbien. Soldaten lassen Hilfslieferungen aus den USA, Chile und anderen Nachbarländern nicht durch. Es kommt zu Toten und Verletzten. Die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien werden abgebrochen. US-Vizepräsident Pence droht mit Intervention. Die USA, Kanada und dreizehn weitere Staaten Lateinamerikas sprechen sich für weitere Sanktionen aus. Anfang März wird der deutsche Botschafter Kriener rausgeworfen, wegen Einmischung in die inneren Angelegenheiten (hatte am Flughafen die Verhaftung Guaidos verhindert). Anfang März 2019 kommt es immer wieder zu Stromausfällen. Das größte Wasserkraftwerk des Landes, das 80% des Stromes erzeugt, fällt immer wieder aus (wahrscheinlich mangelnde Wartung). Alle US-Diplomaten müssen das Land verlassen. Guaidos Stabschef Robert Marreros wird am 21.03.19 festgenommen. Es kommt zu weiteren Stromausfällen (Sabotage oder mangelnde Wartung der Infrastruktur). Strom wird rationiert (für 30 Tage). Die Lage für Guaido wird im April 2019 immer prekärer. Das oberste Gericht fordert eine Aufhebung seiner Immunität. Der Sender "Deutsche Welle" wird aus dem Kabelnetz verbannt und später wieder aufgenommen. Ein kleiner Militärputsch Ende April 2019 fordert einige Tote und misslingt. Besonders die arme Bevölkerung leidet unter den Folgen der Inflation. Lebensmittel und Medikamente sind kaum noch zu bekommen. Gefahr für Maduro könnte aus den Elendsvierteln kommen (besonders aus Caracas). Im Sommer 2019 führt Maduro Gespräche mit Opposition und stoppt sie dann. Im September 2019 kommt es wieder zu Gesprächen zwischen Regierung und Opposition (nicht mehr einheitlich). Im Januar 2020 verhindern Sicherheitskräfte die Wiederwahl Guaidos zum Parlamentspräsidenten. Korrupte Militärs und skrupellose Gangs unterstützen Maduro. 8000% betrug die Inflationsrate 2019. Der Dollar ist praktisch die Ersatzwährung. Die Regierung will die staatliche Krypto - Währung "Petro neu beleben. 2020 kommt es zu einer Art Aufschwung, vor allem in der Hauptstadt. Davon profitiert aber nur eine kleine Elite. Die USA setzen 2020 auf den Staatschef ein Kopfgeld aus. Der Konflikt im Land wirkt sich negativ auf die Corona-Bekämpfung aus: Maduro entscheidet über Hospitäler, Medikamente und die Test-Kits Am 6.12.20 gibt es Neuwahlen des Parlaments. Aber die Dauerprobleme werden bleiben (Schäden von 20 Jahre Chavismus, Verlierer auf dem Lande, hohe Zahl von Auswanderern, Armut, Willkür von Polizei und Militär). Das Parteienbündnis von Maduro gewinnt die Wahl. Die Wahlbeteiligung liegt nur bei 31 %. Das scheint der Sargnagel für die Opposition zu sein. Das bankrotte, aber ölreiche Land, ist einer Art Diktatur ausgeliefert. Im Mai 2021 macht Machthaber Maduro der Opposition plötzlich Zugeständnisse. Ein Dialog soll jetzt die Krise lösen. Die Zentralbank wertet im August 2021 den Bolivar erneut ab (streichen von sechs Nullen). Den Menschen ist das relativ egal: Sie bezahlen mittlerweile in Dollar oder Bitcoin. Anfang 2022 ist die Zeit der leeren Supermarktregale vorerst vorbei. Für wenige Privilegierte gibt es alles - für den großen Rest fast nichts. Die staatlichen Dienstleistungen sind im Niedergang. Besonders leiden auch die Staatsbediensteten: Lehrer, Professoren. Intellektuelle leiden unter wachsender Armut. Ein Drittel aller Bürger hat nicht genug zu essen, während Reiche ihr Vermögen immer weiter auftürmen. Vgl. Der Spiegel Nr. 24/ 11.6.22, S. 82ff. Nach Jahrzehnten der Enteignungen, der Knappheit und der Hyperinflation hat in Caracas im Februar 23 ein Einkaufszentrum eröffnet. Das Regime hat das sozialistische Experiment still und leise beerdigt. Es will jetzt mitverdienen. Vgl. Blasberg, Marian: Auferstandene Ruine, in: Der Spiegel 10/ 4.3.23, S. 80ff. Auf dem Korruptionsindex von Transparency International steht das Land auf Platz 177 von 180. Maduro macht eine Anti-Korruptionskampagne. 40 einflussreiche Persönlichkeiten werden festgenommen. Vor allem die staatliche Ölgesellschaft PDVSA ist betroffen. Im Juli 2023 kann Maduro seine ärgste Widersacherin ausschalten. Die venezolanische Staatsanwaltschaft verbietet Machado für 15 Jahre, öffentliche Ämter auszuüben. Knapp einen Monat vor der Präsidentschaftswahl in Venezuela gibt es wieder Verhandlungen zwischen dem Land und den USA über die Lockerung von Sanktionen. Es gibt im Sommer2024 wachsende Sorgen vor Unruhen. Sie verstärken sich nach der umstrittenen Wiederwahl von Maduro. Es gibt Zweifel am Sieg. Die USA und Brasilien fordern eine Offenlegung der Ergebnisse. Auch die OAS (hatte Wahlbeobachter vor Ort) zweifeln den Sieg an. Die USA sind aber  in einem Dilemma. eine weitere Verschärfung der Sanktionen würde zu noch mehr Emigranten in die USA führen. Maduro kann  offenbar den Weg in eine Diktatur gehen. Vgl. Der Spiegel 32/ 3.8.24, S. 52. 6 Staaten, darunter die USA und die EU, erkennen den Wahlsieg der Opposition (Gonzalez; er muss sich verstecken) an. Die Unruhen im Inneren werden stärker. Maduro setzt die Armee gegen die Proteste ein. Auch die Kirche wirft Maduro Wahlbetrug vor. Im Herbst 24 jagt Maduro seinen Rivalen Gonzalez per Haftbefehl. Um abzulenken, soll Weihnachten schon auf den Oktober verlegt werden. Mehr als 2400 Menschen wurden festgenommen. Solange das Militär an der Seite Maduros steht, wird kaum etwas passieren. Gonzalez flieht im September 24 nach Spanien (er wird aus der spanischen Botschaft in Caracas ausgeflogen). Ein deutscher Banker (Matthias Krull, Schweizer Privatbank Julius Bär) soll ein Netzwerk aufgebaut haben, den Staat zu plündern. Zusammen mit einem der reichsten Männer Venezuelas Raul Gorrin soll er Geld an die Stiefsöhne von Präsident Maduro ("Los chamos") verteilt haben. Maracaibo war einst die reichste Ölmetropole des Landes. Die Stadt erlebt 2019 einen Zusammenbruch. So könnte es dem ganzen Land bevorstehen, wenn nichts mehr passiert. Bis Mitte 2022 haben schon 6 Mio. Menschen das Land verlassen.

Exkurs. Esequibo: Ende 2023 droht ein Krieg mit Guyana. Venezuela will sich eine Region einverleiben, über die man seit 150 Jahren streitet (Esequibo, 160.000 Quadratkilometer, Internationaler Gerichtshof in Den Haag hat Guyana Recht gegeben). 1841 war Guyana eine britische Kolonie (von den Niederlanden erworben). Die Westgrenze war nicht festgelegt. Die Briten beauftragten den deutschen Forschungsreisenden Robert Schomburgk mit der Grenzziehung. Der Streit wurde 1899 beigelegt mit der "Schomburgk-Linie". Doch 1949 tauchten Indizien für die Bestechlichkeit eines beteiligten Richters auf. Also ist Venezuela der Meinung, dass Esequibo im 19. Jahrhundert unrechtmäßig von GB requiriert wurde. Maduro orientiert sich an Putin. Es droht ein neuer kalter Krieg. Militärisch kann Venezuela die Region nur schwer erobern. Die US-Militärs halten Manöver in Guyana ab. Aber auch Russland und China sind verwickelt: China ist noch der einzige Kreditgeber. Gleichzeitig hält der chinesische Energie - Riese CNOOC 25% an der Ölproduktion von Venezuela. Ende 2023 erklärt Venezuela einen Gewaltverzicht.

Ecuador: 18,19 Mio. Einwohner. Hauptstadt Quito. BIP 116,36 Mrd. US-$ (2022). Beim schwersten Erdbeben seit Jahrzehnten  werden mindestens 235 Menschen getötet. Das Land bürgert 2018 Wiki-Leaks-Gründer Assange ein (er war seit 5 Jahren in der Botschaft in London). Lenin Moreno mutiert vom Linken zum "neoliberalen Verräter". Es gibt regionale Wirtschaftsflauten. Ende Oktober 2019 kommt es zu Massenprotesten. Es geht gegen die Erhöhung der Kraftstoffpreise. Die Subventionen für Benzin werden vorübergehend beibehalten. Die Ärmeren und die indigene Bevölkerung soll geschützt werden. 2021 findet eine Präsidentenwahl statt. Amtsinhaber Lenin Moreno tritt nicht mehr an. Corona und Wirtschaftskrise sind die dominierenden Themen. Ecuador hat eine sehr fragile Demokratie. Favorit ist Andres Arauz. Doch der konservative Ex-Banker Lasso kann neuer Präsident werden (52,4% der Stimmen). Im Juli 23 wird der Ausnahmezustand verhängt. Es gibt viel Gewalt, vor allem in Gefängnissen. Im August 23 wird der aussichtsreiche Präsidentschaftskandidat Villavicencio in Quito erschossen. Man hat die Drogenkartelle im Verdacht (mexikanische Kartelle haben das Land zum Verteilzentrum gemacht). Das Land ist eine Hochburg. Die Drogenmafia scheint den Staat zu übernehmen (Kaperung). Im Oktober 23 ist die Stichwahl um die Präsidentschaft. Der Bürgermeister der Stadt Duran versteckt sich seit einem Mordanschlag. Im Januar 2024 sucht ein Großaufgebot der Polizei den Bandenchef "Fito". Er ist aus dem Hochsicherheitsgefängnis ausgebrochen. Das ist die erste große Prüfung für den jungen Präsidenten Daniel Noboa. Er verhängt den Ausnahmezustand. Er plant auch eine Volksabstimmung, die eine Reihe Fragen zur Verbrechensbekämpfung enthält. Eebnso will er ein Hochsicherheitsgefängnis im Amazonasgebiet und Gefängnisschiffe auf hoher See (und Auslieferung an dei USA). Ecuador war mal eines der sichersten Länder Südamerikas. Das man zum Spielball der Drogenkartelle wurde, hängt vor allem mit seine rLage zusammen: Ecuador liegt zwischen Kolumbien und Peru, den größten Kokainproduzenten der Welt, und verfügt mit Guayaquil über einen kaum zu kontrollierenden Hafen.

Exkurs. Herrschaft der Kartelle: In vielen Ländern Lateinamerikas können die Regierungen den Kampf gegen die aufgerüsteten Banden kaum gewinnen. Dei Organisierte Kriminalität bedroht die Demokratie in der Region. Allein in Ecuador gab es 2022 1928 Morde der Organisierten Kriminalität (nur die erfassten). In Kolumbien waren es 283, in El Salvador 303. Es ist wie ein Gewaltrausch. Vgl. Der Spiegel 5/ 27.1.24, S. 82f.

Uruguay: Hauptstadt Montevideo. 19 Departements. In dem Land südlich des Rio de la Plata leben nur 3,5 Mio. Menschen. BIP 71,89 Mrd. US-$ (2022). 2019 rückt das Land nach drei sozialdemokratischen Wahlperioden nach rechts. 2022 ist das Land ein Musterstaat. Es entwickelt sich zur Vorzeigedemokratie. Für wirtschaftliche Dynamik sorgt die Energiewende (vor allem Windparks). 2022 wächst das BIP voraussichtlich um +3,9% (2021 -6,1%). Uruguay hat sich zum Klimachampion Südamerikas entwickelt. Fast die gesamte Energie wird 2022 aus Erneuerbaren generiert: 40% Windenergie, 30% Wasserkraft, 20% Biomasse, 4% Solarenergie.  Über die Energiepolitik herrscht ein politischer Konsens im Land. Allerdings sind die Kosten für den grünen Strom sehr hoch. Das liegt vor allem an dem vielen ausländischen Geld für Investitionen.

Bolivien: 11.052.000 Einwohner. Das BIP lag 2017 bei 37,5 Mrd. US-$. Bolivien ist das einzige land der Welt, in dem Kinderarbeit gesetzlich erlaubt ist. Insgesamt arbeiteten 2017 rd. 850.000 Kinder und Jugendliche. Es gibt Pläne für eine Bahnstrecke von Sao Paulo in Brasilien nach Ilo in Peru durch Bolivien (Bioceanico). 2019 gibt es große Waldbrände im Amazonas-Regenwald (Brandrodung?). Staatschef Morales steht 2019 vor der erneuten Wiederwahl. Gute Wirtschaftsdaten und erfolgreiche Armutsbekämpfung prägen seine Amtszeit. Es gab allerdings Wahlmanipulationen. Morales kündigt seinen Rücktritt an. Es wird wohl Neuwahlen geben. Nach Morales` Rücktritt halten die Krawalle an. Man weiß nicht genau, was und wer dahinter steckt. Er hatte sich mit den alten Eliten angelegt. Einige wurden enteignet.  Benachteiligte hatte er früher gekauft (Vertriebshilfe für faire Bezahlung). Die wollten dann immer mehr. Jeanine Anez wird neue Übergangspräsidentin. Am 3. Mai steht eine Neuwahl an. Moralez versucht von seinem Asyl in Argentinien aus seine "Bewegung zum Sozialismus" zu führen. Im Oktober 2020 steht das Land vor chaotischen Wahlen. Die Spaltung im Land hat sich verfestigt: Weiße Mittle- und Oberschicht gegen indigene Mehrheit. Linkskandidat Luis Arce hat die Präsidentenwahl im ersten Durchgang gewonnen. Er erhielt über 55% der Stimmen. Evo Morales, der geflohene Ex-Präsident, kehrt per pedes aus dem Exil (erst Mexiko, dann Argentinien) zurück. Der jetzige Präsident Luis Arce ist ein Freund von ihm. Er ist auch immer noch Gewerkschaftschef. Die Ex-Präsidentin Anez wird im März 21 verhaftet. Es scheint eine politische Verfolgung zu geben. Im Juni 2024 gibt es einen Putschversuch in La Paz. Teile der Armee scheitern mit der dilettantisch organisierten Aktion. Die Gesellschaft scheint aber gespalten zu sein. In Folge der gesunkenen Gasproduktion häufen sich diei wirtschaftlichen Probleme.   Die Bundesregierung hatte ein Abbauabkommen für Lithium mit der bolivianischen Regierung geschlossen (noch Morales). Durch die Neuwahlen ist das erstmal auf Eis gelegt. Es soll noch einmal in Bolivien überprüft werden. Die Bundesrepublik sollte im Gegenzug ein Batteriewerk in der Nähe des Sees aufbauen. 

Peru: 34,35 Mio. Einwohner. BIP 242,4 Mrd. US-$. Währung: 1 Nuevo Sol = 100 Centimos. Peru ist das größte Koka-Anbau-Land der Welt. Aus der Koka-Pflanze wird Kokain gemacht. Der Koka-Anbau wurde durch Roden des peruanischen Regenwaldes ausgebaut. Die UN förderte 30 Jahre den alternativen Anbau von Ölpalmen. Geleitet wurde das Programm vom Deutschen Hans Jochen Wiese. Peru ist der zweitgrößte Kupferproduzent der Welt. Es exportiert Gold und andere Edelmetalle. Im März 2017 wird das Land von einer großen Überschwemmung heimgesucht. Ursache soll das Klimaphänomen El Nino sein. Besonders betroffen ist die Hauptstadt Lima. Für große Teile des Landes gilt der Notstand (600.000 Menschen betroffen). 2017 wird ein außergewöhnliches Projekt gestartet. In der Wüste Perus wird der Nebel aufgefangen und so Wasser für die Landwirtschaft gewonnen. Perus Präsident Kuczynski entgeht im März 2018 durch Rücktritt einer Amtsenthebung. Er ist über einen Bauskandal gestolpert. Perus Wirtschaftsförderer vermarkten alte Pflanzensorten als teure Gesundheitsprodukte (Quinoa, Mango, Kiwicha, Maca, Sacha Inchi). Das auf der ganzen Welt mit viel Erfolg. Motto dabei ist "Fit wie die Inkas". Im November 2020 setzt das Parlament den Präsidenten Martin Vizcarra ab. Der war beim Volk beliebt. Ihm wird vorgeworfen, in seiner Amtszeit als Gouverneur Bestechungsgelder angenommen zu haben. Im April 2021 ist die nächste Präsidentschaftswahl geplant. Die Demokratie wird einem Stresstest unterzogen, hoffentlich nutzen Populisten das nicht aus. Es gibt Massendemonstrationen gegen die Absetzung des Staatspräsidenten Viscarra. Die Interimsregierung um Manuel Merino tritt zurück. Dritter Staatschef innerhalb einer Woche wird der Parlamentspräsident Francisco Sagasti. Am 11.4.21 wählen die Peruaner einen neuen Präsidenten. Viele werden nicht wählen gehen, weil sie die Nase voll haben. Gegen 68 der 130 Abgeordneten laufen Ermittlungen wegen Vergehen oder Verbrechen. Das Land steht am Abgrund. Pro Einwohner hat Peru 2021 die höchste Zahl an Corona-Infizierten und Toten in der Welt. Im Juni 2021 kommt es zu einer Stichwahl um das Präsidentenamt. Castillo (Links) und Fujimori (Rechtspopulist) liegen Kopf an Kopf. Pedro Castillo wird Perus neuer Präsident. Der Linkspolitiker verspricht in seiner ersten Ansprache ein Ende des neoliberalen Wirtschaftsmodells. Nach einem Machtkampf mit dem Parlament wird er wieder aus dem Amt gejagt. Das Land bekommt eine Staatschefin: Dina Boluarte. Sie hat keine Macht im Parlament (kandidierte schon vergeblich als OB von Lima) und wurde aus der Linkspartei ausgeschlossen. Peru befindet sich danach im Ausnahmezustand. Castillo will wieder zurück. Viele wollen das mit allen Mitteln verhindern. Proteste erfordern immer wieder Tote. Die Demos werden heftiger. Der Machu Piccu wird gesperrt. Die Präsidentin schließt einen Rücktritt aus. Der Kongress weigert sich, die Wahlen von 2026 vorzuziehen. Boluarte schließt ein Bündnis mit den Rechten. Auch der mächtige Fujimori-Block im Parlament stützt sie. Vgl. Glüsing, Jens: Gejagt wie die Tiere, in: Der Spiegel 9/ 25.2.23, S. 82f.   2019 muss ein Unternehmer sein Hotel bei Cusco abreißen, weil er uralte Mauern der Inkas für den Bau abgerissen hatte (+ 2 Mio. Euro Strafe). Von Peru aus, fuhr der Norweger Thor Heyerdahl mit seinem Floß Kon-Tiki (Inka-Gott als Namensgeber) einst nach Polynesien. Ziel: Besiedlungstheorie beweisen. Das war 1947 von Callao aus. Seine Theorie des Ursprungs in Asien gilt heute als widerlegt. Heyerdahl starb 2002 an einem Hirntumor. Im November 2022 halten Indigene 70 Touristen fest. Es ist ein Protest gegen die Untätigkeit der Regierung nach einem Ölleck. Dann sitzen ausländische Touristen in Machu Picchu fest. Es sind 800 in der Region Cusco. Das auswärtige Amt rät von Reisen ab.

Exkurs. Peru als wichtiger Rohstofflieferant und Empfänger von Entwicklungshilfe: Peru hat bei der Arsenproduktion einen weltweiten Anteil von 40%. Zusätzlich hat das Land hohe Kupfervorkommen. 2023 boomt der Kokaanbau in dem Land. Das hängt zusammen mit Europas steigender Nachfrage aufgrund der Liberalisierung von Drogen. Dafür opfern Drogenkartelle aber den Regenwald. Peru bekommt Entwicklungshilfe bzw. Ersatzleistungen. Bis 2022 hat Deutschland 233 Mio. Euro an Schulden erlassen, die das Land bei der KfW aufgenommen hatte. 200 Mio. Euro sind noch geplant für die Förderung des Bus- und Radverkehrs. Eine Stadt im peruanischen Amazonasgebiet wird immer mehr von Kommers und internationalem Tourismus überrollt: Iquitos ("die Hölle" genannt). Hier wird die Modedroge Ayahuasca hergestellt. Generell geht es um Drogen aus Kakteen und Krötenschleim. Die Bedeutung Perus als Rohstofflieferant hatte China schon sehr früh entdeckt. Man baute und finanzierte einen Hafen und sicherte sich 40 Jahre die Nutzung für Rohstoffimporte aus Peru. Der Tiefseehafen heißt Chancay (3,3 Mrd. €). Er liegt 75 km nördlich der Hauptstadt Lima. Er wurde von Cosco Shipping gebaut. In Peru leben viele Chinesen, die einst als fast Sklaven nach Peru verkauft wurden. Einige sind sehr reich in Peru geworden und waren auch am Wirtschaftsaufschwung der VR beteiligt. China kontrolliert den neuen Megahafen. Es ist der erste von China kontrollierte Hafen in Südamerika. China will eine direkte Route nach Shanghai einrichten. Peru und China haben ein Freihandelsabkommen. Das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern hat sich seit Bestehen des Abkommens 2009 auf 33 Mrd. US-$ verdoppelt.

Chile: 19,63 Mio. Einwohner (2022). Hauptstadt: Santiago. BIP 300,73 Mrd. $ (2022). Währung: 1 chilenischer Peso = 100 Centavos. Chile ist ein Land geografischer und klimatischer Extreme. Es liegt zwischen Anden und Pazifik. Im Schnitt ist es 200 km breit, aber über 4200 km lang. Chile kennt vor allem Trockenheit und Wasserknappheit. Die Atacamawüste im norden dehnt sich immer weiter nach Süden aus. Es wird Wasser aus Nebel gesammelt und das Nutzwasser aus Waschbecken. Der konservative Sebastian Pinera gewinnt überraschend die Wahl zum Präsidenten Chiles im Dezember 2017. Chile ist das reichste Land in Südamerika. Im Norden Chiles, in der Atacama-Wüste, wendet sich Chile erneuerbaren Energien zu. In den vergangenen Jahren sind Dutzende Solarkraftwerke entstanden. 2050 will man 70 Prozent der Energie aus erneuerbaren Energiequellen decken. Die Leitungskapazitäten müssen ausgebaut werden (auch Speicher). Ansonsten werden in der Wüste Bodenschätze gewonnen: Kupfer, Lithium und andere Erze. Chile hat fast ein Drittel der weltweiten Kupfervorkommen. Ab 16.01.18 besucht Papst Franziskus Chile. Die Visite ist umstritten Es brennen sogar Kirchen. Es geht um die Mapuche, ein indogenes Volk. Sie haben Landansprüche gegen den Staat und die Kirche. Der Weltklima-Gipfel im Herbst 2019 ist in Chile. Er muss abgesagt werden, weil die Volksseele kocht. Viele Bürger leiden unter immer höheren Lebenshaltungskosten. Das Wachstum scheint hauptsächlich der Elite zugute zu kommen. Es gibt einen neue Verfassung. Sie soll auch tief greifende Sozialreformen bringen. Der Milliardär Sebastian Pinera, der die Regierung führt, scheint kein Verständnis für die Jugend und die Armen zu haben. Es soll sogar höhere Steuern geben. Die Corona-Krise setzt dem Land schwer zu. Es verhängt eine Ausgangssperre. Da es keine soziale Absicherung gibt, hungern viele Menschen. Es kommt wieder zu Protesten und Demonstrationen. Die Krise wird immer größer. Im Oktober 2020 entscheiden sich die Chilenen in einer Volksabstimmung mit klarer Mehrheit für eine neue Verfassung. Die alte Verfassung stammte noch aus Zeiten der Diktatur. auch die Ureinwohner werden berücksichtigt. Chile hat Ende Februar 2021 eine der höchsten Impfquoten der Welt gegen Corona (Rang 5 weltweit). Bei der Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung werden die Partei des Präsidenten und alle rechtsextremen Parteien abgestraft. Die Vertreterin der indigenen Minderheit Elisa Loncon wird zur Vorsitzenden gewählt. Das Gremium nimmt vor dem Hintergrund großer sozialer Spannungen die Arbeit auf. Am 19.12. 21 kommt es zur Stichwahl zwischen zwei Präsidentschaftskandidaten: Von der republikanischen Partei eine Art Post-Pinochismus mit Kast, Sohn eines deutschen Wehrmachtoffiziers; und der linke, ehemalige Aktivist und Studentenfunktionär Boric. Boric siegt überraschend deutlich. Er ist erst 35 Jahre alt. Er will einen Sozialstaat europäischer Prägung schaffen (plus Umweltschutz, Rechte für indigene Bevölkerung). Es wird der Abschied vom neoliberalen Wirtschafts- und Sozialmodell sein. Es gibt ein  Ringen  über eine neue Verfassung. Bei einem Referendum droht ein Nein. Dann wäre die Neugründung in ernster Gefahr. Eine deutliche Mehrheit ist gegen die neue Verfassung (62%). Boric will weiter an Reformen arbeiten. Am 30.1.23 besucht Bundeskanzler Scholz Chile. Man schließt eine Rohstoffpartnerschaft. Chile soll vor allem Lithium liefern, Deutschland will bei der Bergbautechnologie helfen.   Gabriel Boric hatte den Indigenen einen Dialog versprochen. Er setzt aber mehr auf Repression. Vgl. FAZ 15.3.23, S. 6. Im Dezember 2023 lehnen die Chilenen auch den zweiten Entwurf für ein neues Grundgesetz ab. Es hätte vor allem die Rechte der Frauen eingeschränkt. Im Januar 2024 hat das Land mit schweren Waldbränden zu kämpfen. Über 120 Menschen kommen ums Leben. Eines der Zentren ist Vina del Mar. Es ist die schlimmste Tragödie seit dem Erdbeben 2010. Die Temperaturen liegen um die 40 Grad. Das hängt mit der Erderwärmung und El Nino zusammen. Porsche und Siemens bauen im windreichen Süden Chiles ab 2020 die weltweit erste Fabrik für synthetische Kraftstoffe. Ab 2022 sollen 130.000 Liter davon produziert werden. Eine Pilotanlage existiert bei der Mineralölraffinierie Oberrhein GmbH & Co. KG in Karlsruhe. 2023 ist der Putsch durch das Militär und Pinochet 50 Jahre her. Der Kampf um die Deutungshoheit kommt nicht zum Ende. Chiles Rechte will die Geschichte relativieren. Viele sehen schon die Demokratie wieder gefährdet.

Exkurs. Ökonomische Ursachen der Waldbrände: Dahinter steckt in der Regel Brandstiftung. Immobilienspekulanten hoffen auf Bauland., ES ist ein Gesetz schon seit Jahren in der Beratung, dass die Nutzung abgebrannter flächen verbietet. Es wird von der Baulobby blockiert, die sehr stark ist. Würde das Linksbündnis unter Präsident Gabriel Boric die Gründe offen legen, würden die Rechten mangelnde Kontrolle der Kriminalität anprangern. Der Präsident richtet lieber einen Hilfsfonds ein.

Guatemala: 18 Mio. Einwohner. BIP 93,66 Mrd. US-$ (2022). Im Juni 2018 bricht ein Vulkan (El Fuego) aus und tötet durch seinen Lavastrom über 33 Menschen in einem Dorf nahe bei Guatemala-Stadt (70 km). Insgesamt müssen 3100 Menschen aus mehreren Dörfern fliehen. Guatemala ist bitterarm. Es ist einer der Schlüsselstaaten für Trumps Asylpolitik. Das Land will eine Abkommen mit Mexiko bezüglich der Migration schließen. Mitte August wird ein neuer Präsident gewählt. Der konservative Kandidat Alejandro Giammattei gewinnt. Er muss ein Abkommen mit Trump umsetzen, nach dem das Land einen Puffer der Migration bildet. Im November 2020 gibt es Massendemonstrationen. Sie richten sich vor allem gegen die Überschuldung des Landes und die Kürzung der Mittel für Bildung und Soziales. Über die Hälfte der Menschen lebt in  Armut. Demonstranten legen Feuer im Parlament. Bei den Bergbauern wächst kaum noch was, wegen des Klimawandels. Die jungen Leute lassen sich in die USA schleusen, um ihre Familien vor dem Hunger zu bewahren. Vgl. Brühwiller, T./ del Pinal, P.: Luxus ist, wenn der Sohn ein paar Dollar schickt, in: FAZ Nr. 305, 31.12.21, S. 3. Im August 2023 gewinnt überraschend der Sozialdemokrat Bernardo Arevalo die Wahl zum Präsidenten. Er repräsentiert nicht die Eliten des Landes. Hoffentlich lässt man ihn regieren. Eine korrupte Justiz versuchte, die Amtsübernahme zu verhindern. Im Januar 2024 kann er dann das Präsidentenamt mit Verzögerung antreten. Er muss gegen die Machteliten agieren. Er war auch ein Antikorruptionsaktivist. Er wurde gewählt, weil er von Indigenen und der jungen Generation unterstützt wurde. Die Frage bleibt, ob er sich gegen Drogenkartelle und alte Eliten durchsetzen kann. Vgl. Koebl, Susanne: Saat der Hoffnung, in:  Der Spiegel 9/ 24.2.24, S. 77. Hauptsponsor von Arevalo war der Deutsche Luis von Ahn, der Gründer von Duolingo, der in Pittsburg/ USA lebt und Informatikprofessor ist.

Nicaragua: Wachstum 4,7% 2017: Wichtigster Exportpartner USA: Hauptexporte Kaffee, Tabak, Baumwolle, Bananen. Zuckerrohr, Stromkabel. für 65 Mio. € gehen Exporte nach Deutschland. Machthaber Daniel Ortega hat enge Beziehungen zu Venezuela. Das Land ist besonders arm. Der neue US-Präsident Biden geht auf Distanz zu Ortega. Biden brauchte eine Vision für ganz Südamerika. Unter Trump haben die USA Boden an China verloren. Zu Beginn von 2024 werden mehrere Priester verhaftet. Der Papst kritisiert ein weiteres Mal den Präsidenten Ortega. Ortega demontiert systematisch die katholische Kirche. Im April 2024 klagt Nicaragua vor dem höchsten UN-Gericht gegen Deutschland. Man will das Ende deutscher Waffenlieferungen an Israel durchsetzen. Man erhebt den Vorwurf der Beihilfe zum Völkermord in Gaza.

Honduras, El Salvador: Länder mit den höchsten Mordraten weltweit. Die starke Kriminalität beruht auf einer Art Gewaltmonopol der Straßengangs (Maras; oft in den USA Gescheiterte). Diese Gangs werden von den Eliten geschützt und eingesetzt. Die Länder sind auch sehr arm. Sie haben keine Rohstoffe. Es werden Plantagenprodukte wie Kaffee, Zucker, Bananen angebaut. Daher stammt auch der Begriff "Bananenrepublik" (1904 vom US-Schriftsteller William Sidney Porter geprägt). Die Länder gehören zu den Staaten mit der höchsten Korruption und den schärfsten Einkommensgegensätzen. Kein Wunder also, dass so viele Menschen in die USA fliehen wollen. Mit dem Wahlsieg von Nayib Bukele in San Salvador verändert sich die politische Landschaft in Lateinamerika (53% der Stimmen; er hat die 30 Jahre währende wechselnde Regentschaft der rechten und linken Parteien beendet). Er geht auch auf Konfrontation zu Maduro in Venezuela. Er spielt sich aber als Autokrat auf. Deshalb könnte er mit Biden Probleme bekommen. Hunderte Flüchtlinge aus Honduras durchbrechen im Januar 2020 die Grenze zu Guatemala, um in Richtung USA durchzubrechen. 2021 macht El Salvador den Bitcoin zum offiziellen Zahlungsmitel. Aber es gibt im Herbst 21 Proteste gegen Präsident Nayib Bukele. Es besteht Angst vor zunehmender Autokratie. Bukele nennt sich selbst gerne "Ceo von El Salvador" (er trägt meist Baseballmützen). Er ist in den sozialen Netzwerken präsent. Ein Viertel des BIP stammt aus Rücküberweisungen (z. B. Verwandte in den USA). El Zonte ist ein kleines Surfer-Dorf an der Küste, das im Mittelpunkt der Bitcoin - Welle steht. Man spricht von "Bitcoin-Beach". Das Land spekuliert auch mit Bitcoins (verliert 2021 14%). Vgl. Brühmüller, Tjerk: Surfen auf der Bitcoin-Welle, in: FAZ Nr. 21/ 26.1.22, S. 3. Nayib Bukele kündigt eine erneute Kandidatur für die Präsidentschaft in El Salvador an, obwohl die Verfassung zwei aufeinander folgende Amtszeiten verbietet. Der exzentrische Staatschef Bukele hat den Bitcoin zum offiziellen Zahlungsmittel seines Landes gemacht. Dann verlor die Digitalwährung an Wert und er hat sich verzockt. Immerhin hat er auch Positives vorzuweisen. El Salvador war mal eines der gefährlichsten Länder der Welt. Heute gibt es kaum noch Morde. Und der Präsident ist beliebt wie kaum ein anderer in Lateinamerika. Sein Staatsziel ist einfach und erfolgreich: Alle wegsperren. In keinem Staat auf der Welt ist die Inhaftierungsrate höher als in El Salvador. Damit "pulverisiert"  er die Opposition. Er darf fünf weitere Jahre regieren. Vom Rechtsstaat ließ er kaum was übrig.  Vgl. Die Zeit 2/2024, 4.1.24, S. 13ff. 2024 sitzen 1,6% der Salvadorianer im Gefängnis. So viele wie sonst nirgendwo. Politiker in ganz Lateinamerika bewundern Machthaber Nyib Bukele. Andererseits bewegt er den Staat Richtung Autokratie. Vgl. Der Spiegel 16/ 13.4.24, S. 82f. Ein US-Unternehmen baut in Honduras eine private Stadt. Sie ist für Menschen gedacht, die keine Lust haben, Steuern zu zahlen oder staatliche Vorschriften zu befolgen. Doch doe neue Regierung (seit 2022 Xiomara Castro) in der Hauptstadt Tegucigalpa will das Experiment nicht mehr mitmachen. Das Gesetz für die Privatstadt wurde bereits gestrichen. Vgl. Die Zeit 21/ 8.5.24, S. 18.

Paraguay: 6,86 Mio. Einwohner. Hauptstadt Asuncion. BIP 41,28 Mrd. US-$. 2023 wird der konservative Kandidat Präsident. Er heißt Santiago Pena.

Panama: Frühere US-Kolonie. Zurzeit investieren die Chinesen viel in die Infrastruktur. Der chinesische Einfluss wächst rasant. China will Länder in der Region auf seine Seite ziehen. Im Mittelpunkt steht der Kanal. Wachstum 2017 5,6%. Wichtigster Handelspartner sind die USA. Hauptexporte: Finanzdienstleistungen, Schifffahrt, Pharma.

Costa Rica: Vergleichsweise stabil wie Panama. Das deutsche Unternehmen Bayer hat hier das regionale Zentrum. Costa Rica hat ein ähnliches Preisniveau wie Deutschland. Die einheimische Währung führt ein Parallelleben zum US-Dollar. Der Euro ist weitgehend unbekannt. Das Land ist ein Paradies für Naturliebhaber. Es kümmert sich stark um Nachhaltigkeit. Im April 2022 wird der Außenseiter Rodrigo Chaves neuer Präsident. Er ist Wirtschaftswissenschaftler. Das Land hat keine Armee, aber ein gutes Bildungs- und Gesundheitssystem.

Guyana: 900.000 Einwohner. Hauptstadt: Georgetown. BIP: 14,52 Mrd. US-$ (2022). Es ist eines der ärmsten Länder Südamerikas. 2020 findet man vor der Küste ein riesiges Ölfeld. Das Land rückt unter die 20 ölreichsten Staaten. Allein 2020 werden dem Land deshalb 85% Wirtschaftswachstum prognostiziert. Dei gewaltigen Ölvorkommen werden von Exxon/ USA rücksichtslos ausgebeutet (Exxon hatte sie auch entdeckt). Der Zwergstaat boomt jetzt, mit allen Auswirkungen. Der IWF hat den zwischen Guyana und Exxon geschlossenen Ölfördervertrag als unfair bezeichnet. Der Ölreise muss in dem Land keine Unternehmenssteuern bezahlen, nur 2% Lizenzgebühr für dei Fördererlaubnis. Bis zu 75% der jährlichen Erlöse kann Exxon behalten. Es gibt keine Regelung über Haftung. Bürger haben deshalb die eigene Regierung verklagt. Sie fürchten, dass alle Profite abfließen und nur Schutt und Zerstörung bleibt (wie bei Zuckerrohr, Gold und Diamanten). Vgl. Buchter, Heike: Das kleine Land und der Riese, in: Die Zeit 6/ 1.2.24, S. 20. 2024 baut Guyana eine Straße durch den Amazonas-Regenwald den Venezuela beansprucht. Man will auch eine Stadt im Landesinnern bauen und dei Menschen umsiedeln. Silica City soll sie heißen. Bei der Straße helfen Brasilien und GB, auch bei der Finanzierung. Vgl. NZZ 4.9.24, S. 4. Guyana will das Katar Lateinamerikas werden. Beim Pro-Kopf-Einkommen hat es Deutschland schon überholt. Doch noch nutzt der Reichtum nur wenigen, er kommt bei den Menschen nicht an. Eine Diversifikation der Wirtschaft ist dringend nötig. Bis 2028 will man jährlich 20% wachsen. Vgl. HB 10.9.24, S. 18f. Die Klimabilanz des Landes ist hervorragend. Sie wird allerdings stark angezweifelt. Vgl. Die Zeit 40/ 19.9.24, S. 35.

Suriname: 700.000 Einwohner. Hauptstadt: Paramaribo. BIP: 3,52 Mrd. US-$. Staatsform: Präsidiale Republik.

Kuba: Zweimal hat sich Kuba von anderen Ländern abhängig gemacht: Zuerst von der Sowjetunion (1991 mit dem Ende der Sowjetunion brach die Wirtschaftsleistung um 30% ein), dann von Venezuela. 2015 gibt es wieder diplomatische Beziehungen zwischen den USA und Kuba. Damit endet eine 54 Jahre dauernde Isolationspolitik. Danach sollen auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland verstärkt werden. Das soll vor allem in den Bereichen Landwirtschaft, Medizintechnik und Energie geschehen. Lange gab es in Kuba eine Parallelwährung (Dollar zu eigner Währung). Im September 2015 besucht Papst Franziskus Kuba. Die Kubaner knüpfen hohe Erwartungen an den Besuch. Das Land gibt seine Beschränkungen für Kapital und Handel zunehmend auf. Auch die Beziehungen zu den USA werden normalisiert. Am 26.11.2016 stirbt der "Maximo Lider" Fidel Castro mit 90 Jahren. Er war der Übervater der Revolution, die 1959 begann (eigene Form des Sozialismus als Mischung aus Marx, Lenin und Jose Marti). Castro baute ein vorbildliches Bildungs- und Gesundheitssystem auf, bevor er später viele Länder militärisch und zivil unterstützte (1979 35 Länder: u. a. Bolivien, Nicaragua, El Salvador, Guatemala). Neun Tage trauert das Land; dann wird Castro quer durch Kuba gefahren und in Santiago de Cuba beigesetzt (Heldenfrieshof Santa Ifigenia; Denkmäler und Straßenbezeichnungen soll es nicht geben). Bruder Raul Castro führt schon seit 2006 das Land. Enge Verbündete wie Venezuela, China und Iran halten die Insel bisher einigermaßen ökonomisch auf Kurs. Seit einigen Jahren kann man eine "Cuentapropista", eine Art Ich-AG, beantragen. Seitdem gibt es an vielen Orten riesige Basare. Ende 2016 normalisiert die EU ihre Beziehungen zu Kuba. Es wird ein Partnerschaftsabkommen geschlossen. Im September 2017 trifft Hurrikan "Irma" Kuba hart. 2018 will Raul Castro abtreten, Damit beginnt nach 60 Jahren Castro eine neue Ära nach den Parlamentswahlen im April 2018. Designierter Nachfolger ist Diaz-Canel. Der Wechsel wird im April 2018 vollzogen. Die junge Generation hofft, dass die vorsichtige Öffnung weitergeht und die Mangelwirtschaft endet. Bei einem Flugzeugabsturz bei Havanna kommen mehr als 100 Menschen ums Leben. 2018 gibt sich Kuba eine neue Verfassung: Privateigentum, Ministerpräsident, gleichgeschlechtliche Ehe. Die Kommunistische Partei hat weiterhin das Sagen. Schon 2018 betreiben 600.000 Kubaner eine Ich - AG. Nach der Öffnung Kubas bleibt ein Boom im deutschen Außenhandel aus: Ausfuhren 2015 255,9 Millionen Euro. Ausfuhren 2017 244,2 Mio. € (-4,6%). Kuba sucht neue Verbündete. Die Krise in Venezuela, ein alter sozialistischer Alliierter, trifft das Land hart (keine Hilfen mehr; Wirtschaftsleistung -5%). Es kommt eine neue Verfassung Ende Februar 2019: Die Vorherrschaft der Planwirtschaft bleibt erhalten. So auch die ineffizienten Staatsbetriebe und die doppelte Währung. Im April 2019 verschärfen die USA wieder die Sanktionen gegen Kuba (Reisen, Geldtransfers). Die Regierung in Kuba schränkt  den Verkauf von Lebensmitteln (Hähnchenfleisch, Reis) ein. Schlange stehen wegen rationierter Lebensmittel ist an der Tagesordnung (Ursache: Sanktionen der USA, Lage in Venezuela). Mitte 2019 stoppt die US-Regierung für US-Bürger Kreuzfahrten nach Kuba. Es ist ein Rückfall in die harten Zeiten. Besonders hart trifft die Insel der Quasi-Ausfall Venezuelas. Die Devisenknappheit wird immer dramatischer (Intershops sollen helfen). Das Corona-Virus verändert Kuba. Die vielen Kleinunternehmer dürfen jetzt als Privatfirmen Geschäfte machen. Zum Jahreswechsel 20/21 beendet Kuba sein doppeltes Währungssystem. Damit wird der Peso-Convertible abgeschafft (Kurs 1:1 zum US-Dollar). Das ist eine Währungsreform. Künftiger Wechselkurs: 24 kubanische Pesos 1 Dollar. Man hat Angst vor Inflation (vielleicht auch Hamsterkäufe). Die Doppelwährung gab es ein Vierteljahrhundert. Im Januar 2021 setzen die USA kurz vor dem Präsidentenwechsel Kuba auf die Terrorliste. Man will Joe Biden die Hände binden. 2021 will Kuba Touristen, die dringend benötigt werden, mit Rundrum-Sorglos-Paketen anlocken. Ein eigenes Vakzin steht kurz vor der Produktionsreife. Die Frage ist, wer mithelfen kann (Europa, Kanada)? Mit 89 Jahren verlässt Kubas Steuermann Raul Castro (Bruder von Fidel) das Schiff. Damit tritt die Revolutionsgeneration ab. Kuba steht schlecht da ( Venezuela hat andere Sorgen, die USA setzen andere Prioritäten). Neuer Chef der kubanischen KP wird Präsident Diaz-Canel. Im Sommer 2021 gibt es erstmals größere Demonstrationen in den großen Städten. Die Menschen wollen bessere Lebensverhältnisse und mehr Demokratie. Das Regime macht die USA für die Demonstrationen und die Verhältnisse verantwortlich. Das Internet wird vorübergehend gesperrt. Die Regierung fürchtet einen "kubanischen Frühling". Reformen haben fast keinen Effekt gehabt. Die wirtschaftliche Lage ist desaströs. Das Prinzip der Staatswirtschaft wird 2021 aufgeweicht. Privatfirmen mit bis zu 1000 Mitarbeitern sind erlaubt. Das Land wird ein Stück kapitalistischer. Trotzdem wird die Mangelwirtschaft größer. Repression, Wirtschaftskrise und fehlende Perspektive lassen die Insel 2022 ausbluten. Viele Menschen wollen ihre Heimat verlassen. Ende September 2022 verwüstet ein Hurrikane große Teile der Insel. Die Wirtschaftskrise verschärft sich: Inflation bei fast 40% (vor allem Benzin, Strom, Gas), es fehlt an Devisen und an Lebensmitteln. Der Staat kann sich 2024 die hohen Subventionen nicht mehr leisten. Benzin wird um 500% teurer. Das BIP pro Kopf liegt bei nur 8.175 US$. Die Wirtschaft schrumpft 2023 um -2%. Der Staatschef Diaz-Canel muss sich auf weitere Proteste einstellen. Er versucht, die Bevölkerung auf noch härtere Zeiten einzustimmen. Im März 2024 zeigt sich eine schwere Versorgungskrise auf Kuba. Man stellt erstmals eine Anfrage beim Welternährungsprogramm der UN. Es fehlt vor allem Milch für die Kinder. Kuba macht das US-Handelsembargo für die Krise verantwortlich. 2024 steigt die Inflation auf über 30%.  Lebensmittel und Arzneimittel sind weiterhin knapp. Es gibt auch Demonstrationen. Viele Bürger wollen ins Ausland fliehen. Im Juli 2024 schaltet das Land auf Kriegswirtschaft um.  Lebensmittel und Benzin sind knapp, es gibt lange Stromausfälle. Das Welternährungsprogramm verteilt Milch an Kinder. Im Herbst 24 erleidet das Land den größten Stromausfall seit Jahrzehnten. Die Energieinfrastruktur ist völlig marode. Venezuela liefert nicht mehr so viel Öl. China hat seine Lieferungen gekürzt, als Kuba nicht mehr bezahlen konnte. Russland ist nicht die Sowjetunion. Länder aus dem globalen Süden helfen nur sporadisch. Aber 116 Länder haben eine Botschaft in Kuba. Die Elite ist weiterhin geschlossen und hat alles in der Hand. Auswanderungen sind wahrscheinlich. Vgl. Die Zeit 45/ 24.10.24, S. 25.  Als erstes US-Unternehmen nach 55 Jahren kommt die Firma Cleber aus Alabama wieder zur Produktion nach Kuba. Traktoren fehlen in Kuba, dass noch mit alten russischen Traktoren ackert. 2020 rechnet man mit einem Rückgang des BIP um -8%. Joe Biden gibt im Februar 2021 bekannt, dass bis zum Ende seiner Amtszeit Guantanamo auf Kuba (Gefangenenlager) geschlossen wird. Die Vize-Präsidentin der Weltbank Carmen Reinhart ist in Kuba geboren und hat da noch 7 Jahre gelebt. Sie hat heute noch großes Interesse an der Insel. Bei einem Hotelbrand im Mai 2022 in Havanna kommen 32 Menschen ums Leben.

Dominikanische Republik: 11,33 Mio. Einwohner. Hauptstadt: Santo Domingo. Staatsform: Präsidiale Republik. BIP: 112,5 Mrd. €. Außenhandel: Import: 30,72 Mrd. US-$. (Brennstoffe, Kunststoffe, Kraftwagen). Export: 13,6 Mrd. € (Edelsteine, Tabak).

Haiti: 12 Mio. Einwohner. Hauptstadt: Port-au-Prince. BIP: 20,54 Mrd. US-$. 2024 versinkt Haiti in Gewalt. Da sbettelarme Karibikland kommt nicht zur ruhe. Die Banden greifen nach der Macht. Die Lebensbedingungen sind katastrophal. Nun ist auch der Ministerpräsident verschollen, und der Tod seine sVorgängers bleibt ungeklärt. Vgl. Die Rheinpfalz, 8.3.24, S.3.

Jamaika: 3 Mio. Einwohner. Hauptstadt: Kingston. BIP: 16 Mrd. US-$.

Trinidad und Tobago: Karibische Inselgruppe. Hauptstadt: Port of Spain.

Grenada: 127.000 Einwohner. Hauptstadt St. George`s. BIP: 1,10 Mrd. US-$.

St. Lucia: Karibik. Hauptstadt: Casries. 180.000 Einwohner.

Belize: Kleines Land in der Karibik. Bis 1981 war es britische Kolonie. Heute ist e seine Art Öko-Wunderland. Sein Dschungel gehört zum größten Regenwald nördlich des Amazonsbeckens. Er gehörte einst zum alten "Wald der Maya".

Türkei (vgl. auch die kulturelle Behandlung der Türkei bei der Seite "Culture/ Socio/ Psycho"): 79,5 Mio. Einwohner (2015). ein Großteil der Fläche des Landes liegt in Asien. Wichtigste Exportländer; Deutschland (10%), Irak, Großbritannien (je 6%); wichtigste Importländer: Russland (10%), Deutschland (10%). Staatsverschuldung: 35% (2013). Bruttoinlandsprodukt pro Kopf: 11.000  (2013). BIP 2014 852 Mrd. US-Dollar. Zusammensetzung des Bruttoinlandsprodukts: Dienstleistungen 63%, Industrie 28%, Agrarwirtschaft, Forst, Fischerei 9%. Wichtigste Branchen sind Textilindustrie, Tourismus, Automobilindustrie und Elektronik. 2011 betrug das Defizit im Handel rund 10% des jährlichen BIP. Die geplanten neuen Beitrittsverhandlungen mit der EU 2013 werden in einer Stufenlösung ausgeführt (wegen der Demonstrationen und ihrer Niederschlagung 2013). Es ist eine junge Mittelschicht entstanden, die Politik mitgestalten will und nicht länger das paternalistische Regime akzeptiert. Wegen der Demonstrationen wird das Wachstumsziel für das BIP von 4% 2014 wahrscheinlich verfehlt (tatsächlich 2,6%). Die türkische Wirtschaft ist in den letzten Jahren schnell und stark gewachsen. Doch sie ist in hohem Maße auf ausländisches Kapital angewiesen (die heimischen Ersparnisse sind zu gering). 2013 beginnt ein Absturz der Türkei, der sich 2014 fortsetzt. Auslöser ist Kapital, das aus dem Land abgezogen wird (vorher war es schnell rein gekommen, ca. 40 Mrd. Dollar jährlich). Der Kern des Problems der Türkei liegt aber in zu hohen Schulden, die ständig refinanziert werden müssen. Die Banken haben auch zu viele und zu hohe Darlehen vergeben (Kreditblase). Die Reserven der Zentralbank sind auch viel zu gering. Der Boom verliert an Tempo bzw. flacht ab. Unter türkischen Wirtschaftsführern wächst die Sorge über das Machtstreben des Präsidenten. 2014 wächst die türkische Wirtschaft langsamer als erwartet (Ernteausfälle, Flaute in der EU, Krisen in Russland und Naher Osten). Die Arbeitslosigkeit war 2014 bei 9,7%; die Inflationsrate bei 9%. Mitte 2015 stürzt der Kampf gegen IS und PKK das Land in eine schwere Krise. Das deutsche Außenministerium erlässt eine Reisewarnung. Es kommt zum Ende des Friedensprozesses mit der PKK. Investoren ziehen in hohen Maße ab. Es gibt Währungsverlust und noch mehr Inflation. Ab Herbst 2015 ist die Türkei wieder sehr angesagt in der EU. Kein Land der Welt nimmt so viele Flüchtlinge auf, vor allem aus Syrien. Man erhofft sich Hilfe beim Flüchtlingsproblem und im Syrien-Krieg. Ende 2015 scheint der Boom am Bosporus vorbei zu sein. Das Pro-Kopf-Einkommen sinkt erstmals seit Jahren. Ausländisches Risiko-Kapital wird massiv abgezogen. Durch ausbleibende Touristen aus Deutschland und Russland fehlen viele Milliarden Euro. 2015 gehen die Direktinvestitionen um 8,6 Mrd. Euro gegenüber 2007 zurück. Seit 2014 geht der deutsche Außenhandel mit der Türkei stark nach oben. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner der Türkei. Rückgänge gibt es für die Türkei im Bereich der Dienstleistungsbilanz, weil die Touristen aus Deutschland ausbleiben. Die EU und die Türkei schließen 2016 einen Flüchtlingspakt. Dafür entfällt die Visums-Pflicht für türkische Staatsbürger in die EU. Im Juli 2016 scheitert ein Putsch der Armee. Erdogan setzt eine Säuberung in Bewegung. Die Handelsbeziehungen mit Deutschland sind von Unsicherheiten geprägt. Exportversicherungen für Ausfuhren an den Bosporus dürften teurer werden. Die Türkei ist ohnehin schon eines der Länder mit der schlechtesten Zahlungsmoral auf der Welt. Bis 2016 beherrschte das Militär durch eine Beteiligungsfirma weite Teile der Wirtschaft. Die Firma hieß Oyak und war 1961 gegründet worden. Sie hatte 14 Mrd. € Kapital und 27.700 Mitarbeiter. Nach dem Putschversuch 2016 soll sie aufgelöst werden. Innenpolitische Turbulenzen nach dem Putschversuch lassen die Wirtschaft des Landes stottern. Der Tourismus bricht ein. Die Rating - Agentur Standard & Poors stuft die Türkei als Hochrisiko-Land ein. Das Wirtschaftsmodell wird von Nachfrage und ausländischen Kapital getrieben. Wenn beides ausbleibt, gerät das System außer den Fugen (vgl. Dani Rodrik, in Die Zeit, Nr. 34, 11.08.2016, S. 21). Im Herbst 2016 stuft Moody´s  die Türkei auf Ramschniveau herunter (Ba1). Das Wachstum im Land wird immer mehr gebremst. Seit 2013 (bis 2016) hat die türkische Lira um 40% gegenüber dem Dollar verloren. Das Leistungsbilanzdefizit liegt bei 4%. Das durchschnittliche Wachstum soll zukünftig bei nur 2,7% liegen. 2016 bei einem Besuch von Putin in der Türkei wird vereinbart, dass Russland und die Türkei im Energiebereich stärker zusammenarbeiten (Turkish Stream für Erdgas an der Ukraine vorbei, Bau eines Atomkraftwerks in der Türkei). Im November 2016 gibt es eine Leitzinsanhebung um 0,5 Prozentpunkten auf 8,0%. Die türkische Lira stürzt aber weiterhin ab (3,44 Lira je Dollar). Seit der Wahl Trumps hat die türkische Währung zum Dollar 8 Prozent ihres Wertes verloren. Auch 2017 ist sie im freien Fall (29.3.17 25 Eurocent). Die Zahl deutscher Touristen bricht rapide ein (nur noch 13% aller deutschen Touristen; Einnahmen 2016 22,1 Mrd. $)). Das Wirtschaftswachstum geht zurück (2017 nur noch 2,7%). Die Zahl der Arbeitslosen (ALQ) steigt im Dez. 2016 auf 12,7%. Die Abkehr von Europa wirkt sich negativ aus (50% aller Exporte gehen in EU-Länder, die auch die meisten Direktinvestitionen in der Türkei tätigen; 2016 DI minus ein Drittel). Die Inflationsrate steigt im März 2017 auf 11,29% (höchster Stand seit 2008) und senkt damit die Kaufkraft (Hauptursache Liraschwäche). Erdogan gewinnt im April 2017 knapp das Referendum für eine Präsidialverfassung. Die Opposition beantragt, das Ergebnis wegen Wahlfälschung zu annulieren. Die Oberschicht reagiert schon - und bringt ihr Geld in Sicherheit in den Westen. Bevorzugtes Ziel türkischer Millionäre ist Deutschland. Die Türkei hält trotz allem am Beitrittswunsch zur EU fest (die Gelder stellen Anreize dar). Viele Ökonomen fordern Strukturreformen. Die Experten sehen Reformbedarf am Arbeitsmarkt, bei Steuern und Bildung. Der Europarat stellt im April 2017 die Türkei unter Beobachtung (Rechtsstaatlichkeit). Die Beitrittsverhandlungen mit der EU werden nicht gestoppt. Die Verhaftungswelle von angeblichen Gülen - Anhängern setzt sich nach dem Referendum fort. Zugänge zu Wikipedia, Youtube und Twitter werden gesperrt. Anfang Mai 2017 stellt Erdogan der EU wieder mal ein Ultimatum bezüglich des EU-Beitritts. 2017 brummt zwar die türkische Wirtschaft, aber durch staatliche Kreditbürgschaften. Das überdeckt die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und die niedrige Produktivität. Es mangelt an Innovationen, die Importabhängigkeit ist hoch. Die Arbeitslosenquote liegt bei 11,7%. Beim G20-Gipfel in Hamburg will Erdogan am Rande vor Türken reden. Die Bundesregierung verbietet dies. Das Europaparlament setzt die Beitrittsgespräche mit der Türkei aus (nicht bindend für die Kommission). Die Türkei fordert auf dem G20-Gipfel in Hamburg Geld für die Teilnahme am Klimaabkommen. Mehrere Hunderttausend Menschen protestieren im Juli 2017 gegen Erdogan ("Marsch der Gerechtigkeit"). Erdogan lässt zwei milliardenschwere Fonds gründen, die Firmen im Ausland kaufen sollen und im eigenen Land das Wirtschaftswachstum ankurbeln sollen. Deutschland verschärft seine Warnungen vor Reisen (Reisehinweis), weil immer mehr Deutsche (mit türkischen Wurzeln) verhaftet werden. Die Türkei gibt daraufhin im Bezug auf Deutschland eine Reisewarnung heraus. Deutsche Rüstungslieferungen werden gestoppt, die Türkei kauft in Russland. Ende 2016 wurde die Berechnung des BIP umgestellt (nicht mehr transparent). Dadurch wurde das Wachstum methodisch beschleunigt. Außerdem arbeitet der Staat mit höheren Subventionen und Bürgschaften. Das könnte zu einem Strohfeuer führen, denn die Wachstumsrate im ersten Halbjahr 2017 ist positiv (5,2%, allerdings Inflation im August 2017 10,7%). Die EU will Ende 2017 die Unterstützung für die Türkei kürzen. Die Lira verliert bis Dezember 2017 innerhalb des Jahres ein Fünftel ihres Wertes. Im Oktober 2017 steigt die Inflation auf 11,9% (höchster Wert seit 2008). Das Wachstum beträgt im dritten Quartal 11,1% (nachhaltig?). Es gibt wachsende Kreditrisiken durch den Lira-Verfall. Ein Prozess in New York Ende 2017 und eine Briefkastenfirma auf der Isle of Man bringen Erdogan erheblich unter Druck. 2018 scheint die "Eiszeit" zwischen Deutschland bzw. EU und der Türkei vorbei zu sein. Die Türkei bekämpft ab Mitte Januar 2018 massiv Kurden im Norden von Irak; ebenso Kurden im Grenzgebiet zu Syrien (Afrin, Olivenland; setzt dabei deutsche Panzer ein). Afrin wird im März 2018 von der türkischen Armee eingenommen. Die Türkei könnte der große Verlierer des Syrienkrieges werden. Die syrische Regierungsarmee wird von den Kurden zur Hilfe gerufen. Am 16.02.18 wird der Welt-Journalist Deniz Yücel (doppelte Staatsbürgerschaft) nach 367 Tagen Haft freigelassen. Die Türkei hat weltweit die meisten Journalisten im Gefängnis. Im März 2018 stuft die Rating - Agentur Moody´s die Kreditwürdigkeit herab (tiefe Spaltung der türkischen Gesellschaft). Das Leistungsbilanzdefizit liegt 2017 bei 8% der Wirtschaftsleistung. Das Defizit muss durch ausländische Kapitalzuflüsse gedeckt werden. Die Türkei will eine eigne Rating - Agentur aufbauen. Mit dem Geld der EU verbarrikadiert das Land die Grenzen zu Syrien. Der EU - Türkeigipfel in der bulgarischen Schwarzmeerstadt Warna bringt keine Annäherung in Streitfragen. Die Lira fällt im Mai und Juni 2018 weiter (5,24 Lira für 1 Euro und 4,92). Erdogan will mehr Einfluss auf die Zentralbank nehmen. Er fordert die Landsleute auch auf, Bargeldbestände in Euro oder Dollar in Lira umzutauschen. Die türkischen Banken werden in die Krise mit hineingezogen. Die Inflation und die Arbeitslosigkeit steigen. Eine Zinserhöhung steht bevor. Erdogan könnte sich mit dem vorgezogenen Wahltermin verrechnet haben. Am 24.06.18 sind Wahlen (Parlament, Präsident, Verfassung). Die Türkei und die USA belegen sich im August 2018 gegenseitig mit Sanktionen für Minister (Auslöser ist die Verhaftung eines US-Bürgers in der Türkei als angeblicher Gülen - Prediger; Pastor Brunson). Die Lira sinkt ins Bodenlose (6,92 Lira = 1  €,; Verlust 2018 um die Hälfte). Die Eliten verlassen das Land, ebenso setzt ein Run der Investoren aus dem Land ein. Die Verschuldung drückt immer mehr (zu viele Bauinvestitionen; Zinserhöhung wegen Inflation nötig, würde aber Schuldner belasten). Die Banken in der EU werden nervös (Staatspleite?). Am stärksten sind spanischen Banken betroffen (82 Mrd. $, BIZ). Für deutsche Banken stehen 17 Mrd. Dollar im Feuer. Normalerweise müsste der IWF helfen. Die Krise könnte Erdogan zu Fall bringen. Er warnt die Unternehmen davor, sich mit dem Kauf von Euro oder Dollar gegen den Absturz der Lira abzusichern. Die Zentralbank kann den Lirakurs vorläufig  stabilisieren. Die Türkei antwortet mit Retorsionszöllen (Autos, Kosmetika) und droht mit einem iPhone-Boykott. Erdogan sucht Hilfe bei Nachbarn (Russland hat kein Geld, die arabischen Staaten halten sich zurück, China hat schon einen Milliardenkredit gegeben). Katar hilft mit 15 Mrd. Dollar. Am 22.0818 steht die türkische Lira bei 14 Cent in Euro (21.08.2008 57 Cent). Die Bafin kontrolliert 2018 das Engagement deutscher Banken in der Türkei mehr. Im Alltag der Türken macht sich die Krise immer mehr bemerkbar: Die Preise für Gas und Strom sind schon im zweiten Monat in Folge (Juli, August 2018) um jeweils 9% gestiegen. Insgesamt klettert die Inflation im August 2018 auf 18 %, im September 18 auf 25%. Die Kaufkraft der Bevölkerung wird aufgezehrt; die Preissteigerungen treffen vor allem die Schwächsten. Viele Unternehmen wissen nicht mehr, wie sie ihre Dollar- und Eurokredite bedienen sollen. Die Bundesregierung treibt ab 2018 ein gigantisches Eisenbahnprojekt in der Türkei voran. Es könnten Staatshilfen in Milliardenhöhe fließen. Deutschland will China als Investor ausbremsen. Im September 2018 hebt die Zentralbank die Leitzinsen deutlich an (von 17,75 auf 24%). Die Regierung senkt ihre Wachstumsziele deutlich. Vom 27.09 bis 29.09.2018 besucht der türkische Staatspräsident Erdogan Deutschland. Tiefgreifende Differenzen treten zutage. Erdogan nimmt auch an der Eröffnung der Zentral-Moschee des Ditib-Verbandes in Köln teil. Die Türkei fordert 136 Auslieferungen. Im Oktober 2018 wirft die Türkei Saudi-Arabien Mord an einem Dissidenten vor (Kaschoggi). Der US-amerikanische Bischof Brunson kommt frei. Im Oktober 2018 verschärft die Bundesregierung die Reisehinweise für die Türkei (kritische Meinungsäußerungen gefährlich). Im Oktober erreicht die Inflation den Rekordwert von über 25% (erstmals seit 15 Jahren). Die Türkei kooperiert Ende 2018 immer stärker mit Russland. Das Wirtschaftswachstum sinkt massiv (nur noch 1,6% im Sommer). Nach dem Rückzug der USA aus Syrien will die Türkei die Kurden in Syrien angreifen. Trump droht mit einer wirtschaftlichen Verwüstung der Türkei. Ab 2018 nähert sich das Land wieder Deutschland an. 2019 wird ein schwieriges Jahr: Rezession, Konsumprogramme laufen aus, der Staat muss sparen. ZDF-Journalist Brase, der erst ausreisen musste, bekommt doch wieder eine Arbeitserlaubnis. Am 22.03.19 bricht die türkische Lira weiter ein, am 08.04.19 weiter. Bei der Kommunalwahl am 31.03.2019 verliert die Regierungspartei und Partei von Erdogan AKP viele Stimmen (auch die Mehrheit in der Hauptstadt Ankara, in Istanbul, Izmir und Antalya). Die Abstimmung in Istanbul soll eventuell wiederholt werden. Erdogan hält am Kauf russischer Waffensysteme fest. Es werden Sanktionen der USA erwartet. Im Mai 2019 will die türkische Regierung auf die Zentralbank zugreifen. Mit den Reserven will sie ihr Haushaltsdefizit ausgleichen. Im Mai 2019 halbiert Trump die Strafzölle auf türkische Waren. Die Rating - Agentur Moody`s stuft die Türkei im Juni 2019 auf Ramschstatus herunter. In Istanbul siegt der Oppositionskandidat klar in der wiederholten Bürgermeisterwahl. Er folgte im Wahlkampf der Strategie der "Radikalen Liebe" (von Ates Ilyas Bassoy entwickelt). Im Juli 2019 setzt Erdogan den Chef der Zentralbank Cetinkaya ab (seit 2016 im Amt) und ersetzt ihn durch den Stellvertreter Uysal. Erdogan will Zinssenkungen. Wegen Erdgasvorkommen vor Zypern kommt es zum Streit mit der EU. Der Löwenanteil der deutschen Rüstungsexporte gehen immer noch in die Türkei. Die USA werfen die Türkei im Juli 2019 aus dem Kampfjet-Programm. Die Türkei will 2019 in Syrien einmarschieren, um gegen die Kurden vorzugehen. Die USA sind mit den Kurden im Krieg verbündet. Der Konflikt ist vorprogrammiert. Die Türkei kooperiert mit Russland: die Kurden ziehen aus dem Grenzgebiet ab. Mit Rüstungsgeschäften und Syrien lockt Russland die Türkei aus der Nato. Im ersten Halbjahr 2019 ist die türkische Wirtschaft stärker als erwartet gewachsen (+1,2% im 2. Quartal, +1,6% im 1. Quartal). Die türkische Lira wurde stärker. Ende Juli 2019 wurde der Leitzins von 24,0 auf 19,75% reduziert (kurz vorher Notenbank-Chef ausgewechselt). Erdogan droht im September 2019 der EU die Grenzen zu Griechenland für Flüchtlinge zu öffnen (Unmut in der eigenen Bevölkerung über die syrischen Flüchtlinge, Pufferzone gegen die Kurden in Syrien). Ein Rap-Video mit dem Titel "Susamam" im September 2019 bricht in der Türkei alle Rekorde und verärgert die Regierung (düsteres Bild des Landes). Die USA ziehen die Truppen aus Nordsyrien ab. Damit machen sie den Weg frei für eine türkische Militäroffensive. Sie kommt am 09.10.19 mit Luftangriffen und einem Vordringen über die Grenze. Offen ist, ob Sanktionen der EU und der USA folgen. Es kommt zu einer Waffenruhe: Türkei und USA einigen sich auf Unterbrechung der türkischen Offensive. Am 13.11.19 besucht  Erdogan die USA. Im September 2019 wird ein türkischer Anwalt verhaftet, der für deutsche Behörden arbeitet. Vertrauliche Unterlagen von Asylbewerbern sind nun in der Hand türkischer Behörden. Die islamisch-konservative Führungsschicht trägt immer mehr ihren Wohlstand zur Schau, während Millionen Türken wegen der Wirtschaftskrise nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. 2020 kürzt die EU die Beihilfen für die Türkei um 75% (Gründe: Syrien, Erdgasbohrungen auf EU-Gebiet vor Zypern). Am 24.01.20 besucht Bundeskanzlerin Merkel die Türkei und trifft sich mit Erdogan. Die EU hat Angst vor einem neuen Flüchtlingsansturm. Die Türkei könnte die Tore öffnen, wenn erneut Tausende Syrer ins Land kommen. Die Türkei soll mehr Geld für Flüchtlinge erhalten. 2020 steckt der Türkei-Tourismus in der Klemme: Es gibt eine wachsende Abhängigkeit von russischen Gästen.  Wegen Erdgasprobebohrungen im Mittelmeer nahe Zypern und Griechenland kommt es zum Konflikt. Erdogan lenkt auf Vermittlung von Merkel ein. Trotz einer zunehmend europafeindlichen Rhetorik ist die Türkei auf eine Erweiterung der Zollunion angewiesen. 2020 hat das Land enorme ökonomische Probleme: BIP nur noch 743 Mrd. US-$ 2019 gegen über 863 2016; die Lira ist auf dem Tiefststand 0,10 in Euro (1 € = 8,7214 Lira); der Tourismus ist um 96% gesunken. Im August 2020 wächst die Furcht vor unkontrollierbarer Lage. Ärzte und Kliniken melden einen dramatischen Anstieg bei Corona-Infektionen. Es wächst der Zweifel an den von der Regierung verbreiteten Zahlen. Die Investoren laufen der Türkei davon (innerhalb eines Jahres 13 Mrd.  abgezogen). Im September 2020 erhöht die Zentralbank den Leitzins deutlich um 2,0 Prozentpunkte auf 10,25 %. Das ist eine Trendwende. In letzter Zeit seit September 2019 gab es nur Zinssenkungen (damals Leitzins bei 19,75%). 2020 werden immer mehr Menschen Opfer von gepanschtem Fusel. Wegen der Corona-Krise greifen mehr Menschen zur Flasche.  Die türkische Lira fällt auf ein Rekordtief im Oktober 2020 (7,955 gegenüber Euro, 9,3662 zum Dollar; ein Drittel seit Jahresanfang; Probleme für Haushalte und Unternehmen; Devisenreserven verschwinden). Doch geht noch tiefer: Neuer Rekord im November 2020 (1€ = 10,18 Lira). Das entspricht einem Plus des Euro von 60% binnen Jahresfrist. Der Zentralbank-Chef wird entlassen. Kurz darauf tritt der Finanzminister zurück (Schwiegersohn Erdogans). Internationale Anleger ziehen Milliardensummen ab. Der Investitionsstandort Türkei nimmt schweren Schaden. Erdogan kündigt eine Kehrtwende an. Tatsächlich erholt sich die Lira leicht. Die 2. Welle Corona trifft das Land hart. Es gibt kurze Teil - Lockdowns. Der Türkei drohen Sanktionen der EU und der USA (Gasbohrungen, Verhaftung eines US-Pastors, Waffenkauf in den USA). Im Dezember verhängen die USA Sanktionen wegen des Waffenkauf in Russland: US-Exportlizenzen. Kleine Unternehmen werden in der Türkei durch die Pandemie besonders hart getroffen. 2021 zeichnet sich ein kleines Wirtschaftswunder ab. Inflation und politische Führung bleiben als Risikofaktor. Im Frühjahr 2021 werden Menschenrechtler und HDP - Mitglieder festgenommen. Wahrscheinlich will man die Opposition vor der Wahl schwächen. Im März 2021 wird der Notenbankchef wieder mal gefeuert. Die Zentralbank hatte den Leitzins auf 19% angehoben. Die Lira ist wieder im Sinkflug. Auch die Börsenkurse fallen. Der EU-Gipfel bietet der Türkei im März 21 eine Art Zollunion an, stellt aber klare Bedingungen. Im April 2021 besuchen EU-Spitzenvertreter (mit von der Leyen, Michel) die Türkei. Man versucht einen Neustart. Erdogan will den Vertrag von Montreux verlassen und strebt einen Kanal zwischen Mittelmeer und schwarzem Meer an (2025 fertig?). Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi bezeichnet Erdogan als Diktator, worauf Ankara scharf reagiert. Die Wirtschaftszahlen werden im April 2021 immer dramatischer: Inflation 16%, ALQ 30%. Hinzu kommt eine Verschärfung der Corona-Krise (70.000 Infizierte, 400 Tote an einem Tag, die Intensivbetten sind belegt). Biden erkennt den Genozid an den Armeniern an und riskiert damit eine Eiszeit. Im Mai 2021 setzen Veröffentlichungen eines Mafiabosses die türkische Regierung unter Druck. Im gleichen Monat wird der Notenbank-Chef wieder mal entlassen (hohe Leitzinsen). Trotzdem sinkt die Lira weiter weiter auf Rekordtief. Erdogan will in die Geldpolitik eingreifen. Die Anleger reagieren nervös. Bilder des Geheimpalastes des Präsidenten gelangen an die Öffentlichkeit (Panne, 1000 Zimmer). Im August 2021 steigt die Inflationsrate auf fast 20%. Im September 2021 stellt der Europarat ein Ultimatum: Wenn der Bürgerrechtler Osman Kavala nicht bis Ende November 21 freigelassen wird, droht der Türkei der Rauswurf aus der Organisation. Die politischen Differenzen mit den USA bleiben auch unter Biden. Der NATO-Partner Türkei sucht die Nähe zu Russland. Im Oktober 2021 stürzt die türkische Lira auf einen historischen Tiefstand. Devisentauschgeschäfte sind nicht mehr anonym möglich. Erdogan legt die Zentralbank an die Kette. In einer Rede Ende November 21 spricht Erdogan von "wirtschaftlichem Unabhängigkeitskrieg". Die Lira bricht dann weiter ein. Erdogan muss fürchten, die Wahl 2023 zu verlieren. Das treibt ihn zu irrwitzigen Angriffen. Jetzt findet er in der Stadtverwaltung von Istanbul "Terroristen (er will den CHP-Bürgermeister in Bedrängnis bringen). Im Vergleich zur US-Währung hat die Lira 2021 um 44% abgewertet. Der Kursverfall spiegelt den Vertrauensverlust des Finanzmarktes gegenüber Erdogans Politik wider. Im Februar 2022 haben Erdogan und seine Frau Corona. Auch in der Türkei gibt es Oligarchen. Es ist eine Riege schwerreicher Unternehmer, die ihm für Staatsaufträge die Treue halten ("Fünferbande"). Die Opposition erhebt den Vorwurf der Korruption und Vetternwirtschaft. Erdogan gerät 2022 unter wachsenden politischen Druck, die Flüchtlinge aus Syrien zur Rückkehr zu bewegen. "Syrer raus" ist als Moto sehr verbreitet. Die Türkei ist 2022 gegen eine Aufnahme von Finnland und Schweden in die Nato (Sympathie mit Kurden). Wahrscheinlich will man handeln oder das Gesicht vor Russland wahren. Man will die Zustimmung gegen Zugeständnisse eintauschen ("Türkischer Basar"). Das autokratische Land unterhält die zweitgrößte Nato-Armee. Insofern zählt die schiere Größe. 2022 versucht die Türkei ihre Bezeichnung in der englischen Sprache zu ändern: Das Land heißt dort Turkey wie der Truthahn. 2022 gibt es "Säbelrasseln" im Mittelmeer. Erdogan droht Griechenland im Streit um die Ägäisinseln mit Krieg. Es droht ein heißer Konflikt. Ende Juni 22 stimmt die Türkei der Aufnahme Schwedens und Finnlands in die Nato zu. Die Internetseiten der Deutschen Welle und des US-Senders "Voice of America" werden gesperrt. Im Juli 2022 klettert die Inflation auf 79,6%, im August über 80%. Erdogan macht die Demonstrationen im Gezi-Park dafür verantwortlich. Wahrscheinlich liegt es an seiner abenteuerlichen Geldpolitik. Erdogan droht neuerdings Griechenland immer wieder mit Krieg. Im Oktober verabschiedet das türkische Parlament ein Zensurgesetz. Das ist ein Schlag gegen die Meinungsfreiheit und im Sinne Erdogans  für seine Wahl im nächsten Jahr. Ein Unglück in der Kohlemine in Bartin fordert 41 Todesopfer und viele Verletzte. Der Erdogan-Rivale Ekrem Imamoglu, Istanbuls Bürgermeister, erhält ein Politikverbot und eine Haftstrafe. 2023 blockiert Erdogan weiterhin den Nato-Beitritt von Schweden und Finnland, unterläuft die Sanktionen gegen Russland und droht Griechenland mit Krieg. Viele Experten erklären das mit dem Wahlkampf in der Türkei. Im Mittelpunkt der Politik soll für Erdogan die Türkei stehen. Bei der Wahl tritt ein Sechs-Parteienbündnis gegen ihn an. Es legt ein Wahlprogramm vor. Die Macht des Präsidenten soll beschränkt werden. Viele sehen das Präsidialsystem als eine Ursache der schweren Erdbebenfolgen. Zusammen mit der Wirtschaftskrise könnte es der APK das Genick brechen. Die Türkei ist 2023 noch immer gegen die Nato-Erweiterung mit Schweden (Unterstützung der Kurden). Die USA werden das wohl erzwingen (Erdbebenhilfe, Jagdbomber-Lieferung). Deutschland stellt insgesamt 108 Mio. € für die Erdbebenopfer zur Verfügung (ein Teil geht nach Syrien). Die Türkei bittet das Ausland um Erdbebenhilfe. Gleichzeitig will Erdogan Milliarden für Rüstung ausgeben. Er scheint Großmachtträume zu haben. 2023 gibt es immer wieder Anzeichen, dass Erdogan krank ist. Die Wahl ist am 14.Mai 23 (in Deutschland ab Ende April). Erdogan und Kilicdaroglu liegen eine Woche v or der Wahl Kopf an Kopf. Es gibt eine Stichwahl: Erdogan ist aber im Vorteil. Er gewinnt die Wahl mit 52%. Die Aktien gewinnen (4766 Punkte), die Lira fällt (1€=21,58 Lira). Wichtigste Handelspartner sind Deutschland (Exporte) und Russland (Importe). Wichtigstes Exportgut sind Textilien/ Bekleidung. Erdogan geht auf Geldsuche. Die Devisenbestände der Zentralbank sind geschmolzen. Im Juni 2023 wird der Leitzins von 8,5 auf 15% erhöht. Doch die Märkte sind enttäuscht. Die Lira rutscht weiter ab. Erdogan setzt auf Finanzhilfen aus arabischen Ländern. Am 31. März 24 sind Kommunalwahlen.  Simsek, ein anerkannter Ökonom, wird Finanzminister. Erkan, die von Goldman Sachs kommt,  wird neue Notenbankchefin. Seine wirtschaftspolitischen Rezepte sind dann widersprüchlich. Er vertritt eine eigene Zinstheorie:  Er sieht niedrige Zinsen als Instrument der Inflationsbekämpfung. Folglich kommt ein neuer Inflationsrekord und die Lira fällt auf den Tiefststand. Vgl. WiWo 32/ 4.8.23, S. 39. Ein halbes Jahr nach der Erdbebenkatastrophe, bei der 52.000 Menschen starben, verzweifeln viele Überlebende. Der Aufbau geht schleppend voran. Im Oktober 23 verübt die PKK einen Selbstmordanschlag im Regierungsviertel von Ankara. Am 29.10.23 feiert die Türkei 100 Jahre säkulare Demokratie und Gründung der modernen Türkei durch Mustafer Kemal Atatürk. Erdogan schürt die Wut über das Vorgehen Israels gegen die Hamas. Die Türkische Oppositionspartei CHP stürzt ihren Chef und wählt Özel an die Spitze. Im november 23 blockiert die Türkei weiter die Aufnahme Schwedens in die Nato (Zugeständnisse bei Rüstungsgeschäften, oder islamfeindliche Aktionen in Schweden). Im Dezember 2023 kommt es zu einer Annäherung zwischen der Türkei und Griechenland. Erdogan und Mitsotakis treffen sich. Immer mehr Türkinnen und Türken suchen Asyl in Deutschland. Das ist wohl wegen der zunehmenden Repression und der Wirtschaftskrise so. Im Januar 24 sind Kommunalwahlen. Es geht auch um den Bürgermeister von Istanbul. Im Januar 2024 stimmt das türkische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zu. Erdogan benutzt einen Regierungsflieger ("fliegender Palast" genannt), der größer und luxuriöser als die Air Force One des US-Präsidenten ist. Das reicht aber nicht: Zum Nato-Gipfel reist man mit vier Flugzeugen an. Ende März ist Kommunalwahl in der Türkei. Er stellt in Aussicht, bald aufzuhören. Ganz wichtig wird die Entscheidung in Istanbul sein, das eine der letzten Bastionen der Opposition in der Türkei ist. Die Opposition CHP gewinnt die Wahl deutlich (35 der 81 Provinzen gehen an sie, die fünf größten Städte, auch wieder Istanbul und Ankara). Ekrem Imamoglu scheint der Mann der Zukunft zu sein. Hauptursache für die Wende ist die Wirtschaftskrise in der Türkei. Die EU setzt wieder auf Annäherung. Auch Scholz und Erdogan rücken wieder enger zusammen. Die Türkei will Kampfjets, Deutschland will Flüchtlinge zurückschicken. Erdogans Gegenspieler Fethullah Gülen stirbt im Oktober 24 in den USA. Bei einem Anschlag im Oktober 2024 in der Nähe von Ankara kommen 6 Menschen ums Leben. Es ist das Gelände eines Rüstungsunternehmens.   Die IHK Pfalz eröffnet 2013 ein Kompetenzzentrum Türkei (Türkei-Aktivitäten bündeln, Markteinstieg, Zollmodalitäten, Ansprechpartner). 5750 deutsche Unternehmen beziehungsweise türkische Unternehmen mit deutscher Beteiligung sind 2015 in der Türkei aktiv. Deutschland ist für die Türkei der wichtigste Handelspartner und der größte ausländische Investor. Der türkische Ministerpräsident Erdogan will 2017 mit unorthodoxen Methoden den Währungsverfall stoppen: Wer mindestens 2000 Dollar in Lira umtauscht, bekommt einen Grabstein kostenlos. "Eure Praktiken unterscheiden sich nicht von den früheren Nazipraktiken", Erdogan 2017 bei einem Wahlkampfauftritt an Deutschland. Im ersten Quartal 2017 wächst die Wirtschaft mit 5% überraschend stark gegenüber dem Vorquartal (Quelle staatliches Statistikamt TÜIK). 2018 soll die Wirtschaft im Zeichen von Infrastruktur-Großprojekten stehen: Großflughafen, Riesen-Tunnel, Meeresstraße. Erdogan denkt an das Superwahljahr 2019. Allerdings sind beim Bau des Großflughafens zahlreiche Arbeiter wegen der Eile verunglückt. Die Regierung versucht zu vertuschen. Die Türkei macht Erdgas-Erkundungen im östlichen Mittelmeer. Es kommt dabei zu Territorialstreitigkeiten mit Griechenland und Zypern. Zahlreiche Kriegsschiffe der Türkei und Griechenlands sind unterwegs. Die EU will Sanktionen gegen die Türkei durchführen. Außenminister Maas versucht zu vermitteln. 2021 bei einem Besuch der EU-Spitze in Ankara (von der Leyen, Michel) kommt es zum "SofaGate". Dei Sitzordnung wird kritisiert. Michel ist auf Augenhöhe mit Erdogan und von der Leyen auf dem Sofa. .Im Februar 2023 erschüttern zwei schwere Erdbeben die Türkei und Syrien. Sie sind in der Grenzregion zwischen beiden Ländern. Es starben über 25.000 Menschen, viele sind unter den Trümmern noch verschüttet. Aus der ganzen Welt trafen Hilfsangebote ein. Man fragt sich, wie Präsident Erdogan vor der Wahl die Krise für sich nutzen wird.

Exkurs. Wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Türkei und Deutschland: Beim Export liegt Deutschland 2023 immer noch auf dem ersten Platz (8,3 % am gesamten Export) vor USA und Irak. Beim Import ist Deutschland nur noch Dritter (6,6%) hinter Russland und China. In Deutschland leben so viele Türken wie in keinem anderen Land Europas: 1.300.000. Deutsche Unternehmen haben viele Direktinvestitionen in der Türkei (die größten mit Gründungsjahr): Bosch, 1909; BSH, 1992; Mercedes-Benz, 1967; Hugo Boss, 1999; Metro, 1980; SunExpress, 1989; Media Markt, 2007; Siemens, 1850; Allianz, 1923; MAN, 1966. Heute gerät diese Verflechtung immer mehr unter Druck. Erdogan ist zum Störer bei der Nato (gegen Schweden) und der EU geworden. Er unterläuft systematisch die Sanktionen gegen Russland. Die Türkei ist zur Drehscheibe des russischen Außenhandels geworden. Die türkischen Banken spielen mit. Die Türkei hat bei dem wichtigen strategischen Rohstoff Bor einen weltweiten Produktionsanteil von 48%. Sogar die Zentralbankchefin leidet unter den extrem hohen Mieten in Istanbul. Sie wohnt wieder bei ihren Eltern (vorher zwei Jahrzehnte in den USA). Die Regierung hat die Mietpreiserhöhungen schon auf 25% begrenzt. In keinem anderen Land haben deutsche Auslandsvertretungen 2023 mehr Visaanträge bearbeitet. Eine schwindende Wirtschaft und unsichere Menschenrechtslage treibt immer mehr junge Türken aus dem Land.

Saudi-Arabien: 37 Mio. Einwohner. Hauptstadt Riad. Staatsform: Absolute Monarchie. BIP: 1,1 Bio. US-$. Für den Westen der Anker im Nahost. Beeinflusst mit seiner Finanzkraft der Öl-Milliarden die Politik vieler Länder in der Region. Dominiert auch die Opec. Das Land hat 16% der Welt-Öl-Reserven. 70% des BIP erwirtschaftet die Ölindustrie. Aramco ist wahrscheinlich das mächtigste Unternehmen der Welt.  29 Mio. Einwohner (zwei Drittel unter 25 Jahren, sehr gut ausgebildet). 95% leben in Städten. Staatsverschuldung 15% des BIP.  Saudi-Arabien ist sechsmal so groß wie Deutschland. Das Land ist eine absolute Monarchie, strebt aber gleichzeitig in die Moderne (Anfang 2015 stirbt der König Abdullah. Nachfolger wird sein Halbbruder Salman). Die Terror-Miliz Islamischer Staat bedroht auch das Land (ursprünglich unterstützt gegen Syrien). Dringend notwendig wären Reformen, denen der Widerstand der erzkonservativen Wahhabiten entgegensteht. Die Minderheit der Schiiten wird unterdrückt. Das Land verliert sein Monopol als einzige westliche Regionalmacht, weil der Iran hofiert wird. Saudi-Arabien kauft immer wieder Rüstungsgüter aus Deutschland (bei seinem Besuch im März 2015 setzt sich Bundeswirtschaftsminister Gabriel für Menschenrechte ein; Blogger Badawi). Saudi-Arabien finanziert die Wahhabistische Ausrichtung in vielen Moscheen der Welt. Der Wahabismus geht auf eine Veränderung der Lehre der Hanbaliten zurück. Sie wurde im 18. Jhrdt. n. Chr. von al -Wahhab gegründet und dann Staatsdoktrin in Saudi-Arabien. Das Land verwaltet die muslimischen Pilgerstätten Mekka und Medina. Saudi-Arabien hat Moscheen in aller Welt unterstützt und dadurch Islamismus gefördert (vor allem auch in den asiatischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion, z. B. Usbekistan). Die Führung Saudi-Arabiens wirkt oft ungeschickt.  Im Dezember 2015 wird erstmals das Frauenwahlrecht bei Kommunalwahlen eingeführt. In der Nähe von Mekka gewinnt auch erstmals eine Kandidatin. 2015 rutscht der Staatshaushalt in die roten Zahlen, weil der Ölpreis im Keller ist (Öl sorgt normalerweise für 90% der Staatseinnahmen). Die staatlichen Subventionen für Wasser, Strom stehen auf dem Prüfstand. Die Investitionen sollen weg vom Öl hin zum Bergbau  (Uran) und Tourismus (Mekka) fließen. Es wird überlegt, eine Mehrwertsteuer einzuführen. Es gibt auch keine Einkommens- oder Vermögensteuer. Weite Bereiche der Wirtschaft sollen privatisiert werden (Gesundheit, Bildung, Rüstung). Die deutsche Wirtschaft erreicht 2015 einen Exportrekord nach Saudi-Arabien (und in die Vereinigten Arabischen Emirate). Das Land macht 2016 in der Preiskrise des Öls Ernst mit der Diversifizierung: Bis 2020 soll mehr als ein Drittel des Haushalts unabhängig vom Öl finanziert werden. In den USA wird im September 2016 ein Gesetz verabschiedet, nach dem Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2011 die saudische Regierung auf Schadensersatz verklagen können. Das dürfte die Beziehungen beider Länder beeinträchtigen. 2017 will Saudi-Arabien zwei unbewohnte, aber strategisch wichtige Inseln im Suez-Kanal (Zugang Israels) von Ägypten kaufen. Das Parlament in Ägypten stimmt nicht zu, aber das oberste Gericht. 2017 soll das Unternehmen Aramco an die Börse gebracht werden. Es wäre der größte Börsengang der Welt (100 Mrd. $?). Am 30.04.17 besucht Bundeskanzlerin Merkel mit einer Delegation das Land. Es geht unter anderem um Geschäfte und Bekämpfung des internationalen Terrorismus sowie um die Konflikte/ Kriege im Jemen und in Syrien. Deutschland bietet sich im Jemenkonflikt als Vermittler an. Die Bundeswehr soll bei der Ausbildung saudischer Soldaten helfen. Die erste Auslandsreise macht der US-Präsident Trump im Mai 2017 nach Saudi-Arabien (er braucht das Land gegen den IS, gegen Iran und Assad). Er unterscheidet Islam und Terrorismus in einer Rede. Er fordert die arabischen Monarchen auf, selbst für Ordnung zu sorgen. Im Sommer 2017 wird der Kronprinz Mohammed bin Salman al Saud auch offiziell der neue starke Mann des Landes. Er leitet das Billionen schwere Reformprojekt, das unabhängig vom Öl machen soll (Gelder von Aramco). Gleichzeitig ist er verantwortlich für den konfrontativen Kurs gegen Iran (Jemen, Isolierung Katars). Im Juni 2017 kann ein Anschlag auf die große Moschee in Mekka vereitelt werden (Ausklang des Ramadan, an dem Millionen Gläubige da sind). Der König kommt nicht zum G20-Gipfel in Hamburg. 2017 bringt das Öl nicht mehr genug, um die Bevölkerung zu versorgen (niedriger Ölpreis). Der König muss die Wirtschaft umbauen. Dafür braucht er die Frauen als Arbeitskräfte (das dürfte zu einem Rollenwandel führen). Per Dekret kippt der König im September 2017 das Fahrverbot für Frauen. Frauen dürfen zukünftig auch Sportstadien besuchen. Im November 2017 werden eine Reihe von Prinzen festgenommen wie auch der reichste Mann Saudi-Arabiens wegen Korruption (insgesamt 200 Personen). Hintergrund dürfte ein Machtkampf sein (Kronprinz Salman schaltet Konkurrenten aus). Der Konflikt mit dem Iran verschärft sich (auch im Libanon und Jemen; totale Blockade gegen Jemen). Die Blockade gegen den Jemen wird Mitte November teilweise wieder aufgehoben. 41 islamische Länder schließen in Saudi-Arabien im November 2017 einen Pakt zur Bekämpfung des Terrorismus (IMCTC; es klingt wie Hohn, denn Saudi-Arabien finanziert die Taliban und Al-Qaida; auch Propagandakrieg gegen Schiitenmacht Iran). Die führenden Unternehmen des Landes wollen 20 Mrd. Dollar in die weltweit größte Anlage zur Verarbeitung von Rohöl investieren (Aramco, Sabic; Stadt Yanbu an Roten Meer; Inbetriebnahme 2025, Geld aus 5% Aktienverkauf von Aramco). Saudi-Arabien betreibt zwei Staatsfonds. Der eine heißt Sama. Er steht unter Leitung der Zentralbank. 2017 verfügt er über 514 Mrd. $. Die größten Aktienbeteiligungen liegen in Taiwan. Der zweite Staatsfonds ist PIF. In leitet der Rat für Wirtschaftsentwicklung (CEDA). Er verfügt 2017 über 224 Mrd. $. Die größten Aktienbeteiligungen liegen international in den USA, national bei Saudi-Electricity und Sabic. Ab 2018 gilt in dem Land erstmals eine Mehrwertsteuer (auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten). Sie beträgt 5%. Die übrigen Golfstaaten wollen folgen. Der Sprit wird teurer. Mehrmals werden Raketen aus dem Jemen abgefangen. 11 weitere Prinzen werden 2018 wegen Protesten festgenommen. Deutschland erlässt Mitte Januar 2018 einen Exportstopp für Waffen. 2018 könnte das Haushaltsdefizit 80 Mrd. Dollar erreichen. China bietet sich schon mal als Geldgeber an. Ende Februar 2018 besetzt König Salman die Militärspitze neu. Salman sieht sich als Verbündeter der USA. Gemeinsamer Erzfeind ist Iran. Salman will mit dem US-Präsidenten die Region neu ordnen (Iran-Embargo, Wettrüsten). Der IWF rät dem Land im Mai 2018 zur Zurückhaltung bei Ausgaben. Angeblich werden ab Mai 2018 deutsche Firmen mit einer Auftragssperre belegt (wegen der Haltung zum Iran). Im Juni 2018 erhalten zum ersten Mal Frauen einen Führerschein. Um die Wirtschaft zu stabilisieren weist der Kronprinz im Juli 2018 Gastarbeiter aus. Nur wollen viele Saudis gar keinen Job. Das Land droht zu erstarren. Saudi-Arabien gehört zu den Ländern mit der höchsten Anzahl an Hinrichtungen. Die diplomatische Krise mit Deutschland wird im September 2018 beigelegt (der saudische Botschafter kehrt zurück). Im Oktober 2018 verschwindet der Journalist Kaschoggi spurlos im saudischen Konsulat in Instanbul. Auf Druck der USA und der Türkei wird ein versehentliches Töten zugegeben. Das könnte Gegenwind für Bin Salman bedeuten (Machtkampf). Der Mord an Kaschoggi wird für ihn zum Fiasko. Saudi-Arabien ist der zeitbeste Kunde der deutschen Rüstungsindustrie (nach Algerien), und der beste Kunde der USA. Das sind wichtige Rahmenbedingungen. Siemens-Chef Kaeser sagt die Teilnahme an einer Investorenkonferenz ab, ebenso wie Brudermüller/BASF und Deutsche Bank. Wegen des Mordes an dem regimekritischen Journalisten Kaschoggi stoppt die Bundesregierung im November 2018 alle Militärexporte an Saudi-Arabien (vorübergehend). Wegen des politischen Drucks, reduziert das Land nicht die Ölfördermengen und verzichtet auf viel Geld. Man spricht "vom teuersten Auftragsmord aller Zeiten". Die Privatisierung der weltgrößten Energiefirma Aramco scheitert vorerst Ende 2018 spektakulär. Was bedeutet das für das Land? Dei Bundesregierung verlängert Anfang März 2019 den Rüstungsstopp in das Land. Aber es bleibt eine Hintertür (Gemeinschaftsprojekte). Der saudiarabische Ölriese Aramco ist das profitabelste Unternehmen der Welt. 2018 betrug der Nettogewinn 11,1 Milliarden Dollar. Ein Großteil der Gewinne geht an die Führung, insbesondere in das Regierungsprogramm "Vision 2030". Im April 2019 beschließt die Bundesregierung, wieder Rüstungsgüter an Saudi-Arabien zu liefern (wegen der EU-Nachbarländer). Im April 2019 werden 37 Menschen wegen Terrorismus hingerichtet. Es gibt im Mai 2019 Drohnenangriffe auf eine saudische Pipeline. Im September 2019 zerstören umgebaute Drohnen einen Teil der Öl-Produktion (Abkaik, Churais). Es sind Anlagen von Aramco, die die größten der Welt sind und die zu 50% zerstört werden. Die Huthi aus Jemen übernehmen die Verantwortung (wohl eher Iran; Drohung asymmetrischer Kriegsführung)). Deutschland bezieht weniger als 2% seines Öls aus dem Land (Hauptlieferant ist Russland). Aber der Weltmarktpreis geht nach oben. Die USA verlagern mehr US-Truppen an den Golf. Auf Bitten Saudi-Arabiens und der VAE sollen sie die Luft- und Raketenabwehr verstärken. Die Huthi-Rebellen im Jemen machen ein Friedensangebot. Im März 2020 werden mehrere hochrangige Angehörige der Königsfamilie festgenommen (Verschwörung gegen den König). Der niedrige Ölpreis 2020 führt dazu, dass das Land seinen Haushalt nicht mehr ausgleichen kann. Saudi-Aramco kann vorerst nicht der Modernisierung des Landes dienen. Die Strafe des Auspeitschens wird  im April 2020 abgeschafft. Der G20-Gipfel muss wegen Corona virtuell am 21./22.11.20 stattfinden. Es gibt zwei zentrale Themen: 1. Corona. 2. Klimakrise. Auch Trump nimmt noch teil. Er hatte bisher meist blockiert. Man hofft auf eine konstruktive Rückkehr der USA. Am Rande wird über die Menschenrechte in Saudi-Arabien diskutiert. Ende Februar wird durch den US-Geheimdienst CIA bekannt, dass Saudi-Arabiens starker Mann Mohammed bin Salman den Einsatzbefehl für den Mord an D. Kaschoghi gab. Im April 2021 kommen sich Saudis und Iraner wieder näher. Sie treffen sich in Bagdad/ Irak. Auch die Türkei nähert sich Saudi-Arabien wieder an. Man darf gespannt sein, was da im Hintergrund angebahnt wird. 2022 müssen Angehörige des saudi-arabischen Königshauses sparen. Salman bereitet sein Land und die Angehörigen der Riesen-Königsfamilie auf die Zeit nach dem Ende der Ölförderung vor. Vor kurzen führte er eine Sondersteuer für Arbeitgeber von Hausangestellten ein. Immer mehr Prinzen müssen sich von Luxusgütern trennen. Die USA stehen 2022 vor neuer Partnerschaft mit Saudi-Arabien. Es geht den USA vor allem um saudisches Erdöl. Der saudische Thronfolger bin Salman ist wieder überall gern gesehen, weil man sein Öl und Geld braucht (Rundreise 2022 durch Ägypten, Jordanien, Türkei). Saudi-Arabien ist 2022 der größte Erdölexporteur. Wer aktiv im Land werden will, muss Auflagen erfüllen: 20% der Belegschaft Saudis, ab 2024 Zentrale im Land für Arabien. Im Juli 2022 besucht Biden Saudi-Arabien. Im September 2022 folgt Bundeskanzler Scholz. Man sucht nach Energiepartnern. An Saudi-Arabien werden Waffen geliefert. Der Modernisierungskurs im Land wird konsequent umgesetzt. Da sreligiöse Establishment ist eher dagegen (Zerreißprobe der Gesellschaft). Man will aber keine Kopie des Westens. Man spricht von Vision 2030. Bauliche Veränderungen werden durch Gewalt umgesetzt. Man tätigt hohe Investitionen in alternative Energien, vor allem Wasserstoff. Anfang Dezember 2022 besucht der chinesische Staatspräsident Xi Jinping das Land. Man vereinbart Wirtschaftsprojekte in Höhe von 25 Mrd. Euro. Man will sich etwas aus der Abhängigkeit von den USA lösen (militärischer Partner gegen den Iran).2023 entsteht ein Riesenwürfel in der Wüste, der der Kaaba ähnelt. Er ist 400 Meter hoch und soll rein der Unterhaltung dienen. Das stößt auf Kritik. 2023 schließt man eine Allianz mit Israel. Es ist in der Hauptsache ein Wirtschaftspakt. Dei Aufnahme diplomatischer Beziehungen könnte nicht mehr weit sein (die Annäherung geht weiter). Im August 23 kommt raus, dass Äthiopische Flüchtlinge an der Grenze zum Jemen erschossen wurden. Der Gaza-Krieg legt die Schwächen von Saudi-Arabien offen. Einerseits  will es Führungsnation sein, andererseits ist es nur Zuschauer und hofft auf die USA. 2024 beschließt die Bundesregierung, Raketen und Kampfjets an Saudi-Arabien zu liefern. 2024 erlaubt das Land erstmals seit 70 Jahren den Verkauf von Alkohol. Es folgt damit VAE und Katar. Man will das Ausland beeindrucken und den Alkoholschmuggel bekämpfen (man sagt aber auch MBS nach, dass er gerne Alkohol trinkt). Im Februar 2024 werden sieben Menschen hingerichtet (Todesstrafe vollzogen). Das Land bietet einige Absurditäten: Frauen stellen die Mehrzahl der Studenten, arbeiten aber fast nie. 2018 werden erstmals seit den 70er Jahren wieder Kinos erlaubt. Die Aufteilung des Nahen Ostens wurde im Ersten Weltkrieg festgelegt. 1916 im Sykes-Picot-Abkommen steckten Frankreich und Großbritannien ihre Einflusssphären ab. 2016 holt Siemens einen Riesenauftrag (Turbinen) gegen GE. MBS (Mohammed bin Salman) will eine Metropole aus der Wüste stapfen. Sie hat den Kunstnamen NEOM (Vision 2030). Mehr Roboter als Menschen sollen dort leben. Es ist eine riesige Planstadt mit angeschlossenem Technologie-Park. Man will unabhängig von fossilen Energien werden. Es werden auch jede Menge Hotels gebaut (Tourismus-Anteil am BIP soll auf 10% steigen). Der deutsche Architekt Mustafa Rasch aus Schwaben baut die meisten Gebäude in Mekka und Medina. Das Atomabkommen mit dem Iran ist Geschichte. Warum haben die USA es aufgekündigt gegen den Willen der Europäer? Obwohl sich Teheran an alle Verpflichtungen hält. Michael Lüders erläutert in seinem Buch die Hintergründe: Nicht Religion trennt Sunniten und Schiiten, sondern Machtpolitik. Die USA tauschen Waffen gegen Öl. Jared Kushner, der Schwiegersohn von Trump, ist mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed Bin Salman verbandelt. Vgl. Michael Lüders: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt, München (Beck) 2018.  Der Jeddah Tower in Saudi-Arabien wird mit über 1000 Metern der höchste Turm der Welt.  Ab 2021 baut Saudi-Arabien eine Mega-City am Roten Meer. Seit 2022 erlaubt das erzkonservative Königreich auch nicht-muslimischen Tourismus. Sehenswert sind Hegra (Petras kleine Schwester), Diriyya/ Riad, Dschidda.  "Wir schaffen einen moderaten Islam in Saudi-Arabien", Mohammed bin Salman (genannt "MBS"), 2018.

Seit 2019 öffnet sich Saudi-Arabien dem Tourismus. Die Hochgeschichte geht über 2000 Jahre zurück ins Zeitalter der Nabatäer. Sie konzentrierten sich auf die antike Stadt Hegra (Ausgrabungsstätte Mada`in, heute nahe der Oase Al´Ulan). Sie liegt 400 km nordwestlich von Medina.  Die Felsengräber und Bauwerke sind wie in Petra/ Jordanien. Die Nabatäer hatten eine sehr fortschrittliche Wasserkultur. Sie verstanden es perfekt, Wasser über und durch die Felsen zu leiten. Saudi-Arabien verfügt über zwei heilige Städte: Mekka und Medina. Eine weitere Öffnung ist bei der Filmindustrie. Saudi-Arabien wird zu einem Zentrum. Man spricht von Saudiwood. 64 Mrd. US-$ will die Regierung von 2024 bis 20230 in den saudischen Unterhaltungssektor investieren. Bis 2017 waren Kinos noch verboten.

Exkurs. Saudi-Arabien und Wahhabismus:  In Saudi-Arabien gibt es eine besonders radikale Form des Islam der "Wahhabismus". Zu dieser Strömung gibt es verwandte Koranschulen. eine hat sich in Indien gebildet und ist Ursprung der Taliban in Afghanistan. Aber sogar in Saudi-Arabien gibt es mittlerweile auch prominente Bewegungen, nach den das Verschleiern des Gesichts bei den Frauen nicht obligatorisch ist.  Bei der Hadsch, der Wallfahrt nach Mekka (verbunden mit dem Berg Arafat anlässlich der Steinigung des Teufels Mina), muss der Würfel siebenmal umrundet werden. Ab 2013 wird die Moschee in Mekka vergrößert und die Verkehrswege werden verbessert. Jährlich besuchen immerhin ca. 9 Millionen Pilger Mekka. Nach einem Kranunglück im September 2015 sterben 107 Menschen an der Großen Moschee. Ende September 2015 sterben 700 bei einer Panik. 2020 muss die Hadsch auf Sparflamme stattfinden wegen Corona.  Es gibt auch eine kleine Wallfahrt, Umbra genannt. Mekka, in Saudi-Arabien gelegen, ist heute Mittelpunkt des islamischen Universums. In dieser Metropole trifft der Islam auf die ökonomische Globalisierung. Hier stehen die Kaaba, ein quadratischer Stein und ein schwarzer Meteorit (Umgebung teuerstes Bauland der Welt). Im November 2023 veranstaltet das Land in Riad den Arabisch-islamischen Sondergipfel zum Gaza-Krieg. Es kommen 57 Länder, auch der iranische Präsident. Es bleibt bei allgemeinen Appellen. Saudi-Arabien hat mit den USA, Israel  und anderen Staaten die "Abraham Accords Declaration" unterzeichnet. Das hat in der Arabischen Welt eine Transformation ausgelöst. Man nähert sich Israel an gegen den gemeinsamen Feind Iran.

Exkurs. Öllieferant, Aktienbesitzer und Klimawandel: Für Deutschland ist das Land wichtiger Öllieferant. Das gilt auch für die ganze Welt. Saudi-Arabien braucht die USA als Sicherheitsgarant. Die größten Öl-Verlade-Terminals können leicht blockiert werden. Sie liegen in der Straße von Hormus in Ras Tanura und Damman. Deshalb auch die von den USA erzwungene Annäherung an Israel. Einem Angriff aus dem Iran könnte das Land alleine nicht standhalten. Für Deutschland ist Saudi-Arabien ein wichtiger Wirtschaftspartner im Nahost. Das Land hat hohe Anteile an Daimler und Thyssen-Krupp sowie weiteren Unternehmen. 2024 gibt Deutschland seine Blockade-Haltung gegen die Lieferung von Eurofightern an Saudi-Arabien auf. Das Geld im Land ist auch nicht unendlich. 2024 scheint es auszugehen. Das Königshaus in Riad kürzt Mittel für die Zukunftsstadt "The Line" (200 Mrd. $ veranschlagt, bis 2030 1,5 Mio. Menschen). In Saudi-Arabien laufen erdölbetriebene Kraftwerke heiß, um Strom fürs Kühlen zu produzieren. Mit Klimaanlagen kämpft man gegen die Folgen des Klimawandels. Klimaanlagen machen etwa 70% des Stromverbrauchs aus. Im Sommer wächst die Inlandsnachfrage nach Öl rapide an. Man bezieht sogar Öl aus Russland.

Exkurs. Wirtschaft: Saudi-Arabien hat en größten Staatsfond der Welt mit 700 Mrd. $ (2024. Die Staatsverschuldung ist mit 29% extrem niedrig. Das gilt auch für das Durchschnittsalter der Bevölkerung mit 29 Jahren. Das Land hat 33 Mio. Einwohner, 40% sind Arbeitsmigranten. Die ALQ steigt, vor allem bei Jugendlichen (15,5%). Vgl. Die Zeit 5.9.24, S. 22f.

Iran (Persien, vgl. auch Iran auf der Seite "Asien", wo das Land wesentlich umfangreicher dargestellt ist): Als Begründer des Iran gilt Ismail (1502, Safawiden-Dynastie, Schah, dauerhaft Schiitisch). Ca. 80 Mio. Einwohner 2017. An der Spitze des Staates steht ein Expertenrat (aus 86 hochrangigen Klerikern, Ali Chamenei an der Spitze, der Präsident ist nicht so mächtig). Als "islamische Revolution" mit Partizipation der Bevölkerung ist eine Art Gegenentwurf zu Saudi-Arabien. Verbündete sind Katar, Syrien, Libanon. Die Beziehungen zu China sind eng. Schiitische Schutzmacht (Konflikt mit Saudi-Arabien im Jemen und in Syrien). Die Beziehungen zu den USA sind stark vorbelastet: 1953 wird Premier Mossadegh durch die CIA gestürzt. Dann wird die Monarchie des Schahs gestützt. Am 1.2.1979 kehrt Ayatollah Khomeini aus seinem Pariser Exil nach Teheran zurück. Nach 13 Jahren Atomstreit einigen sich die Weltmächte mit dem Iran: Die Vereinbarung umfasst 100 Seiten. Die Atomanlagen müssen unter strenge internationale Kontrolle gestellt werden (zivile Nutzung ja, militärisch nein). Wenn dies funktioniert, werden die Wirtschaftssanktionen aufgehoben. Wichtigste Exportländer für den Iran sind China, die Türkei, Indien, Japan und Deutschland. Die meisten Importe kommen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, China, Indien, Südkorea und Deutschland. Der Iran verfügt über 9% der Weltölreserven. Er hat ein Drittel der globalen Erdgasreserven. Außerdem verfügt der Iran über die zweitgrößte Kupfermine der Welt. Bei Eisenerz ist das Land auf Platz neun. Bei Pistazien ist der Iran Weltmarktführer. Die Frauen sind inzwischen oft besser ausgebildet als die Männer. Sie drängen an die Universitäten und den Arbeitsmarkt. Sie stoßen an ihre Grenzen, wo islamische Gesetze ihre Rechte einschränken. Im Januar 2016 werden die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben. Geld aus eingefrorenen Ölgeschäften kann fließen (90 Mrd. $). Der Bestand deutscher Direktinvestitionen summiert sich auf knapp 600 Mio. €. 80 deutsche Unternehmen sind mit Niederlassungen im Iran vertreten. 1000 weitere Firmen haben kleinere Vertretungen dort. Der Nachholbedarf nach jahrelangen Sanktionen dürfte groß sein. Zahlreiche ausländische Investoren stehen in den Startlöchern. Der Iran ist mittlerweile der größte Zementexporteur der Welt (Backsteinvorkommen), ebenso ein großer Dünger-Lieferant (Kalium-Carbonatvorkommen). Öl und Gas liegen nicht mehr an der Spitze. Im Oktober reist Bundeswirtschaftsminister Gabriel mit einer Wirtschaftsdelegation in den Iran. Am Ende kommt es zu einem Eklat (Absage eines Treffens mit dem Parlamentspräsidenten). Nach einem Raketentest im Iran erlässt die neue US-Regierung unter Trump Sanktionen (Trump hatte sich im Wahlkampf gegen das Atom-Abkommen mit dem Iran ausgesprochen). Trump rückt in der Folge immer mehr von dem Abkommen ab. Laut der Trump - Administration bedrohe es den Frieden. Am 20.05.17 entscheiden die Iraner in einer Wahl über den zukünftigen Präsidenten zwischen Amtsinhaber Hassan Rouhani und Ebrahim Raisi ("tiefer Staat"). Der gemäßigtere Rouhani gewinnt und will am Reformkurs festhalten. 2017 im Juni machen China und Iran eine gemeinsame Militärübung im Golf. Die Regierung Trump spricht sich immer wieder für ein Nachverhandeln des Atomabkommens mit dem Iran aus ("Schurkenstaat"). Russland und Deutschland sind dagegen. Der deutsch-iranische Handel wächst 2017 kaum noch (0,9 Mrd. €). Die Lücke füllt China. Ende 2017 kommt es zu Unruhen in einigen Städten. Die Regierung lässt das Internet abstellen (das Handy ist der wichtigste Zugang im Iran). Die Proteste eskalieren 2018 (Anfang in Mashad). 13 Menschen kommen ums Leben, dann noch mal 9. Es ist ein Aufstand gegen das Regime (stärker als 2009), vor allem von jungen Menschen. Es gibt Demos in mehr als 100 Städten. Es geht auch gegen Armut, hohe Preise (12% Inflation, allerdings sinkend 2018) und die gebrochenen Versprechen der Regierung (30% Arbeitslosenquote, insbesondere bei der Jugend). Die Proteste dehnen sich sogar weltweit aus. Der Iran macht die USA und Saudi-Arabien dafür verantwortlich. Trotzdem prüft das Parlament die Berechtigung der Proteste. Laut Präsident Ruhani ist es der Schrei der Jugend nach mehr Freiheit; Ultrakonservative machen die Wirtschaftspolitik Ruhanis dafür verantwortlich. Am 12.01.18 entscheidet Trump, am Atomabkommen festzuhalten, fordert aber eine Nachbesserung innerhalb von 4 Monaten. Der Iran lehnt dies sofort ab. Am 13.01.18 sinkt ein voll beladener iranischer Öltanker nach längerer Havarie im ostchinesischen Meer.  Chinesische Rettungsschiffe konnten nichts ausrichten. 2018 stellt sich raus, dass der iranische Geheimdienst sehr aktiv in Deutschland ist (Vevak, Al-Quds-Brigade; spionierte jüdische Einrichtungen aus). Deshalb und auch wegen der Einmischung in die Kriege im Jemen und Syrien erwägt die Bundesregierung Sanktionen gegen den Iran. Die Arbeitslosenquote beträgt 2017 12,4%; noch höher ist die Jugendarbeitslosigkeit (2016 26,2%). Die Staatsverschuldung ist 2017 auf 32,1% angestiegen. die Inflation lag 2017 bei 10,5% (Lebensmittel). 2018 erwägt die EU neue Sanktionen gegen den Iran, um Trump von einer Kündigung des Atom-Abkommens abzubringen. Trump kündigt das Atomabkommen. Deutschland, Großbritannien, Frankreich, China und Russland wollen daran festhalten. Iranische Stellungen in Syrien beschließen die Golan-Höhen. Israels Luftwaffe versucht, iranische Stellungen in Syrien zu zerstören. Seit dem Abkommen waren die EU-Exporte in den Iran um fast 70% gestiegen (ausgehend von einem niedrigen Niveau). EU-Unternehmen werden von den Sanktionen voll getroffen. Profitieren könnten die KMU, die keine US-Geschäfte tätigen. Iran will weiterhin Öl verkaufen (notfalls in Yuan). Die EU sucht nach Möglichkeiten am Abkommen festzuhalten. Sie reaktiviert ein EU-Abwehrgesetz in der Außenwirtschaftspolitik (schützt Firmen vor Sanktionen der USA). Der Iran wartet ab. Er kündigt allerdings an, die Urananreicherung hochfahren zu wollen. Israel droht mit Angriff. Präsident Trump macht dem Iran im Juli 2018 ein Gesprächsangebot. Der Iran ist skeptisch und stellt Bedingungen (Ende der Feindseligkeiten und Respekt). Die Wirtschaftssanktionen der USA treten am 07.08.18 in Kraft. Der Iran fürchtet eine Wirtschaftskrise. Der  deutsche Außenhandel mit dem Iran nimmt ab, weil für die Unternehmen die USA wichtiger sind. Der Iran verklagt die USA vor dem höchsten UN-Gericht in Den Haag. Der Iran sieht in den Wirtschaftssanktionen "nackte Aggression" der USA.  Das oberste UN-Gericht entscheidet im Oktober 2018, dass die USA die Sanktionen gegen den Iran teilweise aufheben müssen: Das gilt für humanitäre Güter. Betroffen sind Medikamente, Nahrungsmittel, Agrarprodukte und Flugzeugteile. Die US-Sanktionen gegen den Iran dürften wenig Auswirkungen auf den Preis des Öls haben. Hauptabnehmer sind die Türkei, China und Indien, die bei den Sanktionen nicht mitmachen. Dies garantiert ein Überleben der iranischen Ölindustrie. Ende 2018 kommt die stempelfreie Einreise in den Iran (Restriktionen der USA). Ungefähr 10.000 Firmen aus Deutschland handeln mit dem Iran. Ende 2018 haben sie Probleme, an ihr Geld zu kommen. Der Zahlungsverkehr ist unterbrochen. Es gab Ausnahmegenehmigungen für acht wichtige Ölimporteure des Iran, darunter China, Japan, Indien, Südkorea. Diese gelten bis Mai 19 und sollen dann aufgehoben werden. Die EU findet im Februar 2019 eine Regelung, den Handel von KMU mit Iran abzuwickeln. Es soll ein Tauschhandel eingerichtet werden (Waren, Öl). Im Februar 2019 testet das Land Marschflugkörper. Auf der Münchener Sicherheitskonferenz fordert der Außenminister Sarif die Europäer zu einem robusteren Auftreten gegenüber den USA auf. Im April 2019 setzen die USA die iranischen Revolutionsgarden auf die Terrorliste. Eine Iranerin wird im April 2019 zu eine reinjährigen Haftstrafe verurteilt, weil sie ihr Kopftuch abgelegt hatte. Im April 2019 verschärfen die USA ihre Sanktionen gegen den iranischen Ölverkauf. Sie weiten die Sanktionen auf die Käufer aus (China, Indien, Japan, Italien). Der Iran stellt den europäischen Staaten ein Ultimatum von 2 Monaten (danach will Iran wieder Atom anreichern). Sie sollen dem Iran gegen die Sanktionen der USA helfen. Gleichzeitig erhöhen die USA ihr militärisches Drohpotential. Am 31.Mai 2019 gibt es Massendemonstrationen gegen die USA und Israel (Al Kuds). Die USA sind zu Gesprächen mit dem Iran bereit. Mittlerweile hat sich im Iran eine Schattenwirtschaft entwickelt, bei der die Revolutionsgarden eine zentrale Rolle spielen (Umfang 30 Milliarden Euro, "unsere Schmuggelbrüder"). Das Geschäftmodell beruht auf der Umgehung der Sanktionen der USA. Die Revolutionsgarden haben ein Interesse an der Aufrechterhaltung. Im Juni 2019 werden im Golf von Oman zwei Frachter in Brand geschossen. Die USA beschuldigen den Iran, der dementiert. Es würde in das Muster der Kriegsvorbereitungen der USA passen. Am 18. Juni schießt der Iran eine US-Drohne ab (man streitet sich, ob sie über neutralem oder Hoheitsgebiet des Iran getroffen wurde). Trump stoppt dann kurzfristig einen Angriff auf den Iran. Die USA starten einen Angriff im Internet und verschärfen die Sanktionen noch. Sie wollen auch eine globale Allianz gegen den Iran schmieden. Die Wirtschaftsdaten 2019 des Landes sind dadurch katastrophal: Bruttoinlandsprodukt -6,0%, Inflation 37,2%, tägliche Rohölförderung 2,61 Mio. Barrel gegenüber 3,82 2018. Iran steigt schrittweise aus dem Atomabkommen von 2015 aus (war 2018 von den USA gekündigt worden). Die Menge angereicherten Urans von 300 Kilogramm wurde überschritten. Quelle: Internationale Atomenergiebehörde (IAEA). Mit dem Schritt verstößt der Iran gegen einen zentralen Punkt des Atomabkommens. Am 05. Juli 2019 kommt es zu einer britisch-iranischen Konfrontation vor Gibraltar. Die britische Marine stoppt den iranischen Supertanker "Crace 1", der Erdöl an Bord hat, wegen Verstoßes gegen die Sanktionen. Die Situation wird immer brisanter. Im Atomkonflikt scheint der Iran verhandlungsbereit zu sein. Die USA schießen in der Straße von Hormus am 19.07.19 eine iranische Drohne ab. Iran setzt einen ausländischen Tanker (aus GB) fest. Auch mehr als 500 iranische Muslime nehmen an der Pilgerfahrt in Mekka teil (insgesamt 2,5 Mio. Muslime). Die deutschen Exporte in den Iran haben sich im ersten Halbjahr 2019 halbiert (wegen der US-Sanktionen). Der iranische Tanker darf Gibraltar verlassen (Oberste Gericht). Im August 2019 stößt der Außenminister des Iran Sarif zum G7-Treffen in Biarritz. Im September 2019 läuft die Atomforschung im Iran wieder an. Der Iran fährt im November 2019 auch die Atom-Anreicherung hoch. Im September startet Präsident Hassan Ruhani die Initiative "Koalition der Hoffnung". Die Fußballstadien im Iran sollen 2019 auch für Frauen geöffnet werden. In fast allen Städten des Iran kommt es im November 2019 zu Protesten gegen die Rationierung und Verteuerung von Benzin (auch Tote und Verletzte). Die USA machen Druck auf Deutschland, sich einzumischen und die Unruhen zu schüren. Amnesty International gibt bekannt, dass es bis Ende November 2019 schon 115 Tote bei den Protesten gegeben hat (über 1000 Personen wurden verhaftet). Die USA töten durch einen Drohnenangriff in Bagdad General Ghassem Soleiman, die Nummer zwei oder drei im Iran. Der Iran droht mit Vergeltung (das könnte zu einem Krieg führen). Trump droht in diesem Falle mit einem Gegenschlag auf 52 Ziele. Der Iran greift einige Stützpunkte der USA im Irak mit Vorwarnung an. Es kommen keine US-Soldaten ums Leben. Die USA verzichten auf einen Gegenschlag. Der Iran schießt versehentlich ein Passagierflugzeug aus der Ukraine ab. Lange wird dies geleugnet, so dass es bei der Bekanntgabe zu Massen-Demonstrationen gegen das Regime kommt. Diesmal gehen hoch gebildete jüngere Menschen der Mittelschicht aus Trauer und Protest auf die Straße gegen die Führung der islamischen Republik. Bei Demonstrationen in den vergangenen Jahren waren es eher die Verlierer der Sanktionen und Armen. Vor der Parlamentswahl im Iran kommen neue US-Sanktionen. Am 20.02.20 werden zwei Corona-Todesfälle im Iran gemeldet (nicht außerhalb der Stadt Ghom gewesen). Die Zahl möglicher Infektionen bleibt unklar. Sehr hoch ist die Zahl der Toten (25.02.20 15). Die Krankheit breitet sich stark aus. Die Regierung setzt sich gegen den Klerus durch und verbietet im Ramadan den Besuch von Moscheen. Der Iran erhöht seine Bestände an angereichertem Uran stark. Die Fallzahlen von Corona steigen immer mal wieder stark an. Im November 2020 wird ein hochrangiger iranischer Atomphysiker ermordet. Im Verdacht steht der israelische Geheimdienst. Im Dezember 2020 wird der Regimekritiker Ruhollah Sam (Journalist) hingerichtet. Deutsche werden im Iran zunehmend als politische Geiseln genommen und ins Gefängnis gesteckt (z. B. Kölner Architektin Nahid Taghavi). 2021 will der Iran Uran höher anreichern (20%, höher als die Schwelle im Abkommen). Irans Revolutionsführer lehnt Vakzine aus den USA ab. Der Iran möchte Ölexporte wieder aufnehmen und Zugang zu seinen Konten in den USA. Das sind die Forderungen an den neuen US-Präsidenten Biden. Die USA sind gesprächsbereit. Die internationale Atomenergiebehörde IAEA kann die Kontrollen des iranischen Atomprogramms vorerst fortsetzen. 2021 ist der Iran in einer schweren Wirtschaftskrise: Ölembargo, Hyperinflation, Währungsverfall. Im März 2021 unterschreibt man einen Pakt mit China.  Beim Atomabkommen sendet man positive Signale. Im April 2021 gibt es einen mysteriösen Zwischenfall in einer Atomanlage (Natans, Anschlag des israelischen Geheimdienstes?). Der Iran spricht von einem "israelischen Terrorakt". Das Atomprogramm soll weit zurückgeworfen worden sein. Das könnte die Verhandlungen über das Atomabkommen belasten. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) vermutet, dass der Iran 16 Mal mehr angereichertes Uran hat als ursprünglich vereinbart. Am 18.6.21 gibt es eine Präsidentenwahl im Iran (592 Kandidaten). Gewinner ist der Geistliche Ebrahim Raisi (ultra- konservativ, große Konkurrenten wurden vom Wächterrat ausgeschlossen; Raisi erhält bei einer historisch geringen Wahlbeteiligung knapp 60%). Er gibt sofort bekannt, dass er Biden nicht treffen wolle. Im Juli 2021 gibt es einen iranischen Drohnenangriff auf ein israelisches Schiff (Öltanker) vor Oman. Im September 2021 erlaubt der Iran der IAEA wieder den Zugang. Im Mai 2022 wird ein Oberst der Revolutionsgarde in seinem Auto erschossen. Man vermutet "imperialistische Mächte" hinter dem Attentat (Israel, USA). Im Juni 2022 gibt der Iran bekannt, dass er beim Atomprogramm wieder verhandeln will. Im September 22 führt der Tod einer jungen Iranerin im Polizeigewahrsam (wegen falschen Tragens des Kopftuchs) zu großen Unruhen mit über 50 Toten. 2023 wird der Iran Mitglied der Brics - Staatengruppe (jetzt Brics Plus). Nach der Tötung des Auslandschefs der Hamas im Iran, könnte ein Krieg mit Israel drohen. Doch der Iran scheint kein Interesse an einem Krieg zu haben. Die desaströse Wirtschaftslage soll verbessert werden. Dazu braucht man Gespräche mit dem Westen zur Lockerung der Sanktionen. Ein Krieg mit Israel würde das unmöglich machen. Schließlich greift der Iran im Oktober 24 Israel doch mit Raketen an (180 Raketen). Der Gegenschlag kommt am 25.10.24. Israel bombardiert Militäranlagen im Iran (Raketenbasen und -fabriken). 100 Milliarden Dollar ist die Marktkapitalisierung an Teherans Börse 2016. Die Bundesregierung fördert seit Mitte 2016 wieder Investitionsprojekte durch Hermes-Bürgschaften. Betroffen sind 47 Projekte im Volumen von 795 Mio. €. Das Atomabkommen mit dem Iran ist Geschichte. Warum haben die USA es aufgekündigt gegen den Willen der Europäer? Obwohl sich Teheran an alle Verpflichtungen hält. Michael Lüders erläutert in seinem Buch die Hintergründe: Nicht Religion trennt Sunniten und Schiiten, sondern Machtpolitik. Die USA tauschen Waffen gegen Öl. Jared Kushner, der Schwiegersohn von Trump, ist mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed Bin Salman verbandelt. Vgl. Michael Lüders: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt, München (Beck) 2018.

Katar: Hauptstadt Doha (bekannt durch Doha-Runde und Doha-Paket im internationalen Handel). In Katar leben nur 2,4 Mio. Menschen (90% sind Ausländer). . Katar ist Großinvestor in Deutschland (hält Anteile an VW und der Deutschen Bank. Ebenso an Solarworld, Siemens und Hapag- Lloyd). Merck Fink, Münchener Privatbank, gehört zu 100% einem Mitglied der Königsfamilie. Somit unterhält das Land wichtige Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland. Im Jahr 2022 soll dort die Fußball-WM stattfinden. Im Juni 2017 brechen Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Jemen und Ägypten die diplomatischen Beziehungen zu dem Land auf Eis. Keine Verkehrsmittel dürfen das Land mehr anfahren. Alle Bürger Katars müssen die genannten Länder verlassen. Grund ist die Unterstützung Katars für terroristische Gruppen (IS, Al-Qaida, Muslimbruderschaft). Katar unterstützt auch den Iran. Der Golfkooperationsrat steht vor dem Aus. Die Staaten hatten sich wohl vorher bei den USA die Einwilligung geholt, die eindeutig gegen Iran Stellung bezieht. Katar ist Standort der größten US-Militärbasis im Nahen Osten. Das BIP des Landes liegt bei 166,9 Mrd. Dollar. Mit 135.322 Mrd. $ BIP pro Kopf liegt das Land an der Weltspitze. 2016 lag die Wachstumsrate des BIP bei +2,7% (2013: +4,4%). Wichtigste Importländer sind China, USA, Ver. Arabische Emirate, Deutschland und Japan. Wichtigste Exortländer sind Japan, Indien, China, Ver. Arabische Emirate und Singapur. Katar hat die drittgrößten Erdgasvorkommen in der Welt. Iran hilft dem Land mit Lebensmittellieferungen. Im Juni 2017 liefern die USA Rüstungsgüter an Katar (Flugzeuge im Wert von 10,7 Mrd. €). Die arabischen Staaten stellen Bedingungen für die Aufgabe der Blockade (Schließung von Al-Jazeera, Einschränkung von Beziehungen zu Iran, Auflösung der türkischen Militärbasis). Katar bleibt unnachgiebig. Außenminister Gabriel bereist das Land und seine Nachbarn im Juli 2017 und versucht zu vermitteln. Katar will ab 2018 Milliarden in den deutschen Mittelstand investieren (Aufstockung um 10 Mrd. €). Im Januar 2021 legen Katar und Saudi-Arabien ihren Streit bei (Aufhebung der Blockade, die seit 3 Jahren gilt). Katar ist der größte Waffenkäufer in Deutschland. Das gilt als problematisch, weil das Land internationale Terrorgruppen unterstützt. Katar wird 2021 zur diplomatischen Drehscheibe für Afghanistan. Die Taliban verhandeln dort mit den USA und den anderen Alliierten. 2022 gibt e seine Diskussion um die Situation der Wanderarbeiter in dem Land. Im november soll die Fußball-WM hier stattfinden. Die Situation ausländischer Arbeiter ist schwierig. Das gilt aber auch für ähnliche Sportereignisse in China und Russland. Die Welt schaut gerne weg. Am 20.5.22 besucht Scheich Tamin Bin Hamad Al Thani, der Emir von Katar, Deutschland. Katar ist einer der weltgrößten LNG - Lieferanten, bisher überwiegend an Asien. Früher gab es hier nur Armut und Wüste. Gas hat das Land einflussreich gemacht. Es investiert viel in deutsche Konzerne. Gleichzeitig werden Islamisten finanziert. Man hat gute Beziehungen zu den USA und den Taliban. Der Emir von Katar heißt Tamin bin Hamad Al Thani. Er betreibt ein Geschäftsmodell, das aber fragil ist. Die Auslandsinvestitionen werden über die Qatar Investmment Authority vorgenommen (Harrods, Paris Saint-Germain, Rosneft, Emire State Building, Hapag-Lloyd, Volkswagen, Deutsche Bank, Glencore, Barclays Bank, Credit Suisse). Im September 2022 besucht Bundeskanzler Scholz Katar und die VAE. Am 31.10. und 01.11.22 folgt die Innenministerin Feser, die auch für Sport zuständig ist. Sie will Zusagen für Toleranz und Entschädigungen für tote Bauarbeiter. Katar hat den wichtigsten militärischen Stützpunkt in der Region für die USA und die Nato. Die ILO erkennt Reformen auf dem Arbeitsmarkt an. Die Fußball-WM wird zu einem Gewinn für Katar, das Ansehen in der arabischen Welt steigt rapide. Ein Wehrmutstropfen ist die Bestechungsaffäre in der EU. Im November 2023 setzt sich Katar erfolgreich für einen Geiselaustausch zwischen Israel und Hamas ein. Am 29.11.23 dankt Bundespräsident Steinmeier dem Emir dafür (auch deutsche Geiseln).

Das Land ist in der Hand einer Herrscherfamilie: Sie heißt Al Thani. An der Spitze steht der Emir Tamin bin Hamad Al Thani. Seine Schwester ist Al Mayasssa. Wichtig sind weiterhin Scheich Faisal und Mutter Scheicha Moza (Gallionsfigur im Nahen Osten). Die Familie will das kleine Land schützen, indem sie es als weltweite Kommunikationsbasis aufbaut. Doha wird zum Vermittlungszentrum (mit Afghanistan/ Taliban, Iran/ Kleriker, Palästinenser/ Hamas, Syrien/ Assad-Clan u. a.). Die Gaslieferungen werden klug diversifiziert. Hauptabnehmer sind Südkorea und Japan.  Katar hält viele und hohe Anteile an deutschen DAX-Unternehmen (VW, RWE, Deutsche Bank, Siemens) und weiteren Firmen (Hapag-Lloxd, Porsche, Synlab, Schott Pharma, Merck-Fink). Insofern ist das Land Gaslieferant, Investor, Waffenhändler, Geldgeber militanter Muslim-Gruppen und Diplomat. Für Deutschland ist es der wichtigste Wirtschaftspartner in Nahost. Aber es ist in gewisser Weise ein "doppeltes Emirat".  Katar ist ein kleines Land, produziert aber 2022 30% des weltweiten Heliums.

Exkurs. Hamas: Die Geschichte der Hamas beginnt 1987 als Ableger der Muslimbruderschaft. Gründer war Ahmed Yassim (im Rollstuhl, halbblind). Sein eifrigster Schüler war Yahya Sinwar, der heutige  Chef (die Nakba/ Vertreibung ist zentral in seinem Weltbild). Ursprünglich wollte er die Gesellschaft islamisieren. In Wirklichkeit ist die Hamas schon älter als der Staat Israel. Wurzeln gehen auf das Jahr 1925 zurück. Hauptziel ist die Gründung eines palästinensischen Staates (ohne  Verhandlungen mit Israel, Dschihad für Palästina). Hamas ist wie ein Konzern bzw. Wirtschaftsimperium. Es gibt Einnahmen aus 30 bis 40 Firmen, die in der Türkei, Katar, Algerien, VAE und im Sudan tätig sind. Sie hat ca. 400 Mio. bis eine Mrd. Dollar. Ein großer Teil geht in die Kriegskasse. Die Hamas nutzt stark Kryptowährungen, vor allem Bitcoin. Spenden kommen aus dem Ausland (Algerien, Iran, Katar, Sudan, Türkei). Vgl. HB 214/ 8.11.23, S. 6f. Die Hamas hat auch Waffen in Europa in geheimen Verstecken gelagert. Im Dezember 2023 werden vier Hamas-Mitglieder in D und NL festgenommen. Die politische Führung der Hamas saß einst in Damaskus, heute auf Wunsch der USA in Doha. Militärchef ist Deif, der im Gaza-Streifen residiert. Der Hamas-Vize Saleh al-Aruri kommt im Januar 24 bei einem Drohnenangriff in Beirut ums Leben. Politbüro-Chef der Hamas  ist Ismael Hanija. Er gilt als Auslandschef der Hamas. Im April 2024 werden drei seiner Söhne und drei seiner Enkelkinder bei einem Angriff der israelischen Armee im Gaza-Streifen getötet. Israel wird die politischen und militärischen Fähigkeiten der Hamas nicht ganz zerstören können. Dazu fehlt eine langfristige Strategie. Netanyahu rückt vom Ziel eines vollständigen Sieges nicht ab, weil der fortgesetzte Krieg sein politisches Überleben sichert. Vgl. auch: Hoffer, Rewert: NZZ 15.4.24, S. 3. Aus Rafah im Süden des Gazastreifens kann die Hamas noch Ende Mai 24 Raketen auf Tel Aviv abschießen. Im Juli macht Israel einen Luftangriff im Gazastreifen gegen die Hamas-Chefs. Salamas, der Kommandant der Chan-Junis-Brigade , wird getötet. Wahrscheinlich. wurde auch der Anführer des militärischen Arms Mohammed Deif getötet (Israel erklärt ihn im August 24 für tot). Außerdem gibt es viele andere Tote. Ende Juli 2024 wird der Auslandschef der Hamas, Ismael Hanija (auch: Haniyyyeh), im Iran getötet (kurz vorher hatte er den neuen Präsidenten getroffen; mehrere Theorien über den Ablauf). Das ist eine große Schmach für den Iran. Neuer politischer Anführer und Auslandschef der Hamas wird Jihia Sinwar. Er war der Drahtzieher des Angriffs auf Israel am 7.10.23. Er gilt als ideologischer Fanatiker und gewiefter Stratege (er will möglichst viele zivile Opfer, mit ihm ist kaum Frieden möglich). Hamas hat die Fatah, die 1959 gegründet wurde, als wichtigste Gruppierung der Palästinenser abgelöst. Die PLO spielt aber immer noch eine Rolle. am 17.1024 tötet die israelische Armee den Hamas-Führer Yahya Sinwar in Rafah (Gentest bestätigt). Er war hochintelligent, sprach fließend Hebräisch und verantwortete den Angriff auf Israel vom 7.10.23 (1200 Tote, 250 Geiseln). Damit hat Israel ein wichtiges Kriegsziel erreicht.

Exkurs. Katargate: Im Dezember 2022 erschüttert der Korruptionsskandal "Katargate" die EU. Das Emirat hat mit allen Mitteln versucht, Entscheidungen der EU zu beeinflussen. Im Mittelpunkt steht der griechische Politstar Eva Kaili. Sie war Vize-Präsidentin des EU-Parlaments. Dem entgegen  steht die Rolle Katars als Vermittler, wenn islamische Gruppe oder Staaten beteiligt sind.

Israel: Lage in Asien. Dicht bevölkert. 9,3 Mio. Einwohner (2020; Jüdisch 73,9%, Arabisch 21,1%). 43.689 US-Dollar BIP pro Kopf. BIP-Wachstum 2021 +5,0% (Prognose). Einzige Land der Welt, in dem die Juden die Mehrheit haben. Hochentwickeltes Industrieland. 36. -größte Volkswirtschaft der Welt. OECD-Mitglied. Höchster Lebensstandard im Nahen Osten. UN-Human-Development-Index Platz 17 (2011). Währung: Schekel (neuer israelischer). Über 70 Prozent werden in Industrie- und Dienstleistungssektor erwirtschaftet. Wichtigste Industriezweige sind Militär- und Luftfahrttechnik, medizinische Elektronik, chemische Rohstoffe, Textil- und Schuhproduktion. Im Februar 2017 beschließt das Israelische Parlament ein Gesetz zur Enteignung von palästinensischem Privatland zugunsten jüdischer Siedler. Die Regierung nutzt den Wahlsieg von D. Trump. In New York wohnen die meisten Juden nach Israel. Immer mehr US-Juden beantragen nach dem Wahlsieg von Trump die deutsche Staatsangehörigkeit. Trump besucht im Mai 2017 Israel (eine Verlegung der Hauptstadt nach Jerusalem wird nicht befürwortet; er besucht als erster US-Präsident die Klagemauer). Im Juli 2017 gibt es eine Korruptionsaffäre um ein deutsch-israelisches U-Boot-Geschäft. Bei einem Anschlag an der Klagemauer werden zwei Polizisten im Juli 2017 getötet. Wegen Abriegelung der Al-Aksa-Moschee und des Felsendoms kommt es zu Protesten. Der israelische Regierungschef B. Netanyahu erreicht 2017 eine Rekordmarke an Korruptionsermittlungen (durch eigene Gesetze behindert er systematisch die Ermittlungen). Israel greift 2017 immer wieder Orte in Syrien an (Produktion von Waffen für Hisbollah). Der Streit und der Krieg werden 2017 quasi 100 Jahre alt. 1917 versprachen die Briten den Juden eine Heimstätte und den Palästinensern nicht ohne ihre Zustimmung zu handeln (Balfour-Deklaration). Das Tote Meer droht auszutrocknen. Jedes Jahr sinkt der Meeresspiegel um einen Meter. In 50 Jahren (ab 2017) könnte Schluss sein. Der Jordan wird so intensiv genutzt, dass im Toten Meer nur noch ein Rinnsal ankommt. Wegen Bahnarbeiten am Sabatt muss der ultrareligiöse Gesundheitsminister zurücktreten. Eine weltweite Kampagne macht Israel immer mehr zu schaffen. Seit 2005 gibt es die transnationale Bewegung "BDS (Boycott, Divestment and Sanctions)" gegen Israel. Sie wendet sich gegen die Politik des Staates und ist wohl nicht antisemitisch. Im Dezember 2017 wollen die USA ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen (Entscheidung, tatsächlicher Umzug erst in 3 Jahren). Das symbolisiert die Anerkennung der USA von Jerusalem als israelischer Hauptstadt. Es sind Unruhen  von Muslimen zu befürchten. Damit rücken Zwei-Staaten-Lösung und Friedensvertrag in weite Ferne. Ein Sondergipfel islamischer Staaten erkennt daraufhin Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines Palästinenserstaates an. Mit nur einer Stimme wird ein Sabbat-Gesetz beschlossen (keine Öffnung von Geschäften am Sabbat). Im März und April 2018 kommt es zu Unruhen im Gazastreifen. Anlass ist der 70. Jahrestag der Gründung Israels. Dieser ist am 14 Mai 2018. Die Regierung schlachtet die Feiern für sich aus und macht daraus ein Jubelfest für Netanyahu. Dutzende Palästinenser sterben am Gaza-Grenzzaun. Am 04.06.18 besucht der Ministerpräsident B. Netanyahu Deutschland. Beim Existenzrecht Israels ist man sich einig. Bei Iran geht es um den Weg, Atomwaffen zu verhindern (Israel ist für Sanktionen und gegen das Atomabkommen). Israel definiert sich  im Juli 2018 als jüdischer Nationalstaat. Hebräisch wird zur einzigen Nationalsprache. Damit werden die Araber, die etwa 20% ausmachen, diskriminiert. Das Ganze wird zum Gesetz. Im Oktober 2018 finden die 7. deutsch-israelischen Regierungskonsultationen in Israel statt. Es herrscht weiter Uneinigkeit über die Iran-Frage. Man will ein Jugendwerk gründen. Mitte November 2018 geht es um vorgezogene Neuwahlen (Rücktritt von Verteidigungsminister Liebermann). Ende November 2018 sind die Neuwahlen vorerst vom Tisch. Dann werden sie doch für den 9. April 2019 angesetzt. Ex-Generalstabschef Benny Gantz mit der neuen Partei "Chosen le Israel" könnte dem Likud-Block gefährlich werden. Netanyahu soll wegen Korruption angeklagt werden. Im Wahlkampf bekommt er Hilfe von D. Trump: Er will die Golan-Höhen als Territorium von Israel anerkennen, was er auch macht. Einen Raketenangriff auf die Golan-Höhen, beantwortet Israel mit Bombenangriffen. Netanyahu will Palästinensergebiete im Westjordanland annektieren (er will Stimmen am rechten Rand). Netanyahu ("König Bibi") steht vor seiner fünften Amtszeit (Likud-Partei mit bestem Ergebnis seit 2003; Gantz gleichauf, kann aber keine Koalition bilden). Die Koalitionsgespräche scheitern. Es drohen Neuwahlen, die kommen. Netanyahu kann kein Bündnis zwischen Rechten und Religiösen schmieden. Knackpunkt ist der Wehrdienst für ultraorthodoxe Juden. Die Neuwahlen sind im September 2019. Nach Raketen-Angriffen fliegt Israel Vergeltungsangriffe auf den Golan-Höhen im Juni 2019. Die Wähler aus der ehemaligen Sowjetunion haben das Land nach rechts gerückt. Von ihren Stimmen hängt auch der Sieg von Netanyahu ab. Er verkündet im September 19 Pläne, das Jordan-Tal und das nördliche Tote Meer zu annektieren. Bei der Parlamentswahl im September 2019 gibt es ein knappes Rennen: Gantz bekommt etwas mehr Stimmen. Der EuGH entscheidet im November 2019, dass Wein vom Golan kein israelisches Produkt ist. Er will eine Kennzeichnungspflicht für Waren aus den besetzten Gebieten. Im November 2019 gibt es gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Israel und dem Gazastreifen. Auf Raketenangriffe antwortet Israel mit Luftangriffen. Schließlich wird eine Waffenruhe vereinbart. Die Siedlungen im Westjordanland sind für die USA nicht mehr illegal. Sowohl Gantz als auch Netanyahu bringen 2019 keine Regierung zustande. Es muss zu Neuwahlen kommen. Es kommt zu einer Anklage gegen Premier Netanyahu. Er kommt wegen Korruption vor Gericht (Bestechung mit Geschenken). Er wird aber als Likud-Chef bestätigt. Er will die Palästinensergebiete annektieren. In der High-Tech-Industrie spielt das Militär eine zentrale Rolle. Die besten Köpfe sollen für die "Unit 8200" verpflichtet werden. Am 02.02.20 gewinnt Netanjahu die Wahl in Israel. Er liegt klar vorne und kann eine Mehrheit erzielen. Allerdings fehlen ihm am Ende zwei Parlamentsitze. Entweder kommt eine Koalition zustande oder es muss noch einmal gewählt werden. Teile von Gans einigen sich mit Netanyahu. Es kann eine Koalition gebildet werden. Gans wird Parlamentschef. Später soll er Netanyahu als Regierungschef ablösen (nach eineinhalb Jahren). Es gibt ein Veto-Recht bei Richtern. Man spricht von Einheits- bzw. Notstandsregierung. Am 25.05. beginnt der Prozess gegen Netanyahu (Betrug, Untreue, Bestechlichkeit, Luxusgeschenke). Im Juli 2020 wird Israel von einer zweiten Corona-Welle überrollt. Es kommt zu einem Wochenende - Lockdown. Die Regierung verspricht Hilfen. Die Wirtschaft ist am Boden. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 22%. Es kommt im September der gesamte Lockdown wieder. Die Wirtschaft droht mit zivilem Ungehorsam. Am 14.09.20 schließt Israel ein Abkommen mit den VAE und Bahrain. Damit wird eine Koalition gegen den Iran geschmiedet (+ Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien). Es formieren sich Gegner gegen den Lockdown (auch orthodoxe Juden, obwohl es für sie großzügige Ausnahmen gibt). Israel ist zerrissen. US-Außenminister Pompeo besucht im November 2020 Israel. Man richtet schon den Blick auf die neue US-Regierung. Anfang Dezember 2020 stimmt das Parlament für seine Auflösung. Es drohen schon wieder Neuwahlen. VAE, Bahrain, Sudan und Marokko erkennen Israel an und nehmen diplomatische Beziehungen auf. Saudi-Arabien wird folgen. Damit gibt es zwei Lager im Nahen Osten, jeweils geführt von Saudi-Arabien und dem Iran. Dritte Achse ist Türkei/ Katar. Ende 2020 scheitert die Koalition in Israel. 2021 kommt es zur vierten Wahl in zwei Jahren. Der angeschlagene Ministerpräsident Netanjahu versucht dem schnellen Impfen der gesamten Bevölkerung Boden gut zu machen (übersichtliche Größe, modernes Gesundheitssystem und Digitalisierung helfen). Dank Impfungen und grünem Pass öffnen Geschäfte und Fitnessstudios Ende Februar wieder. Die Parlamentswahl im März 2021 bringt wieder ein Patt. Am Gedenktag an den 7-Tage-Kireg im Mai 2021 häufen sich die Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israel massiv: Raketen aus dem Gaza-Streifen treffen Jerusalem. Israel schlägt mit der Luftwaffe zurück. Es entsteht ein militärischer Konflikt, der die fragile Koexistenz zwischen Arabern und Juden bedroht. Auf Druck der USA kommt es noch im Mai 2021 zu einem Waffenstillstand. Die USA treten weiter für die Zweistaatenlösung ein. Im Juni 2021 steht Israel vor einem Machtwechsel: Yair Lapid schmiedet eine Acht-Parteien-Koalition (mit Ämterrotation). Zuerst wird Naftali Benett Ministerpräsident (Rotation). Im April 2022 verliert die Regierung ihre Mehrheit wieder (eine Abgeordnete tritt aus). 2022 sind erstmals nach drei Jahren wieder Touristen und Pilger zu Ostern im Heiligen Land. Wegen Corona hatte Israel seine Grenzen vor zwei Jahren für Besucher geschlossen. Russische Oligarchen, die wegen westlicher Sanktionen die Länder verlassen müssen, sind in Israel willkommen. Israel scheint gegenüber den arabischen Israelis (Palästinenser) eine Apartheid-Politik zu betreiben (Ausgrenzung). 2022 wird eine Energiezusammenarbeit zwischen Deutschland und Israel vereinbart (auch Jordanien, VAE mit im Boot: Solarstrom, Solarkraftwerk, Wasserentsalzung). Im Juli 2022 besucht Biden Israel. Israel erhält die Überflugsrechte über Saudi-Arabien. Die Kämpfe zwischen der israelischen Armee und dem palästinensischen - islamistischen Dschiad eskalieren im Sommer 22. Ron Prosor wird im August 2022 neuer Botschafter in Berlin (vorher GB, UN). Er ist Sohn eines deutschen Juden aus Berlin (1958 in Kfar Saba geboren, Partnerstadt von Mülheim an der Ruhr). Im September 2022 besucht der Ministerpräsident Jair Lapid Berlin. Am 01.11.22 gibt es Neuwahlen. Die Wahlbeteiligung ist die höchste seit vielen Jahren. Das rechte bzw. rechtsextreme Bündnis gewinnt recht deutlich. Netanyahu dürfte wieder Regierungschef werden. Er kann eine rechte Koalition zustande bringen. Im Januar 2023 gibt es Großdemonstrationen gegen die Schwächung des Justizsystems. Netanyahu entlässt Innenminister Deri. Er war vom Obersten Gericht nicht zugelassen worden (kriminelle Vergangenheit). Die Konflikte in Jerusalem häufen sich (mit vielen Toten, in Ost-Jerusalem). Die Sanktionen gegen die Palästinenser werden härter (Maßnahmen gegen die Familien der Attentäter), die Israelis dürfen sich bewaffnen. Am 30. und 31.1.23 besucht US-Außenminister Blinken Israel.  Er ruft Israel zur Deeskalation auf. In der Negev-Wüste Israels eskaliert der Konflikt der neuen, stramm rechten Regierung und den Beduinen. Die wehren sich nicht nur gegen den Staat, sondern auch den Einfluss der Moderne. am 28.2.23 besucht Bundesaußenministerin Baerbock Israel. Sie ist besorgt wegen der Justizpläne. Im März 2023 besucht der israelische Premier B. Netanjahu Berlin. Auch Bundeskanzler Scholz äußert deutliche Kritik an der Justizreform. Ökonomen fürchten negative wirtschaftliche Folgen der Justizreform. Tech - Unternehmen könnten das Land verlassen. Dann würden besonders die Armen leiden (Ultraorthodoxe, arabische Israelis). Der Konflikt um die Justizreform verschärft sich im März 23: Der Verteidigungsminister ruft zum Stopp der Reform auf. Soldaten verweigern den Dienst. Der Verteidigungsminister wird entlassen. Netanjahu verschiebt die umstrittene Justizreform. Vor Ostern 23 kommt es zu Tumulten auf dem Tempelberg (vor allem in der Al-Aksa-Moschee). Am 25.4.23 wird der 75. Jahrestag der Staatsgründung gefeiert. Im Mai 2023 tötet Israel 3 Führer der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad. Daraufhin werden Hunderte Raketen aus Gaza auf Israel gefeuert. Im Juli 2023 gibt es eine Militäroperation in Dschenin im palästinensischen Gebiet. Die Rechtsextremisten in der israelischen Regierung gehen brutal vor. Die Massenproteste gegen die Justizreform gehen weiter. Die Knesset billigt am 24.7.23 das Gesetz zum Justizumbau. Das oberste Gericht muss entscheiden. Kritik kommt auch aus dem Militär. Die Gesellschaft ist tief gespalten und kaum noch zu versöhnen. Demokratie und Seele des Landes sind in Gefahr. Es erfolgt eine Annäherung zu Saudi-Arabien. Zunächst ist das nur wirtschaftlich, aber ein Abkommen könnte kommen. Israel beschwert sich über den deutschen Botschafter. Er war beim obersten Gericht, um das zentrale Verfahren zu beobachten. Anfang Oktober 2023 greift die Hamas im Gaza-Streifen Israel an. Tausende von Raketen unterstützen die Aktion. Tausende Menschen kommen ums Leben (sofort werden 700 Leichen gefunden). Viele Israeli werden entführt (über 150 werden als Geiseln genommen). Hintergrund dürfte das Abkommen zwischen Israel, Saudi-Arabien und den USA sein (Abrham-Abkommen). Israel schlägt massiv zurück, was auch wieder sehr viele Todesopfer fordert. Die Hispollah im Norden greift auch an. Im Hintergrund dürfte der Iran unterstützen. Israel bereitet eine Bodenoffensive vor (300.000 Reservisten). Der Gaza-Streifen wird abgeriegelt. Die EU stoppt vorerst Zahlungen an die Palästinenser; auch Deutschland legt alle Mittel auf Eis. Die USA beordern einen Teil der Flotte vor die Küste Israels, ebenso ein Luftwaffengeschwader.  Die israelischen Parteien bilden eine Notstandsregierung. Ende Oktober 2023 marschieren Bodentruppen in den Gaza-Streifen ein. Die humanitäre Lage der Palästinenser benutzen die Hamas als Druckmittel. Israels Armee rückt im Gaza-Streifen vor. Die Strategie scheint darin zu bestehen, den Norden vom Süden abzutrennen und zuerst unter Kontrolle zu bringen. Am 01.11.23 werden erstmals Ausländer, die noch in dem Gebiet sind, über Raffa außer Landes gebracht. Ansonsten verhindert Ägypten die Flucht von Palästinensern aus dem Gaza-Streifen.  Seit dem Überfall auf die Hamas eskaliert auch die Gewalt im Westjordanland. Viele Palästinenser fliehen vor Angriffen jüdischer Siedler. Israel rückt im Gaza-Streifen vor - und gerät politisch immer mehr unter Druck. Man dringt in die Al-Schifa-Klinik (größtes Krankenhaus) ein, weil dort das Hauptquartier der Hamas sein soll. Der Weltsicherheitsrat fordert längere Feuerpausen. Es wachsen die Hoffnungen auf eine Freilassung israelischer Geiseln im Gegenzug zu einer Feuerpause. Das Viereck zwischen Katar, Israel, Hamas und den USA bringt eine Feuerpause und einen Geisel-Austausch zustande. Dann sprechen wieder die Waffen. Die USA richten eine Mahnung an Israel, Zivilisten zu schützen (sie kritisieren die Kriegsführung mit massiven Luftanschlägen). Es ist eine "Apokalyptische" Lage im Gazastreifen. Die UN mahnt Israel zur Waffenruhe. Die Kritik an der Militärtaktik Israels wächst. Israels Oberstes Gericht stoppt im Januar 24 die Justizreform. Am 27.2.24 finden die Kommunalwahlen in Israel statt trotz des Krieges. Die Demonstrationen gegen die Regierung und Netanyahu werden immer mehr und größer. Benny Gantz geht auf Konfrontation zur Regierung und fordert Neuwahlen. Gantz verlässt auch das Kriegskabinett. Netanjahu löst im Juni 24 das Kriegskabinett auf. Die Wehrpflicht auch für orthodoxe Juden wird im Juni 24 beschlossen. Das dürfte die Regierung in Schwierigkeiten bringen. Die Tötung mehrerer Führer (Hisbollah, Hamas) 2024 könnte Vergeltung bringen. Es droht ein Krieg mit dem Iran und seinen Unterstützern. Einige Politiker in Deutschland und der Zentralrat der Juden fordern eine militärische Unterstützung Deutschlands für Israel. Militärisch ist die Abhängigkeit gegenseitig. Am 25.10.243 kommt der Gegenschlag von Israel (Bombardierung von Militäranlagen). Designierter US-Botschafter in Israel unter Trump ist Mike Huckabee. Israel hofft auf einen harten Kurs der USA gegen den Iran. Der internationale Strafgerichtshof erlässt Haftbefehl gegen Netanjayhu und Gallant (Verbrechen gegen Menschlichkeit und Kriegsverbrechen).  Eine berühmte Institution in Israel ist das Kibbuz. Das hebräische Wort bedeutet "Sammlung" (Versammlung, Gemeinde). Es ist ein ländliches Dorf, in dem die Bewohner ihr Eigentum teilen (der Sharing -Gedanke ist viel älter als viele glauben). Privateigentum gab es nicht. Arbeit wird unentgeltlich für das Kollektiv erbracht. Traditionell waren die Kibbuzim nicht besonders religiös wie überhaupt die Gründer des Staates eher säkular waren. Das ändert sich gerade. Viele Kibbuzim sind in der Krise, weil das Agrarmodell wirtschaftlich nicht mehr trägt. Man versucht, mit Dienstleistung und Tourismus neue Geschäftsfelder zu erschließen. 2014 gab es 272 Kibbuzim. Beim Besuch von Außenminister Gabriel Ende April 2017 droht es zum Konflikt zu kommen, weil Gabriel mit zwei regimekritischen NGOs sprechen will. Netanyahu sagt das Treffen mit Gabriel ab. 2017 hatte Israel 25% mehr Touristen als ein Jahr zuvor. Ende Februar 2018 wird die Grabeskirche aus Protest geschlossen (Kirchensteuer und Enteignungsmöglichkeit für Kirchenland). Kurz danach wird sie wieder geöffnet. Am 09.10.19 gibt es einen rechtsextremen Anschlag auf eine Synagoge in Halle/ Saale (zwei Tote). Netanjahu will die Spitze der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem mit einem berüchtigten ehemaligen General besetzen (Soldaten sollten besonders brutal gegen Palästinenser vorgehen). Der israelische Politiker Nathan Sharansky empfiehlt den 3-D-Test als Gradmesser für Antisemitismus: 1. Verteufelung (Dämonisierung). 2. Existenzrecht infrage gestellt (De - Legitimierung). 3. Andere Maßstäbe (Doppelstandards).

Exkurs. Gaza-Krieg und Ökonomie: Der Ökonom Zeira berechnet die Friedensdividende und den Wohlstandszuwachs, wenn Israel im Frieden mit den Nachbarn leben würde. Allein eine Reduzierung des verpflichtenden Armeedienstes von 32 auf 12 Monate ließe das BIP um um 4% ansteigen. Die Arbeitsproduktivität liegt wegen des Dauerkonflikt im Nahen Osten um 40% unter dem US-Niveau. Das Kapitalausstattung sei zu gering. Vgl. Silke Wettach: Die Ökonomie des Krieges, in: WiWo Nr. 45/ S.36f. Der Gaza-Krieg dürfte auch die letzten historischen Stätten zerstören. Viele Völker waren schon hier: die alten Ägypter, die Perser, das Volk der Philister und die Araber. Vieles ist zerstört oder überbaut. Krieg ruiniert in der Regel die Wirtschaft. Im 1. Weltkrieg verschlang der Krieg mehr als die Hälfte des deutschen BIP, im Zweiten Weltkrieg sogar zwei Drittel. Vgl. Plumpe, Werner: Wie Krieg die Wirtschaft ruiniert, in: WiWo 6/ 2.2.24, S. 43. Im Februar 2024 findet die israelische Armee einen Tunnel der Hams unter dem UNRWA-Sitz in der Stadt Gaza. Das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) und ihr Chef Philippe Lazzarini stehen in der Kritik. Viele Länder sperren die Finanzen. Die Militäroffensive auf Rafah im Süden könnte furchtbare Folgen haben. Israel ist trotz internationaler Warnungen zur Militäroffensive in Rafah entschlossen. Im UN-Sicherheitsrat wird im Februar 24 eine Resolution nach einer sofortigen Waffenruhe eingebracht. Die USA legen ein Veto ein, GB enthält sich. Das israelische Militär legt einen Evakuierungsplan für den Gazastreifen vor (Bodenoffensive in Rafah). Berlin bereitet im März 24 eine Luftbrücke in den Gazastreifen vor. Man beteiligt sich auch an der Seebrücke von Zypern aus, wo US-Militärs aber erst einen Hafen im Gaza-Gebiet anlegen müssen. Anfang April 2024  werden bei einem "unbeabsichtigten" Angriff auf eine Hilfsorganisation im Gazastreifen sieben unschuldige Menschen getötet. Bei Verhandlungen um eine Feuerpause und die Freilassung der Geiseln kommt Ende April 24 Bewegung. Delegationen treffen sich in Ägypten (auch in Saudi-Arabien wird verhandelt). Biden drängt beide Seiten auf eine Einigung. Die extremen Rechten in der Regierung Israels scheinen auf einem Einmarsch im Süden zu bestehen, so dass das politische Überleben Netanyahus wieder im Vordergrund zu stehen scheint. Die UN schätzen den Wiederaufbau in Gaza auf 37 Mrd. €. Die Welt schaut auf Rafah. Bisher gehen alle Verhandlungen über Waffenstillstand oder Frieden in Kairo ergebnislos zu Ende. Die Hamas nimmt den Plan von Katar und Ägypten an. Israel lehnt ab und leitet den Angriff auf Rafah ein. Der US-Präsident will keine schweren Waffen mehr an Israel liefern, wenn Israel die Bodenoffensive im Süden des Gazastreifens starten sollte. Die UN-Vollversammlung stärkt die Rolle der Palästinenser: Erweiterte Teilnahme an den Sitzungen, Prüfung der Vollmitgliedschaft. Es gibt eine Massenflucht aus der Grenzstadt Rafah. Israels Militär rückt weiter vor. Die Angriffe werden ausgeweitet. Der Internationale Gerichtshof stoppt Ende Mai 24 die Rafah-Offensive. Israel will sich nicht daran halten. US-Präsident Biden stellt einen Plan vor, der die Positionen von Israel und der Hams verbindet. Den Plan übernimmt dann der UN-Sicherheitsrat. Die Umsetzung ist aber weiterhin ungewiss. Noch interpretieren beide Seiten (Hamas, Israel) den Plan ganz unterschiedlich. In Israel wird die Frage immer lauter, ob die Armee im Gazastreifen die richtige Strategie verfolgt. Es gibt einen Dissens zwischen Armee und Regierung.  Es droht jetzt ein zweiter großer Krieg im Norden gegen die Hisbollah. Netanjahu scheint ihn auch zu wollen. Im Juli herrscht eine Hungersnot im Gazastreifen (Quelle: UN). Israel fordert die Bewohner der Stadt Gaza zur Flucht auf. Die Stadt soll "gesäubert" werden. Es werden sechs Geiseln tot gefunden. Die Proteste gegen die Regierung Netanjahu verschärfen sich. Es mehren sich die Stimmen in Israel, den Schwerpunkt des Krieges auf die Kämpfe mit der Hisbollah zu verschieben.

Exkurs. Israel und Palästinensische Gebiete (Zionismus): Der Berg Zion liegt im Südosten Jerusalems. Zionismus bedeutet die Heimkehr der Juden in ihre heilige Stadt Jerusalem und das umgebende Land. Im 19. Jahrhundert waren immer mehr europäische Juden antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt, so dass sich der Zionismus entwickelte. Oberstes Ziel war die Rückführung der auf der ganzen Welt verstreuten Juden in das Gebiet  zwischen Mittelmeer und Fluss Jordan bzw. Totes Meer. Es sollte einen Judenstaat geben (Schrift von Theodor Herzl 1860 - 1904). 1947 kam ein Teilungsplan der UNO. Darin war ein jüdischer Staat, ein arabischer Staat und internationales Gebiet vorgesehen. Nach dem Unabhängigkeitskrieg 1949 bildete sich der Staat Israel. Er dehnte sich 1967 nach dem Sechstagekrieg aus.1995 kam Oslo II, eine Annäherung zwischen Israel und den Palästinensern (das Abkommen scheiterte 2000). Heute gibt es den israelischen Staat. Daneben liegen palästinensische Autonomiegebiete und von Israel besetzte Gebiete. Im Westjordanland gibt es eine Zivilverwaltung, teils israelisch, teils palästinensisch (das Westjordanland war ursprünglich Jordanien angegliedert) . Die Situation hat also eine längere Vorgeschichte (auch Folgen europäischer Kolonialgeschichte für die Palästinenser, die oft nicht gesehen werden) die den Frieden fern erscheinen lässt. Seit Jahrzehnten halten  Netanyahu und die Hamas sich gegenseitig am Leben. Es war ein effektiver Weg, die Zweistaatenlösung zu verhindern. Ende Dezember 23 verlangt der UN-Sicherheitsrat mehr Hilfe für Gaza. Die USA setzen ihr Vetorecht nicht ein. Die Niederländerin Sigrid Kaag wird UN-Beauftragte für den Wiederaufbau des Gazastreifens. Südafrika reicht eine Völkermordanklage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof ein. Das Un-Gericht entscheidet: Israel muss in Gaza hilfe zulassen. Die USA, EU und Deutschland sind für die Zweistaatenlösung. Israel ist gegen einen Palästinenserstaat. Wann er kommen wird, ist nur eine Frage der Zeit. Es gibt steigenden Druck auf Israel, auch von der UN. Erstmal wollen sich alle indirekt tangierten Staaten zusammensetzen ohne die Konfliktparteien Israel und Palästinenser. Ein Grundproblem ist, dass die Palästinenser keine funktionierende Vertretung mehr haben. Hamas und Islamischer Dschihad werden nicht anerkannt. Die PLO und die PA sind zu schwach. Anfang 2024 stoppen viele länder - auch Deutschland - ihre Palästinenser-Hilfe. Mehrere Mitarbeiter des UNRWA seien beim Angriff der Hamas auf Israel beteiligt gewesen. Bei den Verhandlungen über neue Feuerpausen zeigt sich, das die USA nur noch in einer Nebenrolle sind. Die regionalen Mächte Katar, Ägypten und Saudi-Arabien treiben die Gespräche voran. Bei der Ankunft von Hilfsgütern werden viele Palästinenser den Tod gefunden. Weltweit fordern Politiker Aufklärung. Die Forderungen nach Waffenruhe werden immer drängender. In Anbetracht des Wahlkampfes in den USA muss Biden reagieren. Das Militär soll einen  Hafen für Hilfsgüter errichten. Deutschland beteiligt sich an einer Seebrücke nach Gaza, die von Zypern aus startet. Die Lage der Menschen wird immer verzweifelter. Bei einem Besuch im März 2024 von Scholz in Israel redet er Netanjahu ins Gewissen. Die Dienstpflicht für strenggläubige Juden ist eine jahrzehntelange Streitfrage. Der Krieg hat sie hochbrisant gemacht. Die Regierung steht vor einem Dilemma. Entweder verabschiedet sie ein Gesetz, dass auch die Ultraorthodoxen in die Pflicht nimmt - oder sie riskiert, dass das Oberste Gericht eine Gleichbehandlung durchsetzt (am 27.3.24 gegen Fortsetzung der Praxis). In beiden Fällen droht ein Rückzug der Haredim aus der Regierung. Vgl. NZZ 20.3.24, S. 5. Im März 2024 fordern die USA und die EU eine sofortige Feuerpause in Gaza, auch über den UN-Sicherheitsrat.  eine Waffenruhe scheitert am Veto von China und Russland. Doch noch im März 24 fordert der UN-Sicherheitsrat einen Waffenstillstand. Es gibt kein Veto der USA gegen die Gaza-Resolution. Ein Angriff des Iran auf Israel im April 24 ändert die Situation (über 300 Drohen, Raketen, Marschflugkörper). 99% können von einer Allianz (USA, GB, Frankreich, Jordanien u. a. mit Israel ) abgefangen werden. Das Kriegskabinett beschließt einen Gegenschlag. Außenministerin Baerbock reist am 17.4.24 nach Israel Sie will im Auftrag der EU mäßigend auf Israel einwirken (auch die USA sind gegen einen großen Gegenschlag). Der Gegenschlag kommt am 18./ 19.4. und trifft insbesondere Militäranlagen um Isfahan. Die USA billigen ein Hilfspaket in Höhe von 26 Mrd. US-$. Gleichzeitig werden Sanktionen gegen ein umstrittenes Bataillon im Westjordanland verhängt. Immer mehr Staaten wollen eine Zweistaaten-Lösung erzwingen und erkennen deshalb Palästina an (Norwegen, Spanien, Irland). Das Parlament in Israel lehnt im Juli 2024 die Gründung eines Palästinenserstaats ab. Diplomaten wollen in letzter Minute einen Krieg zwischen Iran und Israel in letzter Minute verhindern. Die USA setzen neue Gespräche über eine Waffenruhe in Gaza durch. Jordanien startet eine Vermittlungsmission. Viel Zeit bleibt nicht. Es gibt jetzt auch israelische Großeinsätze im Westjordanland (Dritte Front). Eine zunehmende Radikalisierung ist zu beobachten. Israel stoppt nicht die Siedlungsprojekte im Westjordanland. Sie verstoßen eindeutig gegen das Völkerrecht und werden auch von Deutschland verurteilt. In Jerusalem gibt es auch Gebiete, die die islamischen Länder für sich beanspruchen: Al-Aqsa-Moschee und Haram asch-Scharif (Tempelberg).  "Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg". Mahatma Gandhi.

Ägypten: 112,72 Mio. Einwohner. Hauptstadt Kairo. BIP 475,23 Mrd. US-$. Das einstige Musterschwellenland ist ökonomisch total zurückgefallen. Das Militärregime ist sehr brutal (brutaler Sicherheitsstaat). Eine bessere Zukunft ist noch nicht zu erkennen. Armut und Arbeitslosigkeit wachsen. Die Arbeitslosigkeit erreichte 2013 ihren Höhepunkt mit 13,2% (2017 11,2%). Das Land hat fast 100 Mio. Einwohner und ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas (rasch wachsende Bevölkerung). Das BIP pro Kopf liegt bei 2861 € (2014). Das Wirtschaftswachstum betrug 2015 4,2%. Die Infrastruktur auf der Sinai-Halbinsel soll 2018 verbessert werden. Das Land hat Angst, dass der neue Staudamm in Äthiopien das Wasser des Nils abgraben kann. Am 26.03.2018 wird ein neuer Präsident gewählt. Es gibt keine Alternative (Gegenkandidat) zu Al-Sisi. 2018 zieht das Land wieder mehr Urlauber an (+37%), eine wichtige Stütze der Wirtschaft. 78 Todesurteile werden im Herbst 2018 bestätigt. Es gibt einen Bildungs- und Beschäftigungspakt mit Deutschland und einigen seiner großen Konzerne (2017). Zusätzlich fand im Frühjahr 2018 eine Konferenz "integratives Wachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen" mit Zentralbank und IWF statt. Anfang November 2018 gibt es einen Anschlag auf Christen (Kopten). 19 Islamisten werden hingerichtet. Es gibt immer wieder Anschläge auf Touristen. So auch im Mai 2019 auf einen Bus. Mitte 2019 ist  Präsident Al-Sisi 5 Jahre im Amt. Die Erfolge sind ausgeblieben. Mittlerweile lebt jeder Dritte unter der Armutsgrenze. Die hohe Inflationsrate trifft besonders die Ärmeren. Die Freiheit der Menschen ist weiterhin sehr eingeschränkt. Im Sommer entsteht eine Art "Me-Too-Bewegung". Auslöser ist eine Vergewaltigung. Smartphones und Internet helfen der Bewegung. Im Sommer 2020 bereitet das Land eine mögliche Invasion in Libyen vor. Der außenpolitische Einfluss des Landes ist zurückgegangen. Die alte Bundesregierung genehmigt noch kurz vor Abtritt (Dezember 21) Rüstungsexporte in das Land (Kriegsschiffe, Luftabwehrsysteme). Ägypten importiert 80% seines Weizens aus der Ukraine und Russland. Der Krieg treibt die Lebensmittelpreise in einsame Höhen. Die Regierung muss Tafeln einrichten. Laut FAO können sich 80% der Ägypter keine ausgewogene Ernährung mehr leisten. 2023 droht ein Wirtschaftskollaps. Die Landeswährung hat ein neues Rekordtief erreicht (das Pfund verlor gegenüber dem US-Dollar mehr als die Hälfte an Wert). Man betreibt eine  Politik der hohen Kreditaufnahme: höchste Turm Afrikas, breiteste Schrägseilbrücke. Sisi setzt alles auf das Militär, um seine Macht zu erhalten. Ägypten ist ein wichtiger Vermittler im Nahost-Konflikt. Insofern hat es die USA im Rücken. Regimegegner werden hart bekämpft. Im August 2023 wird der Ägypter Elady bei der Einreise verhaftet. Seine Tochter, die als Ärztin in Frankfurt lebt, hatte Sisi persönlich hart kritisiert bei einer Pressekonferenz mit Merkel. Im Dezember 23 sind Präsidentschaftswahlen in Ägypten. Sisi hat keine echten Gegenkandidaten, so dass die Wahl nur Formsache ist. Die Wirtschaftslage des Landes ist katastrophal:  Inflation von bis 60%, Staatsgeld fließt vor allem in Prestigeprojekte. Der Diktator Abdel Fattah al-Sisi geht einer dritten Amtszeit bis 2029 entgegen. Das hat auch mit dem Krieg in Gaza zu tun.  Al-Sisi wird mit großer Mehrheit wieder gewählt (ehemaliger Armeechef, 2013 demokratischen Präsidenten Mursi gestürzt). Die Angriffe der Huthis aus dem Jemen auf die Schifffahrt durch das Rote Meer treffen Ägypten hart. Weil die Schiffe andere Wege fahren, fehlen die hohen Einnahmen vom Suez-Kanal. Deshalb würde sich das Land auch an einer militärischen Schutzflotte (USA, EU u. a.?) beteiligen. Ägypten fürchtet 2024 den Angriff Israels auf Rafah. Hunderttausende Flüchtlinge würden versuchen, auf ägyptisches Staatsgebiet zu entkommen. Die Regierung in Kairo droht Israel auch mit dem Ende des Friedensvertrages.  2021 wird das neue, prächtige Nationalmuseum eröffnet: 22 Mumien werden vom Ägyptischen Museum am Tahir - Platz in das neue Museum transportiert in einer Parade. Darunte rauch Mumien, die um die 300 Jahre alt sind (Ramses II., Hatschepsut). Die Zeremonie sollte an einen antiken Grabzug erinnern.

 VAE (Vereinigte Arabische Emirate, Arabische Halbinsel): Föderation von sieben Emiraten. Die Fäden laufen in Abu Dhabi zusammen. Anfang Februar 2019 besucht als erstes Oberhaupt der katholischen Kirche Papst Franziskus die arabische Halbinsel drei Tage. In Abu Dhabi, der Hauptstadt, trifft er Vertreter des gemäßigten Islam. Der Papst fordert von allen Religionen mehr Einsatz gegen Gewalt und Ungleichheit. Die VAE haben großen Einfluss, auch auf die Politik Saudi-Arabiens. Sie verfolgen im Inneren auch eine ähnlich konservative und rigide Ausrichtung. Im Juli 2020 starten die VAE die erste arabische Marsmission. Sie starten mit einer japanischen Rakete von Japan aus mit US-Technik. Ab Februar 2021 soll die Sonde Wetterdaten vom Mars liefern. Das Projekt heißt "Hope" und soll Jugendliche für Naturwissenschaften begeistern. Im August 2020 nehmen die VAE normalediplomatische Beziehungen zu Israel auf (Israel verzichtet auf die Annexionspläne für Teile des besetzten West-Jordanlands). Damit entsteht im Grunde genommen eine neue Allianz gegen den Iran: Strategische Allianz von Israel, Saudi-Arabien, Bahrain und VAE (+ Jordanien, Ägypten) Sofort heben die VAE ihr Gesetz zum Boykott Israelischer Waren von 1972 auf. Die VAE haben die niedrigste Wochenarbeitszeit der Welt. Sie sind auch ein Steuerparadies. Scheich Muhammad bin Zayid Al-Nahyan ist der Herrscher von  den VAE (er gilt als reicher als Bezos und Gates zusammen). Er hat eine britische Militärausbildung, ist Autokrat und 2023 62 Jahre alt. Er steht der USA-Regierung (und dem Westen) nah, auch den Muslimbrüdern. Er erkennt Israel an und will den Ölpreis stabil halten.

Dubai ist ein Emirat in den VAE und gleichzeitig die größte Stadt. Das Emirat wurde 1833 gegründet. Es besitzt das größte Solarkraftwerk der Welt und will damit später auch grünen Wasserstoff produzieren (in 10 Jahren). Das Kraftwerk heißt Energy One. Man arbeitet mit Heerscharen von Gastarbeitern. Die kommen aus Indien, Pakistan und Bangladesch. Ihre Löhne sind viel höher als im Heimatland. Sie leben aber unter sehr einfachen Bedingungen (6-Bett-Zimmer in Hütten). Dubai versucht technologisch ganz oben zu sein. Die Welle wird von Frauen getragen. Es gibt ein Zentrum für Hochtechnologie. Man hat eine Marsrakete abgeschickt. 2022 gibt es einen starken Zustrom von reichen Russen. Kuwait macht bei den Sanktionen nicht mit. Die Russen profitieren auch von der Aufwertung des Rubel (Folge der hohen Energiepreise und der Sanktionen des Westens). Die Emirate wollen auch KI-Macht werden. Der Golfstaat zieht Tech - Firmen an und umwirbt auch deutsche Unternehmen.

Kuwait: Sehr ölreicher Staat. Größter Teil Wüste. Golfemirat. Hauptstadt: Kuwait-Stadt, 32.000 Einwohner. Gesamteinwohnerzahl 600.000. Autokratisch regiert, aber mit gewähltem Parlament und einer vom Emir bestimmten Regierung. Fühlt sich den Palästinensern eng verbunden und unterhält einer der größten palästinensischen Flüchtlingsgemeinden. In Sachen Israel dürfte man erst mal abwarten. Sabah al-Ahmed al-Sabah führte das Land von 2006 bis 2020 (starb mit 91). Nachfolger wird der 83-jährige Halbbruder Sheikh Nawaf al-Ahmed. Mittlerweile sitzen im Parlament auch zwei Frauen. Der Staat ist relativ liberal. Die Wasserknappheit ist extrem. Nur 8% der Fläche sind überhaupt landwirtschaftlich nutzbar. Man arbeitet mit vertikalen Gewächshäusern (Vertical Farming). 120.00 Menschen in Kuwait sind ohne Rechte. Sie haben die Registrierung versäumt. Sie sind daran unschuldig, weil sie Beduinen, also Nomaden, waren. Sie gelten heute als Staatenlose und leben in Wellblechhütten. Sie haben keine Ausweise und keine Führerscheine. Sie sind eine tickende Zeitbombe.

Oman: Die Hauptstadt ist Maskat. Nach einem halben Jahrhundert an der Macht stirbt Anfang 2020 Sultan Qabus ibn Said al-Said. Nachfolger wird sein Cousin Haitham bin Tarik. Der Oman gilt wegen seiner "neutralen" Politik als die Schweiz des Nahen Ostens. Das Land wurde von einem rückständigen Land zu einem modernen Staat ausgebaut. Der verstorbene Sultan hat Oman auch zu einem Reiseland gemacht, das zugleich konservativ und weltoffen ist. Der Nachfolger will die stabile Lage bewahren. Im Westen gilt das Land als offen und liberal. Der Oman hat die einzige deutsche technische Uni im arabischen Raum: German Technology University. Frauen werden stark gefördert. Es gibt keine Pflicht zum Schleiertragen. 2022 leidet der Oman unter einer Rezession: Arbeitslosigkeit, insbesondere Jugendarbeitslosigkeit. Man führt eine Mehrwertsteuer ein und beschränkt die Staatsausgaben. Als vorbildlich gilt die Energy Development. Sie will die Transformation zu alternativen Energieformen gestalten. Es gibt ein Gleichstellungsgesetz, was dazu geführt hat, dass viele Frauen Führungspositionen in technischen Bereichen innehaben (in Kulturen, in denen Frauen eher unterdrückt werden, ist Mint  angesagt). In den Bergen Omas haben Menschen über zwei Jahrtausende eine Überlebenstechnik perfektioniert, die heute von drängender Aktualität ist: In extremer Trockenheit zu wirtschaften. Vgl. Habekuss, Fritz: Hüter des Wassers, in: Die Zeit 14/ 30.3.23, S. 35. Wirtschaftsminister Habeck sieht im Oman ein großes Potential als Wasserstoffproduzent (Fläche, Sonneneinstrahlung, gute Windlagen).

Oman und Ibadismus: Der Ibadismus ist eine religiöse Sondergemeinschaft des Islam. Sie sind weder Sunniten noch Schiiten. Sie gehören zu den Charidschiten, die jede Zuordnung ablehnen. Sie sehen sich als Erben der Muhakkima. Das ist eine eigene Rechtsschule. Der Name geht auf Abdullah Ibn Ibad zurück, dessen Identität im Dunkeln bleibt. Die meisten Angehörige der Religion leben im Oman (45% der Bevölkerung). Im Zentrum stehen die vier Wege der Religion: Hervortreten, Verteidigung, Selbstaufopferung, Geheimhaltung. Die Anfänge liegen in der Stadt Basra. 747 gründen die Ibadiden auch Sanaa. Vgl. Amir Ennami: Studies in Ibadism, Muscat 2008. Die Ibadiden sind eher tolerant und erlauben gemeinsames Beten aller Gruppen des Islam. Der Oman wird auch immer mehr ein Ziel für Urlauber. Dei Gebirgslandschaft ist ein Eldorado für Aktivurlauber. Selbst in den Sommermonaten herrschen auf 2000 Meter Höhe angenehme Temperaturen.

Bahrain: Königreich im Persischen Golf (Konstitutionelle Monarchie), König Hamad bin Isa Al Chalifa. 1,78 Mio. Bevölkerung; Fläche 760 Quadratkilometer; über 30 Inseln im Persischen Golf; Schnittpunkt von Handelsrouten; Hauptstadt Manamah. Verwaltungsgliederung: 4 Bezirke. Währung: 1 Bahrain-Dinar = 1000 Fils. Religionen: Islam, Christentum, Judentum u. a. BIP: 38,87 Mrd. US-$ (2021). Wachstum BIP: 2,2%. Inflation: -0,6%. Export: vor allem Erdöl. 2020 Normalisierung zu Israel (mehrere Abkommen). 2024 beginnt man, Tourismus aufzubauen.

Jordanien: Das Land hat ca. 10 Mio. Einwohner. Es hat über eine Million syrischer Flüchtlinge aufgenommen. Das Land ist hoch verschuldet. Im Juni 2018 tritt der Premierminister Hani Al-Mulki zurück (Proteste wegen Erhöhung der Unsatzsteuer und Streichung von Subventionen für Brotpreise). Der König ernennt Omar al-Rassas (früherer Bildungsminister und Ökonom der Weltbank) zum Nachfolger. Finanzhilfen aus dem Westen halten Jordanien stabil. Dadurch sind auch die Machthaber abgesichert. Jordanien hat weder Öl noch Gas. Am wichtigsten ist seine Lage. Im November 2018 fluten Unwetter die antike Stadt Petra. Mittlerweile ist Jordaniens wichtigster Wirtschaftszweig Internationale Hilfen. Dadurch könnte eine Subventionsmentalität gefördert werden. Der Staatssektor ist schon stark aufgebläht. 2022 gärt es im jordanischen Königshaus. Es besteht ein Konflikt zwischen dem Monarchen und seinem Halbbruder. Der wurde als Kronprinz abgesetzt (angeblich Putschpläne). Für den Westen ist und war Jordanien immer sicherer Partner in einen unruhigen Region. Im Januar 2024 gibt es einen Drohnenangriff auf dort stationierte US-Truppen. Drei Soldaten sterben. Biden kündigt Vergeltung an.

Syrien: 2011 beginnt der Syrienkonflikt mit einem Volksaufstand gegen Präsident Baschar al-Assad. Mit Hilfe Russlands und des Iran gewann Assad die meisten Gebiete zurück. Ein Vierer-Gipfel Ende Oktober 2018 soll einen Neustart bringen. In Istanbul verhandeln Erdogan, Putin, Macron und Merkel. Es geht um die künftige stattliche Ordnung. Die Waffenruhe wird unterstützt, auch in Idlib. Man hofft auf baldige Rückkehr von Millionen Flüchtlingen. Die USA fordern deutsche Truppen für Syrien (Bodentruppen und Ausbildungskräfte für die Kurdenregion). Die Regierungsarmee rückt im August 2019 gegen Chan Schaichun in Idlib vor. Die Rebellenhochburg könnte bald fallen. Auch die Türken marschieren in Gebiete ein, die vorher von Kurden und den  USA kontrolliert wurden. Das ist durch den Abzug von US-Truppen möglich geworden. Die Türkei kündigt die Abschiebung von IS-Anhängern aus Deutschland an und macht dies. Vor allem IS-Frauen werden nach Deutschland abgeschoben. Im Januar 2020 endet das UN-Mandat für Nahrung in Syrien. Nur noch zwei Grenzübergänge von der Türkei nach Syrien sollen offen bleiben (so Russland, China). Ansonsten soll Syrien selbst die Verteilung übernehmen. 2020 gibt es in Syrien Proteste gegen die Regierung. Es geht rapide mit der Wirtschaft bergab. Die Währung verfällt. Assad droht drakonische Strafen an (wer Geschäfte mit ausländischen Währungen macht, soll Zwangsarbeit leisten). Die Regierungstruppen, die wie Nomaden durch das Land ziehen, plündern die Bevölkerung aus. Im März 2020 geraten türkische Truppen, die auch Islamisten unterstützen, und syrische Truppen, die von Russland unterstützt werden, in Idlib aneinander. Schließlich einigt man sich mal wieder auf einen Waffenstillstand. Sysrien wir dvon zwei mächtigen Sippen beherrscht (das geht in den Medien unter). Die eine sind die Assads, die anderen die Makhloufs. Sie stehen sich direkt in Damaskus gegenüber. An dem Veto Chinas und Russlands scheitert eine Initiative im Juli 2020, Hilfslieferungen nach Syrien aufrecht zu erhalten. Damit werden Millionen von Syrern wachsendem Hunger ausgeliefert. Der heimliche Herrscher im Land ist der Iran (unterstützt von Russland und China). Im Februar 2021 wird erstmals in einem Prozess außerhalb Syriens ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter wegen Folter/ Beihilfe zu Verbrechen mit einer Haftstrafe von vier Jahren belegt. Der Prozess findet in Koblenz nach dem Weltrechtsprinzip statt (erster Prozess überhaupt). Weitere Verfahren stehen an. Biden befiehlt am 26.2.21  seinen ersten Militärschlag (Luftangriffe) auf pro-iranische Milizen in Syrien, die vorher Raketen auf amerikanische Stellungen abgefeuert hatten. Nach zehn Jahren (2021 rückwärts) liegt das Land in Trümmern. Hunderttausende Menschen sind tot, Millionen geflüchtet. Diejenige, die geblieben sind, hungern. Die UN macht im März 2021 wieder eine Geberkonferenz: Der Bedarf wird auf 8,5 Mrd. € geschätzt. Es soll nur für die Hungernden sein. Man will auf keinen Fall mit Aufbauhilfen das Regime unterstützen. Das ist ein Dilemma. Es kommen dann insgesamt 5,3 Mrd. € zusammen, 1,7 davon aus Deutschland. Vgl. Reuter, Christoph: Zehn Jahre Angst, in: Der Spiegel Nr. 11/ 13.3.21, S. 78ff. Im September 2021 werfen die UN Assad Krieg gegen das eigene Volk vor. 2022 wird aufgedeckt, dass Assad in gigantischem Ausmaß in den Handel mit synthetischen Drogen verwickelt ist. Ermittler aus Deutschland konnten aufdecken, wie der Machthaber von Deals profitiert. Captagon - Einnahmen finanzieren das Regime mit. Vgl. Der Spiegel. In und nach der Erdbeben-Katastrophe treibt Assad Machtspiele. Er ist zurück im Rampenlicht. Der Nordwesten Syriens blieb ragelang ohne Hilfe. Es wurde Wegzoll für das Passieren von Hilfsgütern gefordert. Assad fordert auch wieder die Aufhebung westlicher Sanktionen.   Nr. 25/ 18.6.22, S. 78ff. Deutschland stellt Geld für die Erdbebenopfer zur Verfügung (ca. 40 Mio. €). 2023 kommt es zu Luftkämpfen über Syrien zwischen Russland und den USA. Wegen russischer Störmanöver schicken die USA zusätzliche Kampfjets nach Nahost. Russland will die USA hinausdrängen. 2023 brodelt es wieder in Syrien. Es erschallt wieder der Ruf weg mit dem Regime. Die Menschen protestieren gegen schlechte Lebensbedingungen, steigende Preise und die Regierung. Im September 23 besucht Assad China. Er hat die Unterstützung des Landes, was auch den wachsenden Einfluss Chinas in Vorderasien zeigt. In Syrien nimmt die Gewalt im Herbst 2023 seit Wochen deutlich zu. Es ist eine Eskalation im Schatten des Gaza-Krieges. Russland untergräbt die Friedensbemühungen der UN. Putin will die Macht für Assad sichern und so seinen Einfluss in Nahost. Es gibt 2024 wieder intensivere Kämpfe.  Anfang April 2024 macht Israel einen Angriff auf eine Gruppe iranischer Offiziere in Damaskus.  Im Februar 2023 erschüttern zwei schwere Erdbeben die Türkei und Syrien. Sie sind in der Grenzregion zwischen beiden Ländern. Es starben über 25.000 Menschen, viele sind unter den Trümmern noch verschüttet. Aus der ganzen Welt trafen Hilfsangebote ein. Es ist schwierig für Helfer, in Syrien zu agieren (Infrastruktur, Genehmigungen). Die Gebiete werden auch zum Teil von Kurden und dem IS kontrolliert. Präsident Assad versucht, die Katastrophe für seine Interessen zu nutzen: Er fordert die Aufhebung der Sanktionen. In Syrien selbst sind 5,3 Mio. Menschen betroffen. Insgesamt mit der Türkei sind es 23 Mio. Menschen.

Irak: Die Bundeswehr stoppt im Mai 2019 vorläufig das Training für Soldaten des Irak. Die Bedrohung durch die Iran-Krise wird als zu groß angesehen. Die USA ziehen Diplomaten ab wegen der Sicherheitslage. Seit Oktober 2019 wollen Unruhen nicht enden. Die Proteste gegen Korruption und Misswirtschaft haben das ganze Land erfasst. Die Ausbildungsmission der Bundeswehr wird wohl eingestellt. Die USA und der Iran geraten im Irak immer mehr aneinander. Das iranische Parlament fordert im Januar 2020 den Abzug aller ausländischer Truppen. Die USA wollen das Geld, das sie in die Infrastruktur gesteckt haben, zurückfordern. Es gibt 2020 immer wieder Raketenangriffe des Iran auf Militärbasen im Irak. Dabei werden auch US-Soldaten verletzt, die ins US-Hospital nach Landstuhl ausgeflogen werden. Am 21.01.21 kommt es zu einem schweren Anschlag in Bagdad. 32 Menschen kommen ums Leben. 2022 besteht die Gefahr für einen Bürgerkrieg. Im Irak stehen sich Iran - treue Kräfte und Anhänger des Predigers al-Sadr gegenüber. 2024 will die Regierung, dass Zehntausende Vertriebene aus den Flüchtlingslagern in Kurdistan in ihre Heimat zurückkehren. Es sind vor allem Jesiden. Der Konflikt zwischen PKK und der Türkei bedeutet aber für die Jesiden eine permanente latente Bedrohung.  Zwischen Irak und Iran gibt es Sümpfe am Zusammenfluss zwischen Euphrat und Tigris, dem mutmaßlichen Garten Eden der Bibel. Hier lebten einst 500.000 Angehörige der Ma`dan. Heute sind noch 10.000 übrig. Ihre künstlichen Inseln errichten sie mit Stangen aus getrocknetem Schilf sowie Querlagen aus Schilf und festgetretenen Schlick. Auch ihre Häuser bestehen aus Reet.

Kurdistan: Früher waren die Kurden auf vier Staaten verteilt: Türkei, Syrien, Irak, Iran. Durch die Kriege, den Zusammenbruch des Irak und Syriens und durch die sozialen Medien besinnen sich die Kurden immer mehr auf ihre Macht und wollen einen Staat gründen. Die Militäroffensive der Türkei wird die Kurdenfrage nicht lösen. "Die einzigen Freunde der Kurden sind die Berge", Arzu Yilmaz, Politikwissenschaftlerin.

Jemen: 34,45 Mio. Einwohner. Hauptstadt Sanaa. BIP 20,64 Mrd. US-$. Seit 2015 herrscht Bürgerkrieg im Jemen. 2018 erlebt das Bürgerkriegsland einen Absturz seiner Währung. Nahrungsmittel, Medikamente und sauberes Wasser werden unbezahlbar. Hunger und Seuchen greifen um sich. Saudi-Arabien und der Iran führen einen Stellvertreterkrieg. Wahrscheinlich steht am Ende die Teilung des Landes. Auch 2019 gibt es noch zahlreiche Exporte an Kriegswaffen an die Jemen-Kriegsallianz (Länder , die in den Krieg verwickelt sind, eigentlich Embargo für Rüstungsexporte). Im Februar 2021 gibt e seine neue Initiative zu Jemen. Der UN-Sonderbeauftragte Martin Griffiths reist in den Iran. Vorher hatten die USA unter Biden Kontakt zu Saudi-Arabien aufgenommen. Es gibt eine Geberkonferenz der UN für den Jemen im Februar 2021. Es kommen 1,4 Mrd. € zusammen. Das ist weniger als die Hälfte der angestrebten Summe. Besonders bedrohlich ist die Hungersnot. 20 Mio. Menschen, zwei Drittel der Bevölkerung, sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Der Al-Quaida-Ableger Aqap (Rückkehrer aus Afghanistan) hält einige Gebiete besetzt (Abyan). 2022 eskaliert der Krieg. Die gesamte arabische Halbinsel wird zum Krisengebiet. Raketen schlagen in Abu Dhabi ein. 2023 führt die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran - auf Vermittlung Chinas - zu Verhandlungen. Es kommt zunächst zu einem Gefangenenaustausch. Der Krieg währt schon acht Jahre. Ein wirklicher Frieden ist noch nicht in Sicht. Aber Saudi-Arabien möchte raus (am Anfang des Krieges desaströse Fehleinschätzung). Im November 2023 entführen die Huthi - Rebellen im Jemen einen Frachter der unter der Fahne der Bahamas fährt, aber israelisch sein soll. Ende 2023 beschießen die Huthi-Rebellen Tanker und Frachter in der Meerenge von Bab-al-Mandeb (zwischen Rotem Meer und Golf von Aden) mit Drohnen und Raketen. Die USA suchen Partner für den Schutz. Viele Redereien leiten ihre Frachter schon um. Die Huthis wollen sich für den Gaza-Krieg rächen. Die Energiepreise steigen. Die USA rufen die Operation "Prosperity Guardian" ins Leben, an der sich die EU beteiligt. Die Militärpräsens im Roten Meer wird verstärkt. Dann greifen die USA und GB die Huthi-Miliz im Jemen im Januar 2024 an (16 stansorte, Unterstützung von Australien, Bahrain, Kanada, Niederlande). Der Militärschlag ist eine Reaktion auf Attacken gegen Handelsschiffe im Roten Meer. Die Lage im Nahost wird noch angespannter. Die EU will sich an der Marinemission zum Schutz des Roten Meeres beteiligen. Dei Einwohner des Jemen kämpfen ums nackte Überleben. Eine Hungersnot droht.

Exkurs. Huthi: Sie kontrollieren weite Teile des Jemen, vor allem den Nord-Westen. Sie kam einst als Guerilla-Truppe aus den Bergen. Sie sehen sich als Mitglied der selbsternannten "Achse des Widerstands" (gegen Israel und den Westen sowie Saudi-Arabien, VAE). Sie beherrschen den asymmetrischen Krieg zu Land und zu Wasser. Sie werden vom Iran finanziert und unterstützt. Sie sind aber politisch eigenständig. Sie haben eine eigene Regierung und einen Fernsehsender (Al-Masirah). Sie sind aber in erster Linie eine militante Bewegung. Es gibt sie seit Jahrzehnten. Sie haben schon mehrere Aufstände gegen die Führung in Sanaa gemacht. 2014 übernahmen sie dort die Kontrolle. Sie sind Schiiten. Die anderen Teile des Landes werden von Regierungskräften (unterstützt von Saudi-Arabien) und Al-Kaida (Ableger AQAP, Südküste und Norden) kontrolliert. Es droht eine Hungersnot. Im Januar 2024 bombardieren die USA und GB die Huthi oder sie beschießen Stellungen mit Raketen. 13 Orte werden angegriffen. Sie wollen die militärischen Möglichkeiten schwächen, weil die Huthi Container-Schiffe angreifen, die durch den Suez-Kanal fahren wollen. Die Huthi haben auch russische und chinesische Schiffe im Visier. Das könnte zu iranischem Druck führen. Die EU-Staaten beteiligen sich an der Militäroperation im Roten Meer. Deutschland schickt die Fregatte "Hessen" zum Schutz der Schifffahrt. Die EU schickt vier Schiffe. Im Februar 2024 treffen die Huthis den Frachter "Rubymar", der mit brennbarem Dünger beladen ist. Das Schiff läuft mit Wasser voll und es bildet sich ein 29 km langer Ölteppich. Es droht eine Umweltkatastrophe. Die Fregatte "Hessen" fängt Drohnen der Huthis ab.  Im August 2024 wird wieder ein Öltanker beschossen und lahm gelegt. Um eine Umweltkatastrophe zu verhindern, erlauben die Huthis Bergungsaktionen ohne Beschuss. Im Roten Meer werden auch im Herbst 24 nach wie vor Schiffe von den Huthi - Rebellen angegriffen und versenkt. Trotzdem leiten viele Reeder ihre Flotten nicht um. Die Krise ist ein lukratives Geschäft, weil Container fehlen und die Preise stark gestiegen sind. Vgl. Die Zeit 12.9.24, S. 19. Im September 24 greift Israel Huthi - Stellungen an, weil Raketen von dort auf Israel geschossen werden.

Algerien: 45,61 Mio. Einwohner. Hauptstadt Algier. BIP 195,42 Mrd. US-$. Der Präsident A. Bouteflika will 2019 bei den Wahlen wieder antreten, obwohl er schwer krank ist. Sicherheitskräfte gehen gegen Demonstranten vor, die dagegen demonstrieren. Über 200 Menschen werden verletzt. Der Präsident sitzt seit 2013 im Rollstuhl. Nach den wochenlangen Protesten verzichtet der Präsident auf eine fünfte Amtszeit. Das Militär fordert Ende März 2019 die Absetzung des Präsidenten. Im April 2019 tritt er zurück. Nachfolger wird Tebboune.

Tunesien: In dem Land entstand die Demokratie-Revolution (Nelkenbewegung, Arabischer Frühling) in Nord-Afrika. Bei der Präsidenten-Wahl im September 2019 wird die politische Klasse abgestraft. 2011 musste Tunesiens Diktator Ben Ali fliehen (hat vorher 20 Mrd. Dollar aus dem Land geschafft). Seinen Lebensabend verbringt er in Saudi-Arabien. 2022 befindet sich das Land in einer schweren Wirtschaftskrise. Der Präsident lässt über eine neue Verfassung abstimmen. Der Präsident will mehr Macht. Entsteht eine neue Diktatur? Ende 2022 stürzt Tunesien in eine tiefe Krise. Es gibt ein Fiasko bei der Parlamentswahl. Nur knapp 9 % stimmen ab, das sind ca. 800.000. Immer mehr Tunesier fliehen (die meisten nach Italien). Präsident Kais Saied lässt Oppositionelle verhaften. Er hetzt auch gegen Flüchtlinge. Die Europäer halten sich mit Kritik zurück. Sie brauchen den Autokraten im Kampf gegen illegale Migration. Vgl. Schröder, T. u. a.: Gut und Böse verdreht, in: Der Spiegel 18/ 29.4.23, S. 86ff. Der Präsident baut weiter seine Macht aus und sucht jetzt die Nähe von Russland. Millionen fließen aus Europa in den tunesischen Sicherheitsapparat. Stärkt der Westen ein Regime, das Menschen unterdrückt und zunehmend in die Flucht treibt? Vgl. Der Spiegel 2/ 5.2.24, S. 86ff. Im Herbst 2024 will der Amtsinhaber Saied seine Wiederwahl sichern. Er lässt die Konkurrenz wegsperren. Der Flüchtlingsdeal schützt ihn  vor der Kritik der EU. Saied wird mit rund 91% der Stimmen wiedergewählt. Nun hat er die alleinige Macht, muss aber auch Erfolge vorweisen. Vgl. Der Spiegel 42/ 12.10.24, S. 93

Marokko: Königreich. 37 Mio. Einwohner. Hauptstadt Rabat. Wichtige Städte: Casablanca, Tanger, Marakesch, Agadir. BIP 2021 114 Mrd. US-$. Im September 2023 sucht ein schweres Erdbeben das Land heim. Zentrum ist die Region um Marrakesch. Seltsamerweise lehnt das Land internationale Hilfe aus vielen Ländern ab. Die Kritik an König Mohammed VI. wächst. Er wirkt auf viele Untertanen desinteressiert. Er glänzt häufig mit Abwesenheit. Es wird der blick auf einen Staat gelenkt, der überfordert ist.

Libyen: 6,89 Mio. Einwohner. Hauptstadt Tripolis. BIP 44Mrd. US-$. Noch vor der UN-Friedenskonferenz im April 2019 droht ein Bürgerkrieg. Der einflussreiche General Haftar marschiert auf Tripolis vor. Im Juli 2019 sterben bei Luftangriff 44 Migranten. Das ist in einem überfüllten Flüchtlingslager nahe der Hauptstadt Tripolis. Die UN machen die Truppen von General Haftar dafür verantwortlich. Libyen ist 2019 zum Hauptdurchgangsland für Schwarzafrikaner, die nach Europa wollen, geworden. Im Land sind die Migranten vor allem ein lukratives Geschäft für die verfeindeten Milizen. 2020 schließt die Türkei ein Abkommen mit Al-Sarradsch. sie könnte dann auch Truppen entsenden. Es geht auch um Interessenszonen im Mittelmeer (Erdgasvorkommen nahe Kreta). Sarradsch genießt den Rückhalt der Uno, Italiens, Katars und der Türkei. Haftar zählt auf Ägypten, die VAE, Saudi-Arabien, Russland und Frankreich. Im Januar 2020 kommt eine Waffenruhe zustande. In Berlin soll im Januar 2020 (19.1.) eine Konferenz zum Libyenkonflikt stattfinden. Berlin ist dabei im Ausnahmezustand (unter anderem Macron, Johnson, Conte, Erdogan, Putin, Pompeo, Al-Sisi). Es wird ein gemeinsamer Plan beschlossen: Die Waffenruhe soll zu einem Waffenstillstand führen. Das Waffenembargo soll respektiert werden. Es soll eine politische Lösung gefunden werden (in einem langjährigen Prozess). Deutschland will ein weiteres Flüchtlingsdrama verhindern. Das Waffenembargo bleibt jedoch brüchig. Es gibt erhebliche und zahlreiche Verstöße. Die EU will das Waffen-Embargo militärisch im östlichen Mittelmeer überwachen, ohne Flüchtlinge aufzunehmen. Die Intervention der Türkei aufseiten der libyschen Einheitsregierung bringt eine Niederlage für den Rebellengeneral. Es droht eine direkte Konfrontation der Türkei mit Russland und den Emiraten. Am 23.10.20 wird ein Waffenstillstand für das Land geschlossen. Die Konfliktparteien wählen Anfang Februar 2021 eine neue Übergangsregierung. Diese soll den Weg zu Wahlen im Dezember ebnen. Am 23.6.21 findet wieder eine Libyen-Konferenz in Berlin statt. Es geht um den Abzug ausländischer Truppen. Etwa 20.000 ausländische Soldaten sind im Land. Im Februar 2022 ernennt das Parlament einen neuen Regierungschef. Der Amtsinhaber will aber nicht weichen. Man treibt in Richtung eines neuen Bürgerkriegs. Der Machtkampf zwischen rivalisierenden Gruppen nimmt zu. Im September 2023 trifft ein Unwetter das Land. Zwei Deiche brechen, so dass eine Flutkatastrophe schwere Folgen hat. Am schlimmsten ist das ostlibysche Darna betroffen. Mehr als 11.00 Menschen sterben. Eine Miliz des libyschen Warlords Khalifa Haftar fängt im Mittelmeer Flüchtlinge ab und schleppt sie nach Libyen. Frontex und maltesische Küstenwache helfen dabei (2023).

Libanon: 5,35 Mio. Einwohner. Hauptstadt Beirut. BIP: nicht ermittelbar. Der Staat entstand 1920 unter einem französischen Völkerbundmandat. Es gibt viele kleine Religionsgemeinschaften (unter anderem Drusen, Maroniten, Christen, schiitische und sunnitische Muslime). Der Libanon galt einst als die Schweiz des Nahen Ostens: gebirgig und wohlhabend. Politisch war das Land schon immer ein Pulverfass. Zwischen 1975 und 1990 bekämpften sich verschiedene Religionsgruppen in einem Bürgerkrieg. 1991 wurde Syrien Besatzungsmacht. 2005 zog man sich zurück. Der Iran unterstützt die Schiiten (Hisbollah). Er steht 2019 vor einer Staatspleite. Umstritten ist, inwieweit der langjährige Chef der Zentralbank Riad Salame dafür verantwortlich ist. Er wollte um jeden Preis die Währung stabil halten. Auch die Bundesregierung verschärft 2019 das Vorgehen gegen die libanesische Hisbollah-Miliz. Im Dezember 2019 kommt es zu großen Unruhen. Protestiert wird gegen die Eliten, die das Land nicht aus der Krise bringen. Die Staatsverschuldung liegt über 150%, öffentliche Leistungen werden nicht mehr erbracht (Müll, Verkehr). Die Währung verfällt. Das Land wird alleine nicht den Weg aus der Krise schaffen. 2020 droht ein Zahlungsausfall: Das Land zahlt seine Schulden nicht (170% des BIP). Fällige Anleihen werden nicht zurückgezahlt. Kommt eine Umschuldung? Anfang August 2020 erschüttert eine riesige Explosion Beirut. Es gibt mindestens 140 Tote und 5000 Verletzte. Wahrscheinlich ist explosives Material die Ursache. Rettungsteams aus aller Welt - auch ais Deutschland - helfen. Der Staat offenbart damit sein Totalversagen und hat das Vertrauen der Bürger verloren. Sie setzen allenfalls noch Hoffnung auf Frankreich. Der libanesische Regierungschef kündigt Neuwahlen an. Er will die Demonstrationen beruhigen. Eine internationale Geberkonferenz organisiert 253 Mio. € Soforthilfe. Benötigt werden Nahrungsmittel und medizinische Hilfe. Es gibt Anzeichen für einen Zerfall der libanesischen Regierung (sie tritt dann auch geschlossen zurück). Aber die alte Elite wird die Macht vorerst behalten. Das Land wird vom Proporz gelähmt. 18 Glaubensgemeinschaften sind anerkannt. Nach dem Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 einigte man sich auf den Proporz. 2022 häufen sich im Land die Probleme. In dem Ukraine-Krieg bleiben die Getreidelieferungen aus der Ukraine aus. Man kann kaum noch Brot backen. Die Menschen hungern schon. Die Inflationsrate liegt bei 100%. Bei den Wahlen im Mai 2022 sinkt die Wahlbeteiligung auf 41%. Die Protestbewegung und Gegner der Hisbollah haben Zuwächse. Ende Oktober 2022 schließen Israel und der Libanon  ein Abkommen zur Seegrenze im Mittelmeer auf Vermittlung der USA ab, Damit haben beide Länder ungefähr gleich große Erdgasvorkommen. 2022 haben die Libanesen Probleme, an ihre Konten heranzukommen. Wegen der Finanzkrise sind viele gesperrt. Immer wieder werden deshalb Banken überfallen. Der Staat im Land scheint nur noch Fassade zu sein. Die letzten Reste bröckeln und machen den Blick frei auf ein skrupelloses Machtkartell. Es herrscht eine Kultur der Straflosigkeit. Vgl. Ehrhardt, Christoph: Im Land der schlafenden Hunde, in: FAZ 6.2.23, S. 3. Es herrscht 2023 eine der schlimmsten Wirtschaftskrisen, die die Welt je gesehen hat. Nicht zuletzt leiden auch die vielen Flüchtlinge aus Syrien. Die Korruption ist das größte Übel im Libanon. Viele Menschen verlassen Beirut frustriert. Vgl. Neue Züricher Zeitung 12.7.23, S. 7. Neben der großen Wirtschaftskrise funktioniert auch das Bankensystem nicht mehr. Leidtragende sind Bürger, die ihr Geld den Institutionen anvertraut haben - und nicht mehr an ihre Ersparnisse rankommen. In Folge gibt es aus diesem Grunde sogar Bankraube. Das Land ist in der Dauerkrise. Durch den Gaza-Krieg 2023 droht eine militärische Eskalation. sollte die Hams vor einer Niederlage stehen, könnte die Hisbollah in den Krieg eintreten. Tausende sind schon aus dem Süden geflohen. Sie fürchten, dass der Krieg ihnen folgt. Die Menschen fühlen sich hilflos ausgeliefert. Es sind andere Mächte in der Region, die über ihre Zukunft entscheiden. Deutschland zahlt Geld an den Libanon für die Armee. 2024 werden 15 Mio. € zur Verfügung gestellt. Die Armee des Landes soll sich besser aufstellen können, damit sie zwischen Israel und Hisbollah de - eskalieren kann. Mitte 2024 drohen Angriffe aus Israel auf den Libanon. Eine schnelle Evakuierung von Deutschen aus dem Libanon ist eher unwahrscheinlich (über Syrien geht nicht, Hafen kaputt, Luftverkehr gesperrt). Wegen des Krieges mit Israel fliehen 2024  30.000 Menschen. Nach Angaben des Ministerpräsidenten Nadschib Mikati sind 1 Mio. Menschen auf der Flucht. Israel bereitet für Oktober 24 eine Bodenoffensive vor. Man beginnt mit "begrenzten" Bodeneinsätzen (erstmals wieder seit zwei Jahrzehnten). Am 24.11.24 findet in Paris eine Länderkonferenz zur Unterstützung des Libanon statt. 70 Länder nehmen teil. Deutschland stellt 70 Mio. € in Aussicht.    Das Land verdiente an Giftmüll. Große Mengen lagern mittlerweile im Hafen von Beirut. Deutsche Firmen sollen den Müll 2021 beseitigen. Das Problem wurde durch die große Explosion 2020 virulent.

Exkurs. Hisbollah (Partei Gottes, auch Hizbullah): Es ist eine Miliz im Libanon, die von dem Iran aufgebaut und finanziert wird. Man spricht auch von Schiiten-Miliz. Sie hat faktisch die Macht im Libanon. Ihr Chef ist Hassan Nasrallah. Sie ist mit der Hamas verbündet, die im Gaza-Streifen agiert. Anfang Januar 2024 wird der Vize-Leiter des Politbüros der Hamas Saleh al-Aruri in Beirut getötet. Die Welt hat Sorge vor einer Ausweitung des Gaza-Konflikts. Um eine Eskalation zu minimieren, ließ Israels Regierung schon im Oktober 23 die Bewohner grenznaher Ortschaften evakuieren. Es sind 80.00 Menschen, die zurückkehren wollen und Netanyahu unter Druck setzen. Wenn die Hisbollah angreift, käme Israel wohl komplett zum Erliegen (Flughäfen, Häfen, Militärbasen, Kraftwerke). Dann müsste man auch begrenzt einmarschieren. Vgl. Der Spiegel 2/ 5.1.24, S. 75. Anfang Januar 2024 lässt Israel einen Kommandeur der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah gezielt töten durch eine Drohne, nämlich Wissam al-Tauil. Er war Kommandeur der Radwan-Truppen, einer Eliteeinheit (von Iran durch Revolutionsgarden ausgebildet).  Diese Truppe muss sich laut UN hinter den Litani-Fluss zurückziehen. Mit begrenzten Attacken wollte die Hisbollah Israel zermürben. Doch Israel treibt mit seiner High-Tech-Überlegenheit die Miliz in die Enge. Seit Oktober 23 wurden 270 Hisbollah-Leute zielgenau durch Drohnen oder Raketen getötet. 2024 im Gaza-Krieg steigen die Spannungen zu Israel. Es droht ein Krieg, den beide Seiten nicht wollen. Ende Juli 2024 wird der Kommandeur der Hisbollah im Süden Beiruts von Israel mit Raketen angegriffen und getötet. Vorher hatte die Hisbollah 12 Jugendliche durch einen Raketenangriff auf die Golanhöhen getötet. Die Hisbollah schießt in der Folge immer wieder Raketen und Drohnen auf Israel. Am 25.8.24 gibt es einen Großangriff auf Israel. Hunderte Raketen und Drohen werden abgeschossen. In Israel wird der Ausnahmezustand verhängt. Die Lage im Nahen Osten bleibt angespannt. Die Hisbollah will aber offenbar den großen Krieg vermeiden. Sie hat den Libanon voll in der Hand, obwohl nicht alle hinter ihr stehen. Am 17. September 2024 explodieren massenweise Pager (internes Kommunikationssystem ohne Ortung) bei der Hisbollah. Die Funkempfänger waren wohl von israelischen Geheimdienst bei der Sendung aus Taiwan bzw. abgefangen oder schon in der Fabrik manipuliert und mit Sprengstoff bzw. Überhitzung versehen worden. 2700 Menschen werden verletzt und 9 kommen um. Am 18.924 folgt ein ähnlicher Anschlag. Diesmal explodieren Walkie Talkies. 12 Menschen kommen ums Leben und über 2000 Menschen werden verletzt. Experten vermuten, dass Israel die Kommunikationsbasis der Hisbollah zerstören will, bevor es einen Angriff startet  Präventivschlag vor Militäroperation. Am 20.9.24 tötet Israel durch einen Angriff in Beirut 10 Kommandeure der Hisbollah, darunter die Nummer 2 Ibrahim Aqil (Spezial- und Eliteeinheiten). Es kommt zu den schwersten Gefechten seit einem Jahr. Israel greift immer neue Hisbollah-Ziele an mit vielen Toten als Folge (es gibt den Vorwurf eines "Vernichtungskrieges"). Der Iran weist wohl ein Hilfegesuch der Hisbollah zurück. Der neue iranische Präsident Masoud Pezeshkian hat kein Interesse an einem Krieg mit Israel. Schließlich tötet Israel auch den Chef der Hisbollah Nasrallah Ende September 24. Ebenso erwischt es den zweiten Mann Nabil Kauk und weitere Führer. Nachfolger von Nasrallah wird wahrscheinlich sein Cousin Haschem Safieddin. Auch der neue mögliche Nachfolger von Nasrallah Haschim-Safi-al-Din soll getötet worden sein (bei einem Angriff auf das Geheimdiensthauptquartier der Hisbollah in Beirut). Eine Bodenoffensive Israels wird  vorbereitet. Sie findet auch im Oktober 2024 als begrenzte Operation statt. Die Hisbollah soll so geschwächt werden, das sie den Norden Israels nicht mehr bedrohen kann. Sie steht unter großem Druck. Übergangsführer ist im Oktober 24 Naim Oassem. Vgl. FAZ 10.10.24, S. 5. Israel greift die Finanzstruktur der Hisbollah an (Banken, Bunker mit Bargeld und Gold). Im November 2024 wird Naim Kassim neuer Anführer der Hisbollah.

Südafrika: 2013 betrug das BIP 351 Mrd. US-$ (Wachstum 2014: 1,5%). Das Land ist nach Nigeria die zweitgrößte Volkswirtschaft Afrikas und Mitglied der G20. Es hat ca. 52 Mio. Einwohner. 2014 taumelt das Land in eine Wirtschaftskrise. Arbeitslosenquote 2014 25%. Der Rand, die Währung, reagiert mit großen Verlusten (Abwertung). Dadurch wird die Verschuldung noch teurer. Fitch stuft die Kreditwürdigkeit herab (BBB). Flügelkämpfe der Regierungsparteien lähmen die Politik. Andere afrikanische Länder sind noch bei den Entwicklungsländern behandelt. Heftige Stromausfälle 2015. Auch 2016 steckt Südafrika noch in der Wirtschaftskrise fest. Die Arbeitslosigkeit wächst weiter (über 25%). Die Landeswährung verliert weiter an Wert, die Inflation gallopiert.  Das Land hat auch eine Immobilienboom, von dem fast nur Weiße profitieren. Zwischen 1995 und 2000 sank das durchschnittliche Einkommen um 40%. Mehr als eine Million Weiße verließen das Land. Südafrikas Präsident Jacob Zuma und die befreundete Gupta-Familie plündern die Staatskasse aus. Am 15.12.17 beginnt der Parteitag des Afrikanischen Nationalkongresses. Es geht um die Ablösung von Jacob Zuma als Parteichef und um die Zukunft der einst ehrwürdigen Befreiungsbewegung Nelson Mandelas. Einige Delegierte reisten mit viel Bargeld an, um Stimmen kaufen zu können. Gewählt wird Cyril Ramaphosa als ANC-Chef. 2018 steht Zuma vor dem politischen Aus. Der neue Parteichef soll Staatspräsident werden. Am 14.02.18 tritt Zuma schließlich zurück. 2018 herrscht in Teilen des Landes eine der schlimmsten Dürrekatastrophen (z. B. in Kapstadt). Nachdem Ramaphosa Präsident geworden ist, geht erst mal die Börse wieder nach oben. Im Land geben noch immer weiße Firmenchefs und weiße Farmer den Ton an. So bekommt der Mandela-Kult Kratzer. 2018 würde Mandela 100 Jahre alt. Es gibt Feierlichkeiten, vor allem am Mandela -Denkmal in Howick (hier wurde Mandela 1962 verhaftet und dann 27 Jahre im Gefängnis gehalten). Südafrika ist zunehmend im Griff einer Wasserkrise. Als weltweit erster Großstadt dürfte Kapstadt bald das Wasser ausgehen. Man spricht vom "Day Zero". Die Sanierung und der Ausbau der Wasserinfrastruktur ist dringend notwendig. Im Frühjahr 2018 einigt man sich bei der Entschädigung der Minenarbeiter: Es kommt zu einem außergerichtlichen Vergleich. 400 Mio. US-$ sind für Tausende Bergarbeiter vorgesehen, die an Lungenkrankheiten leiden (Staublunge, Tuberkulose). Schätzungen gehen von bis zu 100.000 Anspruchsberechtigten aus. Südafrikas Ex-Präsident Zuma soll 2019 auf Staatskosten Liedgut aus dem Befreiungskampf intonieren. Er braucht das Geld dringend. Im April 2019 findet man in einem Bunker bei der Villa von Ex-Präsident Zuma 30 Mio. Dollar, die er für den früheren libyschen Machthaber Gaddafi verwahren sollte. Mitte 2019 erschüttert eine Crowd-funding-Geschichte Südafrika: Ein schwarzer Tankwart leiht einer weißen Autofahrerin das Geld für den Tankinhalt. Diese eröffnet auf den Tankwart ein Crowd-funding-Konto. 30.000 € (430.000 Rand) kommen zusammen. An einem einzigen Wochenende werden in dem Land durchschnittlich 20 Frauen vergewaltigt, ermordet und verscharrt. Südafrika ist ein führendes Agrarland. Es sind dort Pestizide  von Bayer und der BASF zugelassen, die in der EU verboten sind. Infolge der strikten Ausgangssperre kommt es immer öfter zu Zusammenstößen zwischen der hungernden Bevölkerung in den Armenvierteln der Townships und den Sicherheitskräften. Plünderungen von Alkohol- und Lebensmittelläden häufen sich. Der Präsident hat ein umfangreiches Hilfspaket angekündigt (24 Mrd. €, wirtschaftliche Folgen der Corona-Krise). In der Corona-Krise wird Rauchen verboten. Es ist Prohibition. Erstmals in der Geschichte bittet das Land den IWF 2020 um finanzielle Hilfe. In der Corona-Krise erhält der Staat auch 3,6 Mrd. €. Politiker fürchten den Verlust der politischen Souveränität. Aber auch notwendige Strukturreformen (öffentlicher Dienst, Arbeitsmarkt, HQA)  könnten aufgeschoben werden. Südafrika ist das Land mit der höchsten Ungleichheit in der Welt (Gini-Index von 63). Süd-Afrikas Ex-Präsident Zuma wird die Vielehe zu teuer. Er muss Unterhaltszahlungen sparen. 2021 scheint er am Ende seiner Tricks angekommen zu sein. Er hat das Land ausgeplündert.  In Staatsbetrieben wurden Lakaien eingesetzt. Seit 2018 ist er nicht mehr im Amt. 2021 droht ihm die Verhaftung. Die Beweislast ist erdrückend. Südafrika hat ab 2021 hohe ausbleibende Impfungen, hohe Arbeitslosigkeit (30,8% 2021) und ein massives Schuldenproblem (84,4%). Nach der Inhaftierung von Ex-Präsident Zuma gibt es zahlreiche gewalttätige Ausschreitungen. Über 200 Einkaufszentren werden geplündert. Es drohen Versorgungsengpässe. Die Gewalt greift auf weitere Regionen über. End e2021 stirbt Bischof Tutu. Der Volksheld, Menschenrechtler und Friedensnobelpreisträger wird in einem Mausoleum der St. - Georgskapelle in Kapstadt beigesetzt. Ein Feuer hat am 02.01.22 Südafrikas Parlament verwüstet. Im Mai 22 steigen die Corona-Neuinfektionen sprunghaft an. Es gibt große Sorgen wegen der Omikron-Version. Ende Mai 2022 besucht Bundeskanzler Scholz Südafrika. Man macht aus: Südafrika liefert Kohle und Deutschland hilft bei erneuerbaren Energien. Das Land hatte nicht gegen Russland in der UN gestimmt. Staatspräsident Cyril Ramaphosa gerät unter Druck. Er hatte hohe Devisenbeträge im Sofakissen. Sein Amt soll er gekauft haben (mit 28 Mio. €). Eine Richtergruppe glaubt seinen abenteuerlichen Erklärungen nicht. Die Südafrikanische Regierungspartei ANC gerät immer wieder in Verruf. 2022 müssen Beobachter für die Teilnahme beim Parteitag eine Gebühr zahlen. Südafrikas Präsident Ramaphosa hat seinen Ruf wohl endgültig verspielt. Er wird vom "Büffel" zur Witzfigur. Seit Jahren leiden die Menschen in Südafrika (vor allem in Johannesburg) unter Stromausfällen. Es gibt oft stundenlang keinen Strom. Südafrikas Stromkrise offenbart den desaströsen Zustand des Landes. Der staatliche Stromkonzern Eskom scheint von einer Mafia beherrscht zu sein. Im Juni 2023 reist Außenministerin Baerbock nach Südafrika. Sie versucht, das Land vom russlandfreundlichen Kurs abzubringen. Im November 2023 gibt es neue Facetten der Gewalt. Es gibt zunehmend Überfälle auf Minister, trotz Personenschützer. Im Januar 2024 kommt der gefallene Held Pistorius frei. Die Behörden versuchen, das nächste Medienspektakel zu verhindern. 2024 steht Südafrika fest an der Seite der Palästinenser im Gaza-Krieg. Israel wird vor dem Internationalen Gerichtshof verklagt. Weil Deutschland an der Seite Israels steht, gibt es Proteste gegen Deutschland in Südafrika. In zahllosen Städten und Gemeinden kollabiert 2024 die Infrastruktur. In machen Regionen fiel der Strom phasenweise aus. Überall im Land protestieren die Leute deshalb immer wieder. Die junge Generation will mit den Helden des Widerstands gegen die Apartheid abrechnen. Bei der nächsten Wahl soll alles anders werden. Am 27.4.24 jähren sich die ersten freien Wahlen zum 30. Mal.  Vgl. Schaap, Fritz: Wut der frei Geborenen, in: Der Spiegel 18/ 27.4.24, S. 78f. Die Bürger wenden sich von der Regierungspartei ANC ab. Sie könnte die absolute Mehrheit verlieren. Man spricht von Staatsversagen (Korruption, hohe Arbeitslosigkeit, schlechte Infrastruktur). Der Ex-Präsident Jacob Zuma macht mit seiner Splitterpartei MK zusätzlich das Leben schwer (Vorliebe für Stammesklüngel und Feudalherrschaft). Der aktuelle Präsident Ramaphosa kommt ins Wanken. Der ANC verliert die absolute Mehrheit. Mit etwa 40% der Stimmen muss er eine Koalition bilden. Die findet er dann bei der Democratic Alliance (DA). So kann es eine zweite Amtszeit für Ramaphosa geben. Es ist eine Einheitsregierung der Gegensätze. Aber Ramaphosa gilt als ausgezeichneter Verhandler. So kommt es dann auch zu einer historischen Regierungsbildung in Südafrika. ANC und DA bilden eine Koalition. Nach 100 Tagen im Amt bekommt Präsident Ramaphosas Einheitsregierung gute Noten. Es herrscht Aufbruchsstimmung in Südafrika. Vgl. Der Spiegel 43/ 19.10.24, S. 96.  2017 lobt die deutschstämmige DA-Politikerin Helen Zille den Kolonialismus. Damit ist ihre Karriere wohl beendet und ihre Partei hat große Probleme. Eine Art Symbol ist in Johannesburg das Hochhaus Ponte (mit 173 m das höchste Gebäude auf der südlichen Erdhalbkugel). Ursprünglich durften dort nur Weiße wohnen. Dann wurde es zum Symbol von Niedergang und Kriminalität (Stadtteil Hillbrow). Heute ist es vom vertikalen Slum zum ehrenwerten Haus geworden. Im November 2018 besucht es Bundespräsident Steinmeier.

Australien ("Lucky Country", Down Under): Der Erdteil bzw. das Land hat 23,5 Mio. Einwohner (Verteilung: Stadt 86%, Land 14%). Die Fläche liegt bei 7 692 024 Quadratkilometer (Weltrang 6). Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt bei 64 863 US-$. Das BIP lag 2017 bei 1323 Mrd. US-$. Weitere Daten: Arbeitslosenquote 5,7%; Inflationsrate 2,5%; Wachstum 2,4% (alle Daten von 2013). Es droht ein Abschwung; der Boom endet. Schuld ist die Flaute im Bergbau, vor allem beim Eisenerz (Preisverfall). Mit den Minen leiden die Zulieferbetriebe. Das zweitwichtigste Exportgut, die Kohle, ist durch den Klimawandel bedroht (ebenfalls Preisverfall). Der Anteil am Welthandel (Exporte) beträgt 1,3%. Die Nähe zu China ist Chance und Risiko zugleich für die australische Wirtschaft. Australien hat eine Rekordwirtschaft. 26 Jahre (von 2017 zurückgerechnet) besteht Wirtschaftswachstum. Grundlage ist der Rohstoffreichtum und kluge Reformen. In der Flüchtlingspolitik ist das Land rigoros. Es gilt ein Punktesystem. Illegale Einwanderer werden gesammelt und mit Schiffen auf irgendeiner Insel ausgesetzt. Am 26. Januar ist der Nationalfeiertag in Australien. An diesem Tag 1788  erklärte Gouverneur Arthur Phillip im Hafen von Sydney das Land zum Besitz der britischen Krone als New South Wales. Für die Ureinwohner, die Aborigines, ist das sicher kein Feiertag, sondern eher ein Tag der Trauer. Der zehnte Report 2018 über die Lücke zwischen den Ureinwohnern und der Rest der Bevölkerung zeigt immer noch große Diskrepanzen in der Lebensqualität. 2018 kommt es zu einer Regierungskrise. Premierminister Turnball muss um das Amt fürchten. Sein Nachfolger wird der vorherige Schatzkanzler Scott Morrison. Australien hat einen besonders hohen Anteil an Saisonarbeit. Dies werden in erster Linie unqualifiziert gebraucht. So gibt es ein "Work and Travel"-Programm für junge Menschen. aus dem pazifischen Raum gibt es viele Gastarbeiter. Hier gibt es auch ein Seasonal Worker Programm (SWP). 2017 kamen 19.000 Arbeitsmigranten von Nachbarinseln. Nach ungewöhnlich heftigen Regenfällen ist der Nordosten Australiens von einer Jahrhundertflut heimgesucht worden. Dei Fluten spülen auch Krokodile in Wohngebiete. Der fund eines 1,4 Kilo schweren Gold-Klumpens im australischen Hinterland im Mai 2019 löst einen Goldrausch aus: Aus aller Welt strömen Menschen nach "Down-Under". Die Wald- und Buschbrände 2019/ 2020 gehören zu den größten der Geschichte. 8.4000.000 Hektar Land wurden bisher verwüstet. 1,25 Mrd. Wild-, Nutz- und Haustiere verendeten (Schätzungen des WWF). Die Auswirkungen auf Umwelt und Bevölkerung sind verheerend. Teile Australiens könnten unbewohnbar werden. Ökonomisch dürfte der schon 28 Jahre währende Aufstieg zu Ende gehen, das BIP wächst nur noch gering. Schließlich vereinigen sich die Buschfeuer noch zu einem "Megabrand" im Südosten mit einer Fläche von 600.000 Hektar. Im Juli 2020 setzt Australien sein Auslieferungsabkommen mit China aus. Grund ist das Sicherheitsgesetz für Hongkong. Die Corona-Pandemie und Steuerschulden zwingen 2020 das Fantasie-Fürstentum "Hutt River" ( seit 1970) in Australien in die Knie. So hat die Welt einen Staat weniger. Australien hat aber viele Außengebiete (meist Inseln). In Australien einigen sich Facebook und die traditionellen Medien auf einen Kompromiss. Facebook zahlt für Nachrichten in einer speziellen Rubrik. Das Interview von Harry und Meghan im März 2021 gibt den Gegnern der Monarchie in Australien Aufwind. Nach den verheerenden Buschbränden 2020 kommt 2021 die nächste Naturkatastrophe: Sintflutartige Regenfälle führen zu großen Überschwemmungen. Betroffen ist insbesondere der Südosten (New South Wales). Im Frühjahr 2021 versinkt Australien im Skandalsumpf: Nach einer Serie von Sex-Vorwürfen muss das Kabinett umgebildet werden. 2021 verschärft sich der Handelskrieg mit China (Australien verbannte Huawei, China führte Zölle ein). Australien hat sich bei der WTO beschwert. Es geht um die zentrale Frage, wie erpressbar Länder sind, die stark am Handel mit China hängen. 40% aller australischen Exporte gehen nach China. Symbolisch zeigt sich das am besten am Beispiel Hummer: China kauft keine mehr. Der Hummerpreis brach um drei Viertel ein. Anderen Ländern könnte es ähnlich ergehen. Am 21.5.22 kommt eine wegweisende Parlamentswahl. Die Klimapolitik könnte sich entscheidend ändern. Tatsächlich gewinnt Labour nach zehn Jahren wieder mal die Wahl. Premier dürfte Anthony Albanese werden. Die neue Regierung hat zwei zentrale Aufgaben: Klimaschutz, Verbesserung des Verhältnisses zu China. Insofern hat der Regierungswechsel globale Bedeutung.  Im August 2022 sagt das Repräsentantenhaus Ja zum Klimagesetz. Damit setzt die neue Labor-Regierung sofort ihr Vorhaben um. Das ist ein Meilenstein für Australien. Am 20.12.22 treffen sich erstmals wieder nach drei Jahren der australische und er chinesische Außenminister in Peking. Es ist Tauwetter nach der Eiszeit angesagt. Es gab einen Handelsstreit. Man nähert sich wirtschaftlich wieder an. Australien steigert aber seine Verteidigungsfähigkeit.  Man will mehr als doppelt so viele Kriegsschiffe. Es geht auch um den Schutz der Seewege und Handelsrouten. Es ist eine Reaktion auf Aufrüstung Chinas. Vgl. FAZ 21.2.24, S. 5. Auf der anderen Seite findet wieder eine Annäherung beider Länder statt. Chinas Premier Li besucht im Juni 24 Australien. Beim Handel nähert man sich wieder an. Aber Australien will im Zuge des Deriskings beim Bergbau mehr Weiterverarbeitung im Land. Im August 2024 erregt ein neues Arbeitsschutzgesetz Aufsehen: Nach Feierabend darf das Handy aus sein. Im Oktober 2024 besucht König Charles Australien. Ein Vorfall im Parlament in Canberra überschattet den Besuch: Die indigene Senatorin Lidia Thorpe tritt mit dem provokanten Satz auf "Sie sind nicht mein König".   Der Vokuhila-Haarschnitt (vorne kurz, hinten lang) wird in Australien als Lebensstil gepflegt. Ende des 19. Jahrhunderts entstand in einer Mission im heutigen Papua-Neuginea die weltweit einzige Kreolsprache, die auf dem Deutschen basiert. Zwischen 1884 und 1914 gehörte Neubritannien als "Neupommern" zum Deutschen Reich. Viele von den ehemaligen Einwohnern leben heute in Ostaustralien. Im November 2018 geht es um die Wurst. Sollen die Zwiebeln auf oder unter die Wurst beim "Sausage-Sizzles". Die Volksseele kocht. Eine australische Bibliothek verleiht Menschen, die ihre persönliche Geschichten teilen und somit zu "lebendigen Büchern" werden. Zu Wort kommen vor allem Vertreter gesellschaftlicher Randgruppen. Im Februar 2021 findet man Felszeichnungen, die 17.000 Jahre alt sind. Sie werden in Kimberley/ Westaustralien gefunden. 2022 erwirbt Australien die Rechte an einem Symbol der Aboriges (Ureinwohner): Es geht um die Flagge. Man zahlt 12,4 Mio. €. Ende Februar 2022 trifft eine Hochwasserkatastrophe Australien. Im Osten des Kontinents sind über 500.000 Menschen betroffen. Auslöser war tagelanger Regen. Im Juli 2022 kommt an der Ostküste eine weitere Katastrophe: Nach schweren Regenfällen kommt es zu Überschwemmungen. 30.000 Menschen müssen evakuiert werden.

Indien, Indonesien, Vietnam, Süd- und Nord-Korea, Malaysia, Russland u. a. sowie VR China (sowie andere asiatische Länder) ausführlich bei Asien/ China (Vorderasien ist oben dargestellt, Neuseeland ist auch dort, obwohl zu Ozeanien gehörig). Afrika und seine Länder (mit Ausnahme von Südafrika) sind bei den Entwicklungsländern auf dieser Seite platziert. Die meisten Länder Europas finden sich hier unter der Überschrift "Europäische Union".

 

Aphrodite-Felsen (Petra tou Romiou) bei Kouklia zwischen Pafos und Limasol vor der Insel Zypern im Süden, d. h. griechischer Teil. Es ist die Stelle, an der Aphrodite laut dem antiken Mythos nach schwieriger Geburt aus dem abgeschlagenen Geschlecht ihres Vaters Uranos das Land betreten haben soll (das Geschlecht wurde von seinem Sohn Chronos abgetrennt, weil der Vater die Mutter Gaia vergewaltigte;  von dem Renaissancemaler Sandro Botocelli in seinem betörenden Gemälde "Die Geburt der Venus" in den Florentiner Uffizien dargestellt. Venus hieß die Göttin bei den Römern). Zypern wird auch Insel der Aphrodite genannt. Hier war auch eines der größten und wichtigsten Heiligtümer der Aphrodite in der Antike (Aphrodite-Tempel). Aphrodite war die Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit. Sie war nach der griechischen Mythologie sehr wichtig. Zeus beherrschte die Erde. Daneben gab es einen Gott des Meeres (Poseidon) und der Unterwelt (Hades). Es gibt viele Bezüge der griechischen Mythologie auch zu den Abrahamitischen Religionen (Christentum, Juden, Islam). Auf Zypern waren alle Hochkulturen rund um das Mittelmeer vertreten. Insofern repräsentiert Zypern die Geschichte Europas bis zur EU. Zunächst war Zypern schon 2000 v. Chr. wichtiger Kupferlieferant im Nahen Osten  (Mesopotamien, Persien), Kreta, Ägypten und der Ägäis (daher kommt wohl auch der Begriff Cypern, heute ist der Iran wichtigster Lieferant). Die Insel wurde hellenisiert (vor allem unter Alexander dem Großen). Es kam um 58 v. Chr. die römische Herrschaft, 395 n. Chr. die Byzantinische Herrschaft. Es folgten wechselnde Herrscher: die Dynastie der Lusignan (Kreuzritter aus Frankreich), der Venezianer und der Osmanen. 1878 wird Zypern militärischer Stützpunkt der Briten (sie haben noch heute zwei Standorte wegen der strategisch wichtigen Lager der Insel, an die USA wird vermietet). 1960 wird Zypern unabhängige Republik (Erzbischof Makarios III.). 1974 marschieren türkische Truppen ein und besetzen dauerhaft einen Teil im Norden. Die Hauptstadt Nikosia bleibt geteilt. Gegen eine Vereinigung spricht sich die Mehrheit der Insel aus. 2004 tritt der griechische Teil der EU bei.2013 kollabieren Wirtschaft und Bankensystem und die EU muss mit mehreren Mrd. Euro die Wirtschaft retten (EU-Rettungsschirm).. Heute hat die Insel viele Flüchtlinge, die meistens arbeiten. Der Anteil an Flüchtlingen ist pro Kopf der Bevölkerung der höchste in der EU. Die Insel beherbergt viele reiche chinesische und russische Einwanderer, die Immobilien als Rückzugsort erworben haben. Sie konnten sich zeitweise sogar "goldene EU-Pässe" zulegen. 2024 gerät die Insel in den Mittelpunkt, weil es noch zwei Militärbasen auf Zypern gibt (beide gehören GB, eine wird von den USA genutzt). Man fürchtet, dass die Insel in einen möglichen Krieg zwischen Hisbollah und Israel hineingezogen würde.

Europäische Union (EU, EWWU; Integration; Länder in Europa; Europa;  Nachbarländer von Deutschland; Euro; Staatsverschuldung/ Schuldenkrise; Governance der EU;  Brexit, insofern auch noch GB; ; Osteuropa, Ukraine-Krieg bei "Casestud")

Vor- und Nachteile der EU (28 Mitgliedsstaaten, ca. 500 Mio. Einwohner, 1952 Gründung, seit 1993 EU; am 31.01.2020 Austritt GB, nur noch 27 Mitgliedsstaaten): Der größte Nachteil der EU ist die Währungsunion ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik (eher disparate Politik: z. B. ungleiches Renteneintrittsalter, Mindestlöhne, billige Immobilienkredite) und ohne wirkliche Konvergenz. So ist auch die eigentliche Ursache der Krise 2011 (Schulden usw.) der große Unterschied zwischen den Euro-Ländern. Dies war bei Aufnahme dieser Länder bekannt (aber die Finanzkrisen waren nicht vorhersehbar). Besonders kritische Differenzen gibt es bei der Staatsverschuldung (siehe unten), beim Wirtschaftswachstum (ganz hinten Portugal, Griechenland, Italien, Irland) und in der Industrieproduktion (hohe Rückgänge in Luxemburg, Italien, Griechenland und Spanien). Die Nordländer Luxemburg, Niederlande, Österreich, Finnland und Deutschland stehen in der Regel am besten da (BIP je Einwohner, Jahresnettoeinkommen je Haushalt, Schulden je Einwohner). Der große Vorteil für Deutschland liegt in der Vergrößerung des deutschen Binnenmarktes. Der Euro könnte an den Widersprüchen zerbrechen: 2010 liegen alle Euro-Länder beim Haushaltsdefizit über 3,0% (am stärksten drüber Irland, Griechenland, Spanien, Portugal und die Slowakei). Es werden gemeinsame Schuldscheine der Euro-Staaten (Euroanleihe) empfohlen, um den Druck von den Krisenländern zu nehmen. Deutschland und Frankreich lehnen diese ab, weil mittlerweile die Zinsunterschiede zu groß sind. Eine gemeinsame Geldpolitik für alle EU-Länder richtet auch Schaden an. No-Bail-Out ist nicht mehr möglich. Die vereinbarten Beitrittskriterien werden aufgeweicht. Sanktionen greifen oft ins Leere. Die Abschlusserklärung des Brüsseler Gipfels Ende Oktober 2011 deutet auf eine Spaltung in Euro-Zone (stärkere Koordinierung der Wirtschaft- und Finanzpolitik) und 27-Staatenbund. Immer wieder zurück wirft die EU der Kompetenz-Wirrwarr und das machtlose Führungspersonal. 2012 erhält die EU den Friedensnobelpreis, wobei gewürdigt wird, dass die europäische Integration dem Kontinent Frieden und Demokratie gebracht hat (ein Vorteil, der schwer ökonomisch zu messen ist). 2013 warnt die EU-Kommission vor einer Nord-Süd-Spaltung (Kluft zwischen Deutschland und den Krisenländern wird immer größer). 18,8 Mio. Menschen sind arbeitslos (so viele wie nie zuvor). In Großbritannien werden Forderungen nach einem EU-Austritt immer lauter. Dies hätte für beide Seiten erhebliche wirtschaftliche und politische Nachteile. Die meisten Direktinvestitionen in Großbritannien kommen aus der EU. 50,4% aller britischen Exporte gehen in die EU (Office of National Statistics). Für Deutschlands Maschinenbau ist das Land der zweitwichtigste Markt in der EU. 2014 wird eine Prognos - Studie über die Vorteile des EU-Binnenmarktes veröffentlicht: Der Binnenmarkt nützt Deutschland massiv (durchschnittlich 37 Mrd. € Steigerung der Wirtschaftsleistung; jährlicher Einkommensgewinn 450 € pro Einwohner). Nur Dänemark hat noch stärker vom Zusammenwachsen Europas profitiert. Nach Deutschland kommen Österreich und Finnland. Man sollte das Experiment "EU" durchaus mehr würdigen. Alle anderen ökonomischen Integrationsversuche in der Welt sind weiter zurück. Insoweit hat Europa richtig auf die Probleme reagiert und plant für die Zukunft. Entscheidend wird sein, wie man mit der Griechenlandkrise fertig wird. Der Konstruktionsmangel des Euro wird sehr deutlich: Es fehlen Regeln für eine gemeinsame Finanz- und Steuerordnung. So missbrauchen die Staaten ihre Haushaltsautonomie. Die Zentralbank wird mit Aufgaben überfrachtet. Man braucht auch Regeln für einen Euro-Ausstieg. Volksabstimmungen haben immer wieder zu Rückschlägen geführt: 1994 Die Norweger erteilen der EU eine Absage; 2000 Die Dänen lehnen den Euro ab; 2003 Auch die Schweden wollen den Euro nicht; 2005 Die Franzosen und Niederländer lehnen die europäische Verfassung ab; 2015 Die Griechen stimmen gegen die Reform- und Sparpolitik. Das dritte Hilfspaket für Griechenland 2015 verändert grundsätzlich den Charakter der EU: Sie wird zu einer Transferunion. Der starke Norden muss wohl in Zukunft die fehlende Wettbewerbsfähigkeit des Südens dauerhaft ausgleichen.  Im Februar 2016 stellt Bosnien-Herzegowina einen Beitrittsantrag in die EU, der angenommen wird. Die Globalisierung schwächt die komparativen Vorteile von Freihandelsgemeinschaften wie der EU. Mit dem Jahreswechsel 2020 auf 2021 verlässt Großbritannien nach 47 Jahren Mitgliedschaft endgültig die EU.  "Europa ist wie eine Wohngemeinschaft: Jeder greift in die Haushaltskasse und keiner trägt den Müll runter", Matthias Beltz. Das EU-Mitglied Dänemark rückt Ende 2015 weiter von der EU ab. Bei einem Referendum haben sich die Dänen gegen eine Abschaffung ihrer Sonderregeln in der europäischen Rechtspolitik ausgesprochen. In der Corona-Krise 2020 ist die Zustimmung zur EU gewachsen (81% in Deutschland).  "Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen", Angela Merkel, nach dem G7-Treffen im Mai 2017, an dem auch Trump teilnahm.

Genese  der EWWU: Es gibt drei Pflöcke: 1. Der Werner Plan: Diesen gab es seit 1970, benannt nach dem damaligen luxemburgischen Premierminister. Er enthält schon alle wesentlichen Grundlagen. 2. Der Delors-Bericht: Er enthielt Ende der Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts die schrittweise dreistufige Währungsintegration. 3. Die Beschlüsse von Maastricht: Hier sind alle Punkte zur EWWU festgelegt. Dazu wurde ein Vertrag geschlossen. Er basierte auf den Prinzipien Gradualismus und Konvergenz. Wichtigste Kriterien waren die Unabhängigkeit der Zentralbanken und die Konvergenzkriterien. Vgl. Acemoglu, Daron u. a. : Volkswirtschaftslehre, München 2020, S.29ff.

Elysee-Vertrag 1963: Vertrag zwischen Frankreich und Deutschland zur Aussöhnung der einstigen Erbfeinde und Kriegsgegner. Er gilt bis heute als Grundlage der deutsch-französischen Zusammenarbeit. 2023 feiert man das 60-jährige Jubiläum. Deutschland reist mit Bundeskanzler, Kabinett und 100 Mitgliedern des Bundestages an. Frankreich und Deutschland bilden die Achse der EU.

EU-Bürokratie und Reform der EU: Ca. 38.000 Leute zählt die EU-Kommission, darunter 25.000 Beamte. 1,1 Billionen Euro enthält der Haushalt 2014 bis 2020. Jährlich zahlt Deutschland netto 9,2 Mrd. € für die EU. Es ist schwierig, einheitliche Regeln für Europa zu finden. Mitte 2015 gelingt dies nach mehr als dreijährigen Verhandlungen für den Datenschutz. Die Chefs von EU-Kommission, Europäischem Rat, Eurogruppe, Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Parlament werben Mitte 2015 in einem Reformpapier für eine Änderung verschiedener Institutionen und Strukturen in der EU:  Die Rolle des Euro-Gruppenchefs soll ausgeweitet werden. Bis 2025 soll es einen Vollzeitpräsidenten geben. Außerdem ist die Einrichtung eines europäischen Finanzministerium vorgesehen. Damit soll die Haushaltspolitik der Staaten besser koordiniert werden. Ende September 2017 mahnt der französische Präsident Macron eine große Reform der EU an (europäische Staatsanwaltschaft, europäische Asylbehörde, Finanztransaktionssteuer). Die EU-Regierungen wollen ihr Reformtempo erhöhen. Bis Mitte Oktober 2017 doll ein konkreter Fahrplan für Reformschritte vorliegen. Auch im Rahmen der Koalitionsverhandlungen in Deutschland im Herbst und Winter 2017 spielt die EU eine Rolle. Kernelemente der Reformvorschläge der EU-Kommission sind: Euro - Budgetrichtlinien im EU-Haushalt, Europäischer Währungsfonds, Euro-Rettungsschirm. Der ESM bekommt also zusätzliche Aufgaben. Beim europäischen Währungsfonds geht Merkel auf Macron zu. Allerdings stellt sie bestimmte Bedingungen. Weiterhin fordert Merkel: einheitliche Flüchtlingsbehörde der EU, mehr EU-Investitionen, EU-Polizei für die Außengrenzen. Daneben muss eine EU-Reform grundsätzliche Probleme lösen: Der Binnenmarkt könnte optimiert werden (Bekämpfung der Fragmentierung); die öffentlichen Finanzen der Mitgliedsländer müssen saniert werden; im EU-Budget ist ein Strukturwandel unumgänglich. Im März 2019 kommen wieder Reformvorschläge von Macron aus Frankreich: Gegen Nationalismus, Grenzen schützen, neue Finanzierung, europäische Handelspolitik. Deutschland und Frankreich legen Ende 2019 einen Fahrplan für die EU-Reform bis 2022 vor. "Der Verzicht auf Einigung wäre ein Abschied von der Weltgeschichte", Jürgen Habermas. Die Regelungswut der EU-Kommission ist berüchtigt: Eine EU-Regel z. B. zur Mindestgröße von Muscheln bedroht die Muschelfischer. Drei Deutsche erheben ab 2018 Ambitionen auf Spitzenpositionen in der EU: Manfred Weber EU-Kommissionspräsident; Jens Weidmann EZB-Chef; Ursula von der Leyen EU-Kommissarin. Das US-Außenamt sieht 2019 die EU nicht mehr als nationengleiches Bündnis (Zurückstufung). Vgl. auch: Kaelble, Hartmut: Der verkannte Bürger. eine andere Geschichte der europäischen Integration seit 1950, Frankfurt (Campus) 2019.

Systemwettbewerb der EU mit den USA und China bzw. Russland: Die EU muss künftig als Weltmacht auftreten, wenn sie ihre wirtschaftlichen Interessen durchsetzen will. Das größte Problem sind 2019 die Populisten, die in die Entscheidungsprozesse eingreifen wollen. Sie werden direkt von Russland gefördert und indirekt auch von den USA und China. Die Großmächte versuchen alles, um die EU zu spalten und damit in ihrer Position zu schwächen (in Osteuropa, in Südeuropa). Die EU muss ihren unumkehrbaren Niedergang verhindern. Sie muss erfolgreiche Strategien dafür entwickeln: 1. Starke Währung. 2. EU-Außenpolitik. 3. China-Strategie. 4. Energiewende. 5. Binnenmarkt. Vgl. Wettach, Silke: Der verhinderte Riese, in: WiWo 22, 24.5.19, S. 14ff. Für Europa bietet der Handelskrieg zwischen den USA und China Chancen und Risiken: Einerseits kann die EU Vermittler sein. Andererseits kann sie wegen der starken wirtschaftlichen Verpflichtungen mit den USA und China verstärkt in Geiselhaft mit Sanktionen genommen werden. Der Konflikt ist aber ein Kampf um die Weltherrschaft und könnte noch Jahrzehnte andauern. Deutschland kommt in dieser Situation eine große Verantwortung zu. Deutschland muss seine fiskalische und monetäre Stabilität wahren, um zusammen mit Frankreich die EU am Leben zu halten. Dazu muss Deutschland auch seine Mittelschicht schützen und Lösungen für den Arbeitsmarkt finden (Zuwanderer, Fachkräftemangel). Natürlich muss der Rechtsradikalismus im Zaum gehalten werden.  Vgl. auch: Hesse, M. u. a.: Eiserner Vorhang, in: Der Spiegel Nr. 23, 1.6.2019, S. 70ff.

Marginalisierung der EU (Abstieg auf Raten): Politisch und ökonomisch verliert die EU relativ immer mehr an Gewicht. Sie wirkt zunehmend überfordert und abgehängt.

Politisch hat sie an Gewicht verloren: Der erste schwere Schlag war der Austritt GB aus der EU (Brexit), der auch von den USA mit betrieben wurde. Der zweite Rückschlag war der Ukrainekrieg, der von Russland, das sich in die Ecke gedrängt fühlte, angefangen wurde. Der dritte Schlag ist die Instabilität in Osteuropa, die systematisch von China ausgenutzt wird. Ungarn ist zum Einfallstor Chinas in die  EU geworden. Die Länder Südamerikas und Afrikas, aber auch Asiens, suchen zunehmend ihre Vorteile dadurch, dass sie die großen Blöcke gegeneinander ausspielen, was zum Abstieg der EU mit beiträgt. Gerade zu ihren ehemaligen Kolonien hat die EU noch keine befriedigende Beziehung gefunden.

Ökonomisch lässt sich die negative Entwicklung der EU konkret belegen: 1. Die EU hat eine ausgeprägte Wachstumsschwäche: BIP 2024 real in Veränderung zum Vorjahr 2023 (IWF Prognose): China +4,6%; USA +2,7%; EU-27 +1,1%. 2. Mangelnde Produktivität. Die Arbeitsproduktivität hat sich 2023 im Vergleich zum Vorjahr wie folgt verändert: China +5,5%; USA +0,7%; EU-27 -0,6% (ILO, IWF, Eurostat). 3. Die Handelsmacht schrumpft. Exporte: China 3.380 Mrd. US-$; EU-27 2.764; USA 2.020. Anteil der Exporte am BIP: Deutschland 37,9%; EU 19,1%; China 15,1%; USA 7,4% (UNCTAD, IWF). 4. Vernachlässigter Kapitalmarkt. Die wertvollsten Technologiekonzerne sind in den USA und China. Summe der fünf stärksten: USA 12.781 Mrd. US-$ (Microsoft, Apple, Nvidia, Alphabet, Amazon); China 1.029 (Tencent, PDD, Alibaba, Meituan, Foxconn); EU-27 994 (ASML, SAP, Siemens, Schneider Electr., NXP Semiconduc.). Quelle: IDM. 5. Überfordertes Militär. 6. Zu viel Old Ecomomy. Venture-Capital-Investitionen in KI: USA 29 Mrd. US-$; EU 1,6; China 0,6. Venture-Capital-Investitionen insgesamt USA 149, EU 59, China 48. 7. Zu teure Energie. Industriestrompreise EU 261,8 US-$ je Megawattsunde; China 89,0; USA 81,9.  Quelle: Eurostat, EIA, HB.

Es gibt in der EU Korrekturpläne. Einer stammt von Mario Draghi. Er will einen gemeinsamen Schuldenfonds aufbauen. Darüber freuen sich nur die Südeuropäer. Die größte Schwäche Europas ist die mangelnde Einigkeit.   Vgl. Koch, Moritz u. a.: China, USA und die 27 Zwerge, in: HB 31.5. 1./2. Juni 2024, S. 44ff.

Exkurs. Strategiebericht zur EU-Wettbewerbsfähigkeit: Er wird im September 2024 von Mario Draghi vorgelegt bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Der ehemalige EZB-Präsident und frühere Regierungschef in Italien hat die EU zu massiven Investitionen in Wirtschaft, Verteidigung und Klimaschutz aufgerufen. Nötig seien "zusätzlich jährliche Mindestinvestitionen von 750 bis 800 Mrd. €. Er empfiehlt die Aufnahme neuer Gemeinschaftsschulden. Angesichts der Konkurrenz aus China und den USA warnt er vor einer "existenziellen Herausforderung". Ohne höhere Produktivität könne Europa nicht führend sein bei neuen Technologien. Das europäische Sozialmodell sei nicht mehr finanzierbar. Vgl. Die Rheinpfalz 10.9.24, S. 1. Der Bericht hat drei Teile: 1. Innovationslücke der EU. 2. Dekarbonisierung. 3. Sicherheit. Die Kernfrage ist die nach gemeinsamen Schulden. Hier dürfte Deutschland nicht mitziehen. HB 10.9.24, S. 4.

Europawahlen und Führung der EU: Bei der Europawahl im Mai 2019 gibt es in Deutschland schwere Verluste für Union und SPD. Die Grünen überholen die SPD (sie haben die Mehrheiten in vielen Metropolen und bei den unter 25 jährigen Wählern). Die hohe Wahlbeteiligung verhindert, dass die rechten Parteien zu stark werden (sie gewinnen aber in Frankreich, Italien, Polen, Ungarn und Großbritannien). Konservative und Sozialdemokraten büßen ihre Mehrheit im Europaparlament ein. Es wird schwierig für Koalitionen und den neuen Kommissionspräsidenten. Die Führungsposten sollen im Paket ausgehandelt werden. Darin sind EU-Kommissionspräsident, EU-Ratsvorsitz, EU-Parlamentspräsident, EZB - Präsident. Geklärt werden muss auch, ob der EU-Kommissionspräsident vorher Spitzenkandidat der Europawahlen gewesen sein sollte (Weber, Timmermans, Vestager). Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs am 28.5.19 kommt es zu keiner Einigung. Donald Tusk soll Personalvorschläge ausloten. Ebenfalls keine Einigung kommt am 21.06.19 zustande. Ziel ist weiterhin die Posten "im Paket" zu vergeben. Macron und andere (Sanchez, Orban) lehnen ab, dass ein Zusammenhang mit der Europawahl hergestellt wird (weil nur nationale Kandidaten!). Auf dem G20-Gipfel einigen sich die anwesenden Regierungschefs der EU darauf, dass Weber aus dem Rennen ist. Er soll Präsident des Europa-Parlaments werden nach zwei Jahren. Zuerst soll ein Sozialdemokrat gewählt werden. So wird zuerst wird für 2 Jahre der italienische Sozialdemokrat David-Maria Sassoli gewählt. EU-Kommissionspräsidentin soll Ursula von der Leyen werden, noch Bundesverteidigungsministerin. Sie muss allerdings vom EU-Parlament gewählt werden. Die Mehrheit muss erst beschafft werden. EZB-Präsidentin wird IWF-Chefin Christine Lagarde. EU-Außenbeauftragter wird der spanische Außenminister Josep Borrell. EU - Ratspräsident wird der Belgier Charles Michel. Bei den Europawahlen 2024 haben die Rechten in fast allen Staaten der EU hohe Zuwächse und gewinnen deutlich an Gewicht. In Frankreich erringen die Rechtspopulisten (Rassemblement um Marie L Pen) ca. 32% der Stimmen und werden stärkste Kraft. Macron setzt Neuwahlen an. Auch Österreich wählt weit rechts. Das pro-europäische Lager bleibt das stärkste. Konservative EVP und Sozialdemokraten bleiben die zwei größten Parteienfamilien in Straßburg. Es gibt folgende Favoriten für die Besetzung der Führungspositionen: EU-Kommissionspräsidentin: Ursula von der Leyen/ Deutschland; Präsident des Europäischen Rats: Antonio Costa/ Portugal; Parlamentspräsidentin: Roberta Metsola/ Malta; Außenbeauftragte: Kaja Kallas/ Estnien. Die Regierungschefs der EU-Länder und die Parteigruppierungen schachern um die Posten. Spitzenvertreter der großen europäischen Parteienfamilien un die Regierungschefs schüren schließlich ein neues EU-Personalpaket. Die Favoriten setzen sich durch. Das Personalpaket muss noch beim EU-Gipfel und beim EU-Parlament abgesegnet werden. die italienische Regierungschefin Meloni und Ungarns Orban sind nicht einverstanden und wütend. Wahrscheinlich wollen sie in anderen Bereichen noch was rausholen (Kommissarsposten?).

Europäisches Parlament: Wird von den EU-Bürgern gewählt. An der Spitze steht 2022 David-Maria Sassoli. Aufgaben des Parlaments sind: Gewährleistung, Beaufsichtigung, Vertretung, Genehmigung des EU-Haushalts. 2024 kann Roberta Metsola aus Malta Parlamentspräsidentin bleiben.  Im Januar 2022 stirbt David Sassoli in seiner Heimat Italien. Nachfolgerin wird Roberta Metsola aus Malta. Im Dezember 2022 wird die griechische Vize-Präsidentin Eva Kaili verhaftet. Vorwürfe sind Korruption, Bestechung und Geldwäsche. Katar soll versucht haben, Entscheidungen des EU-Parlaments zu beeinflussen (auch Marokko, US-Tech-Konzerne). Ihr werden alle Befugnisse in ihrer Funktion als Vizepräsidentin es Parlaments entzogen. Dann wird sie abgesetzt. 1,5 Mio. € werden in Bar beschlagnahmt. Weitere Personen sind betroffen (6 Verdächtige). Sie legt ein Teilgeständnis ab. Betroffen ist auch ihr Partner uns ehemalige italienische Europaabgeordnete Antonio Panzeri. Im Zuge des Korruptionsskandals im Europaparlament gerät auch die Präsidentin Metsola unter Druck. Sie macht verspätete Angaben und hat viele Geschenke angenommen.

EU-Kommission: Sie ist die wichtigste Behörde in der EU (32.000 Mitarbeiter). Sie kontrolliert die Einhaltung der europäischen Rechtsvorschriften durch die 28 Mitgliedsstaaten und kann deren Anwendung einklagen. Sie macht die Gesetzesvorschläge für das Europaparlament und den Ministerrat. Der Präsident der EU-Kommission legt Ziele und Prioritäten der Arbeit fest. Die Arbeit ist in Ressorts aufgeteilt. Nach der Europawahl 2014 werden ein neuer Präsident und eine neue Kommission mit 27 Kommissaren benannt. Präsident wird Jean-Claude Juncker. 2017 legt die EU-Kommission ein Reflexionspapier zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion vor. Es enthält Vorschläge für eine stärkere Integration der Wirtschafts- und Fiskalunion. Im Dezember legt die EU-Kommission einen Reformvorschlag vor. Es soll ein EU-Finanzminister eingeführt werden (siehe unten).   Ab 2017 wechselt der deutsche EU-Kommissar Oettinger von Ressort für Digitales zum Ressort für Haushalt und Personal.  "Die großen Ideale, die Europa inspiriert haben, scheinen ihre Anziehungskraft verloren zu haben zugunsten von bürokratischen Verwaltungsapparaten seiner Institutionen", Papst Franziskus 2014 vor dem Europäischen Parlament. 2018 wird der Deutsche Martin Selmayr Generalsekretär. Erste Frau an der Spitze der Kommission wird 2019 Ursula von der Leyen aus Deutschland. Sie strebt 2024 eine zweite Amtszeit an. Sie wird von der EVP nominiert und unterstützt. 2024 kommen einige gefährliche Affären (Agrarzölle, Piepers Ernennung zum Mittelstandsbeauftragten, Impfdeal mit Pfizer). Hinter den Kulissen bauen einige Länder einen Gegenkandidaten auf: Mario Draghi, den EX - EZB-Chef und  Ex-Premier Italiens. Trotzdem gewinnt von der Leyen. Im Herbst 24 soll die EU-Kommission neu besetzt werden. Manche Namen stehen fest. Andere Posten sind heftig umstritten (Agrar, Erweiterung, Wohnungsbau, Verteidigung). EU-Kommissar Breton/ Frankreich geht im Zorn (Zoff mit der Präsidentin). Nachfolger als Industriekommissar soll der bisherige französische Außenminister Sejourne werden. Elf Frauen sollen nominiert sein (40%). Litauens Ex-Premierminister Andrius Kubilius wird Verteidigungskommissar. Der Österrecher Markus Brunner soll Kommissar für Migration werden. Alle Kommissare müssen sich vor dem EU-Parlament vorstellen und bewähren. Besonders umstritten ist der Meloni-Freund Raffaele Fitto, der für Regionalförderung zuständig sein soll (Postfaschist). Von der Leyen kann ihr umstrittenes Personal durchsetzen. Von einem "schmutzigen Deal" ist die Rede wegen der Kooperation mit den Rechtsaußen.

EU-Ratsvorsitz: Der Europäische Rat (ER) wird von den Staats- und Regierungschefs gebildet. Sie sind von ihren jeweiligen Bürgern gewählt. Hier liegt eine Schwachstelle der EU, weil unklar bleibt, wer die Spitzenpositionen der EU besetzen darf: Rat oder EU-Parlament. Der Ratsvorsitzende ist der Koordinator von Treffen der Nationalstaaten. In der Regel treffen sich die Staats- und Regierungschefs mindestens zweimal pro Halbjahr. Die Rolle des Ratspräsidenten ist nicht klar definiert: Ist er mehr Politiker oder mehr Bürokrat. Offiziell vertritt er die EU nach außen, fördert Zusammenhalt und legt die allgemeine politische Ausrichtung fest. Charles Michel sieht sich sogar als Chef in Europa. Viele Beschlüsse können mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden.  2008 Polen, Donald Tusk. 2019 Rumänien: Klaus Johannis. 2020: Belgien Charles Michel. Ab 01. Juli 2020 hat Deutschland für ein halbes Jahr die Ratspräsidentschaft der EU. Themen sind die Corona-Folgen (750 Mrd. €, 500 Zuschüsse, 250 Kredite), der Brexit, der Klimaschutz (Green Deal), die Digitalisierung und das Verhältnis zu China. Merkel hält am 08.07.20 eine Rede vor dem Europaparlament. Sie kämpft für die Einheit der EU. "Europa wird nach der Krise stärker werden als zuvor, wenn wir den Gemeinsinn stärken", Angela Merkel. Ab 01.01.2021 hat Portugal den Ratsvorsitz in der EU. Im Mai 2021 findet ein Sozial-Gipfel der EU in Portugal (Porto) statt. Es werden konkrete Ziele bis 2030 festgelegt. Ende Juni 21 treffen sich die Staats- und Regierungschefs: vorerst keine Treffen mit Putin, Milliarden an Flüchtlingshilfe für die Türkei, Wirtschaftssanktionen gegen Belarus. Ab 01. Januar 2022 übernimmt Frankreich den Ratsvorsitz der EU. Ab 01. Juli 2024 hat Ungarn die Ratspräsidentschaft. Als erstes Land besucht Orban die Ukraine. Seine Nähe zu Russland und China bereitet Sorgen. Die EU distanziert sich von Orban.

Europarat (Rat der EU): Sitz ist Straßburg. Es gibt ein spezielles Gebäude. Er wurde 1949 gegründet im Vertrag von London. Ihm gehören 47 Staaten an. Dazu gehören 820 Mio. Bürger. Es ist ein Forum für Debatten über europäische Fragen. Im Juni 2019 darf die russische Delegation zurückkehren (musste den Rat wegen der Ukraine-Krise verlassen). Russland zahlt ca. ein Zehntel der Mitgliedsbeiträge. Die Delegierten aus 7 Nationen verlassen daraufhin das Plenum. Zur neuen Generalsekretärin wird im Juni 2019 Pejcinowic Buric aus Kroatien gewählt. Im September 2019 begleicht Russland seine Schulden beim Europarat (55 Mio. €). Im Februar 2022 wird Russland wegen seines Angriffs auf die Ukraine vom Europarat suspendiert. Im Mai 2023 treffen sich die Staats- und Regierungschefs in der Hauptstadt Islands. Es geht um die Ukraine, die Mitglied ist. Von Russland werden Reparationszahlungen gefordert.

Europäische Politische Gemeinschaft (EPG, seit 2022): Bündnis gegen Russland im Ukraine-Krieg. Ihm gehören 47 Staaten an. Im Mai 2023 findet ein Treffen in Moldau statt.

Gerichtshof der EU (EuGH): Sitz ist Luxemburg. Er legt EU-Recht aus. Er besteht aus zwei Gerichten: Europäische Gerichtshof (seit 1952), Gericht der Europäischen Union (seit 1988).

Euro (€, Euroland, Eurozone): Das wichtigste Argument für die Einführung des Euro war die Senkung der Transaktionskosten, insbesondere für mittelständische Unternehmen (Umtauschkosten fallen weg, Preistransparenz steigt). Sicher hat der Euro in den letzten zehn Jahren die deutsche Exportwirtschaft insgesamt beflügelt (Schutz vor Wechselkursschwankungen). Die Probleme 2010 nach der Finanzkrise sind ursprünglich von Ökonomen vorhergesehen worden. Vier Maßnahmen können zur Rettung des Euro beitragen: Eurobonds, Umschuldung, Anleihekäufe und eine Vergrößerung des Rettungsschirms. Zum Euro gibt es jetzt keine Alternative mehr (er ist zu einer Klammer geworden), zumal es sich nicht um eine Krise des Euro handelt. Einzelnen Staaten haben sich finanzpolitisch fehl verhalten. Die DM würde nach einer Wiedereinführung gnadenlos aufgewertet mit großem Schaden für unsere Exportwirtschaft; die Währungen der Südeuropäer würden abgewertet. Der Euro ist auch nicht nur ein ökonomisches Projekt (Integration und Konvergenz), sondern vor allem ein politisches (er forciert die Bildung einer Europäischen Union). Über den Bestand des Euro werden die Schulden einzelner Staaten nicht entscheidend sein, sondern die Wettbewerbsfähigkeit der EU global. Insofern sollte man auch die EU als Ganzes im Auge haben, d.h. ihre Staatsfinanzen, ihre Wettbewerbsfähigkeit, ihre Beschäftigung und Ressourceneffizienz (Produktivität) und ihre private Verschuldung/ Auslandsvermögensposition. Kernproblem ist natürlich die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit im Süden Europas (vor allem relativ zur Türkei, Osteuropa, China). Die unterschiedliche Entwicklung der Lohnstückkosten war lange bekannt (2005 veröffentlicht). Notfalls müsste eine kleine und starke Eurozone selbstständig werden. Die Euroländer (2014 18 Länder) koordinieren ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik in der so genannten "Euro-Gruppe (Ex-Chef: Juncker, Nachfolger: Jeroen Dijsselbloem bis 2017, ab 2018 der Portugiese Mario Centeno). Auf Initiative Deutschlands und Frankreichs wird 2011 der Wettbewerbs-Pakt gestartet. Die Staaten unterwerfen sich einem System strikter Vergleichskriterien (6 Punkte). Dazu gehören Sparregeln, Renteneintrittsalter, Lohnerhöhungen, Bildungsabschlüsse und Krisenmechanismen. Die Körperschaftsteuer soll auf eine einheitliche Bemessungsgrundlage gestellt werden (Gesetzentwurf 2011). Leider fehlen eine systematische Gläubigerbeteiligung und ein klares Ziel wie qualitatives Wirtschaftswachstum oder Europäischer Währungsfonds. Die größten Probleme dürften sich beim Renteneintrittsalter ergeben (Lebenserwartung, Geschlechterunterschied). Im März 2011 einigen sich die Staats und Regierungschefs der Euro-Zone über die Selbstverpflichtung. Im Worst-Case-Szenario müsste man die Südländer zu ihrer eigenen Währung zurückkehren lassen und ihn nur bei den Nordländern belassen. Ein Austritt bzw. ein Ausschluss ist juristisch nicht vorgesehen (in Griechenland zeigen sich schon negative Antizipationen, wie z. B. Geldtransfer ins Ausland, mit Liquiditätsproblemen der Banken). Die bislang nur finanziellen Sanktionen sollten erweitert werden. Ein Europäischer Währungsfonds startet vielleicht schon 2012. Zur Bekämpfung der Eurokrise gibt es Ende 2011 grundsätzlich noch drei Alternativen: Euro-Bonds mit gemeinsamer Haftung, Garantie der EZB verbunden mit unbegrenzten Anleihekäufen (Notenpresse?), Eiserner Sparkurs der Nationalstaaten. Wahrscheinlich ist eine Entscheidung zwischen Euro-Bonds und Notenpresse (für Deutschland Aversions-Aversions-Konflikt). Der Sparkurs soll aber auch durch eine Fiskalunion (Umbau der Währungsunion, besser abgestimmte Haushalts- und Wirtschaftspolitik) mit europäischer Schuldenbremse verstärkt werden. Ebenso soll es einen automatischen Sanktionsmechanismus (Strafenkatalog) geben. Die EU beschließt den Pakt am 09.11.11 (ohne Zustimmung Großbritanniens). Der ESM kommt schon 2012. Der erste Vertrag für eine "Stabilitätsunion" liegt kurz darauf vor (Unterzeichnung bis Mitte März). Nach einer Prognos-Studie 2011 hängen drei Millionen Jobs an der Euro-Zone. Natürlich führt die Euro-Krise zu einer stärkeren Diskussion über den Euro. die Zahl der Gegner wächst. Insgesamt dürften die Vorteile aber die Nachteile überwiegen. Die EU hat einen Währungskommissar. Das war bis 2014 Olli Rehn, danach ist der Franzose Pierre Moscovici benannt. 2017 zeigt sich deutlich, dass die EU-Währungsunion mit großen Mängeln behaftet ist. Der Vertrag von Maastricht, der 25 Jahre alt wird, wirkt als Spaltpilz. Er müsste reformiert werden. Die Bundesregierung plant für die Krisen der Zukunft mit einem eigenen europäischen Währungsfonds. Die EU-Kommission stellt weitere Überlegungen an: Die Euro-Zone soll wachsen. Die Wirtschaftspolitik der Länder soll besser koordiniert werden. Es soll einen Finanz-Minister der Euro-Zone geben. Im September 2017 fordert Kommissionspräsident Juncker den Euro für die gesamte EU. 2019 erscheint eine Studie des Freiburger Centrums für Europäische Politik (CEP): Danach ist Deutschland von 1999 bis 2017 der große Gewinner des Euro in Bezug auf Wohlstand vor den Niederlanden. Die großen Verlierer sind Frankreich und Italien. Am 1. Januar 2023 darf Kroatien den Euro einführen. Das Wachstum ist 2022 höher als im Euroraum (5,9% gegenüber 3,2%), die Verschuldung ist geringer (78,1% gegenüber 94,2%). "Der Euro ist unsere Währung. Der Euro ist Europa von heute. Scheitert der Euro, scheitert auch Europa", Angela Merkel, Bundeskanzlerin. 2014 werden 18 Länder in der EU den Euro haben (2011 Estland, 2014 Lettland). 2015 kommt Litauen (Euro statt Litas) hinzu, das auch die Kriterien erfüllt. Damit gibt es ab 2015 19 Euro-Länder. Im Nachbarstaat Polen ist das Interesse daran gering. Anfang 2015 erreicht der Wechselkurs zum Dollar 1,20 (fast 4-Jahrestiefststand; Ankündigung von Draghi, Staatsanleihen aufzukaufen).  Erstmals seit 2009 gab es im Dezember 2014 mit -0,2% in der Euro-Zone ein sinkendes Preisniveau. Zu Beginn 2015 fällt der Euro-Kurs mit 1,17 unter den Einführungskurs (auch tiefster Stand seit 9 Jahren; er fällt dann weiter auf den Tiefpunkt von 1,04). Deutschland hat gegenüber 14 von 18 Euro-Partnerländern einen Exportüberschuss (Defizit gegenüber Niederlande, Irland, Slowakei und Slowenien). Deutschlands Anteil an der Wirtschaftsleistung der Eurozone liegt 2015 bei 29% (2000: 30%, 2009: 26,5%). Im ersten Quartal 2017 wächst die Euro-Zone doppelt so stark wie die USA (0,6% gegenüber dem Vorquartal). Ab 2018 ist der portugiesische Finanzminister Mario Centeno Chef der Euro-Gruppe. Der Chef soll in Zukunft zu einem EU-Finanzminister werden (Reformmodell der EU-Kommission)). Er soll zusammen mit dem Rat der Finanzminister auch die Führung in einem EU-Währungs-Fonds übernehmen (Nachfolge des ESM). Die EU-Kommission strebt die Führung ebenso an. 2017 sinkt die Schuldenquote in den Euro-Ländern: 86,7% der Wirtschaftsleistung (BIP; gefordert sind 60%). Die niedrigste Schuldenquote hat Estland mit 9,0%. Die höchste Schuldenquote ist bei Griechenland mit 178,6%. Die Insel Zakynthos sorgt sich um ein altes Schiffswrack an der Küste. Das Wahrzeichen zerbricht und versinkt im Sand. Der Strand war schon gesperrt, weil Felsbrocken von der Steilküste abstürzten.

20 Jahre bzw. 25 Jahre Euro: Am 1. Januar 1999 wurde der Euro als Buchgeld eingeführt. Die Europäische Währungsunion hat einige Krisen überstanden. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt wurde nicht vollständig eingehalten. Eine geordnet Staatsinsolvenz ist innerhalb der EU nicht möglich. Diese Instrumente sollen reformiert werden. Vgl. Fratzscher u. a. Zeitgespräch: 20 Jahre Euro: eine Erfolgsgeschichte?, in: Wirtschaftsdienst 2018/ 12, S. 839ff. Am 1. Januar 2024 feiert der Euro das 25-Jährige. Es ist ein Geburtstag ohne Feiern. Er ist ein Erfolgsmodell. 20 Staaten und 350 Mio. Menschen bekannten sich zu einer Währung. Vgl. FAZ, 29.12.23, S. 19. 2025 will Bulgarien als 21. Land dem Euroraum beitreten. Das Land ist ökonomisch gut vorbereitet. Politisch und institutionell fehlt noch einiges.

Stärkung der Rolle des Euro in der Welt: Mehr Verwendung des Euro im internationalen Handel. Vor allem der Energiesektor (Energieimporte) wird zu stark in Dollar gehandelt (Öl, Gas). Die internationalen Kontakte nach Südamerika, Afrika und Asien sollten stärker für den Euro genutzt werden. Finanzinfrastrukturen sind in einem starken Wandel. Zahlungen werden auf immer neuen Wegen abgewickelt. Der Euro sollte das als Chance nutzen. Eine Kapitalmarktunion mit stärker integrierten Märkten könnte weiter helfen.

Euro-Gruppen-Vorsitz: Der Vorsitz bezieht sich auf die Länder, die den Euro haben (einflussreicher Koordinator und Wortführer). Die Eurogruppe ist ein informelles Gremium. 2020 hat ihn Mario Centeno aus Portugal inne. Er will den Posten im Sommer abgeben. Für die Nachfolge stehen bereit: Nadia Calvino , spanische Wirtschaftsministerin, und Pierre Gramegna, luxemburgischer Finanzminister. Beide sind eher für eine Vergemeinschaftung von Schulden. Ökonom Centeno will Präsident der portugiesischen Notenbank werden. Den Posten bekommt im Juli 2020 schließlich der irische Finanzminister Paschal Donohoe.

Optimaler Währungsraum (Euro-Raum): Von der Theorie (Mundell) und den Konvergenzkriterien her, insbesondere der Schuldenstand bewertet, passen am besten Deutschland, Schweiz, Österreich, Luxemburg, Niederlande, Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen zusammen. Belgien (97,2%), Irland (108,1%) und Frankreich (85,4%) fallen schon ab. Nicht wettbewerbsfähig und ungeeignet sind alle Südländer. Eine Währungsunion funktioniert auf Dauer normalerweise nur bei hochgradig flexiblen Löhnen und Preisen. Eine Harmonisierung der Finanz- und Steuersysteme ist auch erforderlich. Insofern lagen der Aufnahme der ersten Eurostaaten auch eher politische Kriterien als ökonomische zugrunde. Das beginnt sich nun zu rächen. Es könnte tatsächlich sein, dass der Euro ein wirtschaftspolitische Fehlentscheidung war. In der Euro-Zone gibt es Gewinner und Verlierer (einige Staaten haben 2015 eine geringere Wirtschaftsleistung als 2007 vor der Krise). Den Staaten mit eigener Währung geht es dagegen relativ gut. Der Ausstieg aus dem Euro und die Staatsinsolvenz sollten institutionalisiert werden. "Das vorrangige Ziel des Europäischen Systems der Zentralbanken ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten", Artikel 127 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (Maastricht). Der Reformkatalog der Euro-Gruppe an Griechenland soll auch die EU-Unterschiede vereinheitlichen: Anhebung des Rentenalters, Deregulierung des Arbeitsmarktes, Schnellere Gerichtsverfahren, Unabhängigkeit der Statistikbehörde, Öffnung von Produktmärkten. Die lateinische und skandinavische Münzunion können als historische Vorbilder dienen. Hier verließen die starken Länder als erste die Zusammenschlüsse.

Maastricht-Vertrag: Am 07.02. 1992 wurde vom Europäischen Rat in Maastricht der Vertrag über die Europäische Union (EUV) unterzeichnet. Das war der Startschuss für die Europäische Währungsunion, die am 01.01.1999 in Kraft trat. Am 01,01.2002 wurden dann die neuen Euro-Banknoten und -Münzen eingeführt. Der wichtigste Grundstein für die EU war die Unterzeichnung der Römischen Verträge 1957 (60 Jahre am 25.03. 2017). Sie wurden von Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und Niederlande unterschrieben. Die EU ist 2017 in keinem guten Zustand. Die Interessen einzelner Ländergruppen sind sehr unterschiedlich (im Bezug auf Flüchtlinge, Schulden, Haltung zu Russland, Exporte). Man müsste über Reformen nachdenken: Vielleicht vorübergehenden Euro-Austritt ermöglichen, um die nationale Flexibilität zu erhöhen; Konkursordnung von Staaten, um die Alimentierung zu begrenzen; keine Zuwanderung in Sozialsysteme, um Populismus im eigenen Land zu bekämpfen.

Aachener Vertrag: Freundschaftsvertrag zwischen Deutschland und Frankreich, am 22.01.2019 in Aachen unterschrieben (Macron, Merkel). Er soll den Elysee - Vertrag von 1963 (Adenauer, De Gaulle) ergänzen und sieht 15 deutsch-französische Projekte vor. Er sieht auch eine engere Zusammenarbeit in der Wirtschafts-, Verteidigungs- und Europapolitik vor.

Schengen: Schengen-Raum. Gemeinschaft derjenigen Staaten, unter denen systematische Personengrenzkontrollen nicht mehr stattfinden. 2022 wird Kroatien aufgenommen. Eine Aufnahme von Bulgarien und Rumänien, die die Kriterien erfüllen, scheitert am Veto von Österreich. Mitglieder sind auch Nicht-EU-Staaten: Norwegen, Schweiz.

Europäische Identität: Ein hinreichende Identifikation der Bürger mit Europa ist erforderlich. Informationsbarrieren müssten beseitigt werden, die Aufmerksamkeit der Bürger müsste gewonnen werden. Konkrete Maßnahmen könnten sein: Erasmus-Programm für Senioren. Austauschprogramm für Beschäftigte. Ein öffentlich-rechtlicher EU-Fernsehsender. Eine EU-Bürgerversammlung. Transnationale Listen für Wahlen zum EU-Parlament. Vgl. Ciaglia, S./ Fuest, C./ Heinemann, F.: What a feeling?! How to promote European Identity, EconPolicy Report, Nr. 9, Oktober 2018.

Monetaristen gegen Ökonomisten: Zwei Lager, die die gleichen Ziele hatten, aber uneins über den Weg in der EU waren. Insbesondere die Zeit war umstritten. Zu der ersteren Gruppe gehörten Belgien, Frankreich und Luxemburg. Zur zweiten Gruppe gehörten Deutschland und die Niederlande. Differenzen gab es über die Liberalisierung des Kapitalverkehrs, die Schaffung einer einheitlichen Währung, die Koordinierung der Geldpolitik und die Koordinierung der Wirtschaftspolitik. Die erste Gruppe sah den Euro als Grundstein für die Integration. Die zweite Gruppe sah den Euro eher als Krönung am Ende des europäischen Integrationsprozesses.

Preisunterschiede in Europa und der EU: Besonders hoch sind die Preise 2018 in der Schweiz und Island. Eine besonders große Spanne gibt es bei Alkohol und Tabak. In der EU liegt Dänemark am höchsten über dem EU-Durchschnitt (+41,5%). Am billigsten ist Bulgarien (-51,5%).

"Grexit (aus "Greece" und "Exit") bzw. Geuro " (unbeabsichtigtes, "unfallartiges" Euro-Aus für Griechenland "Graccident", die Gefahr besteht und wird größer): Für Griechenland wird über die Einführung einer Parallelwährung nachgedacht. Der innergriechische Zahlungsverkehr würde damit erfolgen. Der andere Zahlungsverkehr - auch der Tourismus - würde in Euro abgewickelt. Griechische Exportprodukte würden preiswerter und wettbewerbsfähiger. Dies wäre ebenso ein Vorteil wie die dann mögliche Abwertung. Allerdings gäbe es große Unsicherheit, vor allem wenn die Zahlungsweise frei gewählt werden kann (wer würde dem Geuro trauen?). Die Lage der Schulden müsste geklärt werden. Die Idee der Parallelwährung wird auch von der Alternative für Deutschland vertreten. Gewinnt Syriza die Parlamentswahl Ende Januar 2015, könnten sie die Kreditgeber erpressen. Ein Schuldenschnitt ist in der EU aber nicht vorgesehen. Wenn die EZB keine Euro mehr zur Verfügung stellt, müsst Griechenland selbst wieder eigenes Geld drucken. So käme es wahrscheinlich zum Rauswurf Griechenlands aus dem Euro. Dabei sind Griechenlands Schulden vergleichsweise billig. Das Land zahlt durchschnittlich nur 2,4% Zinsen, wegen der subventionierten Hilfskredite. Auf ca. 56 Mrd. Euro summiert sich der direkte deutsche Anteil an den Rettungshilfen für Griechenland bis Anfang 2015. Ungefähr mit dieser Summe wäre auch Deutschland dabei, wenn es zu einem Schuldenerlass für Griechenland käme (ca. die Hälfte, damit Griechenland bei Reformzusagen, den Rest stemmen kann). Dringend erforderlich wären strukturelle Reformen, vor allem des Steuersystems (Einbeziehung der Oligarchen). Bei der vorgezogenen Wahl am 25.01.15 bekommt Syriza 35,4% (zwei Sitze fehlen zur absoluten Mehrheit). Tsipras geht eine Koalition mit den Rechtsnationalisten ein. Spargegner kommen als Finanzminister und Vizeregierungschef ans Ruder. Drei Szenarien sind möglich: 1. Steuersystem wird reformiert und es gibt zusätzliche Einnahmen, so dass die Schulden bedient werden. 2. Keine Reformen, Gläubiger wollen keinen Schuldenschnitt, Grexit (bilaterale Kredite müssen allerdings erst ab 2020 getilgt werden, nur 340 Mio. € Zinsen). 3. "Muddling Through" geht weiter wie gehabt mit "faulen Kompromissen". Erstmal brechen die Finanzmärkte ein. Die neue Griechische Regierung verweigert die Umsetzung der Reformen und Sparmaßnahmen und kündigt die Zusammenarbeit mit der Troika auf. Damit ist die Auszahlung der letzten Tranche nicht möglich (1,8 Mrd. €; außerdem ESM - Mittel). Im Juli steht die Rückzahlung zweier Staatsanleihen  an. Also muss man bis Sommer eine Lösung finden. Die internationale Kontrolle ist Bestandteil der europäischen Verträge. Die griechische Regierung rudert zurück und spricht nur noch von Umschuldungsmaßnahmen. Die EZB nimmt griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit für Bankkredite an (Aufhebung der Sonderregelung; Kursrutsch an der griechischen Börse; Bürger heben Geld bei den Banken ab). Damit verschärft sich die Situation der griechischen Banken. Ein Gipfel der Euro-Finanzminister bringt keine Einigung Mitte Februar (sogar Eklat). Ein darauf folgender EU-Gipfel der Staats - und Regierungschefs soll keine neuen Ergebnisse bringen (Griechenland fordert "Brückenfinanzierung" statt neuer Kredite). An Strukturreformen (Staat, Steuersystem, Justiz, Bildung: bisher magere Erfolge), Haushaltskonsolidierung (Defizitquote 2014 2% von 2009 15,5%) und Schuldenreduktion (Schuldenquote steigt wegen sinkender Wirtschaftsleistung) wird kein Weg vorbei führen (egal wie man es nennt und verkauft). Die EZB erlaubt den griechischen Banken vorübergehend den Zugang zu Nothilfen. Die Eurogruppe setzt Griechenland eine Frist bis 20.02.15 (alle Treffen bisher sind gescheitert; jedes Hilfspaket ist an Bedingungen geknüpft). Der Hilfsantrag von Griechenland wird zunächst abgelehnt. Es werden auch keine Kapitalverkehrskontrollen eingeführt. Am 20.02.15 wird ein Aufschub beschlossen: Das Hilfprogramm wird um vier Monate verlängert, wenn eine Liste von Reformen genehmigt wird (nur Entwürfe?). Die Finanzminister der Eurozone genehmigen die Liste (z. B. gegen Steuerbetrug und Frühverrentung) und damit die Verlängerung des Rettungsprogramms. Ende April muss eine finale Aufstellung aller Reformen vorliegen, damit ab 01.07. ein neues Programm beginnen kann. Trotzdem steht Athen wohl weiter vor akuten Zahlungsproblemen. Es gibt Streit über einzelne konkretere Punkte des Reformkonzeptes und um den Ort der Prüfung. Griechenland droht mit Volksabstimmung und Neuwahlen. Von Deutschland werden Reparationszahlungen gefordert und mit der Beschlagnahme deutschen Eigentums gedroht. Die Steuereinnahmen gehen im Jahr 2015 kontinuierlich zurück und es wird immer mehr Geld ins Ausland verlagert. Damit muss die Regierung wahrscheinlich viele Wahlversprechen brechen (z. B. Abschaffung der Immobilienbesitz-Steuer; Aufschiebung der Wahlversprechen). Athen braucht bis Ende März dringend Geld, ansonsten kann es seine Staatsdiener nicht mehr bezahlen und anderen Verpflichtungen (Schulden zurückzahlen) nicht mehr nachkommen (Liquiditätsprobleme). Die Vertreter der Institutionen werden vor die Tür gesetzt, so dass die Prüfung vorerst nicht stattfinden kann. Am 27.03.15 ist die Reformliste fertig. Auf ihr sind 18 Maßnahmen aufgelistet, die 3,5 Mrd. Euro bringen sollen (Arbeitsmarkt, Rentensystem, Privatisierung, neue Steuern, gegen Steuerhinterziehung und Schmuggel). Die Rating - Agentur Fitch stuft das Land auf CCC herunter (Mehrheit von Piräus ist doch zu verkaufen). Finanzminister Varoufakis reist durch die Welt und verspricht pünktliche Zahlung (IWF in Washington). Weil wichtige Reformen aber nicht umgesetzt werden (Arbeitsmarkt, Renten), rückt der Grexit näher oder auch eine Parallelwährung. Die griechischen Banken sind schon in Bedrängnis. Ende April auf dem Treffen der Euro-Finanzminister in Riga/ Lettland wird keine Einigung erzielt. Im Mai 2015 ist in Griechenland mehr Bargeld als je zuvor in Umlauf (Bargeldbestand November 2014 30,1 Mrd. €; April 2015 43 Mrd. €; ein Viertel des BIP). Das meiste Geld ist gebunkert. Das ist problematisch, weil die Geschäftsbanken immer weniger Einlagen haben, um Kredite zu vergeben. Am 11.05.15 treffen sich wieder die EU-Finanzminister: Griechenland muss bis 20.08. 9,5 Mrd. € an EZB und IWF zurückzahlen. Vier Lösungsvorschläge sind im Raum: 1. Befriedigende Strukturreformen. 2. Rettungsfonds übernimmt Schulden. 3. Geuro. 4. Auszeit aus dem Euro. Bei einem Gipfeltreffen in Berlin wird Griechenland ein letztes Angebot gemacht (IWF, EU, EZB): Am 05.06.15 sind 300 Mio. € für den IWF fällig. Insgesamt müssen im Juni 15 1,6 Mrd. € zurückgezahlt werden. Griechenland legt eine grobe Reformliste vor. Die Kreditraten sollen bis Ende des Monats Juni gebündelt werden. Griechenland selbst fordert ein Moratorium bis 2016. Konkretere Reformlisten werden vorerst nicht geliefert, obwohl versprochen (Absenkung Renten, Erhöhung Mehrwertsteuer, Primärüberschuss von 1%). Der IWF bricht die Gespräche ab (es folgt ein Abbrechen und Aufnehmen der Gespräche mit der EU). Von einem Ausstieg Griechenlands aus dem Euro wären kaum noch die Banken betroffen, sondern die öffentlichen Haushalte. Ein Krisengipfel der Regierungschefs vor dem offiziellen Gipfel aller 28 EU-Staaten soll die Lösung bringen. Ein Staatsbankrott würde die Bürger der Euro-Zone ca. 305 Mrd. Euro kosten, Deutschland darunter 85,2 Mrd. Euro. Die griechische Regierung benennt "rote Linien": Wiederherstellung des Arbeitsrechts, reine Senkung von Gehältern und Renten, vollständiger Plan für die Schuldenprobleme (Schuldenquote 180 %). Am Ende geht es noch um folgende Knackpunkte: Griechenland fordert Umschuldung (ESM-Schirm) und keine Haushaltskürzungen (Löhne im öffentlichen dienst, Auflösung Pensionsfond), sondern Steuererhöhung. Der IWF insbesondere und die zwei anderen Institutionen beharren auf ihren Forderungen. Die Eurogruppe entscheidet sich dafür, das Hilfsprogramm für Griechenland nicht zu verlängern (und geht nicht auf den Vorschlag einer Verschiebung bis zum Referentum ein). Jetzt kaum Plan B. Plan B sieht eine Staatspleite Griechenlands und den Austritt aus der Eurozone vor. Es kommen Kapitalverkehrskontrollen. Die EZB verlängert die Nothilfen für die Banken (Ela: Emergency Liquidity Assistance; der Rahmen von 90 Mrd. € wird nicht erhöht). Die griechische Regierung und die Notenbank schließen die Banken bis nach dem Referendum (Reformpolitik/ ja, Reformpolitik/ nein) am 06.07.15 und auch die Börse. Griechenland zahlt einen Kredit des IWF nicht zurück. Die griechische Regierung will vor dem europäischen Gerichtshof klagen. IWF und EFSF stellen die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands fest. Die Griechen stimmen in dem Referendum gegen Reform- und Sparauflagen (gegen das Prinzip der "Konditionalität"). Finanzminister Varoufakis tritt zurück. Tsakalotos wird Nachfolger. Am 07.07.15 will ein Gipfel der Finanzminister und Regierungschefs nach einer Lösung suchen. Griechenland macht keine Reformvorschläge. Die Frist wird bis Sonntag, den 12.07. verlängert. Dann findet wieder ein Gipfel statt. Die Banken bleiben bis 08.07. und darüber hinaus die Woche geschlossen ; die Kapitalverkehrskontrollen bestehen weiterhin. Bis Donnerstag, den 09.07. müssen die Reformvorschläge eintreffen. Dann müsste kurzfristig ein Überbrückungskredit (aus EU-Fonds EFSM) kommen; danach neues Hilfsprogramm). Die Reformvorschläge treffen pünktlich ein (12 Mrd. € Einsparung bis 2018; Erhöhung Mehrwertsteuer, Unternehmenssteuern, Frühverrentung abschaffen). Eine Umschuldung wird erwogen (Dauer der Kredite strecken, Zinsen senken). Die Finanzminister zweifeln am Reformwillen Athens (sie verlangen Garantien und einen Zeitplan für ein ESM - Hilfspaket für drei Jahre in Höhe von 53 Mrd. €; Mehrheit gegen erneutes Hilfspaket). Bis zur Klärung wird der Gipfel der 28 Regierungschefs verschoben (nur die der 19 Euroländer treffen sich). Der deutsche Finanzminister legt einen Alternativplan vor: 1. sehr rasche und umfassende Nachbesserung oder 2. fünf Jahre aus dem Euro raus mit Schuldenumstrukturierung (von 7 Ländern unterstützt). Der Plan findet keine Unterstützung. Wahrscheinlich muss Griechenland noch bis 15.07. nachbessern (der Finanzbedarf ist um 10 Mrd. € höher). Es geht zuletzt um sparen bei den Rüstungsausgaben, die weitere Einbeziehung des IWF, einen Vermögens-Fonds (Privatisierung; auch für Rückzahlung der Schulden; unter EU-Aufsicht) und um konkrete Beschlüsse im griechischen Parlament zu Reformen. Am 13.07. erzielt man den Durchbruch. In den kommenden drei Jahren erhält das Land 82 bis 86 Mrd. € (drittes Hilfsprogramm). Noch mehrere Parlamente müssen zustimmen. Es muss noch eine Überbrückung (Zwischenfinanzierung) her. Diese soll aus dem EFSM (alle EU-Länder müssen zustimmen; GB dagegen; Deutschland für Schuldscheine). Das griechische Parlament stimmt den Reform- und Sparplänen zu. Der Bundestag stimmt für die Aufnahme von Verhandlungen. Der Löwenanteil der Finanzhilfen wird aber weiterhin bei Finanzinstitutionen und beim IWF landen. Zuerst gibt die EZB wieder Notkredite. Die Kapitalverkehrskontrollen bleiben vorerst bestehen. Am 20.07.15 öffnen die Banken wieder. Am 03.08.15 öffnet die Börse wieder nach fünf Wochen; die Kurse des Leitindex ASE fallen um über 20% (am ersten Tag -16%, am zweiten -4%). Die Haushaltsbedingungen für das dritte Paket scheinen im August 2015 erfüllt. Die nationalen Parlamente müssen noch zustimmen. Tschipras tritt zurück; im September 2015 gibt es Neuwahlen. Syriza gewinnt die Wahl wieder (35,5%, erneut Bündnis notwendig). Es wird massive Steuererhöhungen geben (Immobiliensteuer, Luxusteuer). Im November 2015 erhält Griechenland weitere 12 Mrd. € zur Stabilisierung der Banken (umstritten war der Schutz für säumige Zahler von Hypotheken; 2 Mio. davon sind für den Haushalt). Das griechische Parlament billigt den Sparhaushalt 2016 im Dezember 2015. Danach gint es Treit zwischen der EU und dem IWF. Das lähmt und verzögert die Reformen in Griechenland. Der IWF rechnet damit, dass Griechenland ab März 2016 wieder Schwierigkeiten mit seinem Schuldendienst hat. Er drängt die Euro-Länder, die Schuldenlast Griechenlands deutlich zu reduzieren. Die Neuverschuldung ist 2015 auf 7,2% gestiegen. Die Troika legt Griechenland ein Extra-Sparpaket auf. Diesem wird am 08.05.16 vom Parlament zugestimmt. Daraufhin gewähren die Finanzminister der EU 10,3 Milliarden € neue Kredite. Weil ab 2018 Schuldenschnitte erfolgen sollen, bleibt auch der IWF mit im Boot.  Im siebten Jahr des Sparprogramms sind viele Griechen in die Armutsfalle geraten (jeder zweite Rentner, jeder zweite Jugendliche ist arbeitslos). Im Oktober 2016 geben die Finanzminister der EU 1,1 Mrd. € für Griechenland frei. Im Juli 2017 muss Griechenland rund sieben Mrd. € zurückzahlen. Das ist unmöglich. Der IWF hält das Land für zahlungsunfähig. Die EU will retten. Die EU-Finanzminister einigen sich darauf, vorerst wieder Kontrolleure nach Griechenland zu schicken. Im April 2017 wird eine vorläufige Einigung erzielt: Griechenland macht für die Jahre 2019 und 2020 zusätzliche Reformen (Sparpaket, Renten gekürzt, höhere Steuern)und die Hilfsgelder von 86 Mrd. € werden ausgezahlt. Geldgeber (EU, IWF) und griechische Regierung einigen sich auf Spar- und Reformschritte. Im Juni 2017 wird über zusätzliche Kredite in Höhe von 8,5 Mrd. € entschieden. Schließlich stimmen die EU-Finanzminister der Auszahlung zu  (IWF gibt kein Geld, da er Schuldenerleichterungen fordert; nur noch symbolisch beteiligt; Zustimmung vom Bundestag?). Im September 2017 verkündet der griechische Ministerpräsident Tsipras das Ende der Krise (nach Grexit folge nun Grinvest). Tatsächlich wird zum ersten Mal seit acht Jahren im November 2017 ein Anpassungsprogramm der EU erfüllt. Griechenland sucht 2018 nach Möglichkeiten, aus den Hilfsprogrammen auszusteigen. Schuldenerleichterungen kommen auf die Tagesordnung. Auch die Haushaltskontrolleure des EU-Parlaments stellen im Februar 2018 ein gutes Zeugnis aus. Allerdings bezweifeln EZB und IWF weiter die langfristige Kreditwürdigkeit des Landes. Die Euro-Finanzminister beraten am 21.06.18 über die Kredite (Laufzeiten werden verlängert). Das Land bekommt noch einmal 15 Mrd. €. Ziel ist es, dass Griechenland sein nächstes Hilfsprogramm am freien Kapitalmarkt selbst finanzieren kann (Hilfsprogramm läuft im August 2018 aus, seit 2010 erhielt das Land 245 Mrd. €). Am 20.08.18 endet das Hilfsprogramm für Griechenland. Das Land erlebte die tiefste und längste Rezession der Geschichte. Der beinharte Sparkurs hat tiefe Spuren hinterlassen. Es gibt im Januar 2019 Ausschreitungen in Athen wegen der Mazedonien-Frage. 2019 ist das Ende der Kapitalkontrollen bei Banken. ein weiterer Schritt zur Normalität. Ab 2019 soll die Schuldenquote sinken. Bis 2070 sollen alle Kredite abgezahlt sein. 2020 erwartet die Regierung ein doppelt so starkes Wachstum wie in der Euro-Zone. Chinesische Investitionen zahlen sich aus. Yanis Varoufakis, der ehemalige Finanzminister, will 2020 mit dem Handy aufgenommene Mitschnitte der Eurogruppen-Treffen veröffentlichen. Lockdowns strangulieren 2020 und 2021 Griechenlands Wirtschaft. Die Pandemie stürzt das Land in eine Rezession. Hilfsprogramme für die Wirtschaft lassen die Schulden explodieren. 2021 will das Land Europas Wachstumschampion werden. Dank EU-Aufbaufonds hofft man auf Investitionen. Ende Oktober 2021 macht Merkel ihren Abschiedsbesuch in Griechenland. Wegen ihrer Rolle in der Schuldenkrise hat sie dort recht wenig Vertrauen (nur 30%). Premier Mitsotakis hat 2024 die Ehe für alle durchgesetzt. Der orthodoxe Klerus rebelliert. Griechenland ist 2024 immer noch das am höchsten verschuldete Land Europas. Es hat Milliardenkosten durch Hitzewellen, Waldbrände und Jahrhundertstürme. Jetzt bittet die Regierung Touristen zur Kasse (Abgabe für Klimaresilienz).   "Wir haben weder vor, jemanden zu erpressen, noch zu terrorisieren", Alexis Tsipras, Chef des Linksbündnisses Syriza. Mitte Januar 2015. "Europa ist wie ein Auto, das auf eine Mauer zurast", Nouriel Roubini, NY-Uni. "It will not happen that there will be a Staatsbankrott in Greece", Bundesfinanzminister Schäuble auf einer Asienreise im Herbst 2012. Die Wahl in Griechenland war auch eine Abrechnung mit den mächtigen Oligarchen. Die Clans des Landes haben ihr Vermögen teilweise ins Ausland gebracht oder zahlen kaum Steuern (Bobolas, Copelouzos, Latsis, Psycharis, Sallas, Vardinoyannis). Von 1831 bis 2001 hatte Griechenland als Währung die Drachme. "Statt Griechenland weiter Vorschriften zu machen und dem schon  verlorenen Geld weiteres nachzuwerfen, sollten die Gläubigerstaaten künftig das Gegenteil tun: Möglichst keine Vorschriften machen und möglichst wenig neues Geld bereitstellen - am besten gar keins", Clemens Fuest, Präsident ZEW, 2015. Gemessen an der Wirtschaftsleistung ist der Schuldenberg in Griechenland der höchste der Euro-Zone (175% 2015). Bei Ausblendung der Zinszahlungen soll das Land weniger ausgeben als einnehmen (Primärüberschuss). Das ist das wichtigste Kriterium der Institutionen. Die durchschnittliche Pension ist in Griechenland höher als in Deutschland (teuerste Altersvorsorge der EU). Im Mai 2015 taucht ein Gesetzentwurf des griechischen Finanzministeriums auf, dass praktisch Schwarzgeld legalisiert. Damit dürfte die Steuer- und Zahlungsmoral sicher nicht steigen. Laut dem nationalen Statistikamt "Elstat" spitzt sich die wirtschaftliche Lage zu (Schlussquartal 2014 BIP -0,4%; im ersten Quartal 2015 -0,2%; die Griechen heben privat große Mengen Geld ab). Deshalb muss die EZB immer wieder Notkredite für die griechischen Banken zur Verfügung stellen. Die Börse stürzt Mitte Juni 2015 wegen der Sorgen um einen Staatsbankrott ein. 2016 kommt es zu einem "Schimpf-Eklat" bei einer Griechenlandreise zwischen dem Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses Peter Ramsauer und einem Journalisten. Europas Steuerzahler haben Griechenland 100 Mrd. Euro geschenkt. Griechenland kann sich problemlos refinanzieren. Griechenland muss keine marktgerechten Zinsen zahlen oder nenneswert tilgen. Vgl. Heinemann, Friedrich: Europas Steuerzahler haben Griechenland 100 Milliarden Euro geschenkt, in: WiWo 47/19.11.21, S. 45. Griechenland schleppt 2023 immer noch die höchste Schuldenlast aller EU-Staaten. Hilfskredite werden vorzeitig getilgt. Aber es werden noch Jahrzehnte vergehen, bis das Land die EU-Schuldenvorgaben erfüllt. Deshalb treibt Griechenland 2024 Privatisierungen voran. Der Athener Flughafen macht einen Börsengang. Staatsbeteiligungen werden an die Piraeusbank verkauft.

Graccident und Alexit: Hinausstolpern aus der Eurozone wie durch einen Unfall (accident). Die Frage ist nicht mehr, ob Athen aus dem Euro rausgeworfen wird oder ob es zur Drachme zurückkehrt. Die Griechen würden aus der Kurve geworfen, weil ihnen das Geld ausgeht. Die EZB darf nur begrenzt im Rahmen von Ela helfen. "Alexit" wurde im Kurznachrichtendienst Twitter erfunden für das Szenario, dass sich die Griechen im Referendum für einen Verbleib im Euro entscheiden und Alexis Tsipras nur der Rücktritt und Neuwahlen bleiben. Zu den Widersachern eines Schuldenschnitts für Griechenland gehören auch vor allem Spanien und Portugal. Es besteht Angst vor Ansteckung: Die linken Bewegungen in beiden Ländern könnten Auftrieb bekommen. In Griechenland gab es einen Plan B für die Rückkehr zur Drachme (von Ex-Finanzminister Varoufakis bestätigt): virtuelles Zahlungssystem, Einsatz eines Hackers; Besetzung der staatlichen Münzanstalt; Putsch zur Drachme. Das dieser Plan bestand, wird 2016 vom US-Wirtschaftsprofessor James Galbraith (Chefkoordinator) bestätigt. Unruhen sollten mithilfe der Armee niedergeschlagen werden. Beim zweiten Hilfspaket für Griechenland übernimmt Deutschland 38,13 Mrd. € (1. Paket 15,17 Mrd. €). Insgesamt umfasst das zweite Paket 130,8 Mrd. €."Der Grexit könnte unvermeidlich werden, wenn die Geldzufuhr nach Griechenland weiter gestoppt wird. Ohne funktionsfähiges Geldsystem funktioniert auch die Wirtschaft nicht", Martin Hellwig, in: Handelsblatt Nr. 125, 4. Juli 2015, S. 64.

Brexit: Ausstieg Großbritanniens aus der EU. Durch die Griechenlandkrise rückt diese Diskussion in den Hintergrund. 2016 will die Regierung ein Referendum über den Verbleib in der EU durchführen. Der Premierminister will die EU dezentralisieren und den einzelnen Regierungen wieder mehr Kompetenzen zugestehen. Hartnäckig hält sich in Umfragen eine Mehrheit für den Ausstieg in GB. Standard & Poor´s warnt in diesem Falle vor einem Verlust des AAA-Rankings. Die Verhandlungen über eine Reform in der EU kommen voran (z. B. Sozialleistungen für Einwanderer kürzen, die noch nicht 4 Jahre in GB leben; kommt die Regelung, könnte Deutschland Milliarden sparen). Das Lager der Brexit - Befürworter ist zerstritten. Großbritannien geht es noch um andere Punkte: Keine engere Union (nationales Veto). Einfluss des Finanzplatzes London auf Regelungen (Zusammenhang Euro - Nicht-Euro-Länder). Die Briten bekommen ihr Extra-Paket. Die Regelungen bei der Sozialhilfe gelten 7 Jahre. Kindergeldzahlungen werden an die Lebenshaltungskosten der Herkunftsländer angepasst. Ab 2020 können andere EU-Länder die Regelungen übernehmen. Im Juni 2016 ist in GB eine Volksabstimmung über den Verbleib in der EU. Der populäre Bürgermeister von London Boris Johnson führt die Brexit - Befürworter an. Eine Umfrage beim deutschen Mittelstand zeigt, dass die meisten Manager aus KMU einen Brexit-Schaden für den Mittelstand befürchten. 87% sind auch gegen einen Austritt (Vgl. IfM-Bonn: Brexit - Schaden für den Mittelstand, in: F.A.Z. 15.02.2016, S. 18). Vor der Abstimmung in GB kommt es zu einer Pfundschwäche. Wahrscheinlich haben alle Finanzmärkte Turbulenzen vor sich. Die Niederländer stimmen gegen das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine. Zusätzlich ist der Premierminister Cameron in die Panama-Affäre verstrickt. Beides könnte die Abstimmung in GB beeinflussen. Der IWF sieht in einem Brexit ein Risiko für die Weltwirtschaft.  Die Direktinvestitionen in GB werden schon reduziert. Viele Firmen fürchten den Brexit. Ökonomisch gesehen ist er auf jeden Fall irrational. Viele Experten und Banken prognostizieren einen regelrechten Absturz der britischen Währung auf unter einen Euro. Für die Ausstiegsverhandlungen sieht der Lissabon-Vertrag 2 Jahre vor (die Ausstiegsbefürworter wollen 4 Jahre). Die Prognosen vor der Wahl liegen bei 53% für Austritt. Einige Tage vor der Abstimmung tauschen viele Briten Pfund in Euro und Dollar um. Ein Brexit würde für die übrigen EU-Staaten höhere Beiträge mit sich bringen. Deutschland müsste voraussichtlich 2,5 Mrd. Euro mehr jährlich zahlen (Quelle: Statista). Das britische Pfund dürfte erst mal an Wert verlieren, wodurch deutsche Exporte nach GB erschwert würden (für deutsche Exporte ist GB das drittwichtigste Land, für Importe das neuntwichtigste). Weitere Handelsauswirkungen würden von den Austrittsverhandlungen abhängen (Zölle?). Deutschland würde einen Verbündeten für eine mehr liberale, freie Handelspolitik verlieren. Südeuropa ist eher für Regulierung und staatliche Eingriffe. Die Briten stimmen am 23.06.16 mehrheitlich für einen Brexit (51,9%). Schottland, Nord-Irland und London sind mehrheitlich dagegen, eine Zerreißprobe für das Königreich; 70 Prozent der jungen Menschen haben für einen Verbleib gestimmt). Das britische Pfund fällt auf ein 30-Jahres-Tief (-15%). An allen Börsen der Welt brechen die Kurse ein (DAX vorübergehend -10%). Als erste Reaktion weist die EU darauf hin, dass ein Verbleib im Binnenmarkt allein nicht möglich ist. Premier Cameron kündigt seinen Rücktritt an. Durch den Kursverfall des Pfund ist GB nicht mehr fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, sondern wird von Frankreich überholt. Institutionen der EU mit Sitz in London werden umziehen müssen (Europäische Arzneimittelbehörde, Europäische Bankenaufsicht, Euratom). Frankfurt dürfte profitieren (80.000 Banker werden aus London erwartet). 300 Mrd. Euro könnten die Kosten für die britische Wirtschaft bis 2030 betragen? (Bertelsmann-Stiftung). Firmen prüfen schon Verlagerungen des Sitzes aus GB in andere EU-Länder (vor allem chinesische Unternehmen). Die Rating - Agenturen prüfen, die Kreditwürdigkeit GB herabzustufen. Schottland will ein Referendum über den Verbleib in der EU und die Abspaltung von GB. Premier Cameron will den Austritt hinaus zögern. Merkel will keine "Rosinenpickerei"  zulassen. Der britische Finanzminister hält höhere Steuern für unerlässlich. Die Regierung will eigene Handelsabkommen abschließen (zunächst mit Australien und Kanada). Durch den Brexit sinkt der Anteil der Wertschöpfung der EU an der globalen Wertschöpfung von 17% auf 15%. GB sucht bereits Handelspartner in Übersee, obwohl dies eigentlich noch in die Zuständigkeit der EU fällt. Der Brexit dürfte für Deutschland sehr teuer werden: Es ist mit -15,6 Mrd. € der größte Nettozahler vor GB (-12,7). Einen großen Teil von GB müsste Deutschland übernehmen. Britische Firmenchefs erwägen 2016 eine Abwanderung in EU-Länder. Im März 2017 will Premierministerin May die Austrittsverhandlungen beginnen. Der Brexit scheint die Unabhängigkeitsbestrebungen in Schottland und Nord-Irland wieder zu verstärken. Im November 2016 urteilt der High Court, dass das Parlament beim Brexit nicht übergangen werden darf. Jetzt muss das höchste Gericht im Königreich entscheiden. Dieses entscheidet im Januar 2017 auch, dass das Parlament zustimmen muss. Dafür wird extra ein Gesetz gemacht, dem das Parlament am 1.2.2017 zustimmt. Der Brexit verunsichert stark die EU-Ausländer (3 Mio.). Der EU-Unterhändler Michel Barnier macht klar, dass GB den Binnenmarkt nur nutzen kann, wenn vier Freiheiten gewährleistet sind:  Waren- und Dienstleistungen, Zahlungsverkehr, Arbeitnehmer-Freizügigkeit. Ein harter Brexit wird immer wahrscheinlicher. Der wird von May Mitte Januar angekündigt. GB wolle auch aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion. Londoner Banken machen sich auf den Weg zum europäischen Festland (Frankfurt). Die US-Bank Goldman Sachs baut sofort Arbeitsplätze in London ab. Die EU berechnet die Lasten, die GB bei einem Brexit übernehmen soll. Es handelt sich um Verpflichtungen in Höhe von 40 bis 60 Mrd. €. Schottland will in der EU, zumindest im Binnenmarkt bleiben, und plant daher ein neues Referendum. Nach der Verabschiedung des Brexit - Gesetzes im März 2017 bleiben zwei Jahre, um den Austritt zu regeln. Die EU der verbleibenden 27 will auf einem Sondergipfel am 29. April 17 die Verhandlungslinie festzurren. Am 29.03. stellt GB den Austrittsantrag. In der EU leitet der Franzose Michel Barnier dazu eine 30-köpfige Kommission. Die EU fordert die britischen Schulden in Euro zurück (60 Mrd. Euro; GB beziffert sie auf 20 Mrd. Euro). Am 8. Juni gibt es Neuwahlen in GB, um mehr Rückendeckung für die Brexit - Verhandlungen zu schaffen. Frankfurt hat jetzt größte Chancen, Sitz der Eba zu werden (Europäische Bankenaufsicht; statt London). auch die Arzneimittelbehörde EMA muss von London verlegt werden. Am 29.04.17 verabschieden die 27 EU Staaten Leitlinien für die Verhandlungen: Erst Status der 3 Mio. EU-Bürger in GB und Schlussabrechnung der Finanzen. Dann Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen. GB will das Empire wieder beleben. Der Commonwealth soll für die EU einspringen. die Länder sind weniger begeistert (allein das Handelsvolumen mit Deutschland ist größer!). Im Juni 2017 verlieren die Konservativen von Premierministerin May die absolute Mehrheit im Unterhaus (sie setzen auf eine Duldung durch die Nordirland-Fraktion). Die Brexit - Verhandlungen dürften dadurch schwieriger werden. Sie beginnen am 19.06.17.  Man einigt sich auf Prioritäten und Fahrplan. Viele rechnen sogar mit einem Exit vom Brexit. Die Börse reagiert ruhig auf die Wahl. Die britische Wirtschaft macht mobil gegen den Brexit. Sie wünscht sich eine Übergangsregelung bis ein Freihandelsabkommen steht. Investitionen werden zurückgestutzt. Im Juli 2017 legt die britische Regierung ein Positionspapier zum Brexit vor. Im August schlägt die britische Regierung eine befristete Übergangsphase nach dem Brexit vor und will eine Zollunion auf Zeit (außerdem keine Grenzposten zu Nordirland). Der Brexit bedroht stark die Universitäten Oxford und Cambridge. Fördergelder fallen weg, Forscher verlassen die Unis. Im September 2017 schlägt Premierministerin May einen Abschied auf Raten vor (zweijährige Übergangszeit). Im Oktober 2017 sind die Verhandlungen in einer Sackgasse (EU fordert Zugeständnisse und Zahlungen, GB will ein Freihandelsabkommen). Die EU stellt im November 17 sogar ein Ultimatum, um Zugeständnisse GB zu erreichen. Besonders umstritten ist die Art der künftigen Grenze zwischen Irland und Nordirland. Am 08.12.17 erzielt man den Durchbruch: Keine harte Grenze in Irland. London kommt finanziellen Verpflichtungen nach (genaue Höhe wird geklärt, zwischen 40 und 50 Mrd. €). Rechte für EU-Bürger werden garantiert. Das ist das Ende der 1. Phase. Es ist ein vager Kompromiss. Das britische Parlament erzwingt im Dezember 2017 ein Vetorecht zum Brexit. Die zweite Verhandlungsphase dürfte noch schwieriger werden: Es geht um ein Handelsabkommen. Die Unternehmen wollen Planungssicherheit. Die EU bietet Übergangsfristen bis Ende 2020 an. Mitte Januar 2018 bietet die EU GB an, dass es in der EU bleiben kann. Doch das Unterhaus verabschiedet am 17.01.18 ein Brexit-Gesetz, nach dem nationales Recht Vorrang vor EU-Recht hat. In GB leben 2018 3,2 Mio. EU-Ausländer. Die EU-Vorschläge zur Irland-Grenze werden von der britischen Regierung abgelehnt. Die EU will für GB nur ein Freihandelsabkommen ohne freien Zugang für Banken aus GB. Die Übergangsphase für den Brexit wird bis 31.12.2020 festgelegt. Brexit - Minister David Davis und Außenminister Boris Johnson treten im Juli 2018 zurück (Streit über Verbleib in der Zollunion). Mittlerweile ist die Mehrheit der Briten für eine zweite Volksabstimmung. Sie fürchten die negativen Folgen eines Austritts. Eventuell gibt es noch im Herbst 2018 Neuwahlen. Die Brexit - Gespräche sind in einer Sackgasse (EU-Gipfel in Salzburg). Immer mehr zum Kernproblem der Brexit-Verhandlungen entwickelt sich die Grenze zwischen Irland und Nordirland. Der Ausgang ist offen: 1. Einigung, 2. Harter Brexit, 3. Kein Brexit. Ein Brexit ohne Deal (Lösung 2.) wird immer wahrscheinlicher. Die Übergangsfrist soll verlängert werden (Vorschlag auf dem EU-Gipfel am 16.10.18 in Brüssel. Eine Einigung bei der Frage der Nordirlandgrenze scheint möglich. Am 13.11.2018 wird eine Brexit-Lösung gefunden. Das britische Parlament und die EU-Botschafter werden unterrichtet. Die Parlamente in GB und der EU müssen noch zustimmen. Verschiedene Rücktritte stürzen die Regierung May in die Krise. Als neuer Brexitminister wird Stephen Barclay ernannt. Spanien droht wegen des Streits mit London um Gibraltar mit einem Nein zum Brexit-Deal (man einigt sich). Nach dem britischen Austritt im März 2019 soll die Übergangsphase bis Ende 2022 verlängert werden (London müsste sich in der Zeit weiter an die Regeln der EU halten). Die EU-Staats- und Regierungschefs billigen den Vertrag (Nachverhandlungen nicht möglich). Im britischen Unterhaus kann es mit der Zustimmung eng werden. Die Abstimmung wird daher verschoben. Bei Nordirland soll nach verhandelt werden, aber nur Klarstellungen. May muss sich einem Misstrauensvotum im Parlament stellen, was sie übersteht. Beim EU-Gipfel am 14.12.18 erreicht sie nur ein Zugeständnis: Der Back Stopp wird nicht angestrebt, soll als Formulierung aufgenommen werden. Die Abstimmung über die Brexit - Vereinbarung soll Mitte Januar 2019 stattfinden. Vorher verliert May eine  Abstimmung über die Rolle des Parlaments beim No-Deal-Brexit. Neuwahlen. neues Referendum, Fristverlängerung u. a. Die Sache bleibt spannend.  Großbritannien droht ein chaotischer Austritt aus der EU. Das Parlament lehnt am 15.01.2019 das Brexit - Abkommen ab (432 zu 202). Einen Tag später übersteht May ein Misstrauensvotum. Alle warten nun auf den Plan B: May will nach verhandeln, insbesondere über die zukünftige Grenzregelung zu Nord-Irland. Die EU lehnt dies ab. So geht das eine Zeitlang hin und her. In der Labour-Partei gibt es mittlerweile eine Mehrheit für ein zweites Referendum. May bietet eine Brexit-Verschiebung an. Das britische Parlament stimmt gegen den Brexit-Plan von May, gegen den harten Brexit und gegen ein zweites Referendum. Also bleibt nur die Verschiebung (May bittet um Aufschub bis Juni 2019). Dazu muss die EU einstimmig zustimmen (braucht auch einen Plan bzw. eine Perspektive). Die Staats- und Regierungschefs der EU entscheiden am 21./22. März darüber auf einem Gipfeltreffen. Eine Verschiebung soll es nur geben, wenn das britische Parlament in der Woche ab 25.03. den Austrittsvertrag billigt (die Verschiebung soll aber nur bis zum 22.Mai gehen). Gibt es keine Zustimmung des Parlaments, muss GB vor dem 12. April erklären, wie es weiter gehen soll. Fehlt die Klärung, kommt es zum harten Brexit am 12.04.19. May muss die dritte Brexit - Abstimmung verschieben. Das Unterhaus lehnt alle Brexit - Optionen ab. Der Brexit - Deal wird wieder abgelehnt. Der ungeregelte Brexit rückt näher und wird immer wahrscheinlicher. Premierministerin May bittet noch mal um eine Verlängerung der Frist bis 22. Mai 2019 (kurz vor der Europawahl); später bis 30. Juni 2019. Das Unterhaus verbietet den ungeregelten Brexit. Großbritannien müsste dann an der Europawahl teilnehmen und tut dies auch. Die EU ist offen für eine längere Verschiebung. Der EU-Gipfel am 10.04.19 entscheidet. Es gibt eine Verlängerung bis 31.10.2019. Anfang Juni 2019 will May wieder abstimmen lassen (am 7.Juni gibt sie den Parteivorsitz auf, Ende Juli den Posten als Regierungschef). Dafür bietet sie ein neues Referendum an. Die EU-Wahl dürfte das Land noch weiter in zwei Lager spalten. Die größten Chancen auf den Vorsitz und damit auf den Posten des Premierministers dürfte Boris Johnson haben (die Parteimitglieder stimmen über ihn oder Jeremy Hunt ab). Das Parlament bremst ihn aber sofort aus (keine Parlamentspause). Johnson wird Premierminister. ER will einen No-Deal-Brexit in Kauf nehmen. Spekulationen über eine baldige Neuwahl reißen nicht ab. Johnson will nach dem Brexit ein Handelsabkommen mit den USA schließen (er will auch weniger an die EU zahlen, will Back Stop - Lösung stoppen). Johnson kappt die Beratungszeit des Parlaments vor dem EU-Ausstieg. Es gibt rechtliche Schritte dagegen, wahrscheinlich auch einen Misstrauensantrag. Johnson besteht auf dem Brexit-Datum. Die Opposition plant ein Gesetz gegen den ungeregelten EU-Austritt. Die Regierung zieht Neuwahl in Erwägung. Das Parlament stimmt dem Gesetzentwurf gegen einen ungeregelten EU-Austritt zu und lehnt vorerst vorgezogene Neuwahlen ab. Der britische Unterhaussprecher Bercow kündigt seinen Rücktritt an. Das EU-Parlament nennt im September Bedingungen für den Brexit - Aufschub (Neuwahlen, neues Referendum). Das oberste britische Gericht hebt am 24.09.19 die Zwangspause des Parlaments auf. Knapp 30 Tage vor dem Brexit Ende Oktober 2019 zeichnet sich noch keine Einigung zwischen GB und der EU ab. Eine Verschiebung des Brexit wird wieder erwogen. London sucht einen Sündenbock und hätte am liebsten Merkel. Mitte Oktober 2019 gibt es grünes Licht für neue Verhandlungen. London ist angeblich zu Zugeständnissen in der Irland-Frage bereit. Die EU und GB einigen sich am 17.1019 auf einen Ausstiegsvertrag. Das Unterhaus muss noch zustimmen. Der Brexit wird trotzdem auf ende 2019 verschoben. Vorher soll es am 14. Dezember Neuwahlen geben. Die Briten entsenden keinen EU-Kommissar. Die Neuwahlen werden von den Konservativen gewonnen. Sie erreichen die absolute Mehrheit der Sitze. Damit wird der Brexit am 31.01.20 vollzogen werden. Das geschieht in einem Gesetz: Wichtigste Punkte sind Nordirland und die Rechte der Bürger. Ein Gesetz soll längere Verhandlungen als über 2020 hinaus verhindern. Damit droht wieder ein Klippen-Brexit. Ab Ende Januar 2020 gibt es eine Übergangsphase. In der Corona-Zeit gibt es nur Video-Konferenzen (Chef-Unterhändler der Briten ist Davis Frost). Obwohl GB am stärksten von der Corona-Krise betroffen war und die britische Wirtschaft am Boden liegt, hält Johnson am Ausstieg Ende des Jahres fest. So droht ein No-Deal-Brexit. Im Grunde genommen will GB nur ein Handelsabkommen (Kanada),  aber keine Überwachung durch die EU. Der Geheimdienstausschuss des britischen Parlaments kommt im Juli 2020 zu dem Schluss, Dass Russland durch subversive Maßnahmen bei der Brexit - Abstimmung die Finger im Spiel hatte. Bei den Brexit - Verhandlungen stellt Boris Johnson der EU im September 2020 ein Ultimatum. Die EU ist empört. Er untergräbt auch das Austrittsabkommen und bricht internationales Recht. Er steuert auf einen No Deal zu. Er will auch den ausgehandelten Vertrag mit der EU brechen (Internationales Recht). Immer mehr konservative Briten sehen Deutschland als Vorbild. Am 15. und 16. Oktober 2020 treffen sich die EU-Regierungschefs wegen des Brexit in Brüssel. Entscheidende Verhandlungspunkte mit GB sind:  Fischerei, gleiche Wettbewerbsbedingungen, Streitschlichtung bei Vertragsverstößen. Im November geht der engste Berater von Johnson, Dominic Cummings. Er stolpert über die Johnson-Verlobte Carrie Symonds. Das könnte Johnson zu einem Neustart veranlassen, zumal Biden irische Wurzeln hat (Irland soll keine Nachteile durch Brexit haben).   Anfang Oktober 2016 sinkt das britische Pfund auf den niedrigsten Stand seit 1985 (1,14€, 1,27 $). Die Harte Haltung zur Einwanderung beim Brexit macht dast Verbleiben im Binnenmarkt unwahrscheinlicher (Rede von Premierministerin May). Besonders betroffen vom Austritt wäre London. 1,4 Mio. Arbeitsplätze hängen schätzungsweise an Londons Finanzindustrie. Es droht der Verlust des Passporting, mit dem die Londoner ihre Finanzdienstleistungen in der ganzen EU anbieten können. 17.3 Mio. Touristen besuchten 2014 die Stadt (Platz zwei hinter Hongkong). Ein harter Brexit könnte den britischen Fiskus 66 Mrd. Pfund kosten (BIP -9,5%; Quelle: Finanzministerium von GB). Chef-Unterhändler der Briten ist David Davis. Verhandlungsführer für die EU-Kommission ist Michel Barnier. In Finnland mehren sich 2016 auch die Stimmen, die einen Austritt aus dem Euro befürworten (Fixit). Der finnischen Wirtschaft geht es schlecht. In den ersten Wirtschaftsdaten nach dem Brexit - Antrag zeigt sich folgendes: Die Kaufkraft sinkt wegen der starken Abwertung der Landeswertung Pfund.  Die Sparquote fiel auf den niedrigsten Wert seit Beginn der Statistik 1963. Die Investitionen der Unternehmen sanken um 0,9%. Im ersten Quartal 2017 halbiert sich das Wachstum des BIP auf 0,7% (Quelle: Nationales Statistikamt ONS). Viele Banken haben oder wollen London verlassen und ihren Sitz nach Frankfurt verlegen. Die Posse um den Reisepass zeigt im März 2018 wie widersprüchlich der Brexit ist. Die Briten kehren zum alten Reisepass zurück (hätten sie vorher auch in Blau behalten können) und lassen von einem französisch-niederländischen Unternehmen drucken (Freihandel!).

Austritt GB aus der EU: Nach 47 Jahren kehr GB am 31.010,2020 der EU den Rücken zu. In einer Übergangszeit bleibt zunächst mal vieles gleich: Ausweispapiere, Flugreisen, Telefonieren, Spareinlagen, Wertpapiere, Versicherungen. Der Kampf um Europa hinterlässt aber ein zerrissenes Land. Der Kulturkampf wird mit dem Austritt nicht aufhören. Es gibt schon schottische Pläne für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum. Corona zwingt das Land 2020 in eine schwere Rezession. Im 2. Quartal 2020 schrumpft die Wirtschaftsleistung um mehr als 20%. Es wird ein noch starker Anstieg der Arbeitslosigkeit befürchtet. Die US - Rating - Agentur Moody`s senkt im Oktober 2020 die Kreditwürdigkeit GB um eine Stufe auf "Aa3" (Corona, Brexit). Im Oktober 2020 lehnt das britische Oberhaus das Binnenmarktgesetz ab (was ursprünglich genehmigt worden war). Ohne Vertrag können ab 2021 Zölle und andere Handelshürden kommen. eine besondere Rolle spielt der Streit um Fisch (Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern). Anfang Dezember 20 gehen die Verhandlungen zwischen den Unterhändlern Michel Barnier und Davis Frost in die Endphase. Es schalten sich auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Premierminister Boris Johnson ein. Der Brexit - Handelspakt steht auf der Kippe. Der britische Premier will persönlich nach Brüssel kommen, um die Hauptstreitpunkte zu klären: faire Wettbewerbsbedingungen, Kontrolle eines zukünftigen Abkommens und die Fangrechte. Man vereinbart, bis spätestens 13.12.20 eine Entscheidung herbeizuführen. Die EU bereitet sich auf einen No-Brexit-Deal vor. Dann wird doch weiter verhandelt mit schwindenden Chancen. Ein Ergebnis könnte mehr ratifiziert werden. Wegen einer Mutation des Corona-Virus, die wesentlich ansteckender sein soll, werden alle Verkehrsverbindungen zwischen der EU und GB abgebrochen. Vor Weihnachten gibt es auf der Insel ein Chaos. Der Austritt wäre auf jeden Fall ein Loose-loose-Ergebnis. In London muss der Notstand wegen Corona ausgerufen werden. Die britischen Unternehmen spüren den Austritt im Januar 2021 schon. Viele Branchen leiden. Die Wirtschaft gerät in ein Jammertal: Die Arbeitslosigkeit und die Staatsverschuldung sind so hoch wie lange nicht mehr. Immer mehr Unternehmen scheitern an Formalitäten. Zahlreiche LKWs kommen leer aus GB zurück. Die Lieferschwierigkeiten dürften ab dem Sommer 21 noch zunehmen. Das BIP sinkt 2020 im Vergleich zu 2019 um -9,9%. Es kommt im Februar 2021 zu Konflikten wegen Nordirland. Die EU erwägt einen Klage. Exportstarke deutsche Unternehmen (Umfrage unter 450) beklagen Schwierigkeiten beim Export nach GB, vor allem Bürokratie. Man rechnet sowohl bei Exporten als auch bei Importen mit starken Rückgängen 2021( Fakten: Exporte von GB in die EU -41% im Januar gegenüber Dezember 2020; Importe aus der EU -29%). Im Herbst 2021 gibt es einen akuten Personalmangel in GB (Lastwagenfahrer, Gastronomie, Küchen, Möbel). Der Handel mit der EU und Deutschland bricht ein. Großbritannien kehrt zu den nationalen Maßeinheiten zurück: Pfund und Unzen. Der Gaspreis steigt extrem (250%). Viele Nahrungsmittel fehlen in den Regalen. Am schlimmsten ist der Engpass bei Benzin. Die Tankstellen sitzen auf dem Trockenen, weil die Fahrer für die Tanklaster fehlen. Es fehlen auch Schlachter. So kommt es zu einem Schweinestau bei den Briten. 2022 kommt es zu einem Einbruch der EU-Exporte nach GB. Bei den Kommunalwahlen erleidet Johnson eine Schlappe. Bei der Regionalwahl in Nordirland gewinnt Sinn Fein. Es ist ein Sieg für die Befürworter der irischen Einheit. Bei Nachwahlen verlieren die Konservativen weiter. Ein  freiwilliger Rücktritt von Johnson scheint aber ausgeschlossen. Im Herbst 22 muss er abtreten. Als seine Nachfolgerin ist Liz Truss kaum noch aufzuhalten (Thatscher 2.0, Brexit-Hardlinerin). Am 20.10.22 muss sie schon wieder zurücktreten (Scheitern ihrer Steuerpläne an den Finanzmärkten). Die konservative Partei sucht einen neuen Chef (Sunak, Johnson). Die Chancen von Johnson steigen ("Bring-Bag-Boris"). Doch dann verzichtet er überraschend zugunsten von Sunak. Sunak wird britischer Premierminister. Er ist der erste nicht-weiße Regierungschef der Geschichte und Hindu. Ende 2022 glaubt die Mehrheit der Briten, dass der Brexit ein Fehler war. Der Traum vom Singapur an der Themse ist ausgeträumt. Die Rezession könnte bis 2024 gehen. Besonders die britischen Unternehmen klagen über die Brexit - Folgen. Vgl. Watt, Andrew: Rücktritt Truss: Brexit-Traum ist ausgeträumt, in: Wirtschaftsdienst 2022/11, S. 817. Der Brexit ist nach drei Jahren ein "wirtschaftliches Desaster", sowohl für GB als auch für die EU. In der IWF-Prognose für die G7 ist GB Schlusslicht. Eine Annäherung an die EU dürfte für Rishi Sunak schwierig sein. Im März 2023 besucht König Charles Deutschland. Ist er Sunaks Diplomat? Welche Interessen verfolgt London mit dem royalen Staatsbesuch? Am 06.05.23 wird Charles zum König gekrönt. Im Juni 2023 sprechen sich in umfragen 59% der Briten für einen Wieder - Eintritt in die EU aus. Nur jeder zehnte Brite sieht den Brexit als Erfolg. Deutschlands Ansehen bei den Brite leidet. Das Erstarken der Rechtsextremen und die wirtschaftliche Schwäche beunruhigen Beobachter. Im September 2023 liegen die Konservativen mit Sunak in Wahlumfragen hinten. Sunak beabsichtigt, die Klimapläne aufzuweichen. Er entlässt die Rechtslastige Innenministerin Braverman und macht den Außenminister Cleverly zum Innenminister. Außenminister wird der ehemalige Premierminister Cameron (der mit einer Volksabstimmung den Brexit eingeleitet hatte).   Die Presse in Großbritannien unterstützt überwiegend die Torries. Sie hat großen Anteil an der Abstimmung für den Brexit. Man hat die EU meist für alle Missstände in GB verantwortlich gemacht. Damit hatte die Regierung immer ein Alibi. Die Elite GB, die überwiegend in Internaten groß geworden ist, hängt vergangenen Träumen nach. Der englische Nationalismus ist überwiegend eine Sache der älteren, weißen Generation. Die Gegner des Brexit, meist die Jüngeren, haben sich eher zurückgehalten und nicht für ihre Meinung gekämpft. Die Schotten und die Iren, die auch von hohen Fördergeldern der EU profitiert haben, werden schon aus ökonomischen Gründen für eine Abspaltung von GB kämpfen. Im 1. Quartal 2021 sinkt das Handelsvolumen zwischen der EU und GB um fast ein Viertel.

Handelsvertrag der EU mit Großbritannien (GB, UK) nach dem Brexit: Rund die Hälfte des Außenhandels GB ist mit der EU. Es soll ein Freihandelsabkommen kommen. Eine Zollunion mit einheitlichen Zöllen zu Drittländern schließt GB aus. Es könnte aber zu einem Regulierungs-, Steuer- oder Sozialdumping führen. Ein "level playing-field" soll das ausschließen. Besonders konfliktreich ist die Steuerpolitik. GB will sich auf keinen Fall auf die Einhaltung von EU-Standards bei Umweltschutz, Arbeitnehmerrechten und staatlichen Beihilfen festlegen lassen. Die EU will mit aller Macht vermeiden, dass ein Freihandelsabkommen den Wirtschaftsbeziehungen in einem freien Markt vergleichbar ist. Sehr konfrontativ könnten Verhandlungen zu den Fischereirechten werden. Die Verhandlungen ziehen sich lang bis Heiligabend 2020. Dann zeichnet sich eine Einigung ab, die vorläufig ab 2021 in Kraft treten kann. Es soll keine Zölle und Mengenbeschränkungen geben, also unbegrenzter Handel (aber GB ist aus dem Binnenmarkt raus, aber es wird Zollformalitäten und Warenkontrollen geben). Beim Fischfang einigt man sich. Für Fischer der EU reduzieren sich die Fanggründe um ein Viertel. Es gibt eine Zusammenarbeit bei Energie, Transport, Justiz und Polizei. London steigt aus dem Erasmus-Programm für Studenten aus. Die Haupt-Stadt ist aber der große Verlierer: Für Bankdienstleistungen gilt keine Freizügigkeit. Das gilt für alle Dienstleistungen, die für GB 80% ausmachen. Insofern ist GB der Verlierer. Die Personenfreizügigkeit endet. Wer zukünftig in GB arbeiten und leben will, braucht ein Visum. Die 27 EU-Staaten stimmen dem Brexit-Pakt zu. GB ist am 30.12.20 dran. Das Europäische Parlament muss noch zustimmen. Gibraltar gehört weiter zum Schengen-Raum. Es sollen in GB neue Freihäfen eingerichtet werden (die waren aber schon mal abgeschafft worden). Die Landwirtschaft soll nur noch bei Biodiversität unterstützt werden (eine radikale Erziehungskur). Ansonsten will man das Singapur an der Themse werden (Deregulierung). Im Januar kommt es zu einem diplomatischen Affront gegen die EU: Die EU-Delegation wird im Status herabgestuft. Die EU fürchtet, dass der Londoner Schritt Schule machen könnte. Der glühende Brexiteer David Frost wird Minister für "Brexit-Britannien". Im April 2021 bricht der Nordirland-Konflikt wieder auf. Es gibt große Unruhen. Die fatalen Folgen seiner Brexit - Politik will Boris Johnson mit Freihäfen korrigieren. Experten bezweifeln den Nutzen. Am 27.4.21 wird er Handelsvertrag zwischen der EU und GB vom EU-Parlament genehmigt. London will Teile des Vertrages 2021 schon wieder neu verhandeln. Es geht um Nordirland. Die EU lehnt ab. London droht der EU wegen der Brexit-Regelungen für Nordirland. Nordirland und Irland wachsen enger zusammen. Der Fischereistreit zwischen GB und Frankreich eskaliert im November 21. Seit dem EU-Ausstieg GB wird um Fischereirechte in britischen Hoheitsgewässern gestritten. Fangenehmigungen müssen erteilt werden, wenn die Fischer schon vor dem Brexit dort waren. Die Fischerei spielt volkswirtschaftlich keine Rolle. In Wahrheit geht es um den Brexit. vgl. Malcher, Ingo: Die spinnen alle, in: Die Zeit Nr. 45, 4.11.21, S. 29. In der Praxis zeigen sich großen Probleme: Problem mit Paletten wegen unterschiedlicher Normen. Meerestiere vergammeln in Lastern, wegen vorgeschriebener Kontrolle an der EU-Grenze. In Nordirland eskaliert Anfang Februar 2022 ein Streit mit der EU: eine nordirische Regierungspartei will im Alleingang die vereinbarten Brexit - Kontrollen beenden.2022 kommt es zu einem Einbruch der EU-Exporte nach GB. GB droht unverhohlen mit einem Ausstieg aus dem Nordirland-Protokoll. Die EU wiederum scheint bereit zu einem Handelskrieg. Im Juni 2022 übersteht Johnson ein Misstrauensvotum. Vordergründig geht es um Partys während des Lockdowns. Johnson will das so genannte Nord-Irland-Protokoll des Brexit - Vertrages außer Kraft setzen. Es gibt Streit um die Zollvorschriften für die britische Provinz Nordirland. Die EU leitet ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Weitere Verfahren folgen. Im Februar 2023 zeichnet sich eine Lösung ab. Aber Sunak hat Angst vor den Brexit-Hardlinern. Der Labour-Chef Keir Starmer will am Brexit festhalten, aber das Abkommen über den Handel nach verhandeln. Die britische Wirtschaftselite hat auch genug von Chaos und Stagnation. Sie will Verlässlichkeit und unterstützt Labour. Hochrangige Torys sind mit ihrem Insiderwissen über den Wahltermin offenbar zu Buchmachern gegangen. Jetzt hat man auch noch einen Wettskandal. Am 28.8.24 ist Premierminister Keir Starmer zu einem Staatsbesuch in Deutschland. Man will die Beziehungen beider Länder mit einem Vertrag auf eine neue Grundlage stellen. Im September 2024 gibt es erste Kratzer am Saubermann -Image. Starmer hat offenbar ein Schwäche für Geschenke ("King of Cadgers"). Im Oktober 2024 schließen Deutschland und GB einen Verteidigungspakt (bei einem Besuch von Pistorius in London). Auch gemeinsame Rüstung. Man vereinbart umfangreiche Militärkooperationen. Die deutsche Luftwaffe darf von Schottland aus fliegen. Kemi Badenoch wird neue Parteivorsitzende der Republikaner.  2020 wurde der Brexit schon antizipiert. Die Im- und Exporte verringerten sich jeweils um 13%. Mit knapp 445 Mrd. € war GB damit 2020 nach China und USA der drittgrößte EU-Handelspartner vor der Schweiz, Russland und der Türkei.

Brexit und Bedeutung der Rechtskultur: "In den Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich um ihre künftigen Rechts- und Wirtschaftsbeziehungen geht es nicht nur um ökonomische Vorteile, sondern auch um die Vereinbarkeit von Rechtskulturen. Die Brexiteers verteidigen britisches Recht und den britischen Parlamentarismus gegen eine nicht nur bei der Rechtsetzung, sondern auch bei der Rechtsprechung integrationistische überstaatliche Entwicklung. Die britische Regierung lehnt für die Zukunft jegliche Rolle des Europäischen Gerichtshofs für die Gestaltung der Beziehungen mit der EU ab. Dies begrenzt die Möglichkeiten, ökonomische Vorteile zu verwirklichen." In: Kämmerer, Axel/ Schäfer, Hans-Bernd: Der Brexit zwischen britischem Autonomiestreben und Handelsgewinnen, in: Wirtschaftsdienst 11/2020, S. 856-861, hier S. 856.

EU-Förderprogramme zum Ausgleich der Brexit - Folgen für die verbleibenden 27 EU-Mitgliedsländer: Die EU stellt im September 5,4 Mrd. € zur Verfügung. Es ist für die am stärksten betroffenen Regionen, Sektoren und Gemeinschaften. Allein 646,6 Mio. € fließen nach Deutschland. Die Gelder richten sich nach dem früheren Handelsvolumen mit GB. Irland und Frankreich erhalten die höchsten Summen.

Vorteile des Brexit: Einige Großkonzerne lassen sich plötzlich in London nieder. Die Regulierung der Kapitalmärkte ist ein wichtiger Grund. als Finanzplatz konkurriert London eher mit New York und Singapur und kann sich offenbar behaupten. Firmen expandieren eher nicht in GB, weil Zölle und Rechte hinderlich sind. Die Arbeitskräfte in GB sind eher knapp.   Vgl. Fischermann, Thomas u. a.: Hat der Brexit auch sein Gutes? in: Die Zeit Nr. 47, 18.11.21, S. 31.

(Negative) Folgen des Brexit für GB und neuer Premier/ Lage GB: Die ausländischen Direktinvestitionen brechen ein: 2020 19,7Mrd. € (2016 234,2 Mrd. €, 2019 45,5 Mrd. €). Das war so vorausgesehen worden. Die Exporte aus der EU sinken 2020 rapide ab (277,7 Mrd. €). Auch die Importe in die EU sinken (167,2 Mrd. €). Quelle: Office of National Statistics, GB. In GB sind die Steuern und die Bürokratie angestiegen. Die Versorgungsengpässe können nicht behoben werden. In vielen nordenglischen Städten herrscht pure Tristesse. Die Regierung verspricht den Aufstieg durch Fördermilliarden. Die Ungleichheit steigt auch in GB an. 2021 haben deutlich mehr Flüchtlinge den Ärmelkanal überquert. (fast 30.000, Verdreifachung). Die hohen Zahlen kommen auch durch die größeren Boote, die die Schlepper einsetzen. Die Flüchtlinge können wegen des Brexit nicht mehr zurückgeschickt werden. Im Juli 2022 treten zwei Minister (Gesundheit, Finanzen) und der Generalbundesanwalt zurück. Sie geben Johnson als Begründung an. Der ist weiter geschwächt. Danach treten über 40 weitere Amtsträger zurück. Der Rücktritt von Johnson ist wohl nur noch eine Frage der Zeit. Zunächst tritt er als Parteichef der Konservativen ab. Als Regierungschef will er weitermachen, bis ein Nachfolger gefunden ist (erst Hochzeit feiern mit allen Privilegien?). Mögliche Kandidaten als Nachfolger sind: Sajid Javid, Rishi Sunak, Liz Truss, Ben Wallace, Tom Tugenhat. Johnson wollte gerne Churchill sein, war aber wohl eher ein Clown. Er hinterlässt ein desaströses Vermächtnis. Zwischen Rishi Sunak und Liz Truss wird sich entscheiden, wer neuer britischer Premierminister wird. Die Tory-Basis hat das Wort. Sie entscheidet sich für Liz Truss, die dann auch Premierministerin wird. Ihr Wahlprogramm enthielt einen schlanken Staat, Abbau des Beamtenapparates, Deregulierung des Arbeitsmarktes, Steuersenkungen, Anhebung des Verteidigungsetats. Der Brexit hat massive Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung. Tausende Ärzte und Zahnärzte haben das Land in Richtung Heimat auf dem europäischen Festland verlassen. Vor allem beim NHS gibt es einen großen Mangel. Im Sommer 2022 gehen die Energiepreise durch die Decke. Der Ukraine-Krieg und Russland führen zu einer Verknappung. Der ökonomische Niedergang des Landes begann mit der Finanzkrise 2008. Der Brexit und zuletzt die Inflation haben den Wohlstandsverlust beschleunigt. Besonders drastisch zeigt sich dies in den ärmeren Schichten und im Norden. Jedes vierte Kind, und in manchen Regionen jedes dritte, lebt in Armut. Der Niedergang wird immer stärker: Armut (22% der HH mit Kindern waren 2023 von Ernährungsunsicherheit bedroht), politisches Chaos (47% der Bevölkerung vertrauen nicht den Politikern), Dauerstreiks. Auf der anderen Seite gibt es einen Rekord an Milliardären (177 2022). Vgl. Schindler, Jörg: Ein Königreich für einen Notarzt, in: Der Spiegel 16/ 15.4.23, S. 70ff. Nach Mobbing - Vorwürfen tritt der Vize-Premier Dominic Raab zurück. 2023 will GB den Starfighter an Saudi-Arabien liefern, obwohl Scholz dagegen ist. 2023 sieht es so aus, als ob die Briten ihren Wohlstand verlieren (den HH geht es schlecht). Die Wirtschaft tritt auf der Stelle. Eine Regierungskrise wird Ende 2023 vorerst abgewendet: In zweiter Lesung kann man sich auf ein Asylgesetz einigen. Bei der Nachwahl im Februar 2024 verliert die Regierungspartei zwei Sitze. Keir Starmer von Labour hat beste Chancen, neuer Premier von GB zu werden. Er steht der EU positiv gegenüber. Trotzdem dürfte es keinen "Brejoin" geben. Sein Programm besteht darin, keine Angriffsfläche zu bieten. Er verspricht eine "Dekade der nationalen Erneuerung". Schlechter kann es wohl auch nicht mehr werden. Im März 2024 sind die Briten sauer auf Deutschland. Im Zusammenhang mit der Taurus-Affäre hatten deutsche Politiker offen gelegt, dass britische Soldaten in der Ukraine Marschflugkörper steuern. Viele britische Städte stehen 2024 vor dem Bankrott. Birmingham und Nottingham sind schon pleite. Es kommt weniger Geld aus London. Dei Bürger sind sehr unzufrieden. Für Rishi Sunak sind düstere Aussichten. Er ist im Umfragetief. Es könnten bald Neuwahlen kommen. Bei den Kommunalwahlen im Mai 2024 kommt eine verheerende Wahlniederlage der Torys. Es ist bereits vom Kollaps der Konservativen die Rede. In London ist der Sieg des Bürgermeisters Khan von Labour historisch. Johnsons harter Brexit hat sich eindeutig als Reinfall entpuppt. Tuss hat vorher die Finanzmärkte in Panik versetzt. Labour müsste das Brexit geplagte Land wirtschaftlich reanimieren. Die Produktivität lahmt. Es müsste wieder mehr Handel mit der EU geben. Vgl. Fischer/ Schäfer: Wetten auf dei Wirtschaftswende, in: WiWo 27/ 28.6.24, S. 36f. Viele Briten fühlen sich nach Pandemie, Brexit und Inflationswelle ärmer. Vgl. Weber-Steinhaus, F.: Die fetten Jahre sind vorbei, in: Die Zeit 29/ 4.7.24, S.22. Labour gewinn die Wahl am 4.7.24 mit großem Vorsprung (412 von 650 Sitzen, Sunak/ Tories nur 121 Sitze). Der König ernennt Starmer zum neuen Premierminister. Er kündigt an, einen Neustart mit der EU zu machen (aber keinen Beitritt). Am 17.7.24 ist die feierliche King`s Speech von König Charles III. "Stabilität wird der Grundpfeiler der wirtschaftlichen Politik meiner Regierung sein" (35 Gesetze). Die britische Finanzministerin Rachel Reeves redet von einem "schwarzen Loch". Es fehlen umgerechnet 23,7 Mrd. Euro (oder gar 26) bei den öffentlichen Finanzen. Premier Starmer streicht den Heizzuschuss für 10 Mio. Rentner. Starmer ist brutal ehrlich. Im September 2024 gibt es Haftentlassungen wegen Überfüllung (1700 Straftäter vorzeitig frei).  Als Brexit - Hauptstadt gilt Boston am Ostrand Englands. Fast 76% der Menschen der 65.000 Einwohner-Stadt waren für den Brexit. Die Erwartungen waren hoch. Man wollte vor allen die vielen Osteuropäer loswerden. Hier sind die Auswirkungen gravierend: brennende Busse, Kriegsschiffe vor Jersey, verrottete Schweineköpfe, nicht abgeerntete Felder (Lincolnshire), verrottete Infrastruktur. Ein Brexit-Museum soll entstehen. Vgl. Schindler, Jörg: Wir haben uns lächerlich gemacht, in: Der Spiegel Nr. 52, 24.12.21, S. 80ff.

Exkurs. Landwirtschaft in GB ohne EU-Subventionen: Englands Bauern müssen nach dem Brexit ohne EU-Subventionen leben. Das scheint erstaunlich gut zu funktionieren. 70% der Landoberfläche Englands sind Farmland. 2,8 Mrd. Euro Subventionen fließen pro Jahr an die Bauern. Aber keiner weiß, wie gut das in Zukunft laufen kann. Bisher setzt man stark auf Umweltschutz und Natur. Vgl. Bittner, Jochen: Ohne Krawall, in: Die Zeit 6/ 1.2.24, S. 17.

Windsor-Rahmen: So heißt die Einigung zwischen EU und GB im Streit um Nordirland. Premierminister Rishi Sunak und Kommissionspräsidentin von der Leyen einigen sich Ende Februar 2023 in London. Allerdings muss Sunak die Vereinbarung noch in seiner Partei durchsetzen. Es kommen unterschiedliche Reaktion (Donaldson: signifikanter Fortschritt; Paisley: Erwartungen nicht erfüllt). Es geht um die Umsetzung des Nord-Irland-Protokolls. Die Zollgrenze zwischen EU und GB verläuft in Irischen See. Der Handel zwischen Nordirland und GB sollen künftig reibungslos verlaufen. Eine Grenze soll nicht mehr spürbar sein. Es soll eine "grüne Fahrspur" für Nordirland geben. Sunak erhofft sich von der Einigung Investitionen in Nordirland und Ruhe in der Region.

Nordirland: Im Januar gibt es erstmals eine Regierungschefin: Michelle O`Neill (Kathoilikin). Stellvertreterin wird Emma Little-Pengelly. Sie wollen Nordirland mit Irland vereinigen. Seit dem Friedensabkommen von 1998 müssen Sinn Fein und DUP gemeinsam regieren.

Irland: 2024 ist eine große Mehrheit in Irland gegen eine von der Regierung geplante Verfassungsänderung. Sie sollte die von der katholischen Soziallehre geprägten Passagen (Frauen an Heim und Herd) reformieren. Allerdings sind vielen Menschen die neuen Inhalte zu unbestimmt. Im März 2024 tritt Regierungschef Leo Varadkar ab. Er war der homosexuelle Sohn eines Inders. Er hat die Politik in dem EU-Staat stark verändert. Zum Schluss jedoch war er weniger erfolgreich. Der erst 37-jährige Politiker Simon Harris soll an Ostern 24 zum neuen Premierminister Irlands gewählt werden.

Ausstieg aus der Eurozone: Für den Ausstieg gibt es keine Rechtsgrundlage. Nach der Wahl in Griechenland im Mai 2012 wird ein Ausstieg aus dem Euro immer wahrscheinlicher (dies würde insgesamt ca. 280 Mrd. € kosten, für den IWF 22 Mrd., für Deutschland 80 Mrd. €; insgesamt hat das Land schon 380 Mrd. € bekommen). Die ökonomische Situation des Landes wird immer dramatischer (2011: Staatsverschuldung 356 Mrd. €; BIP 182 Mrd. €; Arbeitslosigkeit 18%; Handelsbilanzdefizit 16 Mrd. €). Die EU arbeitet an einem Plan B, falls nach den Parlamentswahlen in Griechenland am 17. Juni 2012 eine Entscheidung gegen das Sparpaket fällt. In Griechenland liegt die Wiege der europäischen Kultur (Kreta). Deshalb muss das Land aber in der EU bleiben (notfalls wieder mit Beitrittsverhandlungen). Nach der Wahl im Juni können die traditionellen Parteien die Regierung bilden. Es muss ein Mittelweg zwischen Schuldenabbau, Investitionen und sozialem Ausgleich gefunden werden. Wenn mehrere Staaten gleichzeitig aus dem Euro aussteigen, könnte dies das europäische Bankensystem zu Fall bringen. Damit würden Billionenwerte vernichtet und eine Wirtschaftskrise in Europa mit hoher Arbeitslosigkeit ausgelöst. Mittelfristig könnten auch Portugal, Spanien und Italien dem Wunsch erliegen, den Euro zu verlassen. Dieser würde dann zum "Nordo" schrumpfen. Die austretenden Länder würden dann abwerten, was zu Inflation und verteuerten Importen führen würde. Entscheidend dürften aber die Schulden sein (Forderungsverzicht). Der finnische Außenminister äußert Mitte 2012, es gäbe Szenarien in Finnland für die Möglichkeit des Euro-Bruchs. Sowohl in der Partei "Die Linke" als auch in der SPD mehren sich die Anhänger für einen Ausstieg aus dem Euro für die Südländer (mit Abwertung zwischen 25 und 40% und strikten Kapitalverkehrskontrollen, z. B. H. Flassbeck). 0,4% aller deutschen Exporte gehen nach Griechenland. Das BIP Griechenlands macht etwa 1,7% der Wirtschaftsleistung aller 28 Mitgliedsstaaten aus. Die Entwicklung in China hat für Deutschland ökonomisch eine größere Bedeutung. Die globalen Finanzmärkte reagieren kaum auf die Entwicklung in Griechenland (weil Investoren durch den Austritt einen Stärkung des Euro erwarten; lediglich die Kreditausfallversicherungen werden immer teurer, CDS). Die EU braucht dringend ein Regelwerk für den Ausstieg eines Landes aus dem Euro. Die Finanzminister und Regierungschefs der Euroländer entscheiden am 07.07.2015 wie es mit Griechenland weiter geht. Ein Plan für den Ausstieg aus dem Euro könnte wie folgt aussehen (vgl. Wirtschaftswoche 29/ 10.07.15, S. 19ff): 1. Der Ausstieg wird von EZB und den Euro-Staaten beschössen. 2. Die EU nutzt die Flexibilität der Verträge. 3. Das Land bekommt eine neue Währung. 4. Die EU unterstützt des Land. 5. Die Verluste für die Staatshaushalte werden zeitlich gestreckt. 6. Die EU-Staaten schaffen eine Insolvenzordnung. 7. Der EZB wird Staatsfinanzierung verboten (z. B. über ELA). 8. Die EU setzt auf Eigenverantwortung. 9. Die Euro-Austiegs-Option muss verankert werden. 10. Marktmechanismen und staatliche Möglichkeiten müssen ausgelotet werden. Der SRW ("Fünf Weisen") setzt sich Ende Juli 2015 in einem Sondergutachten dafür ein, den Austritt eines Landes aus dem Euro zu institutionalisieren. Ein Mechanismus für Staatsinsolvenzen soll zusätzlich eingerichtet werden. Er warnt vor übertriebener Integration. Ein Euro-Finanzministerium wird abgelehnt. Entscheidend wird der Risikoausgleich sein. Statt eine Fiskalunion will man auf integrierte Finanzmärkte vertrauen. Die Frage ist aber, wie man integriert. Folgende Möglichkeiten gibt es theoretisch: EU-Steuer, Eurobonds, Arbeitslosenversicherung, Bankenunion, Kapitalmärkte, Kreditmärkte. Vielleicht könnte man als Option und Institution einen Euro-Austritt auf Zeit ermöglichen. "Das größte Problem ist nicht Griechenland, sondern Spanien und Italien", Robert Zoellick, Präsident der Weltbank. "Ich bin immer wieder erstaunt darüber, mit welcher Leichtigkeit über Austrittsszenarien spekuliert wird. daran beteilige ich mich nicht", Jörg Asmussen, Direktoriumsmitglied EZB. "Die Währungsunion erzeugt zwischen den europäischen Völkern Misstrauen, Verachtung und Feindschaft. Wem Europa am Herzen liegt, muss den Abschied vom Euro befürworten", Fritz Scharpf (in: Berliner Republik). "Jeder weiß doch, dass Griechenland seine Schulden niemals zurückzahlen kann", Romano Prodi, Ex-Präsident der EU-Kommission 2015.

Zinsersparnis Deutschlands durch die Euro-Krise: Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums spart Deutschland durch die Euro-Krise insgesamt 40,9 Mrd. Euro von 2010 bis 2014. Darin enthalten sind tatsächliche Zinsausgaben und Haushaltsplanungen für 2013 und 2014. Diese Einsparungen waren vor allem möglich, weil die Zinsen für Staatsanleihen gesunken sind. Den Zinsersparnissen stehen die Kosten der Euro-Krise in Höhe von 599 Mio. Euro gegenüber. Die Spitzenbonität (AAA) haben nur noch Deutschland, Luxemburg und Finnland. Das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) hat in einer Studie ermittelt, dass Deutschland von 2010 bis 2015 mehr an 100 Milliarden Euro an Zinsen gespart hat. Als ist Deutschland Gewinner selbst bei einem kompletten Ausfall der griechischen Schulden.

Troika (da die neue griechische Regierung den Begriff ablehnt, spricht man aktuell von "Die Institutionen"): Der Begriff kommt aus dem Russischen. Ursprünglich war es ein Gespann mit drei Pferden. Heute ist es eine Dreierspitze (Triumvirat). Drei Institutionen: EU (Kommission), Europäische Zentralbank (EZB), Internationaler Währungsfonds (IWF). Wenn es um den vorsorglichen Ankauf von Staatsanleihen geht, ist der IWF aus dem Spiel. Die Troika überprüft die Einhaltung von vereinbarten Kriterien. Bisher ist sie vor allem in Griechenland tätig gewesen. Dort werden die Sparpakete auch zusammen mit der Troika operationalisiert. Die Troika beschäftigt sich auch mit Zypern und entwickelt ein Rettungspaket. Die internationale Kontrolle von Finanztransaktionen ist in den europäischen Verträgen geregelt. Die neu gewählte Regierung 2015 lehnt den Begriff "Troika" ab. Seitdem spricht man von Institutionen. Der IWF würde sich gerne ais der Griechenland-Rettung verabschieden. Dann müssten die Euroländer die Lasten alleine tragen (Schuldenerlass). "Es werden weniger Strukturreformen in Griechenland und Spanien gebraucht als vielmehr solche des Konstrukts Euro-Zone und ein grundlegendes Überdenken der politischen Rahmenbedingungen auf die die spektakulär schlechte Leistung der Währungsunion zurückzuführen ist", Joseph E. Stiglitz (zitiert nach Handelsblatt, Nr. 36, 22. Februar 2015. "Der Kompromiss scheitert nicht an ein paar Milliarden mehr oder weniger, sondern allein an der griechischen Forderung, der Wirtschaft und der von korrupten Eliten ausgebeuteten Bevölkerung mit einem Schuldenschnitt einen neuen Anfang zu ermöglichen", Jürgen Habermas 2015 (Wirtschaftswoche, 27/2015, S. 106).

Träger der europäischen Geldpolitik ist die Europäische Zentralbank (EZB). An die Spitze rückt im Herbst 2011 Mario Draghi (bis dahin noch Trichet, Chefvolkswirt ab 2012 Peter Praet, Belgien). Ab 1. November 2019 ist Christine Lagarde neue Präsidentin. Chefvolkswirt wird Philip Lane (dreieinhalb Jahre Gouverneur der irischen Notenbank; Studium in Harvard). Seit 2018 ist Luis de Guindos Vizepräsident der EZB; er war vorher spanischer Finanzminister. Die Stimmanteile sind nicht nach Kapitalanteilen gewichtet. Das Grundkapital (eingezahlte Kapital) beträgt 6,48 Bill. Euro. Den größten Anteil hat Deutschland mit 26,6% vor Frankreich mit 19,9%. In der Bank arbeiten 3500 Personen. Die EZB kauft massiv Staatsanleihen verschuldeter EU-Staaten (2011 schon 100 Mrd. €). Im September 2011 hält sie 153 Mrd. € an Staatsanleihen, im November 183 Mrd. €. Es gibt auch empirische Untersuchungen und Berechnungen über den Nutzen des Euro für Deutschland. Die KfW kommt 2011 auf 25 bis 30 Mrd. Euro. Die EZB beginnt Ende 2008 in der Finanzkrise den damaligen Leitzins von 4,5% schrittweise zu senken. Der aktuelle Leitzinssatz liegt bei 0,5% (07.11.13); vorher bei 0,5% und  0,75% %; er wurde am 08.12.11 auf 1,0% von 1,25% gesenkt (bis November 1,5%). Investitionen sollen angeregt und die Schuldenpolitik der Staaten erleichtert werden. Am 05.07.12 wird der Leitzins auf 0,75% gesenkt (weitere Erleichterung der Geldbeschaffung der Geschäftsbanken und Atempause für die Krisenstaaten). Dieser Zinssatz wird im Herbst 2012 belassen. Im Mai 2013 wird er weiter auf 0,50% gesenkt und später auf 0,25%. Am 04.09.2014 wird der Leitzins auf 0,05% gesenkt. Am 10.03.2016 senkt die EZB den Leitzins sogar auf 0,0%. Weiterhin wird der massive Ankauf von Wertpapieren beschlossen. Die EZB gerät immer mehr in die Rolle als "lender of last ressort" (Staatsanleihekäufe stützen die Banken indirekt, indem sie tendenziell die Kurse von Anleihen angeschlagener Euro-Staaten stabilisieren und Risiken für die Bankenbilanzen reduzieren). So könnte der Euro gerettet werden, wenn Italien strauchelt. Die EZB könnte ein Limit für italienische Staatsanleihen festsetzen, und dann dieses Zinsniveau verteidigen. Ende November 2011 wird auch Deutschland seine Staatsanleihen nur mit Mühe los. Am 30.11.2011 wird ein Liquiditätsnetzwerk der Zentralbanken (EZB, USA, Kanada, Japan, Schweiz, GB) gebildet, um die Finanzmärkte mit Geld gegen die Schuldenkrise zu fluten. Die EZB leiht den Banken auch längerfristig Geld (3 Jahre, Planungssicherheit). Der Mindestreservesatz wird auf 1% gesenkt. Die US-Notenbank lehnt Ende 2011 direkte finanzielle Hilfen für Europa ab. Ende 2011 dreht die EZB den Geldhahn auf, indem sie drei Jahre unbeschränkt Liquidität zur Verfügung stellt (490 Mrd. €, 1%). Im März 2012 wird nochmals die Rekordsumme von 530 Mrd. € zu niedrigen Zins den Banken zur Verfügung gestellt (wobei die EZB hofft, dass die Banken auch Staatsanleihen kaufen). 2012 stößt H. - W. Sinn eine Diskussion über die Risiken der Bundesbank an. Es geht um die Target-Forderungen im Euro-System. Die Forderungen der Deutschen Bundesbank an das Euro-System steigen seit dem Ausbruch der Finanzkrise. Insgesamt liegen sie im ersten Quartal 2012 bei 498 Mrd. €. Das Risiko für den Ausfall trägen die Steuerzahler in Deutschland. Die Bundesbank bildet hohe Rücklagen, so dass der Bundesbankgewinn 2011 einbricht (nur 600 Mio. €; 2010 2,2 Mrd. €). Italien will, dass die EZB Staatsanleihen der unter Druck stehenden Länder aufkauft. Dies würde auf eine Staatsfinanzierung durch die Notenpresse hinauslaufen. Es scheint Pläne in der EZB zu geben, im großen Rahmen Anleihen kriselnder Euro-Länder aufzukaufen. Die Bundesbank ist dagegen. 2013 wird der Ruf nach einer Neuordnung der vertraglichen Grundlagen der EZB immer lauter. Die EZB hat immer mehr Aufgaben übernommen und ist keine reine Währungsbehörde mehr (Schattenregierung, Rettungsprogramme, Kontrolle der Banken). Der EU-Gipfel Ende Juni 2012 beschließt eine EU-Bankenaufsicht (soll auch über Kredite an Not leidende Banken entscheiden). Damit ist eine direkte Versorgung der Banken aus dem ESM möglich (Bankenkapitalisierung). Eine europäische Bankenaufsicht soll 2012 unter dem Dach der EZB angesiedelt werden, sie kommt erst ab 2014. Die 150 größten Banken in den Eurostaaten sollen überwacht werden (30 Mrd. € Bilanzsumme). Bankenaufsicht und Geldpolitik sollen strikt getrennt werden. Genaue Struktur und Sitz sind noch offen (wahrscheinlich Paris und London). In Deutschland werden die Sparkassen und VR-Banken weiterhin von der BaFin beaufsichtigt. Mitte 2012 sagt die EZB vorsichtig ja zum Kauf von Anleihen. Es fällt sogar die Entscheidung, dass der Anleihenkauf in unbegrenzter Höhe erfolgen kann (der deutsche Vertreter Weidmann wohl als einzige Gegenstimme). Das Geld soll gegen Auflagen vergeben werden (zuvor unter den Rettungsschirm). Damit erfolgt die Hilfe über die Notenpresse. Die EZB wird immer mehr politisiert. 2013 kommt es zu einem offenen Konflikt über eine weitere Zinssenkung auf 0,25% (man bleibt bei 0,5%). Die Senkung auf 0,25% erfolgt dann doch am 07.11.2013 (sofort verliert der Euro an Wert und die Aktienkurse steigen). Nach dem Beitritts Litauen zum Euro 2015 haben die fünf größten Länder des Euroraums nur noch vier Stimmen. So muss ein Land stets aussetzen. Noch im Oktober 2014 will die EZB weitere Risiko-Anleihen (Pfandbriefe, ABS-Papiere) aufkaufen, um neues Geld in den europäischen Finanzmarkt zu spülen und die Konjunktur zu beleben. Der EU-Generalanwalt lässt unter bestimmten Voraussetzungen den Kauf von Staatsanleihen zu (Bundesverfassungsgericht skeptisch). Es wird also Auflagen geben (wahrscheinlich wird auch der Beschluss des Europäischen Gerichtshofes so sein; grundsätzlich legitimiert der Gerichtshof die Anleihekäufe; aber nicht Finanzierung der Staatshaushalte). Alle warten jetzt auf den Ankauf von Staatsanleihen ("Quantitative Easing", QE). Die Haftung könnte allerdings renationalisiert werden. Am 22.01.15 gibt die EZB den Kauf von Staatsanleihen bekannt. Monatlich werden für 60 Mrd. Euro Anleihen von Banken aufgekauft (Unternehmens- und Staatsanleihen; von März 2015 (Beginn 09.03.15) bis September 2016. Die Summe beträgt insgesamt 1140 Mrd. €). Die Staatsanleihen werden nach dem Anteil der Mitgliedsländer an der Notenbank gekauft, also am meisten die deutschen (20% der Anleihenkäufe unterliegen der gemeinsamen Risikohaftung; EU-Institutionen). Es gibt keine Eingrenzung bei den Laufzeiten. Eventuell sollen die Anleihekäufe noch erhöht werden. Die Leitzinsen bleiben unverändert. Es könnte im schlimmsten Falle zu einer Blasenbildung und zu einem Anstieg der Vermögenspreise kommen. Es bleibt zu hoffen, dass die Krisenländer die gewonnene Zeit für Strukturreformen nutzen. Der Gewinn der EZB ist 2014 um ein Drittel geschrumpft (989 Mio.€; niedrige Zinsen und hohe Ausgaben). Die EZB muss den griechischen Banken immer neue Nothilfekredite geben, da die Griechen ihr Geld in Euro von den Banken abheben und ins Ausland bringen oder horten (die Elakredite sind in ihrer Rechtmäßigkeit bei Experten sehr umstritten). Durch die Griechenlandkrise ist die Beutung der europäischen Zentralbank immer wichtiger geworden. Ende 2015 weitet die EZB ihre Geldflut aus: Das Volumen des Anleihekaufprogramms steigt auf 1,5 Billionen Euro (Verlängerung bis März 2017). Die Strafzinsen für Geschäftsbanken werden verschärft. Im Dezember 2016 verlängert die EZB ihre Anleihekäufe um weitere neun Monate (weitere 540 Mrd. Euro). Im April 2017 kündigt die EZB das Ende der Zinsflaute an. 2017 entwickelt die EZB ein System für Geldtransfers in Echtzeit. Das Abwicklungssystem TIPS soll im November 2018 an den Start gehen. Für Oktober 2017 stellt die EZB vage eine Zinswende in Aussicht, die aber nicht eintritt. Lettlands Zentralbankchef muss im Februar 2018 wegen Korruption zurücktreten. Der Spanier Luis de Guindos wird 2018 neuer Vizepräsident der EZB (Beschluss der 19 Euro-Finanzminister). Dann müsste 2019 ein Nordeuropäer neuer Präsident werden (evtl. Jens Weidmann aus Deutschland). Als Gegenpart gilt die Vizechefin der französischen Zentralbank Sylvie Goulard. Sie gilt als der verlängerte Arm von Macron (keine Ökonomin, aber gleiche Uni). Jens Weidmann bringt sich 2018 in Position. Innen erscheint die EZB ziemlich konfus: Einerseits ist sie als Arbeitgeber sehr begehrt, weil hohe Gehälter gezahlt werden und es auch sonstige Privilegien gibt (Steuervorteile). Andererseits hat sie sehr viele Leiharbeiter und zeitlich befristete Arbeitsverträge. Insgesamt hat sie um die 5500 Mitarbeiter. Der Stress und das Burn-Out-Risiko werden als sehr hoch eingeschätzt. Die EZB beschließt im Juni 2018, dass Anleihenkaufprogramm auslaufen zu lassen (bis Ende 2018). Der Leitzins bleibt mindestens bis Sommer 2019 unverändert (alle Indikatoren deuten dies an). Ein Gutachter am europäischen Gerichtshof hält die Anleihekäufe der EZB für rechtens. Im Februar 2019 zeichnet sich schon ab, dass die angekündigte Leitzinsanhebung für den Herbst 2019 nicht kommt. Im März 2019 wird bekannt gegeben, dass angesichts der Konjunktur  die Zinsen erst 2020 angehoben werden sollen. Im Juni 2019 gibt die EZB bekannt, dass der Leitzins mindestens bis Mitte 2020 unverändert bleibt. Präsident Draghi bringt im Juni 2019 eine weitere Zinssenkung ins Gespräch (niedrige Preissteigerung, schlechte konjunkturelle Lage aufgrund des Handelskonflikts). Im Herbst 2019 soll Christine Lagarde, noch Chefin des IWF, an die Spitze der EZB rücken (das EU-Parlament stimmt zu). Das Bundesverfassungsgericht hat Mitte 2019 Bedenken gegen die EZB-Anleihenkäufe. Es gibt Gerüchte, dass im September der Einlagenzins weiter fällt (-0,4% auf -0,6%). Lagarde hält eine weitere Zinssenkung für möglich. Sie will ihr Augenmerk auch auf die Folgen des Klimawandels richten.  Tatsächlich wird am 12.09.19 der Einlagenzins weiter gesenkt (-0,5%). Anleihenkäufe sollen ab November 19 wieder aufgenommen werden (monatlich 20 Mrd. €, unbegrenzt). Die Sparer bleiben die Verlierer. Mehr öffentliche Investitionen wären erforderlich und damit eine größere Kreditaufnahme der öffentlichen Hand, damit die Zinsen steigen. Die Ratsmitglieder der EZB üben offene Kritik an den Beschlüssen der EZB. Sabine Lautenschläger, deutsches EZB-Direktoriumsmitglied, gibt ihr Amt zum 31.10. auf (zwei Jahre früher). Sie gehört zu den Kritikern der extrem lockeren Geldpolitik der EZB. Nachfolgerin wird die "Wirtschaftsweise" Isabel Schnabel. Ende 2019 gibt es Spekulationen, dass die EZB am Aktienmarkt einsteigt. Wenn das der Fall wäre, würde es einen Kursschub geben (Absicherung des Kursniveaus nach unten). Das wäre eine Ausdehnung des Mandats der Notenbank in einer Konjunkturkrise. Lagarde erwägt 2020, die Geldpolitik der EZB in den Dienst des Klimaschutzes zu stellen. Das könnte die Unabhängigkeit gefährden und der Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik unmöglich machen. Im März 2020 muss die EZB auf die Corona-Krise reagieren: Sie legt ein Notfallprogramm in Höhe von 750 Mrd. € auf. Sie will das Geld in Staats- und Unternehmensanleihen stecken. Das Programm soll bis zum Ende der Pandemie laufen und insbesondere schwächeren Ländern helfen (Italien, Spanien). Anfang Juni 2020 wird das Anleihe-Programm noch mal um 600 Mrd. € erhöht. Es liegt jetzt insgesamt bei 1,35 Billionen €. Damit werden die Zinsen wohl dauerhaft niedrig bleiben. Die EZB plant weitere Schritte, wenn die Folgen der Corona-Krise noch heftiger ausfallen. Der Schutzwall wird im Dezember 2020 aufgestockt: Beim Notkaufprogramm für Staatsanleihen wird kräftig aufgestockt (um 500 Mrd. € auf insgesamt 1,85 Billionen). Obwohl im Juni 2021 die Verbraucherpreise steigen und die Konjunkturaussichten besser werden, lässt die EZB die Leitzinsen unverändert. Ein Ende des Zinstiefs ist noch nicht in Sicht. Im Juli 2021 erhöht die EZB das Inflationsziel auf exakt 2 Prozent ("symmetrisches Inflationsziel"; vorher unter und nahe 2%, davor ab 1998 unter 2%). Der Klimawandel soll berücksichtigt werden.  Umweltschützer wollen die EZB per Gericht zwingen, mehr Geldpolitik im Dienst des Klimaschutzes zu betreiben. Die EU-Kommission fördert die fragwürdige Klageindustrie. Vgl. Wettach, Silke: Zum Grünwerden verurteilt, in: WiWo 49, 3.12.21, S. 38f.  Die EZB bremst im September 2021 bei Anleihekäufen. Sie begründet die Drosselung mit niedrigen Zinsen und gestiegener Inflationsrate. Die EZB kündigt an, im Juli 2022 die Zinsen zu erhöhen. Im juni 22 wird sie konkreter. Sie stoppt die Anleihekäufe und damit die Geldmengenausweitung. Leitzins und Einlagenzins sollen auf der Sitzung im Juli 2022 auf +0,25% angehoben werden. Die hoch verschuldeten Staaten des Südens bekommen Probleme. Sie müssen mehr Zinsen zahlen (Spread). Die EZB versucht, Maßnahmen dagegen einzuleiten. Am 21.7.22 wird der Leitzins nach 11 Jahren erstmals wieder angehoben und gleich auf 0,5%. Dann folgen 2022 noch zwei weitere Anhebungen: zuletzt auf 2,0%. Dann kommt noch eine auf 2,5% (Dezember 22) und zuletzt am 2. Februar 2023 auf 3,0%. Eine weitere Erhöhung erfolgt am 16.3.23 auf 3,5%. Es folgen weitere Anhebungen bis auf 4,5%. Am 06.06.24 senkt die EZB erstmals nach fünf Jahren die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte auf 4,25% (Abschwächung der Inflation). Am 12.9.24 kommt eine weitere Absenkung auf 3,65% (o,6 Prozentpunkte). "Der Euro hat schon heute auch das wichtigste Plus der D-Mark, nämlich das Vertrauen der Märkte. Dies wird auch in Zukunft so sein", Theo Waigel, damals Finanzminister bei Einführung des Euro. "Die EZB darf nicht dazu missbraucht werden, die Aufgabe der europäischen Staatengemeinschaft zu übernehmen und einzelne nationale Regierungen zu Reformen zu drängen", Marcel Fratzscher, DIW, 2014. 2014 ist das neue Zuhause der EZB in Frankfurt fertig geworden (es wird am 17.03.2015 eröffnet/ eingeweiht; Proteste/ Krawalle in Frankfurt durch Blockupy). Es wurde seit 2010 gebaut und hat 1,3 Mrd. Euro gekostet. Der schräge Turm steht im Frankfurter Ostend. "Wir haben das europäische Mandat, für stabile Preise zu sorgen", Peter Praet, Chefvolkswirt der EZB, 2015. "Der Krisenmodus der Geldpolitik mit negativen Zinsen und massiver Bilanzausweitung durch Anleihekäufe ist nicht mehr angemessen", Volker Wieland, Uni Frankfurt und Mitglied im SRW. "Die EZB ist zur zentralen Instanz eines Euro-Schattenstaates geworden", Thonas Mayer, Vermögensverwaltung Flossbach und Storch (Quelle: WiWo 23/1.6.2018, S. 19). "Die EZB sollte zugeben, dass die Geldpolitik am Ende ist", Andrew Bosomworth, Pimco, 2019.

Grunddaten der EZB: 1. Bilanzsumme: 2009 138 Mrd. €, 2015 257, 2020 569. 2. Leitzins: 2014 0,15%, 2015 0,05, 2021 0,0. 3. Inflation: Juni 2021 2,3%. 4. Geldmenge M3 in der Euro-Zone: 2020 14522 Mrd. €. quellen: EZB, Bundesbank, Destatis.

Strukturfonds der Europäischen Union und EU-Sozialfonds: Ziel der Fonds ist es, Unterschiede zwischen den europäischen Regionen auszugleichen. Von 2014 bis 2020 ist die nächste Förderperiode. Der EU-Haushalt muss erst noch festgelegt werden. Im Februar 2014 wird ein EU-Hilfsfonds für Bedürftige beschlossen. Er deckt die Jahre 2014 bis 2020 ab. Der Fonds umfasst 3,8 Mrd. € und ist für Lebensmittel, Kleidung und andere Formen der Unterstützung für Bedürftige, die unter der Armutsgrenze leben (120 Mio. in der EU). Es ist eine Neuauflage der früheren EU-Nahrungsmittelhilfe. Ab 2021 will die EU die Förderung auf ärmere Mitgliedsstaaten beschränken. Deutschland soll seine strukturschwachen Regionen dann allein unterstützen.

Mindeststandards in der EU: Bei einem Gipfel in Göteborg im November 2017 bekennen sich die 28 Mitgliedsstaaten zu gemeinsamen sozialen Mindeststandards. Dazu zählen faire Löhne, Hilfe bei Arbeitslosigkeit und angemessene Renten.

Europäische Investitionsbank (EIB): Hausbank der EU und Öffentliche Förderbank der EU (sozialer Wohnungsbau, Bildung, Infrastruktur). Es ist die größte multilaterale Finanzierungsinstitut der Welt. Anteilseigner sind alle 28 Mitgliedsstaaten der EU. Die höchsten Anteile haben Deutschland, Frankreich und Italien (gleich). Sie hat etwa 2900 Mitarbeiter. Sie ist gleichzeitig Hauptanteilseigner des Europäischen Investitionsfonds (Risikokapital für kleine und mittlere Unternehmen). Die Bank wurde 1958 gegründet, Mitglieder dürfen nur EU-Länder sein. Letzteres könnte GB hart treffen, das über keine öffentliche Förderbank verfügt.. Sitz ist Luxemburg. Präsident ist der Deutsche Werner Hoyer. 2013 beschäftigt die Bank 2125 Mitarbeiter. Sie finanziert Projekte für Wachstum und Beschäftigung. Insbesondere für Förderprogramme (KMU) zuständig. 2012 soll die Bank eine intensivere Rolle bei der Förderung des Wachstums einnehmen. Dafür brauchte sie neues Kapital. Bis 2015 soll eine Kapitalerhöhung wirken, die 60 Mrd. € zusätzliche Kredite ermöglicht (vorher schon 10 Mrd. € Kapitalerhöhung aus dem Wachstumspakt). 2013 wird die Bank in die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit eingebunden. In Griechenland soll sie  den eingebrochenen Markt für Mittelstandskredite unterstützen. Die Bank wird immer mehr zu einer politischen Allzweckwaffe (Kreditklemme, Konjunkturschwäche, Jugendarbeitslosigkeit). 2013 hat die Bank für 428 Mrd. €  Kredite ausgereicht (gegenüber 324 Mrd. € 2009; den höchsten Länderanteil hält Spanien). Insgesamt gab es im Jahr 2013 für  4336 Mrd. € Unternehmenskredite in der Euro-Zone (Quelle: EZB, EIB). Ab 2015 soll die EIB das Investitionspaket der EU (315 Mrd. €) umsetzen. Es soll vor allem in Infrastruktur gehen. Die Bank kann KMU nicht helfen, die im Iran aktiv sind oder werden wollen (EIB auf dem US-Kapitalmarkt aktiv; Iran erfüllt nicht die Kriterien gegen Geldwäsche; die Mittel reichen nicht). Ursprünglich sollten so die US-Sanktionen umgangen werden, die wegen des Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran fällig werden.  Das Kreditvolumen betrug 2018 55,63 Mrd. €. Der Anteil an Klimaschutzprojekten betrug 29%. Sie soll ab 2019 stärker in das Ziel Klimaneutralität eingebunden werden. Die EIB soll 2020 stark eingebunden werden in der Corona-Krise. 2023 konkurrieren die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calvino und die EU-Kommissarin Margarete Vestager um die Leitung der Bank. Es gewinnt  Nadia Calvino. Die europäischen Finanzminister haben sich auf sie verständigt. 2024 ermittelt die Staatsanwaltschaft Eppo gegen den Ex-EIB-Chef. Werner Hoyer war von 2012 bis 2014 an der Spitze. Ihm wird Korruption und Amtsmissbrauch vorgeworfen. Er hat die Bank zur Klimabank positioniert. Die Zahl der Mitarbeiter stieg von 1600 auf 4100.

Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, London: Vergibt Investitionskredite an Länder. 1991 gegründet, um die Länder Mittel- und Osteuropas nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs" zu unterstützen. Die Kredite an die Türkei sind 2017 in der Kritik. Bank würde im Falle eines Brexits wohl auch nach Frankfurt verlegt. Sie macht auch Prognosen. Sie schätzt im März 2022, dass die Wirtschaftssanktionen gegen Putin das BIP Russlands um -10% schrumpfen lassen 2022.

Agrarpolitik der EU: Seit 1962 kooperieren die Mitgliedsstaaten. Hauptziel sind die Ernährungssicherheit und das Einkommen der Bauern. hinzu kommen Nachhaltigkeit, Klimaschutz, ländliche Räume und Arbeitsplätze. Fast 60 Mrd. €, das sind etwa ein Fünftel des EU-Haushalts fließen jährlich in die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP). De größte Teil wird als Direktzahlung pro Hektar geleistet. Nur ein Drittel der Mittel fließt in Umweltschutz oder Tierschutz. 2019 kommt eine Reform durch die europäische Kommission. Es geht um eine anspruchsvolle, zielgerichtete sowie effiziente Agrarumwelt- und Klimaschutzpolitik: Eco-Schemes, Förderung ländlicher Räume, landwirtschaftliche Tierhaltung (hoher Fleischkonsum umweltschädlich), leicht verständliches staatliches Tierwohllabel (zur Steuerung des Verbraucherverhaltens, Tierwohl und Klimaschutz beim Lebensmittelkonsum). Das könnte Einkommens- und Wohlfahrtsverluste für Erzeuger und Volkswirtschaft mit sich bringen. Vgl. Birkenstock, Maren u. a.: Eine moderne, umweltfreundliche und ethische Agrarpolitik - Ziele und Instrumente, in: Wirtschaftsdienst 10/2019, S. 675ff. Im Oktober 2020 konzipiert man die EU-Agrarpolitik für die nächsten 7 Jahre: Der Umfang des Etats bleibt gleich. 20% sollen in Umweltprojekte (EU-Staaten müssen die Mittelreservieren; Landschaftsschutz, Artenvielfalt, Tierschutz)  fließen. Die einzelnen Länder sollen mehr Mittel in Eigenregie vergeben können. Für die Zukunft stehen noch folgende Probleme an: Kleine Bauern, Bauern als Naturschützer, gemeinsame Öko-Systempolitik.

Agrarsubventionen: In Deutschland seit 1953, als noch ein Viertel aller Beschäftigten in der Landwirtschaft arbeitete. Sie wurden dann in den EWG Verträgen 1957 verankert, um dauerhaft von Nahrungsmittelimporten unabhängig zu sein. 1999 wurde die Agrarförderung von der Produktionsmenge an die landwirtschaftliche Fläche gekoppelt. Es gibt zu viele kleine Höfe in Europa. Ab 2013 sollen die Subventionen beschnitten werden. Sogar der Stierkampf in Spanien, ein umstrittenes Ritual, profitiert indirekt von EU-Agrarsubventionen. Im Juni 2013 einigt man sich auf eine EU-Agrarreform ab 2014. Ein Drittel der Leistungen soll zukünftig an Umweltleistungen gekoppelt werden.  Dadurch können auch Kleinbetriebe mehr Geld bekommen (die großen Betriebe sollen in Zukunft weniger bekommen). Die Agrarausgaben sollen im EU-Haushalt 2014 bis 2020 mit 278 Mrd. € den zweitgrößten Posten ausmachen. Jährlich bekommen die Landwirte Subventionen in Höhe von 50 Mrd. Euro. Es ist der älteste Subventionsposten der EU. Auch 2018 werden noch immer eher Großbetriebe gezüchtet. Die EU-Agrarreform hängt 2019 fest. Es müsste ein umdenken in der EU-Agrarpolitik geben (Klimakatastrophe). Die Perversität von Agrarsubventionen zeigt sich z. B. in Polen. Traktor-Piraten sind Bauerntrupps, die mit ihren Maschinen über brachliegendes Staatsland herfallen, pflügen, eggen und säen. Und dies nur, um EU-Subventionen zu kassieren. Bei der Dürre in der EU 2018 soll den Bauern zügig geholfen werden. Fördermittel sollen zügig frei gemacht werden. Anfang September 2020 beraten die EU-Agrarminister in Koblenz über die nächste europäische Agrarreform (Weichen für 2023 bis 2027). Es dürfte ein langer Weg werden. Es zeichnet sich eine Ost-West-Spaltung ab. Die Landwirtschaft soll grüner werden. Sie werden auf zwei Wegen vergeben: Ein Großteil wird direkt pro Hektar Nutzfläche ausgezahlt (erste Säule). Ein deutlich kleinerer Anteil finanziert Programme zum nachhaltigen Wirtschaften und zur ländlichen Entwicklung (weite Säule). Sie stehen regelmäßig in der Kritik. Die anhaltende Dürre der letzten Jahre hat zu weiteren Hilfen geführt, aber die Extreme betreffen viele. Überschwemmungen und Dürre werden zunehmen. Die Frage der Entscheidung zwischen Gemeinwohlleistung und Markt wird aktuell bleiben.  Eigentlich sollte Geld gezielt für die Entlohnung von Leistungen der Landwirtschaft im Umwelt- und Klimaschutz sowie für die Erhöhung des Tierwohls verwendet werden. Bei der letzten Reform 2014 wurde "Greening" eingeführt (grüne Mindestanforderungen). Es betrifft einen Teil der Direktzahlungen. Für die kommende Förderperiode ab 2021 kommt "Eco-Schemes": Mitgliedsstaaten können selbst ökologische Anforderungen festlegen.

Subventionen in der EU generell: Nötig wären schärfere Kontrollen. Europäische Fördergelder versickern in dunklen Kanälen. Die meisten Finanzkorrekturen gab es 2012 bei Spanien (58% an der korrigierten Gesamtsumme). Dann folgen Italien, Griechenland und Polen. 

EU-Fördertöpfe und Folgen: In jeder Krise gibt e seinen neuen Fördertopf. Gut 60% des bis 2027 vereinbarten EU-Kernbudgets fließen in die Agrarpolitik. Mittel für Aufgaben auf den Gebieten Gesundheit, Entwicklungshilfe, Außenpolitik, Verteidigung sind eher gering. Der EU-Haushalt wird missbraucht zur nationalen Schuldenfinanzierung.  "Der EU-Haushalt wird von Mitgliedsländern als attraktive Finanzierungsquelle für nationale Aufgaben zweckentfremdet". Vgl. Heinemann, Friedrich: Warum immer neue Fördertöpfe nicht zu mehr Europa führen, in: WiWo 3/ 13.1.23, S. 40.

Haushalt der Europäischen Union (EU): Die größten EU-Geberländer sind Deutschland (2397 Mrd. €, Differenz von Zahlungen an und von der EU), Frankreich (1907), Großbritannien (1563), Italien (1521) und Belgien (339). An den vier großen Ländern geht nichts vorbei. Obwohl 2011 alle wichtigen Positionen in der EU von Nicht-Deutschen besetzt sind, ist die tatsächliche Macht enorm. Der größte Nettoempfänger ist 2013 Polen (12 Mrd. Euro). Die EU will eine eigene Steuer, z. B. Umsatzsteuer. Die großen Länder lehnen dies ab. Größte Haushaltsposten sind der Agrarbereich und die Regionalfonds. Die EU gibt ca. 44% ihres Haushalts für Landwirtschaft, ländliche Räume und Fischerei aus. 2011 umfasst der EU-Haushalt 126,5 Mrd. €. Das Bundesverfassungsgericht stärkt im September 2011 das Haushaltsrecht des Bundestages in Deutschland. Der finanzpolitische Rahmen der EU muss verbessert werden (größte Projekt der EU). Im Herbst 2012 blockiert das Parlament den Haushalt der EU, weil einige Staaten die Ausgaben kürzen wollen. Auch auf dem EU-Sondergipfel der Regierungschefs kann man sich nicht einigen. Erst 2013 wird über den Finanzrahmen ab 2014 bis zum Jahr 2020 entschieden (etwa 1000 Mrd. €, 1 Billion). Folgende Fragen sind umstritten: Verdienen Europas Beamte in der Verwaltung zu viel? Wer soll Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe bekommen? (EU ist bedeutendster Entwicklungshelfer). Was soll für Forschung, Infrastruktur und Wettbewerbsfähigkeit ausgegeben werden? Wie kann man die Strukturförderung zielgenauer machen? Soll Verbraucherschutz, Sicherheit und Unionsbürgerschaft verstärkt werden? Die deutsche Nettozahlerposition (Zahlungen nach Brüssel minus Fördermittel von der EU) wird sich in den nächsten Jahren verschlechtern. Aber das Siebenjahresbudget soll gekürzt werden (3%?).  Ein Fonds zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit wird eingerichtet. Strukturhilfen und Agrarmittel werden gekürzt. Ende Juni 2013 findet man einen Kompromiss (aus übrigen Mitteln können Rücklagen gebildet werden, nicht Rückfluss an die Mitglieder). Ein Nachtragshaushalt in Höhe von 7,3 Mrd. € wird im Juli beschlossen.  Später braucht die EU noch 3,9 Mrd. €. Sie braucht noch einen Nachtragshaushalt. Der Schaden durch Korruption und Kriminalität in der EU liegt jährlich bei ca. 670 Mrd. € (Sonderausschuss "Organisiertes Verbrechen" bei der EU). Im November 2013 stimmt das Europäische Parlament dem Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis 2020 zu. Die Obergrenze für finanzielle Verpflichtungen soll bei 960 Mrd. Euro liegen. Mit 77 Mrd. Euro steht mehr Geld für Forschung zur Verfügung (Horizon 2020). Es gibt auch ein Programm für Beschäftigung und Innovation (Easi). Hierfür stehen in den den nächsten 7 Jahren 920 Mio. € bereit. Ende 2014 gewähren die EU-Finanzminister den Schuldenländern eine Schonfrist: Frankreich und Italien bekommen mehr Zeit für Reformen. Mitte Dezember 2014 einigen sich das Europaparlament und und die EU-Staaten auf einen Haushalt (für 2015 141 Milliarden Euro Ausgaben). Am 15.11.15 einigen sich die EU-Staaten und das Parlament auf den Haushalt für 2016. Es gibt mehr Geld für die Flüchtlingspolitik. Das Grundproblem des EU-Haushalts besteht darin, dass die Hälfte des Etats für Agrar- und Strukturhilfen draufgeht. Damit ist der Mehrwert für die gesamte EU begrenzt. Teilweise finanziert sich die EU auch aus Eigenmitteln. Das sind die Beiträge der Mitgliedsstaaten gemäß der Wirtschaftsleistung. Der Brexit reißt eine Lücke von 12 bis 14 Mrd. € in den EU-Haushalt. Die EU-Kommission möchte eine Erhöhung aller Beiträge der Mitgliedsstaaten erreichen. Deutschland unterstützt den Plan. Die Niederlande und Österreich sind strikt dagegen. Sie plädieren für eine Leistungskürzung (Landwirtschaft, Regionen). Einig sind sich alle EU-Staaten darüber, das Parlament zu verkleinern. Die Bundesregierung will die Auszahlung von EU-Mitteln an Kriterien koppeln (Aufnahme von Flüchtlingen?). Dagegen sind die osteuropäischen Länder. Haushaltskommissar Oettinger will ab 2021 mehr Geld für den Haushalt und eine andere Verteilung der Mittel (mehr für Grenzsicherung, Forschung, Jugendaustausch, Entwicklungshilfe, weniger für Landwirtschaft). Trotz Brexit sind die Ausgaben höher. Merkel und Macron einigen sich am 20.06.18 auf ein eigenes EU-Budget im niedrigen einstelligen Milliardenbereich, aus dem Investitionen finanziert werden sollen. Das Eurozonen-Budget wird vorab von Deutschland und Frankreich abgeklärt (etwa 20 - 25 Mrd. €). Es fällt recht klein aus (Deutschland hat sich gegenüber Frankreich durchgesetzt). Die anderen Euro-Länder stimmen auf dem EU-Gipfel am 14.12.18 zu. Der EU-Etat insgesamt (165,6 Mrd. €, + 3%) wird vom Europaparlament abgelehnt. Wenn keine Einigung erfolgt, wird der bisherige Haushalt Monat für Monat fortgeschrieben. 2019 kommt ein eigener Haushalt für die Eurozone. 17 Mrd. € werden bewilligt. Dies ist für einen Zeitraum von sieben Jahren für 19 Länder und geht auf einen Vorstoß von Macron zurück. Am 20.02.20 beim EU-Gipfel wird um den künftigen Haushalt gefeilscht: Deutschland muss mehr zahlen wegen des Brexit und dem Wegfall des Rabatts. Deutschland und Frankreich müssen sich einigen. Die Verhandlungen dürften sich hinziehen (eine Staatengruppe will keine Erhöhungen des Beitrags, andere wollen eine höhere Förderung). Am 21.02.20 scheitert der erste Gipfel, man erzielt keine Einigung beim Haushaltsrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 (auch Hilfsgelder für Landwirte, Kommunen, Unternehmen, Studenten). Schließlich wird am 9.12.20 ein Kompromiss mit Polen und Ungarn erzielt. Der Rechtsstaatlichkeitsmechanismus bleibt unangetastet. Ab 2024 will dei EU ihren Haushalt umbauen. Dei Eu-Mittel sollen nicht mehr über 530 Programme verteilt werden. Es soll 27 nationale Ausgabenpläne geben. Man will sich auf Zukunftsfelder ausrichten.  Der 09. Mai gilt als Europatag. Am 09.05.1950 hatte der damalige französische Außenminister Robert Schumann erklärt, ein vereintes Europa sei unerlässlich für friedliche Beziehungen. 2014 sieht der Gesamtetat der EU in Höhe von 960 Mrd. Euro wie folgt aus: Agrarpolitik, Fischerei, Umweltschutz 38,9%; Unterstützung armer Regionen, Arbeitsmarktförderung 33,9%; Forschung 13,1%; Verwaltung 6,4%; Außen- und Sicherheitspolitik 6,6%; Sicherheit, Recht, Migrationsmanagement 1,6%. 137 Mrd. Euro kommen direkt von Europas Steuerzahlern. Im Oktober 2014 soll Großbritannien 2 Mrd. € nachzahlen. Die Forderung ist berechtigt (Steigerung des BIP aufgrund der Konjunktur). Die Sozialausgaben in der EU steigen. Im Jahr 2010 wurden 28,6% des Bruttonationaleinkommens.168 Milliarden € umfasst der EU-Haushalt 2020. Viel Geld wird für Klimaschutz eingesetzt. Die Türkei bekommt weniger Geld. Zunächst blockiert Ungarn den Haushalt, auch Polen. Sie wollen nicht, dass Mittel bei Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit gekürzt werden können. Diese Blockade kann dann erstmals ausgetrickst werden. Im Jahr 2012 erreicht der deutsche Beitrag zum EU-Haushalt einen Rekordwert (Netto 25,1 Mrd. €). Der größte Nettoempfänger war Polen (11,8 Mrd. €). Diese Struktur bleibt auch in den Folgejahren. .2023 ist Deutschland weiterhin der größte Nettozahler, größter Nettoempfänger bleibt Polen. 

Finanzplanung der EU: Die aktuelle mehrjährige Finanzplanung der EU läuft bis Ende 2020. Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für 2021 bis 2027 vorgelegt. Er enthält eine vorsichtige Neugewichtung: weg von den Agrarsubventionen und der Kohäsionspolitik hin zu neuen Prioritäten. Macron bzw. Frankreich möchte eine europäische Budgetpolitik und eine europäische Fiskalpolitik anstreben (weniger Distribution, mehr Allokation und Stabilisierung). Vgl. Südekum, Jens u. a.: Künftige Finanzplanung der EU - neue Prioritäten, höhere Effizienz? in: Wirtschaftsdienst 2018/6, S. 383ff.

Europäische Semester: Nach der großen  Finanzkrise 2009 wurde das "Europäische Semester" 2010 eingeführt: Bevor die nationalen Parlamente die Etats beschließen, werden sie von der EU-Kommission überprüft. Sie spricht dann Empfehlungen aus. Dabei hat die Kommission mehrere Ziele. Die Volkswirtschaften sollen sich annähern, die Haushalte solide finanziert, das Wirtschaftswachstum angekurbelt, die ökonomischen Ungleichgewichte abgebaut und Reformen angepackt werden. Im Idealfall richten die nationalen Gesetzgeber dann ihre Haushalts- und Wirtschaftspolitik an diesen Empfehlungen aus. Die deutsche Haushalts- und Finanzpolitik bekommt 2019 schlechte Noten. Dei Bundesregierung erwirtschafte zwar Überschüsse, Aber die Zukunftsvorsorge sei zu schwach.

Steuersenkungswettbewerb in der EU: In der EU gibt es nicht die gleichen Unternehmenssteuersätze. 2016 zeichnet sich ein Wettbewerb beim Körperschaftssteuersatz ab. Luxemburg, Großbritannien, Österreich und Ungarn wollen den Steuersatz herabsetzen. Dies schadet aber langfristig der EU.

Binnenmarkt der EU: Vier Freiheiten: Freier Warenverkehr, freier Personenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr, freier Kapitalverkehr. Dies wird unterstützt durch Beseitigung der Grenzkontrollen, technische Harmonisierung und Normung, Liberalisierung des öffentlichen Auftragswesens, Freizügigkeit, Steuerharmonisierung und Kooperation von Unternehmen. Die EU-27 ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von 16,4 Billionen $ 2009 der größte Wirtschaftsblock der Erde (USA 14,3 Billionen $). Als 28. Land folgt Kroatien. Um dauerhaft stabiler gegen Krisen zu sein, müsste man Richtung mobile Arbeitskräfte, flexible Löhne und zentralere Steuerverwaltung gehen. Ohne integrierte Arbeitsmärkte und eine einheitliche Fiskalpolitik wird man auch immer etwas großzügiger mit Inflation umgehen müssen. Für osteuropäische Beitrittsländer gelten Übergangsfristen für die Freizügigkeit. Im September 2020 stimmt das Britische Unterhaus für das so genannte Binnenmarktgesetz. Damit könnte GB eigenmächtig den mit der EU geschlossenen Vertrag abändern. Die EU ist vehement dagegen.  "Europa ist unser Heimatmarkt und der Euro unsere Währung, die wir mit unserer ganzen Kraft in die Waagschale werfen müssen", Martin Kannegiesser, Präsident von Gesamtmetall. Der EU-Binnenmarkt ist ein Wohlstandstreiber. eine Studie der Bertelsmann - Stiftung 2019 beziffert sogar positive Einkommenseffekte (in Deutschland pro Jahr 1046 Euro pro Kopf).

Zollunion mit der Türkei: Es gibt ein Abkommen von 1996 zwischen der EU und der Türkei. Die Türkei ist das einzige Nicht-EU-Mitglied in der Zollunion. Das Handelsvolumen hatte sich danach vervierfacht. Das Abkommen ist auf Agrarprodukte, öffentliche Auftragsvergabe und Dienstleistungen beschränkt.  Die Türkei möchte 2017 das Abkommen erweitern; Deutschland legt ein Veto ein. Das Ende der Zollunion würde die türkische Wirtschaft hart treffen. Es wäre die Konsequenz, wenn die Beitrittsverhandlungen zur EU eingestellt würden.

Lissabon-Vertrag der EU: Von 2014 an entscheiden die Staaten im Ministerrat mit doppelter Mehrheit: So müssen mindestens 55% der Staaten zustimmen, die wenigstens 65% der EU-Bevölkerung vertreten. Einstimmigkeit ist nur bei Steuer- und Sozialpolitik sowie beim EU-Haushalt, Verteidigung und Außenpolitik erforderlich. Das europäische Parlament entscheidet stärker mit (Haushalt, Agrarsubventionen). Der Vertrag tritt ab 1.12.09 in Kraft. Er eröffnet neue Chancen in der Handels- und Energiepolitik (Zuständigkeit bei EU). Er will die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft stärken und den Kampf gegen den Klimawandel verstärken. Er könnte auch zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten führen. 2010 versucht das Europaparlament, mehr Haushaltskompetenz zu bekommen als der Lissabon-Vertrag einräumt. Diese Flexibilitätsklausel zusammen mit mehr Eigenmitteln der EU kommt nicht durch. Auf dem EU - Gipfel 2012 geht es wieder um die Übergabe von Kompetenzen an Brüssel und eine weitere Stärkung des EU-Parlaments (auch um Volksabstimmungen). Großbritannien verlangt ab 2015 einen Sonderstatus in der EU (Ausklinken aus dem Lissabon-Vertrag und der EU-Integration). Der Lissabon-Vertrag enthält auch ein Austrittsrecht. Der Brexit verändert entscheidet Machtpositionen in der EU: Der Süden wird stärker.  "Ein dauerhafter Ausweg aus der Krise erfordert, dass viele Staaten wieder Deutschland gegenüber wettbewerbsfähiger werden. Dafür gibt es bislang kein erprobtes Modell in der Währungsunion", J. Pisani-Ferry, Direktor von Bruegel in Brüssel.

Vorbehalt des Bundestages: Bevor die Bundesregierung der Gewährung von Stabilitätshilfen für Mitgliedsstaaten der Eurozone zustimmen kann, muss sie ein Mandat des Bundestages einholen. Das kann die Verhandlungsspielräume in der Eurogruppe einschränken.

Griechenland-Krise und Griechenland: 2010 wird Griechenland wegen seiner Verschuldungsprobleme von den Rating - Agenturen als nicht mehr kreditwürdig eingestuft (BB+). Griechenland hatte 2009 Staatsschulden in Höhe von 273,4 Mrd. €. Das sind 115,1% des BIP. Das Haushaltsdefizit betrug 13,6%. Bis Ende 2010 sind Staatsanleihen in Höhe von 16,2 Mrd. € fällig. Der IWF (30 Mrd. €, 3%) und die EU (80 Mrd. €, 5%) müssen mit Krediten helfen. Der Notfallplan zwingt Griechenland zu einem drastischen Sparprogramm (bis 2010 Defizit um 11 Prozentpunkte abbauen) und einer langen Rezession. Die Staatschefs von Euroland (16 Länder) beschließen den Plan am 07.05.10. Offen ist noch, wie die Banken am Kostenrisiko beteiligt werden können. Wir brauchen auch eine europäische Rating - Agentur, die kein Geld von anderen Finanzmarktakteuren nehmen darf. Spekulationen gegen den Euro führen zu einem Rekord-Einbruch an der New Yorker Börse von -1000 Punkten (als Ursachen werden auch Tippfehler und Computerfehler genannt). Viele Experten erwarten eine Umschuldung des Landes (ca. 50% müssten abgeschrieben werden). 2011 wird das Land von Moody`s auf B1 herabgestuft (im Juni 11 auf Caa1), von Standard & Poor`s (S & P) auf B, später auf CCC. 2011 drängt auch der IWF auf Umschuldung (EZB dagegen). In der Öffentlichkeit wird im Mai auch der Austritt Griechenlands aus der Eurozone erörtert. Dieser Austritt würde aber eine Spirale aus Inflation und Abwertung in Gang setzen. Es könnte das Ende der Eurozone sein und für das Land der Staatsbankrott (bei Abwertung der Drachme steigen die Schulden); die Gläubiger hätten das Nachsehen (deutsche Banken könnten das verkraften). Die Kunden würden die Banken stürmen oder ihr Geld vorher ins Ausland schaffen. Griechenland würde wieder für Touristen attraktiv, der EU-Binnenmarkt wäre nicht stark betroffen. Das Land muss sich immer wieder frisches Geld am Geldmarkt leihen (2011 Deckungslücke von 7 Mrd. €). Die Schulden sind auf 330 Mrd. € angewachsen. Es wächst der Druck aus der EU, Staatsbesitz zu veräußern (war schon mal zugesagt, 50 Mrd. € bis 2015). Hierzu gehört auch die Privatisierung von Staatsunternehmen. Mitte Juli könnte Griechenland zahlungsunfähig sein, wenn der IWF die nächste Tranche nicht auszahlt. IWF, EZB und EU schnüren ein neues Rettungspaket (12 Mrd. € sofort, nochmals 110 Mrd. € später). Private Gläubigerbanken werden auf freiwilliger Basis beteiligt, das Land muss mehrere Sparpakete bewältigen. Eine dauerhafte Lösung ist nur mit Umschuldung (Laufzeiten, mit Beteiligung der privaten Banken und EZB, wahrscheinlichste Lösung) oder einem Schuldenschnitt (oder Verbindung zwischen beidem) zu erreichen (Deutschland und Frankreich sind sich über den Schuldenschnitt uneins). Ein EU-Gipfel im Juli 2011 entwickelt eine Lösung: Günstigere Kredite und verlängerte Laufzeiten, freiwillige Beteiligung des Finanzsektors, effektiverer Rettungsschirm, Förderung von Wachstum und Investitionen in Griechenland. Durch die Wirtschaftskrise im Land wird immer unwahrscheinlicher, dass die Kreditbedingungen erfüllt werden können (Industrieproduktion und Umsätze im Einzelhandel sind 2011 im freien Fall). Die Euro-Länder, der IWF und die EZB machen Druck, dass die Sparzusagen umgesetzt werden (sonst keine Hilfszahlungen). Eine Troika von Experten (EU, EZB, IWF, 40 Experten, alle 3 Monate) kontrolliert. Eine Pleite und ein Ausschluss des Landes aus der Eurozone sind nicht unmöglich. Die Defizit-Ziele werden klar verfehlt. Es gibt eine EU-Task-Force für Griechenland (Horst Reichenbach Leiter), die die Verwaltung verbessern und die EU-Strukturhilfen überwachen soll. Im Oktober 2011 werden weitere 8 Mrd. € überwiesen. Erst 2021 dürfte Griechenland wider Geld von den Kapitalmärkten bekommen. Ecofin einigt sich darauf, dass die Banken auf die Hälfte ihrer Darlehen verzichten und ihr Kapital um rund 108 Mrd. € erhöhen. Damit kommt es zu einem Schuldenschnitt. Die Ankündigung einer Volksabstimmung in Griechenland zum Rettungspaket führt zu Einbrüchen an den europäischen und internationalen Börsen von im Schnitt 5 Prozent (eigentlich darf laut Verfassung zu öffentlichen Finanzen nicht gefragt werden). So entscheidet man sich für eine Notregierung mit Expertenhilfe, die das Notpaket unter Dach und Fach bringen soll (der frühere EZB-Vizepräsident Papademos als Regierungschef ). Anfang 2012 gefährdet der Reformstau in Griechenland die Auszahlung der nächsten Kreditrate. Die Troika prüft wieder und drängt auf Implementation der Sparprogramme. Ein Sparkommissar der EU ist im Gespräch (wird auf einem EU-Gipfel abgelehnt), ebenso ein EU-Beauftragter für die Geldpolitik. Die Geberländer verlieren an Geduld (Staatsinsolvenz?). Das Land nimmt das Sparpaket der EU an (auch Parlament), überprüft wird noch die Schuldentragfähigkeit (von 163% auf 120% 2020). Dieses Kriterium ist schwierig zu erfüllen. Im Februar 2012 wird das zweite Hilfspaket in Gang gesetzt (private Gläubiger verzichten auf 107 Mrd. €, Sonderkonto, Beitrag der nationalen ZB, insgesamt 130 Mrd. € bis 2014). Fitch stuft Griechenland weiter herab, weil ein höheres Haushaltsdefizit erwartet wird. S&P stuft das Land Ende Februar 2012 als "teilweise zahlungsunfähig" ein. Der Schuldenschnitt kann erfolgreich durchgeführt werden. Die finanzielle Hilfe erfolgt schrittweise (18 Mrd. € vom IWF). Griechenland braucht einen Aufbauplan, um zu einer Industrieinfrastruktur zu kommen. Die Wahl am 17.06.12 wird zur Schicksalswahl (bei Sieg der Linken werden Kapitalabflüsse, Konkurs, Euroaustritt befürchtet). Konservative (ND) und Pasok (Sozialdemokraten) können eine Regierung bilden, was auch geschieht. Schon wird über zeitliches Strecken des Sparprogramms nachgedacht (2 Jahre). Die Troika ermittelt Mitte 2012, dass Griechenland 210 der 300 Sparauflagen nicht erfüllt hat. Mit einer Auktion von Staatsanleihen in Höhe von 4,06 Mrd. € im August 2012 hat das Land Erfolg. Die EU bereits allerdings im Sommer 2012 den Austritt Griechenlands vor. Im September wird mit einem negativen Ergebnis der Troika gerechnet. Die EZB soll eine Panik verhindern. Griechenland selbst will mehr Zeit für die Haushaltskonsolidierung (diese wird wohl auch gewährt, zuerst vom IWF befürwortet). Es gibt auch Pläne für Sonderwirtschaftszonen. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpft wohl auch 2013 deutlich. Am 09.1012 besucht die Bundeskanzlerin Griechenland und sagt Hilfe in Verwaltung (die Bekämpfung der Steuerhinterziehung hat höchste Priorität) und Gesundheitswesen zu. Das neue griechische Sparpaket im Herbst 2012 sieht Kürzungen bei Renten und Gehältern im Staatsdienst sowie im Gesundheitswesen vor. Die Troika schlägt Ende Oktober 2012 einen neuen Schuldenschnitt vor (das würde richtig Geld kosten, weil die öffentlichen Haushalte eingeschlossen sind; einige europäische Länder, auch Deutschland, sind dagegen; der IWF ist Befürworter; vor 2014 dürfte hier keine Entscheidung fallen). Die griechische Regierung und das Parlament billigen das Sparpaket. Man gibt Athen mehr Zeit (2 Jahre, kostet über 30 Mrd. €, wer zahlt?; Griechenland kann Schuldendienst erst 2020 bzw. 2022 leisten). Die Finanzlücke des Landes soll durch Schuldenrückkauf geschlossen werden (plus Zinsen für Griechenland senken, Weitergabe von Zinsgewinnen). Das Ziel von 30 Mrd. € wird dabei auch erreicht. Die nächste Kreditrate von 44 Mrd. € wird zur Verfügung gestellt. Erstmals Mittel aus dem Bundeshaushalt, 730 Mio. € im Bundeshaushalt 2013 (Zustimmung des Bundestages am 30.11.12). S & P stuft Griechenland wieder sechs Stufen besser ein (B-/B). Zu Beginn des Jahres 2013 gewährt der IWF die nächste Zahlung. Im letzten Quartal 2013 wird wieder mit Wachstum gerechnet. Griechische Banken stehen vor der Verstaatlichung. Die Sparbemühungen werden honoriert. Weitere 2,8 Mrd. € dürften für Mai 2013 ausgezahlt werden. 2013 sollen 15.000 Staatsdiener entlassen werden (Sparauflagen). 2013 mehren sich positive Nachrichten, an der Börse findet ein Kursfeuerwerk statt. Der Rückgang der Industrieproduktion ist gestoppt. Es wird im Juni 2013 aber auch von ATTAC Österreich offen gelegt, das der größte Teil der 207 Mrd. € an Hilfen in den Bankensektor geflossen sind (58 Mrd. € zur Rekapitalisierung, 1001 Mrd. € an die Gläubiger, 46 Mrd. € in den Staatshaushalt). Mittlerweise profitiert Griechenlands Tourismusbranche stark von den Unruhen in der Türkei und Ägypten und stärkt so die Wirtschaft. Trotzdem steigt die Schuldenlast auf 175 (Staatsverschuldung in Prozent des BIP) 2013. Trotz aller Sparanstrengungen scheint ein weiterer Schuldenschnitt unausweichlich (das bestätigt auch die Bundesregierung im August 2013). 2013 erhält das Land weiteres Geld in Raten (nach Prüfung der Troika, 6,8 Mrd. €, 4000 Stellen im öffentlichen Dienst weniger). Die Bundesbank rechnet nach den Wahlen mit einem neuen Kredit (Griechenland wird seine Euro-Partner wohl um 10 Md. € bitten). Immer mehr kleine und mittlere Firmen rutschen in die Insolvent (dadurch gehen viele Arbeitsplätze verloren, Deutschland will ab 2014 mit Krediten helfen. Im Finanzministerium Griechenlands gibt es Pläne, Tilgungen zu strecken (Verschuldung im Herbst 2013 176% des BIP). Im November 2013 ermittelt die Troika ein Loch von 1,5 Mrd. € im Budget. Die Rating-Agenturen setzen Griechenland wieder besser an (Caa3). Die Talfahrt der Wirtschaft soll im kommenden Jahr 2014 ein Ende haben (Quelle: Notenbank). Im April 2014 wird eine weitere Kreditrate (8,3 Mrd. €) freigegeben von der EU und dem IWF. Griechenland will an den Kapitalmarkt zurück, von dem es seit 2010 praktisch ausgeschlossen ist. Anleihen für 3 Mrd. € können platziert werden (Augenwischerei vor der Europawahl?). Für 2013 soll sich ein primärer Haushaltsüberschuss ergeben (Frage der Definition und Rechnung!). 2015 wird es eine Finanzlücke in zweistelliger Milliardenhöhe im Haushalt geben. Die Regierung sträubt sich gegen Hilfsgelder bzw. Kredite der EU, weil diese mit strengen Auflagen verbunden sind. Bis zum Jahresende 2014 müssen nach Vereinbarung mit der Troika 6500 weitere Staatsdiener entlassen werden. Die Wahl soll auf die fallen, die sich ihre Stellen mit gefälschten Zeugnissen erschlichen haben. Anlässlich neu eingeführter Beurteilungen sollen die Bewerbungsunterlagen überprüft werden. Im zweiten Quartal 2014 sinkt die Wirtschaftsleistung nur um 0,3%, besser als erwartet. Ende 2014 will Griechenland wieder an den Kapitalmarkt und plant neue Anleihen. Der Schuldenstand könnte in den nächsten Jahren deutlich sinken, weil die Zinsen so niedrig sind. Ende 2014 braucht Griechenland weitere Hilfen der EU. Der Haushalt 2015 ist fast ausgeglichen. In Griechenland entscheidet die Präsidenten-Kür Ende 2014 zugleich über Neuwahlen und auch einen möglichen Machtwechsel. Es kommen dann auch Neuwahlen. In Griechenland gibt es am 25. Januar 2015 Parlamentswahlen. Die oppositionelle Syria-Partei wähnt sich vor dem Sieg. Sie denkt über ein Ende stattlicher Zinszahlungen an Gläubiger nach. Wenn die EU auf Vertragstreue pocht, könnte dies zu einem Austritt Griechenlands aus dem Euro führen. Die Bundesregierung hält das Ausscheiden verschuldeter Länder inzwischen für verkraftbar. Erstmal brechen die Finanzmärkte ein. Die neue Griechische Regierung verweigert die Umsetzung der Reformen und Sparmaßnahmen und kündigt die Zusammenarbeit mit der Troika auf. Die EZB akzeptiert Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheiten. 2016 schafft es Griechenland nicht, die versprochenen Hotspots und Aufnahmelager für Flüchtlinge einzurichten. Die europäischen Geldgeber drängen auf die Umsetzung der Steuer- und Rentenreformen. Die Landwirte verschärfen ihre Proteste. 2016 wollen 40% aller Unternehmen ihren Sitz ins Ausland verlagern. Griechenland scheint die Flüchtlingskrise mit seiner Schuldenkrise verbinden zu wollen. Der IWF will als Geldgeber aussteigen. Ein Schuldenschnitt wird immer wahrscheinlicher. Vorerst können sich die Gläubiger 2016 über das neue Spar- und Reformprogramm mit der griechischen Regierung nicht einigen. Im November 2016 verhandeln EU und IWF über das weitere Vorgehen in Berlin. Anfang 2017 geben die Euroländer grünes Licht für begrenzte Schulderleichterungen Griechenlands. Der Rettungsfonds ESM hilft und die Laufzeiten der Schulden werden verlängert (bis 2060 -20% Schuldenlast). Die griechische Wirtschaft hat 2016 das achte Rezessionsjahr in Folge erlebt.  Das BIP schrumpfte um 0,05%. Das Rentensystem ist 2017 in dramatischer Lage. 2017 empfiehlt die EU-Kommission die Einstellung des Defizit - Verfahrens. Das geschieht dann auch Ende September 2017. 2017 legt die Regierung einen Reformplan für die Verwaltung vor. Im Dezember 2017 einigen sich Tsipras und die Geldgeber auf ein Spar- und Reformprogramm. 2018 wird Griechenland von einer Streikwelle überrollt. Die Gewerkschaften machen gegen das Reformpaket mobil. Die Reformen werden verabschiedet. Eine schränkt das Streikrecht ein. Der ehemalige Finanzminister Yanis Varoufakis will 2018 eine neue Partei gründen. 2018 rückt die Rückkehr Griechenlands nach acht Jahren näher. Folgende Punkte bleiben noch für die Kreditgeber zu klären: stockende Privatisierungsprogramm, Deregulierung des Energiemarktes, Reform der öffentlichen Verwaltung, Zwangsversteigerung von Immobilien, Änderungen im Arbeitsrecht. Griechenland Wirtschaft wächst im Juni 2018 seit fünf Quartalen in Folge (zuletzt mit einem Plus von 2,3%). Das Wachstum setzt sich bis Ende 2018 fort. Die Finanzpolitik der Links- und Rechtspopulisten ist aber wieder eher wachstumsfeindlich. Am 10.01.19 besucht Bundeskanzlerin Merkel Griechenland und Athen. Im Mai 2019 bekommt das Land eine Art Gelbe Karte vom Euro-Stabilitätsfonds: Das Parlament hatte ja zu Steuersenkungen und Rentenerhöhungen gesagt. Griechenland fällt wieder zurück. 2019 will Griechenland wieder mal über Reparationen mit Deutschland verhandeln. Die Bundesregierung lehnt ab. Am 7.Juli gibt es Neuwahlen in Griechenland (nach der Niederlage von Tsipras/ Syriza bei der Europawahl). Griechenlands Ex - Finanz - Minister könnte Tsipras gefährlich werden, indem er ihm Stimmen wegnimmt. Das Rauchverbot, dass EU-Recht ist, wird in Griechenland ständig umgangen. Es wird sogar zum Wahlkampfthema. Kein Volk der EU raucht so viel wie die Griechen. Die Bewältigung der Schuldenkrise war für Griechenland sehr teuer: Während des Sparprogramms hat das Land ein Viertel seiner Wirtschaftsleistung verloren. 500.000 junge Menschen haben das Land verlassen. Die Mittelklasse ist verarmt. Folgerichtig zeichnet sich bei der Parlamentswahl ein Sieg der konservativen Partei ab. Die  ND geht auch als klarer Sieger hervor (Mitsotakis; mit knapp 40% die absolute Mehrheit). Sie verspricht, Steuern zu senken, mehr Arbeitsplätze zu schaffen und eine Rentenerhöhung. Der hohe Haushaltsüberschuss, zu dem sich das Land verpflichtet hatte, bremst noch das Wachstum. Auch die neue, konservative Regierung erhebt Reparationsforderungen an Deutschland. Weil die Spannungen mit der Türkei zunehmen, gewinnt Griechenland als strategischer Partner für die USA an Bedeutung. Griechenland rüstet gegen die Türkei stark auf. 2022 zahlt Athen Hilfen vorzeitig zurück (bis Ende März Schulden beim IWF). Bei der Parlamentswahl im Mai 2023 gewinnt die konservative Regierungspartei von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis. Mit 41% verfehlt sie aber die absolute Mehrheit. Wahrscheinlich müssen die Griechen erneut wählen, weil die Konservativen dann einen Bonus bekommen. Die Wahl ist dann am 25.6.23. Mit dem Bonus erreichen die Konservativen die erforderliche Mehrheit. Der alte Flughafen Ellinikon wird zu einem Megaprojekt. Am Rande von Athen baut eine Immobilienfirma eine topmoderne Siedlung. Sie soll Maßstäbe setzen mit Blick auf eine nachhaltige Stadtentwicklung. 75.000 Jobs sollen entstehen. In Griechenland ist Steuerhinterziehung Volkssport. Ab 2024 will man KI einsetzen.  "Griechenland braucht eine Insolvenz. Das Land wird seine Schulden niemals bezahlen können", Maurice Obstfeld, Berkeley. "Die Griechen haben eigentlich genug Vermögen, um selber für ihre Schulden geradezustehen", Kai A. Konrad, Chef des wissenschaftlichen Rates beim Bundesfinanzministerium. Eine Dokumentation der griechischen Zentralbank enthüllt Details aus den Krisenjahren 2008 bis 2013. Die Zentralbank hatte öfter größte Mühe, die Versorgung mit Bargeld sicherzustellen. Mehrmals müssen Transportflugzeuge Euros aus Italien und Österreich holen. Im Oktober 2018 besucht der Bundespräsident Griechenland. Es soll künftig ein deutsch-griechisches Jugendwerk geben.

Weitere Schuldenkrise in der EU (Irland, Portugal, Italien, Frankreich, Zypern, Spanien, Ungarn, Großbritannien, Slowenien)2011 stürzt die Regierung in Portugal über die Verschuldung. Dies treibt die Zinsen für portugiesische Staatsanleihen hoch. Das Land muss unter den Rettungsschirm im April 2011. Im Juli 11 stuft Moody´s Portugals Anleihen als Ramsch ein. Deutschland muss ca. immer ein Viertel schultern (diesmal von 80 Mrd. €, aber nur im "worst case"). Dafür muss Portugal ein drastisches Sparprogramm erfüllen. Mitte Juli 2012 erhält das Land eine weitere Zahlung des IWF. Der Arbeitsmarkt und das Steuersystem müssen verbessert werden. Im November 2013 wird der strengste Sparetat seit 40 Jahren beschlossen. Das Verfassungsgericht kippt 2013 einen Teil der Sparbeschlüsse (Renten). S & P zweifelt 2011 auch an der Kreditwürdigkeit Italiens (Schulden Ende 2012 127%). Die Gesamtverschuldung liegt 2011 bei 120%. Die Aktienkurse fallen, die Zinsaufschläge für Anleihen steigen. Im September 2011 stuft S&P Italien tatsächlich herab. Auf der G20 Konferenz in Cannes im Herbst 2011wird beschlossen, dass der IWF Italien kontrolliert. Mario Monti wird neuer Regierungschef (schon wieder zurückgetreten). Ende 2011 sinken die Zinsen für Italien wieder drastisch auf 3,25% (EZB-Geldspritze). Stand & Poor`s stuft Italien Mitte 2013 auf BBB ab. Moody´s stuft Irlandanleihen als Ramsch ein. Im Februar 2013 kauft die EZB für 103 Mrd. € italienische Schuldentitel. Die Wahl 2013 bringt eine Blockade. Ende Dezember 2016 steigt die Schuldenquote auf 135%. Das Scheitern des Referendums von Renzi senkt die Bonität und verschärft die Schulden- und Bankenkrise in Italien. Im Sommer 2011 hat auch Zypern Schwierigkeiten. Im Juni 2012 werden Mittel aus dem Rettungsschirm beantragt. Der Schuldenschnitt wird vorerst abgelehnt. 2013 braucht Zypern fast soviel Geld, wie sein BIP hoch ist (17 Mrd. €). Davon allein für die Bankenrettung 11 Mrd. Dabei werden vom IWF und der EU härtere Bedingungen gestellt, um Geldwäsche auszuschließen. Die Bundesregierung will die Entscheidung über Hilfszahlungen verzögern (Opposition dagegen wegen fehlender Systemrelevanz, riesige Auslandsinvestitionen in Russland). Der Privatsektor soll beteiligt werden. Ein Schuldenschnitt soll vermieden werden. Am 15.03.13 wird ein Hilfsprogramm beschlossen: Zypern bekommt für die Banken ca. 10 Mrd. €. Die Kunden werden beteiligt (5,8 Mrd. €). Bei Anlagen unter 100.000 € sind 6,75% fällig. Bei Konten über 100.000 ungefähr 10%. Das Hilfspaket ist in den Parlamenten von Zypern und Deutschland umstritten. Ein höherer Anteil der extrem hohen Einlagen wäre sicher wünschenswert gewesen, genauso wie eine untere Freigrenze.  Zyperns Parlament lehnt das Rettungspaket wegen der Zwangsabgabe ab. Die EZB setzt ein Ultimatum (6 Tage bleiben die Banken geschlossen). Zypern will einen Fonds einrichten, der Staatsanleihen ausgibt (Aussicht auf Anteile am Erdgasvorkommen). Zwangsabgaben für über 100.000 € Guthaben soll es geben. Man einigt sich schließlich. Die zwei größten Banken werden umstrukturiert. Die Anleger bringen die 5,8 Mrd. € auf. Im Dezember 2011 wird Ungarn von S&P auf BB+ herabgestuft. Im Januar 2012 stuft S&P Frankreich und Österreich von der höchsten Stufe auf AA+ herab (Schulden Ende 2012 90%). Frankreich bekommt wegen der schlechten Konjunktur 2013 zwei Jahre mehr Zeit, um seine Neuverschuldung abzubauen. Im November 2013 wird das Land noch einmal von S&P herabgestuft (AA; Gesamtverschuldung 2014: 97%; Neuverschuldung 2015: 4,3%; Strafverfahren aufgeschoben). Sieben weitere EU-Staaten werden herabgestuft. Im April 2012 wird Spanien von S&P auf BBB+ herabgestuft (Schulden Ende 2012 88%). Die Lage für Spaniens Banken wird immer bedrohlicher (Bankia Kredit vom Staat), die Bürger räumen ihre Konten. Das Land will nicht unter den Rettungsschirm, muss aber im Juni 2012 (nach Griechenland, Irland und Portugal).  Die Volkswirtschaft ist als ganzes überschuldet (private Auslandsschulden). Gegen das Sparpaket der Regierung (Mehrwertsteuererhöhung, Streichung des Weihnachtsgeldes, Kürzung der Arbeitslosenhilfe) gibt es Proteste. Ende 2012 beantragt Spanien ca. 40 Mrd. € aus des ESM für seine maroden Banken. 2012 sinkt das Haushaltsdefizit auf 6,7%. Spanien soll wegen der schlechten Konjunktur 2013 zwei Jahre mehr bekommen, um die hohe Neuverschuldung abzubauen. 2013 kommt Slowenien nicht aus der Krise. Die Lage der Banken ist prekär. Ein Hilfsantrag an den ESM dürfte irgendwann kommen. Das Land zögert dies hinaus, um nicht die scharfen Sparbestimmungen erfüllen zu müssen (Tragik ist, dass die Lösung für die EU immer teurer wird). Im Februar 2013 stuft Moody´s Großbritannien auf AA1 herab. Im Durchschnitt liegt die Verschuldungsquote in der EU bei 85,9% (Euro-Zone 92,2%, 2013). Auch 2014 führt Griechenland weiterhin die Schuldenländer an (Gesamtverschuldung in Prozent des BIP, Grenze 60%; Quelle EU-Kommission): 175,1 vor Italien (132,6), Portugal (129), Irland (123,7), Zypern (111,7). Insgesamt halten die Euroländer Griechenland, Irland und Portugal rund 60 Prozent aller 2015 noch ausstehenden IWF-Kredite. Insgesamt belaufen sich die EU-Staatsschulden auf 12,5 Billionen Euro ohne Griechenland (97,5%; Griechenland 320 Mrd. Euro=2,5%). Mitte 2016 wird Italien zum Sorgenkind. Schwaches Wachstum, hohe Schulden und wackele Banken belasten das Land. Wahrscheinlich muss das Land unter den Rettungsschirm. Im Juli 2016 leitet die EU ein Defizitverfahren gegen Spanien und Portugal ein. Es ist das erste Mal, dass Sanktionen eingeleitet werden (die könnten auch bei Null liegen, aber auch 0,2% des BIP). 2016 hat Italien erhebliche Probleme. Die Verschuldung ist sehr hoch. Niedrigzinsen verdrängen den Sparwillen. Ein Verfassungsreferendum (Blockieren der Kammern soll verhindert werden; Senat soll entmachtet werden) könnte die Regierung zum Scheitern bringen. Das Land ist gespalten, die Banken kriseln, die Flüchtlingspolitik versagt. Die Bürger stimmen gegen das Referendum. Renzi tritt zurück. Die Folgen bleiben abzuwarten (Finanzmärkte, Schulden des Landes, Banken). Die italienische Regierung schnürt im Dezember 2016 ein Rettungspaket für italienische Banken (20 Mrd. €, notfalls durch Schulden finanziert). Portugals Schulden sinken 2017 deutlich (Touristenboom).  "Ob Griechenland über die Zeit wirklich in der Lage ist, diese Leistungskraft aufzubringen, wage ich zu bezweifeln", Josef Ackermann im Mai 2010 in der Sendung von Maybritt Illner. Vgl. Rogoff, K./ Reinhart, C.: This Time is Different, 2009. Hierin werden systematisch die Schuldenkrisen der letzten 800 Jahre untersucht. 2014 liegt die Schuldenquote aller euroländer bei 94 Prozent. Am höchsten ist sie in Griechenland mit 174%; am niedrigsten in Estland mit 10%. Deutschland hat 77% und liegt im Mittelfeld. Der Anteil der "faulen Kredite" in den Bilanzen von Europas Großbanken in Prozent sieht wie folgt aus: Griechenland 44,9; Zypern 32,3; Portugal 16,6; Irland 11,2; Slowenien 11,2; Italien 11,1 (Ausschnitt, Stand 4. Quartal 2017;  Quelle EZB). 2021 liegt der Bruttoschuldenstand der EU-Staaten (Anteil am BIP in Prozent) bei: Griechenland 210, Italien 160, Portugal 137, Zypern 126, Spanien 125, Deutschland 71. Quelle: Eurostat.

PIIGS: Portugal, Irland, Italien, Griechenland, Spanien. Die Länder der EU mit den höchsten Verschuldungsproblemen. Die Staatsverschuldung in Prozent des BIP ist in folgenden Ländern am höchsten 2014: Griechenland 180, italien 140, Portugal 140, Spanien 100. Ende 2011 wird der Refinanzierungsbedarf dieser Krisenstaaten bis 2013 auf 920 Mrd. € geschätzt. Nach Griechenland kriselt 2010 auch Irland. Dann 2011 Portugal. Die hoch verschuldeten Staaten werden immer wieder Ziel von Spekulanten. Es würde ein Flächenbrand entstehen, der auch deutsche Banken mit in den Abgrund reißt (durchschnittlich mit 20% beteiligt). Insofern muss der Euro-Rettungsschirm zum Einsatz kommen. Unter diesen Schirm begibt sich Irland Ende November 2010. Hinzu kommen Mittel des IWF. Die Unterstützung könnte bis zu 100 Mrd. € betragen. Die Iren sollen im Gegenzug ihre Steuern erhöhen, insbesondere die Körperschaftsteuer. Portugal muss 2011 unter den Schirm (100 Mrd. €?). Das Defizit wurde auch noch statistisch falsch berechnet (jetzt 9,6%). Auch Spaniens Zinslast wächst. Gerät Spanien außer Kontrolle, wäre dies der "Worst-Case", der die ganze EU gefährden könnte. Die Rating-Agenturen (Moody´s) beginnen Ende 2010, Spanien herunterzustufen. Die schlechteren Noten verteuern Kredite. 2010 kauft China in großem Umfang europäische Staatsanleihen (Griechenland, Portugal). Diese Unterstützung erfolgt aus Eigeninteresse. Denn stürzt der Euro, trifft es alle großen Volkswirtschaften. China will zuerst den Yuan als Welt- und Leitwährung etablieren. 2011 bringt Portugal (Haushaltdefizit 2010 7,1%) neue Staatsanleihen an den Kapitalmarkt und muss dafür über 7% Zinsen zahlen. Moody´s stuft Mitte 2011 die Anleihen als Ramsch ein; die EZB akzeptiert dieses Rating nicht. Kurz darauf stuft die gleiche Agentur Irlandanleihen als Ramsch ein. Auch Italien weckt Zweifel an der Kreditwürdigkeit. Die Rating - Agenturen geraten immer mehr in die Kritik. 2011 werden die Defizitverfahren gegen Dänemark, Finnland, Zypern und Bulgarien gestoppt. Auch Zypern gerät in die Krise. Es besteht eine große Furcht vor einem Übergreifen der Staatspleite auf Italien und Spanien. Ab 08.08.11 kann die EZB Italien-Anleihen kaufen. Sie kauft Anleihen Italiens und Spaniens. Mittlerweile wird auch die Bonität von Frankreich in Frage gestellt (Gerüchte, Aktienverlust führender Banken, schlechte Wirtschaftsdaten). China und Russland kaufen 2011 zunehmend europäische Staatsanleihen. Im September 2011 wird Italien von S&P auf A herabgestuft (später auch von Moody´s auf A2; 120% Schuldenstand). Fitch stuft Italien im Oktober 2011 auf A+ (auch Spanien auf AA-). Das Land soll einen Stand-by-Kredit beim Rettungsfonds beantragen. Belgien wird auch herabgestuft (muss Banken unterstützen). S&P stuft im Oktober 2011 Spanien herab, auch Moody´s auf A1. Die Zinsen auf Staatsanleihen steigen immer mehr. Im November 2011 stuft Fitch Portugal auf BB+ herab. Auch Ungarn gerät in Bedrängnis. Die Anleihezinsen steigen Ende 2011 dramatisch an. Im Januar 2012 verlieren Frankreich und Österreich durch S&P die höchste Stufe. Fitch senkt im Januar 2012 das langfristige Emittentenrating (IDR) für Italien, Spanien, Belgien, Zypern und Slowenien. Im Jahre 2011 haben Irland (13,1%), Spanien (8,5%) und Griechenland (9,1%) die höchste Neuverschuldungsrate. Bei der Gesamtverschuldungsquote insgesamt führt Griechenland (165,3%) vor Italien (120,1%) und Irland (108,2%). Im Mai 2012 stuft Fitch Griechenland auf CCC herab. Spanien korrigiert sein Haushaltsdefizit im Mai 2012 zum dritten Mal auf 8,9%. Es bekommt ein Jahr mehr Zeit, sein Defizit abzubauen. Für die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone wird es aber immer schwieriger, an neues Geld von den Finanzmärkten zu kommen. Fitch stuft im Juni 2012 das Land um drei Stufen herab. Bis zu 100 Mrd. € werden dem Land für die Banken vom ESM bereit gestellt (Auflagen für Reformen im spanischen Finanzsektor). Im Herbst 2012 wird das Land von Fitch auf DDD- herabgestuft. Spanien bekommt auch 2016 seine Haushaltsprobleme nicht in den Griff. Die Neuverschuldung steigt auf 5,2% (über der Verpflichtung von 4,2%). Zypern und Italien könnten als nächstes den Rettungsschirm benötigen. Im Juli 2012 stuft Moody´s Italien herab. Die Troika bescheinigt Mitte 2012 Irland, gute Fortschritte bei der Umsetzung des Rettungspakets gemacht zu haben. Irland hängt seit 2010 am Tropf des europäischen Rettungsschirms. Die Defizite von Portugal und Spanien bleiben 2016 vorerst ungesühnt. Beide Länder erhalten von der EU-Kommission keinen "Blauen Brief", obwohl sie den Grenzwert überschreiten (Stabilitätspakt). 2018 macht Italien große Sorgen. Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega einigen sich auf eine Koalition und ein Regierungsprogramm. Dieses stellt eine völlige Abkehr vom Sparprogramm dar. Italien hat schon eine extrem hohe Staatsverschuldung (132% des BIP 2018: Eurostat). Die EU fordert eine solide Haushaltspolitik. Portugal macht eine äußerst erfolgreiche Reformpolitik. 2022 gewinnt der Premierminister Antonio Costa  mit den Sozialisten die absolute Mehrheit im Parlament. Er wird mit seinem Mittelweg zwischen Schuldenpolitik und Sozialpolitik zum Hoffnungsträger.  "Die Eurozone ist der stärkste Wirtschaftsblock der Welt", Angel Gurria, OECD-Chef. Die Anwendung der Fiskalregeln der EU hat bisher nicht zu guten Ergebnissen geführt. Deshalb wird die Einrichtung von politisch unabhängigen Fiskalräten vorgeschlagen. Vgl. Können Fiskalräte die europäische Schuldenkrise lösen? in: Wirtschaftsdienst 2016/10, S. 755ff. 2017 könnten die Schulden der EU-Länder über 10 Billionen Euro steigen.

Staatsverschuldung in der EU: Die Eurozone ist insgesamt mit 89% im Jahre 2017 verschuldet. Bei den Ländern liegt Griechenland an der Spitze (179%), vor Italien (132%), Portugal (126%), Belgien (103%), Spanien (98%), Zypern (97%), Frankreich (97%), Österreich (78%). Ganz gering verschuldet sind Estland (9%), Luxemburg (23%), Litauen (40%), Lettland (40%), Malta (51%). Quelle: EU-Kommission 2018. Einen positiven Haushaltssaldo 2018 haben Slowenien, Niederlande, Griechenland, Litauen, Malta, Luxemburg, Deutschland und Zypern. Die übrigen Euroländer haben einen negativen Saldo. Am höchsten ist er in Spanien (2,8%), Frankreich (2,1%) und Italien (2,0%). Quelle: Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute, Prognose. Nach der Corona-Krise steigt die Staatsverschuldung in der EU: Euroländer 102,7% Das ist immer noch niedriger als in den USA (130%) und Japan (254%). 2021 entsteht eine Debatte übe reinen Schuldenschnitt für die Staaten der Euro-Zone. Noch weigert sich die EZB, einen Schuldenerlass in Erwägung zu ziehen. Es fragt sich, wie lange die Stabilitätsgemeinschaft, die Deutschland und einige andere Länder wollen, gegen die Südländer durchzusetzen ist. Vgl. Fischer, Malte: "Undenkbar", in: WiWo 8, 19.2.21, S. 40f. Nach dem Krieg waren die großen Länder Deutschland, Frankreich und Italien mit 200 bis 300% des BIP verschuldet und zahlten diese Schulden nie zurück. Innerhalb weniger Jahre reduzierten sie sich durch Schuldenschnitte, eine hohe Inflation und außergewöhnliche Steuern auf Privateigentum. In der EU hält jedes Land einen Teil der Schulden des anderen. Die Lage ist also komplexer. Die EZB könnte aber helfen, die Schulden einzufrieren. Besser noch wäre ein gerechteres europäisches Steuersystem: die reichsten Europäer müssten stärker besteuert werden. Das vermeidet man wegen der Mobilität und besteuert die Immobilen. Vgl. Thomas Piketty: Der Sozialismus der Zukunft, München 2021, S. 151ff. 2023 macht die Bundesregierung (Finanzminister Lindner) einen Vorschlag um die Schuldenregeln. Schuldenstandsquoten jährlich um mindestens 1% senken. Dieser Abbau soll solange dauern, bis 60% errecht sind. Das Echo auf diesen Vorschlag fällt extrem unterschiedlich aus.  Der ehemalige Chefvolkswirt der EZB, Otmar Issing, warnt im Sommer 2024 vor einer Schuldenkrise in Europa und einer neuen Politisierung der Geldpolitik. Vgl. WiWo 30/ 19.7.24 (Interview), S. 36ff.  98,3% beträgt die durchschnittliche Schuldenquote in der Euro-Zone 2021. In Deutschland ist die Schuldenquote durch Corona auf 71,4% angestiegen (erlaubt sind 60%). Am höchsten ist die Schuldenquote Ende 2021 in Griechenland (202,9%), vor Italien (154,4%) und Portugal (128,1%). Die absolut höchste Staatsverschuldung hat Frankreich mit 2.835,2 Mrd. € vor Italien. Frankreich hat auch den höchsten Anteil an der Gesamtverschuldung (23,3%) vor Italien (22,5%). Wegen des Ukraine-Krieges sollen die europäischen Schuldenregeln auch noch für 2023 ausgesetzt werden. Der europäische Süden kann aufatmen. Außer Zypern, Dänemark, Irland und Portugal gaben 2023 dei EU-Länder mehr Geld aus als sie einnahmen. Das höchste Defizit hatte Italien. Die höchsten Schuldenquoten haben Griechenland (161,9%), Italien (137,3), Frankreich (110,6), Spanien (107,7) und Belgien (105,2). Quelle: Eurostat, Luxemburg. Im Juni 2024 leitet die Europäische Kommission Defizitverfahren ein gegen Frankreich, Italien, Belgien, Ungarn, Malta, Polen, Slowakei. Die sieben Länder wiesen ein übermäßiges Defizit aus.

Staatsverschuldung in der Eurozone: Die Eurozone ist insgesamt mit 89% im Jahre 2017 verschuldet. Bei den Ländern liegt Griechenland an der Spitze (179%), vor Italien (132%; 147,9% 2022), Portugal (126%), Belgien (103%), Spanien (98%; 115,1 2022), Zypern (97%), Frankreich (97%), Österreich (78%). Ganz gering verschuldet sind Estland (9%), Luxemburg (23%), Litauen (40%), Lettland (40%), Malta (51%). Quelle: EU-Kommission 2018. Vgl. auch: Friedrich Heinemann: Warum Europa auch in Zukunft klare Schuldenregeln braucht, in: WiWo 18/ 28.4.23, S. 39.

Neue EU-Schuldenregeln: Es ist eine deutsche Forderung. Die 27 EU-Finanzminister wollen sich bis Jahresende 2023 auf eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes einigen. Es soll für jedes Land einen maßgeschneiderten vierjährigen Schuldenabbauplan geben. Deutschland ist für strengere Regeln. Frankreich führt die Gegner an. Es gibt Arbeitsgruppen, die nach schwedischen Tieren benannt sind. An einer Reform des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts wird man nicht vorbeikommen. Bei keinem diskutierten Reformmodell ist aber zu erwarten, dass sich die Einhaltung der öffentlichen Haushaltsdisziplin besser als zuvor durchsetzen lässt. Vor diesem Hintergrund wird in diesem Beitrag dafür geworben, die Sanktionskompetenz bei regelwidrigem Verhalten von der Gemeinschaftsebene auf die zwischenstaatliche Ebene zu verlagern. Damit ließe sich die Glaubwürdigkeit der Sanktionsdrohung steigern. Die Verlagerung würde keinen Verzicht auf die eingeführten Fiskalregeln bedeuten. Vgl. Richter, Wolfram F: Solidarische Tilgung der Staatsverschuldung im Euroraum, in: Wirtschaftsdienst 4/ 2023, S. 276-279. Die Reform des Stabilitätspakts nimmt allmählich Fahrt auf. Trotz hoher Schulden in der Euro-Zone will die EU-Kommission das Regelwerk aufweichen. Sie will selbst mehr Einfluss auf die Haushaltspolitik der Mitgliedsstaaten bekommen. Vgl. Wettach, Silke: Das neue Brüsseler Schleusentor, in: WiWo 22/ 26.5.23, S. 36f. 2024 kommen neue EU-Schuldenregeln. Die Eckpunkte der Maastricht-Kriterien bleiben bestehen. Die Vorgaben sollen aber flexibler gestaltet werden. Investitionen sollen erleichtert werden. Das EU-Parlament billigt die neuen Regeln am 23.4.24. Hochverschuldete Länder (über 90% des BIP) sollen ihre Schuldenquote jährlich um einen Prozentpunkt senken müssen. Länder mit einer Quote zwischen 60 und 90% um 0,5 Prozentpunkte. Der Zeitraum der Verringerung kann bei glaubhaften Reform- und Investitionsplänen verkürzt werden. In der EU häufen die Staaten immer mehr Schulden an. Insofern sitzt Europa auf einem Pulverfass.

Med-9-Gruppe in der EU: Es sind die Länder des EU - Corona - Wiederaufbaufonds. Die 720-Mrd.-Euro sollten eine einmalige Initiative sein. Der fonds wurde 2020 geschaffen. Die neuen Länder wollen die gemeinsame Schuldenaufnahme nun zur Dauereinrichtung machen. Am 30. September kommen in Alicante Staats- und Regierungschefs der Med-9-Gruppe zusammen. Der Club besteht aus Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Malta, Zypern, Slowenien und Kroatien.

Wirtschafts-Situation in Italien 2018 und danach (Streit um den Haushalt; Aufgabe des Euro): Italien hat die viertgrößte Volkswirtschaft der EU (mit GB). Es gehört auch noch zu den G7. Der Norden Italiens ist sehr wirtschaftsstark und hat einen ausgeprägten Mittelstand. Die Region Mailand gehört zu den stärksten Industrieclustern der Welt. Der Süden Italiens kämpft mit massiver (Jugend-) Arbeitslosigkeit. In einigen Regionen liegt sie über 50%. Durch den Euro konnte Italien seine Zinssituation erheblich verbessern (schon in der Planungsphase des Euro Ende der Neunziger Jahre). Es konnte sich wesentlich günstiger weiter verschulden und hat das auch getan. Die italienische Wirtschaft hat aber ihre Wettbewerbssituation nicht verbessert. So leidet Italien mittlerweile unter einer hohen Verschuldung (2018: 132% Schuldenquote) und unter dem Euro. Zehn Jahre fehlt Wirtschaftswachstum (von 1990 bis 2008 gleiche Wachstumsrate wie Deutschland). Der wirtschaftliche Druck und die Flüchtlingsströme aus Nordafrika haben zu einer rechten  Koalition geführt. Diese hat aber nicht viele Möglichkeiten: 1. Hilfe der EZB: Kauf weiterer  Er beruft BarnierStaatsanleihen und Beschleunigung der Inflation in Nordeuropa (Inflation im Norden wesentlich höher als im Süden). 2. Transferunion. Die Schulden werden vergesellschaftet. 3. Italien verlässt den Euro und kehrt zur Lira zurück. 4. Parallelwährung.  Keiner dieser Wege dürfte die Krise lösen. Es bleibt spannend. Ende September 2018 plant Italien höhere Schulden (Neuverschuldung 2019 im Haushaltsentwurf  2,4% des BIP; dreimal so hoch wie ursprünglich geplant und abgesprochen; die Finanzmärkte reagieren nervös). Die populistischen Regierungsparteien schielen auch auf die Europawahlen. Eine Art Grundsicherung und ein späteres Renteneintrittsalter sollen dabei helfen. Am Haushaltsplan kommt heftige Kritik bzw. Ablehnung aus Brüssel.  Die EU-Kommission (Moscovici) könnte auch ein Verfahren einleiten. Die Rating - Agentur Moody´s stuft Italien sofort herunter. Standard & Poor´s folgt. Die Finanzmärkte könnten Italien sofort bestrafen. Die Notenbank überprüft die Staatsanleihenbestände der heimischen Kreditinstitute. Die EU-Kommission empfiehlt Ende 2018 ein Defizitverfahren, die EU-Finanzminister müssen zustimmen. Italien kommt Ende 2018 der EU entgegen: Man bietet 2,04% Haushaltsdefizit an. Der Haushaltstreit wird so beigelegt. Im Juni 2019 empfiehlt die EU-Kommission ein Defizit-Verfahren gegen Italien. Italiens Schuldenquote liegt über 132% (erlaubt sind 60%). Die Regierung verstößt bewusst gegen Haushaltskriterien, weil es ihr politisches Programm ist. Im Juni 2019 gibt es in Italien Planspiele um eine Parallelwährung. Man plant die Ausgabe geldähnlicher Schuldverschreibungen. Das könnte die Keimzelle eines Euro-Ersatzes sein. Im Moment scheint Italien unter Innenminister Matteo Salvini mit dem Gedanken zu spielen, die Währungsunion zu verlassen. Das könnte für Deutschland teuer werden. Es könnten sich Verluste von 456 Mrd. € ergeben (Zahlungsverkehr, Staatsanleihen/ Notenbanken, Forderungen der Banken an italienische Banken, Unternehmen und Haushalte; Finanzderivate; Quelle: Die Zeit Nr. 26, 19. Juni 2019, S. 20). Im Juli 2019 bekommt Italien vorerst kein Defizitverfahren. Der italienische Vize-Ministerpräsident und Chef der rechten Lega Innenminister Salvini drängt im Sommer 2019 auf Neuwahlen. Im August 2019 platzt die Regierung. Conte reicht den Rücktritt ein. Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Sozialdemokraten (PD) schließen eine Koalition und verhindern so Neuwahlen. Conte soll auch die zukünftige Regierung führen. Die neue Regierung steht am 05.09.19. Neuer Außenminister wird der Fünf-Sterne-Bewegungs-Chef Luigi di Maio. EU-Politiker Gualtieri wird neuer Finanzminister. Danach bildet sich eine Protestbewegung: die "Sardinen". Sie füllen Monate die Plätze Italiens. Viele sprechen von einer neuen politischen Bewegung gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Die größte Regierungspartei, die Partei der Fünf Sterne, steht 2020 vor der Spaltung. Bisher sind die meisten Wahlversprechen gebrochen worden. 2020 könnte der nächsten Bank die Pleite drohen. Der Staat behebt nicht die Ursachen der Dauerkrise. Die Geldhäuser behandeln bestimmte Familien und Freunde anders mit besseren Konditionen. Vielleicht ist das ein Überbleibsel der Vergangenheit (Stadtstaaten Venedig, Mailand, Florenz, Siena). Es entwickeln sich kleine Do-ut-Des-Ökonomien (Geben und Nehmen). Die Corona-Krise wirft Italien zurück. Man sehnt sich nach der Unterstützung der EU, lehnt sie aber zugleich ab (weil keine Euro-Bonds). Italien nähert sich der Insolvenz (trotz monetärem Backstop; Verschuldung 2021 170%). Italien ist zu groß, um pleite zu gehen und zu groß, um gerettet zu werden. Das Land selbst könnte den Euro verlassen, wenn eine Transferunion nicht kommt. Aus dem Rettungspaket der EU-Kommission, das 750 Mrd. € umfassen soll, soll Italien den höchsten Anteil erhalten (170 Mrd. €). Die EU-Gelder wecken Begehrlichkeiten. Es beginnt in Italien eine Diskussion über die Verwendung. Eigentlich sind sie für Investitionen vorgesehen. Italien leidet 2020 auch besonders unter dem Rückgang des Tourismus wegen Corona (-80%). Er macht 18% des BIP aus.  Im August 2020 legt die Regierung ein 25 Mrd. € Paket auf. Es soll die Konjunktur der geschwächten Wirtschaft anregen. Außerdem bekommt Italien zusammen mit Spanien den größten Betrag aus dem EU-Programm. Es entstehen schon wieder Träume über die Verwendung der Gelder. So soll sogar eine alte Idee von Berlusconi wieder ausgegraben werden, nämlich eine Brücke zwischen dem Festland und Sizilien. Bei den Regionalwahlen im September 2020 erleiden die Rechten Rückschläge. Im Januar 2021 bricht die Regierungskoalition auseinander. Das Parlament spricht Conte dann noch mal das Vertrauen aus. Er reicht dann wieder den Rücktritt ein. Mario Draghi soll jetzt die Regierung bilden. Er tritt mit einem Experten-Kabinett an. Zuerst ist Draghi sehr erfolgreich. Im Juli 2022 will Mario Draghi zurücktreten. Staatspräsident Mattarella lehnt die Demission ab. Eine spätere Vertrauensabstimmung im Senat verliert Draghi. Die Regierung steht vor dem Aus. Im September (25.) gibt es eine Neuwahl. Favoritin ist Giorgia Meloni. Sie führt die postfaschistische Fratelli d`Italia (manche sprechen auch von neofaschistisch). Sie könnte die erste weibliche Ministerpräsidentin werden. Sie hat sich in jahrzehntelangem Training zu einer geschickten Populistin entwickelt. Sie bekämpft die EU und verabscheut Deutschland. Sie gewinnt die Wahl am 25.9.22 mit den Brüdern Italiens mit über 40%. Die Rechten haben insgesamt die Mehrheit. Damit wird sie sicher nächste Ministerpräsidentin. Der Euro fällt sofort und die EU dürfte Probleme bekommen. Die Zusammenarbeit in der EU wird schwieriger. Andererseits verleiht die starke Mehrheit Stabilität. Vgl. Wettach, Silke: "Die starke Mehrheit verleiht Stabilität", in: WiWo 40/ 30.9.22, S. 36f. Auch: Leverano De Adriano/ Heinemann, Friedrich: Wahl in Italien: Bewährungsprobe für die EU -Goverance, in: Wirtschaftsdienst H. 10/ 2022, S. 738-739. Giorgia Meloni wird Italiens erste Regierungschefin. Die Italiener haben wohl kein negatives Bild vom Faschismus. Der Handlungsspielraum der neuen Regierung ist relativ gering: Der Schuldenberg liegt im Oktober 22 bei 2700 Mrd. €. Vgl. Aldo Cazullo, in Die Rheinpfalz 29.10.22, S. 3. Die erste Auslandsreise führt Meloni nach Brüssel (Charmeoffensive für Geld). Enthüllungen zur rechten Vergangenheit mehrerer Staatssekretäre lassen die Skepsis gegenüber Rom wachsen. 2023 hat Meloni ein Glaubwürdigkeitsproblem. Sie lässt die staatliche Unterstützung für die Energiepreise auslaufen (entgegen von Versprechen). Die Preise steigen sofort stark an. Man bemüht sich um Lieferungen aus Nord-Afrika (Algerien wird wichtigster Lieferant). Anfang Februar macht  Meloni ihren Antrittsbesuch in Berlin. Hauptthemen sind die Flüchtlinge und der Ukraine-Krieg. Im Februar 2023 stoppt Meloni den Bonus-Wahnsinn. Es ist Schluss für die italienischen Immobilienbesitzer, die bisher auf Staatskosten ihr Haus sanierten. Sie bringt damit die Bauindustrie gegen sich auf. Meloni will auch das Regierungssystem in Italien beständiger machen. Sie will das Staatsoberhaupt direkt vom Volk wählen lassen. Eventuell will sie das Projekt mit einem Referendum durchsetzen. 2023 spart die Regierung massiv bei der Sozialhilfe. 2023 greift die Regierung immer stärker in die Wirtschaft ein. 160 Mrd. € an Krediten und Unternehmensbeteiligungen hat die staatliche Förderbank Cassa Depositi e Prestiti. Im Ausland tritt Meloni moderat auf. Bei den Flüchtlingen auf Lampedusa verlangt sie Hilfe der EU. 2020 führte Italien den Superbonus ein, um Gebäude energetisch zu sanieren. Das kurbelte das Wachstum an, drückt aber massiv auf den Staatshaushalt. In Südtirol kommt im Januar 24 eine Zeitenwende:  In der autonome Provinz geht die Dauerregierungspartei SVP ein Bündnis mit gleich drei Rechtsparteien ein. Im März 2024 erschüttert eine Spionage-Affäre das Land. Ein Offizier der DNA hatte Hunderte Prominente ausspioniert. Mit milliardenschweren EU-Programmen will Italien den Süden stärken. Ökonomen vermissen eine Strategie und Kontrollen. Vgl. NZZ 6. 3.24, S. 20. 2024 will Meloni durchregieren. Sie will eine Verfassungsreform, die die Direktwahl des Regierungsoberhaupts vorsieht. Dafür braucht sie wohl ein Referendum. Bei den Konzessionen für die privat betriebenen Strandbäder erzielt man 2024 einen Kompromiss mit der EU: Die Konzessionen müssen erst in drei Jahren ausgeschrieben werden. Bei der Vergabe von Bauarbeiten für das Heilige Jahr in Rom wurden wohl EU-Gelder abgezweigt.   Unter den dicht besiedelten Phlegrärischen Feldern bei Neapel droht ab Ende 23 ein Super-Vulkanausbruch. Die größte Stadt auf dem Vulkan ist Pozzuoli.

Exkurs. Einwanderung aus Südamerika (Remigration): Zehntausende Südamerikaner streben ab 2023 die italienische Staatsbürgerschaft an. Die Behörden sind total überlastet.  dei Menschen kommen aus Brasilien, Argentinien und Venezuela. "Italienischstämmig" ist das Zauberwort. Es gilt das Recht des Blutes (ius sanguinis). Die zentrale Frage ist, wie verdünnt das Blut sein darf (seit der Einigung 1861 haben 32 Menschen das Land verlassen). Eigentlich wollen die Menschen einen EU-Pass. Sie können sich dann frei in der EU bewegen. .

Frankreich: Im April 2018 kommt ein Gesetzentwurf zum Umbau der Berufsausbildung und der Arbeitslosenversicherung. Im 1. Quartal 2018 steigt die Arbeitslosigkeit überraschend auf 9,2%. Die Arbeitsmarktreform wird aber durchgesetzt nach Protesten und Streiks. Es wird auch eine Bahnreform verabschiedet. Paris entwickelt sich zum attraktivsten Standort in Europa. Die Arbeitsmarktreform besteht aus folgenden Elementen: 1. Flexibilität (mehr möglich vor allem bei kleinbetrieben). 2. Abfindungen (steigen). 3. Kündigungsschutz (Erleichterung bei betriebsbedingten Kündigungen bei Multis). 4. Betriebsräte (nur ein Betriebsrat bei Unternehmen ab 50 Beschäftigten). Die Franzosen proben Ende 2018 den Aufstand. Die Menschen demonstrieren gegen die Erhöhung der Steuern und die hohen Benzinpreise. Eigentlich ist Präsident Macron gemeint, der immer unpopulärer wird. Besonders umstritten ist die Einführung einer Ökosteuer, die Benzin verteuert. Nach Ausschreitungen der "Gelbwesten" Anfang Dezember 2018 setzt Macron eher auf Gespräche als den Ausnahmezustand zu verhängen. Steuerentlastungen werden in Aussicht gestellt. Die geplanten Steuererhöhungen werden ausgesetzt. Macron erwägt sogar finanzielle Zugeständnisse, um die Gelbwesten zu beruhigen (soziale Maßnahmen). Dei geplante Rentenreform könnte die nächste Protestwelle der Gelbwesten auslösen. Es geht vor allem um den Abbau von Privilegien (Lehrer: Berechnung der Rente nach dem letzten Gehalt, Lehrer sind schlecht bezahlt, dürfen aber mit 62 in Rente; Rente nach eingezahlten Beiträgen insgesamt; schlechte Lage des Personals im Gesundheitsbereich). Die Arbeitsmarktreform zeigt 2019 zunehmend Erfolge: Lehrlinge können ohne Begründung entlassen werden. Es gibt viel mehr Lehrstellen. Das Wirtschaftswachstum ist 2018 (1,7%) und 2019 (1,2% geschätzt) höher als in Deutschland. Im Dezember 2019 kommt es zu einem Generalstreik: Das Renteneintrittsalter von 62 soll nicht angetastet werden (aber einheitlich, bei Bahn 55); aber es sollen Abschläge kommen. Der Arbeitsmarkt in Frankreich krankt unter dem starken Rückgang der Industrie. Der Industriesektor betrug 2019 nur noch 13,5% (Deutschland 24,3%, EU 19,7%). Im Oktober 2021 legt das Land einen Investitionsplan von 30 Mrd. € auf. Das dürfte auch dem Wahlkampf geschuldet sein. Bei der Präsidentenwahl am 10. April 2022 liegt Macron (fast 29%) vor LePen (23%). Eine Stichwahl muss entscheiden. Diese findet am 24. April statt. Le Pen  will Rüstungsprojekte mit Deutschland beenden. Wenn sie gewinnt, kann die EU einpacken. Macron gewinnt die Wahl mit 58,8%. Der Ausgang ist knapper als vor 5 Jahren (LePen konnte fast acht Prozentpunkte gegenüber der letzten Wahl zulegen) . Macron räumt ein, dass er auch von denen gewählt wurde, die LePen verhindern wollten.  Im Juni 2022 finden Parlamentswahlen statt. Macron wird vor allem in den Städten und von gebildeten Menschen gewählt. Das linke Lager verbündet sich gegen Macron. Premierministerin wird Elisabeth Borne, die erste Frau seit 31 Jahren. Sie war bisher Arbeitsministerin. Sie soll für eine neue Politik stehen: klimafreundlich und weniger hierarchisch. Außenministerin wird Catherine Colonna (zuletzt Botschafterin in London). Bei den Parlamentswahlen steuert das Lager von Macron auf eine klare Mehrheit hin. Es droht allerdings der Verlust der absoluten Mehrheit. So kommt es dann auch. Das ist ein schwerer Schlag für Macron. Er ist geschwächt. Der rechte und linke Rand sind erstarkt. Neue Europaministerin wird Laurence Boone, vorher Chefökonomin der OECD. Im Herbst 2022 zeigen sich Differenzen zwischen Macron und Scholz. Das traditionelle Ministertreffen wird verschoben. Bei einem Besuch in Paris Ende Oktober 2022 versucht Scholz, die Wogen zu glätten. Im sommer 2023 gibt es starke Unruhen in Frankreich von Jugendlichen (nach einer Verkehrskontrolle in Nanterre mit tödlichem Ausgang). Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit haben in Frankreich Tradition. Mit falscher Adresse oder einem arabischen Namen sinken die Jobchancen rapide. So schnell ist die Gewalt in den Banlieues noch nie eskaliert. Die Armutsquoten in den Vororten von Paris ist sehr hoch (42% bis 15%). 2023 setzt Frankreich erstmals seit Jahren den Rotstift an. Es gibt einen Haushaltsentwurf "Haushalt des grünen Schuldenabbaus". Frankreichs Polizisten begehren auf. Sie wollen nicht länger den Sündenbock spielen. Edouard Philippe, einst Premierminister unter Macron, ist der beliebteste Politiker des Landes. Er ist Bürgermeister von Le Havre. Im Oktober treffen sich das deutsche und das französische Kabinett erstmals zwei Tage in Hamburg. Es ist ein Bemühen um Schulterschluss. In Frankreich leben so viele Juden und Muslime wie sonst nirgends in Westeuropa. Das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 hat das Land gespalten.  Seit Monaten wird über ein neues Migrationsgesetz debattiert. Die Pläne stoßen in der Nationalversammlung auf Ablehnung. Macron und Innenminister Darmanin sind in einer schwierigen Lage. 2023 bleiben sich Frankreich und Deutschland in der Außenpolitik merkwürdig fremd. Macron und Scholz scheinen sich nicht optimal zu verstehen. Im Januar 2024 bekommt Franreich einen neuen Premierminister: Es ist Gabriel Attal, erst 34 Jahre alt (vorher Bildungsminister).  Er soll Macron im Olympiajahr retten. Rachida Dati, Ikone der französischen Rechten, wird Kultusministerin im neuen Kabinett. Gegen sie wird noch wegen Korruptionsvorwürfen ermittelt. Sie war schon mal Justizministerin unter Sarkozy. Macron ruft auch nach Recht und Ordnung. Er sucht in einem Rechtsruck seine politische Rettung. Der Verfassungsrat stutzt im Januar 24 das neue Gesetz zur Einwanderung. Wütende Landwirte legen die Hauptstadt Paris lahm. Frankreich lehnt wegen seiner Bauern auch das Mercosur - Abkommen ab. Im Februar 24 fordert Macron den Einsatz von Nato-Bodentruppen in der Ukraine. Er untergräbt damit die europäische Geschlossenheit. Die russische Propaganda schlachtet die Dissonanzen aus. In Frankreich wählt dei Prvinz rechts, die Metropole links. Es ist ein neuer Klassenkonflikt entstanden. Der Ökonom Thomas Piketty warnt vor einer Spaltung der Gesellschaft, in: Die Zeit 12/ 14.3.24, S. 22. 2024 ist Frankreich das neue finanzpolitische Sorgenkind in Europa. Die Einhaltung der Maastricht-Kriterien ist wegen eines Milliardenlochs im Staatshaushalt nichts als Wunschdenken. 50 Mrd. € sind für Schuldzinsen fällig. Sogar eine Sondersteuer ist angedacht.  Der 28-jährige Chef des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, liegt in allen Umfragen für die Europawahl auf Platz eins. Das soll nur die erste Etappe auf dem Weg zur Macht sein. Im Mai 2024 besucht Chinas Präsident Xi Jinping Frankreich (Staatsbesuch, letzter 2019). Es geht um den Dissens im Ukraine-Krieg und um den Vorwurf unlauterer Handelsmethoden. Ende Mai 24 kommt Macron zu einem Staatsbesuch nach Deutschland (erster seit 24 Jahren). Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind nicht die besten. Man sucht nach Gemeinsamkeiten. Die EU soll erneuert werden, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Nach der Europawahl 2024, bei der die Rechten in Frankreich gewinnen, löst Macron das Parlament auf und verkündet Neuwahlen für Juli 24. Damit verunsichert er die Märkte.  Frankreich bekommt im Juni 24 einen Mahnbrief aus Brüssel (das Land sitzt auf einem riesigen Schuldenberg). Das Defizitverfahren könnte den Rechten in Frankreich Auftrieb geben. Bei der Parlamentswahl erzielen die Rechtspopulisten 34%, das linke Bündnis 29%, das Macron-Lager 20%. Bei der Stichwahl am 7.7.24, bei der der Großteil der Sitze vergeben wird,  wollen das Macron-Lager und das linke Bündnis kooperieren. Prognosen sehen einen Sieg des rechtsnationalen Rassemblement National voraus. Sie wollen weniger EU und Unterstützung für  die Ukraine. Im Hintergrund der Wahl zieht der Medien-Mogul Vincent Bollore` die Strippen. Die Linken gewinnen die meisten Wahlkreise vor dem Macron-Lager und den Rechten. Die Regierungsbildung dürfte schwierig werden. Es droht eine Blockade (Spaltung der Nationalversammlung in große Blöcke, die wenig miteinander gemein haben). Im Juli 2024 nimmt Macron den Rücktritt der Regierung an. Das Linksbündnis (NFP) einigt sich auf eine Kandidatin: Lucie Castets.  Macron zögert auch im August 24 noch die Regierungsbildung hinaus. Er sieht die "institutionelle Stabilität" in Gefahr. Im September 2024 beruft Macron Barnier zum neuen Premier. Er wurde als Chefunterhändler der EU beim Brexit bekannt. Er sucht noch Kabinettsmitglieder aus dem linken Lager. Doch das links-grüne Bündnis kann nur wenige Minister und Staatssekretäre stellen. Damit rückt die Regierung nach rechts. Der Finanzminister Armond und der Budgetminister Saint-Martin haben die schwierigste Aufgabe. Sie müssen den Schuldenberg bewältigen (110,6%).  Die Corona-Krise führt 2020 zu 10 Mio. Kurzarbeitern in Frankreich. Die Verwaltungshochschule ENA soll ab 2021 abgewickelt werden. Es war die Kaderhochschule des Landes. Geht es um die Durchlässigkeit des Hochschulsystems oder um die Präsidentschaftswahlen?

Niederlande: 2023 zerbricht die Koalitionsregierung unter Mark Rutte im Streit über die Migrationspolitik (Familiennachzug). Man ist sich aber auch in der Vierer-Koalition nicht einig über Wohnungsnot, Energiewende und Klimapolitik. Neuwahlen gibt es frühestens im November 2023. Mark Rutte will sich dann aus der Politik zurückziehen nach 13 Jahren. Timmermanns, der EU - Kommissionsvize, will Premier werden. Die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders bekommt jedoch in der Parlamentswahl die meisten Stimmen. Es folgen VVD (bürgerlich-konservativ) und Groenlinks/ PvdA. Wilders könnte Premier werden, wenn er eine Koalition zustande bringt. Er galt lange eher als Schmuddelkind: zu laut, zu schrill, zu extrem. Vgl. Der Spiegel 48/ 25.11.23, S. 86f. Im März 2024 verzichtet Wilders aufs Premiers - Amt. Die Regierung bilden 4 Parteien. Dick Schoof, der frühere Chef des Geheimdienstes, soll neuer Premier werden. Die neue Regierung nimmt Anfang Juli 24 ihre Arbeit auf. Es ist ein Kurswechsel in den Niederlanden.

Spanien: Im Juli 2023 wird in Spanien vorgezogen gewählt. Die konservative Volkspartei PP von Oppositionsführer Nunez Feijoo gewinnt die Wahl. Sie verpasst aber die absolute Mehrheit. Spanien ist 2023 der positive Ausreißer bei der Wirtschaft in Europa. Dei Inflation liegt unter 2% und die Wachstumsprognose für 2023 liegt bei 2,2%. Der Sozialist Sanchez kann erneut eine Regierung bilden. Seine Mehrheit erkauft er sich unter anderem durch eine Amnestie für inhaftierte Befürworter der Unabhängigkeit Kataloniens. Im April 2024 erwägt Sanchez seinen Rücktritt. Es gibt Korruptionsvorwürfe gegen seine Ehefrau. Allerdings werden die von der rechtsgerichteten Gruppe "Manos Limpios" (Saubere Hände) erhoben. Es ist wohl eine mediale Schlammschlacht rechter Kreise. Es gibt einen Rücktritt vom Rücktritt, Sanchez bleibt.

Portugal: In der Parlamentswahl 2024 erleidet dei linke eine deutliche Schlappe. Stark werden die Rechtspopulisten von Chega. Einen hauchdünnen Sieg erreicht das konservative Wahlbündnis "Demokratische Allianz" (AD). Nun macht sich Unsicherheit breit, weil stabile politische Mehrheiten für eine neue Regierung nicht in Sicht sind. Portugal bekommt wohl eine konservative Minderheitsregierung, gestützt von den abgewählten Sozialisten. Investoren setzen darauf, dass Lissabon seinen Kurs beibehält.

Die skandinavischen Mitgliedsländer: Dänemark, Finnland, Schweden. Norwegen ist nicht in der EU, aber in der Nato. Finnland und Schweden, die einen Neutralitätsstatus haben, sind für einen schnellen Beitritt in die Nato. Auslöser ist der Angriff Russlands auf die Ukraine, die einen Quasi-Neutralitätsstatus hatte und seine Atomwaffen abgegeben hatte. In Schweden bei den Wahlen 2022 ist das rechte Lager knapp vorn. Ein Rechtsdruck steht in jedem Falle bevor. Es wird wohl eine restriktivere Asylpolitik kommen. Finnland kann der Nato beitreten. Finnland ist das 31. Mitgliedsland.  Bei der Wahl zum Parlament werden die Sozialdemokraten (Sanna Marin) abgestraft. Es gewinnen die rechten Parteien. Orpo könnte neuer Regierungschef werden. Schweden muss mit dem Nato-Beitritt noch warten (bis nach dem Wahlkampf in der Türkei?). Koran-Verbrennungen in Stockholm verärgern die Türkei weiter. Im November 2023 schließt Finnland  die Grenzen zu Russland. Dänemark bekommt im Januar 2024 ein neues Königspaar. 2017 führte Schweden die Wehrpflicht wieder ein, die seither für Männer und Frauen gilt. Könnte das schwedische Modell den Personalmangel bei der Bundeswehr lösen?  Das türkische Parlament stimmt am 23.01.24 dem Nato-Beitritt Schwedens zu. Jetzt fehlt noch die Zustimmung Ungarns. Orban verspricht die Kehrtwende, weil er Angst vor Isolation hat. 2024 liefert Schweden mehr Waffen denn je an dei Ukraine: Kampfboote, Unterwasserwaffen und moderne Panzer. Alexander Stubb wird im Februar 2024 Finnlands neuer Präsident. Der Pro-Europäer ist entschiedener Unterstützer der Ukraine. Er muss das Land einen.

Zypern: Ohne Zwangsabgabe der Troika dürfte es nicht gehen, da viele russische Steuerflüchtlinge ihr Schwarzgeld dort lagern (Bankenmodell mit hohen Guthabenzinsen lockt Kapital an; durch den Schuldenschnitt in Griechenland verloren Zyperns Banken 4,7 Mrd. €). Die Republik Zypern hat durch ihren großen Bankensektor und attraktive Konditionen eine hohe Anziehungskraft.  Trotz der Niedrigzinspolitik der EZB werden im Schnitt dreimal so hohe Zinsen auf Guthaben geboten als andere Banken (über 4%). Der Körperschaftsteuersatz in Zypern liegt bei lediglich 10% (Deutschland 25%). Deshalb haben viele Kapitalgesellschaften ihren Sitz in Zypern. Unter anderem der russische Multi Norilsk Nickel (weltgrößte Nickelfirma). Mindestens ein Drittel aller Bankguthaben von 68 Mrd. € halten Ausländer. Russische Anleger sollen allein 20 Mrd. € in Zypern geparkt haben. In Zypern gibt es kaum Bankaktionäre und -investoren. Die Banken finanzieren sich hauptsächlich über die Einlagen der Kunden. Die Banken steuern 40% zum BIP bei. Zypern könnte riesige Erdgasvorkommen auf seinem Hoheitsgebiet im Mittelmeer erschließen. Um die ca. 6 Mrd. Euro selbst aufzubringen (10 Mrd. will die EU geben), soll ein Fonds eingerichtet werden mit der Aussicht auf die Erdgasvorkommen. Vermögen (der Kirche und des Staates) müssen als Sicherheit hinterlegt werden. Die Zwangsabgabe soll nur hohe Einkommen ab 100.000 € evtl. treffen (nach Angaben der EZB kommen 85% der Einlagen über 100.000 € aus Nicht-EU-Ländern).  Die zweitgrößte Bank des Landes (hier sind vor allem russische Anlagen) soll aufgelöst werden. Seit Jahren sinkt die Wettbewerbsfähigkeit im Land. Die Lohnstückkosten liegen in ihrem Anstieg weit über dem Durchschnitt der EU. Es fehlt noch ab Rohstoffen und Alternativen zum Bankensektor als Wirtschaftszweig. Die Türkei boykotiert zum Teil Unternehmen, die mit Nikosia Geschäfte machen. Man einigt sich am 24.03.13, dass Zypern das Rettungspaket bekommt. Die zwei größten Banken werden umstrukturiert (Laiki als zweitgrößte Bank abgewickelt, Bank of Cyprus wird in eine Bad Bank und Normalteil geteilt). Anleger über 100.000 € müssen auf große Teile verzichten (bis 40%?). Kapitalverkehrskontrollen verhindern Abflüsse. Viele Arbeitsplätze bei den Banken gehen verloren. Damit scheinen die Bedingungen der Troika erfüllt (Verkleinerung des Bankensektors, Transparenz im Finanzbereich, Ende des Steuerdumpings, Beitrag der Profiteure des Geschäftsmodells). In Zypern droht eine Rezession zu kommen mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit (ökonomischer Schock). Russland ist bereit, einen Kredit von 2,5 Mrd. € zu geben zu möglichst guten Bedingungen. Viele Zyprioten haben offenbar schon vor der Krise ihr Geld ins Ausland gebracht. Die Banken öffnen erst am Donnerstag, den 28.03.13. Als Summe umfasst das Rettungspaket für Zypern 1 Mrd. € vom IWF, 9 Mrd. € vom ESM (EU) und nach Auflagen muss Zypern selbst 13 Mrd. € aufbringen (Steuern erhöhen, Renten und Löhne senken, Staatsbetriebe privatisieren, Bankensystem verkleinern). Experten bezweifeln den Realismus des Programms. Mitte September wird die nächste Kreditrate in Höhe von 1,5 Mrd. € von den Euro-Ländern zur Verfügung gestellt. Im Februar 2014 sieht die Troika Zypern auf einem guten Weg, so dass der Auszahlung einer weiteren Kreditrate von 236 Mio. € nichts im Wege steht. Der Ex-Zentralbank-Chef muss 2014 wegen Steuerhinterziehung in Haft. 2015 kommt die Inselrepublik schneller als erwartet wieder auf die Beine. Die Bürger ertragen das Sparprogramm mit Geduld. Nach einem dreijährigen Reformprogramm verlässt Zypern im April 2016 den Eurorettungsschirm ESM. Seit der Teilung Zyperns vor 42 Jahren ist 2016 die Aussicht auf eine Einigung Zyperns so groß wie nie vorher. Eine Föderation soll den Graben zwischen Türken und Griechen schließen. 2017 ist klar: Zypern bleibt eine geteilte Insel. Die Verhandlungen scheitern am Streit über türkische Besatzungstruppen. Im Juli 2017 gibt es Streit um Erdgas vor der Insel. 2016 und 2017 lässt Zypern die Krise hinter sich. Es gibt ein Rekordwachstum. Die politische Stabilität ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Wegen Bohrungen vor der Insel durch die Türkei kommt es zu einem Konflikt und Sanktionen der EU. Bei der Präsidentenwahl im türkischen Teil der Insel siegt der Nationalist Ersin Tatar. Er hatte ein lange gesperrtes Gebiet im Niemandsland wieder geöffnet. Er arbeitet eng mit Erdogan zusammen. Eine Wiedervereinigung rückt in weite Ferne. Nationalistische Zyperntürken sabotieren im August 2023 einen neuen Anlauf zur Wiedervereinigung. Die neue UN-Gesandte Maria Angela Holguin nimmt Ende Januar 24 ihre Arbeit auf. Sie will einen neuen Anlauf für die Vereinigung starten. Doch die Menschen haben sich mit der Teilung arrangiert. 2024 könnte Zypern zwischen die Fronten geraten. Wenn es zu einem Krieg zwischen der Hisbollah im Libanon und Israel kommt,  könnte Zypern mit hinein gezogen werden. Auf Zypern befinden sich 2 Militärbasen (GB, USA). soweit kommt es aber nicht. Zypern kann der Trockenheit die Stirn bieten. Man kämpft mit Entsalzungsanlagen gegen Wasserknappheit. 75% können so gedeckt werden. Die Tourismuswirtschaft trägt ein Fünftel zum BIP bei. Vgl. Die Rheinpfalz 26.10.24, S. 1.  "Wir haben keine Schlacht gewonnen, aber wirklich einen katastrophalen Austritt aus der Euro-Zone vermieden", Michalis Sarris, Zyperns Finanzminister.

EU-Beschlüsse und Ökonomen in Deutschland: Die Ökonomen in Deutschland streiten über die EU-Beschlüsse der Bundesregierung und Lösung der Krise insgesamt ("Ökonomen-Streit"). 200 Ökonomen unterschreiben einen eurokritischen Aufruf. Der doch sehr nationale Unterton ist störend. Eine Bankenunion wurde auch noch nicht beschlossen. Die Kritik von ausländischen Ökonomen an dem Aufruf ist groß (fehlendes Verständnis der Funktionsweise von Banken, Sprache). Mittlerweile gibt es Aufrufe, die sich als Kompromiss verstehen. Eigentlich sind populäre Erklärungen nicht Aufgabe von Professoren. Sie sollten besser fruchtbare Analysen liefern. Einige deutsche Ökonomen kritisieren auch die Analyse von EU-Kommissar Barnier im November 2012, das Schlimmste in der EU sei vorüber. Sie gehen von einer weiteren Verschärfung der Schuldenkrise aus. 2013 bildet sich die "Initiative für Deutschland", jetzt "Alternative für Deutschland" (AfD). Ihr gehören viele Ökonomen an (Stefan Homburg, Joachim Starbatty, Bernd Lucke). Sie geht davon aus, dass sich die einheitliche Währung nicht bewährt hat. Empfohlen wird die Rückkehr zur nationalen Währung als Parallelwährung. Im Juni 2018 gibt es einen Aufruf von 154 Ökonomen. Es ist die Warnung vor einer europäischen Haftungsunion. "Unsere Kinder werden gezwungen sein, in den Süden Europas zu gehen um sich unser Geld zurückzuholen", Prof. Dr. H. - W. Sinn, Ifo-Institut, München, 2012 vor dem Bundesverfassungsgericht (zusammen mit Prof. Dr. Walter Krämer, Dortmund, Initiator des Ökonomenschreibens).

Europäische Bankenaufsicht: Seit 2011 gibt es drei zentrale Finanzaufsichtsbehörden. Die Eba, die in London sitzt, ist die Bankenaufsichtsbehörde (ihr sollen alle Banken unterstellt werden, wird nicht umgesetzt, nur große Banken, siehe oben). In Deutschland sind ca. 40 Banken davon betroffen. Die Esma, die ihren Sitz in Paris hat, ist die Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde. Sie kümmert sich vor allem um die Regulierung der Ratingagenturen. Die Celops in Frankfurt beschäftigt sich mit dem Versicherungswesen (höhere Eigenkapitalanforderungen). Die zentrale Bankenaufsicht sollte zur EZB nach Frankfurt (seit 2014). Ca. 6000 Banken würden beaufsichtigt. Für die Sparkassen und VR-Banken bzw. andere kleine Banken bleibt die BaFin zuständig. Der Zeitplan ist hauptsächlich zwischen Deutschland und Frankreich umstritten (wichtig, weil die Geschäftsbanken dann direkt an den ESM können). Bis Ende 2013 bzw. ab 2014 soll die Bankenaufsicht eingerichtet sein (ab dann kann der ESM Kreditinstitute unterstützen). Bei der EZB gibt es ein eigenes Aufsichtsgremium, das von den Regierungen ernannt wird. Dies ist der erste Schritt in eine europäische Bankenunion. Die EU-Finanzminister beschließen im Oktober 2013, dass die Bankenaufsicht Ende 2014 kommt. Die Bankenkrise in Zypern hätte so verhindert werden können. Die Krisenländer brauchen neue Geldquellen und wollen die Lasten am liebsten "vergemeinschaften". Banken müssen für Staatsanleihen, die sie besitzen, kein Eigenkapital zurücklegen. Dieses Risiko von Staatsschulden müsste auch angemessen berücksichtigt werden. Die EU stellt Österreich 2013 ein Ultimatum: Es soll sich von seinen Problembanken trennen. Ab 2014 werden die Bonuszahlungen von Bankern in der EU begrenzt. Der Jahresbonus darf das Festgehalt eines Jahres nicht übersteigen. Deutschland will erreichen, dass im Pleitefall von Banken auch Spargutgaben herangezogen werden (Vertragsänderung). Es soll einen Informationsaustausch über Steuerhinterzieher geben. Der reine Sparbereich der Banken soll von dem Spekulationsbereich (Investment) klar getrennt werden, damit die Sparguthaben in Zukunft sicher sind. Dazu wird ein Gesetz (Trennbankengesetz, "Bankentestament") beschlossen. Vorerst gilt dieses Gesetz nur in Deutschland und Frankreich. Noch 2013 soll das Bankgeheimnis gelüftet werden. Luxemburg will erst der Schweiz folgen. Umstritten ist in der EU 2013 wer beim Abwickeln und Sanieren großer Geldhäuser die Regie führen soll: ein zentraler europäischer Abwicklungsmechanismus bei der EZB (neben der Bankenaufsicht) oder ein mehr national orientiertes Gremium. 2013 konkretisiert die EU-Kommission Pläne, Schattenbanken besser zu kontrollieren. Der Aktionsplan wird auf dem G20-Gipfel in St. Petersburg vorgestellt. Im Herbst 2013 beginnt die EZB mit ihrem Banken-TÜV. Die Bilanzen von 128 Banken werden geprüft. Transparenz sei das vorrangige Ziel. Am 18.12.13 soll eine Konzeption verabschiedet werden. Das letzte Wort über die Schließung einer Bank haben die Mitgliedsstaaten. Nicht alle 6000 Euro-Zonenbanken fallen unter die Kompetenz der Agentur. Es gibt einen gemeinsamen Abwicklungsfonds (50 bis 55 Mrd. Euro zahlen die Banken ein). 2014 wird das Gesetzespaket "Mifid" beschlossen (gegen Finanz-Zockerei). Es tritt ab 2017 in Kraft. Kernstück ist die Schaffung einer neuen Marktform an den Finanzmärkten. Die krasse Trennung zwischen Börsengeschäften (Aktien, Wertpapiere) und Trading floors (Termingeschäfte, Handel zwischen Finanzhäusern) soll aufgehoben werden. Es soll normale Informations- und Transparenzpflicht gelten. Über Risiko und Kundeneignung muss genau informiert werden. Ende 2018 läuft die Amtszeit von Europas oberster Bankenaufseherin Daniele Nouy ab. Nachfolgerin könnte Sharon Donnery, bisher Vizegouverneurin der irischen Notenbank, werden. Es wird dann 2019 Andrea Enria bei der zentralen Bankenaufsicht bei der EZB. Vorher war er bei der Eba in London. Er fordert 2020 von europas Banken eine zügige Aufräumzeit in den Bilanzen und zeigt Sympathien für grenzüberschreitende Fusionen. Er fürchtet eine Welle fauler Kredite und bezweifelt das Geschäftsmodell vieler Banken. Vg. Interview im Handelsblatt , Nr. 197, 12.10.20, S. 4f.  "Die Bank muss Diener der Realwirtschaft sein. Banken sind dazu da, die regionale Realwirtschaft zu unterstützen. Und nicht dazu, um mit einer Tochtergesellschaft in Irland mit Zertifikaten zu handeln", Götz Werner, dm. Europas oberster Bankenaufseher Andrea Enria befeuert im Dezember 2020 die Debatte über eine Bankenkrise in der EU nach Corona.

Bankenkrise in der EU: Inhaber von Anleihen insolventer Banken werden auf Kosten des Steuerzahlers gestützt. Für die Rettungspakete fallen hohe Zinsen an, die die Wettbewerbsfähigkeit der schwächeren Länder weiter verschlechtern. Das Zinsgefälle war vorher viel zu niedrig, was in den schwächeren Volkswirtschaften zu einem Immobilienboom führte. Die Kreditinstitute konnten nach der Euroeinführung ihre Bestände an Staatsanleihen bei der EZB refinanzieren. Sie galten als risikolose Anlage. Die Banken in der EU tragen eine große Mitschuld an der Krise des Euro. Das liegt auch daran, dass es 17 Bankenaufsichten in Euroland gibt. Wünschenswert wäre eine zentrale Stelle für die Aufsicht über die Kreditvergabe. Nach Ansicht einiger Experten wird die Kreditschöpfung der Bundesbank durch EZB-Darlehen an Krisenländer immer weiter verdrängt. Eine massive Verzerrung der Geldschöpfung in der Euro-Zone sei die Folge. Vgl. Sinn, H.-W./ Wollmershäuser T.: Target-Kredite, Leistungsbilanzsalden und Rettungsschirm der EZB, Ifo-Arbeitspapier 105, Juni 2010. Weltweit gibt es 2011 eine Furcht vor der Banken-Pleite. Indikator ist der Bankenindex DJ-Stoxx-600-Banken. Er fällt im August 2011 auf 135,27. Mittlerweile seit Anfang 2011 gibt es eine Europäische Bankenaufsicht (EBA). 2011 warnt der IWF vor einem riesigen Kapitalloch bei den europäischen Banken (bis zu 200 Mrd. € frische Mittel). Er fordert Zwangs-Hilfen. Die amerikanische Regierung verklagt die größten Banken und auch einige ausländische Banken (u. a. Deutsche Bank), weil sie hochriskante Wertpapiere an die US-Hypothekenbanken verkauft haben. Wäre dies auch eine europäische Möglichkeit? Im Herbst 2011 kommt der Geldfluss zwischen den Finanzinstituten zum erliegen. Es entsteht große Unruhe, weil ein neuer Fall "Lehman" befürchtet wird. Die Rating - Agentur Moody`s stuft zwei französische Banken herab. Die Deutsche Bank wird neben Goldman Sachs als eine der Hauptschuldigen an der amerikanischen Immobilienkrise von der US-Regierung gesehen. Die UBS erleidet Milliardenverlust durch einen Investmentbanker. Im Oktober 11 gerät die französisch-belgische Dexia ins Straucheln. Bei der EZB ist auch ein Europäischer Risikorat (ESRB) angesiedelt. Er kann Warnungen und Empfehlungen aussprechen. Im Oktober 2011 legt die EZB ein Hilfsprogramm für Banken auf. Es handelt sich um ein 40 Mrd. € schweres Ankaufsprogramm für Pfandbriefe und andere gedeckte Anleihen. Im Oktober 2011 stuft die Rating - Agentur Moddy´s britische und portugiesische Banken herab. Der Kapitalbedarf europäischer Banken wird Ende 2011 auf mindestens 100 Mrd. € geschätzt. Weltbank-Chef Zoellik bemängelt das Fehlen eines Konzeptes und spricht von "Durchwursteln", um Zeit zu gewinnen. Im Oktober 2011 legt die EU-Kommission einen Bankenrettungsplan vor: vorübergehend höhere Kapitalquote. Die großen Banken müssen ihr Eigenkapital erhöhen (bis Juni 2012 auf 9%). Die gesamte Rekapitalisierungsquote liegt bei 106 Mrd. €. Auch auf der G20-Sitzung im November 2011 wird eine höhere Kapitalisierung beschlossen (Deutschland: Deutsche Bank, Commerzbank). Im Notfall soll der Euro-Rettungsschirm einspringen. Im Oktober 2011 findet eine Razzia bei Großbanken in der EU statt. Es geht um den Verdacht auf Zinsabsprachen. Im November 2011 werden 11 Landesbanken von Moody´s herabgestuft. Umstritten ist die Beteiligung der Bundesländer an der Bankenrettung. Am Stresstest 2011 (EBA, European Banking Authorizy; Andrea Enria Vorsitzender) scheitern sechs deutsche Banken (Commerzbank, Deutsche Bank, Norddeutsche Landesbank, Landesbank Hessen-Thüringen, WestLB, und DZ). Die Banken brauchen Pläne zur Kapitalaufstockung auf 9% Eigenkapital. Am schlimmsten ist die Lage in Europa bei den spanischen Banken. Ende 2011 sind die kurzfristigen Bankeneinlagen bei der EZB auf einem neuen Höchststand mit 452 Mrd. € (Parken wegen gegenseitigem Misstrauen). die Deutsche Bank gerät 2012 wegen ihrer Geschäftspraktiken während der Finanzkrise in den USA unter Druck. 2012 müssen Spaniens Banken mit über 23 Milliarden € gestützt werden ("Bankia" vom hoch verschuldeten Staat). Bankia (Zusammenschluss von Sparkassen) ist durch faule Immobilienkredite in Schieflage gekommen. Sie gehört zu 100% dem Staat. Insgesamt dürfte der Finanzbedarf der spanischen Banken bei 40 Mrd. € liegen (der ESM stellt maximal 100 Mrd. € zur Verfügung, etwa 70 Mrd. werden wohl benötigt, D 29%). Die Rating - Agenturen stufen die spanischen Banken immer weiter herab (vor allem Moody`s). Aus dem Rettungsschirm werden Spaniens Banken unterstützt. Das Geld geht an den Staat, der auch dafür haftet (Deckelung der Gehälter, andere Bedingungen, Bundestagszustimmung). Die Banken des europäischen Nordens ziehen sich immer mehr aus dem Süden zurück, der dadurch noch größere Probleme hat, sich zu finanzieren. Draghi, der EZB-Präsident, fordert eine europäische Banken-Union. Deutsche Spareinlagen sollen als Garantien verpfändet werden. Die Ratingagenturen stufen immer mehr Großbanken herab; Ende Juni 2012 auch die Deutsche Bank. Der EU-Gipfel Mitte 2012 beschließt die Bankenkapitalisierung. Eine Expertengruppe um den Finnen Liikanen entwirft einen Bankenplan. Danach sollen bei großen Banken in der EU die beiden Bereiche "Traditionell (Privatkunden)" (Sparen, Kredite) und "Spekulation" (Investment, Hedge-Fonds) organisatorisch getrennt werden. Die Krise der Banken dürfte noch auf Jahre anhalten: bei niedrigen Zinsen nahe Null ist es schwierig Gewinne zu erzielen. Zudem halten sich Kunden mit der Geldanlage zurück. Wenn den Banken von der EU geholfen wird, fehlt das Geld für die hilfsbedürftigen Staaten. 2013 erhöht die Deutsche Bank ihr Eigenkapital um3 Mrd. €. Damit ist sie eine der kapitalstärksten Banken der Welt. 2013 einigt man sich in der EU darauf, dass Banken direkt Mittel aus dem ESM erhalten können (nicht mehr über Staaten). Die Eigentümer der Banken (Aktionäre, Großanleger, Kunden über 100.000€ Konto u. a.) sollen zukünftig (ab 2015, ab 2018 volle Wirkung) als erste für die Risiken gerade stehen ("Teufelskreis zwischen Banken und Staaten" wird durchbrochen, weitere Verluste werden auf die Finanzbranche umgelegt). Im Dezember 2013 erlässt die EU im Skandal um Zinsmanipulationen (Libor) Bußgelder in Rekordhöhe. Sechs Banken müssen 1,71 Mrd. Euro zahlen (größter Anteil Deutsche Bank). In Portugal gibt es Probleme mit der Privatisierung der Großbank Novo Banco. Die vier griechischen Großbanken brauchen im Oktober 2015 ca. 14,4 Mrd. €. Das ergab ein Stresstest im Hinblick auf die Eigenkapitalerfordernisse. 2016 verschärft sich die Bankenkrise in der EU. 200 Mrd. Euro-Kredite bei italienischen Banken sind notleidend. 11 Prozent der Hochzinsanleihen im US-Energiesektor dürften 2016 ausfallen (32 Mrd. $). Die größte EU-Bank ist die HSBC (UK), dann folgen Lloyds (UK) und Santander sowie UBS (CH). Italien will 2016 EU-Regeln brechen, um seine maroden Banken zu retten (UniCredit, Intesa, Banca Monte dei Paschi). Das höchste EU - Gericht (EuGH) gestattet im Juli 2016 Beihilfen für Banken aus Steuergeldern. Aber die Probleme dürften bleiben (mit italienischer Standardlösung: Wurstle dich durch, und hoffen auf bessere Zeiten; Vgl. Neue Zürcher Zeitung, Mo. 25.07.2016, S. 17). Der Bankenapparat Italiens ist aufgebläht und unrentabel. 90 Milliarden Euro faule Kredite lagern alleine bei Italiens Klein- und Kleinstbanken. Die EZB sieht im Juni 2017 für zwei italienische Krisenbanken keine Zukunft mehr (regionale Institute: Banca Populare di Vincenza, Veneto Banca; zu geringes Eigenkapital). Der Staat rettet die Existent der Banken mit 17 Mrd. Euro und schlägt sie der zweitgrößten italienischen Bank zu (genauer gesehen zahlen die Steuerzahler; das könnte ein Präzedenzfall sein). Im Herbst 2017 sind die griechischen Geldhäuser im Stress. Faule Kredite belasten die Bilanzen der vier größten Hellas-Banken. Im Stresstest 2018 schneiden die griechischen Banken gut ab. Dazu gehören Alpha Bank, Eurobank, NBG und Piraeus Bank. Trotzdem gibt es Ende 2018 Sorge um die Institute. Kredite in Milliardenhöhe sind ausfallgefährdet. Die Ertragskraft der Banken ist auch schwach. Es könnte zu einem Bankenbeben in Südeuropa kommen. Bei der Banca Carige mit Sitz in Genua zieht die EZB die Notbremse. Das Kriseninstitut wird unter Zwangsverwaltung gestellt. Das Bundesverfassungsgericht hält Mitte 2019 die Schaffung einer EU-Behörde für dei Abwicklung maroder Banken für mit dem Grundgesetz vereinbar.  Der Anteil der "faulen Kredite" in den Bilanzen von Europas Großbanken in Prozent sieht wie folgt aus: Griechenland 44,9; Zypern 32,3; Portugal 16,6; Irland 11,2; Slowenien 11,2; Italien 11,1 (Ausschnitt, Stand 4. Quartal 2017; Quelle EZB).  "Es gibt derzeit keine Anzeichen für eine Kreditklemme. Ich betone: derzeit", Sabine Lautenschläger, Bundesbank-Vizepräsidentin im November 2011. "Die Politik ist zunehmend in Europa erpressbar gegenüber Banken und großen Investorengruppen", Peer Steinbrück.

Bad Bank: Die EU-Kommission nutzt die Corona-Krise, um eine gemeinsame Bad Bank für Not leidende Kredite durchzusetzen. Das soll als langfristiges Ziel im Rahmen der Bankenunion angestrebt werden. Kommissionsvize Valdis Dombrvoskis stellt die Pläne im Dezember 2020 vor. Zunächst soll es ein Netzwerk nationaler Bad Banks geben.

Bankenunion: Sie besteht im engeren Sinne aus drei Säulen. 1. Europäische Bankenaufsicht (bis Ende 2014, bei der EZB). Leiterin wird die Französin Daniele Nougy. Nur die wichtigsten Banken werden kontrolliert; der Rest der 6000 national. 2. Einlagensicherung (grenzüberschreitender Schutz der Guthaben von Bankkunden). 3. Europäischer Abwicklungsmechanismus. Er besteht aus Vertretern der EU-Kommission, EZB und nationalen Aufsichtsbehörden. Es gibt kein Vetorecht bei Abstimmungen. Europas Banken sind die größten Geldgeber ihrer Regierungen (September 2013: Italien 24% Anteil am Gesamtvolumen, 415 Mrd. €; Spanien 41%, 299 Mrd. €; Deutschland 15%, 242 Mrd. €). Das könnte Probleme beim Stresstest mit sich bringen. Ende 2013 wird ein Abwicklungsmechanismus für marode Geldhäuser beschlossen (gemeinsame Regeln zur Sanierung und Schließung; ab 2016 SRM: Single Resolution Mechanism). Es wird ein Fonds (Notfallfonds) eingerichtet, aus dem die Kosten von Bankenpleiten getragen werden sollen (Banken zuerst, dann Anteilseigner/ Aktionäre, zuletzt Sparer über einer Einlage von 100.000€). Der Bundesfinanzminister setzt sich bei der EU für eine Freigrenze ein für kleinere Banken (Sparkassen, Raiffeisenbanken). Ab 04.11.2014 übernimmt die EZB die Kontrolle über die 120 größten Geldinstitute der EU. Das Bankenunionsgesetz wird ab 2015 auch für Deutschland in kraft gesetzt. Eigentümer haften zuerst. Soffin wird bis Ende 2015 verlängert. Ab 2016 startet der europäische Abwicklungsfonds. Von 2017 bis 2024 will die EU-Kommission eine Einlagensicherung aufbauen. Ziel ist ab 2018 eine Kapitalmarktunion. Finanzsysteme weisen aber eine hohe Persistenz auf. Eine Transformation ist nur langfristig zu erreichen. Anfang Dezember 2018 beschließen die Euro-Finanzminister, dass der ESM auch für die so genannte Letztsicherung beim europäischen Bankenabwicklungsfonds zahlen kann. Massive Altlasten in den Bankbilanzen haben die einst hoch subventionierten Landesbanken (z. B. HSH Nordbank, Nord/LB). 30 von 128 Banken könnten im Stresstest die Latte reißen. Großen Einfluss im Stresstest hat die US-Unternehmensberatung Oliver Wyman. Noch werden in Deutschland Banken hoch subventioniert (bis Juni 2014 17,1 Mrd. €) aus dem Bankenrettungsfonds Soffin. An der Spitze liegen die Hypo Real Estate (9,8), die Commerzbank (5,1), die Portigon (WestLB Nachfolger) und die Aareal Bank. 2014 gerät die portugiesische Bank Espirito Santo in Not. Abschreibungen bringen 3,6 Mrd. € Verlust. Deutschlands Banken müssen im Jahre 2016  1,76 Mrd. Euro als Vorsorge für mögliche Krisen leisten (2015 waren es 1,58 Mrd. €). Fast 360 Milliarden Euro an faulen Krediten schlummern 2016 in Italiens Banken. Nach dem Brexit gibt sich die EU mit einem Bankenrettungspaket milde. Der Fall Monte del Paschi di Siena zeigt, dass die Bankenunion noch nicht richtig funktioniert, aber gebraucht wird. Probleme werden verschleppt. Neues Eigenkapital konnte nicht aufgenommen werden. Jetzt läuft die "Rekapitalisierung" durch den Staat. Abschreibungen in Höhe von fünf Milliarden Euro werden 2016 ausgewiesen (viel zu wenig). Das Bundesverfassungsgericht prüft Ende 2018 die Bankenunion.

Stresstest: Banken müssen zeigen, ob sie mit ihrer Eigenkapitalausstattung bestimmten Belastungen an den Finanzmärkten gewachsen sind. Zu den Belastungen bzw. Verwerfungen rechnen Aktienpreisverfall, Rating - Verschlechterungen, Zahlungsschwierigkeiten von Staaten. Rückschläge beim Wirtschaftswachstum und Schocks an den Kapitalmärkten werden simuliert. Die Verantwortung liegt beim EU - Ausschuss für Bankenaufsicht. 91 Banken in der EU nehmen teil. 14 Banken aus Deutschland geben Unterlagen an die Finanzaufsicht BaFin. In den USA gab es den Test 2009. 10 von 19 Banken hatten eine Kapitallücke. Probleme des Tests sind Übertreibungen und falsche Interpretationen. Er wird von Vielen als Feigenblatt eingeschätzt. Umstritten ist die Veröffentlichung. In der EU wird im Sommer 2011 ein zweiter Stresstest durchgeführt von der Europäischen Bankenaufsicht (EBA). Acht Banken fallen durch. Im Februar 2014 gibt es strenge Kriterien: 5,5% Kernkapital, 8,0% für das neue Basisszenario. Ein umfassender Stresstest folgt 2014 im Sommer. Die Ergebnisse kommen Ende Oktober 2014 (EZB Oberaufsicht, Durchfaller, Kapitallücken schließen). 24 Banken fallen beim Stresstest durch (zu wenig Eigenkapital, schlechte Bilanz im Bilanzcheck; sechs bzw. neun Monate Zeit für Behebung). Darunter ist mit der Münchener Hypothekenbank eine deutsche (zum Stichtag 31.12.13); 4 italienische Banken sind betroffen. Die EZB will weitere Banken-Stresstests durchführen (so EZB Bankenaufseher Jurek Vesala 2015). Mittlerweile ist die EZB für 123 Institute zuständig.  "Eine Trennung der Bankgeschäfte kann sinnvoll sein. Banken müssen einen echten Mehrwert liefern", Jim Hagemann Snabe, SAP.

EU-Finanz-Binnenmarkt für Banken: Man braucht einen EU Finanzbinnenmarkt für Banken. Sowohl die US-Banken als auch die Banken in China agieren auf einem riesigen Binnenmarkt. Die EU-Institute handeln mehr oder weniger auf 27 Einzelmärkten. Das kann nicht gut gehen. Regulierung ist hier ein Wettbewerbsfaktor. Vgl. Peters, Hans-Walter: Europas Banken brauchen den Binnenmarkt, in: Handelsblatt Nr. 65, 6. April 2021, S. 48.

Aktionsplan für Kapitalmarktunion: Eurogruppenchef Paschal Donohoe sieht "großen Appetit" 2024 , dei Kapitalmarktunion voranzutreiben. Experten weisen darauf hin, dass es nur Trippelschritte sind. Das Nationalstaatliche Denken dominiert noch. Es geht um die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Vgl. HB 12.3.24, S. 8.

Südeuropa in der Rezession: Griechenland, Italien, Spanien und Portugal sind 2012 in der Rezession. Dies zeigt sich am Schrumpfen der BIP 2012 (Prognosen: Griechenland -4,3, Italien -1,3, Spanien -1,0, Portugal -3,3). Dies ist vor allem eine Folge ihrer mangelnden Wettbewerbsfähigkeit. Mittlerweile gibt es Auswirkungen auf die Nordländer, vor allem deren Unternehmen. Die Märkte für Kleinwagen verschlechtern sich. Die Versicherer haben kräftige Abschreibungen. Die Banken leiden unter den schlechteren Bonitätsnoten und Abschreibungen. Der Rüstungsindustrie brechen gute Kunden weg. Der Maschinenbau verliert wichtige Märkte. Außerdem verfügt Deutschland über hohe Direktinvestitionen in den südeuropäischen Ländern (Bestand 2012). Am höchsten sind sie in Italien mit 36,8 Mrd. €. Dann folgen Spanien (27 Mrd. €), Portugal (5 Mrd. €) und Griechenland (3,5 Mrd. €). Die Südländer müssten durch Preis- und Lohnsenkungen wettbewerbsfähiger werden. Am einfachsten ginge dies durch einen Ausstieg aus dem Euro. Dieser könnte bei Griechenland bald kommen. Die Südländer fordern immer wieder, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln (EU-Gipfel Mitte März 2013). Einen Wachstumspakt mit 120 Mrd. € gibt es bereits. Uneins ist man über die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Die Sparkurs soll durchgehalten werden, eventuell kommt dabei etwas mehr Flexibilität. Die Anpassungsprozesse in den Krisenländern treiben die Arbeitslosigkeit aber weiter in die Höhe. Allein Wettbewerbsfähigkeit dürfte der ökonomische Schlüssel zum Erfolg sein. Dazu brauchen diese Länder ein Geschäftsmodell bzw. eine Idee. Das Risiko für Unruhen ist durch die hohe Arbeitslosigkeit gestiegen (26 Mio. 2013 in der EU, insbesondere Folge der Sparpolitik). Am höchsten ist die Arbeitslosigkeit in Griechenland mit einer Quote von 22,5%. Jungen Arbeitslosen will die Bundesregierung auch mit bilateralen Programmen helfen. Letztlich können Unternehmen nicht gezwungen werden, mehr in den Südländern zu investieren. Zu hohe Lohnkosten und zu niedrige Produktivität laden im Süden aber nicht dazu ein. Letztlich wird der Lebensstandard sinken müssen (keine rein ökonomische Frage). Auch die Leitzinssenkung der EZB im Mai 2013 soll Südeuropa zugute kommen. Es ist allerdings fraglich, dass die erhofften Impulse dort ankommen. Gerade die Banken in Spanien und Italien haben große Probleme mit der Bewältigung ihrer Krise und nehmen höhere Kreditzinsen. Insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen in den Krisenländern haben Schwierigkeiten, an günstige Kredite zu kommen. Vor allem fehlen in den Krisenländern Partner im Bankenbereich wie in Deutschland die KfW. Die EIB strebt an, die Bankeninfrastruktur zu verbessern (z. B. in Portugal mithilfe der KfW). Die Prognose der EU-Kommission für 2013 und 2014 beim Wachstum des BIP sieht Estland und Malta an der Spitze; ganz hinten liegen Griechenland und Zypern. Immer mehr Menschen und Parteien in den Südländern fordern ein Ende des Sparkurses, für den sie zum großen Teil die deutsche Bundesregierung verantwortlich machen. Man sollte auch bedenken, dass einige Staaten noch stärker als die Südländer der EU von der Eurokrise betroffen sind. Dazu gehören Albanien, Kroatien, Serbien, Mazedonien, Montenegro und Bosnien/ Herzegowina.  EU-Südländer belohnen oft reiche Ausländer (reiche Chinesen, Russen) mit einem "goldenen Visum". Damit bekommen ausländische Investoren Aufenthaltspapiere. Das gibt es in Portugal, Spanien, Griechenland, Malta und Zypern. Der italienische Philosoph Giorgio Agamben belebte 2012 die Idee eines sozioökonomischen Latein - Europas wieder (wird propagiert von Tsipras in Griechenland und Pablo Iglesias in Spanien). Junge Griechen sehen mittlerweile keine Perspektiven mehr in der Heimat. Deutschland ist ein beliebtes Ziel. Die Wirtschaft von Frankreich hängt stark an Südeuropa. Das erklärt zum Teil auch die Probleme in Frankreich. Frankreichs Wirtschaft war aber 2019 auf einem guten Weg, durch dei Corona-Krise fürchten sie den Anschluss an Deutschland zu verlieren. Im ersten Quartal 2017 wächst die Wirtschaft der Eurozone um 0,5% gegenüber dem ersten Quartal des Vorjahres (USA 0,2%). Im ersten Halbjahr 2018 dürfte die Wirtschaft im Euro-Raum stark zulegen, wovon auch Südeuropa profitiert. Großes Sorgenkind ist Italien: Das Land steht vor einem Absturz, wenn die neue Koalition 2018 (5 Sterne, Liga) ihre Vorhaben umsetzt. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone hat eine hohe Verschuldung, schwaches Wachstum und politische Instabilität. Die europäischen Währungshüter (EZB) sehen die Verschuldungspolitik als Testfall. Italien kann nicht auf Hilfe hoffen. Bei der Parlamentswahl in Spanien im April 2019 erringen die Sozialisten eine Mehrheit. Sie ist aber nicht absolut, so dass sie eine Koalition eingehen müssen. In Spanien zeigen sich im Juni 2020 immer mehr die sozialen Folgen von Corona. Die Schlangen vor den Suppenküchen werden immer länger. In Griechenland steigt durch die Corona-Krise die Arbeitslosigkeit stark an. Das deutsche Modell der Kurzarbeit soll helfen. In Griechenland waren im Jahr 2017 rund 3,3 Mio. Menschen von Armut bedroht (31,8% der Bevölkerung). Damit liegt Griechenland in derselben Ländergruppe wie Bulgarien und Rumänien. 2019 kommt Portugal nach der Schuldenkrise wieder in Fahrt. Mit ungewöhnlichen Rezepten ist Regierungschef Antonio Costa erfolgreich. Er gewinnt auch die Wahl, allerdings nicht mit absoluter Mehrheit. Südeuropa wird wesentlich stärker von Corona getroffen als der Norden. In Italien (-12,4%) und Spanien (-15,5%) brechen die BIP im 2. Quartal 2020 ein (D -10,1%). Die ALQ steigen stärker als in D (2020 Italien 11,8%, Spanien 18,9%). Außerdem ist die Abhängigkeit von Tourismus stark. Spaniens Wirtschaft ist 2021 auf der Intensivstation. Die Armut wächst. Der Tourismus ist am Abgrund. Landesweit machten etwa 67.000 Läden dicht. Vor den Essensausgaben gibt es lange Schlangen.   "Ich finde, sie sollten sich alle zusammen selber helfen, indem sie ihre Steuern zahlen", Christine Lagarde, IWF-Chefin, 2012. "Die Bürger des Südens müssen zusammenstehen", Alexis Tsipras 2015.

Wirtschaftsleistung und Corona-Krise 2020: In allen Ländern der EU bricht das BIP ein. Am stärksten ist der Rückgang im 2. Quartal 2020 (im Vergleich zum Vorjahresquartal). Am stärksten sind Spanien (- 22%), Frankreich (- 19%) und Italien (-17,3) betroffen. In Österreich sinkt die Wirtschaft um -14,3 %, in den Niederlanden um - 9,4%, Tschechien -10,9 %.  Aber auch Schweden, das am wenigsten Lockdown macht (Sonderweg), hat noch einen Rückgang von 7,7%. Großbritannien, das austritt, hat einen BIP-Rückgang von -21,5 %. In der EU insgesamt geht die Wirtschaft um -11,9% zurück. In Deutschland um -11,7%. Die Arbeitslosigkeit steigt an, am geringsten in Deutschland und den Niederlanden.

Corona-Krise 2020 und EU: Die Südländer der EU werden 2020 stärker von der Corona-Krise getroffen. Das gilt besonders für Italien (Oberitalien), Spanien und Frankreich. Die Gesundheitssysteme der Länder waren aufgrund von Sparmaßnahmen auch nicht die stärksten. Deshalb zählt man hohe Todesraten (Todesfälle pro 100.000 Einwohner , Stand Juni 2020: Spanien 68, GB 63, Italien 60, Schweden 57, Frankreich 48, Deutschland 11). Umstritten sind EU-Hilfen kurzfristiger Art. Die Länder sind schon hoch verschuldet. Man diskutiert Euro- (Corona-) Bonds und eine ESM - Lösung. Letztere lässt die Haftung bei den Ländern und ist an Bedingungen gebunden. Die Verteilung wäre: ESM 200 Mrd. €, EIB 200 Mrd. €, EU-Kommission 100 Mrd. €. Die Staats- und Regierungschefs einigen sich am 23.04.20 auf das Paket. Ein Wiederaufbau-Programm soll zusätzlich kommen. Die EU-Kommission erhält einen Arbeitsauftrag dafür. Deutschland und Frankreich vereinbaren am 18.05.20 einen Wiederaufbaufonds (Recovery, Europa-Fonds). Er soll einen Umfang von 500 Mrd. € haben. Er soll als Zuwendung kommen, nicht als Kredit. Die EU soll sich verschulden können, zurückgezahlt werden die Gelder von allen EU-Mitgliedern nach einem Schlüssel. Alle EU-Länder müssen zustimmen. Die Frage ist, ob sich die "nördlichen Geizkragen" und die "südlichen Geldausgeber" einig werden.  Vier nördliche Sparländer (Österreich, Schweden, Dänemark, Niederlande) machen einen Gegenentwurf (Sparsame Vier): Wiederaufbaufonds ja, Schuldenerlaubnis für EU ja. Aber mehr Kredite und kürzere Laufzeiten. Die entscheidende Frage dürfte demnach das Verhältnis von Krediten und Zuwendungen sein. Die EU-Kommission stockt das Programm dann noch auf auf 750 Mrd. €. Das ist deutlich mehr Geld. Italien (173 Mrd. €) und Spanien (140 Mrd. €) sollen den Großteil der Hilfen bekommen. 500 nicht rückzahlbare Zuwendungen, 250 Kredite. Das Programm soll von 2021 bis 2027 laufen. Für Deutschland sind 29 Milliarden reserviert. Die Schulden würden dann zwischen 2028 und 2058 über den EU-Haushalt getilgt. Das Geld soll in Investitionen für die Zukunft fließen. Hoffentlich entwickelt man auch eine Strategie: Zum Beispiel sollte man die 5-G-Technik von Nokia und Erikson kaufen, um eine Abhängigkeit von China und den USA zu vermeiden. Macron und Merkel einigen sich bei einem Treffen auf Schloss Meseburg, dass der EU-Wiederaufbau bis Juli 2020 geregelt wird. In Frankreich tritt die Regierung zurück. Jean Castex wird neuer Premierminister. Für den Wiederaufbaufonds können zur Finanzierung Schulden aufgenommen werden. Da ist ein Tabubruch und ein Schritt Richtung politische Union. Eigentlich müssten dann auch mehr Kompetenzen auf dei europäische Ebene übertragen werden. Vgl. Das ist ein Tabubruch, Interview mit Otmar Issing, Die Zeit 30, 16.7.20, S. 21. Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten treffen sich am 17.7.20 in Brüssel. Es geht um den Wiederaufbau nach Corona. Der Gipfel könnte bis Sonntag dauern. Man will auch die EU-Staatsanwaltschaft ausbauen, um missbrauch zu bekämpfen. Mitnahmeeffekte im Haushalt werden aber kaum zu verhindern sein. Ratspräsident Michel legt auf der Sitzung einen Kompromiss-Vorschlag vor: 300 Mrd. € Kredite, 450 Mrd. € Zuschüsse. Sparländer bekommen Rabatte. Länder bekommen mehr Zoll-Anteile. Blockaden möglich. Man spricht von Super-Notbremse, einem neuen Mechanismus zur Kontrolle der Auszahlung. Die Mittel für Ost-Europa sollen gekürzt werden (Veto Ungarn? auch bei fehlender Rechtsstaatlichkeit). Es wird auch der EU-Finanzrahmen für 2021 bis 2027 verhandelt. Erst am Montag zeichnet sich ein Rahmen ab: 360 Mrd. € Kredite, 390 Mrd. € Zuschüsse. Die Sparländer (Österreich, Dänemark, Schweden, Niederlande, Finnland) sollen bei den Beitragszahlungen Rabatte bekommen. Die Hilfsfonds sollen an Bedingungen gekoppelt werden. Rechtsstaatlichkeit soll Voraussetzung für Zahlungsempfang sein. Es ist der längste Gipfel der EU-Geschichte. Am 21.7.20 einigt man sich. Der EU-Haushalt soll gekürzt werden (Gesundheit, Migration, Forschung, Klima). Deutschland muss jährlich 10 Mrd. € mehr in den EU Haushalt einzahlen: künftig sind es 40 Mrd. €. Nicht dabei eingerechnet ist das Geld, das an Deutschland zurückfließt. Das EU-Parlament droht damit, den Haushaltskürzungen nicht zuzustimmen. Es dürfte Nachverhandlungen geben. Dabei geht es insbesondere um Klima und Digitalisierung. 2021 rügt die EU-Kommission Berlin: Beim EU-Aufbaufonds verfehle Deutschland die Reformauflagen. Ein Eilantrag wegen des Corona-Hilfsfonds beim Bundesverfassungsgericht hat Erfolg: Der Beitritt Deutschlands zum Corona-Hilfsprogramm muss ausgesetzt werden. Es zeigt sich immer mehr, dass das Programm schlecht gemacht ist und viel zu spät kommt. Im schlimmsten Fall könnte es den nächsten Boom verstärken. Allein Italien soll 200 Mrd. € bekommen uns braucht das Geld dringend. Anfang Dezember 2022 entscheidet das Bundesverfassungsgericht, dass die Teilnahme Deutschlands am EU -Corona - Fonds rechtens war.  Den stärksten Konjunktureinbruch in Europa meldet Spanien: im 2. Quartal -18,5%. Frankreich -13,8%. Italien -12,4%(im Vergleich zum Vorquartal). 

Corona-Krise und EU-Finanzen: "Im Zuge der Corona-Krise erfuhr die Finanzierungsgrundlage der EU größere Änderungen, die in der Frage resultieren, welche Form die zukünftige Finanzverfassung der EU annehmen wird. Der zusätzliche Wiederaufbaupakt mit einem Volumen von drei Vierteln des neuen mehrjährigen Finanzrahmens wird durch die erstmalige Verschuldung der EU selbst finanziert. Reicht dieses beispiellose fiskalische Volumen, um zukünftig im Wettbewerb mit China bestehen zu können? Oder braucht die EU eine Neuausrichtung: zum einen in Bezug auf Umfang und Differenzierung ihrer verschiedenen Aufgaben und zum anderen bezüglich der gleichen Rechte ihrer 27 Mitgliedstaaten? Die Umbrüche infolge der Corona-Krise sollten für eine größere Reform der EU-Finanzen genutzt werden.". Siehe Broer, M./ Henke, K.-D./ Zimmermann, H.: Zur Zukunft der EU-Finanzen nach Corona, in: Wirtschaftsdienst 12/2020, S. 928-931.

Industriestrategie der EU nach Corona: Jedes Jahr soll zukünftig ein Bericht zum Binnenmarkt kommen. Tatsächliche Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie (z. B. Arbeiten von Handwerkern in EU-Ländern). Der Binnenmarkt soll besser geschützt werden. Aufbau von Notfallmechanismen (bei Produktions- und Lieferengpässen). Verbesserung der Zahlungsmoral. Hilfe beim Schmieden von Industrie-Allianzen.

Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei: Der Konflikt zwischen beiden Ländern hat historische Grüne (Osmanen, Verhältnis zwischen Christen und Muslimen). 2020 eskaliert der Streit zu einer Auseinandersetzung über Gas im Mittelmeer. Es geht um die Abgrenzung ihrer Wirtschaftszonen in der Ägäis und im Mittelmeer. Im östlichen Mittelmeer werden große Erdgasvorräte vermutet. Der Konflikt schwelt seit Jahrzehnten. Beide Länder sind Nato-Partner. In den Konflikt hineingezogen wird auch Zypern. 2022 droht Erdogan Griechenland sogar mit Krieg. Der Konflikt hat immer wieder den EU-Beitritt der Türkei mit verhindert. Offiziell redet die Türkei seit 18 Jahren (von 23 zurück) über einen Beitritt. Erdogan möchte 23 die Beitrittsgespräche neu beleben. Er braucht die EU wirtschaftlich, vor allem Investoren. Er fordert Reisefreiheit für Türken und Ausweitung der Zollunion. Die EU verlangt Entschärfung der Terror-Gesetze, Freilassung politischer Gefangener und mehr Demokratie. Im November 2023 einigen sich Griechenland und die Türkei auf eine gemeinsame Flüchtlingsstrategie (Kontrolle der Ägäis). Im Dezember 2023 verstärkt sich die Annäherung: Mitsotakis und  Erdogan treffen sich in Athen. Man bekundigt den Willen zu guter Nachbarschaft. Dei bilateralen Streitfragen bleiben aber vorerst ungelöst. Doch eine vereinfachte Visa - Vergabe für 10 griechische Inseln kommt. Die Griechen erwarten eine "Invasion" der Türken.

Abkommen zwischen den Siegermächten des 1. Weltkriegs und Griechenland, Türkei: Es war ein Vertrag zur ethnischen Säuberung. Rund 1,5 Mio. christliche Griechen aus West-Anatolien wurden nach Griechenland geschickt. 500.000 Muslime aus Griechenland mussten in die Türkei umsiedeln. Der Bevölkerungsaustausch löst bis heute ein Trauma aus.

EU-Osterweiterung (Osteuropa in der EU): A, 01.05.2004 sind zehn neue Mitgliedsstaaten, vor allem Transformationsländer, in die EU aufgenommen worden. Drei Jahre später, am 01.01.2007, folgten Bulgarien und Rumänien. Die deutschen Unternehmen bewerten die Auswirkungen inzwischen positiv. Die neuen Mitgliedsstaaten selbst haben grundsätzlich profitiert. Die flexiblen Wechselkurse der eigenen Währungen haben sich als Vorteil erwiesen. Rumänien und Bulgarien leiden unter der Instabilität ihrer politischen Systeme. Insgesamt scheitert aber die Ostpartnerschaft der EU. Drei der sechs Länder müssen sich unter Druck an Russland orientieren (Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland). Die verbliebenen EU-Anhänger Georgien, Moldawien und Ukraine haben nicht mehr ihr gesamtes Territorium. Das Konzept hat damit insgesamt Europa weder sicherer noch demokratischer gemacht. Probleme mit der Einschränkung demokratischer Rechte und Institutionen gibt es zunächst in Ungarn. 2015 folgt nach einem Regierungswechsel Polen: Das Verfassungsgericht wird eingeschränkt. Man versucht den Westbalkanstaaten eine Perspektive für den Beitritt zu geben. Russland und die Türkei werben um die Länder. zunehmend streckt auch China seine Fühler nach Osteuropa aus. Es lockt mit Geld für Infrastrukturinvestitionen. Es wird 2017 ein Pakt geschlossen (16 + 1, darunter 11 EU-Länder; "Neue Seidenstraße"). Ende 2017 prüft die EU Sanktionen gegen Polen. Das wäre das erste Verfahren in der EU wegen Gefährdung von Grundwerten der Gemeinschaft. Grund ist der Umbau der Justiz durch die nationalkonservative Regierung in Warschau. Die Justiz wird auch in Bulgarien kritisch betrachtet. Außerdem wird Korruption beklagt. Bulgarien steht unter Beobachtung der EU. Es übernimmt ab 2018 den EU-Ratsvorsitz. Ministerpräsident ist Boiko Borissow (gute Verbindungen zu den Nachbarn und der Türkei). Präsident Bulgariens ist Rumen Radew. Griechenland blockiert schon seit Jahren den Beitritt von Mazedonien (die Gespräche seit 2005). Der Namen passt dem Land nicht, weil auch die nördliche Provinz in Griechenland so heißt. Man hat Angst vor Vereinigung. Montenegro und Serbien sollen eventuell schon 2025 der EU beitreten können. Schon lange laufen die Verhandlungen. Länger warten müssen wohl Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Mazedonien. Der hohe Wahlsieg von Orban mit seiner Partei Fidesz in Ungarn schafft Probleme. Er will einen illiberalen Staat. Die EU denkt über Sanktionen nach, insbesondere im finanziellen Bereich (Mittelkürzungen), aber auch über Entzug von Stimmrechten. Der Umgang mit Orban spaltet aber die EU. Im Westbalkan gibt es eine Reihe von Kandidatenländer für den beitritt: Kosovo, Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Albanien. Sie sind aber 2018 noch kaum reif für einen Beitritt. Griechenland und Mazedonien einigen sich im Juni 2018 über die Namensgebung von Mazedonien: Die ehemalige Teilrepublik von Jugoslawien soll Nord-Mazedonien heißen. Nun ist der Weg frei Richtung EU und Nato. Der Volksentscheid in Mazedonien platzt allerdings. Trotzdem macht die EU Druck, dass das Parlament entscheidet. Es droht eine Staatskrise. Wahrscheinlich kommen Neuwahlen. Das Parlament macht im Oktober 2018 den Weg frei für die Umbenennung. Die deutsche Industrie investiert kräftig in Ungarn. Sie stärkt damit auch das Regime von Orban. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) trifft eine Anordnung gegen Polen im Oktober 2018. Warschau muss die Zwangspensionierung von Richtern stoppen. Rumänien bekommt im November 2018 ein schlechtes Zeugnis von der EU. Die Justizreform wird kritisiert. Tschechiens Premier Babis gerät wegen einer bizarren Mischung von Betrugsaffäre und Familiendrama in Bedrängnis. Wegen Erschleichung von EU-Fördermitteln wurde schon öfter ermittelt. Die polnische Regierung hebt im November 2018 den Zwangsruhestand Oberster Richter wieder auf. Im März 2019 wird Orbans Partei Fidesz für die EVP im Europäischen Parlament suspendiert. Europa könnte nach und nach den Balkan verlieren. Der konfliktträchtige Nationalismus nimmt zu. Im April 2019 findet eine West-Balkan-Konferenz in Berlin statt. Es geht hauptsächlich um das Verhältnis zwischen Serbien und dem Kosovo. Beide müssen sich versöhnen, damit der Beitritt Serbiens zur EU möglich wird. Polen und Deutschland sprechen sich im Juli 2019 für einen früheren Beitritt der Westbalkanstaaten Nord-Mazedonien und Albanien aus. Ungarn und Polen drohen immer wieder mit Etat-Veto. Die EU will künftig Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit mit Finanzmittelentzug bestrafen. Das passt den beiden Ländern nicht. Beide stimmen dem Haushalt nicht zu, könnten zusätzlich noch den geplanten Wiederaufbaufonds blockieren. Slowenien schließt sich ihnen später an. Im Grunde genommen geht ein Riss durch die EU: Der Osten ist bei Migration, Homo-Ehe oder Abtreibung für Tradition und gegen Freiheit (ähnlich wie in den USA). Die Konkurrenten - allen voran China und Russland, aber auch die USA - versuchen Osteuropa abzulösen. Russland und China liefern ihre Impfstoffe gegen Corona: Sinopharm und Sputnik V mit nationaler Notfallzulassung. Serbien und der Kosovo lassen im September 21 Militär an ihrer gemeinsamen Grenze aufmarschieren. Der Balkan bleibt ein Pulverfass. Der EU - Balkan - Gipfel Anfang Oktober 2021verspricht wieder mal lieber Geld statt Beitrittsperspektiven. Es betrifft die Länder Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Kosovo und Albanien. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine wollen auch Georgien, Moldau und die Ukraine in die EU. Auf der Sitzung der Regierungschefs der EU in Versailles wird beschlossen, das es ein Eil-Beitragsverfahren der EU nicht geben wird. Es gibt dabei Länder, die zwischen der EU und Russland pendeln. Dazu gehört Serbien. Deshalb wird das Land im Ukraine-Krieg für viele Russen  zum Fluchtpunkt. In Serbien gewinnt Vucic die Wahl. Er strebt zwar in die EU, bemüht sich aber auch um ein gutes Verhältnis zu Russland und China. Das stößt in der EU auf Missfallen. Der Beitritt der Ukraine wird 2022 geprüft. Voraussichtlich im Juni 22 soll eine Stellungsnahme zum Antrag erfolgen. Die Ukraine-Frage entzweit Europa: Aus Brüssel und Berlin kommen verschiedene Signale. Die Reise von Scholz, Macron und Draghi in die Ukraine ist ein positives Signal. Die sprechen sich für eine Beitrittskandidatur der Ukraine aus. Die EU-Kommission folgt. Skeptisch sind die Niederlande und Portugal wegen der Korruption. Schließlich sprechen sich die 27 EU-Staaten doch geschlossen für einen EU-Beitrittsstatus für die Ukraine und Moldau aus. Im Juli 2022 macht Nordmazedonien einen Schritt Richtung EU (bilaterales Protokoll mit Bulgarien, Bulgarien als ethnische Minderheit). Für Nordmazedonien und Albanien werden Beitrittsverhandlungen eröffnet (Belohnung der Fortschritte). Die vier anderen müssen noch warten. Anfang Dezember 2022 findet eine Westbalkankonferenz der EU in Tirana statt. Ein EU-Beitritt kann nur bei Reformen erfolgen. Grundvoraussetzung ist auch die Unterstützung der Russland-Sanktionen. Das gilt insbesondere für Serbien. Im Dezember 2022 erhält Bosnien-Herzegowina den Status "EU-Beitrittskandidat". Die EU und die USA üben Druck auf Serbien aus, sich beim Kosovo zurückzuhalten (Serbien erkennt ihn nicht an). Der Kosovo gilt als Wiege des Serbentums. Es deutet sich aber eine diplomatische Lösung an. Man schließt ein Abkommen: Eigenstaatlichkeit des Kosovo. Rechte der serbischen Volksminderheit. Doch Vucic bleibt eine Art Puppenspieler. Er hat Proteste im eigenen Land, Anhänger verprügeln Kfor-Soldaten. Die serbische Bevölkerung ist auf dem Balkan verstreut.  Tschechiens neuer Präsident wird Ex-General Petr Pavel. Er ist überzeugter Europäer. Rumänien wird in der EU immer wichtiger, weil das Land an die Ukraine grenzt. Man braucht das Land als Basis (z.B. Rheinmetall zur Wartung und Reparatur seiner Panzer). Vucic gewinnt im Dezember 23 die Wahl (Vorwurf von Wahlbetrug). Als gnadenloser Machtpolitiker fährt er einen Schlingerkurs zwischen der EU, China und Russland. Oppositionsführer Tepic beendet Anfang 24 seinen Hungerstreik. Es gibt Kritik an Vucic wegen Kosovo-Deal. Bulgarien gerät nach der Wahl im April 23 in eine Sackgasse. Eine stabile Regierung ist weiterhin nicht in Sicht. Im September und Oktober 23 gibt es einen Truppenaufmarsch von Serbien an der Grenze zum Kosovo.  Die USA, die NATO und die EU warnen vor einem Einmarsch. Sie fordern den Abzug der serbischen Truppen. Die Nato will die Friedenstruppen verstärken. Im November 2023 bewertet die EU-Kommission die Ukraine positiv. Es kann zu einem schnelleren Start von Verhandlungen über den Beitritt kommen. EU-Erweiterungskommissar ist 2023 Oliver Varhelyi. Er gilt als Viktor Orbans Mann in Brüssel. Die EU macht im Dezember 2023 den Weg frei für Beitrittsverhandlungen (Orban geht bei der Abstimmung raus). Bei den Ukraine-Hilfen blockt er wieder. Im März 2024 einigt sich die EU auf Militärhilfe für die Ukraine (5 Mrd. €). Im Juni 2024 beginnen offiziell die Verhandlungen über einen Beitritt von der Ukraine und Moldau. Dauer und Ausgang sind offen. Die EU-Kommission verklagt im September 2018 Polen wegen seiner Justizreform (Zwangspensionierung älterer Richter). Im September 2018 leitet das Europaparlament ein Verfahren denen Ungarn ein wegen Verstößen gegen EU-Grundwerte. Bei den Staaten aus Osteuropa ist immer die Geschichte einzubeziehen: Einmal haben viele Länder lange zum Vielvölkerstaat der Habsburger Monarchie (Domus Austriae) gehört. Es besteht also eine europäische Tradition mit Österreich-Ungarn. Einige Staaten waren auch länger Teil des Warschauer Paktes, der von Moskau dominiert war. 2021 geht die EU gegen Polen und Ungarn vor: Es wird ein Verfahren wegen Diskriminierung eingeleitet. Die Polnische Justizreform verstößt gegen EU-Recht. Der Westbalkan ist ein Einfallstor Russlands. Trotzdem strebt die EU eine Erweiterung dort an. Vgl. insgesamt zum Thema Ost-Erweiterung: Ferenc, Grega: EU-Osterweiterung - Bilanz und Perspektiven, in: Wirtschaftsdienst 6/ 2024, S. 367ff.

Europa in Trümmern: Egal wie der Ukraine-Krieg 2022 endet, es kommt zu einer "Zeitenwende" in Europa. Man könnte von einem "kalten Frieden" sprechen (Fachbegriff: Frozen Conflict). Es wird eine Zeit von Spannungen und Drohungen bleiben. Russland wird von Angst getrieben sein, dass die Freiheit und Demokratie sein System bedroht. Die EU wird für ihre Sicherheit mehr Verantwortung übernehmen müssen. Der Beitrittswunsch von der Ukraine, Moldawien und Georgien behagt Russland nicht. Sicher auch nicht der Beitragswunsch der anderen sechs Länder. Für Nordmazedonien und Albanien werden die Beitrittsverhandlungen eröffnet. Die Osterweiterung wird in der EU als geostrategische Investition in Freiheit und Sicherheit gesehen. Zwischen Serbien und dem Kosovo kommt es immer wieder zu Konflikten. Grenzen werden schon mal dicht gemacht. Die EU und die USA üben Druck auf Serbien aus. Eine Verhandlungslösung zeichnet sich ab. Kiew will einen Beitritt im Schnellverfahren. Beim EU - Ukraine - Gipfel Anfang Februar 2023 dämpfen die Gäste die Erwartungen. Im Februar 2023 tauchen Pläne auf, dass Russland bis 2023 Belarus vollständig eingliedern will. Polen ist der Vertreter der osteuropäischen Länder für die Organisation von militärischem Widerstand gegen Russland. Es hält den Kontakt zur USA als Schutzmacht. Biden besucht im Februar 2023 die Ukraine und Polen (Vizepräsidentin Harris ist parallel auf der Münchener Sicherheitskonferenz). Nach gut 100 Tagen im März 2024 ist die Bilanz der neuen polnischen Regierung durchwachsen. Am meisten enttäuscht sind die polnischen Frauen. Staatspräsident Duda legt möglichst viele Steine in den Weg. 2024 hält der nationalkonservative Widerstand in Polen. Die PiS gewinnt bei den Kommunalwahlen. In Kroatien und Nordmazedonien kommt 2024 auch ein Rechtsruck. In Bulgarien setzt der Präsident Neuwahlen an. Premier Edi Rama aus Albanien wird im Westen hoffiert, auch weil er dabei hilft, Flüchtlinge fernzuhalten. Gegner werfen ihm vor, er habe sein Land in eine von Drogengeld dominierte Autokratie verwandelt. Vgl. Der Spiegel 34/ 14.9.24, S. 80f.

Visegrad - Staaten der EU: Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn. Sie halten vor allem in der Asyl- und Migrationspolitik zusammen. Sie lehnen in der Regel die Linie der EU-Kommission ab. Ungarn erhält 2020 schlechte Noten beim Rechtsstaatlichkeitstest der EU-Kommission. Die Fidesz -Partei von Viktor Orban, dem Ministerpräsidenten Ungarns, tritt nach jahrelangem Streit bei Europas Christdemokraten aus. Die Visegrad -Staaten orientieren sich auch bei der Impfung zusätzlich an Russland und China. Polen und Ungarn klagen gegen die Rechtsstaatlichkeitsklausel im EU-Haushalt. Ungarn lässt im März 2021 schon den zweiten Impfstoff aus China zu: nach Sinopharm und Sputnik V aus Russland CanSino. Damit weicht Ungarn stark von der EMA ab. Ungarn schert in der Regel auch bei Beschlüssen aus, die die EU betreffen. Die Position ist immer mehr pro Israel.  Der Regierungschef Orban gerät auf die Liste "Feinde der Pressefreiheit".  Schon lange schwelt der Justizstreit mit Polen. Im Herbst 2021 muss auch die EU-Kommission eingreifen. EU-Recht habe Vorrang vor nationalem Recht in Polen. Es drohen Mittelkürzungen. Rund ein halbes Jahr vor der Parlamentswahl in Ungarn wirft Orban der EU Feindseligkeit vor. Er hält eine Brandrede gegen die EU. Die EU verhängt Ende Oktober 21 ein Zwangsgeld gegen Polen, wegen der Nicht - Akzeptanz höchstrichterlicher Entscheidungen. Polen muss täglich eine Million Euro zahlen. Im Rechtsstreit mit der EU zeichnet sich Ende 21 eine juristische Niederlage von Polen und Ungarn ab. Es droht eine Kürzung von EU-Geldern. Beim Demokratiegipfel mit Biden darf Premier Orban aus Ungarn als einziger Staatschef nicht mitmachen (keine Einladung). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) fällt im Februar 2022 ein Urteil: Rechtsstaatsmechanismus und Ahndung. Damit können betroffenen Ländern im letzten Schritt EU-Mittel gekürzt werden. Orban in Ungarn wird als Putins Trojanisches Pferd bezeichnet. In der Wahl in Ungarn entscheiden die Menschen auch über sein autokratisches Regime. Er gewinnt die Wahl wieder mit Zwei-Drittelmehrheit. Damit zementiert Orban seine Stellung im eigenen Land, in der EU wendet man sich weiter ab. In Slowenien sind die Liberalen bei der Wahl vorne (oppositionelle Freiheitsbewegung GS). Die EU eröffnet gegen Ungarn ein Verfahren (Korruption, öffentliche Auftragsvergabe, Parteienfinanzierung und andere Verstöße). Am Ende dürften Fördermittel gekürzt werden. Beim Öl-Embargo gegen Russland ist man dann wieder auf Ungarn angewiesen. Im Sommer 2022 gibt es mal wieder einen Rüffel aus Brüssel: Die EU-Kommission mahnt Polen und Ungarn wegen mangelhafter Rechtsstaatlichkeit. Gegen Ungarn wird ein Verfahren eingeleitet (Homosexuellen-Gesetz). Orban macht eine Aussage über Rassenmischung, die kritisiert wird. Er rät auch der EU, die Hilfe an die Ukraine einzustellen. Polen will 2022 1,3 Bio. € von der deutschen Regierung 83 Jahre nach Beginn des 2. Weltkrieges als Reparation. Im September 22 will die EU Ungarn den Geldhahn zudrehen. Die Kommission plant Milliarden-Kürzungen ( 7,5 Mrd. €). Grund sind Rechtsverstöße. Orban will das Volk befragen, ob es die Sanktionen gegen Russland will. Gleichzeitig droht er mit der Blockade von EU-Beschlüssen, wo sie einstimmig sein müssen. Das macht er dann auch: Er blockiert 18 Mrd. € für die Ukraine. Diese Blockade umgeht die EU (Garantie für Kredite werden von den EU-Staaten übernommen).  Bei der Wahl in der Slowakei könnte das nächste Land nach rechts rücken. Die Populisten Smer - SSD scheinen Chancen zu haben. Damit könnte Fico neuer Ministerpräsident werden. Er ist Ukraine kritisch und Russland freundlich. Er gewinnt auch die Wahl, braucht aber einen Koalitionspartner. Die liberale Fortschrittspartei von Simecka wird zweite. Die Regierungsbildung dürfte schwierig werden. Fico bringt dann eine Dreierkoalition zustande. Der Slowakische Premier Fico wandelt auf Orbans Spuren. Es kommt auch ein Angriff auf die Justiz. Dann nimmt er die Medien ins Visier (vor allem Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Senders). In Polen verliert PiS die Wahl. Tusk kann eine Regierung bilden. Präsident Duda (von der PiS) versucht, die Regierungsbildung hinauszuzögern 8er beauftragt zuerst Morawiecki von der PiS als stärkste Fraktion mit der Regierungsbildung). Wenn Tusk Premier wird, kann Polen auf Milliarden € hoffen (Freigabe des Corona-Aufbaufonds, gesperrt wegen fehlender Rechtsstaatlichkeit). Schließlich wird der Pro-Europäer Tusk im Dezember 23 Regierungschef Polens.  Die neue Regierung will der PiS die öffentlichen Medien entwinden. Es findet vor allem ein Kampf um Polens Fernsehen statt. Das Ganze weitet sich zu einem Machtkampf aus. Die neue Regierung will zu Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung zurück. Doch dabei stößt sie auf massiven Widerstand der abgewählten PiS-Partei. Die EU-Kommission gibt im März 24 Milliarden für Polen frei (137 Mrd. €, darin auch Darlehen und Zuschüsse). Im April 24 wird in der Slowakei ein neuer Präsident gewählt. Mit 53% gewinnt Peter Pellegrini. Damit begibt sich das Land auf den Weg von Ungarn zu einem autokratischen Staat. Er will keine Militärhilfe mehr an die Ukraine geben. Der Regierungschef Robert Fico wird bei einem Attentat schwer verletzt.  Er schwebt lange in Lebensgefahr. Insgesamt haben die Visegrad - Staaten 2024 immer non einen großen Wettbewerbsvorteil. Vgl. Schröder, C./ Selle, S.: 20 Jahre nach der EU-Erweiterung: Visegrad-Länder haben weiterhin einen Vorteil bei der Kostenwettbewerbsfähigkeit, in: Wirtschaftsdienst 6/ 2024, S. 372-376. In der Slowakei bringt die Regierung im Juni 2024 den Rundfunk unter ihre Kontrolle. Vertreibungen von Deutschen aus den Ostgebieten ist ein Tabuthema. Zum Beispiel waren 1918 bei Gründung der Tschechoslowakei 23% der Bevölkerung Deutsche. Ein gutes Beispiel ist Usti nad Labem (früher Aussig an der Elbe).

Weimarer Dreieck: Trilaterale Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Frankreich und Polen. Insbesondere bei Erweiterungen soll es bessere Abstimmungen geben. Man redet auch über EU-Institutionen. Die Gespräche werden im Januar 2024 wieder belebt. Die drei Außenminister Sejourne, Baerbock und Sikorski treffen sich in Berlin.  Am 15.3.24 treffen sich Bundeskanzler Scholz, der französische Präsident Macron und der polnische Ministerpräsident Tusk in Berlin. Das Treffen dient dem Ziel, Einigkeit in der Ukraine-Strategie zu erzielen. Das Vordringen der Rechten in Frankreich könnte die Zusammenarbeit gefährden. Deutschland will Polen Hilfen anbieten für Opfer der Besatzung in Polen.

Ungarn als Präzedenz - Fall: Im September 22 will die EU Ungarn den Geldhahn zudrehen. Die Kommission plant Milliarden-Kürzungen ( 7,5 Mrd. €). Grund sind Rechtsverstöße. Orban will das Volk befragen, ob es die Sanktionen gegen Russland will. Gleichzeitig droht er mit der Blockade von EU-Beschlüssen, wo sie einstimmig sein müssen. Das macht er dann auch: Er blockiert 18 Mrd. € für die Ukraine. Diese Blockade umgeht die EU (Garantie für Kredite werden von den EU-Staaten übernommen). Schließlich muss Orban nachgeben: Er stimmt der EU-Mindeststeuer und der Ukraine-Hilfe zu. Dafür bekommt er knapp 2 Mrd. €.  6,3 Mrd. € bleiben blockiert. Ebenso 5,3 Mrd. € Corona-Hilfe (diese können verfallen. Dies ist ein wichtige Zeichen für alle EU-Staaten. Doch Orban scheint Allmacht-Pläne zu haben. Mit einem "Souveränitätsgesetz", das der Opposition finanzielle Hilfe aus dem Ausland verbietet, macht er 2023 weiter. Außerdem läuft wieder eine Anti-Europa-Kampagne. Ungarn blockiert auch den Nato-Beitritt Schwedens (Freigabe von blockierten Geldern, Kooperation mit Russland). Schließlich kommt es 2023 im Dezember vor dem EU-Gipfel zur Freigabe von 10 Mrd. € trotz Kritik an der Rechtsstaatlichkeit. Man erwartet von Ungarn Zustimmung für die Beitrittsverhandlungen der Ukraine und für den langfristigen Haushalt bis 2027.  Im Dezember 23 verwendet Orban Putins Worte: Er spricht in Bezug auf die Ukraine von Operation, weil es keine Kriegserklärung gebe. Orban pflegt enge Beziehungen zu Putin. 2024 bekommt aber Orbans Macht Risse. Es gibt einen Pädophilie-Skandal: Ungarns Präsidentin und die Justizministerin treten zurück. Ungarn wird 2024 wohl auch die Zustimmung zum Nato-Beitritt Schwedens geben. Beide Länder vereinbaren einen umfassenden Rüstungsdeal. Ungarn erhält Kampfflugzeuge aus Schweden. Tatsächlich stimmt das Ungarische Parlament im Februar 24 dem Beitritt Schwedens zu. Der bisherige Verfassungsrichter Tamas Sulyok wird zum Staatspräsidenten gewählt. Es häufen sich Demonstrationen in Ungarn, die sich gegen Missstände im Land richten. Sie werden auch immer größer. Ungarn gleicht einem korruptionsanfälligen Feudalstaat. 30 Prozent des ungarischen BIP speist das Geflecht, aus dem sich Orban und seine Günstlinge bedienen. Vgl. WiWo 19/ 3.5.24, S. 33ff. Ungarn ist das Einfallstor Chinas in die EU. Es ist ein wichtiger Teil der Neuen Seidenstraße, weil wichtige Eisenbahntrassen durch das Land führen. China tätigt auch DI, wie z. B. den Bau großer Batterie-Fabriken (ohne große Beachtung von Umweltauflagen). Deshalb bleibt Xi auch 3 Tage bei seinem EU-Besuch im Mai 24  in dem Land. EU-Firmen will Orban mit immer dreisteren Tricks aus dem Land vertreiben. Im Juni 2024 erlässt der EuGH eine hohe Strafe für Ungarn wegen Flüchtlingspolitik. Die Rekordstrafe beträgt 200 Mio. €  wegen Verstößen gegen das EU-Asylrecht.   Vgl. Der Spiegel 20/ 11.5.24, S. 57. Im Juli 2024 macht Orban einen neue Kampfansage an die EU. Mit den "Patrioten für Europa" will er eine rechte Allianz etablieren. Vgl. HB 2.7.24, S. 9. Sobald Orban die Rats-Präsidentschaft angetreten hat, reist er in die Ukraine, Russland und China. Er hat kein Mandat der EU. Am 7.7.24 ist er in Peking. Er hat ein Gespräch mit Xi. Themen sind der Ukraine-Krieg und Ungarn als Zugang zur EU. Orban gründet im Europa-Parlament eine Rechts-Außen-Fraktion, die sich Patrioten für Europa nennt. Sie hat 84 Sitze und ist drittstärkste Kraft. Fraktionsvorsitzender wird Barella aus Frankreich. Wegen Orbans Politik will die EU Ungarn boykottieren. Im August 2024 sieht die EU eine mögliche Gefahr durch neue Visa - Regeln in Ungarn. Das könnte eine Sicherheitsbedrohung sein, weil Spione leichter in die EU gelangen. Im September 24 behält die EU Fördergelder ein, weil Ungarn eine Strafe von 200 Mio. € nicht bezahlt. Im Oktober 24 gibt es eine hitzige Debatte im EU-Parlament. Orban fetzt sich mit Von der Leyen. Sie spricht davon, dass Orban die Sicherheit untergräbt. Er spricht von "Intifada". Vgl. FAZ 10.1024, S. 1

Westbalkan: Beitrittskandidaten für die EU sind Kosovo, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro sowie Nordmazedonien (Bemühen seit 20 Jahren). Im Oktober 2024 findet eine Westbalkan-Konferenz in Berlin statt, die eine EU-Annäherung des Westbalkans bringt. Es gibt einen Durchbruch bei der regionalen Zusammenarbeit. Es gibt Kritik an nationalistischer und spaltender Rhetorik.

Kernstaaten der EU (größte Länder, Wirtschaftsituation):  Italien muss ein Sparpaket machen. 2016 geraten die Banken Italiens außer Kontrolle, die auf hohen faulen Krediten sitzen. Der Staat muss eingreifen (die EU toleriert Rechtsbrüche). 2013 macht das Patt mach der Wahl Europa Angst. Die Reformen der neuen Regierung versanden 2014: BIP seit 2004 -3,5%; ALQ 12,3%; Entwicklung der Industrie seit 2007 -23,4%. Im Herbst 2014 macht die Regierung ein Reformwerk (Korrekturen am Staatshaushalt). Für 2015 wird nach längerer Zeit wieder ein Wirtschaftswachstum erwartet (+0,6%). In Großbritannien zeigen sich Mitte 2009 zwar positive Signale für die Wirtschaft (-4,75% 2009, +0,9% 2010), aber die Rezession hält an (Haushaltsdefizit 2010 -12,9%, ALQ 2009 8 %) . Eine höhere Sparquote der privaten Haushalte schnürte dem bedeutenden Dienstleistungssektor den Hals ab. 2010 droht GB ein ähnliches Schuldendesaster wie Griechenland. Das Pfund stürzt ab, die Arbeitslosenzahlen steigen stark an, das Wachstum ist mau. GB steht auch 2012 am Rande einer Rezession. Die Gräben zwischen Arm und reich werden größer (auch sonst ist das Land gespalten: Schotten, Europa-Freunde und Gegner). 2013 zeichnet sich ein Aufschwung der Wirtschaft ab (aber Abhängigkeit von privatem Konsum und Staatsausgaben). Am 18. September 2014 findet ein Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands statt. Die Nationalisten holen immer mehr auf. Die Regierung ist auf ein Ja zur Unabhängigkeit wenig vorbereitet. 2014 erreicht GB ein Rekordwachstum mit 2,8% (höchste Wachstum unter den klassischen Industrienationen der EU). Am 7. Mai 2015 wählt Großbritannien (auch wichtig für das geplante Referendum 2016). Die Briten stimmen für den Brexit. Brexit - Folgen bremsen das britische Wachstum. Im dritten Quartal 2019 wächst die Wirtschaft nur noch um 1,0%. Am 31.01.2020 verlässt GB die EU (Brexit).  In Spanien bricht der Immobilienmarkt 2007 ein, auch der Baubereich sinkt rapide. Damit beginnt eine Wirtschaftskrise. der Arbeitsmarkt funktioniert nicht richtig. Im Jahre 2009 gab es 19% Arbeitslosenquote (2010 bei 20%), negativ ist auch das enorm hohe Außenhandelsdefizit mit 10% des BIP. Das BIP ist auf Talfahrt. Den Sparkassen steht das Wasser bis zum Hals, alle Banken sind angeschlagen (16,5% des Geldes der EZB). Das Land ist in Stagnation. Mehr als 20% der Spanier rutschen 2011 unter die Armutsgrenze. 2012 legt das Land ein radikales Anti-Krisenpaket auf (geringeres Haushaltsdefizit, Steuererhöhungen, weniger öffentliche Investitionen). Die Arbeitslosenquote steigt 2012 auf 25%. Spanien muss unter den Rettungsschirm. Im Herbst 2013 bringen der Export und der Tourismus Spanien aus der Rezession (aber noch 5,6% Defizit 2014). 2014 erholt sich Spanien schneller als erwartet (1,4% Wachstum, 2015: 2,0%). 2015 wird Spanien zum Vorzeigeland in Europa. Es hat die Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangt (BIP +2,5% 2015 als Prognose). Tatsächlich wächst das BIP von April bis Juni 2015 schon um 1% (stärkster Anstieg seit 2007). Auch 2017 setzt sich der positive Trend fort. Im Oktober 2017 setzt das Spanische Kabinett Kataloniens Regierung ab (wegen Rebellion). In Frankreich wächst die Wirtschaft nur mäßig und erreicht ein Rekord-Handelsdefizit, die Probleme wachsen insgesamt. Das Haushaltsdefizit beträgt 2009 -7%, 2010 -8,2% (2013 will man wieder auf 3,0% kommen). Die Jugendarbeitslosigkeit ist sehr hoch (23%), die Arbeitslosenquote liegt insgesamt 2013 bei 12%. 2014 liegt sie noch bei 10,5%. 2012 soll ein Reformpaket kommen (Erhöhung Mehrwertsteuer, Senkung Sozialabgaben, Finanztransaktionssteuer). Prognose der OECD für 2013: Verschuldung 108,2; Defizit 3,4%; Wachstum 0,3%. Man einigt sich 2013 auf eine Arbeitsmarktreform (mehr Flexibilität). Anfang 2014 verordnet der Staatspräsident Hollande einen Sparkurs: Staatsausgaben senken, Steuern senken (aber noch 3,9% Defizit 2014; 2015 4,3%; Gesamtverschuldung 97%). Im Januar 2015 steigt die Arbeitslosigkeit auf einen neuen Höchststand (3,5 Mio.) Die EU gibt dem Land weitere zwei Jahre Zeit, um sein Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen. 2016 steigt die ALQ auf 9,9%, die Staatsverschuldung auf 96,8%, das Wirtschaftswachstum liegt bei 1,25%. Gelbwesten demonstrieren für Reformen im sozialen Bereich. Am 22. Januar 2019 schließen Deutschland und Frankreich einen neuen Freundschaftsvertrag (feierlich in Aachen). Es geht um Kooperationen in vielen Bereichen. Die Gelbwesten wollen zur Europawahl antreten. Das Wirtschaftswachstum ist 2018 (1,7%) und 2019 (1,2% geschätzt) höher als in Deutschland. Ende 2019 protestieren Hunderttausende gegen die Rentenreform. In Österreich zerfällt die Regierungskoalition im Mai 2019. Österreich steht vor Neuwahlen. Vizekanzler und FPÖ-Chef Strache ist nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos zurückgetreten.

Stabilisierungs-Mechanismus der EU ("Euro-Schutzschirm", Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, Art. 122 des EU-Vertrags, EFSF): Am 09.05.10 in der Griechenland-Krise gegründet von den Finanzministern Eurolands als Schutzschirm. 60 Mrd. Sofort-Hilfe bei Zahlungsbilanzproblemen (EU-Kommission am Kapitalmarkt aufnehmen und als Notkredite geben). Kauf von Anleihen angeschlagener EU-Länder durch die EZB (wird schon 2011 massiv durchgeführt, obwohl Bedingungen noch nicht erfüllt sind). Deutschland und Frankreich als Garantiemächte (bilaterale Garantie). Insgesamt verfügt der Fonds über Mittel von 780 Mrd. € (60 Mrd. € EU-Kommission, 440 Mrd. € Euroland/ Bürgschaften (Zweckgesellschaft zur Kreditbeschaffung), 250 Mrd.€ IWF). Deutschland trägt davon maximal 211 Mrd. € (Anteil plus 20% Risiko-Puffer, 27,15%). Verhindern und Abwehr von Spekulationen gegen den Euro und Hilfe bei Staatsbankrott (Aufhebung des Schulden-Haftungsverbots aus dem Euro-Gründungsvertrag, No Bailout - Klausel). In Not geratene Staaten können Kredite bekommen, ohne die überhöhten Zinsen an den Kapitalmärkten zahlen zu müssen. Sanktionen gegen Defizit-Länder werden verschärft (Streichen von EU-Strukturmittel, verlieren von Stimmrechten). Das Programm ist auf drei Jahre begrenzt, es soll aber ein dauerhafter Mechanismus geschaffen werden. Der IWF will seine Unterstützungszahlungen erhöhen. Wahrscheinlich entsteht ein indirekter Transfermechanismus, der den Ankauf von Staatsanleihen regelt. Es zeigt sich immer mehr ein Konstruktionsfehler der Europäischen Währungsunion: sie hat ein starkes geldpolitisches, aber ein schwaches finanzpolitisches Standbein. Ende 2010 beschließt die EU einen dauerhaften Rettungsschirm, der aber vorerst nicht erhöht wird. Eine echte Transferunion wäre aber wohl der Ruin des Euro und würde die EU-Gegner stärken (Rechtspopulisten" wie z. B. in Finnland). "Wir müssen dafür sorgen, dass Italien nicht mehr für das schwache Glied in der Kette Europas gehalten wird", Mario Monti 2011 als Regierungschef Italiens.

Dieser Dauerrettungsschirm (Euro-Rettungsfonds, Europäischer Stabilitätsmechanismus, ESM, Klaus Regling Chef, seit 08.10.12 Arbeit aufgenommen) sieht wie folgt aus: Höhe 750 Mrd. €, EU-Anteil 500 Mrd. € (60 EU-Haushalt, 440 EU-Staaten), IWF 250 Mrd. €; 2010 wurden 4% in Anspruch genommen. Deutschland muss etwa 211 Mrd. € tragen (Schätzungen des Ifo und der Deutschen Bank liegen zwischen 400 und 465 Mrd. €). Allerdings müssen in den kommenden Jahren 22 Mrd. € zeitlich gestaffelt in Bar eingezahlt werden (80 Mrd. € als Bar-Kapital von der EU). Eventuell ist eine Aufstockung notwendig, wenn Spanien oder Italien kriseln. Geplant sind 780 Mrd. € (reicht Volumen?). Zeit: Ab 2013 gilt er (soll auf 2012 vorgezogen werden). Die EFSF-Geschäfte wickelt eine 2010 in Luxemburg gegründete Aktiengesellschaft ab (sie braucht die AAA-Bonität).  Sie heißt EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität).  Sie ist als Zweckgesellschaft für das EU-Kreditvolumen verantwortlich. Es soll eine "Wirtschaftsregierung" der Euro-Zone entstehen (bessere Koordinierung). Die Konzeption wird 2011 von Deutschland und Frankreich noch mal bekräftigt. Es gibt zusätzliche Maßnahmen wie Eingriffe in nationale Haushaltspolitik und deren verschärfte Überwachung (Wettbewerbspakt, siehe oben). Auf dem Gipfel Anfang 2012 wird die Schuldenbremse von 25 Staaten beschlossen (ohne GB und Tschechien). Die Ausleihkapazität und der Aktionsradius sollen erweitert werden. Ein Beschluss der EU erfolgte Ende März 2011. Meiner Meinung nach müssten die öffentlichen Einnahmen höchste Priorität bekommen, was auf eine Unternehmensteuerharmonisierung hinausliefe. Das "Plenum der Ökonomen" (189 deutsche Volkswirte) lehnt den weiteren Ausbau des Euro-Rettungsschirms ab. Sie fordern eine Insolvenzordnung für Staaten. Mehrheitlich lehnen die Ökonomen auch mehr Fiskalkompetenz für die EU ab. Vgl. Mehr Fiskalkompetenz für die EU? in: Wirtschaftsdienst 2011/ 2, S.79ff. Auch der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen kritisiert die Beschlüsse, weil sie die Geberländer überforderten. Der Schirm muss immer wieder überprüft werden, da ein Überspringen der Schuldenkrise auf Italien und Spanien im Raum steht. In Deutschland ist umstritten, inwieweit der Bundestag zustimmen muss. Das Bundesverfassungsgericht fällt dazu ein Urteil im September 2011: weitere Rettungsaktionen nur mit Zustimmung des Bundestages, die Haushaltsautonomie des Bundestages darf nicht gefährdet werden. Die die Zustimmung zum EFSF gibt der Bundestag Ende September 2011 (211 Mrd.€). Im Dezember 2011 kündigt S&P an, den Euro-Rettungsschirm eventuell herabzustufen. Dies könnte nach der Heranstufung Frankreichs im Januar 2012 geschehen. So kommt es im Januar 2012: S&P entzieht dem EFSF das AAA. Italien fordert eine Aufstockung, um die eigenen Zinsen abzusenken (auf 1 Billion €). Deutschland lehnt dies im Januar 2012 ab, sagt aber eine Überprüfung für März 2012 zu. Es wird erwogen, neben dem Dauerrettungsschirm auch den Stabilisierungsmechanismus weiter laufen zu lassen. So wird eine neue "Brandmauer" errichtet, die den EU-Anteil auf 800 Mrd. € anhebt (Haftungsrisiko für Deutschland steigt auf 280 Mrd. €). Die endgültige Höhe wird 2013 festgelegt. Der Start 1. Juli 2012 verzögert sich durch das Bundesverfassungsgericht. Die Vergabe von Krediten an Staaten soll vereinfacht werden. Der ESM darf zukünftig Staatsanleihen aufkaufen (EU-Gipfel Mitte 2012). Über die Zusatzvereinbarungen auf dem EU-Gipfel muss das Bundesverfassungsgericht wieder entscheiden (Klage der Partei Die Linken, Gericht will sich Zeit lassen, Entscheidung 12. September, Verletzung der Budgetrechts?). 37.000 Klagen liegen 2012 gegen den ESM vor. Das Bundesverfassungsgericht gibt grünes Licht, stellt aber Bedingungen (190 Mrd. € Deckel bei der Haftung, Rechte des Bundestages gestärkt). Der Europäische Gerichtshof billigt auch den Rettungsschirm ohne Einschränkungen. Die Rating-Agentur Moody´s entzieht dem ESM die Bestnote (von Aaa auf Aa1). Im Dezember 2013 kann Irland aus dem Rettungsfonds aussteigen. Spanien kündigt an, dass es keine weiteren Hilfen mehr benötigt. Im März 2014 sagt das Bundesverfassungsgericht ja zum ESM, aber mit Auflagen: keine versteckten Pflichten, Bundestag muss Herr bleiben, Deutschland darf nicht überstimmt werden, absehbare Hilfszahlungen in die Budgetplanung, Bundestag bestimmt mit. Der neue EU-Chef Juncker will das Geld des Rettungsschirms 2014 für Investitionen abzweigen. Es könnte sich eine Kreditkapazität von 500 Mrd. € ergeben. Die EU will den ESM in Zukunft in einen Europäischen Wahrungs-Fonds überführen. Noch offen ist die Führung (EU-Kommission oder Finanzminister). Das Projekt könnte am deutschen Grundgesetz scheitern: Hoheitsrecht für Haushalt national. Im Herbst 2018 gibt es Streit über die Zuständigkeit bei Verschuldung. Die EU - Kommission, Griechenland, Italien und Frankreich wollen die Zuständigkeit bei der EU-Kommission. Die anderen Länder plädieren für den ESM. Beim Treffen der Finanzminister im Dezember 2018 wird beschlossen, dass der Euro-Rettungsschirm nun früher eingesetzt werden kann. So wird der Schutz gegen künftige Finanzkrisen verbessert. Alle Staaten der Euro-Zone machen mit. In der Corona-Krise 2020 kommt der ESM wieder zum Einsatz. Über 400 Mrd. € stehen als Sicherheiten für Staaten zur Verfügung (240 Mrd. € Kreditlinie). Bis Juli 2020 werden diese Mittel aber nicht abgefragt. Ende November 2020 einigen sich die Finanzminister auf eine Reform des ESM:  bessere Bewältigung künftiger Finanz- und Wirtschaftskrisen, Stärkung des Bankensektors, vorsorgliche Kreditlinien, Rückversicherung SRF in Luxemburg. Im Bundestag wird das Gesetz vorerst gestoppt, obwohl es durch alle Gremien gegangen ist. Eventuell ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.  "Europa muss ein klares Konzept gegen die Krise vorlegen. Es muss erst seine Hausaufgaben machen", Wen Jiabao, Chinas Premierminister beim Merkel-Besuch im Februar 2012.

"Hebel" des Eurorettungsschirms: Zusätzlich zu den 440 Milliarden Euro Volumen (eigentlich nur die 250 Mrd. €, die noch nicht als Kredite vergeben sind) werden Staatsanleihen der Eurokrisenländer versichert (z. B. zu 20-30%). Damit käme man auf eine erweiterte Finanzkraft von 1 Billionen Euro. Investoren kaufen Staatsanleihen und tragen Restrisiko. Der EFSF versichert teilweise gegen den Ausfall (Versicherungslösung, der Investor erhält maximal 20% vom Treuhänder). Das private Risiko könnte aber den Einstieg vieler Investoren verhindern. Eventuell soll die Absicherung über die Plattform IWF erfolgen, so dass auch China und andere Schwellenländer einsteigen können. Ziel insgesamt ist eine größere Wirkung und die Stärkung des Vertrauens bei Banken und Anlegern. Die Garantiesumme soll aber insgesamt nicht aufgestockt werden. Es geht in erster Linie um die Gewinnung von Zeit, um tragbare Regeln zu entwickeln. Als Alternativmodell wird in einer Zweckgesellschaft privates und öffentliches Geld zusammengeführt (Frankreich). Darin könnten Investitionen aus den Ölförderländern (Staatsfonds) und China aufgenommen werden. Man hätte dann das höchste Rating AAA (bei allen drei US-Ratingagenturen). Es gibt eine geregelte Rückzahlung. Alle Investoren erhalten ihr Geld zurück (EFSF nachrangig). Es sind auch Kombinationen zwischen beiden Modellen denkbar. Als historische Vorlage gilt das Vorgehen, dass der frühere amerikanische Finanzminister N. F. Brady in den achtziger Jahren für die Entschuldung Südamerikas entwickelt hatte (Brady-Bonds). Die Gläubigerbanken verzichten auf 50% und tauschen ihre Papiere in neue um (EU und IWF garantieren für 30 Mrd. €). Eine Verlagerung der Entscheidungsgewalt vom Bundestag auf ein Sondergremium (9 Personen) ist laut Bundesverfassungsgericht  nicht möglich. Es wird auch erwogen, die Anleihen in der chinesischen Landswährung Renmimbi auszugeben, wenn die chinesischen Behörden eine Genehmigung erteilen. China verweist allerdings beim Merkel-Besuch im Februar 2012 darauf, dass Europa erst selbst die Hausaufgaben machen müsse. Vom wohlhabenden Deutschland wird mehr Vorleistung erwartet, bevor das Schwellenland China aktiv wird. "Was macht Mutter, wenn´s an der Tür schellt, und draußen steht die Verwandtschaft? Sie geht in die Küche, und man hört das Rauschen des Wassers, mit dem sie die Suppe streckt. So funktioniert der Hebel. Er macht die Suppe dünner", Hilmar Kopper, in Der Spiegel, 52/2011, S. 63.

Der Stabilitätspakt (Europäischer Stabilitätsmechanismus, ESM) soll insgesamt reformiert werden (Bankrott von Staaten möglich machen, Verlust von Stimmrecht bei Verstoß gegen den Stabilitätspakt). Basis sind die Maastrichtkriterien: jährliche Neuverschuldung von maximal 3%, Gesamtverschuldung von höchstens 60% des BIP. Die Haushaltsüberwachung in den Mitgliedsstaaten soll verbessert werden. Eurostat bekommt dazu zusätzliche Befugnisse. Die EU will einen Sanktionsmechanismus einrichten (viele Experten halten das Auflagensystem für Augenwischerei!). Die Finanzmarktregulierung soll verstärkt werden. Ein Frühwarnsystem soll Fehlentwicklungen (z. B. bei den Lohnstückkosten oder der Produktivität) aufzeigen. Eventuell soll ein Europäischer Währungsfonds eingerichtet werden. Dieser wäre allein schon wegen Großbritannien notwendig, das den Euro ablehnt. Der Stabilisierungsmechanismus hat die EU zu einer Haftungs-Union gemacht. Hoffentlich gibt es weitere Schritte Richtung politische Union. Positiv ist die Beteiligung des IWF und der Sparzwang. Die Eigentümer von Ramschanleihen werden zu sehr geschont. Der Euro-Stabilitätspakt soll gefestigt werden, indem Defizitsünder das Stimmrecht verlieren sollen. 2010 soll der Mechanismus dahingehend verändert werden, dass private Gläubiger in Mithaftung genommen werden können. Dies wäre eine entscheidende Maßnahme, denn bisher werden nur die Gewinne privatisiert und die Verluste der Banken sozialisiert. Dafür haben die Bevölkerung und die kleinen, stabilen Länder kein Verständnis. Der Grundstein für eine Transferunion scheint gelegt. Es wird versucht, vorbeugende Kreditlinien zu entwickeln, mit denen finanzschwachen Ländern geholfen werden soll. Den Banken sollen möglichst schnell Finanzspritzen bereitgestellt werden. Auf dem EU-Gipfel 2012 werden die Regeln für Finanzhilfen gelockert. Ein Ankauf von Staatsanleihen ist möglich. Nun gilt ein verbindlicher Zeitplan, der von der Troika überprüft wird. Wieder einmal dringen Frankreich und Italien 2014 auf eine Aufweichung der EU-Regeln für Haushaltsdisziplin. Dies ist allerdings gar nicht notwendig. Schon jetzt ist der Pakt sehr flexibel. 2014 kann das Defizitverfahren gegen sechs Länder eingestellt werden (Belgien, Tschechien, Dänemark, Niederlande, Österreich, Slowakei). Gegen 11 Länder läuft das Verfahren weiter. Auf dem EU-Gipfel im belgischen Ypern im Juni 2014 geht es doch noch einmal um eine Aufweichung des EU-Stabilitäts-Paktes und um die Besetzung des Chefpostens der EU-Kommission. 2022 soll der Stabipakt reformiert werden. Lindner will drei Regeln verbindlicher machen: jährlicher Finanzplan kann nicht zugelassen werden; 0,5% beim  mittelfristigen Haushaltsziel; jedes Jahr mindestens ein Zwanzigstel Schulden abbauen.  "Heute kommen wir in der Erwartung und der Hoffung, dass das Euro-Abenteuer zu Ende geführt wird", Karl Albrecht Schachtschneider (ehemals VWL-Professor) vor der Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts über die Euro-Rettung.

Europäischer Stabilitätspakt und Corona: In der Corona-Pandemie haben die europäischen Regierungen den Stabilitätspakt ausgesetzt. Kritiker sehen das als Chance, das komplette Regelwerk zu reformieren. Die lästigen Haushaltsvorgaben aus Brüssel sollen aufgeweicht werden. Mitte 2021 ist noch nicht absehbar, wohin die Reise geht. Umstritten sind infizierte Staatshaushalte und negative Nettoinvestitionen. Vgl. Wettlach, Silke: Gute Schulden, schlechte Schulden, in: WiWo 30/ 23.7.21, S. 36ff.

Europäische Hilfsunion: 2013 soll ein Beistandspakt entstehen, der sich um jene Länder kümmert, in denen nicht mit dem Euro gezahlt wird.  Ein Teil der Finanzmittel soll aus dem ESM kommen. Andere Finanzhilfen kommen aus der EU-Zahlungsbilanzhilfe-Fazilität. 

2012 kommt noch ein neuer Fiskalpakt hinzu. Dieser tritt in Kraft, wenn ihn 12 der 17 Euro-Staaten ratifiziert haben. Großbritannien und Tschechien machen nicht mit. Die zulässige Defizitobergrenze wird bei 0,5% der Wirtschaftsleistung festgelegt (Schuldenbremse). Dies soll auch in nationalem Recht verankert werden. Beim Gesamtschuldenstand von über 60% müssen jährlich mindestens ein Zwanzigstel abgebaut werden. Mitgliedsstaaten können vor dem europäischen Gerichtshof verklagt werden. Staaten, die ihn bis 2013 nicht ratifiziert haben, bekommen keine Mittel aus dem europäischen Rettungsfonds. Die Opposition in Deutschland stimmt bei Einführung einer Transaktionssteuer zu (plus Wachstumspaket). Die Bundesländer wollen nach der Zusage zustimmen, dass die Länder im Hinblick auf ihre Kommunen entlastet werden (Sozialausgaben: Kita, Eingliederungshilfen für Behinderte, Grundsicherung im Alter). Diese Zustimmung wird 2013 erst mal verweigert. Der Fiskalpakt ist die Voraussetzung für den nächsten Schritt: eine integrierte Fiskal- und Wirtschaftsunion. Dafür müssen Länder, insbesondere in der Haushaltspolitik auf Souveränitätsrechte verzichten.   "Die Märkte haben überreagiert und uns keine Zeit gelassen, mit politischen Maßnahmen auf die Krise zu reagieren", Giorgos Papandreou, Premier Griechenlands. "Der Fiskalpakt, der das Problem der Überschuldung an der Wurzel packen soll, wird nur noch schleppend und halbherzig umgesetzt. In den geänderten nationalen Verfassungen gibt es zu viele Ausnahmeregeln, die ihn aushöhlen können", Hans Peter Grüner, Professor für Volkswirtschaftslehre, Uni Mannheim.

Euro-Bonds (Staatsanleihen der Euroländer der EU) sind vorläufig kein Thema mehr. Sie werden aber immer wieder gefordert (Italien). Die schwachen Länder würden profitieren, die starken müssten höhere Zinsen bezahlen. Umstritten wären Beschränkung des Volumens und Auflagen. Mittlerweile befürworten Grüne und SPD in Deutschland die Bonds, die FDP lehnt sie vollkommen ab. Wichtig ist die Kosten- Nutzenanalyse. Eine Stützung eines sehr wichtigen Landes wäre sicher teuerer als die Bonds. Wenn die bestehenden Rettungsschirme nicht ausreichen, wäre die Lösung vielleicht billiger. Gegen einzelne Staaten könnte nicht mehr spekuliert werden. Referenzgröße würden die US-Staatsanleihen. Andererseits müssten die haushaltstechnischen und finanzpolitischen Rahmenbedingungen erst geschaffen werden. Die Wurzel des Problems liegt allerdings bei den öffentlichen Haushalten der Staaten, hier muss auch jede Lösung ansetzen. Bei Einführung des Euro wurden diese Probleme alle vorhergesehen, aber eine solche Finanzkrise wie 2008 war unabsehbar. Wissenschaftlich sind wichtige Aspekte noch unerforscht wie Voraussetzungen, Haftung, exakte Zinskosten, Wirkungen und finanzpolitischer Handlungsspielraum. Wichtig wären die Optionen (komplett nationale Anleihen ersetzen, Begrenzung auf bestimmte Höhe, anteilige Haftungserklärung).  Die Rating -Agentur S&P erklärt 2011, dass sie Eurobonds nur mit einem CC-Level bewerten würde. Die Eurobonds würden zu einem Dilemma führen: Stabilitätsdisziplin leidet oder Einfallstor zur Transferunion. Trotzdem bringt im November die EU-Kommission das Thema wieder auf die Tagesordnung ("Stabilitätsbonds", drei Modelle), weil sie  Eurobonds als Mittel zur Milderung der Schuldenprobleme ansieht. Deutschland ist weiterhin strikt dagegen. Man wird aber eine adäquate Lösung finden müssen. Für zweijährige Staatsanleihen muss Deutschland Ende Mai2012 keine zinsen mehr zahlen. Für 10-jährige Anleihen werden 1,6% berechnet. Die Peripherieländer können unmöglich Zinsen zwischen 6 und 7% bezahlen. Im Juni 2012 wird die Idee der Euro - Bills (Euro-Bonds light) geboren. Die Laufzeit wäre viel kürzer (3 Monate bis 1 Jahr). Das Volumen soll begrenzt werden. In den Gesetzen müsste die No-Bailout-Klausel geändert werden. Die Wissenschaft unterscheidet Redbonds (garantiert nur durch den die Anleihe ausgebenden Staat) und Blue Bonds (Garantie durch die Gesamtheit aller Staaten des europäischen Währungssystems). 2018 will die EU-Kommission neue Eurobonds auflegen, um Europas  Krisenstaaten zu helfen. Das könnte riskant sein.  Die Lösung der jetzigen Krise wird mit Euro-Bonds nicht möglich sein", Bundeskanzlerin Angela Merkel im August 2011.Die Geschichte der Staatsanleihen beginnt im Mittelalter in Italien. Sie hießen Prestiti oder Prestanze. Im 14.Jahrhundert brauchen italiensche Städte wie Florenz, Genua, Venedig oder Pisa Söldner für ihre Auseinandersetzungen. Diese bezahlen sie mit den ersten Staatsanleihen. "Meines Erachtens überwiegen die Risiken der Euro-Bonds ihren potentiellen Nutzen bei weitem", Jens Weidmann, Bundesbankpräsident 2011. "Euro-Bonds sind Zinssozialismus, den Deutschland und andere erfolgreiche Staaten bezahlen müssten", Rainer Brüderle. "Keine Euro-Bonds, solange ich lebe", Angela Merkel, Bundeskanzlerin. "Eurobonds akzeptieren oder den Euro verlassen - beides ist für Europa und Deutschland besser, als so weiterzumachen wie bisher", George Soros.

Staatsanleihen: Staatsanleihen oder Schuldverschreibungen sind eine der wichtigsten Finanzierungsquellen von Staaten. Sie sind Wertpapiere, die mit einem festen Zins ausgestattet sind und das Kapital wird zu einem festgelegten Zeitpunkt zurückgezahlt. Sie werden in verschiedenen Laufzeiten von zwei bis 30 Jahren ausgegeben. Mit der Schuldenkrise in Europa ist das Risiko eines staatlichen Schuldenausfalls gestiegen (früher sicher). Als Zinszahlung erhält der Anleger die Rendite oder den Effektivzins (dieser ergibt sich aus dem vorhinein festgelegten Zins der Anleihe/ Kupon und dem von ihm gezahlten Marktpreis/ Kurs des Papiers). Sinkt die Nachfrage und damit der Kurs des Papiers, steigt für den Anleger die Rendite. Am 22.01.15 gibt die EZB den Kauf von Staatsanleihen von Banken im großen Rahmen bekannt. Dadurch soll Geld in neue Anlagen fließen, vor allem in den südlichen Krisenländern (monetäres Konjunkturprogramm). Die Wirtschaft soll schneller wachsen und die Inflation sich erhöhen. Die Steuerzahler stehen dafür im Risiko (zusätzlich bekommen sie fürs Sparen dauerhaft keinen Zins mehr und können für das Alter nicht mehr vorsorgen). Am 22.0102015 gibt die EZB den Kauf von Staatsanleihen in großem Umfang bekannt. Monatlich werden für 60 Mrd. Euro Staatsanleihen von Banken aufgekauft (von März 2015 bis September 2016. Die Summe beträgt insgesamt 1140 Mrd. €). Die Staatsanleihen werden nach dem Anteil der Mitgliedsländer an der Notenbank gekauft, also am meisten Papiere von den Deutschen (trotzdem ist es eine Art Vergemeinschaftung der Haftung für Staatsschulden, zumindest bei denen für EU-Institutionen mit ca. 12% der Käufe). Es gibt keine Eingrenzung bei den Laufzeiten. Die Frage ist, ob die Krisenländer jetzt trotzdem weiter Reformen durchführen und ihre Haushalte konsolidieren (sie haben zumindest Zeit gewonnen). Offen bleibt auch, ob die Preissteigerung tatsächlich angehoben werden kann. Ein schwächerer Euro ist sicher auch für die Exportwirtschaft erwünscht.  Es könnte im schlimmsten Falle zu einer Blasenbildung und zu einem Anstieg der Vermögenspreise kommen. Letztlich wirkt der umfangreiche Anleihenkauf über drei Kanäle: Kredit, Vermögen und Wechselkurs. Am 09.03.15 beginnt die EZB mit dem Kauf. Der Europäische Gerichtshof legitimiert im Juni 2015 den Kauf (Klage von Gauweiler). Wichtig ist auch der Mechanismus in der EU, dass Banken Staatsanleihen nicht mit Eigenkapital unterlegen müssen. Beim drohende Grexit am 29.06.15 stiegen die Zinsen für spanische und italienische Staatsanleihen deutlich an. Sie müssen damit die Anleger mit höheren Renditen locken. Das Bundesverfassungsgericht muss im Februar 2016 wieder damit befassen, ob das OMT - Staatsanleihenprogramm der EZB rechtens ist. Im Oktober wird entschieden, dass die EZB und die Bundesbank weiter kaufen können. Die Entscheidung wird an den Europäischen Gerichtshof weiter gereicht. Dieses gibt einen Freifahrtsschein für EZB-Anleihekäufe. Bedenken des Bundesverfassungsgerichtes werden zurückgewiesen. Die Käufe sollen aber Ende 2018 auslaufen. Im Herbst 2019 werden neue Anleihen-Käufe aufgenommen. Die EZB sagt, dass sie damit die Kreditvergabe der Banken weiter ankurbeln will. Es könnte aber in Wirklichkeit darum gehen, die Haftungsunion zu vertiefen und Italien und Frankreich zu ermöglichen, ihre Schuldenpolitik fortzuführen. Die Corona-Krise 2020 führt zu einem massiven Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB. Die Banken der haupt betroffenen Länder (Italien, Spanien, Frankreich) haben zu viele Staatsanleihen ihrer Länder. Das Bundesverfassungsgericht gibt am 05.05.20 ein Urteil dazu: Der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB ist in Teilen gegen das Grundgesetz. Begründung: Bundesregierung und Bundestag haben die EZB-Beschlüsse nicht geprüft. Es handelt sich allerdings nicht um verbotene Staatsfinanzierung. Das Urteil könnte Argumente gegen Euro - Bonds liefern. Damit wendet sich das Bundesverfassungsgericht gegen den EuGH. Der Bundestag billigt am 02.07.20 die EZB-Anleihekäufe. 2022 will die EZB Anleihen von hoch verschuldeten Ländern kaufen, ohne die Hilfen an Bedingungen zu knüpfen. Viele Experten lehnen das ab. Vgl. Feld/ Fuest/ Wieland: Toxisch für die Währungsunion, in: HB 5.6.7. August 2022, S. 64.  "Am Ende ist die Frage einfach: Ist Zusammenarbeit wirklich der beste Weg für Europa?", Mario Draghi, EZB-Präsident, über die Identitätskrise des Kontinents.  Das Bundesverfassungsgericht gibt am 05.05.20 ein Urteil dazu: Der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB ist in Teilen gegen das Grundgesetz. Begründung: Bundesregierung und Bundestag haben die EZB-Beschlüsse nicht geprüft. Es handelt sich allerdings nicht um verbotene Staatsfinanzierung. Das Urteil könnte Argumente gegen Euro - Bonds liefern. Damit wendet sich das Bundesverfassungsgericht gegen den EuGH. 

Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2020 zu den Staatsanleihen: Die Staaten in der EU  konnten sich seit 2006 über folgenden Weg verschulden: Sie verkauften Staatsanleihen an ihre Banken. Diese verkauften die Anleihen an die EZB. Auf diesem Wege wurden 2,6 Millionen € Schulden gemacht. Dagegen war beim Bundesverfassungsgericht geklagt worden (Peter Gauweiler). Der EuGH hatte die Praxis für rechtmäßig erklärt. Das Bundesverfassungsgericht kommt am 05.05. in Teilen zu einem anderen Beschluss: Bundesregierung und Bundestag hätten für Deutschland zustimmen müssen. Die Folgen betreffen Sparer, Immobilienbesitzer u. a. in Deutschland. Damit stellt sich erstmals ein Verfassungsgerichts eines Landes gegen den EuGH. Kurzfristig hat das keine Auswirkungen (auf die 750 Mrd. €, die in der Corona-Krise helfen sollen). Langfristig dürfte eine Vergesellschaftung der Schulden in der EU nicht mehr möglich sein. Der EuGH lässt das Urteil von der EU-Kommission prüfen. Er könnte in Vertragsverletzungsverfahren einleiten.

European Safe Bonds: Neuartige Wertpapiere, die den Kontinent krisenfest machen sollen. Die EU hat eine Taskforce unter dem irischen Notenbankchef Philip Lane eingerichtet.

Joint European Bondes (JEBs): 55% durch nationale Gold- und Devisenreserven unterlegt. Es handelt sich j also um teil besicherte EU-Gemeinschaftsanleihen. Vgl. Paul J. J. Welfens: Schiefer EU-Rettungsplan und Risiko Ratspräsidentschaft, in: bdvb aktuell Nr. 149, S. 8f.

EU-2020-Strategie: Wirtschaftsprogramm der EU, das 2010 beschlossen wurde. Es geht um die Erhöhung der Erwerbsquote, Forschung (3% des BIP), Klimaschutz, Bildung und Armutsbekämpfung. "Wenn die Euro-Zone nicht überlebt, wird die Europäische Union nicht überleben", Herman Van Rompuy, EU-Ratspräsident.

Zukunft der EU und des Euro: 2012 wird immer mehr deutlich, dass man einen Fahrplan für die nächsten 10 bis 20 Jahre in der EU braucht. Die Peripherieländer können die hohen Zinsen auf Anleihen nicht auf Dauer zahlen. Ende Juni 2012 soll auf einem Gipfel darüber beraten werden. Es geht vor allem um fünf Punkte: 1. Bankenunion oder andere Lösung mit zentraler Bankenaufsicht und am Ende europäischen Banken (hier wecken auch die hohen deutschen Spareinlagen Begehrlichkeiten). 2. Fiskalische Seite oder Fiskalpakt wie geplant. Am Ende müssten alle Ausgaben von Brüssel genehmigt werden. Verbunden mit einem Schuldentilgungspakt (gemeinsame Haftung auf begrenzte Zeit). Altschulden, die über 60% der Wirtschaftsleistung hinausgehen, werden gebündelt und über Anleihen finanziert (SRW).  3. Dominierende Rolle der EZB im Rettungsgeschäft. Sie würde Eigentümerin der meisten Staatsanleihen und damit wäre sie nicht mehr unabhängig. 4. Weitere Ausdehnung des Rettungsschirms, auch Rettung der Banken (verbunden mit einer EU-Bankenaufsicht durch die EZB). Damit auch die Banklizenz für den ESM. 5. Politischer Aspekt bzw. Institutionen - Geflecht in der EU. Die EU kann nicht dauerhaft Spielball der Finanzmärkte und Spekulanten sein. Langfristig bleiben nur zwei Möglichkeiten: Vergemeinschaftung bis Europa-Regierung oder Währungsunion in anderer Form. Dies könnte eine Währungsunion sein, in der nur die Staaten bleiben, die eine einheitliche Finanz., Steuer- und Sozialpolitik betreiben. Die anderen Staaten kehren zu ihren Ursprungswährungen zurück und werten ab. Ein Grundstrukturproblem der EU ist, dass 40 Prozent der europäischen Mittel in die Landwirtschaft fließen. Damit können nicht Wachstum und Innovationen gefördert werden. Eine neue Architektur in Europa soll vom Ratspräsidenten (Van Rompuy), vom EU-Kommissionschef (Barroso), dem Präsidenten der EZB (Draghi) und vom Eurogruppenchef (Juncker) entworfen werden: Haushalts- und Verschuldungsgrenzen in 17 Staaten, gemeinsamer Schuldentilgungsfonds plus Eurobonds und Euro-Bills, Bankenunion. Beim Euro tritt immer mehr ein Grundproblem der Demokratien zu Tage: die Finanzmärkte agieren schnell, nervös und unberechenbar, die Demokratie braucht Zeit für Debatten und Beschlüsse (auch Verfassungsgericht). Es werden im Herbst 2012 auch Pläne für einen Euro-Zonen-Haushalt entwickelt (Verhinderung von Euro-Bonds?). Dahinter stehen auch generelle Ziele: Will man einen EU-Staat? Will man nur eine Wirtschaftsunion! Will man nur den EU-Binnenmarkt? Die Briten sollen 2017 über den EU-Austritt abstimmen. Ende 2013 verlieren die Niederlande das AAA-Rating. Die Spitzenbonität haben nur noch Deutschland, Luxemburg und Finnland. Europas Industrie ist international zurückgefallen. Der Anteil des Produzierenden Gewerbes an der Wertschöpfung beträgt 2012 15,2% (gegenüber 2000 -3,3%; Schwellenländer Asiens: 28,9%; Sonstige Schwellenländer 15,4%). Die De - Industrialisierung gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit. Am 16.09.2016 findet ein EU-Gipfel in slowakischen Bratislava statt. Es gibt mehrere Streitthemen: Der Norden hat ein Interesse an stabilen Haushalten. Der Süden bevorzugt Investitionen statt Sparpolitik. Der Osten sagt nein zur Flüchtlingspolitik. Der Brexit muss verhandelt werden. Die EU entwickelt sich zur Dis-Union. Die Abschottungstendenzen der neuen US-Regierung unter Trump könnte die EU vielleicht reaktivieren. EU-Kommissionspräsident Juncker legt im Februar 2017 fünf Szenarien ("Weißbuch") zur Weiterentwicklung der Gemeinschaft vor. Die Welt hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert und wartet nicht auf Europa. Im Zentrum der EU stehen jetzt immer mehr Frankreich und Deutschland. Von Frankreichs Präsident Macron gehen Impulse für eine Erneuerung der EU aus. Experten versuchen die Prinzipien Frankreichs (Risikoteilung) und Deutschlands (Marktdisziplin) zu verbinden. Bis Juni 2018 wollen Merkel und Macron einen EU-Reformplan vorlegen (Asylpolitik, Eurozonen-Haushalt und -Finanzminister). Ein großes Manko bleibt, dass die EU eine supranationale Organisation ist, die nicht aus Wahlen hervorgegangen ist. Technokraten machen die Regeln. Insofern leidet die EU unter einem Demokratiedefizit. Dieses Defizit gibt es auch in einigen Mitgliedsstaaten, die autokratische Tendenzen zeigen. Zwischen den Mitgliedsstaaten gibt es zunehmende Interessenkonflikte. Der Integrationsprozess von Flüchtlingen wird  immer mehr durch die Bürger politisch blockiert. Diese Gemengelage macht einen schleichenden Umbau notwendig. Merkel und Macron einigen sich am 20.06.18 auf ein eigenes EU-Budget im niedrigen einstelligen Milliardenbereich, aus dem Investitionen finanziert werden sollen. Bei einer Rede vor dem EU-Parlament am 13.11.2018 plädiert Angela Merkel für eine europäische Armee. "Wenn der Euro scheitert, dann scheitert nicht Europa", Bernd Lucke, Parteivorstand der neuen Partei "Alternative Liste für Deutschland" 2013 bei der Gründung. "Ich fürchte, dass die Euro-Zone eine ähnlich lange Phase ökonomischer Stagnation erleben könnte wie Japan in den vergangenen Jahren", George Soros, US-Großinvestor. Das Eurobarometer spiegelt ganz gut die Entwicklungen in der EU wider. Im Herbst 2016 stimmten nur 35% für ein positives Bild der EU.

EU als Transfer- und Haftungsunion: Grundsätzlich geht es um die Frage, ob es in der EU Richtung Fiskalunion gehen sollte oder ob jedes Land seine eigene Fiskalpolitik weiter betreiben sollte. Wesentliche Ursachen der Eurokrise waren und sind die deregulierten Finanzmärkte, die hohe Staatsverschuldung und die unzureichende haushalts- und wirtschaftspolitische Steuerung. Griechenland als das am schlimmsten betroffene Land wählt nicht den Weg der Staatsinsolvenz und bekommt nicht den Schuldenschnitt. Schäuble, der Bundesfinanzminister 2017,  strebt eher einen Europäischen Währungsfonds an. Sicher wäre auch ein fiskalisches Ausgleichssystem zu rechtfertigen. Schon jetzt gibt es erhebliche Gemeinsamkeiten bei der EU-Koordinierung  folgender Politiken: Handelspolitik (Zölle), Geldpolitik, Währungspolitik, Subventionspolitik. Auch die Einführung eines EU - Kommissars für Finanzen würde das Problem nicht lösen. Bisher werden Transfers von Nord nach Süd versteckt über die EZB geleistet. Die Frage ist, wie lange das die Bevölkerung in den Nordstaaten, insbesondere Deutschland, noch mitmacht. Von der Logik her kann es keinen Euro ohne Transferunion geben. Die Vorschläge von Macron zur EU führen automatisch zu einer Transferunion. Der kriselnde Süden will sich durch den Norden der EU sanieren. Der Knackpunkt könnte Italien werden. Dort geht die Wirtschaftsleistung seit Jahren zurück. Stabile Nordstaaten haben sich schon zu einer Nord-Allianz zusammengeschlossen (Niederlande, Irland, Finnland, Lettland, Litauen, Estland, Dänemark, Schweden). Die EU muss ihr Dilemma lösen: Entweder weniger wirtschaftlich-monetäre Integration (und damit Schrumpfung) oder Ausbau der politisch-fiskalischen Integration. Der zweite weg ist mit einem Wandel in eine Transferunion verbunden. Dafür müssten vor allem die Deutschen zahlen, mit dem Risiko, sich zu übernehmen.

EU-Einlagensicherung: Das Thema bleibt auf der Tagesordnung. Es wächst die Bereitschaft darüber zu reden. Insbesondere die deutschen Sparkassen sind dagegen. Die Bundesregierung stellt Bedingungen.

EU-Arbeitslosenversicherung: Mit einem Vorstoß zu einem EU-Hilfsfonds für Staaten mit hoher Arbeitslosigkeit befeuert Finanzminister Scholz im Oktober 2018 wieder die Debatte um eine harmonisierte Sozialpolitik in der EU. In den Nordstaaten gibt es Angst vor neuen Transfers. Es könnte schlechte Politik belohnt werden. Normalerweise sind die Mitgliedsstaaten für ihre Sozialsysteme verantwortlich. Es könnten sich Umverteilungseffekte zu ungunsten von Deutschland ergeben. "Eine  gemeinsame Arbeitslosenversicherung würde viel Geld kosten und Gefahr laufen, die Arbeitslosigkeit Südeuropas zu verfestigen", Hans-Werner Sinn.

Schutz der Mitbestimmung: Die Freiheit Unternehmen in der EU zu verlagern, gibt nicht das Recht zur Schleifung der Mitbestimmung (EU-Richtlinie).

Autonomiebestrebungen einzelner Regionen in der EU (Separatistische Bewegungen): Traditionelle Autonomiebestrebungen fallen durch die EU nicht weg. Es gibt entsprechende Bewegungen in Katalonien (Spanien, auch im Baskenland), in der Lombardai und Venezien (Italien) sowie in Schottland (Vereinigtes Königreich). Auch in Wallonien gab es in den 1960er Jahren Autonomiebestrebungen (Belgien). Die Ökonomie bietet Erklärungs- und Lösungsansätze. Einmal geht es um die optimale Größe eines Landes (Chancen: gemeinsamer Handel. Armee; Nachteile: Aufgabe politischer Selbstbestimmung). Wichtig ist die Ausstattung der Region mit wertvollen Ressourcen.  Eine Rolle spielen auch die Möglichkeit, bei Umverteilungsmechanismen mitzubestimmen. Kulturelle Faktoren allein sind keine hinreichende Erklärung. Ein Regierungswechsel in Spanien entspannt den Konflikt mit Katalonien. Die Region soll auch die Finanzkontrolle zurück bekommen. 2018 lebt die Katalonien-Bewegung weiter. Zehntausende Demonstranten fordern im Oktober 2018 die Abspaltung der Region von Spanien. 2019 wird den Katalanischen Separatisten der Prozess in Spanien gemacht. Der Brexit könnte den Nordirland-Konflikt wieder aufleben lassen. Erstmals gewinnt Sinn Fein die Wahl in Irland. Das wird das Thema Wiedervereinigung der Insel wieder auf die Tagesordnung bringen. Im April 2021 kommt es wieder zu Straßenschlachten in Nordirland. Es geht um das Nordirland-Protokoll im Brexit-Handelspakt. Bei der Regionalwahl in Katalonien  erhalten die Unabhängigkeitsparteien eine deutliche Mehrheit. Der Wahlsieg der Regierungspartei SNP in Schottland erhöht den Druck für ein Referendum zur Unabhängigkeit von GB, zumal die Grünen auch dafür sind. Ende April 24 tritt der Schottische Regierungschef Yousaf zurück. Die Regierungskoalition geht zu Bruch. John Swinney wird neuer Regierungschef und Parteivorsitzender der SNP. 2024 sind Kataloniens Separatisten wieder im Aufwind. Im Mai wird gewählt. Eine Rückkehr von Carles Puigdemont als Präsident ist nicht ausgeschlossen. Die Separatisten erleiden einen Dämpfer. Die Sozialisten gewinnen dei Regionalwahlen in Katalonien klar. Am 25.03.18 wird der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont in Schleswig-Holstein bei der Durchreise verhaftet.

EU-Regionalförderung: "Jede Politik, die Ungleichheiten zwischen „Gewinnern“ und „Verlierern“ des wirtschaftlichen Wandels abmildert, hat auch das Potenzial, die politische Polarisierung zu verringern. Für die Regionalpolitik ist eine solche Wirkung nun empirisch und durch Kausalanalysen belegt. Das Kieler Arbeitspapier „Paying Off Populism: How Regional Policies Affect Voting Behavior“ zeigt auf, dass EU-Strukturfondsförderung die Unterstützung populistischer Parteien in strukturschwachen Regionen europaweit reduziert. Inter­essant dabei ist, dass der Wirkungskanal weniger mit der direkten Umverteilungswirkung von Regionalpolitik zu tun hat – vielmehr steigt in geförderten Regionen das Vertrauen der Wähler:innen in demokratische Institutionen, und zwar unabhängig von ihren ökonomischen Perspektiven. Hier scheint ein Schlüssel für die Wirksamkeit von Wirtschaftspolitik gegen politische Polarisierung zu liegen. Es geht nicht primär darum, die Verlierer des wirtschaftlichen Wandels monetär zu entschädigen. Vielmehr müssen für benachteiligte Regionen und Bevölkerungsgruppen Entwicklungsperspektiven geschaffen werden." Siehe Gold, Stefan: EU-Regionalförderung: Gegen politische Polarisierung, in: Wirtschaftsdienst 8/ 2024, S. 517.

Intelligente Spezialisierungsstrategien (RIS3): Sie sollen dazu dienen, wirtschaftliche Stärken von Regionen auszubauen, ihre Innovationsbasis zu stärken und Zukunftsbrachen zu entwickeln. Um regionale Disparitäten auszugleichen, kann diese Strategie aber nur eines von vielen Instrumenten sein. Die RIS3 versuchen, Potentiale endogenen Wachstums zu erhöhen, um Kohäsion zu fördern. Im Sinne einer Kohäsionspolitik müssen die Regionen bereits bei der Strategiebildung der RIS3 stärker zusammenarbeiten. Vgl. Kruse, M./ Wedemeier, J.: Grenzen intelligenter Spezialisierungsstrategien, in: Wirtschaftsdienst 2019/11, S. 795ff.

Strategien zur Rettung des Euro: Grundsätzlich gibt es nur vier Grundstrategien. In der Realität können diese vier Idealtypen vermischt werden. Erstens könnten die Staatsschulden allen Mitgliedsstaaten aufgeladen werden. Die Frage ist, ob die Eurozone dies aushalten würde (auch die gesunden Länder würden herabgestuft). Alternative wäre hier die Ausgaben von Bonds, die mit Staatseigentum besichert sind (Krisenländer wollen nicht). Wahrscheinlich würde die deutsche Bevölkerung bei der Europäisierung der Schulden nicht mitspielen. Zweitens könnten die Schulden gestrichen werden. Damit wären insbesondere systemrelevante Banken getroffen. Die Kettenreaktion danach würde die ganze Welt mitreißen, zumal die USA auch überschuldet sind. Drittens könnte man die Schulden inflationieren (bzw. die EZB könnte Geld drucken mit der gleichen Folge, die Geldmenge wird sowieso ausgeweitet). Damit wären die Geld- und Finanzvermögen betroffen. Im schlimmsten Falle käme eine Währungsreform (Rückkehr zur DM). Die reale Lösung kommt dieser Strategie am nächste: Die EZB will unbegrenzt Staatsanleihen der Krisenländer kaufen. Dies erfolgt gegen Spar-Auflagen, aber über die Notenpresse. Viertens müsste die Tilgung der Schulden über EU-weite neue Steuern erfolgen. Dies könnten Finanztransaktionssteuern, Vermögenssteuern, Kapitalertragssteuern, Gewinnsteuern und ähnliche sein. Damit bezöge man mehr die Krisenverursacher ein, aber der Haken liegt in der Umsetzung (wirkungslos ohne Schließung aller Oasen). Vgl. Christian Felber: Retten wir den Euro, Wien 2012, S. 11. Viele Banken, Unternehmen und Investoren planen den Worst Case "Scheitern des Euro" mit ein. "Wir stehen zusammen, wenn Europa zusammensteht und der Euro stark bleibt", Li Keqiang, Chinas Ministerpräsident beim Deutschland-Besuch im Mai 2013. Vgl. dazu: Kjell Nyborg, Collateral Frameworks. the Open Secret of Central Banks, 2017. Er wirft der EZB vor, mit ihren Geldleihgeschäften die Staatsverschuldung zu fördern und den Euro zu schwächen. Die Zentralbank akzeptiere Ramschpapiere als Sicherheiten.

Target2-System: dient der Abwicklung grenzüberschreitender Zahlungsströme in der Währungsunion. Beteiligt sind Geschäfts- und Notenbanken. Dabei werden verschiedene Zahlungsströme saldiert. Dies geschieht auf zwei Wegen. Einmal durch die Außenhandelsdefizite der  südeuropäischen Länder  (Importkredite auf Basis frischen Geldes von der EZB). Zum anderen durch Kapitalbewegungen (Kapitalflucht aus Südeuropa). Deutschland müsste ca. 15 bis 20 Mrd. Euro anfallender Verluste tragen.  Insgesamt betragen die Target-Verbindlichkeiten Mitte 2012 818 Mrd. €. Der deutsche Anteil liegt bei 349 Mrd. €. Es sind im  Wesentlichen Forderungen der Bundesbank innerhalb des Eurosystems und sonstige Forderungen. Würden die Problemländer allerdings aus dem Euro ausscheiden wären die Kosten sehr hoch. Grundsätzlich ist TARGET das Zahlungsverkehrssystem zur Durchführung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank über den Euro-Geldmarkt und für grenzüberschreitende Zahlungen innerhalb der EU. Immer mehr Politiker in Deutschland fordern ein Einschreiten der Bundesregierung beim Target-System. 2018 belaufen sich die Forderungen der Bundesbank gegen andere Notenbanken auf bald 1 Billion Euro. Das ist deutsches Auslandsvermögen. Bei der Verteilung der EZB-Gewinne sollten die Target-Salden berücksichtigt werden. Dei Bundesbank bekämme dann höhere Zuweisungen. Gefordert wird auch ein Target 3-System. Dort sollten Forderungen regelmäßig ausgeglichen und mit Sicherheiten wie Gold und Pfandbriefen hinterlegt werden. Die Diskussion um die Target - Salden reißt auch 2018 nicht ab. 1000 Mrd. Euro soll der deutsche Saldo 2018 betragen. Vgl. Winkler, Adalbert: Große Summe - großes Problem? Warum die Debatte um Target-Salden so hitzig ist, in: Wirtschaftsdienst 2018/ 10, S. 744ff.

Wachstumspaket: Der Wahlsieg von Hollande in Frankreich, die hoffnungslose Lage Griechenlands und der Druck der G8 begünstigen eine neue (klimaverträgliche) Wachstumspolitik in der EU ab Mai 2012. Unbestritten dürfte eine Aufstockung des Grundkapitals der EIB sein. Die Strukturfonds könnten ebenfalls aufgestockt werden, wobei die Kontrolle verbessert werden sollte (auch Umwidmung ungenutzter Mittel, Projektanleihen für grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte). Die Forschungs- und Innovationspolitik der EU könnte in ihrer Effizienz erhöht werden ("Horizon 2020"). Private Investitionen müssen angeregt werden. Bei der europäischen Investitionsbank erfolgt eine Kapitalaufstockung. Außerdem soll die Jugendarbeitslosigkeit in den Peripherieländern bekämpft werden (EU-Mittel). Dies insbesondere mit Mitteln für die KMU. Die EU rät Anfang Juni 2012 Deutschland zu mehr Wachstum, damit es Konjunkturlokomotive sein kann (Verbesserung bei Arbeitsmarkt, Finanzen, Dienstleistungen und Bahnverkehr). An die Zustimmung zum Fiskalpakt knüpft die Opposition in Deutschland ein Wachstumspaket (Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit) und eine Finanztransaktionsteuer. Die vier führenden Volkswirtschaften der Euro-Zone (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien) planen ein Wachstumspaket von rund 130 Mrd. €. Dies in Vorbereitung für den EU-Gipfel Ende Juni 2012. Diese Paket wird auf dem Gipfel beschlossen (120 Mrd. €). Dies war der Bruttoeffekt; der Nettoeffekt dürfte wesentlich geringer sein (vgl. Dullien, S.: Ein Jahr EU-Wachstumspakt, in: Wirtschaftsdienst 6/ 2013, S. 354-355). Mit einer Flaute auch in Deutschland wird ab Herbst 2012 gerechnet. 2013 will Deutschland Griechenland ca. 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Das Geld soll in einen Fonds zur Förderung des Wirtschaftswachstums fließen (dafür soll Griechenland ein Geschäftsmodell entwickeln) . 2015 plant die EU eine weitere Wachstumsinitiative. Es wird ein Topf mit 21 Mrd. € eingerichtet, der bei der EIB angesiedelt ist (Energie- und Verkehrsnetze). Damit soll ein Multiplikator ausgelöst werden, der zu 315 Mrd. € führt. Mittlerweile spricht man vom  Europäische Fonds für strategische Investitionen ("Juncker - Fonds"). Er soll gezielt gegen Wachstumsschwäche wirken (Kroatien, Griechenlandland, Zypern, Portugal sind sogar geschrumpft). Finanziert wir der Fonds nur zu einem geringen Teil von europäischen Steuerzahler, der Löwenanteil kommt von Privatinvestoren, die EU übernimmt Garantien, außerdem steuert die EIB Geld zu. Am meisten profitieren die großen Volkswirtschaften vom Fonds.  "Die Vorstellung, dass Sparmaßnahmen die Konjunktur ankurbeln könnten, ist wenig glaubhaft, und unter den Bedingungen wie sie noch heute herrschen, ist sie absurd", Paul Krugman über die EU im Mai 2012. Der EU-Sondergipfel im Mai 2012 in Brüssel bringt keine konkreten Beschlüsse. Die Arbeitsvermittlung für Fachkräfte in der EU soll verbessert werden. Der Zeitplan für ESM und Fiskalpakt gerät ins Wanken. Am 07. Oktober 2014 treffen sich die Staats- und Regierungschefs zu einem Sondergipfel über Wachstum und Beschäftigung in Italien. Es geht um die schlechten Wirtschaftsdaten und um Programme dagegen. 2014 werden für eine EU-Investitionsoffensive 300 Milliarden Euro benötigt. Es droht eine Deflation.

EU-Patent: Dadurch sollen die Kosten deutlich gesenkt werden. Es erfolgt eine Beschränkung auf die Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch. Es wird ein neuer Patentgerichtshof aufgebaut. Es ist weiterhin nur eine zusätzliche Wahlmöglichkeit zur nationalen Patentanmeldung. Das Europäische Patentamt hat bis 2018 2,3 Milliarden Euro angehäuft. Damit soll auch spekuliert werden.

Europäische Think-Tank Clubs: Club of Rome (Wirtschaftswachstum und Umwelt), Club of London (Problemlösungen für überschuldete Staaten, insbesondere EL), New Club of Paris (Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft).

European Council on Foreign Relations (ECFR): Denkfabrik. Von der EU, besonders von Frankreich und Deutschland, mit der Ausarbeitung von Gegenmaßnahmen gegen protektionistische Maßnahmen der USA oder China beauftragt. China droht mit Sanktionen gegen europäische Autokonzerne, wenn Huawei bei G5 nicht zum Zuge kommt. Die USA haben ein ganzes Bündel von Maßnahmen laufen (siehe oben). Die EU muss eine Katalog von Gegenmaßnahmen haben, der schnell und effektiv einsetzbar ist. Die Taskforce macht folgende konkrete Vorschläge: 1. Europäische Exportbank. 2. Digitaler Euro. 3. Neue EU-Behörde. 4. Gegensanktionen.

Europäische Unternehmen: 29 europäische Firmen sind 2013 in der Liste der 100 wertvollsten Unternehmen der Welt. Das beste Unternehmen aus der Euro-Zone ist der belgische Brauereikonzern Anheuser Busch Inbev auf Rang 33. Deutschland hat sieben Unternehmen unter den Top 100: wertvollster Konzern ist VW auf Rang 49.

Beihilfen und EU: Beihilfen einzelner Bundesländer und Staaten, die den Wettbewerb in der EU verzerren könnten, müssen von der EU genehmigt werden.  Manchmal gibt est rotz Genehmigung Ärger. Die Lufthansa klagte gegen die Beihilfen des Landes RLP für der Flughafen Hahn, die die EU genehmigt hatte. Im nachhinein gibt der EU-Gerichtshof 2021 der Lufthansa Recht.

IPCEI: Important Project of Common Interest. Staatliches Förderprogramm in der EU. Mitgliedsstaaten können aus eigenen Mitteln Forschung und Innovationen privater Unternehmen in den eigenen Grenzen unterstützen. Vgl. Wigger, Berthold U.; Brauchen wir IPCEI, in: Wirtschaftsdienst 5/ 2023, S. 322ff.

Abkommen der EU mit einzelnen Staaten (vor allem Schweiz): Mit der Schweiz gibt es seit 1. Juni 2002 ein Freizügigkeitsabkommen. Danach dürfen EU-Bürger in der Schweiz leben, arbeiten und studieren. Das gleiche gilt für Schweizer in der EU. Die Corona-Pandemie führt dazu, dass die Rechtskonservativen (SVP) in der Schweiz das Abkommen kündigen wollen. In einer Volksabstimmung lehnen die Schweizer im September 2020 das Aus für die EU-Verträge ab. Im April 2021 besuchen EU-Spitzenvertreter (mit von der Leyen, Michel) die Türkei. Man versucht einen Neustart. Mit der Schweiz ist ein Handelsabkommen ausgehandelt worden. Es ist ein Rahmenabkommen (gegenseitiger Marktzugang einheitlicher und effizienter; Multifunktions-Rahmenvertrag), dass bilaterale Verträge ablösen soll. Die Schweiz weigert sich, zu unterzeichnen (Lohnzusatz, Staatsbeihilfen, Freizügigkeit umstritten). So kommt es zu einem Scheitern des Rahmenabkommens. Viele Schweizer fürchten die EU. Das Scheitern könnte zu Handelseinbußen führen (Schweiz gehört zu den 10 wichtigsten Handelspartnern Deutschlands). Es entsteht ein Schwebezustand. Die Schweiz will weiter auf Bilateral setzen. Ende 2022 kann man von einer Eiszeit zwischen der Schweiz und der EU sprechen. Gespräche über eine engere Zusammenarbeit sind krachend gescheitert. 2024 nähern sich die EU und die Schweiz wieder an. Dei EU-Finanzminister haben ein Verhandlungsmandat. Im Vordergrund stehen ein "fairer Wettbewerb" der Unternehmen und der "Schutz der Rechte von EU-Bürgern" in der Schweiz. Die Schweiz will einen besseren Zugang zum EU-Binnenmarkt. Im Gegenzug soll die Schweiz in EU-Fonds für wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt einzahlen. Der Start in dei Gespräche steht unter keinem guten Stern. Gewerkschaften wollen die Gespräche boykottieren. Vgl. Imwinkelried, D./ Steinvorth, D.: "Es gibt keine Anreize, in die Schweiz zu ziehen", in: NZZ 20.3.24, S. 28 + 1. 2024 wird ein neuer Bußgeldvertrag mit der Schweiz geschlossen, der am 1.5. in Kraft tritt. Die national-konservative Volkspartei (SVP) startet 2024 die Abschottungsinitiative "Keine 10-Millionen-Schweiz" (Schweizer Obergrenze der Bevölkerung, Begrenzung der Migration). Der Vorstoß könnte das Land weiter von der EU entfernen.  

Assoziationsabkommen mit Israel: Für Israel ist die EU der wichtigste Handelspartner. Die USA geben aber die größte militärische Unterstützung (jährlich 3,8 Mrd. $). Katar ist Vermittler und gleichzeitig Unterstützer der Hamas.

Verkauf von EU-Pässen ("Goldene Pässe): Sechs Staaten haben ein lukratives Geschäft mit dem Verkauf von EU-Pässen aufgezogen. Es sind Malta, Zypern, Portugal, Spanien, Ungarn und Griechenland. In Malta etwa müssen Bewerber 650.000 Euro in einen Fonds investieren und eine Immobilie für mindestens 350.000 Euro kaufen. In Zypern lautet die Bedingung: mindestens 2 Mio.  € in Immobilien oder Firmenanteile und 200.000 € in einen Fonds. In Portugal bekommt man eine Aufenthalterlaubnis, wenn man eine Immobilie für mindestens 500.000 € erwirbt. Manchmal reichen 21 Tage Aufenthalt. In Griechenland kostet eine Aufenthalterlaubnis 250.000 € in Immobilien, Staatsbürgerschaft nach sieben Jahren. Vgl. Malcher, I./ Widmann, M.: Im Goldrausch, in: Die Zeit Nr. 49, 26.11.2020, S. 21. In Spanien waren die meisten Käufer Immobilienkäufer. Ungarn gibt eine Aufenthaltserlaubnis gegen Staatsanleihen. Dubios sind die Millionäre aus aller Welt. So lässt sich Geld waschen und Steuern hinterziehen. Vgl. auch: Höhler, Gerd u. a.: Geschäft mit der Reisefreiheit, in: Handelsblatt Nr. 22, 2.2.2021, S. 16f.

Europäische Friedensfazilität: Waffen für fremde Armeen (Friedensmissionen, z. B. in Afrika). Bis 2027 gibt es 5 Mrd. €. Das Geld kommt direkt von den Mitgliedsstaaten. Waffenkäufe sind aber nur ein Punkt.

Verteidigungsallianz der EU: Sie muss aufgebaut werden. Der Ukraine-Krieg zeigt die Notwendigkeit. Vorerst gibt es eine schnelle Eingreiftruppe (5000 Mitglieder). Der Vorteil ist, dass EU-Länder wie Schweden und Finnland, die neutral sind, wirksame Sicherheitsgarantien erhalten (sie sind nicht Mitglieder der Nato). Großbritannien könnte beitreten, das nicht mehr Mitglied der EU ist.

EU-Industriestrategie für heimische Waffenhersteller: Es geht um Förderung. Bei der Nato sorgt das Vorhaben für Unruhe. Vgl. HB 27.2.24, S. 1

Zölle der EU gegenüber China: Der EuGH entscheidet im März 2022, dass das Vereinigte Königreich bestimmte Importe aus China jahrelang nicht ausreichend kontrolliert hat. Dadurch hat GB der EU vermutlich zu wenig Geld aus Zolleinnahmen überwiesen. Damit habe GB gegn EU-Recht verstoßen. Es geht um einen Verlust von 2,7 Mrd. €. Betroffen waren vor allem Schuhe und Textilien.

Global Gateway der EU (gegen den Expansionskurs Chinas/ Seidenstraße): Im November 2021 entwickelt die EU einen 300-Milliarden-Plan (Global Gateway). Sie will das Geld investieren, um Infrastrukturprojekte weltweit 8in Entwicklungs- und Schwellenländern) zu fördern. Es ist Europas Antwort auf Chinas Seidenstraßeninitiative. Die EU will zu einem geopolitischen Akteur werden. 147 Mrd. € sollen von Europäischen Entwicklungsorganisationen wie der KfW kommen. Europa ärgert es besonders, dass bei den Ausschreibungen der "Belt and Road" - Initiative der Chinesen europäische Unternehmen so gut wie keine Chancen haben. Die USA sind mit ihrer Gegen-Strategie allerdings voraus ("Leuchtturmprojekte" beginnen schon Januar 22; "Build back better World"). Auch Japan will agieren. Im Rahmen der G7 sollen die Projekte verzahnt werden.  Vgl. HB 30.11.21, S. 1. Der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine könnte die Neue Seidenstraße massiv behindern. Diese Strategie setzt auf eine Konzeption von Eurasien. Wenn Russland isoliert ist und Länder in Osteuropa und Südeuropa von der EU nicht mehr abzuspalten sind (der Krieg eint die EU) wackelt die Konzeption. Vgl. Klein, Martin: Krieg in der Ukraine, in: Wirtschaftsdienst H. 3/ 2022, S. 157. Im April 2022 wird das Global Gateway-Projekt wieder belebt. Mit ihm will die EU ihren Einfluss in der Welt ausbauen (Entwicklungspolitik). Die stärkere internationale Vernetzung soll die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken. Es sollen auch demokratische Werte und Standards gefördert werden. Europa will China also Konkurrenz machen. Das ist eine Neuausrichtung der europäischen Entwicklungspolitik. Entwicklungshilfe soll mit politischem Nutzen verbunden werden.  Gezielt will man gegen Chinas Investitionen in kritische Infrastruktur vorgehen: EU-Prüfverfahren (Common European Framerate for Screening FDI. Es gibt aber unterschiedliche Interessenslagen innerhalb der EU.

 

Entwicklungsländer (LDCs, Entwicklungspolitik, Ethik in der Weltwirtschaft; Versorgung von mehr als 7 Milliarden Menschen auf der Erde; Hunger, Afrika, Länder in Afrika, nahezu alle Länder, zumindest die wichtigen). Warum ist nicht die ganze Welt entwickelt?  "Die Entwicklungsländer produzieren und die entwickelten Länder konsumieren", Gao Hucheng, Chinas Vize-Handelsminister 2011 bei einem Deutschlandbesuch.

LDC (Least Developed Countries): Die am schlimmsten von Hunger und Armut betroffenen Länder. 2016 zählen dazu 48 Staaten. In dreijährigem Abstand erfolgt immer neu eine Einordnung (UN-Beschluss von 1971). Berücksichtigt weren Bruttoinlandsprodukt, Ernährungslage, gesundheitliche Bedingungen, schulische Erziehung und Alphabetisierung, Instabilität der Agrarproduktion und -Export. Hier leben 13% der Weltbevölkerung mit nur 1% des Exports. Die meisten Länder liegen in Afrika südlich der Sahara.

UNDP (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen): 2017 wird der Deutsche Achim Steiner als Administrator nominiert und eingesetzt. Damit hat er das dritthöchste Amt der UN (nach Generalsekretär und Stellvertreter). Das Programm konzentriert sich auf den Kampf gegen Armut, Krisen und Krankheiten in Entwicklungsländern. Deutschland ist hier einer der Hauptgeldgeber. Die USA unter Trump drohen erst mal auszufallen. Das Programm wurde 1965 gegründet. Es hat seinen Sitz in New York. Nach Millenniumszielen aus dem Jahre 2000 wurden neue Ziele für eine nachhaltige Entwicklung gesetzt. Bis 2030 sollen weltweit Armut und Hunger verschwunden sein.

Prebisch-Singer-Hypothese: Die realen Austauschverhältnisse entwickeln sich für die Entwicklungsländer, die überwiegend Primärgüter ausführen, langfristig negativ (Verschlechterung der Terms-of-Trade). Hinzu kommt, dass die Preise der Primärgüter auf dem Weltmarkt stagnieren oder sogar sinken. Viele Länder flüchten deshalb in die Schattenwirtschaft, z. B. in den Rauschgifthandel (Kolumbien). Sogar Schwellenländer, wie  Mexiko, sind betroffen. Mexiko ist Drehkreuz für 90% des in den USA konsumierten Kokains. In diesen Ländern scheitert in der Regel der Kampf gegen die Drogen. Uruguay versucht Ende 2013 durch eine Legalisierung von Marihuana den Verbrechenssumpf auszutrocknen. Oft wird diese Hypothese auch als Dependenztheorie bezeichnet. Die reichen Länder sind danach für die Armut der armen Länder verantwortlich. Ein gutes Beispiel für diese These sind die Kaffeeanbau-Länder. Eine Spezialisierung auf das Produkt Kaffee hat die Länder arm gemacht. Der Rohkaffeepreis ist so günstig wie seit Jahren nicht mehr (größere Anbauflächen, neue Länder, gute Ernten). In neuen Formen - etwa in Kapselform - ist der Preis hoch. Der Gewinn wird im Handel gemacht. Die Bundesregierung versucht, den Wildkaffeeanbau zu fördern, etwa in Äthiopien.

Teufelskreis der Armut in Entwicklungsländern (Armutsfalle, G. Myrdal): Weil die HH in EL ein niedriges Durchschnittseinkommen haben, haben sie eine geringe Ersparnis. Folglich ist das Investitionsniveau gering und die Kapitalakkumulation schleppend. Daraus folgt eine geringe Produktivität und wieder von vorne... . "Like slavery and apartheid, poverty is not natural. It is man-made and can be overcome and eradicated by the actions of human beings", Nelson Mandela. Als das ärmste Land der Welt gilt 2017 die Zentralafrikanische Republik. Das Bruttoinlandsprodukt liegt bei nur 1,5 Mrd. US-$. Die Lebenserwartung beträgt 50,7 Jahre. Das Pro-Kopf-Einkommen ist 581 US-$. Im Land gibt es nur ein Großunternehmen, nämlich eine Brauerei bei Bangui (sie gehört zu Castel aus Frankreich).

Freiheitseffekt der wirtschaftlichen Entwicklung (Amartya Sen, geb. 1933, Ökonomie für den Menschen, München 2003, Nobelpreisträger 1998): das individuelle Einkommen als Nutzenindikator wird erst dann aussagefähig, wenn es gleichzeitig Lebensmöglichkeiten schafft. "Von den Millionen Untertanen eines Fürsten gibt es sicher eine große Anzahl, die ebenso gute oder bessere Fürsten sein würden", Georg Simmel, Soziologe, 1857-1918.

Berechtigungstheorie: Sie wurde von Amartya Sen entwickelt. Er erklärt damit, warum es auch in guten Zeiten Hungersnöte geben kann. Wenn sich die Preise für Arbeit und Nahrungsmittel so ändern, dass die Löhne zu gering sind, hungern die Familien, obwohl es genug Nahrung gibt. Entscheidend sind die Zugangsrechte.

Lewis Turning Point: Benannt nach dem britischen Ökonomen W. Arthur Lewis. Es ist ein Modell der ökonomischen Entwicklung. Es geht darum, wie die Not der 3. Welt bekämpft werden kann. Lewis betrachtet zwei Sektoren: 1. Den traditionellen Agrarsektor mit niedrigen Löhnen und niedriger Produktivität. 2. Den modernen Industriesektor mit hohen Löhnen, kapitalintensiv, Investitionen. Es geht nun um den Arbeitskräfteübergang vom Agrar- zum Industriesektor. Das Lewis-Modell wird heute gerne auf China angewendet. Besonders das Schicksal der Wanderarbeiter steht hier im Mittelpunkt.

Catch-up-Effekt (Aufhol-Effekt): Arme Länder erreichen, von einem gegebenen Ausgangspunkt betrachtet, tendenziell ein schnelleres Wachstum als reiche Länder. Man spricht auch von einem Basis - Effekt. Vgl. G. Mankiw: Volkswirtschaftslehre, S. 571.

Schocktherapie (Jeffrey Sachs, geb. 1954): bezieht sich auf die Art und Geschwindigkeit von Wirtschaftsreformen (Wohlstand schaffende Effekte des Marktes), in der Regel in Transformationsländern. In seinem neuen Buch "Das Ende der Armut, München 2005" erkennt er allerdings die hohen Transaktionskosten dieser Methode und plädiert in Afrika eher für Investitionen in Infrastruktur, Gesundheit und Bildung. Zur Schocktherapie gehört auch immer ein Schuldenerlass. In dieser Hinsicht hat Sachs Lateinamerika und 1989 Polen beraten (Deutschland war hier zum Verzicht bereit). Vgl. zu massiver Kritik an dieser Strategie die Globalisierungskritikerin Naomi Klein: Die Schock-Therapie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus, Frankfurt 2007. Das Buch "Wohlstand für Viele - Globale Wirtschaftspolitik in Zeiten der ökologischen und sozialen Krise" von Jeffrey D. Sachs (München: Siedler 2008) zeigt auf, wie sich die Erde trotz wachsenden Wohlstand durch Armut, Überbevölkerung, Klimawandel und Umweltzerstörung in der Krise befindet. Er beschreibt die Herausforderungen und sagt, welchen Weg die Erde gehen sollte. Ähnliche Ideen wie Sachs haben folgende Wissenschaftler: Conzalo Sanchez De Lozado (geb. 1930) und Leszek Balcerowicz (geb. 1947). "Die Inflation ist wie ein Tiger, und man hat nur einen Schuss; trifft man ihn nicht beim ersten Mal, kriegt er einen", Sanchez De Lozada.

Informeller Sektor: Er umfasst in Entwicklungsländern die kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft, "Hinterhof-Produktion" und Dienstleistungswirtschaft der armen städtischen Bevölkerung. In Industrieländern ist mit dem Begriff die Schattenwirtschaft gemeint, der sich dem offiziellen Markt entzieht.

Schuldenerlass: Entwicklungsländer haben Berichten zufolge Auslandsschulden von mehr als 10 Billionen US-Dollar. Durch die Rückzahlung dieser Schulden fehlt ärmeren Ländern das Geld für Investitionen in kritische Infrastrukturen und Dienstleistungen sowie für die Unterstützung von neuen Industrien. folglich gerät das Wirtschaftswachstum ins Stocken, was wiederum das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit erhöht. Gläubigerstaaten und -institutionen legen Schuldenerlassprogramme zur Verringerung der Raten und zur Umschuldung auf. Manchmal werden die Schulden auch ganz oder teilweise erlassen. Vgl. Simply Wirtschaft, München 2022, S. 131.

Schuldendienstzahlungen der Entwicklungsländer an ausländische Gläubiger: Viele ärmere Staaten müssen 2024 mehr Geld für Tilgung aufbringen als sie für Bildung und Gesundheit ausgeben. Schuld daran sind auch Verschiebungen in den Währungsrelationen und Die kritischere Situation der Gläubiger. Sehr kritisch ist die Lage in Laos, Mongolei, Sambia, Bhutan, Suriname, Jemen, Senegal, Ghana, Kap Verde, Republik Kongo, Guinea Bissau. Vgl. Die Zeit 35/ 15.8.24, S. 22.

Kolonialismus und Ausbeutung: Die Europäer haben weite Teile der Welt kolonialisiert. Es war eine Epoche des Imperialismus. Diese Struktur hat sich bis heute erhalten in den Nord-Südbeziehungen. Die abhängige Nutzung der Dritten Welt durch die Erste Welt, insbesondere die USA, ist bis heute erhalten. Freiheitliche Werte werden gefeiert, aber nicht in der Realität angewandt. Die liberale Demokratie vereinigt sich nicht weltweit mit der freien Marktwirtschaft. Dies ist zusammengefasst die These von Noam Chomsky (Wirtschaft und Gewalt. Vom Kolonialismus zur neuen Weltordnung, Springe 2015, 3. Auflage; Original: Year 501. The Conquest Continues, Boston 1993).

Global Gateway der EU (gegen den Expansionskurs Chinas/ Seidenstraße): Im November 2021 entwickelt die EU einen 300-Milliarden-Plan (Global Gateway). Sie will das Geld investieren, um Infrastrukturprojekte weltweit 8in Entwicklungs- und Schwellenländern) zu fördern. Es ist Europas Antwort auf Chinas Seidenstraßeninitiative. Die EU will zu einem geopolitischen Akteur werden. 147 Mrd. € sollen von Europäischen Entwicklungsorganisationen wie der KfW kommen. Europa ärgert es besonders, dass bei den Ausschreibungen der "Belt and Road" - Initiative der Chinesen europäische Unternehmen so gut wie keine Chancen haben. Die USA sind mit ihrer Gegen-Strategie allerdings voraus ("Leuchtturmprojekte" beginnen schon Januar 22; "Build back better World"). Auch Japan will agieren. Im Rahmen der G7 sollen die Projekte verzahnt werden.  Vgl. HB 30.11.21, S. 1. Der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine könnte die Neue Seidenstraße massiv behindern. Diese Strategie setzt auf eine Konzeption von Eurasien. Wenn Russland isoliert ist und Länder in Osteuropa und Südeuropa von der EU nicht mehr abzuspalten sind (der Krieg eint die EU) wackelt die Konzeption. Vgl. Klein, Martin: Krieg in der Ukraine, in: Wirtschaftsdienst H. 3/ 2022, S. 157. Im April 2022 wird das Global Gateway-Projekt wieder belebt. Mit ihm will die EU ihren Einfluss in der Welt ausbauen (Entwicklungspolitik). Die stärkere internationale Vernetzung soll die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken. Es sollen auch demokratische Werte und Standards gefördert werden. Europa will China also Konkurrenz machen. Das ist eine Neuausrichtung der europäischen Entwicklungspolitik. Entwicklungshilfe soll mit politischem Nutzen verbunden werden.

Deutsche Entwicklungshilfe/ (Entwicklungsländer): Der Anteil von 0,36% 2008 soll auf 0,7% des BNP bis 2015 erhöht werden. Das wird aber in der Praxis nicht umgesetzt werden. 2011 erst 0,4% des BIP (14,5 Mrd. $). Ca. die Hälfte fließt in bilaterale Projekte, die andere Hälfte wird über internationale Organisationen weitergeleitet. Schwerpunkt ist Afrika (24 Länder); Asien ist mit 14 Ländern vertreten, darunter auch die Schwellenländer China und Indien. China bekommt 27 Mio. €, Indien 63. Die Entwicklungsgelder werden in der Regel den Regierungen übergeben, deren Bürokratie oft korrupt und ineffizient ist, so dass die Gelder nicht bei der Bevölkerung ankommen. Viele Experten fordern deshalb, dass Entwicklungshilfeministerium aufzulösen im Außenministerium. 2004 betrug die Entwicklungshilfe insgesamt in der Welt 3,4 Mrd. $, 1984 waren es noch 8 Mrd. $ (Uno, FAO). 2013 räumt die Regierung in Deutschland offiziell ein, dass das Ziel bis 2015 nicht erreicht wird. Die Quote stagniert bei 0,38%. Auf dem Nachhaltigkeitsgipfel der UN-Vollversammlung verspricht A. Merkel Ende September 2015, dass Deutschland die 0,7% einhalten will.  Entwicklungsländer (LDC, Least Developed Countries) werden von der UN definiert nach dem Bruttonationaleinkommen pro Kopf und der Analphabetenrate (+ Zusatzkriterien). Es gibt seit 1990 auch einen Human Development Index (HDI, UNDP), der sich aus Lebenserwartung, Alphabetisierungsgrad und realer Kaufkraft zusammensetzt. 2008 haben die OECD-Staaten insgesamt 119,8 Mrd. $ an Entwicklungshilfe gegeben. 2013 stellt Asien die größten Empfängerländer (Afghanistan 355 Mio. €; Indien 300; China 243). Dann folgt das Schwellenland Brasilien mit 187 Mio. €. Danach kommt Pakistan vor dem ersten afrikanischen Land Tansania. 2016 rückt in Deutschland in den Mittelpunkt, mit Entwicklungshilfe Fluchtursachen zu bekämpfen. Dazu soll die Entwicklungshilfe entstaatlicht werden und Nicht-Regierungs-Organisationen zufließen. Im Prinzip ist Unternehmensförderung mit eingeschlossen. Das Konzept wird ab 2017 ausgebaut. Der BDI kooperiert mit dem Entwicklungsminister. Afrikanische Firmen sollen auf Wachstumskurs gebracht werden. Es sollen auch Kontakte zu Kleinstunternehmen hergestellt werden. Man spricht auch von einem Marshallplan für Afrika. die FDP will 2024 das Entwicklungsministerium ganz abschaffen.  "Ich bin noch immer überrascht, wie erfolgreich wir sind", Abhijit Banerjee, Poverty Action Lab, MIT. Einer der führenden Entwicklungsökonomen der Welt, der Leiter des Earth Instituts in New York nennt 2016 folgende Zahlen, was allein den Bedarf für Afrika angeht: 50 Mrd. $ für Bildung und Gesundheit, weitere 200 Milliarden für Infrastrukturprojekte. 2015 gibt Deutschland 12 476 Mio. Euro an Entwicklungshilfe. Größter Empfänger ist die Türkei (647,7 Mrd. €) vor Indien, Brasilien, China und Marokko. 2016 erfüllt Deutschland erstmals die vereinbarte Quote für die Entwicklungshilfe (0,7%; 1979 von den UN formuliert; allerdings Anrechnung der Flüchtlingskosten im Inland). Damit rückt Deutschland in der internationalen Rangfolge auf Platz zwei der Geber vor (hinter USA, vor GB). 2017 fällt Deutschland aber wieder zurück (Quote 0,66%). Im Haushalt 2025 wird die deutsche Entwicklungshilfe um 1 Mrd. € gekürzt (auf 10,3 Mrd. €). 2023 hatte die Bundesregierung das Entwicklungshilfeziel mit 0,79% des BIP noch erreicht. 2024 und 2025 dürfte das Ziel verfehlt werden (0,66% bzw. 0,54%).

Deutsche Entwicklungshilfe in Projekten: Seit 2013 bis Mitte 2019 hat Deutschland 87,4 Mrd. Euro in Entwicklungsprojekte gesteckt. Das meiste Geld (24,6 Mrd. €) floss in dieser Zeit nach Afrika, gefolgt von Asien (22,1) und Amerika (9,1).

Deutsche Entwicklungshilfe für China: Seit 2020 betrachtet Deutschland (BMZ) China nicht mehr als Entwicklungsland. Trotzdem fließt noch Geld. Es gibt 2023 noch 36 laufende Projekte, mit einem Finanzvolumen von 31,6 Mio. €. Noch weden auch übe rdie KfW Förderkredite nach China vergeben., vorrangig für Klima- und Umweltschutz. Der umfang dieser Projekte liegt bei 1,9 Mrd. €. Ab 2026 sollen keine Förderkredite mehr fließen. Vgl. WiWo 48/ 2023, S. 14.

Neuausrichtung der deutschen Entwicklungspolitik (BMZ 2030): Entwicklungsminister Gerd Müller sorgt für einen Wandel: Bisher werden 85 Länder unterstützt. Diese Zahl wird künftig reduziert, weil die Entwicklungshilfe an Bedingungen geknüpft wird (Konzentration der Entwicklungshilfe). Diese konzentrieren sich auf drei Komplexe: 1. Reformen. 2. Menschenrechte. 3. Bekämpfung der Korruption. Aus einem Drittel der bisher unterstützten Länder werden die Fachleute (GIZ, KfW) abgezogen. Darunter sind: Myanmar, Nepal, Sri Lanka in Asien, Burundi, Sierra Leone und Liberia in Afrika, sowie Kuba, Haiti und Guatemala in Amerika. Ein Schwerpunkt soll ab 2023 die feministische Entwicklungspolitik werden. Das bedeutet, Gender, Gleichberechtigung und Diversität sollen im Mittelpunkt stehen.

Neue Afrika-Strategie Deutschlands ab 2023: Im Zentrum stehen grüne Energien, Schuldenabbau und Arbeitsmigration. Es geht auch darum, den wachsenden Einfluss Chinas und Russlands zu beschränken. Konkurrenten sind auch die Golfstaaten und die Türkei. Im Agrarbereich soll die lokale Produktion gestärkt werden. Es geht aber auch um Absatzmärkte. Bei deutschen Direktinvestitionen liegt Afrika bei den Zuflüssen 2021 nur bei 1%. Vgl. Stiens, Terea: Bund plant neue Afrikastrategie, in: HB S. 1/ 6.

Migrationsdruck und Entwicklungspolitik: Der Migrationsdruck auf Europa steigt. In vielen Entwicklungsländern reihen sich Krisen aneinander mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen. Vor diesem Hintergrund muss die Entwicklungspolitik überdacht werden. Es müssen mehr Investitionen in den Krisenländern getätigt werden. Vgl. Freytag/ Liebig; Schaut auf die Krisen in Afrika! in: WiWo 38/ 13.9.24, S. 37.

Ehemalige deutsche Kolonien: Namibia, Tansania, Kamerun, Ruanda, Burundi, Mosambik, Botswana, Togo in Afrika. Kiautschou, Tschingdao in Asien/ China. In Ozeanien Deutsch - Neuguinea (Papua, Marshall-Inseln, Nauru, Palau), Deutsch-Samoa. . Die Beziehungen sind durch Kolonialismus, Reparationen, deutsche Privilegien belastet. Der deutsche Wohlstand beruht maßgeblich darauf, dass billige Ressourcen aus anderen Erdteilen zu uns kamen. Zumindest beginnt die deutsche Politik allmählich zu verstehen, wie wichtig Afrika ist. Das ist aber kein echter Neustart. China ist uns hier weit voraus. Vgl. Böhm, Andrea: Hallo, Nachbarn! in: Die Zeit 20/ 11.5.23, S. 1.  In Deutschland ist die koloniale Schuld bis heute kaum akzeptiert. Um 1900 war Deutschland flächenmäßig die drittgrößte Kolonialmacht. Vgl. Bohr, F. u. a.: Kampf um Erinnerung, in: Der Spiegel 38/ 14.9.24, S. 30ff.

Compact for (with) Africa: Diesen Kongress gibt es seit 2017. 2023 am 20.11.23 findet das Treffen in Berlin statt. Es sind 13 Staaten aus Afrika vertreten. Afrika hat eine wachsende Bedeutung. Es soll insbesondere um europäische Direktinvestitionen in Afrika gehen (vor allem aus Deutschland und Frankreich). Auch Unternehmertum ist ein Thema. Man will Afrika nicht den Chinesen überlassen.

OECD-Staaten:  Insgesamt haben die OECD-Staaten 2016 120 Mio. Euro für Entwicklungshilfe ausgegeben (+7,4% gegenüber dem Vorjahr).

USA und Afrika: Im Hinblick auf die Neue Seidenstraßen-Initiative Chinas wollen sich auch die USA wieder mehr Afrika zuwenden. 2023 umwerben die USA Afrika. Mehrere hochrangige Politiker kommen nach Afrika. Vizepräsidentin Harris besucht Ghana. Außenminister Blinken macht seine dritte Rundreise durch den Kontinent. Es geht um Afrikas Bodenschätze und den Markt Afrika. Es finden auch Stellvertreterkrieg zwischen pro-russischen und pro-westlichen Kräften statt. Washington will sich auf sogenannte Anker-Staaten konzentrieren. Das sind Tansania, Ghana und Sambia. Sie wenden sich wieder von China ab. Es kommen neue Töne aus den USA.

Entwicklung über Handelsbeziehungen: Geldspritzen im alten Stil helfen immer weniger. Entwicklung und Handel müssen verbunden werden. Es soll ein "Marshallplan für Afrika" aufgebaut werden (Entwicklungshilfeminister Gerd Müller ab 2017). Neue Elemente können sein: mehr Freihandel (Wegfall von Importzöllen und Subventionen, dann Konflikte mit der EU-Landwirtschaft), mehr Einbindung des Privatsektors, mehr Eigenverantwortung, Migrationspartnerschaften. Entwicklungshilfeminister Müller will 2018 konkret Zölle für Nordafrika senken. Er will Marokko und Tunesien Zugang zum europäischen Binnenmarkt geben. Produkte sind Tomaten, Olivenöl.

Africa First Network (africafirst.net): Initiator ist der Familienunternehmer Martin Schoeller. Er hat 2022 auch ein Buch veröffentlicht mit Daniel Schönwitz: Africa First! Die Agenda für unsere gemeinsame Zukunft, Verlag Berg & Feierabend. Sein Motto: Wer langfristig denkt, investiert jetzt auf dem Chancenkontinent. Werden wir nicht schnell aktiv, etablieren China und Russland einen Block von Vasallenstaaten in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Wegen geopolitischer Risiken sind ihm 2022 Investitionen in Chian unbegreiflich, während Afrika als "riskant" eingestuft wird. Vgl. Martin Schoeller: Go South! Afrika First! in: WiWo 36/ 2.9.22, s. 42f.

Lieferkettengesetz: Sozial- und Umweltstandards in globalen Lieferketten: Ende 2019 planen Arbeitsministerium und Entwicklungshilfeministerium ein solches Gesetz. Sie wollen Standards in der globalen Produktion erreichen. Es geht um mehr Fairness bei der Herstellung. Preise sollen offen gelegt werden. Große Handelsketten haben sich schon freiwillig verpflichtet, Existenz sichernde Einkommen für Erzeuger in Herkunftsländern zu fördern. Ende Mai 2021 wird das Gesetz im Bundestag beschlossen.

Globale Arbeitsteilung: Die Erfahrung von Versorgungsengpässen in der Corona-Pandemie und sinkende Kapitalkosten verändern die globale Arbeitsteilung. Automatisierung und 3-D-Druck könnten nach Corona verstärkt an die Stelle unsicherer Lieferketten treten. Das wiederum könnte zum Problem der Entwicklungsländer werden. Sie brauchten ein neues Geschäftsmodell. Vgl. Losse, Bert: Roboter bekommen kein Corona, in: WiWo 23/ 4.6.21, S. 36f.

G20-Hilfe für Staaten in Afrika: Im Rahmen der G20 findet eine Afrika - Konferenz im Juni 2017 in Berlin statt (vorher schon in Hamburg). Die G20-Staaten wollen sich stärker in Afrika engagieren. Die wirtschaftliche Entwicklung in Afrika soll unterstützt werden, um Fluchtursachen und Schleuser - Kriminalität zu bekämpfen. Es wird auch ein "Compact with Africa" aufgelegt. Reformwillige Länder können beitreten. Die Staatschefs von 11 Compact - Ländern treffen sich Ende Oktober 2018 wieder in Berlin. Deutschland (Minister Müller) plant eine bessere Finanzierung von KMU, die in Afrika investieren wollen, mehr Beratung, Mittelstandsförderprogramm für afrikanische Firmen. Ende Oktober bzw. Anfang November 2018 findet ein G20-Investment-Summit in Berlin statt.  

G7-Programm für Entwicklungsländer: Auf dem G7-Gipfel-Treffen in Elmau/ Bayern wird ein Programm in Höhe von 600 Mrd. $ (568 Mrd. €) an Entwicklungshilfe beschlossen. Die Summe soll in den kommenden 5 Jahren mobilisiert werden. Allein die USA wollen 200 Mrd. $ aufbringen. Damit soll Infrastruktur für die Entwicklungsländer ermöglicht werden ("Partnerschaft für Globale Infrastruktur"). Es soll eine Antwort auf dei gigantische Investitionsoffensive Chinas sein.

Weltbank: Sie will auch ab 2017 private Investoren einsetzen, um arme Länder zu unterstützen (vgl. Global Government).

Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ): Ein Unternehmen Deutschlands zur Organisation der deutschen Entwicklungshilfe. Die GIZ wurde 2011 gebildet aus dem Zusammenschluss der GTZ und dem DED. Hauptauftraggeber war 2012 mit 77% /1,63 Mrd. €) das Bundesentwicklungshilfeministerium. Rund 11% stammen aus Aufträgen privater Unternehmen (ausländischer Regierungen oder internationaler Organisationen). Als Exportschlager erweist sich das duale Ausbildungssystem. Die GIZ ist in über 130 Ländern präsent und beschäftigt etwa 16.000 Mitarbeiter.

Entwicklungshilfe der reichen Länder: Vom Prozentanteil am BIP liegen die Niederlande (6,3% 2011), Schweden (5,6%) und Kanada (5,3%) an der Spitze. Vom absoluten Betrag her führen die USA mit 30,7 Mrd. $ 2011 (0,2%) und Deutschland sowie Großbritannien. Bei der UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung im Juli 2015 sagen die Industrieländer 0,7% (vom BIP) an Entwicklungshilfe zu. "Bis 2035 wird es in der Welt keine armen Länder mehr geben. Milliarden Menschen werden nicht mehr in Armut leben", Bill Gates, Microsoft-Gründer. Der amerikanische Ökonom William Easterly kritisiert in einem Buch 2014 die Entwicklungshilfe, weil sie zu einer Kumpanei mit Despoten ausarten kann (William Easterly: The Tyranny of Experts. Economists, Dictators, and the forgotten Rights of th Poor. Basic Books 2014).

Entwicklungshilfe und Abhängigkeit: Die Grundthese vertritt Dambisa Moyo in ihrem Buch "Dead Aid" von 2009. Sie schildert, wie Entwicklungshilfe Afrika in die Abhängigkeit führt. Moyo wurde 1969 in Sambia geboren. Sie studierte Finanzen in den USA, promovierte in Oxfort und arbeitete bei der Weltbank. Sie arbeitete fast zehn Jahre als Analystin bei Goldman Sachs. Das World Economic Forum machte sie zur "Young global Leader". Ihr neues Buch "Edge Chaos", Mai 2018, beschäftigt sich mit der Krise des Westens.

Poverty Action Lab: Konzeption für Experimente mit den Ärmsten der Welt (z. B. kostenloses Verteilen von Mückennetzen gegen Malaria). 2004 war der Start. Mittlerweile 2019 200 Partner und 200 Beteiligte. Projekte laufen in Indien und Bangladesch (zusammen mit der Entwicklungshilfe-Organisation Brac) sowie 18 weiteren Ländern. 2019 erhalten die führenden wissenschaftlichen Vertreter Esther Duflo und Ehemann Abhijit Banerjee (MIT) den Wirtschaftsnobelpreis. Duflo nennt sich Klempnerin (deshalb Klempner-Ansatz).

Kreditfonds für Unternehmensgründungen von Frauen in Entwicklungsländern: Von Iwanka Trump und Angela Merkel bei einem W20-Treffen 2017 in Berlin gegründet. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate geben sofort 88,9 Mio. Euro.

Militärausgaben: Oft in Konflikt zu den Entwicklungsausgaben (es gibt aber auch militärische Entwicklungshilfe). Der Konflikt wird sehr deutlich nach dem Wahlsieg von Trump in den USA 2017 (Absenken der Hilfe und Aufstocken der Militärausgaben). Die USA haben die höchsten Militärausgaben und den stärksten Zuwachs 2017. Es folgen China, Russland, Saudi-Arabien und Indien. Deutschland liegt an neunter Stelle (Quelle: Sipri, Schweden; Stockholmer Institut für Friedensforschung).

Mikrofinanzierung bzw. Mikrokredite: Möglichkeit der Ungleichheits- und Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern. Mikrofinanzierungen sind finanzielle Dienstleistungen für arme Menschen, die bisher von Finanzdienst-Anbietern diskriminiert wurden. Mikrokredite gehören dazu und werden armen Menschen, die "unbankable" sind, für selbst verwaltete Projekte zur Verfügung gestellt. Mohamad Yunus als Gründer der Grameen Bank bekam für die Verbreitung des Konzeptes, das aus Indien und Südamerika stammt, den Friedensnobelpreis 2006. Mikrofinanzierung wird auch in China eingesetzt. 2007 wurden 3552 Mikrofinanzierungen weltweit durchgeführt mit ca. 155 Mio. Kunden (Microcredit Sumnit Campaign, Jahresbericht 2009). 2010 fordert Yunus eine Reform der Mikrokredite mit einer gesetzlichen Obergrenze für Zinsen. Als besonders erfolgreich gilt das Konzept der Müttergruppen (Hilfe für die ganze Familie).Die Erfolge von Mikrokrediten sind schwer zu messen (man braucht vor allem Langzeitstudien). Am bekanntesten sind Untersuchungen in Indien, Hyderabad (2010) und den Philippinen, Manila (2011), (MIT, Yale), die zu zwiespältigen Ergebnissen kommen.  Die ersten Mikrokredite gab es in der Geschichte im antiken römischen Reich. Wohlhabende Frauen verliehen Geld an andere, die es benötigten. Frauen durften ohne Zustimmung eines Vormunds (Mann) kein Geld bei Banken leihen. Es gab viele Kleinunternehmerinnen, die vom ererbten Geld (gefallene Männer) wirtschafteten.

Afrika 2.0: Dei Wachstumschancen dank digitaler Technologien sind groß. Dazu gehören ein gute Netzinfrastruktur und mehr Sicherheit für Investoren. Insgesamt arbeiten südlich der Sahara 215 Mio. Menschen in dem Sektor "Landwirtschaft". Hier besteht noch ein großes Potential. Es gibt erfolgreiche Start-ups wie Farmerline (Plattform für Wetter, Marktpreise, Anbautechniken u. a.) oder MNT-Halan (Mikrokredite per Smartphone). Noch leben 40% der Menschen unter der Armutsgrenze. Vgl. Scherer, Katja: Afrikas große Internetchance, in: WiWo 38/ 15.9.2023, S. 38f.

Hunger: Laut der FAO (Welternährungsorganisation der UN) leiden 2010  925 Mio. Menschen Hunger in der Welt. Dies ist eine Senkung um 10% gegenüber der letzten Erhebung 2008. Die meisten Hungernden leben in Afrika und Asien. Einen Anteil von 35% und mehr an der Bevölkerung haben die Hungernden in Tschad, Kongo, Angola, Mosambik, Sambia, Eritrea und Äthiopien. Die sinkende Agrarfläche, die wachsende Bevölkerung und der Klimawandel verschärfen die Situation für die Zukunft. Damit ist die Erfüllung eines wichtigen Millenniums-Ziels bis 2015 in Gefahr, die Zahl der Hungernden zu halbieren. Dies ist eins von acht Zielen der Millenniums-Konferenz 2000. Die anderen beziehen sich auf Armut, Krankheiten, Bildungsmangel und Umweltzerstörung. Im September 2010 treffen sich 140 Staats- und Regierungschefs in New York, um über weitere Maßnahmen zu beraten. Extrem alarmierend ist die Hungerlage in Äthiopien, Eritrea, Kongo, Burundi und dem Tschad sowie Sierra Leone. Man müsste mehr Kleinbauern fördern, um Ernteausfälle zu minimieren. Auch die Stellung der Frau hat einen großen Einfluss (je weniger Gleichberechtigung, desto mehr Hunger). Das Welternährungsprogramm der UN (WFP) muss mit immer weniger Geld gegen den Hunger ankämpfen. Die großen Agrarkonzerne sind mittlerweile ausgestiegen. Die wichtigsten Nahrungsmittel sind Reis, Weizen und Maniok. Für die Hälfte der Weltbevölkerung ist Reis das Hauptnahrungsmittel (wichtigste Produzenten sind China, Indien und Indonesien). 2011 spenden die Menschen in Deutschland 50 Millionen € für die Welthungerhilfe in Afrika. Die Jahrhundertdürre 2012 in den USA könnte weltweit zu Lebensmittelkrisen und Hungerrevolten (zumindest zu massiven Preiserhöhungen) führen. 2012 steigen die Preise für Mais um bis zu 50% (auch Soja und Weizen). Eine große Rolle spielt auch der steigende Fleischkonsum in der Welt mit wachsendem Wohlstand. Eine Studie der Weltbank 2012 prognostiziert eine Verdoppelung des Nahrungsbedarfs in Afrika bis 2020. Freier Handel könnte das Hungerproblem lindern. Es ist auch sehr bedauerlich, dass in der EU ein Großteil der Obst- und Gemüseernte vernichtet wird, weil es unsinnig strenge Handelsnormen gibt. Handlungsbedarf besteht bei den Ernährungsgewohnheiten. Einfache Dinge wie zubereiten und konservieren muss vermittelt werden. Außerdem müssen Traditionen überwunden werden (Mangos nur für Affen). Natürlich müssen auch weiterhin die Erträge gesteigert werden. 2017 nimmt die Hungersnot in einigen Regionen Afrikas furchtbare Ausmaße an. Oft ist das Klima schuld (Somalia); im Südsudan ist die Katastrophe von Menschen gemacht (fast die Hälfte der Bevölkerung, 5,5 Mio., Konflikt zwischen Präsident und Stellvertreter). Auch im Jemen und Nigeria spielen politische Konflikte eine Rolle. Für den Jemen wird ein spezielles Nothilfeprogramm beschlossen (50 Länder, Deutschland 105 Mio. Euro).  In Nigeria ist der Nordosten, vor allem die Provinz Born betroffen. Hier terrorisiert Boko Haram. Hinzu kommt eine große Dürre. Entwicklungshelfer werden rar, weil viele umgebracht werden. Die USA kürzen drastisch ihre Entwicklungsgelder unter Trump. Für 2016 ist nach 10 Jahren erstmals wieder die Zahl der Hungernden auf der Welt angestiegen (108 Mio., Quelle Welternährungsorganisation der UN). Wegen kriegerischer Auseinandersetzungen und Dürreperioden sind 2017 sogar 124 Mio. Menschen von Hunger bedroht (besonders: Nigeria, Somalia, Jemen, Südsudan). 2018 rückt der Kongo in den Mittelpunkt. Im Südwesten des Kongo droht 400.000 Kindern der Hungertod. Schwere Unruhen in der Krisenprovinz Kasai haben dazu geführt. Hier bekämpfen sich Milizen und staatliche Sicherheitskräfte. Eine Geberkonferenz hatte nicht genug Geld eingebracht (UN-Kinderhilfswerk Unicef). 2024 leben nach wie vor 735 Mio. Menschen in extremer Armut. Zwei Dinge spielen dabei eine große Rolle. Der Krieg in der Ukraine reduziert das Angebot an Getreide stark. Die fortschreitende Militarisierung in vielen Ländern lenkt Geld in andere Lebensbereiche. Quelle: Oxfam. Nach dem Welthunger-Index 2015 hungern weltweit 795 Mio. Menschen (oder leiden an Unterernährung; Quelle: Welthungerhilfe). Eine der Hauptursache sind die bewaffneten Konflikte Der Welthunger-Index erfasst die Situation in 117 Ländern. 1,4 Mio. Kinder sind Anfang 2017 unmittelbar vom Hungertod bedroht. Jeder neunte Mensch auf der Erde hungert. Die Ursachen in einzelnen Ländern sind unterschiedlich: Somaliland - Klimawandel; Südsudan - Krieg/ Hunger als Waffe; Haiti - Normalität; Indien - Verteilung. 2019 kommt ein Ernährungsbericht der UN. Danach litten 2018 820 Millionen Menschen (jeder neunte) unter Hunger und Unterernährung. Mit 20% war der Anteil an Unterernährung in Afrika am höchsten. "Es gab noch nie eine große Hungersnot in einer Demokratie", Amartya Sen (Nobelpreis 1998, geb. 1933 in Indien, Professor in Harvard). Anfang Juli.2021 kommt der Welternährungsbericht der UN: Demnach waren 811 Mio. Menschen unterernährt, das sind ein Zehntel der Weltbevölkerung. Die Lage hat sich durch die Corona-Pandemie verschärft. Am stärksten nahm der Hunger in Afrika zu. Auch der Welthunger-Index 2021 zeigt über 800 Mio. Betroffene in der Welt. 41 Mio. Menschen leben am Rande der Hungersnot. Die größten Treiber sind Konflikte und Klimawandel. Im Juli 23 kommt der Jahresbericht 2022 der Welthungerhilfe. 735 Mio. Hungernde gibt es auf der Welt (Mangel, Unterernährung, Wassermangel). Seit 2016 ist der Kampf gegen den Hunger fast zum Stillstand gekommen. 2024 waren nach dem Welthunger-Index 733 Mio. Menschen unterernährt. Besonders ernst ist dei Lage in Jemen, Madagaskar, Somalia, Südsudan und Tschad.

Hunger und Corona-Krise  2020 sowie Ukraine-Krieg 2022: Auch in Corona-Zeiten liefert die Landwirtschaft weltweit genug Nahrung. Doch in vielen Regionen stockt der Nachschub. Die Pandemie verschärft so bestehende Hungerkrisen. Der Transport von Nahrungsmitteln ist eingeschränkt. Das war schon vorher zum Teil durch die Zunahme der Handelsbeschränkungen. Es stockt auch die Finanzierung und die Lieferketten. Laut FAO könnten dadurch täglich 150.000 Menschen sterben. Quelle: O. v. Schlecht verteilt, in: Die Zeit Nr. 18, 23. April 2020, S. 32. Die Welthungerhilfe prognostiziert im Juli 2020, dass die Anzahl der Hungernden in der Welt als Folge der Corona-Pandemie auf eine Milliarde ansteigen könnte. 2019 hatte man 820 Mio. Hungernde gezählt. Gründe sind: Verlust der Arbeit, Wirtschaft bricht ein, Nahrungsmittelpreise steigen, Gesundheitssysteme sind überfordert. Der Ukraine-Krieg 2022 kann zu Hunger in der Welt führen. Russland und die Ukraine sind die größten Weizen- und Maisexporteure der Welt (knapp ein Drittel bei Weizen, ein -Sechstel bei Mais). China selbst, das der größte Weizen-Produzent der Welt ist, nimmt wenig Rücksicht und füllt seine Silos ("Chinesischer Hamster"). Hinzu kommt, dass die Preise rapide ansteigen und viele Länder das nicht mehr bezahlen können. Besonders betroffen werden folgende EL sein: Eritrea, Somalia, Libanon, Ägypten, Äthiopien, Jemen. Vgl. auch: Blasberg, Marian u. a.: Der stille Tod, in: Der Spiegel Nr. 16/ 16.4.22, S. 86ff. Auf dem Weltwirtschaftsforum von Davos spricht man Ende Mai 2022 von einer globalen Hungerkrise. Die Russen blockieren die Häfen der Ukraine (bzw. Odessa ist von der Ukraine vermint) und verhindern den Export von Getreide. Russland gibt offen zu, dass die Hungerkrise als Waffe weltweit eingesetzt wird. Viele Länder mit Hunger machen die westlichen Sanktionen gegen Russland dafür verantwortlich. Putin vertritt diese These auch auf der Konferenz der BRICS-Staaten. Ende Juli kommt ein Kompromiss mithilfe von Erdogan und der UN zustande (Abkommen zwischen Russland und der Ukraine): Die Ukraine kann wieder Getreide über den Hafen von Odessa exportieren. Das ist gerade noch rechtzeitig vor der Ernte. Auch Russland hat Vorteile (kann wieder Dünger exportieren). Allerdings müssen beide Seiten die Regeln gleich auslegen. Am 01.08.22 verlässt dass erste Getreideschiff den Hafen von Odessa. Das Frachtschiff "Razoni" hat Mais für den Libanon geladen. Die Türkei und die UN überwachen. Die Ukraine will Weizen, Gerste, Mais und Soja exportieren. Größte Abnehmerländer sind: Bei Weizen Türkei, Pakistan, Indonesien. Bei Gerste Türkei, China, Libyen, Jordanien, Saudi-Arabien. Bei Mais China, Iran, Ägypten, Spanien. Bei Soja Türkei, Deutschland, Italien, Niederlande.  9 Getreideschiffe haben bis Mitte August 2022  Odessa verlassen. Die Zielhäfen für die Schiffe mit mehr an 200.000 Tonnen an Mais, Sojabohnen, Sonnenblumekerne und Sonnenblumenöl liegen nach Angaben des türkischen Verteidigungsministeriums in der Türkei, GB, Irland, Italien und China. Es werden demnach keine Häfen in armen Ländern angefahren. Der Mais auf der Razoni sei Tierfutter und hat noch keine Abnehmer gefunden (der Libanon will nicht zahlen). Das Abkommen funktioniert zunächst. Aber es steht immer wieder auf der Kippe (ukrainische Drohnenangriffe auf die russische Schwarzmeerflotte?). Schließlich wird es dann doch weiter fortgesetzt. Die Welthungerhilfe gibt im Oktober 2022 bekannt, dass dei Zahl der Hungernden auf 828 Mio. gestiegen ist. Die meisten leben in Gebieten von Konflikten und Gewalt. Marlehn Thieme ist die Präsidentin.

Steigende Lebensmittelpreise in der Welt: Die Lebensmittelpreise schießen 2022 weltweit hoch. Der Food-Price-Index der Welternährungsorganisation ist auf einem Höchststand (132,7). Ein Allzeit - Hoch erreichen der Maispreis und der Düngemittelpreis. Die Anbauflächen sind nur leicht gestiegen. Der Ertrag je Hektar Anbaufläche der wichtigsten Getreidearten steigt zwischen 5 und 10%. 2020 gibt es ca. 768 Mio. Hungernde auf der Welt. Das sind 9,9% der Weltbevölkerung.

Welternährungskrise: Sie spitzt sich 2022 durch den Ukraine-Krieg zu. Die Nahrungsmittelpreise steigen auf ein historisches Hoch (allein 2021 +28%). Der Hunger in Afrika und dem Nahen Osten wird verschärft. Es ist das Topthema auf dem G7-Gipfel im Juni 2022. Die Ukraine kann ihre Produkte von Odessa aus nicht exportieren, weil der Hafen vermint ist. Russland liefert an befreundete Länder oder Länder, die gefügig sind. Am höchsten ist der Importbedarf an Weizen in Eritrea, Armenien, Mongolei, Aserbaidschan, Georgien, Somalia, Türkei, Libanon, Ägypten, Tansania, Libyen, Kongo, Namibia, Senegal, Kamerun, Mauretanien. Hunger kann leicht zu Revolten führen. Vgl. Focus 26/2022, S.40ff.

Abkommen zur Ausfuhr von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer (2022): Auf Vermittlung der Türkei von Russland und der Ukraine ausgehandelt. Es sind im wesentlichen Garantien Russlands für die freie Fahrt der Tanker. Es gibt immer wieder Verlängerungen. Russland sperrt sich am Anfang. Es profitieren vor allem die ärmsten Länder. Es ist natürlich auch für die Ukraine von Nutzen. Alternativen mit Bahn und LKW werden permanent verbessert.  Im Juli 2023 verlängert Russland das Abkommen nicht. Es kann seine eigenen Produkte zu wenig absetzen (Dünger, Swift) und verlangt einen Abbau von Sanktionen. Die Ukraine ist zum Alleingang bereit. Russland bombardiert aber schon Odessa und Nikolajew und garantiert nicht mehr die Route übers Schwarze Meer. Die Ukraine und Russland sind wichtige Lieferanten von Mais, Weizen, Gerste, Sonnenblumenöl, Raps. Man braucht die Produkte in Afrika, dem Nahen Osten und Teilen Asiens. Von der Menge her ist China der größte Importeur vor der Türkei.

Welternährungsprogramm der UN (WFP; Friedensnobelpreis 2020; seit 1961; weltweit hungern 690 Millionen Menschen 2020; weltweit hat das Programm 97 Mio. Menschen in 88 Ländern versorgt; bis 2019). Am 24.6 22 findet eine Welternährungskonferenz in Berlin statt. 44 Mio. Menschen stehen vor dem Hungertod. Auf dem G7-Gipfel 2022 in Elmau/ Bayern, wird beschlossen, 4,5 Mrd. $ zur Verfügung zu stellen.

Welternährungsbericht der UN: Der neueste wird im Juli 2022 veröffentlicht. Danach hungern 828 Mio. Menschen auf der Welt. Der Bericht kommt jährlich heraus. An dem Bericht arbeiten FAO, WHO und Unicef mit. Ursachen sind in erster Linie Klimawandel und Konflikte. Besonders schlimm ist die Lage in Afrika und dem Nahen Osten. Als Länder sind besonders stark betroffen Jemen, Afghanistan, Südsudan, Madagaskar.

Remissen/ Geldtransfers: Geld, das Migranten in ihre Heimatländer (Familien, Freunde) schicken. In Regel läuft das von reichen Ländern in arme Länder. Das betrifft etwa 270 Mio. Migranten. 2019 erreichten die Remissen den Rekordwert von 554 Mio. Dollar (höher als DI). Das ist oft auch der einzige Grund, warum man das Heimatland verlässt. Für 2020 wird ein Rückgang um 20% von der Weltbank vorausgesagt. Das kann gravierende Auswirkungen auf Unterkünfte, medizinische Versorgung und Essen haben. Die Corona-Krise verschärft damit die globale Krise. Hauptgrund ist, dass die Migranten ihre Jobs verlieren. Quelle: Interview mit Weltbank-Ökonom Dilip Ratha, in: Der Spiegel Nr. 20, 9.5.20.

Verteilung des Wohlstands unfair: Acht Personen auf der Welt sind heute genauso reich wie die arme Hälfte der Menschheit. Zehn Prozent der Menschen verfügen über 905 des Eigentums. 20 Prozent der Menschen haben 80% des Einkommens und verbrauchen 65% der Ressourcen. Siehe: G. Müller: Unfair, Hamburg 2017, S. 184.

FAO-Lebensmittelindex: Die Statistikabteilung der FAO in Rom berechnet den FAO-Lebensmittelindex. Er misst die Preisentwicklung der wichtigsten Grundnahrungsmittel weltweit. Darunter ist auch der Mais als eines der wichtigsten Nahrungsmittel.  Man sieht deutlich, wie hoch die Volatilität bei den Grundnahrungsmitteln ist und welchen Einfluss mittlerweile die Börsen haben. Preis steigernd hat sich auch die Verwendung als Ressource zur Energiegewinnung (Kraftstoffe) ausgewirkt.  

Weltgesundheitsorganisation (WHO): Oberste internationale Gesundheitsbehörde. 194 Mitgliedsstaaten. Sie ist auch verantwortlich für die Bekämpfung der Pandemie. Bei der Ebola reagierte sie viel zu spät. Die Chinesin Margret Chan war als Präsidentin (2007 bis 2017) sehr umstritten (sie lobte Nordkorea). Der äthiopische Mediziner Ghebreyesus wird Nachfolger als erster Afrikaner als Generaldirektor.  Die Organisation bekommt erhebliche Gelder von großen Stiftungen (z. B. von Bill Gates). Die USA treten 2020 aus und zahlen keine Beiträge mehr. Sie werfen der Organisation in der Corona-Krise eine zu große Nähe zu China vor.

Ärzte in Entwicklungsländern: Die Ärzte sind in der Regel in den Städten. Wie hilft man dann Kranken auf dem Land? In Bolivien behilft man sich mit einem neuen Berufsbild ("Doctorita", kleine Ärztin). Es ist eine Art bessere Gemeindeschwester. In Kenia liegt die Gesundheitsversorgung oft bei Freiwilligen (Community Health Volunteer). Es ist ein System ehrenamtlicher Gesundheitshelfer. Beide Modelle sind wohl nicht auf Deutschland zu übertragen.

Illegale Abtreibungen: Jedes Jahr enden weltweit 25% aller Schwangerschaften in einer Abtreibung, das sind rund 57 Mio. Davon sind 25,5 Mio. nicht fachgerecht. Fast jeder unsichere Abbruch erfolgt in Afrika, Asien oder Lateinamerika. Am schlimmsten ist die Lage in Afrika (außer Südafrika). Rund fünf Mio. Frauen erleiden bei unsicheren Abtreibungen Komplikationen. rund 47.000 sterben jedes Jahr weltweit. Fast alle Todesfälle passieren in Entwicklungsländern. Verhütungsmittel könnten ungewollte Schwangerschaften verhindern, sind aber rar.

Weltbevölkerung: Im Oktober 2011 leben 7 Mrd. Menschen auf der Erde. Jede Sekunde kommen 3 dazu, 80 Mio. im Jahr (etwa deutsche Bevölkerung). Bis 2050 wird sie weiter rasant anwachsen bis auf 9,3 Mrd. Das Bevölkerungswachstum findet fast ausschließlich in den Entwicklungsländern statt. Dadurch werden Armut und Umweltprobleme verschärft. In Europa und Deutschland nimmt die Bevölkerung ab. Ein erheblicher Teil des Bevölkerungswachstums geht auf ungewollte Schwangerschaften zurück. Umso problematischer ist das Verbot von Verhütungsmitteln durch den Papst. Über viele Jahrhunderte entwickelte sich die Weltbevölkerung nur langsam (300 Mio. zur Zeit Jesus; zu Goethes Lebenszeit wird die 1 Mrd. überschritten; 2017 fast 8 Mrd. Menschen; Steigerung seit 1950 um 250%). In Afrika wird sich die Bevölkerung von heute 1,2 Mrd. Menschen bis 2050 verdoppeln. Vgl. G. Müller: Unfair, Hamburg 2017, S. 183.

Alphabetisierungsrate: Anteil der Menschen über 15 Jahre, die einen kurzen und einfachen Text ihres alltäglichen Lebens lesen, schreiben und verstehen können (World Development Indicators, Weltbank). Meist handelt es sich um Schätzungen. Einzelne Länder haben eigene Definitionen. Die Definition hängt auch mit der Schwierigkeit der Sprache zusammen. Die chinesische Definition (unter 1500 Zeichen) ist sehr anspruchsvoll.

Kindersterblichkeitsrate: Anteil der Kinder, die im Zeitraum von der Geburt bis zum fünften Lebensjahr sterben, bezogen auf 1000 Lebendgeburten. Quelle: World Development Indicators, Weltbank. Säuglingssterblichkeitsrate: Anzahl der Säuglinge, die zwischen Geburt und erstem Lebensjahr sterben, bezogen auf 1000 Lebendgeburten. Quelle: World Developent Indicators, Weltbank.

Fruchtbarkeitsrate: Durchschnittliche Zahl von Kindern, die eine Frau im Laufe ihres Lebens lebend gebären würde, wenn sie in jeder Altersstufe in Übereinstimmung mit der altersspezifischen Fruchtbarkeitsrate Kinder zur Welt brächte. Quelle: World Development Indicators, Weltbank.

Bildung und Schulen in Entwicklungsländern: Sie sind der Schlüssel zu einer Aufwärtsentwicklung. Die großen Stiftungen von Bill Gates/ Microsoft und Mark Zuckerburg/ Facebook finanzieren Schule in Afrika (Bridge International Academies). Dies insbesondere in Kenia, Nigeria und Uganda. Ein Gericht in Uganda verbietet diese Schulen Ende 2016 (schlecht ausgebildete Lehrer, Pornographie, Förderung der Homosexualität).

Einschulungsrate: Prozentualer Anteil der eingeschulten Schüler/innen an der für die jeweilige Bildungsstufe relevanten Altersgruppe der Gesamtbevölkerung. Quelle: UNESCO, Institute of Statistics.

UN-Bildungsfonds: Mehr als 220 Mio. Kinder weltweit im Schulalter sind von Naturkatastrophen, Krisen und Konflikten betroffen (z. B. Ukraine, Afghanistan, Syrien, Region Horn in Afrika). Sie alle brauchen Zugang zu Bildung. Auf einer internationalen Konferenz im Februar 2023 haben Geber 772 Mio. Euro zugesagt. Deutschland ist mit 210 Mio. € größter Geber. Da sGeld ist für den Bau von Schulen, Unterrichtsmaterialien, Mahlzeiten und psychosoziale Betreuung.

Lebenserwartung: Anzahl der Jahre, die ein Neugeborenes leben würde, wenn bei seiner Geburt bestehende Lebensumstände und die Sterblichkeitsrate während des gesamten Lebens unverändert blieben. Quelle: World Development Indicators, Weltbank.

Erneuerung der Landwirtschaft: Der Landwirtschaft kommt eine Schlüsselrolle in Entwicklungsländern zu. Als Musterland gilt hier Ghana. Seit 1990 sank die Zahl der Unterernährten auf rund acht Prozent. Die Zahl der Menschen in extremer Armut sank auf 29 Prozent 2009. Lokale Grundnahrungsmittel werden gefördert. Viel Geld gibt die Bill Gates - Stiftung. Das Problem der Konkurrenz subventionierter Importe aus Europa, Asien und den USA ist auch da. Die Sicherung der Welternährung ist bei schnell wachsender Weltbevölkerung eines der größten globalen Probleme. Übermäßige Spekulation stört immer wieder die Preisentwicklung. Auch das Vernichten von Lebensmitteln (schätzungsweise weltweit ein Drittel) ist skandalös. Vernünftiger Transport und rechtzeitige Verarbeitung könnten hier helfen. Sehr bevölkerungsreiche Länder, wie z. B. China, treffen Vorsorge durch den Ankauf von Ackerland im Ausland (Afrika, Südamerika, Asien). Im Bereich der Agrarwirtschaft gibt es auch kuriose Wettbewerbssituationen: Tomaten aus der EU etwa führen dazu, dass afrikanische Bauern zu Flüchtlingen werden. Die wiederum pflücken in Italien als billige Arbeitskräfte Tomaten. Billiges Tomatenmark wird dann aus Italien nach Afrika exportiert (Ghana). "Die gesellschaftliche Ächtung aller Börsenspekulationen auf Nahrungsmittel ist unerlässlich", Klaus Töpfer, Vizepräsident der Welthungerhilfe 2011.

Kleinerwerbslandwirtschaft: Sie wird von vielen internationalen Organisationen gefördert (z. B. von der kirchlichen Einrichtung "Brot für die Welt"). Die Kleinbauern werden unterstützt gegen den Landkauf großer Agrarkonzerne, die riesige Monokulturen einrichten. Wichtig ist dabei vor allem die juristische Hilfe bei den Landrechten. Das Modell funktioniert etwa ganz gut in Mocambique.

Landflucht: Ein großes Problem vieler Länder, insbesondere in Afrika. Junge Menschen wandern in dei Stadt, um zu studieren oder dort zu arbeiten bzw. fliehen ins Ausland oder nach Europa. Die Bauern haben keine Nachfolger und werden immer älter. Die Landwirtschaft nimmt Schaden und wird von ausländischen Märkten abhängiger. Die FAO unterstützt Projekte in Afrika, junge Menschen in die heimische Landwirtschaft zu integrieren. In Kenia zum Beispiel erbringt die Landwirtschaft ein Drittel des BIP. Dieser Anteil muss gehalten werden, damit das Land nicht noch abhängiger wird.

Maßnahmen, die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren: 1. Weniger Lebensmittelabfälle. 2. Weniger Fleischkonsum. 3. Mehr urbane Landwirtschaft (z. B. Gemüseanbau in Hochhäusern). 4. Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft. 5. Mehr Konsum von Fleischersatzprodukten. Quelle: Die Zeit Nr. 39, 19.09.19, S. 22.

Fair Trade: Organisation, die den fairen Handel fördert: Internationale Föderation/Assoziation für fairen Handel (IFAT). Am zweiten Samstag im Mai jeden Jahres ist der Welttag des fairen Handels. Der Fair Trade Tag in den europäischen Ländern wurde von Safia Minney, der britischen Gründerin von People Free (Modefirma, die nur fairen Handel betreibt und biologisch angebaute Produkte verwendet), begonnen. Das Sortiment fair gehandelter Produkte umfasst in Deutschland 2012 12.000 Artikel. Der Umsatz hat sich seit 2009 verdoppelt. Den meisten Umsatz bringen Lebensmittel. Zwei Drittel der Lebensmittel werden biologisch angebaut. Es gibt auch andere Organisationen, die sich dem Ziel verschrieben haben. So zum Beispiel die Kampagne für Saubere Kleidung (CCC). Sie wacht über die Nachhaltigkeit von Textilproduzenten. Immer wieder in der Kritik ist H&M. Kritisiert werden die Niedriglöhne der Näherinnen oder die fehlenden Lieferantenlisten. Nun fordert die Firma selbst Fair-Trade-Siegel für Textilien.  Billigfirmen wie Kik halten sogar ihre Zusagen für Entschädigung in den Produktionsländern nicht ein. Beim Schokoladenkauf sollte man fragen, woher der Kakao stammt und ob die Firma nachhaltig arbeitet (Label: Fair-trade, Rainforest-alliance, UTZ certified). Davon profitieren Kleinbauern, vor allem in Westafrika. Vor etwa 40 Jahren kam der erste fair gehandelte Kaffee auf den deutschen Markt (GEPA - Fair Trade Company, Wuppertal). Die Initiative ging von Misereor (Gesellschafter von GEPA) aus. Die Gesamtstrategie lautet "Fair plus". Die GEPA wurde für ihre Verdienste um die Nachhaltigkeit und den Fairen Handel vielfach ausgezeichnet (z. B. Deutscher Nachhaltigkeitspreis 2011). Für fair produzierte Kleidung setzt sich die unabhängige Non-Profit-Organisation "Fear Wear Foundation" ein. Sie setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen in Nähfabriken, bei Zulieferern und Subunternehmern ein. 2014 gibt es in der Hamburger SPD einen Vorstoß, fair gehandelten Kaffee mit einem Steuervorteil zu belegen, damit er konkurrenzfähiger wird. Daran schließt sich eine Debatte an, was "fair" bedeutet. Viele faire Produkte stecken voller konventioneller Zutaten. Einerseits hat für immer mehr Verbraucher Konsum auch eine moralische Seite; andererseits sind die Siegel unzuverlässig, insbesondere was Rohstoffe angeht. Eine Durchmischung ist beim Fairtrage-Siegel erlaubt bei Kakao, Rohrzucker, Fruchtsäfte und Tee. Fairtrade-Ware und Nicht-Fairtrade-Ware werden gemischt und später wieder getrennt verkauft. Der Mengenausgleich muss allerdings auf der Verpackung kenntlich gemacht werden.  Im ersten Halbjahr 2013 stieg der Umsatz fair gehandelter Waren gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 20% auf auf 300 Mio. €. 1,72 Euro gibt jeder Deutsche im Schnitt für Produkte mit dem Fairtrade - Siegel aus. In Europa führen die Schweizer mit 21,06 Euro. Der Umsatz mit Fair - Trade - Produkten ist von 2004=57 Mio. € in Deutschland auf 654 Mio. € 2013 gestiegen. Bei Kakao ist der Anteil von Fairtrade mit 39% am höchsten. Vgl. auch Gisela Burckhardt: Todschick, München 2014. 2014 steigt der Umsatz im Bereich "Fairer Handel " um 31%. Allerdings erreicht der Marktanteil selbst beim wichtigsten Produkt "Kaffee" nur knapp 3%. 2015 beträgt der Umsatz von Fair  - Trade 987 Mio. € (+ 18%). Die Fair-Trade-Produkte werden in Deutschland immer stärker nachgefragt. Der Anteil der Erzeugnisse am deutschen Lebensmittelmarkt liegt aber nur bei unter 1 Prozent.

Billigexporte (und Ausbeutung): In Entwicklungsländern werden viele Billiggüter produziert, die in den Billigläden der Industrieländer landen. Bangladesch ist der weltgrößte Exporteur von Textilien (rund 4500 Fabriken). Diese werden unter oft menschenunwürdigen Bedingungen (Billiglöhne, kein Arbeits- und Feuerschutz) zusammengenäht. 2013 nach mehreren schweren Unfällen versprechen die Unternehmen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Die Regierung stärkt die Arbeiterrechte (Gewerkschaften, Sozialleistungen). Zweitgrößter Textilexporteur ist China.  In Kambodscha kommen Schuhfabriken in Verruf. Durch diese Exporte geraten auch einige deutsche Firmen immer wieder in die Kritik (z. B. in Deutschland C&A, Tschibo, H&M, Kik). Die Unternehmen gehen immer mehr Selbstverpflichtungsabkommen ein, die ethischen Mindeststandards  enthalten. Man spricht von "sauberen Textilien". In bestimmten Bereichen ist auch genau das Gegenteil zu beobachten. Auch die deutschen Sportartikelfirmen fallen immer noch auf. So lässt z. B. Puma immer noch Kleidung von maroden Subunternehmern etwa in San Salvador fertigen (bis 2014). Baby-Milchpulver aus Deutschland wird mit ungeheurer Gewinnspanne nach China verkauft, weil die Regierung dort die Kontrolle einheimischer Produkte nicht in den Griff bekommt. 2016 wird bekannt, dass Lieferanten von H&M und von C&A immer noch gegen die Sozialgesetze in Indien verstoßen.

Regulierung für faire Löhne: Schutz der Beschäftigten in Entwicklungsländern und Schwellenländern. Freiwillige Initiativen reichen oft nicht aus. Es ist auch die wirksamste Möglichkeit, "fair fashion" durchzusetzen. Mittlerweile drängen die Abteilungen der Unternehmen (Unternehmensverantwortung) auf mehr soziale Nachhaltigkeit (Beispiel: Tschibo).

Neues Geschäftsmodell für EL: In den vergangenen Jahren konnten viele Entwicklungsländer mit niedrigen Lohnkosten punkten und arbeitsintensivere Verfahren aus den Industrieländern anlocken. Das brachte mehr Wachstum und Wohlstand. Indem nun die Automatisierung menschliche Arbeitskräfte ersetzt, müssen diese Länder neue Geschäftsmodelle entwickeln. Sie müssen versuchen, auf der Wertschöpfungskette nach oben zu klettern. Vgl. Daron Acemoglu: Automatisierung ist keine Naturgewalt, Interview in: WiWo 11, 8.3.2019, S. 38f.

Einfuhrverbot für gebrauchte Kleidung: Ruanda hat mit dieser Maßnahme angefangen. Mittlerweile wollen sie andere Länder kopieren. Kann ein solcher Importstopp die einheimische Textilwirtschaft fördern? Noch experimentiert man.

Ethische Mindeststandards: Viele arbeitsintensive Produkte werden in Entwicklungsländern unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt. Hier hat der Konsument eine Holschuld, sich darüber zu informieren. Sehr niedrige Verkaufspreise sind ein erster Hinweis. Z. B. wird ca. 75% unseres Spielzeugs in der VR China produziert. Westliche Firmen lassen dort fertigen oder passiv veredeln. Die deutschen Unternehmen Steif und Playmobil lassen mittlerweile überwiegend in Europa produzieren. Matell und Disney noch nicht. Bei Sportartikeln gibt es Labels, die die Einhaltung der ethischen Mindeststandards garantieren. In der Regel geht es um den Ausschluss von Kinderarbeit. In der Regel lehnen die Entwicklungsländer moralische Standards (z. B. bei Beschäftigungsverhältnissen) ab, weil sie ihren Einsatz zu protektionistischen Zwecken befürchten. Noch 2017 beklagen Menschenrechtsorganisationen (z. B. "Follow the Thread" von Human Rights Watch) mangelnde Transparenz bei Lieferketten. Die Textilfirmen wollen in der Regel nicht offen legen, mit welchen Subunternehmen sie zusammenarbeiten.

Weltethos: Das Weltethos-Institut in Tübingen (Claus Diekmeier, Professor für Globalisierungs- und Wirtschaftsethik) behandelt in seinem Buch "Qualitative Freiheit", 2016 folgende Thesen: 1. Globalisierung war gestern, Globalität heute. 2. Wer global wirkt, muss sich weltweit verantworten. 3. Der Leitwert der Globalität ist verantwortete Freiheit. 4. Die lange vorherrschende Idee von "negativer Freiheit" reicht nicht aus. 5. Die klassisch-liberale Freiheitsidee zielte stets auf weltbürgerliche Verantwortung. 6. Weltbürgerlich verantwortete Freiheit ist notwendig. 7. Verantwortlich wirtschaften befreit. 8. The business is society. 9. Verantwortung ist kein notwendiges Übel, sondern eine strategische Chance. 10. Freiheit braucht Ethos - globale Freiheit braucht ein Weltethos.

Standards: Diskutiert werden Umwelt- und Sozialstandards. Umweltstandards müssen nach dem Prinzip der Klimagerechtigkeit festgelegt werden, was mittelfristig gleiche Pro-Kopf-Emissionsrechte für alle Menschen bedeutet. Alle Nationalstaaten haben Kern-Sozial-Standards der ILO verabredet, die aber unterwandert werden. wünschenswert wären globale Verträge, wobei Finanzierung und Balancierung die Hürden sind.

Kinderarbeit: In vielen Teilen der Welt noch an der Tagesordnung (nach Bericht des US-Arbeitsministeriums in 71 Ländern). Die höchsten Anteile gibt es in Indien, Bangladesch und Philippinen. Bei großen ausländischen Firmen war die Bekämpfung durch Marketing erfolgreich, z. B. durch Label. Weitere Bekämpfungsmaßnahmen sind Einfuhrverbote, faire Kredite für Familien, Verbesserung des Bildungssystems. Die ökonomischen Verhältnisse in den Ländern verhindern eine Ächtung.  Sehr verbreitet ist diese Arbeit in Afrika (z. B. in den Minen des Kongo beim Abbau von Tantal, in Ostafrika bei der Arbeit in Goldminen, in Kenia/ Nairobi beim Sammeln von Plastikmüll), in China und Indien  (in der Landwirtschaft, im Haushalt und in Steinbrüchen, vor allem Mädchen, auch für Grabsteine in Deutschland) und in Pakistan (Sportartikel, T-Shirts nähen). In Kasachstan gibt es Kinderarbeit in Zigaretten-Firmen. Laut UN soll mittlerweile jedes zweite hungernde Kind in Indien leben. Millionen indischer Kinder, hauptsächlich Mädchen, arbeiten als Sklaven in Fabriken, Bordellen oder bei Familien (laut Volkszählung arbeiten 12,6 Mio. Kinder in Indien). Häufig hungern auch die Eltern. Wer hungert, der braucht sein Kind als Arbeitskraft . Die Wirtschaftskrise verschlimmert die Situation. Besonders nachteilig ist die Verhinderung des Schulbesuchs (ab 2012 bekommen in Indien alle Kinder das Recht auf einen kostenlosen Grundschulplatz). In Bangladesch arbeiten vielen Mädchen in Nähereien. Einfluss auf die Kinderarbeit haben auch niedrige Erzeugerpreise (z. B. bei Kakao). Das gilt vor allem für brasilianische Kakaoplantagen. Kinderarbeit gibt es auch auf Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste und ganz West-Afrika (Krankheiten durch zu schwere Säcke und Spritzmittel; Ebola verschärft die Situation, weil keine Arbeiter mehr aus Nachbarländern kommen dürfen). Es gibt weltweit ca. 218 Mio. arbeitende Kinder (ILO, Genf). Zu diesem Thema habe ich eine Sonderveranstaltung in Internationale Wirtschaft durchgeführt. Die Kinderarbeit hat eine lange Tradition in Zusammenhang mit den Kindersklaven in der Antike. Schon 500 v. Chr. gab es sie im antiken Griechenland, auch später im Römischen Reich. Die G8 beschließen 2010 in Huntsville/ Kanada rund 4 Mrd. € zur Verfügung zu stellen (Deutschland über 5 Jahre mit 400 Mio. € beteiligt). Als erstes Vorbild einer Kampagne in der Geschichte gilt das Vorgehen von E. D. Morel gegen den Kautschukabbau in der belgischen Kolonie Kongo zwischen 1890 und 1907. Er gründete sein eigenes Magazin und eine Vereinigung (Congo Reform Association). Die Kinderrechtsorganisation "Save the Children" gibt 2012 bekannt, dass 59 Millionen Kinder unterernährt sind. Am besten geht es Kindern in Japan, am schlechtesten in Somalia. 2012 kritisiert die Organisation China Labor Watch, dass systematisch Minderjährige in Fabriken von Samsung in China beschäftigt werden. 2013 fordert das Kinderhilfswerk "Unicef", ein gesetzliches Mindestheiratsalter von 18 Jahren, um Zwangsehen zu verhindern. Nach dem ILO-Bericht über Kinderarbeit 2013 gab es 2012 168 Mio. Kinderarbeiter. Damit ist die Zahl gegenüber früheren Jahren gesunken (bessere Gesetze in den Ländern, Schutz-Label beim Absatz in den Industrieländern). Die meisten Kinder arbeiten in der Landwirtschaft (59%), gefolgt von Dienstleistungen (33%) und Industrie (8%). In vielen Ländern gibt es auch einen florierenden Menschenhandel mit Kindern. Zum Beispiel werden in China immer wieder Banden aufgelöst (lukratives Geschäft bei der Ein-Kind-Politik). Vgl. auch http://www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de . In Deutschland versucht man mit der Kinderarbeitsschutzverordnung und dem Jugendschutzgesetz gegen Kinderarbeit vorzugehen. In Bolivien wird 2014 ein Gesetz beschlossen, dass Kinder ab dem zehnten Lebensjahr legal arbeiten können (bei Garantie der körperlichen und geistigen Gesundheit; 850.000 Kinder arbeiten anstatt zur Schule zu gehen). Kinderarbeit gibt es auch in türkischen Haselnussplantagen (in Hanuta und Duplo drin). 2015 rückt in den Mittelpunkt, dass im Kongo beim Abbau wichtiger Rohstoffe Kinder eingesetzt werden. Besonders hervorzuheben sind die Kobalt - Minen (das Metall braucht man in der Handy-Produktion). Ebenso werden Kinder eingesetzt beim Abbau von Grabsteinen in Indien und China. Hier versucht man, Zertifikate aufzubauen ("Fair Stone"). In der Türkei werden syrische Flüchtlinge zu Dumping-Löhnen in Textilunternehmen eingesetzt. Häufig werden auch Minderjährige beschäftigt. Es gibt keine staatliche Unterstützung für Flüchtlinge und die Kinder dürfen nicht in die Schule. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation gibt es 2016 in Indien 14 Mio. Sklaven in der Arbeit in Indien. Die meisten Sklaven sind Kinder. Das hindert viele Unternehmen an Direktinvestitionen. 2016 kommt ans Tageslicht, dass in türkischen Textilfabriken Flüchtlingskinder schuften (z. B. bei Zara). Viele Kinder (ca. 1 Mio. geschätzt) arbeiten in der Goldförderung (China, Peru, Südafrika, Ghana, Indonesien). Leider werden in der Kakao-Wirtschaft Millionen Kinder eingesetzt (Ghana, Elfenbeinküste). Die großen "Nachhaltigkeitssiegel" messen das nicht. 2017 gerät die deutsche Autoindustrie in Verruf. Sie bezieht Rohstoffe, die mit Kinderarbeit gewonnen werden: Kobaltminen im Kongo. Grafitminen in China. Man müsste für Transparenz in der ganzen Lieferkette sorgen. Nach einer Statistik der UN 2017 müssen in einer Minute 15 Mio. Kinder zwischen 5 und 11 Jahren weltweit arbeiten. Bolivien ist das einzige Land der Welt, in dem Kinderarbeit gesetzlich erlaubt ist. Der Bundesentwicklungsminister Gerd Müller will ab 2019 die Kinderarbeit bekämpfen: Wenn eine Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, soll ab 2020 ein Gesetz kommen. 187 Staaten der ILO ratifizieren im August 2020 eine Konvention gegen Kinderarbeit (152 Mio. Mädchen und Jungen zwischen 5 und 17 Jahren). Explizit verboten wird Prostitution für Kinder, ihr Einsatz in Konflikten und als Sklaven. Im Juni 2021 legen das ILO und das Weltkinderhilfswerk einen neuen Bericht vor: 160 Mio. Kinder arbeiten weltweit. Oft sind es gefährliche Tätigkeiten. Die Zunahme ist besonders stark in Afrika und den arabischen Ländern. Auch in den USA werden Kinder ausgebeutet. Sie schuften in Schlachthöfen, Autofabriken und Wäschereien. Einige Politiker wollen die Schutzbestimmungen sogar noch weiter aushöhlen. Vgl. Buchter, Heike: Amerikas ausgebeutete Kinder, in: Die Zeit 31/ 20 7.23, S. 19.  2014 wird bekannt, dass ein chinesischer Zulieferer von Samsung Kinder beschäftigt (Dongguan Shinyang Electronics). Samsung legt sofort die Lieferverträge auf Eis.2014 bekommt Kailash Satyarthi aus Indien den Friedensnobelpreis. Er ist Menschenrechtsaktivist und gründete 1998 die "Bewegung zur Rettung der Kindheit".  Heute verlangen Kunden in Deutschland und weltweit die Garantie "kinderarbeitsfrei" von fast allen Herstellern. Laut einer Studie des Weltkinderhilfswerks Unicef 2014 sind durch die Finanzkrise mindestens 2,6 Mio. Kinder unterhalb die Armutsgrenze gerutscht. In den reichsten Industrieländern leben 76,5 Mio. Kinder unter der Armutsgrenze. 

Kinder- und Müttersterblichkeit: Beide sind in den Entwicklungsländern sehr hoch. Die Kindersterblichkeit ist sogar ein Indikator für ein Entwicklungsland. Allerdings ist die Definition unterschiedlich (entweder bei der Geburt oder innerhalb eines Jahres nach der Geburt). Die Müttersterblichkeit ist besonders hoch in Bolivien. Mittlerweile vertraut man wieder auf jahrhundertealte Praktiken und hat Erfolg.

Geburtenrate: Niger hat die höchste Geburtenrate weltweit. Die Zahl der Kinder gilt als Symbol für Wohlstand. Aber sie ist auch eine Folge der Polygamie, die erbliche Gründe hat. Das Erbe des Mannes wird nach der Zahl der Kinder aufgeteilt. Außerdem wendet sich der Islam gegen Geburtenkontrolle. Deutschland fördert Projekte, die zur Geburtenkontrolle beitragen (aus eigenem Interesse).

Afrika als Gesamtheit: Dieser Kontinent ist in seiner Entwicklung am weitesten zurück und wird sich in den nächsten Jahren am stärksten ändern. Nördlich der Sahara sind die Demokratiebewegungen am stärksten (Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten, Sudan). Südlich davon gibt es in einigen Staaten Kriege und Aufstände (Kongo, Somalia, Madagaskar). In vielen Ländern gibt es auch Herrscher, die mit harter Hand regieren (Kamerun, Burkina Faso, Tschad, Angola, Simbabwe). Die Menschen haben zu wenig zu essen, um zu protestieren. Der prekäre Mittelstand in den Städten wird das Schicksal bestimmen. 2008 fällt der Kontinent in der Güterproduktion weiter zurück. Die 53 Länder haben nur noch 1% aller weltweiten Waren produziert gegenüber 1,2% im Jahre 2000. Diese Zahlen stammen von der UNCTAD, die Korruptionsbekämpfung, Bürokratieabbau und transparente Steuer- und Abgabensysteme fordert. Am Horn von Afrika werden die Folgen der Dürre immer schlimmer. Millionen droht der Hungertod. Am schlimmsten ist Somalia betroffen (3,4 Mio. sind 2011 auf ausländische Hilfe angewiesen). Von den Rohstoffen her ist Nigeria das wichtigste Land. Es hat die größten Erdöl- und Erdgasvorkommen in Afrika. Das wichtigste Land in Afrika, ein Schwellenland, ist Süd-Afrika. Die Gesamtfläche beträgt 30.221.000 Quadratkilometer. Oft teilt man den Kontinent in drei Teile: Nordafrika mit den Mittelmeeranrainern (der Sudan ist das größte afrikanische Land). Sub-Sahara-Afrika (Wachstum 2000 bis 2013 103%), Südafrika. Afrika ist reich an Ressourcen. Die meisten Direktinvestitionen in Afrika sind mit den Bodenschätzen verbunden. Als Ursprungsland liegt China vorne. Das Land baut seine eigenen Städte in Afrika. In einem Vierteljahrhundert (ab 2023) wird laut Prognosen jeder vierte Mensch in Afrika leben. Der Kontinent ist so jung wie kein anderer in der Welt. Seine Bewohner sind durchschnittlich 19 Jahre alt (Deutschland 45). Irgendwann werden die Endlos-Präsidenten und -Diktatoren von der Zivilgesellschaft  in die Wüste geschickt werden.    Südafrika: Das Land ist reich an Bodenschätzen. Es hat eine gut ausgebildete Bevölkerung (europäisch geprägtes Bildungssystem). Korruption, Missmanagement und soziale Ungleichheit sind hinderlich.  Angola: Wirtschaftswachstum 2000 bis 2013 237%; Grund sind vor allem die Ölexporte (Hauptabnehmer ist China); vom Reichtum profitieren nur wenige Privilegierte. Besonders hervorgetan hat sich Isabel dos Santos. Sie ist die Tochter des einstigen Präsidenten. Sie ist mit einem Milliardenvermögen reichste Frau Afrikas (400 firmen in 41 Staaten, 94 in Steueroasen).  Nigeria: zählt zu den fünf größten Erdölexporteuren der Welt; 2012 76 Mrd. $ Bestand an Direktinvestitionen (vor allem aus China). In Nigeria bemächtigt sich die extremistische Boko-Haram-Sekte immer größerer Landgebiete und gehen dabei immer grausamer vor. Hintergrund ist auch ein Religionskonflikt zwischen dem mehr christlichen Süden und den mehr islamischen Norden, der sich ökonomisch marginalisiert vorkommt. Einerseits ist Nigeria ein Wirtschaftsriese mit enormem Investitionspotential und reich an Ressourcen (hohe Rohstoffabhängigkeit). Andererseits wird der Staat von Gewalt und Missmanagement zermürbt. Lagos ist mittlerweile die größte Stadt Afrikas. Hier boomt das Online-Geschäft. Start-up-Millionäre konkurrieren mit Internetkriminellen. Islamisten nehmen immer wieder Zivilisten als Geiseln. Sambia: Reich an Kupfer und Kobalt; Bergbau. Mosambik: mit Japan und Brasilien Ausbau der technischen Landwirtschaft; Kohlevorkommen gehören zu den größten der Welt. Das Land ist 2018 zu einem Durchgangsort des Heroinschmuggels geworden. Zyklon "Idai" verwüstet im März 2019 das Land, über 1000 Tote. Ein weiterer Zyklon kommt kurz danach (Hunger und radikale Islamisten). Am 31.5.19 findet eine Internationale Hilfskonferenz in Beira statt. Tansania: großer Goldproduzent. Der Präsident Magufuli hat 2020 Corona geleugnet. 2021 ist er selbst schwer erkrankt. Er stirbt an Corona zusammen mit Herschwäche. Die neue Präsidentin Samia Suluhu Hassan kommt aus Sansibar. Nirgendwo als in Afrika wächst der Markt für Smartphones schneller. Eine neue Generation von Computerexperten entwickelt neue Apps, die auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten sind. Die digitale Revolution könnte die fehlende Infrastruktur ersetzen. Afrikas Frauen emanzipieren sich. Die Afrikanische Union wird von einer Frau geführt. In Ruanda sind 64% der Abgeordneten Frauen. Frauen gründen viele Unternehmen. Vgl. Spiegel-Serie "Afrika", November, Dezember 2013. Die deutschen Exporte nach Afrika werden ab 2014 und die folgenden Jahre um durchschnittlich 5% wachsen (DIHK, über dem Durchschnitt). Als besonders stabiles Investitionsklima gelten die Länder Kenia, Tansania, Ghana und Nigeria. Von Investitionen abzuraten ist 2014 in der Dem. Rep. Kongo. Vgl. Wirtschaftswoche Nr. 4, 20.01.14, S. 20ff. 2014 berät die Afrikanische Union (54 Staaten) über Landwirtschaft und Ernährungssicherheit. Es geht vor allem um die Verpachtung riesiger Landflächen an ausländische Investoren. Durch die vielen Krisen in der Welt und den Boom in einigen afrikanischen Ländern gerät das Sterben in einigen Regionen Afrikas etwas in Vergessen. Im Südsudan, in der Zentralafrikanischen Republik, in Nigeria oder im Tschad hungern viele Menschen oder werden Opfer von Konflikten. Die Krankheit Ebola legt 2014 fast ganz West-Afrika lahm. Der jüngste Staat in Afrika "Süd-Sudan" kommt 2014 nicht zur Ruhe: Das Land wird von Kriegen geplagt; die Regenzeit verursacht eine Katastrophe; China und die USA kämpfen um Einfluss in dem ressourcenreichen Land. 2015 verfügt nur jeder vierte Afrikaner über Strom. Das bremst die Wirtschaftsentwicklung stark. Deutsche Firmen schrecken oft die instabilen Verhältnisse ab. Im Februar 2023 besucht Papst Franziskus das Land. Im Sudan putscht im April 2019 die Armee und setzt Präsident Baschir ab, der 30 Jahre geherrscht hatte. Es soll eine zweijährige Übergangsphase geben. Im Oktober 2021 putscht das Militär erneut. Eritrea gilt als das Nordkorea Afrikas. Nach UN-Schätzung verlassen jeden Monat 5000 Menschen das Land. Es gibt einen Dauerwehrdienst für Männer und Frauen. Die zurück gehenden Rohstoffpreise und die damit verbundene Rohstoffkrise beendet vorerst den wirtschaftlichen Aufschwung in Afrika. 2016 besucht die Bundeskanzlerin nach längerer Zeit mal wieder Afrika (Mali, Niger, Äthiopien). Sie will auch den Transfer von Flüchtlingen in den Staaten bekämpfen und die Afrikanische Union unterstützen.  Uganda hat bereits fast 1 Mio. Flüchtlinge aus dem Südsudan aufgenommen. Dafür erhält das Land 2017 2 Mrd. Dollar an Hilfszusagen. Ugandas Präsident Museveni erhebt 2018 eine Steuer, um Internetaktivisten ruhig zustellen. Für Facebook und Twitter muss eine Tagesgebühr entrichtet werden. In Simbabwe droht Ende 2016 ein Finanzkollaps wie schon vor sieben Jahren (die einstige Kornkammer Afrikas ist runtergewirtschaftet). Der Staat gibt daher eine neue Währung aus. Staatspräsident Mugabe (2017 93 Jahre alt) dürfte nicht mehr lange regieren. Seine Familie, insbesondere seine südafrikanische Frau, bereitet eine Machtübernahme vor. Im November 2017 übernimmt die Armee die Macht. Viele weiße Farmer sind geflohen und haben sich in Sambia eine neue Existenz aufgebaut. Die Armee will nicht von der Macht lassen. 2019 gibt es Gewalt gegen Demonstranten. In Namibia erheben die Volksgruppen der Herero und Nama in New York Anklage gegen Deutschland (Sammelklage). Es geht um Entschädigung für Massaker der Deutschen in der ehemaligen Kolonie (1904 bis 1908 bis 80.000 Tote). Deutschland will keine individuellen Ausgleichszahlungen machen, weil es keine Geschädigten mehr gibt (aber Zahlungen in einen Fonds). Die Republik Kongo fällt immer wieder durch Korruptionsfälle auf. 2016 wurden Mitarbeiter der staatlichen Versicherungsgesellschaften um ihre Pensionen betrogen. Die Richter kümmern sich nur darum, wenn Schmiergeld fließt. 2018 werden Ölbohrungen in geschützten Nationalparks zugelassen. Die Präsidentenwahl im Januar 2019 hat Tshisekedi als Sieger; es gab aber zahlreiche Ungereimtheiten bei der Wahl. Man spricht vom größten Wahlbetrug der neueren afrikanischen Geschichte. In Gambia wurde Ende 2016 der langjährige Präsident Jammeh abgewählt. Der ehemalige Boxer klammert sich aber an die Macht, obwohl er nach und nach alle Verbündeten verliert, auch die Nachbarstaaten. Kurz vor der Entmachtung durch ausländische Truppen tritt er ab. Gambia hat die grausame Genitalverstümmelung der Frauen verboten. Kenia gilt als ein Schwellenland in Afrika. Tee, Tourismus und Blumen sind die größten Devisenbringer. Die meisten Rosen in Europa kommen aus Kenia. Nairobi, die Hauptstadt, ist Sitz der Umweltbehörde der UN. Der Blumenboom verursacht auch Umweltprobleme. Die Wahl im August 2017 führt zu Konflikten (Wahlbetrug?). Verschiedene Stämme stehen sich gegenüber. Es gibt keine Anzeichen für Wahlbetrug. Das oberste Gericht annulliert die Präsidentenwahl. Lokale Start-up-Firmen sind sehr erfolgreich. Sie bedienen sich der Informationstechnologie. Das Internet gleicht Infrastrukturdefizite aus. Al-Schabab Milizen attackieren im Januar 2020 US-Truppen. 2017 streiten sich Ghana und die Elfenbeinküste um Bohrrechte im Meer. Swasiland nennt sich ab 2018 "Kinddom of eSwatini". Man feiert 50 Jahre Unabhängigkeit. König Mswati III. beschenkt sich mit einem A340. Der Präsident Nkurunziza von Burundi (ostzentralafrikanischer Kleinstaat) will sich per Referendum eine Jobgarantie bis 2034 (seit 2005) sichern. Das Land hat 10 Mio. Einwohner. Ruanda ist das Partnerland von RLP. Es gerät 2018 in die Schlagzeilen. Als Empfänger von Entwicklungshilfe wird es Trikotsponsor des Londoner Fußballclubs Arsenal. Äthiopien: 2018 kommt Premier Abiy Ahmed ins Amt. Er verändert das Land in Rekordgeschwindigkeit. Entsprechend wird er verehrt. Malawi: In Malawi gab es 2019 eine Wahlmanipulation bei der Präsidentenwahl. ein Gericht annulliert das Ergebnis der Wahl. Die EU-Wahlbeobachter sind blamiert. Im westafrikanischen Krisenstaat Mali  wird 2020 geputscht vom Militär. Präsident Keita wird abgesetzt. Frankreich und Deutschland haben Truppen in Mali.  "Give a man a fish, you feed him for a day. Teach a man how to fish, you feed him for a lifetime", Chinese proverb. Dies halte ich für ein sinnvolles Motto für Entwicklungspolitik generell. Im Juni 2017 findet eine Afrika-Konferenz in Berlin (G20-Koferenz zur Afrikapartnerschaft) statt. Die Staaten Afrikas sollen mehr Geld bekommen. Man sucht nach Wegen, die Migration aus Afrika einzuschränken. Allein Tunesien, Elfenbeinküste und Ghana sollen 300 Mio. € aus Deutschland bekommen. Das Bundesentwicklungsministerium fordert 2018 mehr Engagement der deutschen Wirtschaft in Afrika. Nur 1000 von rund 3,5 Mio. deutschen Unternehmen würden sich dort engagieren. Derzeit seien vor allem chinesische, türkische und russische Unternehmen aktiv. 42 von 54 afrikanischen Ländern hätten ein höheres Wirtschaftswachstum als Deutschland. Der europäische Markt für Produkte aus Afrika sei praktisch gesperrt (besonders problematisch bei Agrarprodukten). In Afrika herrscht 2021 ein großer Impfstoffmangel gegen Corona. Für die 1,3 Mrd. Bewohner ist in absehbarer Zeit nicht genug Vakzin verfügbar.

Subsahara: Zur Subsahara gehören 49 Länder. Nicht dazu gehören die Maghreb-Staaten Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen ebenso wie Ägypten, die dem Nahen Osten zugeordnet werden. Also gehören alle Staaten südlich davon dazu. Deutschland exportierte 2017 Waren im Wert von rund 25,6 Mrd. Euro. Für 20,4 Mrd. € wurden Waren importiert. Es gibt Safri, die Subsahara - Initiative Deutschen Wirtschaft (partnerschaftlich betrieben von Afrika-Verein und DIHT, BDI, BGA). Die demokratischen Regierungen scheinen in dieser Region unterzugehen.  Ende August 2018 besucht Bundeskanzlerin Merkel Westafrika (Senegal, Ghana, Nigeria). Es geht um Migration und Stabilisierung der Region.

Staaten der Sahelzone: Mauretanien, Senegal, Mali, Niger, Burkina Faso, Nigeria, Tschad, Sudan, Eritrea, Äthiopien. Die Einteilung ist umstritten. Kernstaaten: Mauretanien, Guinea, Mali, Niger, Burkina Faso, Tschad, Sudan. Im April 2023 besuchen Verteidigungsminister Pistorius und Entwicklungsministerin Schulze die Länder. Alle diese Staaten leiden unter Bevölkerungsexplosion, Klimakrise, Fortschreitender Wüste, Islamismus. Es ballen sich die Probleme des ganzen Kontinents. Es herrscht eine hohe Konzentration gewaltsamer Ereignisse der dschihadisdischen Organisationen JNIM und ISGS und von Militärputschen. Lange war Frankreich mit seinen ehemaligen klonien politisch und wirtschaftlich eng verflochten. Aber die Beziehung war nicht auf Augenhöhe. Das rächt sich jetzt. Afrikas Handel mit Frankreich ist in den letzten zwei Jahrzehnten (2023 zurück) von 10 auf 5% gesunken. Im gleichen Zeitraum schnellte der Handel mit China von 3 auf 20% hoch. Frankreich hat innerhaln kurzer Zeit den dritten westafrikanischen Staat verloren. China und Russland stehen immer als Ersatz bereit.

Ecowas: Westafrikanischer Staatenbund für Wirtschaft. Gründung 1975 in Lagos/ Nigeria. Hauptsitz ist Nigeria. Den Vorsitz 2023 hat der nigerianische Präsident Bota Tinubu. Mitglieder sind 15 Staaten Westafrikas. Nigeria erlässt beim Putsch in Niger sofort eigene Sanktionen: Strom kappen, Grenze geschlossen. Die anderen Staaten können sich bei Sanktionen gegen Niger nicht einigen. Algerien und Tschad sind dagegen. Auch Frankreich als ehemalige Kolonialmacht spielt eine wichtige Rolle. Man plant aber eine Eingreiftruppe für den Einsatz im Niger.

Ruanda: Seit 1982 besteht eine Partnerschaft zwischen Ruanda und Rheinland-Pfalz. Sie überstand auch den Völkermord von 1994, bei dem mindestens 800.000 Angehörige der Tutsi-Minderheit von Hutu-Milizen ermordet wurden. Es gibt einen Partnerschaftsverein Rheinland-Pfalz/ Ruanda e. V. , über den die meisten Hilfsprojekte abgewickelt werden. Der Verein ist beim Innenministerium angesiedelt. Jährlich können etwa 3,5 Mio. € zur Verfügung gestellt werden (Spenden + 1,3 Mio. € aus dem Landeshaushalt). Ministerpräsidentin Dreyer reist Ende Oktober 22 nach Ruanda. Es gibt eine Feier zu 40 Jahren Partnerschaft. Der Besuch der Biotech-Baustelle ist geplant. Das Land gilt als Erfolgsmodell: Das BIP hat sich vervierfacht, die Armutsquote ist von über 60% auf unter 50% gesunken. Im Dezember 2023 weiht BionTech aus Mainz sein Werk in Ruanda ein. Es soll als Leuchtturmprojekt dienen. 1994 verübten die Hutu an den Tutsi einen Völkermord, Hunderttausende starben (30 Jahre Gedenktag 7.4.24, Malu Dreyer reist an). 2024 gibt es wenig Kriminalität, die Wirtschaft wächst. Der Westen feiert das Land als Erfolgsmodell. GB macht eine Flüchtlingskooperation mit dem Land. Ruanda hat Erfahrung mit Transitzentren. Wer nicht ins fortschrittliche Bild passt (Sexarbeiterinnen, Straßenverkäuferinnen, Obdachlose, Bettler, Drogenabhängige) wird von Greiftrupps eingesammelt. Sie kommen in die Lager, die auch als Umerziehungslager gelten. Ruandas Präsident sitzt auch nach der Wahl 2024 fest im Sattel. Er ist ein überaus geschickter Autokrat.   Paul Rusesabagina soll während des Völkermordes als Manager des Fünf-Sterne-Hotels "Milles Collines" mehr als 1200 Menschen vor dem Tod gerettet haben. Er gilt seitdem als Held. Es gab immer wieder Zweifel an der Geschichte (hat sich den Aufenthalt im Hotel teuer bezahlen lassen). 2020 wird er als Terrorist angeklagt. Paul Kagame heißt der Präsident. 2015 wurde die Amtszeitbeschränkung aufgehoben. So ist er 2017 mit 99% in die dritte Amtszeit gegangen. Die Oppositionspartei lobt ihn, weil niemand aus ihren Reihen verhaftet oder getötet wurde. Die Luftverschmutzung ist in der Hauptstadt Kigali ein großes Problem. Es gibt vorzeitige Todesfälle durch schlechte Luft. Man will den Verkehr auf E umstellen. Feuerstellen sorgen für Belastung in Innenräumen.

Äthiopien: 2018 kommt Premier Abiy Ahmed ins Amt. Er verändert das Land in Rekordgeschwindigkeit. Entsprechend wird er verehrt. Er erhält 2019 den Friedensnobelpreis. 2020 bricht ein Bürgerkrieg aus. Die Provinz Tigray will sich abspalten. Die Armee von Äthiopien marschiert ein. Der Konflikt am Horn von Afrika droht sich auf die Nachbarstaten auszuweiten (Eritrea, Sudan). Als Verbündete dieser Staaten sind Ägypten und die VAE involviert. Die Volksbefreiungsarmee TPLF in Tigray hat sehr erfahrene Soldaten und militärisches Gerät aus früheren Waffengängen . Im November 2020 hält sich die UN - Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet länger im Land auf. Sie will den Artilleriebeschuss der Hauptstadt Mekele verhindern. Nach einem Ultimatum gibt es aber eine Militäroffensive gegen die abtrünnige Provinz Tigray. Angeblich soll die TPLF besiegt sein. Wahrscheinlich hat sie sich aber nur zurückgezogen. Das Land hat eine lange Geschichte der Spannungen zwischen ethnischen Gruppen und religiösen Gruppen hinter sich ("Museum der Völker"). Es gibt Millionen von Binnenflüchtlingen in dem Land. Es wird von haarsträubenden Gräueln berichtet. Der Regierungschef und Friedensnobelpreisträger ist längst desavouiert. Im April 2021 sprechen sich die G7 dafür aus, dass eritreische Truppen Tigray verlassen sollen. Überraschend gewinnen die Rebellen einschließlich ihrer Verbündeten immer mehr die Oberhand. Sie marschieren auf Addis Abeba zu. Bis Ende April 2022 hat der Krieg schon 300.000 Opfer gefordert. Es bilden sich verschiedene Befreiungsfronten: Tigray (Norden), Oromo (Süden). sie kämpfen gegen die Regierung in der Mitte/ Addis Abeba (Westen). Das Land wird von Inflation, Dürre und ethnischen Spannungen erschüttert. Es ist längst kein Stabilitätsanker in Afrika mehr. Vgl. Putsch, Christian: Ein Staat zerbricht, in: Welt am Sonntag Nr. 21/ 22. Mai 2022, S. 7. Bei einem vermutlich ethnisch motivierten Angriff gibt es hunderte Tote im Juli 22. Unbekannte haben in der Region Oramia Zivilisten der Volksgruppe Amhara angegriffen. Am 02.11.22 kann ein Waffenstillstand vereinbart werden (Regierung mit Provinz Tigray). Am 12.1.23 reist Außenministerin Baerbock in das Land. Es ist stark von Weizen und Düngemitteln aus der Ukraine abhängig. Äthiopien will spenden, Deutschland und Frankreich bezahlen den Transport. Die ganze Lebensmittelversorgung des  Landes ist in einer dramatischen Lage. Der Krieg in Äthiopien hat bis zu 380.000 Zivilisten getötet. 120.000 Frauen wurden Opfer sexueller Gewalt. 250.000 Soldaten sollen allein in der Armee gefallen sein. Auch die Nachbarländer waren stark betroffen, vor allem Eritrea. Im Mai 2023 besucht Bundeskanzler Scholz das Land. Abiy Ahmed, der Regierungschef, lässt ab 2023 einen milliardenteuren Palast bauen. Das Prestigeprojekt belastet die Staatskasse schwer. Hunderte von Anwohnern sollen vertrieben werden. 2023 wird das Land in die Brics-Staatengruppe aufgenommen (jetzt Brics plus). Anfang des Jahres 2024 wollen die deutsche und französische Außenministerin gemeinsam in das Land reisen (Baerbock und Collana). Äthiopien leidet 2024 unter einer enormen Wirtschaftskrise. Die Staatsmacht liefert sich Kämpfe mit Milizen. Zugleich legt man sich mit Nachbarstaaten am Roten Meer an. Das Land gilt 2024 als Afrikanisches E-Auto-Wunder. Die Bewohner sollen nur noch E-Autos kaufen. Vgl. Der Spiegel 19/ 4.5.24, S. 96. Als Löwe von Zion war der Kaiser Haile Selassie berühmt (geboren 1892, 1916 durch eine Palastrevolte Regent, . Er war Märchenkönig, Galionsfigur des Antikolonialismus. Bob Marley widmete dem verehrten Kaiser mehrere Songs (berühmt "War" mit Auszügen einer Rede von Selassie vor der UN). Er war Rastafari und verehrte wie die meisten Einwohner Jamaikas Selassie. Der war erster Staatsgast in der Bundesrepublik 1954. Selassie wurde 1970 vom Militär gestürzt. ein Jahr später starb er. Vgl. Die Zeit 37/ 29.8.24, S. 39.

Exkurs. Pachtvertrag mit Somaliland: Er gilt ab 01.01.2024. Danach darf der Binnenstaat Äthiopien 20 Kilometer der Küste von Somaliland nutzen. Im Gegenzug erkennt Äthiopien Somaliland als souveränen Staat an. Das ruft Somalia auf den Plan, das mit Krieg droht. Denn völkerrechtlich ist Somaliland Teil Somalias. Der Teil hatte sich 1991 abgespalten und ist de facto ein unabhängiger Staat. Somalia wird seit zwei Jahrzehnten in Teilen von al - Schabab, einem mächtigen Verbündeten von al- Qaida, beherrscht. Das Horn von Afrika könnte noch instabiler werden. Vgl. Der Spiegel 4/ 20.01.2024, S. 71.

Dschibuti: Nordostafrika. 1,2 Mio. Einwohner. Hauptstadt: Dschibuti. BIP: 3,65 Mrd. US-$. Verwaltungsgliederung: 5 Regionen und eine Stadt. Hier baut China den ersten Weltraumbahnhof. Man will rund 1 Mrd. $ investieren. Es soll sieben Startrampen und drei Raketenteststationen geben. Bereits 2027 soll die Raketenteststation fertig sein. Das Land liegt strategisch günstig am Äquator. Dann braucht dei Rakete weniger Treibstoff. Allerdings hat das Land hohe Schulden bei China. 2022 musste es seine Kreditzahlungen einstellen.

Mosambik (auch Mocambique): mit Japan und Brasilien Ausbau der technischen Landwirtschaft; Kohlevorkommen gehören zu den größten der Welt. Das Land ist 2018 zu einem Durchgangsort des Heroinschmuggels geworden. Zyklon "Idai" verwüstet im März 2019 das Land, über 1000 Tote. Ein weiterer Zyklon kommt kurz danach (Hunger und radikale Islamisten). Am 31.5.19 findet eine Internationale Hilfskonferenz in Beira statt. Tansania: großer Goldproduzent. Der Präsident Magufuli hat 2020 Corona geleugnet. 2021 ist er selbst schwer erkrankt. Er stirbt an Corona zusammen mit Herschwäche. Die neue Präsidentin Samia Suluhu Hassan kommt aus Sansibar. Nirgendwo als in Afrika wächst der Markt für Smartphones schneller. Eine neue Generation von Computerexperten entwickelt neue Apps, die auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten sind. Erdgas hätte dem Land Milliarden bringen sollen. Doch seit drei Jahre (2024 rückwärts) sind viel versprechende Projekte gestoppt. Es gibt Terrorangriffe der Jihadisten (Tansanische Anführer). Allein das Förderprojekt von Total war 20 Mrd. $ wert. Vgl. NZZ 10.4.243, S. 5. Rund 20.000 Menschen aus dem Land haben in der DDR als sogenannte Vertragsarbeiter gearbeitet. Viele von ihnen warten noch heute auf ihr Salär. Dei SED - Opferbeauftragte kümmert sich darum. Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf.

Eswatini: Binnenstaat, von Mosambik und Südafrika umschlossen. 1,21 Mio. Einwohner. Hauptstadt: Mbabane. BIP: 4,46 Mrd. US-$.

Lesoto: Binnenland, von Südafrika umschlossen. 2,33 Mio. Einwohner. Hauptstadt: Maseru.

Komoren: Inselstaat. 3 Hauptinseln. Zwischen Mosambik und Madagaskar gelegen. Hauptstadt: Moroni. 900.000 Einwohner. BIP: 1,32 Mio. US-$.

Seyschellen: Inselstaat im Indischen Ozean. Hauptstadt: Victoria. 110.000 einwohner.

Madagaskar: 30,33 Mio. Einwohner. Hauptstadt: Antananarivo. BIP: 15,23 rd. US-$.

Mauritius: 1,3 Mio. Einwohner. Hauptstadt: Port Louis. BIP: 12,77 Mrd. US-$. In vielen Bereichen vorbildlich für den afrikanischen Kontinent.

Nigeria: zählt zu den fünf größten Erdölexporteuren der Welt; 2012 76 Mrd. $ Bestand an Direktinvestitionen (vor allem aus China). Das Land ist zerrissen:  Der Middle Belt, der sich als Übergangszone zwischen Nord und Süd durch ganz Nigeria spannt, ist geprägt durch zahlreiche innerstaatliche Konflikte. Im Nordwesten des Landes sind gewaltsame Banditengruppen und Warlords aktiv. Am Golf von Guinea überfallen Piraten Schiffe und terrorisieren Fischerdörfer. Im niggerdelta schwelt ein blutiger Sezessionskonflikt.  Im Nordosten terrorisieren Dschihadisten von Boko Haram und des regionalen Ablegers des "IS" die Bevölkerung. Vgl. Der Spiegel 5/ 2023, S. 78ff. In Nigeria bemächtigt sich die extremistische Boko-Haram-Sekte immer größerer Landgebiete und gehen dabei immer grausamer vor. Hintergrund ist auch ein Religionskonflikt zwischen dem mehr christlichen Süden und den mehr islamischen Norden, der sich ökonomisch marginalisiert vorkommt. Einerseits ist Nigeria ein Wirtschaftsriese mit enormem Investitionspotential und reich an Ressourcen (hohe Rohstoffabhängigkeit). Andererseits wird der Staat von Gewalt und Missmanagement zermürbt. Lagos ist mittlerweile die größte Stadt Afrikas. Hier boomt das Online-Geschäft. Start-up-Millionäre konkurrieren mit Internetkriminellen. Islamisten nehmen immer wieder Zivilisten als Geiseln. Die Gruppe nennt sich Boko Haram. Sie tötet wahllos Zivilisten, um Chaos zu stiften. Im Dezember 2020 werden wieder 300 Kinder entführt. Im Norden des Landes entführen Banden immer wieder größere Gruppen von Menschen, um von den angehörigen oder dem Staat hohe Beträge als Lösegeld zu fordern. Die Regierung scheint die Kontrolle zu verlieren. Gewalt wird zum Geschäftsmodell. 80% der Bevölkerung sollen unter der Armutsgrenze leben. Pauschal kann man sagen, dass der Norden arm ist und der Süden reich. Die Spaltung Nigerias reicht weit in die Geschichte zurück. Vgl. Tuki, Daniel: Armer Norden, reicher Süden, in: WZB Mitteilungen H. 172, Juni 2021, S. 13ff. Im Oktober 2022 suchen Nigeria die schlimmsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten heim. Die beiden größten Flüsse lösen die Überschwemmungen aus. Über 600 Menschen kommen ums Leben. Riesige Agrarflächen werden verwüstet, Missernten drohen. Der Klimawandel wird dafür verantwortlich gemacht. Im Dezember 2022 gibt Deutschland 20 kostbare Beninbronzen an Nigeria zurück. Die Kunstgegenstände waren in der Kolonialzeit geraubt worden. Sie bestehen aus Bronze und Elfenbein. Sie stammen aus britischen Plünderungen in Benin aus dem Jahre 1897. Sie werden von Außenministerin Baerbock und Kultusstaatsministerin Roth überbracht. 2023 wird in Nigeria gewählt. Bargeldreform und Geldknappheit: In Nigeria gibt es 2023 Tumulte an Bankschaltern. Die Bargeldreform führt zu drastischer Geldknappheit. Die Zentralbank weist die Schuld von sich und spricht von Gier. Sie habe ausreichend Geld gedruckt. In dem Land droht 2023 eine Rezession. Ähnliche Vorgänge sind aus anderen Ländern bekannt (z. B. Argentinien). Die Bevölkerung scheint 2023 genug von den alten Eliten zu haben. In Umfragen vor der Wahl führt Oppositionskandidat Peter Obi. Trotzdem gewinnt der Vertreter der Regierungspartei die Wahl. Er heißt Ahmed Tinubu von der APC. Die Opposition bemängelt schlechte Planung und mangelnde Transparenz. 2022 stellt die Nigerianische Migrationsbehörde 1.900.000 Pässe für die Ausreise aus. Das ist neuer Rekord.  Die frustrierten jungen Menschen verlassen das Land. Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Ende Oktober 23 besucht Bundeskanzler Scholz das Land. Er will Erdgaslieferungen. . Die Bundesregierung will Migrationszentren in Quellenländern ausbauen. Sie sollen sich in einigen Ländern auch um Beratung von Fachkräften kümmern, die Chancen in Deutschland haben. Das vorbildlich gilt das Migrationszentrum in Nigeria.  Dort werden dann auch Rückkehrer betreut. An Weihnachten 2023 gibt es zahlreiche Tote bei Angriff auf christliche Dörfer. 15 Dörfer wurden angegriffen. Es gab mindestens 160 Tote. Im nigerianischen Bundesstatt Plateau kommt es seit Jahren zu gewaltsamen Übergriffen zwischen muslimischen Fulani - Nomaden und christlichen Bauern. Verschärft wird der Konflikt durch den Kampf um Land und knappe Ressourcen. Im Norden Nigerias breitet sich massiv der Hunger aus. Das bevölkerungsreichste Land Afrikas durchlebt eine humanitäre Krise. Es gibt bald 26 Mio. Betroffene. Maismehl wird schon mit Streu gestreckt. Vgl. NZZ 6.3.24, S. 2. 2024 wird Bruno Labadia Fußball-Nationaltrainer von Nigeria. Bei der Explosion eines Benzintankwagens kommen im Oktober 2024 140 Menschen ums Leben.    Im Südwesten des heutigen Nigeria bestand einst das Königreich Benim (16. Jahrhundert und später). Es wurde durch einen Hinterhalt von britischen Truppen in der Kolonialzeit übernommen. Sie veranstalteten ein Massaker. Kunstschätze wurden geraubt und später in ganz Europa verkauft. Viele Schätze stehen so im Humboldt-Forum, Berlin. Man kommt immer mehr zu der Überzeugung, die Kunstwerke zurück zugeben. In einer Kirche in Ondo harren im Sommer 2022 77 Gläubige aus, um auf Jesus zu warten. Sie leben im Keller der Kirche. Der Pastor hatte immer wieder den Termin verschoben. Auf Druck der Angehörigen missen die Christen schließlich die Kirche verlassen.

Exkurs: Landkonflikte in Nigeria und Menschenraub: Bei der Suche nach Weideland für ihre Herden geraten nomadische Hirten in gewalttätige Auseinandersetzungen mit sesshaften Bauern. Die blutigen Landkonflikte haben vielfältige Ursachen. Viele Weidekonflikte eskalieren, weil sich eine persönliche Auseinandersetzung zum Streit einer Kommune entwickelt. Ein sehr hohes Konfliktniveau kann zu einer Art Normalisierung der Gewalt führen.  Eine Rolle dabei spielen auch der Klimawandel und die Art der Viehwirtschaft. Die Wahrnehmung ist in den verschiedenen kulturellen Gruppen (Religion, Volksgruppe, Vergeltung). Vgl. Tuki, Daniel: Blutige Landkonflikte, in: WZB Mitteilungen H. 176, Juni 22, S. 13ff. Ein zweites großes Problem ist die Entführung von Kindern. 2014 fing die Islamisten - Gruppe bzw. Terrormiliz  Boko-Haram damit an. Andere kriminelle Gruppen folgten. Sie entführen massenweise Kinder und Frauen im Norden und erpressen entweder Lösegeld oder Zwangsrekrutieren sie für bewaffnete Gruppen oder für die Ehe. Im März 2024 werden wieder 276 Schülerinnen aus einer Schule entführt. Es kommen auch immer wieder Anschläge , 2024 bei einer Hochzeit, Beerdigung oder im Krankenhaus. Boko Haram setzt bei Anschlägen Frauen ein. Sie werden normalerweise aus religiösen und kulturellen Gründen nicht durchsucht. Unter der traditionellen Kleidung lassen sich leichter Bombengürtel anbringen.

Kamerun: Zentralafrika. 29 Mio. Einwohner. Hauptstadt: Yaounde´. BIP: 44 Mrd. US-$. Präsidiale Republik.

Gambia: In Gambia wurde Ende 2016 der langjährige Präsident Jammeh abgewählt. Der ehemalige Boxer klammert sich aber an die Macht, obwohl er nach und nach alle Verbündeten verliert, auch die Nachbarstaaten. Kurz vor der Entmachtung durch ausländische Truppen tritt er ab. Gambia hat die grausame Genitalverstümmelung der Frauen verboten. Gambia hat Traumstrände und Weltkulturerbestätten. So die Steinkreise von Wassu. Sie ähneln Stonehenge. Juffure war einst Umschlagplatz für Sklaven.

Ghana: 34 Mio. Einwohner. Lage in Westafrika am Golf von Guinea.. Hauptstadt ist Kumasi. BIP: 72,84 Mrd. US-$. 2017 streiten sich Ghana und die Elfenbeinküste um Bohrrechte im Meer. Ende Oktober 2023 besucht Bundeskanzler Scholz das Land. Das Volk der Ga-Adangbe hat eine interessante Kultur. Es ist eine farbenfrohe Bestattungstradition mit Totenschreinen. Man kann die Manufakturen besichtigen. Im Süden Ghanas lag ein Zentrum des Sklavenhandels vor übe r400 Jahren. Heute versucht man damit Touristen anzulocken. Es kommen viele Amerikaner. Man versucht sie zur Remigration zu bewegen, was auch bei einigen klappt.

Senegal: 17,76 Mio. Einwohner 2022. Hauptstadt Dakar. BIP 2022 27,46 Mrd. US-$. Senegal hat eine der stabilsten Demokratien Afrikas. 2021 im Frühjahr wenden sich junge Menschen enttäuscht vom Präsidenten ab. Medien sprechen von "bürgerkriegsähnlichen Zuständen in Dakar. Staatschef Sall schüchtert mit autoritären Methoden ein. Rapper führen den Protest an. Vgl. Reuss, Anna: Die Jugend hat genug, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 56, 9.3.2021, S. 7. Im Mai 2022 besucht Bundeskanzler Scholz das Land. Man verhandelt auch über ein Gas-Abkommen vor der Küste (technologische Unterstützung Deutschlands bei der Gasförderung). Die Fischer vor der Küste, für die sich der fang nicht lohnt, hoffen auf den Gasplattformen unterzukommen. BP investiert stark. Doch 2024 wankt das Land. Eines der stabilsten westafrikanischen Länder muss die Wahlen um fast ein Jahr verschieben. Kommt es zum ersten Putsch in der senegalesischen Geschichte? Das Verfassungsgericht legt eine Frist für die Wahl fest. Der Präsident, der selber nicht mehr kandidieren kann, benennt einen Kandidaten  (Macky Sall). Er versucht, die Opposition klein zu halten. Doch es gewinnt der 44-jährige Oppositionskandidat Bassirou Diomaye Faye die Wahl mit großem Vorsprung. Das ist ein ungewöhnlicher Machtwechsel. Er ist eigentlich ein Ersatzkandidat. Dei große Figur der Opposition ist Ousmane Sonko. Er wurde von der Wahl ausgeschlossen (Verführung Minderjähriger). Faye vertritt ein Programm, das sich gegen die etablierten Eliten richtet und auf mehr nationale Souveränität pocht. Das dürfte in Frankreich und bei internationalen Investoren Sorgen auslösen. Im  Juli 2024 besucht dei deutsche Außenministerin Baerbock das Land. Sie landet in der Hauptstadt Dakar. Nach dem Scheitern der Bundeswehr in Niamey/ Niger wird hier eine "Cold Base" der Bundeswehr angelegt. Baerbock will auch den wachsenden Einfluss Chinas und Russlands zurückdrängen. Der Senegal ist in ECOWAS.

Kenia gilt als ein Schwellenland in Afrika. Einwohner: 55 Mio. BIP: 116 Mrd. US-$. Tee, Tourismus und Blumen sind die größten Devisenbringer. Die meisten Rosen in Europa kommen aus Kenia. Nairobi, die Hauptstadt, ist Sitz der Umweltbehörde der UN. Der Blumenboom verursacht auch Umweltprobleme. Die Wahl im August 2017 führt zu Konflikten (Wahlbetrug?). Verschiedene Stämme stehen sich gegenüber. Es gibt keine Anzeichen für Wahlbetrug. Das oberste Gericht annulliert die Präsidentenwahl. Lokale Start-up-Firmen sind sehr erfolgreich. Sie bedienen sich der Informationstechnologie. Das Internet gleicht Infrastrukturdefizite aus. Al-Schabab Milizen attackieren im Januar 2020 US-Truppen. Das Land soll 2021 Milliarden vom IWF erhalten. Die Bürger wehren sich eher. Kritiker weisen darauf hin, dass Beamte beim IWF Karriere machen wollen. 2022 hat das Land ein großes Schuldenloch. Ein Präsidentschaftskandidat will das Loch mit Marihuana stopfen. Ein anderer wird nicht zugelassen, weil er blind ist. In Kenia gibt es riesige Flüchtlings-Camps. Sie werden von der UN versorgt. Das größte und wahrscheinlich auch größte der Welt ist Kakuma. Die UN hat nicht mehr genug Geld und Nahrungsmittel, um die Ernährung im Lager zu sichern. Der Norden Kenias hat 2022 mit der schwersten Dürre  seit 40 Jahren zu kämpfen. Etwa 18 Mio. Menschen hungern. Es geht die Angst um vor Unruhen nach den bevorstehenden Wahlen im August (Präsidentschaftswahlen). Der Wahlkampf findet vor allem über die sozialen Medien statt (Handys). Kenia ist die größte Volkswirtschaft in Ostafrika, ein Standort zahlreicher internationaler Unternehmen. Alphabet/Google will das erste Entwicklungszentrum Afrikas dort bauen. Die Präsidentschaftswahl im August 2022 gewinnt der bisherige Vize-Präsident William Ruto knapp mit 50,5%. Der unterlegene Kandidat Raila Odinga akzeptiert das Wahlergebnis nicht. Die Stimmung im Land ist äußerst angespannt. Nach dem Tod der Queen in GB werden Erinnerungen an düstere Kolonialzeiten wach. In den Jahren der Thronbesteigung wurde noch eine Revolution niedergeschlagen. Kenia hat hohe Schulden bei China, das keine Schuldenschnitte macht. Im Mai 2023 besucht Bundeskanzler Scholz Kenia. 2023 gibt es auch eine Tragödie apokalyptischen Ausmaßes: Hunderte Anhänger einer Sekte haben sich zu Tode gehungert. Handelsabkommen zwischen der EU und Kenia: Es wird 2023 geschlossen. Die Exporte aus Kenia für Kaffee, Schnittblumen  und Tee sollen erleichtert werden. 2023 gibt es über Monate schwere Proteste mit Gewalt. Die Opposition prangert hohe Lebenshaltungskosten an. Die kenianische Polizei ist für ihre Brutalität bekannt. Sie soll ab 2023 auch helfen, für Ordnung in Haiti zu sorgen. 2024 ist Kenias Jugend wütend. Viele junge Menschen sehen keine Perspektive im Land. Die finanzielle Belastung der Bevölkerung ist hoch (trotzdem wieder Steuererhöhungen), das Land ist auch hoch verschuldet. Seit Wochen gibt es im Juni 2024 Proteste. Im September 2024 schließen Kenia und Deutschland ein Migrationsabkommen. Es geht vor allem um medizinisches Personal.  Eine Reality-TV-Show verändert die Ernte der teilnehmenden Bauern und auch das Leben der Zuschauer. Mehr als 800 euro im Jahr zusätzlich verdienen Milchbauern, wenn sie den Ratschlägen von "Shamba Shape Up" folgen. Vgl. Die Zeit Nr. 51/ 30.11.23, S. 42.

Tansania: 61,74 Mio. Einwohner. Hauptstadt: Dodoma. Verwaltungsgliederung: 31 Regionen. Währung: 1 Tansania-Schilling = 100 Cent. BIP: 77 Mrd. US-$ (2022). Das Volk der Massai lebt in der Steppe Südkenias und Nordtansanias. Tansanias Regierung will das Volk umsiedeln und argumentiert mit Naturschutz. . In Wahrheit soll der Landstrich der Serengeti für andere Zwecke genutzt werden. Es ist das Jagdgebiet reicher Scheichs. Das heutige Tansania war in Teilen einst deutsche Kolonie. Der Schriftsteller Abdulrazak Gurnah, Literaturnobelpreisträger 2021, erzählt eindringlich von den deutschen Verbrechen im heutigen Tansania.  In seinem Roman "Nachleben" spielt ein Schauspieler eine Hauptrolle, der in vielen deutschen Filmen mitgespielt hat: Bayume Mohamed Husen. Der startete als Kindersoldat. Tansania hat in Afrika die längsten Beziehungen zu China. Schon Tschu En Lai, Premier ab 1949, fing damit an.  So hat sich viel Vertrauen aufgebaut. Im Dezember 23 wird Tansania von schweren Überschwemmungen heimgesucht. Tansanias größte Stadt ist Daressalam. Sie gilt als Vorbild in Afrika für Öffentlichen Nahverkehr. Am besten ist das Schnellbusnetz.

Burundi: Ostafrika. 13,24 Mio. Einwohner. Hauptstadt Gitega. BIP 3,89 Mrd. US-$. 2024 gibt es große Überschwemmungen im Land (durch El Nino).

Demokratische Republik Kongo (früher Zaire): 102,26 Mio. Einwohner.  Am 30. Juni 1960 erlangt der Kongo die Unabhängigkeit. Patrice Lumumba, erster Premierminister des neuen Staates, wird mit einer Rede zum politischen Star - und zur Gefahr für Länder des Westens. Sieben Monate später ist er tot.  Das Land fällt immer wieder durch Korruptionsfälle auf. 2016 wurden Mitarbeiter der staatlichen Versicherungsgesellschaften um ihre Pensionen betrogen. Die Richter kümmern sich nur darum, wenn Schmiergeld fließt. 2018 werden Ölbohrungen in geschützten Nationalparks zugelassen. Die Präsidentenwahl im Januar 2019 hat Tshisekedi als Sieger; es gab aber zahlreiche Ungereimtheiten bei der Wahl. Man spricht vom größten Wahlbetrug der neueren afrikanischen Geschichte. Im Februar 2023 besucht Papst Franziskus den Kongo. Er redet den Verantwortlichen ins Gewissen. Der Kongo exportiert Kautschuk, Kobalt, Coltan und Gold.  Sklaverei wird immer noch geduldet. Hauptstadt ist Kinshasa, die größte Stadt in Afrika mit 16 Mio. Einwohnern. 7 Mio. Kinder bekommen keine Schulausbildung 2023. Im Januar 2024 wird Präsident Tshisekedi wieder im Amt bestätigt. Er gibt sich als Unterstützer des Westens. doch die für die Energiewende unverzichtbaren   Rohstoffe werden vor allem von China gefördert. Das bleibt ein Risiko für die deutsche Automobilindustrie. 2024 im Februar startet eine neue regionale Mission im Ostkongo. Südafrika leitet die Mission gegen M23-Rebellen (desertierte Soldaten der Armee). Das Gebiet liegt an der Grenze zu Ruanda, Uganda und Burundi. Vgl. Bröll, Claudia: Mit Schüssen begrüßt, in: FAZ 21.2.24, S. 3.  Belgien übergibt 2022 den Zahn von Freiheitskämpfer Patrice Lumumba an das Land zurück. Er ist bis heute eine wichtige Figur: Kampf für Unabhängigkeit und die Befreiung von der Kolonialisierung. Eine zweite wichtige Figur war Mobutu. Er war höchst brutal. Er regierte mit eiserner Hand und häufte ein Milliardenvermögen an. In seiner Regentschaft wurde einer der größten Box-Kämpfe aller Zeiten im Land veranstaltet: Muhammad Ali gegen George Forman.

Exkurs. Fluss Ruki im Kongobecken: Das Wasser des Flusses im Kongobecken ist aufgrund einer hohen Konzentration an gelösten Substanzen so dunkel wie schwarzer Tee. Der Kohlenstoffkreislauf ist sehr interessant. Es gibt viele torfreiche Moore und unberührter Regenwald.

Republik Kongo: Einwohner: 6,11 Mio. Hauptstadt: Brazzaville. BIP: 12,53 Mrd. US-$.  Der Afrika - Beauftrage der Kanzlerin Nooke wirbt 2021 für ein gigantisches Kraftwerk in der Republik Kongo. Dabei steht er einem Leipziger Unternehmer sehr nahe, der unter dem Verdacht der Hochstapelei steht. Vgl. Born, Malte u. a.: Die Kongo - Connection, in:  Der Spiegel Nr. 14/ 3.4.2021, S. 44ff.

Somalia: Hauptstadt ist Mogadischu. Das Land hat 18,14 Mio. Einwohner (2022). BIP: 8,16 Mrd. US-$ (2022). Religion: Islam (sunnitisch). Es kommt immer wieder zu Angriffen der Terrormiliz Al-Shabaab. Sie kontrolliert weite Teile des Südens und der Zentralregionen. Bei Angriffen auf zwei Militärstützpunkte im April 2021 kommen über 100 Menschen ums Leben. Im August 2022 machen islamistische Extremisten einen Terrorangriff auf ein Hotel in Somalia. Der Angriff dauert 30 Stunden. 30 Menschen sterben, mehr als 40 weitere werden verletzt. Dahinter steckt wieder die Al-Shabaab. 2022 bleibt der Regen aus. In der Kornkammer des Landes wachsen nur Dornbüsche. Vorher kamen Heuschreckenschwärme, dann Corona und Dürre. In dem Land droht eine Hungerkatastrophe. Im Dezember 2021 kommt es in Mogadischu zu einer Regierungskrise. Der Präsident Farmajo (seit 2017 im Amt) entlässt den Ministerpräsidenten Roble. Hintergrund ist die Präsidentschaftswahl. Die Präsidentschaft ist schon Februar 2021 abgelaufen. Man wirft sich gegenseitig Korruption vor. Im Mai 2022 gewinnt Hassan Sheikh Mohamud die Wahl (Ex-Präsident). Er wird neues Staatsoberhaupt in dem Krisenland. Ende Oktober 2022 gibt es viele Todesopfer bei einem Terroranschlag vor dem Bildungsministerium im Herzen Mogadischus. Die Terrormiliz Al-Shabab übernimmt die Verantwortung (Protest gegen nicht zu wenig islamische Bildung). Im Januar 2023 gibt es heftige Kämpfe zwischen der Armee und Al-Schabab. Al-schabab kontrolliert Teile Zentral- und Südsomalias. Sie scheinen in die Defensive zu geraten. Eine extrem langsame Sprinterin fällt bei den Welt-Universitätsspielen in Chengdu/ China auf. Sie schockt Somalia (Verletzung der Ehre)  und ist der Hit in Sozialen Netzwerken. Der Vize-Präsident des Leichtathletikverbandes soll seine Nichte geschickt haben. 2024 reisen zwei Politiker aus Somalia zur UN-Frauenkonferenz an. Das löst in dem ostafrikanischen Land einen Shitstorm aus. Nach der UN ist somalia eines der Länder mit der größten Ungleichbehandlung von Frauen.

Tschad: Republik. Einwohner 18,28 Mio. Hauptstadt N`Djamena. BIP 11,91 Mrd. US-$. Der Präsident Idriss Deby Idno kommt im April 2021 an der Front gegen Rebellen um (Frontbesuch, Aufständische im Norden). Er war Verbündeter von Frankreich und Deutschland. Er war 30 Jahre an der Macht. Danach übernimmt das Militär die Herrschaft. Es soll Neuwahlen nach einer 18-monatigen Übergangszeit geben. Das Militär schlägt gewaltsam Proteste nieder. 2023 kommt es zu einem diplomatischen Eklat: Der Botschafter in Deutschland wird ausgewiesen. Trotzdem bleibt das entwicklungspolitische Engagement bestehen. Die meisten Projekte laufen im Rahmen der UN. Mahamad Deby ist der starke Mann. Bisher hat er dei Nachsicht des Westens bei Menschenrechtsverletzungen und Staatsstreichen. Man will den Rauswurf der französischen und US-Truppen vermeiden. Russland wird immer stärker in der Sahel-Zone.

Eritrea gilt als das Nordkorea Afrikas. 3,75 Mio. Einwohner. Hauptstadt: Asmara. BIP: 2,38 Mrd. US-$ (2022). Nach UN-Schätzung verlassen jeden Monat 5000 Menschen das Land. Es gibt einen Dauerwehrdienst für Männer und Frauen. Die zurück gehenden Rohstoffpreise und die damit verbundene Rohstoffkrise beendet vorerst den wirtschaftlichen Aufschwung in Afrika. Der Diktator Isaias Afwerki wird zum starken Mann am Horn von Afrika. Das liegt auch daran, dass die Region im Chaos versinkt. Auf Bezahlung unterhält er ein Söldnerheer in Tigray für Äthiopien. Flüchtlinge aus Eritrea in Deutschland machen Probleme (häufiger psychische Störungen). Das Regime gilt als eines der brutalsten in Afrika. Sogar in Deutschland bedrohen und erpressen Anhänger des Diktators Geflohene aus Eritrea. Die deutschen Behörden scheinen sich passiv zu verhalten. Vgl. Hildebrandt, Paul J.: Niemals in Sicherheit, in: Der Spiegel 29/ 15.7.23, S. 40ff.

In Namibia (2,6 Mio. Einwohner, doppelt so groß wie Deutschland) erheben die Volksgruppen der Herero und Nama in New York Anklage gegen Deutschland (Sammelklage). Es geht um Entschädigung für Massaker der Deutschen in der ehemaligen Kolonie (1904 bis 1908 bis 80.000 Tote). Deutschland will keine individuellen Ausgleichszahlungen machen, weil es keine Geschädigten mehr gibt (aber Zahlungen in einen Fonds). Im Mai 2021 erkennt Deutschland den Völkermord an. In den nächsten 30 Jahren werden 1,1 Mrd. € an Namibia gezahlt. Das Geld fließt in Projekte der Landwirtschaft und Wasserwirtschaft. 2022 gibt Deutschland Raubkunst an Namibia zurück. Sie war in Deutsch - Südwest - Afrika mitgenommen worden. Ende 2022 schließt Deutschland ein Abkommen mit Namibia. Es geht um grünen Wasserstoff. Viel Sonne, viel Wind sind günstige Produktionsbedingungen. Vizekanzler Habeck ist Anfang Dezember 22 in Namibia. Seit Jahren liegt ein Aussöhnungsabkommen mit Deutschland bereit. 2024 steht es kurz vor dem Abschluss. Es gibt Störmanöver der AfD. Grillkohle aus Namibia ist ein wichtiges Exportgut. Es hilft die Verbuschung der Savanne zurückzudrängen, die Grundwasser sowie wilde Tiere und Pflanzen bedroht. Man überwacht die internationalen Standards für faire Arbeitsbedingungen. Im Norden Namibias leben die Himbas. Sie verweigern sich der Moderne. Doch Jahr für Jahr werden mehr Zugeständnisse an die Neuzeit sichtbar. Eine Tradition der Himbas ist es, der Jugend die vier unteren Schneidezähne auszuschlagen. Im heutigen

Exkurs. Genozid und Eigentum: In Namibia verübte die deutsche Schutztruppe den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts. Das geschah unter dem Kommando des Generals Lothar von Trotha. 1884 war die Kolonie Deutsch - Südwestafrika gegründet worden (auch Teile von Tansania, Burundi, Ruanda) . Die weißen Siedler sicherten ihre Herrschaft mit Gewalt. Die einheimischen Hereros überfielen Farmen, Festungen und Bahnlinien und töteten Menschen. Trotha wurde ab 1904 vom Kaiser geschickt. Nach vielen Fehlschlägen gab er einen Vernichtungsbefehl für alle Hereros, die das Gebiet nicht verließen. Die Tagebücher des Generals werden 2024 veröffentlicht. Nachfahren der Hereros haben vor einem Gericht Namibias Klage gegen das "Versöhnungsabkommen" eingereicht. Ein Großteil aller landwirtschaftlich genutzten Flächen ist heute noch in der Hand der Nachfahren weißer Siedler. Die Ungleichverteilung des Eigentums ist in dem Land so groß wie in kaum einem anderen Land der Erde. Vgl. Viola Kiel: Ein Stinkstiefel, ein Würstchen, in: Der Spiegel 2/ 5.1.24, S. 96ff.

Angola: 37 Mio. Einwohner. Hauptstadt: Luanda. Verwaltungsgliederung: 18 Provinzen. BIP: 121 Mrd. US-$. Wirtschaftswachstum 2000 bis 2013 237%; Grund sind vor allem die Ölexporte (Hauptabnehmer ist China); vom Reichtum profitieren nur wenige Privilegierte. Besonders hervorgetan hat sich Isabel dos Santos. Sie ist die Tochter des einstigen Präsidenten. Sie ist mit einem Milliardenvermögen reichste Frau Afrikas (400 firmen in 41 Staaten, 94 in Steueroasen). 

 Mali: Im westafrikanischen Krisenstaat Mali  wird 2020 geputscht vom Militär. Präsident Keita wird abgesetzt. Frankreich und Deutschland haben Truppen in Mali. Frankreich Tausende Soldaten, Deutschland Hunderte. 2021 wird erneut vom Militär geputscht. Die Zweifel am Bundeswehreinsatz wachsen. Die Machthaber wollen russische Söldner einsetzen ("Gruppe Wagner"). Frankreich und Deutschland sind alarmiert. Der Bundestag sieht die Lage in Mali mit großer Sorge. Der Einsatz der 1200 Bundeswehrsoldaten in der Sahelzone steht zunehmend in Frage. Frankreich zieht 2022 seine Soldaten ab. Baerbock besucht im April 22 Mali. Sie trifft auch den Anführer der Putschisten. Deutschland ist im Prinzip im Land willkommen, weil die Projekte einen guten Ruf haben. Massaker häufen sich aber. Die Miliz Katiba Macina ist am schlimmsten. Sie gehört zum Al Qaida-Netzwerk. Im Sommer 2022 setzt Deutschland den Mali-Einsatz aus. Grund sind Unstimmigkeiten mit der Militärregierung. Die EU scheint mit Anti-Terror-Kampf und Staatsaufbau gescheitert zu sein. Der Mali-Einsatz der Bundeswehr soll 2023 beendet werden. Im September 2023 töten Islamisten 60 Menschen. Das Land versinkt im Chaos. Die Militärregierung scheint die Kontrolle über das Land zu verlieren. Die gibt eine Reihe rivalisierender Gruppen, die jeweils Regionen beherrschen (al-Qaida, Islamischer Staat, Tuareg-Rebellen, Minusma-Mission der UN). Im Mai 2024 verlässt die Bundeswehr Mali. Sie muss dafür ihren Stützpunkt in Gao (eine ganze Stadt wurde errichtet) abwickeln. Waffen und Munition werden nach Deutschland geflogen, Gebrauchsgegenstände vor Ort versteigert. Im Dezember 2023 verlassen die letzten Bundeswehr-Soldaten nach mehr als einem Jahrzehnt Mali. Die Ukraine unterstützt 2024  nachrichtendienstlich den tödlichen Angriff von Tuareg - Rebellen auf malische Soldaten und Wagner-Söldner. Es gibt Empörung in Westafrika. Ende September stürmen Anhänger der des Al-Qaida-Ablegers Dschamaat Nusrat al-Islam wal-Muslimin den Flughafen in der Hauptstadt Bamako. Insgesamt werden mehr als 100 Menschen getötet. Die Generäle von Assimi Goita haben zusammen mit russischen Söldnern offenbar die Sicherheitslage nicht im Griff. Vgl. Der Spiegel 40/ 28.9.24, S. 77.

Malawi: 21 Mio. Einwohner. Hauptstadt Lilongwe. BIP: 12,51 Mrd. US-$.  In Malawi gab es 2019 eine Wahlmanipulation bei der Präsidentenwahl. Ein Gericht annulliert das Ergebnis der Wahl. Präsident 2023 ist Lazarus Chakwera. 2023 richtet der Zyklon "Freddy" großen Schaden an. Er ist wohl eine Folge des Klimawandels.

Niger: 25 Mio. Einwohner. Dreimal so groß wie Deutschland. Hauptstadt ist Niamey. Zweite große Stadt ist Agadez. Fast die Hälfte lebt in absoluter Armut. In dem Land sind auch Bundeswehrsoldaten. Im Mai 2022 besucht Bundeskanzler Scholz das Land. Er verkündet eine Verlängerung der Bundeswehrmission "Gazelle". Der Niger schätzt die deutsche Hilfe. So gibt es Geld für Mädcheninternate. Mit dem Scheitern in Mali ist Niger die letzte Bastion. Das Land liegt im Entwicklungsindex der UN auf Platz 189 von 189 gelisteten Ländern. Das Land verfügt über Gold- und Uran-Vorkommen. Es gibt Dschiadisten, kriminelle Banden und Querelen mit den Tuareg. Die Tuareg trotzen seit Jahrhunderten extremer Hitze und Dürre. Deutsche Forscher wollen von ihnen lernen, wie man sich an eine heißere Welt anpassen kann. Vgl. Habekuss, Fritz: Das Gesetz der Oase, in: Die Zeit Nr. 8/ 16.2.23, S. 32. 2023 ist Verteidigungsminister Pistorius im Niger und sagt Militärhilfe zu. Niger ist eines der ärmsten Länder der Welt. Jede Frau bekommt im Durchschnitt 7 Kinder. Der traditionelle Herrscher Mansour will die Bevölkerungsexplosion stoppen: Bessere Gesundheitsversorgung, mehr Bildung, Arbeitsplätze. Niger soll zum politischen Brückenkopf in der Sahelzone für Deutschland werden. aber das Land ist von Dürre, Überbevölkerung und Islamisten bedroht. Das Wirtschaftswachstum war 2022 das zweithöchste in Afrika. Demokratische Wahlen sind angekündigt. Es gibt einen "sozioökonomischen Entwicklungsplan", der da sLand bis 2026 aus der Abstiegszone holen soll. Im Osten gibt es Ölvorkommen. Vgl. Losse, Bert: Der zerbrechliche Hoffnungsträger, in: WiWo 28/ 7.7.23, S. 36f. Ende Juli 2023 wird im Niger vom Militär geputscht. Der demokratisch gewählte Präsident wird abgesetzt und gefangen genommen. Ein neuer Kurs soll von der neuen Regierung gefahren werden. Deutschland legt die Kooperation auf Eis und friert alle Projekte vorerst ein. Frankreich ist am stärksten betroffen, weil seine Uran-Lieferungen aus dem Niger kommen. Frankreich holt im August schon Deutsche aus dem Niger raus (40 Personen). Auch Italien fliegt Europäer raus. Der Lufttransportstützpunkt der Bundeswehr in Niamey scheint noch nicht betroffen. Ecowas stellt dem Militärregime ein Ultimatum: Wieder Demokratie oder Einsatz westafrikanischer Truppen. Die Drohung des Regimes, Wagner-Truppen einzusetzen, steht im Raum. Einer Verhandlungskommission der UN wird von der Militär-Junta die Einreise verweigert. Da Hilfszahlungen von vielen Ländern eingestellt wurden, steigen die Nahrungsmittelpreise, weil die Vorräte knapp werden oder aufgebraucht sind. 3,3 Mio. Menschen könnten in den kommenden Monaten Hunger leiden  (Prognose der Welthungerhilfe, August 23). Im November 2023 bricht die Militärjunta mit der EU. Sie verzichtet auf Millionen Euro und lässt Migranten durch. Der Niger kündigt im Dezember 2023 offiziell die Kooperation mit der EU. Stattdessen schließt der Niger ein Verteidigungs- und Kooperationsabkommen mit Russland. Im Dezember 23 besucht Verteidigungsminister Pistorius Niger. Man hält ihn hin. Es gibt keine Klarheit über Stützpunkt und Soldaten. Niamey: Immer abhängig von unserer Beurteilung der Lage. Im Niger läuft auch das Geschäft mit der Migration weiter. Man verdient halt Geld damit. Agadez ist ein Knotenpunkt an einer der wichtigsten Routen nach Europa. Im oktober 24 benennt Niger die Straßen um. Man will mit der kolonialen Vergangenheit (Frankreich) brechen.

Uganda hat bereits fast 1 Mio. Flüchtlinge aus dem Südsudan aufgenommen. Dafür erhält das Land 2017 2 Mrd. Dollar an Hilfszusagen. Ugandas Präsident Museveni erhebt 2018 eine Steuer, um Internetaktivisten ruhig zustellen. Für Facebook und Twitter muss eine Tagesgebühr entrichtet werden.2021 gibt es eine brutale Repressionswelle im Land. Homosexuellen drohen in dem Land drakonische Strafen. Das Parlament verschärft 2023 noch das Strafrecht. Schwule und Lesben werden aber in den meisten afrikanischen Staaten diskriminiert. Es ist aber eines der drastischsten Homosexuellen-Gesetze (Haftstrafen bis zu 20 Jahren). Vgl. Der Spiegel 14/ 1.4.23, S. 9. Das Gesetz wird sogar noch verschärft. Jetzt droht Homosexuellen die Todesstrafe (Schwule gelten als Kinderschänder; Dämonen haben Besitz ergriffen). Vgl. Der Spiegel 47/ 16.11.24, S. 92f.  2023 verbietet Uganda den Import von Altkleidern. Das macht der Präsident Yoweri Museveni persönlich. Er unterstreicht die Bedeutung der eigenen Textilindustrie.

 Simbabwe: 16,67 Mio. Einwohner 2022.  Hauptstadt Harare. BIP 33 Mrd. US-$. BIP pro Kopf 1457 $. BIP-Wachstum 3,2% (2022). In dem Land droht Ende 2016 ein Finanzkollaps wie schon vor sieben Jahren (die einstige Kornkammer Afrikas ist runtergewirtschaftet). Der Staat gibt daher eine neue Währung aus. Staatspräsident Mugabe (2017 93 Jahre alt) dürfte nicht mehr lange regieren. Seine Familie, insbesondere seine südafrikanische Frau, bereitet eine Machtübernahme vor. Im November 2017 übernimmt die Armee die Macht. Viele weiße Farmer sind geflohen und haben sich in Sambia eine neue Existenz aufgebaut. Die Armee will nicht von der Macht lassen. 2019 gibt es Gewalt gegen Demonstranten. Simbawnes Staatschef Mnangagawa  gewinnt bei umstrittener Präsidentschaftswahl im August 2023. Das "Krokodil" bleibt an der Macht.

Sambia: 20,57 Mio. Einwohner 2022. Hauptstadt Lusaka. BIP 2022 28,5 Mrd. US-$. Reich an Kupfer und Kobalt; Bergbau. Sambia gilt als Afrikas Musterland. Es ist eine funktionierende Demokratie. Im Jahre 1965 erlangte es seine Unabhängigkeit. Große Infrastrukturprojekte werden vor allem von China durchgeführt. Allerdings wird die Finanzierung nicht ganz übernommen, so dass das Land 12 Mrd. € Schulden 2021 hat. Für die Schuldenlast geht ein Drittel des Staatshaushalts weg. Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien: 92%. CO2-Emission/ Kopf 0,4t.

Botsuana: Südafrika. Hauptstadt: Gaborone. 2,62 Mio. Einwohner. BIP: 19 Mrd. US-$. Das Land will 2024 Deutschland 20.000 Elefanten schenken. Sie sollen in Deutschland so leben, wie Deutschland es Botswana vorschreiben will. 2024 gehen dem Land die Diamanten aus. Es wird noch der zweitgrößte Diamant der Welt präsentiert (2492 Karat). Aber das Ende des Exportschlagers bahnt sich an. Dei Bevölkerung hatte ohnehin nichts davon Präsident ist 2024 Mokgweetsi Masisi.

Guinea: 14 Mio. Einwohner. Hauptstadt: Conakry. BIP: 20,47 Mrd. US-$. Westafrika. Das Militär wendet sich im September 2021 nicht gegen das Volk, sondern gegen Präsident Conde.

Guinea-Bissau: Westafrika. 2,15 Mio. Einwohner. BIP: 1,7 Mrd. US-$.

Äquatorialguinea: Hauptstadt: Malabo. 1,71 mio. Einwohner.

Cabo Verde: Westafrika. 600.000 Einwohner. Hauptstadt Praia. BIP 2,22 Mrd. US-$.

Sierra Leone: Westafrika. 8,79 Mio. Einwohner. Hauptstadt: Freetown. Amtssprache: Englisch. Währung: 1 Leone = 100 Cent. BIP: 3,94 Mrd. US-$ (2022). Eine der bekanntesten Bürgerinnen war Michaela DePrince. Mit 17 trat sie in der TV-Show "Dancing with the Stars "auf. Später wurde sie Tänzerin im Dance Theatre in Harlem, dann Solistin im Niederländischen Nationalballet. Sie schrieb die Autobiographie "Ich kam mit dem Wüstenwind, die in 16 Sprachen übersetzt wurde. Mit 29 Jahren starb sie 2024 in New York.

Liberia: 5,42 Mio. Einwohner. Hauptstadt: Monrovia. BIP: 3,97 Mrd. US-$.

Cote d`Ivoire: Westafrika. Regierungssitz: Abidjan. 29 Mio. Einwohner. BIP: 70 Mrd. US-$.

Elfenbeinküste:  Lange ein Bürgerkriegsland. Es bemüht sich um das Image eines lohnenden Investitionsstandorts. China ist Hauptinvestor in die Infrastruktur. Der Afrika-Cup. der 2024 dort ausgerichtet wird, soll das Ansehen des Landes verbessern. im Juli 2024 besucht Außenministerin Baerbock das Land. Deutschland soll helfen, dass man sich gegen islamistische Eindringlinge verteidigen kann. Die Elfenbeinküste ist auch in ECOWAS.

 Sudan putscht im April 2019 die Armee und setzt Präsident Baschir ab, der 30 Jahre geherrscht hatte. Es soll eine zweijährige Übergangsphase geben. Im Oktober 2021 putscht das Militär erneut. Der Militärchef macht dann den Putsch rückgängig. Der sudanesische Ministerpräsident Abdalla Hamdok tritt trotzdem zurück. Das Land am Nil droht in eine Diktatur zurückzufallen. Seit Oktober 21 bis Ende des Jahres starben 57 Demonstranten der Demokratie-Bewegung. Ein alter Konflikt flammt 2022 wieder auf: Es gibt blutige Auseinandersetzungen in der Provinz West-Darfur. Im Juli 2022 stellt der Militärherrscher (al-Burhan) die Demokratie in Aussicht. Vielleicht will er auch nur die Opposition spalten. Im April 23 bekämpfen sich zwei bewaffnete Gruppen: die Armee und die Paramilitärs (RSF-Milizen, Führer Dagalo). Es droht ein Bürgerkrieg. Auch viele Zivilpersonen kommen ums Leben, weil die Kämpfe auch in Wohngebieten stattfinden. Es bleibt unklar, wer die Oberhand gewinnt. Die Kämpfe konzentrieren sich auf die Hauptstadt Karthum. Am 18.4.23 kommt es zu einem Waffenstillstand, der nicht eingehalten wird. Die Bundeswehr bereitet eine mögliche Evakuierung deutscher Staatsbürger vor. Die Rettung ist unsicher. Am 24.4.23 können 500 Deutsche ausgeflogen werden. Weitere sollen folgen. Am 25.4. beendet die Luftwaffe die Einsätze.  Internationale Partner nehmen die restlichen Deutschen dann mit. Auch andere Nationen fliegen ihre Bürger aus. Zehntausende Sudanesen sind inzwischen unter Lebensgefahr auf dem Landweg in die  Nachbarländer geflohen (Tschad, Ägypten, Südsudan, Äthiopien). Auswärtige Mächte befeuern auch die Kämpfe: VAE, Ägypten, Russland (Wagner). Vgl. Lau/ Sauerbrey: Ein Land als Beute, in: Die Zeit 18/ 27.4.23, S. 7. Es droht eine humanitäre Katastrophe. Experten rechnen mit über 800.000 Flüchtlingen. Hunderte von Menschen werden getötet, tausende verletzt. Ein Ende der Gewalt ist nicht abzusehen.  auch 2023 gibt es keine Hoffnung auf Frieden. De-Fakto-Präsident und Armeechef Abdel Fattah al-Burhan lehnt Friedensverhandlungen ab. Der "Friedensplan" des Gegenspielers Milizenführer Mohamed Hamdan Dagalo wird zurückgewiesen. Im Januar 2024 besucht Außenministerin Baerbock den Sudan. Sie fordert mehr Hilfe für Sudan-Flüchtlinge im Süd-Sudan. Der Bürgerkrieg geht 2024 weiter. 6,6 Mio. Menschen sind auf der Flucht im inneren (Binnenflüchtlinge); 2,6 flohen ins Ausland (Tschad, Ägypten, Südsudan, Äthiopien, Libyen).  In Paris findet Mitte April 2024 eine Hilfskonferenz statt. Deutschland will 244 Mio. € geben. 2024 droht Millionen Menschen der Tod, weil Hunger als Waffe eingesetzt wird. Vgl. Die Zeit 20/ 4.7.24, S. 1. 18 Mio. Menschen leiden 2024 unter akutem Hunger. Vgl. Rheinpfalz am Sonntag, 20./21.7.24, S. 3. Für August 2024 ist eine Friedenskonferenz in der Schweiz geplant. Sie wird federführend von den USA betrieben, auch Russland ist dabei. Es gibt Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Genf. Doch die Hoffnung ist gering. Der brutale Machtkampf zweier Generäle kommt nicht zum Ende. In der Stadt Omduman am Nil sind Hunderte Suppenküchen entstanden. Vgl. Der Spiegel 35/ 24.8.24, S. 72ff. Der Krieg kann auch deshalb so lange geführt werden, weil andere Staaten Waffen und Geldliefern. Besonders tun sich die VAE hervor. Es geht um Ackerland und Gold. Vgl. Die Zeit 42/ 2.10.24, S. 9.

Burkina Faso: 23,25 Mio. Einwohner. BIP 19,57 Mrd. US-$ (2022). In dem westafrikanischen Land übernimmt im Januar 2022 das Militär die Macht. Bis Prigoschins Tod gab es keine Wagner-Kräfte in dem Land. Seit 2024 sollen 100 Söldner da sein. Sie greifen bewusst nicht ein, als die Terrorgruppe JNIM, die mit al-Qaida verbündet ist, 200 Menschen erschießt. Die Junta unter Führung von Traore lässt sich gezielt von Moskau unterstützen. Sie kontrolliert nur noch die Hälfte des Landes, die andere JNIM. Man hat mit Niger und Mali eine kremlnahe Allianz der Sahelstaaten.

Gabun: 2,44 Mio. Einwohner. Haupotstadt: Libreville. BIP: 21,93 Mrd. US-$ (2022). Ende August 23 putscht das Militär. In Libreville wird der gewählte Präsident Ali Bongo Ondimba , der seit 25 Jahren regiert, unter Hausarrest gestellt. Die Grenzen werden bis auf Weiteres geschlossen. Die Afrikanische Union verurteilt den Staatsstreich. Die Bongo-Dynastie ist korrupt. Wieder trifft es eine ehemalige französische Kolonie, kein Zufall.

Togo: Aus dem Land kommen fast 63% des Bio-Soja (2022) für deutsche Biotiere. Die Frage ist, wie das überhaupt sein kann. Vgl. Der Spiegel 40/ 30.9.23, S. 64f.

Benin: Westafrika. 13,71 Mio. Einwohner. Hauptstadt Porto Novo. Regierungssitz Cotonou. Präsidiale Republik. BIP 17,41 Mrd. US-$ (2022). BIP/Kopf 1297 US-$. Import: 4,97 Mrd. US-& (2022). Getreide, Brennstoffe, Kraftwagen. Export: 3,61 Mrd. US-$: Baumwolle, Obst, Nüsse, Ölsaaten. Im 19. Jahrhundert hatte Benin  eine Frauenarmee. Sie werden heute als Heldinnen verehrt. Doch sie könnten Komplizinnen des Sklavenhandels gewesen sein. Vgl. Die Zeit 19/ 2.5.24, S. 6.

Zentralafrikanische Republik: Hauptstadt ist Bangui. 5,74 Mio. Einwohner. BIP: 2,46 Mrd. US-$. Präsidiale Republik. Es ist eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Auf der anderen Seite ist das Land sehr rohstoffreich. Die UN untersucht 2022 Berichte über Tötung von Zivilisten durch russische Söldner. Im Juli 2022 führt das Land den Bitcoin als Landeswährung ein. Man spricht von "Währung des Volkes". Hauptsächlich geht es aber um den Lohn der Söldner. Das Land war mal das Vorzeigeprojekt der Wagner-Söldner aus Russland. Die Netzwerke bestehen noch.

Tunesien: Einwohner 11,7 Mio. Wirtschaftswachstum 2020: -8,8%. Jugendarbeitslosigkeit: 41%. Das Land grenzt an Libyen und Algerien. Tunesien galt einst als Musterland und demokratisches Vorbild und Aushängeschild des Arabischen Frühlings. 2021 taumelt das Land in eine Krise. Es gibt Straßenkämpfe in der Hauptstadt Tunis. Staatschef Kais Saied hatte Ministerpräsident Mechichi entlassen und das Parlament ausgesetzt. Nach der ökonomischen Krise, der Corona-Krise (höchste Inzidenz- und Todesrate in Afrika) ist nun die politische Krise da.

Mauretanien: Wüstenstaat. Sehr rückständig. Hatte faktisch fast am längsten die Sklaverei. Es gibt verschiedene Maurenvölker bzw. Rassen: dunkelhäutig, weiß, Schwarzafrikaner. Man versucht alles, um die Terrorgefahr einzudämmen. Ab 2023 entsteht in Mauretanien (Nordwestafrika) die weltweit größte Produktionsanlage für grünen Wasserstoff. Ihre Kapazität soll der Leistung von 10 Atomreaktoren entsprechen. Mauretanien ist sehr sonnig (Solarenergie); zuerst soll nur exportiert werden. Deutsche Unternehmen sind beim Bau der Anlagen in Nordafrika (auch Marokko, Namibia) führend: Siemens, Thyssen Krupp, Linde, MAN. Mauretanien ist nominell eine Demokratie. Es wird als neuer Stabilitätsanker in der Region gesehen (Ersatz für den Niger).

Sao Tome und Principe:  Golf von Guinea. Archipel. 231.856 Einwohner 2022. Hauptstadt Sao Tome. Semipräsidiale Republik. BIP 2022 552 Mio. US-$.

Afrika-Gipfel 2019: Im November 2019 findet ein Afrika-Gipfel der Bundesregierung statt. Alle relevanten Akteure sollen teilnehmen. Das Wirtschaftsnetzwerk Afrika soll Unternehmen helfen. Es wird unterstützt von German Trade and Invest (GTAI). Es hat eine Beratungsplattform und 50 Büros weltweit. Mit dabei ist auch die Agentur Wirtschaft & Entwicklung (AWE), die 2016 gegründet wurde. Ebenso dabei sind die GIZ und die DEG. Bundeswirtschaftsministerium und Entwicklungshilfeministerium müssen sich zusammenraufen. Es kommen auch viele Staats- und Regierungschefs aus Afrika. Für 2050 wird für Afrika eine Verdopplung der Bevölkerung vorausgesagt (zu 2019). Somit liegen auch wichtige zukünftige Wachstumsmärkte in Afrika.

Gipfeltreffen zwischen Afrikanischer Union (AU) und der EU 2022: Das Gipfeltreffen soll eigentlich alle drei Jahre stattfinden. Es hat 2000 angefangen. Über die Liste der Einladungen ist es noch immer zum Streit gekommen. Die Gipfeltreffen finden regelmäßig statt. Das fünfte Gipfeltreffen ist am 29./ 30.11.2017  in Abidjan, Cote d ´Ivoire. Zentrales Thema sind Investitionen in die Jugend. Im Kern geht es wie bei den Treffen vorher um die Verhinderung der Migration nach Europa. Man redet auch über "Sklavenmärkte" in Libyen. Es gibt 43 Lager in Libyen. Flüchtlinge sollen in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden. Konflikte mit Europa gibt beim Fischfang (europäische Fischerboote kommen bis an die Küste) und bei fehlender Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte. Die EU subventioniert sogar europäische Fangflotten vor der afrikanischen Küste. Kritik an Macht versessenen Staatschefs gab es nicht. Der Investitionsplan umfasst 4,1 Mrd. €. Im Mittelpunkt steht die Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Menschen. Es gibt auch ein EU - Afrika - Wirtschaftsforum. Auch dabei geht es um die Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Menschen.  Privatinvestoren sollen Jobs schaffen. Entwicklungsinvestitionsprojekte sollen gefördert werden. Auf dem Afrika-Gipfel 2018 in Berlin (Beginn 30.10.18) sollen einige Länder als Belohnung eine Reformpartnerschaft mit Deutschland bekommen: Äthiopien, Marokko, Senegal. Schon Partnerland ist Tunesien. Dafür sollen die Länder verstärkt gegen Korruption vorgehen  und mehr Transparenz einleiten.  Experten fordern Soforthilfen für Afrika. Entscheidend sei die Kontrolle der Geburtenrate. Das könnte auch die Flüchtlingsfrage nachhaltig lösen. 2022 findet das Treffen im Februar in Brüssel statt. Einige Länder waren wieder nicht geladen, weil Umstürze stattfanden: Mali, Burkina Faso, Guinea, Sudan. Inzwischen veranstaltet jeder Staat, der etwas auf sich hält, einen Afrika-Gipfel: USA, China, Russland, Indien, Türkei. Scholz gibt bei seiner Afrika-Reise im Mai 2023 bekannt, dass er die AU in die G20 holen will.

Deutsche Unternehmen in Afrika: Afrika ist ein Kontinent der Chancen, der in der künftigen weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung eine deutlich größere Rolle spielen dürfte als bisher. Dennoch tut sich die deutsche Wirtschaft bislang schwer. Die digitale Transformation verändert die Investitions- und Innovationsbedingungen in Afrika. Daraus ergeben sich auch für deutsche Unternehmen Chancen auf dem afrikanischen Kontinent. Die Politik sollte Rahmenbedingungen für ein stärkeres privatwirtschaftliches Engagement deutscher und europäischer Unternehmen in Afrika schaffen. Der Politik kommt die Aufgabe zu, die Rahmenbedingungen für nachhaltige Privatinvestitionen in Afrika zu verbessern. Angesichts der sich rasch verändernden Weltlage braucht Deutschland neue Partner, und eine engere Partnerschaft mit Afrika bietet die Chance, geostrategische Abhängigkeiten zu reduzieren, Wertschöpfungsketten zu diversifizieren und die Energiewende erfolgreich zu bestreiten. Die Bundesregierung sollte daher ein klares Signal senden, dass sie gewillt ist, die Partnerschaft mit Afrika in der laufenden Legislaturperiode zu intensivieren und privatwirtschaftliches Engagement in Afrika stärker zu unterstützen als bisher. Auf Bundesebene vorhandene Instrumente der Außenwirtschaftsförderung und der Entwicklungszusammenarbeit sollten verstärkt und besser an den afrikanischen Kontext angepasst werden, und die in Deutschland bisher nur rudimentär vorhandene wirtschaftswissenschaftliche Forschung zum Thema Afrika sollte intensiviert werden. Siehe Dohe, Dirk/ von Carlowitz, Philipp/ Fehrenbach, Sophia: Potentiale entwickeln und Wissen teilen: deutsche Unternehmen in Afrika, in: Wirtschaftsdienst H. 7/ 2022, S. 479-483.

Russland: Ende Juli 2023 findet ein Gipfeltreffen zwischen Russland und er Afrikanischen Föderation in St. Petersburg statt. Es gibt nur 19 Teilnehmer. Russland verspricht Weizenlieferungen kostenlos. Der Ausfall der Ukraine durch Krieg und Kündigung des Lieferabkommens soll ausgeglichen werden. russland ist in einigen afrikanischen Ländern auch militärisch präsent (mit der Wagner-Gruppe).

G77: Gruppe der 77. Ein Zusammenschluss von mittlerweile 135 Entwicklungsländern in den Vereinten Nationen mit 77 Gründungsmitgliedern. China ist keine offizielles Mitglied, stimmt sein Vorgehen aber regelmäßig mit der Gruppe ab und gibt unter der Bezeichnung "Gruppe 77 und China" gemeinsame Erklärungen mit ihr heraus.

Direktinvestitionen in Afrika: Zwischen 2014 und 2018 hat China (chinesische Unternehmen) mit Abstand am meisten investiert (72,2 Mrd. $). Es folgen Frankreich (34,2 Mrd. $); USA (30,9); VAE (25,3); Großbritannien (17,8); Deutschland 6,9), Schweiz (6,4). Quelle: E. Y. 2019. Zwischen 2000 und 2020 haben chinesische Geldgeber 160 Mrd. € an afrikanische Regierungen verliehen.

China und EL: China ist zu einem wichtigen Geldgeber geworden. Die Hilfen werden über die China Development Bank (CDB) und die chinesische Export-Import-Bank abgewickelt (2009 und 2010 110 Mrd. $). Es geht dabei nicht nur um Rohstoffinteressen. Länder, die Taiwan nicht anerkennen, werden bevorzugt. Vgl. Dreher, A./Fuchs A.: Rogue Aid? The Determinants of China`s Aid Allocation, Uni Heidelberg/ Uni Göttingen, September 2011.

Chinesische Investitionen in Afrika und industrielle Revolution: In vielen Ländern Afrikas entstehen durch chinesische Investitionen Arbeitsplätze. Manche sprechen sogar von der nächsten Werkbank der Welt. Afrika könnte den Stab von China übernehmen. Mit den Investitionen kommen auch lokale Zulieferer. In Nigeria entsteht eine Sonderwirtschaftszone.  

Afrika in Chinas Schuldenfalle?: Westliche Wissenschaftler halten die populäre These, Afrika stecke in Chinas Schuldenfalle, für nicht haltbar. Bekannt sind die Studien der China Africa Research Initiative der John Hopkins University in Baltimore. Peking habe seit 2000 rund 150 Mrd. $ über die China Exim Bank (60%) und die China Develpoment Bank (40%) an Afrika geliehen. Davon sei dei Hälfte bereits wieder zurückgezahlt. Die Schulden konzentrierten sich zudem auf nur fünf Länder: Angola, Äthiopien, Kenia, Nigeria, Sambia. Vgl. Sieren, Frank: China to go, München 2023, S. 76ff.

China-Afrika-Kooperationsforum: 2021 findet eine Videokonferenz in Dakar/ Senegal  statt. Xi Jinping verspricht Afrika 1 Milliarde Impfdosen. 600 Mio. will China kostenlos zur Verfügung stellen. 400 Mio. sollen gemeinsam von Unternehmen beider Seiten produziert werden. Am 5./ 6.9.24 findet wieder ein Gipfel in Peking statt. Xi will in den nächsten zwei Jahren Afrika Finanzhilfen in Höhe von 45 Mrd. € zur Verfügung stellen. Mehr als dei Hälfte davon sind Kredite. Es sind über 50 afrikanische Staaten dabei. Er beklagt den Imperialismus, den Kolonialismus  und die Hegemonie des Westens. Es gehe um die Wiederbelebung der Modernisierung.

Korruptionsindex: Der Index wird von Transparency International (TI) erstellt. Er ermittelt, wie korrupt die öffentliche Verwaltung in einem Land ist. Am unbestechlichsten sind Mitarbeiter in Dänemark und Finnland. Am bestechlichsten in Afghanistan, Nordkorea und Somalia. Griechenland ist nach TI das korrupteste Land in der EU.

Washington Consensus: Der Begriff wurde 1989 vom britischen Ökonom John Williamson eingeführt. Damit wird ein Bündel von wirtschaftspolitischen Maßnahmen bezeichnet, das die freie Marktwirtschaft in Entwicklungsländern stärken soll. In der Realität widersetzten sich oft mächtige Eliten den Veränderungen, weil sie die Kontrolle über die Ressourcen behalten wollen. Sie verfälschen dann die Reformen, so dass sie letztendlich zum Scheitern verurteilt sind.

Entwicklungsziele: Sie werden in der Regel von der UN gesetzt. Am bekanntesten waren die Millenniums-Ziele, die zum großen Teil nicht erreicht wurden. Als nächster Zielhorizont gilt das Jahr 2030. Die wichtigsten Ziel sind weniger Flüchtlinge, weniger Klimaschäden, weniger Armut, ausreichend Wasser. Einigen Zielen konnte man sich zumindest nähern:  Weltweite Armut 1990 36%, 2010 18% (Menschen, die von weniger als einem Dollar pro Tag leben). Kindersterblichkeit 1990 99 Kinder pro 1000 Kinder, 2010 53. Manche Ergebnisse sind auch statistische Artefakte.

Millenniumsziele der UN: 1. Ausrottung extremer Armut und des Hungers. 2. Grundschulausbildung für alle. 3. Gleichberechtigung und Stärkung der Frauen. 4. Verminderung der Sterberate der unter Fünfjährigen um zwei Drittel. 5. Verminderung der Sterblichkeit von Müttern um drei Viertel. 6. Kampf gegen Aids, Malaria und andere Krankheiten. 7. Umweltschutz und Nachhaltigkeit sicherstellen. 8. Weltweite Partnerschaft für Entwicklung. Die Ziele sollten bis 2015 erreicht werden. Ende September 2015 werden neue Ziele bis 2030 (insgesamt 17 Kernziele und 169 Unterziele) gesetzt. Dafür treffen sich die Regierungschefs der 193 Mitgliedsstaaten der UN in New York (Nachhaltigkeitsgipfel), um den "Aktionsplan 2030" zu verabschieden.

 

Globalisierung (industrielle Beziehungen weltweit; Zukunft der Globalisierung; auch De - Globalisierung; Internationalisierung. Kritik; vgl. auch meinen Artikel dazu auf der Seite "Ostasien)

"Los libros hacen libre al que los quiere bien", Vicente Espinel (Bücher machen den frei, der sie gern hat). 

Globalisierung hat es schon immer gegeben, nur in kleineren Räumen und durch Kriege unterbrochen. Als Beispiele seien die Ansätze in der Bronzezeit (Zinn gegen Bernstein), das Imperium Romanum,  die Hanse in der mittelalterlichen Weltwirtschaft, Portugal und Spanien im 15. Jh. (Zusammenbruch der europäischen Silberminen durch die Entdeckung Amerikas), die Fugger und Welser als reichste Handelsfamilien der Welt im 16. Jh. , sowie die Niederlande (Ostindien-Kompanie) und England im 17. und 18. Jh. genannt. So zeigen die Bilder des niederländischen Malers Jan Vermeer Kernpunkte der Globalisierung im 17. Jahrhundert (Die Perlenwägerin, Der Geograph, Briefleserin am offenen Fenster). Manche Kollegen sehen historisch auch die Entdeckung des Seeweges nach Indien 1498 durch Vasco da Gama und die Gründung von Kalikut/ Kappad Beach als Geburtsstunde der Globalisierung an. Schon vorher hatten Portugal und Spanien  1494 im Vertrag von Tordesillas die Welt unter sich aufgeteilt (der Portugiese Chabral hatte Brasilien entdeckt; der Spanier Bartolomeus Diaz entdeckte das Kap der Guten Hoffnung). Jedenfalls begann mit der Entdeckung Amerikas die Globalisierung von Tieren, Pflanzen und Mikroben (z. B. Kartoffeln, Gummi). Im modernen Sinne beginnt die Globalisierung erst 1820. Es herrschte die Pax Britannica, getragen von Adam Smith, David Ricardo und anderen. Ricardo begründete den Nutzen des Freihandels als Erster damit, dass man Güter dort herstellen sollte, wo ein komparativer Kostenvorteil besteht. Die Weltkriege haben die Globalisierung jeweils unterbrochen. Forschende haben Zinnbarren aus einem bronzezeitlichen Schiffswrack 2022 im Mittelmeer (Uluburun) analysiert. Ein Teil des kostbaren Metalls stammte demnach aus Zentralasien. Vor 3300 Jahren (1300 v. Chr.) war die Globalisierung also schon fortgeschritten.  Das Ziel war wohl der mykenische Kulturkreis. Die Mine liegt in Muchiston (heute in Tadschikistan)  in Zentralasien am Hindukusch.. Es muss also eine Urseidenstraße gegeben haben. In Begasch fand man mehr als 4000 Jahre altes Getreide aus China und aus Mesopotamien. Zinn wurde in der richtigen Mischung mit Kupfer zu Bronze verarbeitet. Daraus wurden in der Regel Waffen hergestellt.

Oben im Bild ist die Kolumbus-Statue in Funchal auf Madeira dargestellt. Kolumbus stammte von der Nachbarinsel Porto Santo. Die Portugiesen trauten ihm nicht so viel zu. So entdeckte er für Spanien 1495 Amerika. Eigentlich waren allerdings die ersten Entdecker die Wikinger, was heute als erwiesen gilt. Es gibt sogar die These, dass die Phönizier (Punier) schon vorher da waren. Sie waren auch überragende Schiffsbauer und Seefahrer. Dafür gibt es aber keine Belege.

 

Globalisierung: Den Begriff wie das Phänomen hat es immer schon gegeben (vgl. meinen Artikel). Viele sehen in der Entdeckung der Seewege nach Indien und in der Entdeckung Amerikas den Beginn in der Neuzeit. Den wirtschaftspolitischen Terminus in neuerer Zeit prägte Theodore Levitt 1983 mit dem Aufsatz "Globalization of Markets". Wichtig war die Erfindung des Seefrachtcontainers 1956. Die Vernetzung von Individuen in der Welt durch Web 2.0 und 3.0 ist die eigentliche Revolution ("globales Dorf", global village). Den Weltmächten und Weltinstitutionen wird immer weniger zugetraut. Globalisierung bezieht sich auf die engere Integration der Länder dieser Welt. Das Handelsniveau steigt dadurch und auch die Mobilität des Kapitals.  Das globalste Produkt ist wahrscheinlich Coca-Cola. Es ist in mehr als 200 Ländern zu haben. Vor 125 Jahren wurde es ursprünglich als Medikament entwickelt (vom Apotheker S. Pemberton, heute macht die Firma über 100 Mrd. Dollar Umsatz). Das Buch "Der globale Countdown" von H. Schumann und C. Grefe (Köln: Kiepenheuer und Witsch 2008) behandelt die Zukunft der Globalisierung (Gerechtigkeit oder Selbstzerstörung). Finanzmärkte, Energiebedarf, Klimawandel, nationale Souveränität, Ungleichheit und Weltinstitutionen werden behandelt.

Geschichte der Globalisierung: Vgl. Osterhammel, Jürgen/ Peterson, Niels P.: Geschichte der Globalisierung. Dimensionen, Prozesse, Epochen, München (Beck) 2019 (6. Auflage. Sie behandeln drei Dimensionen: 1. Weltsystem - Imperialismus - "global history". 2. Netzwerke und Interaktionsräume. 3. Perioden. Vorher beschäftigen sie sich mit dem Begriff. Nach Perioden ergeben sich folgende Phasen: 1. Bis 1750: Aufbau und Verfestigung weltweiter Verbindungen. 2. 1750-1880: Imperialismus, Industrialisierung und Freihandel. 3. 1880 - 1945: Weltkapitalismus und Weltkrisen. 4. 1945 - Mitte der 1970er Jahre: Die halbierte Globalisierung. Machtblöcke, Institutionen. Im Juli 2020 entdeckte man in der Universitätsbibliothek Rostock die einzig noch erhaltene Kopie der Seekarte von Amerigo Vespucci (1454-1512). Sie wurde 1505 gedruckt. Vespucci berichtet über seine transatlantische Fahrt, bei der er erkannte, dass das 1492 von Kolumbus entdeckte Gebiet nicht zu Asien gehören konnte. Das Originalwerk erschien 1478 in Rom.

Grad der Globalisierung: Am Ziel einer vollkommen integrierten Weltwirtschaft gemessen hat die Globalisierung noch ein Riesenpotential: Es gibt noch zahlreiche "Border Effects" und  "Home Market Bias". Auch das Feldstein-Horioka-Paradoxon deutet darauf hin. Auf der anderen Seite prognostizieren Experten, das die Zeit der Globalisierung langsam zu Ende geht: Die Industrieproduktion wird wieder regionaler im digitalen Zeitalter. Auch kulturell zeigen sich Tendenzen des Dichtmachens, Abgrenzens und Abschottens. Das hängt auch mit der Flüchtlingskrise zusammen. "Wir haben Hunderte Millionen von Menschen aus der Armut gehoben. Dieser Prozess wird uns allen nützen", Alan Greenspan, ehemaliger Chef der US-Notenbank.

Materielle Grundlagen der Globalisierung: Es sind Dieselaggregate, Turbinen, Container und Microchips. Vgl. Vaclav Smil: Wie die Welt wirklich funktioniert. Die fossilen Grundlagen unserer Zivilisation und die Zukunft der Menschheit, München (C. H. Beck) 2023. Original in den USA unter dem Titel "How the World Really Works", 2022.

Internationale Verflechtung: Sie wird im DHL Global Connectedness Index 2011 dargestellt. In diesen Index fließen u. a. Außenhandel und ausländische Direktinvestitionen ein. Federführend war Pankaj Ghemawat, Barcelona. Von 125 gemessenen Ländern haben die Niederlande, Singapur, Irland und die Schweiz die höchste weltwirtschaftliche Verflechtung. 20 Prozent der weltweiten Produktion geht in den Export. Dabei überwiegen als Zielregionen die Nachbarländer. Finanzwirtschaftliche Verflechtungen kommen in dem Index zu kurz. Sie wären für ein Übergreifen der Schuldenkrise von Europa nach Asien oder Amerika sinnvoll. "Was heute in Europa passiert, betrifft den Fischer im Senegal und den Programmierer in Indien", Jim Yong Kim, Weltbank-Chef seit 2012.

Fragmentierung der Staatenwelt: Diese kommt immer mehr in Gegensatz zu einer zusammenwachsenden Weltgesellschaft. Diese Zusammenwachsen wird auch durch das Internet, die sozialen Netzwerke und die Informationstechnologie insgesamt indiziert.

Glokalisierung: Städte werden unattraktiver, die Zukunft könnte den ländlichen Regionen gehören. Dafür sprechen eine Reihe von Gründen: Bevölkerungswachstum, Land ist billiger, Wohnung in Stadt zu teuer, digitale Revolution gleicht Nachteile aus. Es gibt auch Experten, die den Begriff mittlerweile mit einem anderen Inhalt besetzen: Als Gegenbewegung zur Globalisierung.

Race to the Bottom?: Führt die Globalisierung zu einem Dumping -  Wettbewerb? Wer die niedrigsten Löhne, die schlechteste soziale Sicherung, die geringsten Umweltstandards und die niedrigsten Steuersätze hat, setzt sich im weltweiten Wettbewerb der Volkswirtschaften durch.

Kompensationhypothese (Dani Rodrik, Harvard): die Öffnung der Nationen in der Globalisierung muss durch eine stärkere staatliche Regulierung aufgefangen werden (Sozialtransfers, Steuervergünstigungen). Durch Handelsschranken kann das Tempo der Globalisierung verlangsamt werden, so dass Kapazitäten eher Zeit haben, sich anzupassen. Globalisierung ist nur gut für die Welt, wenn man sie sinnvoll gestaltet. Vgl. auch: Ders., What´s So Special about China´s Exports? NBER Working Paper Nr. 11947, Cambridge MA 2006. Rodrik hält damit Globalisierung nicht für unausweichlich. Das kommt auch in folgendem Zitat zum Ausdruck: "...tiefe wirtschaftliche Integration bleibt unerreichbar, solange Nationalstaaten und demokratische Politik noch erhebliche Macht ausüben", Dani Rodrik. "Es stimmt: Wir sind längst nicht weit genug gegangen, sondern haben uns an den angeblichen Zwang globalisierter Märkte angepasst. Das war falsch", Sigmar Gabriel, SPD-Vorsitzender.

EPRG-Konzept von Howard Perlmutter: eine qualitative Betrachtung der Internationalisierung von Unternehmen: ethnozentrische Orientierung, polyzentrische Orientierung, regiozentrische Orientierung, geozentrische Orientierung.

GLOBE-Studie:  Die aktuellste Untersuchung über Management in verschiedenen Kulturen. Es geht insbesondere um effektives Führungsverhalten in unterschiedlichen kulturellen Räumen. Die Systematik von Hofstede wurde erweitert.

Ungleichheit und Gerechtigkeit: Ungleichheit besteht zwischen Industrieländern (IL) und Entwicklungsländern (EL). Sie ist auch in EL und Schwellenländern viel höher als in IL. Ursachen sind die Globalisierung, die Struktur des Welthandels, die Kluft zwischen industriellem und traditionellem Sektor und das Bildungsniveau. Der Einbruch von Armut, sozialer Ungleichheit und prekärer Beschäftigung wird "Brasilianisierung" genannt. "Ungleichheit ist ein ökonomische Gut, das zu viel schlechte Presse hat", Finis Welch,  Texas A&M University.

Reichtumsparadoxon: viele rohstoffreiche Länder haben niedrigere Wachstums- und höhere Armutsraten als rohstoffarme Länder. Die politische Dynamik in rohstoffreichen Ländern führt oft zu höherer Ungleichheit (Beispiele: Nigeria, Kongo, Venezuela, Mexiko, Aserbaidschan). Vgl. J. Stiglitz: Die Chancen der Globalisierung, München 2006, S. 176ff. Eine andere Erklärung ist die "holländische Krankheit": Erdgasfunde in der Nordsee führten in den 60er Jahren zu einer Aufwertung des Gulden. Unter der Aufwertung der Währung durch Exportüberschuss haben viele rohstoffreiche Länder zu leiden. Außerdem führt die Monostruktur häufig zu einer Vernachlässigung anderer Branchen. Als Vorbild gilt Norwegen, das seine Exporterlöse über einen Fonds in der ganzen Welt anlegt. Viele Länder stecken auch in einer Art Energiefalle. Das beste Beispiel ist Nigeria. Seit die Regierung die Subventionen für Energie 2011 gestrichen hat, explodieren die Preise. Der niedrige Ölpreis der Vergangenheit hat den Bau von Raffinerien verhindert. Das Land könnte sich in einen muslimischen Norden und christlichen Süden spalten.

Globalisierungsparadox: Das politische Trilemma der Weltwirtschaft besteht darin, dass Hyperglobalisierung und Nationalstaat (Goldene Zwangsjacke) sowie Hyperglobalisierung und politische Demokratie unvereinbar sind. Das gleiche gilt für Nationalstaat und politische Demokratie (Kompromiss von Bretton Woods). Deshalb fordert er internationale Regeln (Globalregierung). Vgl. Rodrik, Dani: Das Globalisierungsparadox. Die Demokratie und die Zukunft der Weltwirtschaft, München (Beck) 2011. Weltweit sinkt aber das Vertrauen in Fortschritt, Markt und staatliche Ordnung. Rodrik, der in der Türkei geboren wurde und deshalb auch als Türkeiexperte gilt, fordert Regeln gegen Importe, die unter unmenschlichen Bedingungen produziert werden (Sozial-Dumping). Vgl. Nicht weiter das alte Spiel, in: die Zeit, Nr. 20, 11. Mai 2017, S. 25 (interview mit Rodrik). 2018 gibt er ein Interview in der Wirtschaftswoche (WiWo 6.4.18, S. 62ff.): Unternehmer und Arbeitnehmer seien auf den Heimatmarkt konzentriert. Im Wertesystem dieser Menschen sielten nationale Identitäten und lokale Verankerung eine wichtige Rolle. Sie empfänden Globalisierung als Bedrohung. Die Entgrenzung der Wirtschaftswelt habe die Kluft zwischen den Eliten und dem Rest der Gesellschaft vergrößert. In dieses Vakuum stießen Populisten. Er fordert auch mehr nationale Autonomie bei der Gestaltung der Handelspolitik. Die Fließgeschwindigkeit des weltweiten Handelsstromes sollte verringert werden. Mindestlöhne sollten in Handelsverträgen festgelegt werden.

Trends in der Globalisierung: Drei Trends werden nach den zwei großen Krisen die Weltwirtschaft in der Zukunft beherrschen: Stärkerer Einfluss des Staats (mit Machtgewinnung der Nationalstaaten), der Rückgang der Globalisierung (Grenzen der internationalen Zusammenarbeit) und niedrigere Wachstumsraten (weil die Krisen kosten und bezahlt werden müssen). Am härtesten trifft es bei den Wachstumsraten die Entwicklungsländer (Ende von Investitionen, Einbrüche der Exporte, weniger Auslandsüberweisungen). Die neuen Wachstumsraten könnten neue Wachstumsmodelle hervorrufen. Vgl. auch: Dani Rodrik: Straight Talk on Trade. Ideas for a Sane World Economy. Princeton University Press 2017. Vgl. auch: Dani Rodrik: Die Pandemie als Trendbeschleuniger, in: WiWo 23, 29.5.2020, S. 40f.

Globalisierungskritik (z. B. Attac): In erster Linie wird gegen die niedrigen Löhne der Arbeiter in der Exportindustrie protestiert. Dies gilt sicher nicht für die Entwicklungsländer, wo die Arbeiter mehr verdienen als vorher. Mindest-Standards für Beschäftigungsverhältnisse werden von den Entwicklungsländern selbst abgelehnt. Weiter wird über Probleme der kulturellen Homogenisierung und des Umweltschutzes diskutiert. Moralische Aspekte sind sehr schwierig. Mittlerweile sammeln sich die Kritiker auch in der "Occupy"-Bewegung und der Acta-Bewegung (gegen ein umstrittenes internationales Urheberrechtsabkommen). Symbol ist dabei die Maske, die dem englischen Bombenleger Guy Fawkes nachempfunden ist, der im Jahre 1605 das englische Parlament in die Luft sprengen wollte. Wahrscheinlich werden diese Masken billig in China oder Bangladesch hergestellt und pervertieren so die Kapitalismuskritik. Einer der berühmtesten Professoren im Bereich der Internationalen Wirtschaft und "der" Handelsexperte Jagdish Bhagwati hat eine "Verteidigung der Globalisierung" geschrieben (Pantheon, München 2008). Er bringt Argumente gegen die Globalisierungsgegner, die Arbeitslosigkeit, Umweltverschmutzung und Armut auf sie zurück führen. Sehr gut ist das Vorwort von Joschka Fischer. Europas bekanntester Globalisierungskritiker ist Jean Ziegler, ehemaliger Soziologieprofessor in der Schweiz/ Genf. Er hat eine Reihe von Büchern geschrieben, die aus marxistischer Perspektive die Globalisierung beleuchten. Er hofft im Internet auf ein revolutionäres Kollektivbewusstsein. Praktisch ist er in eine Reihe von Uno-Projekten (auch Weltbank) eingebunden. 2017 ist Ziegler 82 Jahre alt. Vgl. zum Thema auch von Britta Kuhn: Globalisierungskritik und Antworten, in: WISU 3/17, S. 335ff. Kuhn analysiert folgende Fragen: 1. Erzeugt der Freihandel langfristig Verlierer?. 2. Wird die Verteilung ungleicher? 3. Ist Einwanderung schädlich? 4. Verhindert die Globalisierung länderspezifische Regeln?  Angesichts der Probleme in der Welt (Luftverschmutzung, Klimawandel, Trinkwasserknappheit, Rodung von Wäldern, Aussterben vieler Tierarten) bedürfte es einer gemeinsamen Anstrengung aller Länder, was die Globalisierung ausmacht. Aber auf anderen Seite nimmt 2017 und 2018 die Globalisierungskritik dramatisch zu. Trump setzt aus innenpolitischen Wahlkampfgründen rigoros seinen Protektionismus mit Zöllen durch, was ein Ende der Globalisierung einläuten kann. "America first" ist Sinnbild einer Renationalisierung, nicht nur in den USA (GB, Osteuropa, Südeuropa, Russland).

Globalisierungswende: Von Zeit zu Zeit kommen Hypothesen auf, die ein Zurückschrauben der Globalisierung behaupten. Das war im Zusammenhang mit globalen Seuchen (Vogelgrippe, SARS) oder militärischen Konflikten so. Neuerdings   wird diese These im Zusammenhang mit der Ölknappheit vorgebracht. Vgl. Jeff Rubin: Warum die Welt immer kleiner wird, Öl und das Ende der Globalisierung, München/ Hanser 2010. Auch Stiglitz, J.: Im freien Fall, München/ Siedler 2010. In der Tat zeigt sich ab 2015, dass die Staaten in der Welt zunehmend auf Konfrontation setzen: Bei Währungen, beim Handel, bei Flüchtlingen und beim Öl werden zunehmend nationale bzw. regionale Lösungen gesucht. Die Grenzen erleben ein Comeback. Grenzkontrollen dürften weitaus günstiger sein als die Folgen illegaler Migration. "Amerikanismus, das wird unser Credo sein, nicht Globalisierung", Donald Trump

Globalisierungsskepsis: 2016 gibt es immer mehr Ökonomen, die die alte These, dass Mauern und Zäune Wohlstand kosten, nicht mehr akzeptieren. Am bekanntesten sind die Arbeiten von Davis Autor, MIT. Er weist nach, dass den Preis für die Globalisierung die Beschäftigen in den Industrienationen gezahlt haben. Den Menschen fällt die Umstellung schwer und es entstehen nicht schnell genug neue Jobs. Jens Südekum, Düsseldorf kommt für Deutschland zum gleichen Ergebnis. Die Verteilungswirkungen sind so, dass einfachere Jobs verloren gehen. Gefährlich ist für die Demokratien, dass sich viele Menschen von der demokratischen Mitte abwenden. Sie werden immer anfälliger für Demagogen und Extrempositionen. Diese Stimmung ist verbunden mit einem großen Unbehagen an der Globalisierung. Viele Ökonomen sind dagegen der Ansicht, dass die Globalisierung weiter geht. Das Know-how aus den Industrieländern wird in Schwellenländer fließen. Es wird einen Transfer von Wissen geben. Der Dienstleistungssektor könnte revolutioniert werden (Richard Baldwin, Genf). 2016 nimmt die Skepsis deutlich zu. Die Globalisierungsverlierer äußern ihren Unmut durch Wahlen. Davon profitiert besonders Trump bei den US-Wahlen. Insgesamt schätzt man, dass in den Industrieländern 20% und 200 Mio. Menschen zu den Verlierern zählen.

Gescheiterte Globalisierung: Das ist ein Buchtitel von Heiner Flassbeck (ehemals Chefvolkswirt der Unctad; Suhrkamp 2018). Er hält die neoliberale Globalisierung auf vier Feldern für gescheitert: 1. Arbeitsbeziehungen. 2. Keine Theorie der (ungleichgewichtigen) Entwicklung. 3. Keine Theorie der Finanz- und Geldmärkte. 4. Feld der Unternehmenssteuerung. Sicher hat sich in den vergangenen Jahrzehnten die Geschwindigkeit der Globalisierung verlangsamt. Protektionismus (Trump), Corona und Lieferengpässe sind Hemmschuhe. Vgl. Globalisierung in der Krise, in: Wirtschaftsdienst 11/2021, S. 840ff.

Ende der Globalisierung: Bereits seit der Finanzkrise 2007-2008 wird darüber diskutiert. Der Aufschwung war in großen Teilen eine Scheinblüte, getragen durch die Aufblähung der Geldmenge. Wir erleben einen Prozess der De - Globalisierung und der Rückbesinnung auf nationale Prioritäten. Hoffentlich bleibt uns ein großer Krieg erspart. Vgl. Otte, Max: Weltsystem Crash, München 2020, S. 106ff.

Exkurs. Parag Khanna: Der Politikwissenschaftler wurde 1977 in Kanpur (Indien) geboren. Er war 2007 geopolitischer Berater des US-Militärs im Irak und Afghanistan. Er arbeitete als außenpolitischer Experte für Barack Obama. Er war auch Gründer von FutureMap (datenbasiertes Strategieunternehmen). Er ist CNN-Experte für Globalisierung. Sein Buch "Unsere asiatische Zukunft" wurde 2019 ein Bestseller. Zuletzt erschien von ihm "Move. Das Zeitalter der Migration". Vgl. von ihm: Parag Khanna: Ist eine Weltordnung möglich? in: Die Zeit Nr. 33/ 11. August 2022, S. 47. Inhalt: Die Zukunft gehört den Netzwerken. Nur weil die Globalisierung zu einer neuen Verteilung von Zentren führt, muss sie nicht absterben.

Clash of Globalisation: Nach der Zeitenwende und der Bildung von Blöcken in der Welt werden die industriepolitischen Rivalitäten in der Welt zunehmen. Der Protektionismus ist auf dem Vormarsch.

Desintegration des globalen Handels:  Die Welt zerfällt zusehends in die regionalen Blöcke Nordamerika, Asien und Europa. Die Lohnunterschiede zwischen Industrie- und Schwellenländern treiben die Globalisierung nicht mehr an. Neue Technologien ermöglichen den Industrieländern , die Produktion zu Hause zu machen. Weitere Treiber sind der Protektionismus der USA unter Trump und die Klimabewegung bzw. der Druck des Klimawandels. Dadurch könnte aber das globale System instabiler werden, weil die gegenseitige Abhängigkeit sinkt.

Decoupling: 2020 gibt es viele Anzeichen dafür, dass die Globalisierung zurückgeht. Einen großen Einfluss hat auch die Corona-Krise. Vgl. Nadav Eyal: Revolte. Der weltweite Aufstand gegen die Globalisierung, Berlin 2020 (Ullstein). Eyal ist einer der bekanntesten Journalisten Israels. Er hat weltweit die Schauplätze der Revolten gegen Globalisierung besucht. Er beschreibt den Widerstand gegen die Globalisierung, ihre kapitalistische Logik, gegen universelle Werte und kulturelle Überwältigung. Der Kreuzzug gegen die Werte der Aufklärung und des Fortschritts steht erst am Anfang, während die Probleme der Globalisierung gerade erst erkannt sind. Staaten müssen mehr zusammenarbeiten - auch gegen die Konzerne.

Deglobalisierung: Es gibt viele Indikatoren dafür in den letzten 20 Jahren. 1. Der Außenhandel ist kein Wachstumstreiber mehr. Seit ca. 10 Jahren ist der Wachstumsanteil des Außenhandels für Deutschland rückläufig und die Inlandsnachfrage und er Binnenmarkt werden wichtiger. 2. Der globale Offenheitsgrad (nur Exporte) stagniert. Das ist so bei Deutschland, China, den USA und der Welt. 3. Die Kapitalströme bewegen sich seitwärts. Der Anteil von Direktinvestitionen, Portfolioinvestitionen am Welt - BIP ist rückläufig (seit Finanzkrise und Zinswende). 4. Die Dynamik beim Dienstleistungshandel ist ein Hoffnungsschimmer. Die Anteile des Dienstleistungsexports am BIP steigen weltweit. Ein zurück zur "alten" Globalisierung dürfte es nicht geben. Zwei andere Szenarien sind wahrscheinlicher: 1. So wie heute und Konflikte bleiben uns erhalten. 2. Geopolitische Konfrontation mit Blockbildung zwischen Ost und West. Risikofaktoren sind Lieferkettenschocks, Energieverteuerung, technologische Abgrenzung bzw. Blöcke, Reduzierung von Importabhängigkeiten, geopolitische Konflikte, z. B. Taiwan. Vgl. bdvb - Lounge über Zoom 15.3.23, Referenten J. Michels Chefvolkswirt Bayern LB, M. Böhmer, Chefvolkswirt Prognos AG/ Basel.

Globalisierungspause: Die Handelsbarrieren der USA unter Trump, der technische Fortschritt mit weniger Arbeitskräften, der zu starke Globalisierungsschub von 1990 bis 2008  und der politische Populismus mit Bevorzugung des Heimatmarktes führen zu einer Globalisierungspause. Dadurch ist das deutsche Exportmodell direkt betroffen.

Fehler der Globalisierung: Man hat die Effizienz in den Mittelpunkt gestellt. Die kulturellen und gesellschaftlichen Folgen wurden vernachlässigt. Dadurch ist in einigen Ländern der Protektionismus in den Vordergrund gerückt.

Globale öffentliche Güter: Die Menschheit ist noch nicht in der Lage, solche Güter bereitzustellen. Das sieht man deutlich in der Klimapolitik. Noch klarer wird dies in der Corona-Krise 2020. Jedes Land zieht sich zurück und versucht, seine Probleme zu lösen. Der Wohlstand im 21-Jahrhundert hängt aber an solchen globalen öffentlichen Gütern.

Globalisierung und Alternativen: In den 1990er-Jahren herrschte großer Optimismus in der Welt und man sprach von einer neuen Globalisierungswelle. Heute (2016 und 2017) herrscht eine gewisse Verunsicherung vor (Trump, Brexit, viele Krisen).  Die liberale Ordnung der Weltwirtschaft wird zunehmend in Frage gestellt. Menschenrechte, offene Grenzen, Global Government geraten unter Druck. Zum Teil wird ihre Legitimität angezweifelt.

Globalisierungswellen: Die bisherigen Verläufe der Globalisierung werden immer mehr in Frage gestellt. Z.B. versuchen die USA und Großbritannien, die lange die Dienstleistungsgesellschaft propagiert haben, wieder eine Art Re-Industrialisierung. Die Suche nach immer billigeren Produktionsstandorten scheint auch vorerst zu Ende zu gehen. Es wird viel mehr Wert auf sichere Lieferketten in globalen Wertschöpfungsketten gelegt.

Globalisierungsfolgen: In Deutschland ist die Industrie immer wettbewerbsfähiger geworden. Dies ist nicht gleichbedeutend mit einer Wertsteigerung. Dies wurde zum Teil mit Lohn-Dumping erkauft.  Die Hauptursache liegt aber in einer erfolgreichen Spezialisierung. Auch historische und regionale Besonderheiten wirken positiv. Die nationale Verknappung des Produktionsfaktors "Arbeit" wurde aufgehoben, vor allem die gering qualifizierte Arbeit ist der Verlierer der Globalisierung. Technisch wirkt sich Globalisierung positiv auf Innovationen aus. Sozial führt sie zu wachsender Ungleichheit. Es kann sein, dass die Bedingungen für Investitionen im Inland vernachlässigt werden, ebenso wie eine Stärkung der Nachfrage im Inland (problematisch durch sinkende Reallöhne). "Wir leben in einer Weltnachbarschaftsordnung", Hans-Dietrich Genscher, ehemaliger Bundesaußenminister. Soziologisch analysiert Ulrich Beck in seinem Buch "Die Risikogesellschaft" die Folgen der Globalisierung. Eine der zentralen Thesen Becks ist, dass die die moderne Gesellschaft nicht an ihren Niederlagen, sondern an ihren Siegen krankt: Der weltweite Terrorismus, so Beck, sei Konsequenz eines Sieges der westlichen Moderne gegenüber anderen Gesellschafts- und Kulturformen. Die Klimakatastrophe droht laut Beck, weil die Industrialisierung so erfolgreich war. Die Massenarbeitslosigkeit folge aus den Produktivitätsgewinnen. Und die Alterspyramide sprenge die Sozialsysteme, weil die Medizin die Menschen länger leben lasse.

Globalisierungsauswirkungen: In allen Volkswirtschaften dieser Erde, insbesondere den modernen, zeigen sich Wirkungen in der Geld- und Währungspolitik, der Finanzpolitik (Steuerpolitik), der Lohnpolitik, der Sozialpolitik und der Umweltpolitik. Es ist sehr schwierig, eine Balance zu finden zwischen Aktion und Reaktion. Oft sind auch nur einzelne Regionen von Staaten betroffen. "Die Globalisierung hat sich zu einer Goldgrube für die Superreichen der Welt erwiesen", Jeffrey Sachs, Earth - Institute N. Y.

Globalisierungsrisiken: Die größten Risiken liegen in der Störanfälligkeit und möglichen Störfaktoren der weltweiten Vernetzung. Atomkraftwerke in der Nähe von Ballungszentren in aller Welt, Großflughäfen und Containerhäfen, Internetknotenpunkte, wichtige Seestraßen (Malakka, Suez, Panama, Hormus, Gibraltar, Bosporus, Taiwan), wichtige Energielieferanten, Anbieter Seltener Erden, entscheidende Finanzzentren (New York, London) und Terrorismus (IS) sind Achillesfersen. 80 Prozent des globalen Warenhandels wird über Schiffe transportiert. Weitere geopolitische Risiken: Cyber-Attacken, instabile Lagen in Russland oder China, Naher Osten. Insgesamt wurden in der Globalisierung drei Risiken vernachlässigt: 1. Eintreten einer Krise in China mit globalen Auswirkungen. 2. Cyberkrieg. 3. Pandemie. Hinzu kommt, dass 2020 1. und 3. gleichzeitig eintreten.

Globalisierung der Politik: Verlagerung der Entscheidungsfindung auf immer größere, zentralisierte Einheiten. Zusammen mit der wirtschaftlichen Globalisierung führt sie zu einer Renaissance des Nationalstaates und des Protektionismus als Gegenreaktion. Metropolen profitieren auch eher von der Globalisierung als das Land. Vgl. Bagus, Philipp: Wir schaffen das, 2017 und Müller, Henrik: Nationaltheater, 2017.

Gewinner der Globalisierung: Nach dem Bertelsmannreport 2018 führt die Schweiz vor Slowenien und Finnland. Deutschland steht auf Platz 10. Das ist natürlich eine folge der Messmethode. Andere Studien sehen Deutschland an der spitze vor China.

Verlierer-Regionen der Globalisierung in Deutschland: Verlierer-Regionen sind das Ruhrgebiet, die Pfalz und Oberfranken. Die Gewinnerregionen liegen vor allem in Bayern und Schwaben. Das Verarbeitende Gewerbe hat insgesamt durch den Handel mit China und Osteuropa gewonnen. Der Arbeitsmarkt in den USA ist zurückgegangen. Vgl. Südekum/ Dauth/ Findeisen: Verlierer (-regionen) der Globalisierung in Deutschland: Wer? Warum? Was tun?, in: Wirtschaftsdienst 2017/1, S. 24ff.

Kompensation für Globalisierungsverlierer: Es geht vor allem um Jobverluste. IWF, Weltbank, WTO sprechen sich gegen progressivere Besteuerung der Einkommen, sondern für "Trade Adjustment Assistance" aus. Die Programme sollen betroffene Beschäftigte unterstützen, durch Umschulung schnell neue Jobs in attraktiven Bereichen zu finden. Regionale Arbeitsmarktunterschiede werden dabei allerdings nicht berücksichtigt. Es gibt Schätzungen, dass Rechtspopulisten dank Niedriglohnwettbewerb weltweit bis zu 20% in Wahlen gewinnen. Globalisierung fördert also den Aufstieg der Rechtspopulisten. Versucht man dies durch Protektionismus zu bekämpfen (wie Trump), kehren Produktionsarbeitsplätze aus dem Ausland meist nicht zurück. Besser wäre es, die Betroffenen im Inland mit einem Verlustausgleich zu entlasten. Vgl. Fadinger, Harald: Das Gesicht der Verlierer, in: Die Zeit Nr. 16, 11. April 2019, S. 33.

Globale Zivilgesellschaft: Vernetzung von NGO, Berufsgruppen, Individuen, Globalisierungsgegnern u. a. die eine andere Weltwirtschaftordung und Verteilung wollen. Ziel ist unter anderem inklusives Wachstum für eine gerechtere Wohlstandsverteilung in der Welt. Auch die Hilfe für die vielen armen Entwicklungsländer gehört dazu. Diese Netzwerke treffen sich z. B. am Rande der G20-Runde.l

Global Village: Ursprünglich ein Symbol für das Zusammenrücken der Welt in der Globalisierung. Mittlerweile stark mit den Unternehmen verbunden, die das WWW beherrschen. Die Oligopolisten sind Google, Facebook, Apple, Microsoft und Amazon.

Wachstumsraten weltweit: Es gibt erhebliche Unterschiede (sowohl beim realen BIP insgesamt als auch beim BIP je Einwohner). Dafür verantwortlich sind Investitionsausgaben (mit Sparen), auch Auslandsinvestitionen, Bildung, Infrastruktur, Forschung und Entwicklung. Hinzu kommen weitere Rahmenbedingungen wie politische Stabilität, Eigentumsrechte und staatliche Wirtschaftspolitik (auch Ausgabenpolitik).

Globalisierung und Umwelt: Die Welt ist tief gespalten. Zwei Drittel (IC und NIC) produzieren ohne ökologische Grenzen. Das dritte Drittel (EL) produziert innerhalb der ökologischen Grenzen. Dafür ist das letzte Drittel bettelarm. Die knappen Ressourcen in der Welt lassen ein beständiges Wirtschafts-Wachstum nicht mehr zu. Im Gegenteil wird es zum einem Abstieg des Zwei-Drittel-Teils kommen (hoffentlich kein Absturz). Hoffentlich werden auch alle davon betroffen sein (gegenwärtig Spreizung der Einkommen). Die Umwelt - Kuznets - Kurve zeigt, dass Wirtschaftswachstum bei steigendem Wohlstand des betreffenden Landes die Umweltverschmutzung zunächst verschlimmert, ab einem gewissen Level jedoch der Umwelt nützt. Leider sind die wichtigsten Schwellenländer (China, Indien) noch auf der falschen Seite der Kurve (Vgl. Krugman/ Obstfeld/ Melitz: Internationale Wirtschaft, München 2012, S. 399).

Globalisierung und Arbeitsmarkt: Die Weltbank hat eine Studie über den Zusammenhang zwischen Digitalisierung der Wirtschaft und Arbeit weltweit 2016 machen lassen: Der Anteil der Jobs, die durch Digitalisierung und Automatisierung gefährdet sind beträgt in %: Äthiopien 85, China 77, Thailand 72, Indien 69, Argentinien und Nigeria 65, OECD-Durchschnitt 57, USA 47, Großbritannien 35. Am besten gewappnet sind die Länder, die auf Complex Problem Solving, Critical Thinking und Creativity setzen (Quelle: Weltbank: World Development Report 2016).

Die Elefanten-Kurve: Sie soll beweisen, dass die Arbeiter der Industriestaaten die Verlierer der Globalisierung sind. Sie wird in ein Koordinatensystem gezeichnet, wo auf der senkrechten Achse das Wachstum der Einkommen abgebildet ist (1988-2008) und auf der waagerechten Achse die Position in der globalen Einkommensverteilung. Die Ökonomen Christoph Lakner und Branko Milanovic veröffentlichten sie erstmals 2013 in einem Forschungspapier für die Weltbank. Eine neuere Studie von der Brookings-Institution (Khras/ Seidel) kommt zu dem Ergebnis, dass es wenig nützt, eine Weltgraphik der Einkommensentwicklung aufzustellen. Vgl. auch: Die Zeit Nr. 19, 3. Mai 2018, S. 22.

Globalisierung und Lohnungleichheit: Die globale Verteilung der Einkommen zwischen Ländern und innerhalb von Ländern ändert sich mit dem Außenhandel. Die moderne Weltwirtschaft tauscht Komponenten, Zwischenprodukte und Dienstleistungen. Deren Produktionsstufen siedeln sich häufig in qualifikationsärmeren Ländern an, was zu einer erhöhten Lohnungleichheit innerhalb der Länder führt. Die meisten Lohnunterschiede sind nicht zwischen Wirtschaftszweigen oder Fertigungsstufen, sondern zu einem großen Teil innerhalb der Wirtschaftszweige und zwischen Unternehmen aufgetreten. Die Lohnunterschiede zwischen Betrieben gehen auf größere und stärker globalisierte Unternehmen zurück. Vgl. Mündler, Marc-Andreas: Außenhandel, Arbeitsmärkte und die globale Verteilung der Einkommen, in: Wirtschaftsdienst 2018/ Sonderheft, S. 50ff.

Globalisierung und Inflation: Weltweit scheint die Globalisierung die Inflation zu fressen. Doch wie ist das erklärbar? Die Phillips-Kurve ist seit der Finanzkrise 2008 zusammengebrochen. Niedrige Zinsen treiben offenbar nicht mehr Beschäftigung, Löhne und Preise nach oben. Es bilden sich Blasen an den Vermögensmärkten. Als Hauptgrund für diese Entwicklungen wird die Globalisierung gesehen. Unternehmen können komplexe Dienstleistungen ins billigere Ausland verlagern. Deshalb müssen sich die Beschäftigten bei den Lohnforderungen zurückhalten. Weiterhin führt die Digitalisierung zur einem Rückgang der Nachfrage nach Arbeit. Die Verbreitung von Robotern und künstlicher Intelligenz verschiebt die Kräfteverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt.

Alternde Gesellschaften und Globalisierung: Hypothese: Alternde Gesellschaften stärken nationale Regulierungen im Widerstand gegen die Übertragung von Kompetenzen an globale Regelwerke. Dafür gibt es vier Gründe: 1. Der Alterungsprozess mindert den Anreiz zu Produktinnovationen und schwächt damit den Heimatmarkt. 2. In alternden Gesellschaften wird Globalisierung zunehmend als Bedrohung und weniger als Chance verstanden. 3. Der nachfragebedingte Strukturwandel fördert die Produktion von Dienstleistungen. diese sind nicht so international ausgerichtet. 4. Die Bedeutung nationaler natürlicher Ressourcen wie Grund und Boden wächst. Siehe Rolf J Langhammer (IfW, Kiel): Die Alten widersetzen sich globalen Regeln, in: FAZ Freitag, 27. Februar 2015, S. 18.

Globale Krankheiten und Hysterie: BSE, Dioxin im Futtermittel, Schweinegrippe, Vogelgrippe, SARS und EHEC sind zu nennen. Die Hysterie verursacht meist mehr Kosten als die Krankheit selbst. Die Pandemien werden oft als Vorwand für protektionistische Maßnahmen genommen. Bei einem neuen Virus der Vogelgrippe 2013 in China fallen die Aktien von globalen Firmen erheblich (z. B. Lufthansa). Vogelgrippe ist eine unter Vögeln hoch ansteckende Krankheit. Eine Calciumschale im Darm sorgt dafür, dass sie Vögel und kaum Menschen bedroht. Die erste globale Krankheit war die Spanische Grippe. Zwischen 1918 und 1920 starben 50 Millionen Menschen. Ursprungsort war wahrscheinlich China. In den Reichen vorher, bei denen das Mittelmeer im Vordergrund stand, war die Pest die gefährlichste Krankheit (übertragen durch Rattenflöhe). 2014 breitet sich MERS (Middle East Respiratory Syndrom, erstmals 2012) aus. Zuerst im mittleren Osten. Dann auch in den USA. 2014 breitet sich die Ebola stark in Afrika aus. Die meist tödlich verlaufende Viruskrankheit hat in Westafrika seit dem Ausbruch 1100 Menschen befallen und 700 getötet (bis Juli 2014). Auch die wirtschaftlichen Folgen sind dramatisch: die meisten ausländischen Konzerne haben ihr Personal aus Guinea, Sierra Leone und Liberia abgezogen. Vor allem Westafrika ist betroffen (mittlerweile auch Nigeria). Die WHO plant einen Sondergipfel. Dieser findet im Herbst 2014 mit den globalen Experten in Genf statt. Die WHO stuft die Krankheit als internationalen Gesundheitsnotfall ein. In Westafrika kommt im Herbst 2014 die landwirtschaftliche Produktion zum Erliegen. Die Krankheit greift auf immer mehr Länder über (Nigeria, Mali). Liberia und Sierra Leone werden lahm gelegt (Ausgangssperre). Sierra Leone befürchtet den wirtschaftlichen Ruin. Bis Ende September 2014 gibt es 3000 Tote durch die Krankheit. Deutschland organisiert einen Freiwilligeneinsatz. Die EU stockt ihre Mittel auf 1 Mrd. € auf. Bis Oktober 2014 sind 10.000 Menschen erkrankt und es sterben 5000. Wohltätigkeitsveranstaltungen und CD´s bringen viel Geld gegen Ebola ein. Ebola bricht immer wieder plötzlich aus und verschwindet dann wieder. Der Virus versteckt sich wahrscheinlich in Flughunden. Die Weltbank fordert einen Fonds für globale Krankheiten. Mitte 2014 bricht die Pest in Yumen (Provinz Gansu, China) aus. Überträger war wahrscheinlich das Murmeltier, das als Delikatesse gilt. Die Pest entsteht Ende 2014 auch wieder in Madagaskar (hier sind Ratten, die vor der Regenzeit in die Behausungen flüchten, die Überträger). 2015 will die Weltbank einen Notfallfonds gegen globale Epidemien auflegen. 2015 sind die Masern auf Wanderschaft in der globalisierten Welt. Sie profitieren von Impfmuffeln im Westen. 2015 bricht insbesondere in Südkorea die Krankheit Mers aus. 2016 befürchtet die WHO eine weltweite Epidemie mit dem Zika-Virus (Gelbfiebermücke), das Missbildungen bei Geburten auslösen kann. Das Virus ist besonders in Südamerika (Brasilien) verbreitet. Die WHO erklärt im Februar 2016 den globalen Notstand. Im Mai 2017 bricht Ebola wieder im Kongo aus. Die Krankheit breitet sich aus. Sie ist auch Thema auf der WHO Konferenz im Mai 2018. Ende 2018 warnt die OECD vor resistenten Erregern. Der Anteil der resistenten Keime sei sprunghaft gestiegen (von 14% 2000  auf 17% 2015). Im November 2018 gibt es den schwersten Ausbruch von Ebola im Kongo. Die Krankheit breitet sich auch 2019 aus. Die WHO verzichtet darauf, eine "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite" auszurufen (bisher zusätzlich noch zwei Fälle in Uganda). Besonders stark breitet sich die Krankheit im Ost-Kongo am Kiwu-See aus. Die örtliche Bevölkerung misstraut den internationalen Helfern. 2019 breiten sich die Masern weltweit rasant aus. In den ersten sechs Monaten 2019 seien in 182 Ländern 365.000 Fälle der hoch ansteckenden Krankheit erfasst worden. Quelle: UN. Auch die Anzahl der Todesfälle ist drastisch angestiegen. Besonders betroffen ist 2019 die Demokratische Republik Kongo. Hier sind nach Angaben der WHO bereits 5000 Menschen daran gestorben. 2020 bricht eine mysteriöse Lungenkrankheit in China aus. Ein neuer Virus-Typ wird ausgemacht (Corona-Virus). Es gibt Sorgen wegen der anstehenden Reisewelle. Die Krankheit ist in der Metropole Wuhan zuerst ausgebrochen. Sie breitet sich rasch aus (Mitte Januar 2020 62 Infizierte, 2 Tote; Experten gehen von über 1600 Infizierten aus, da die Krankheit auch in Thailand, Südkorea und Japan ausgebrochen ist). Die Zahl der Infizierten und der Toten steigt rapide an. Vor dem Neujahrsfest wird Wuhan abgeriegelt (nur öffentlicher Personenverkehr).

Ökonomische Übertragungsmechanismen in einer globalen Wirtschaft (am Beispiel der Corona-Krise 2020): In der realen Wirtschaft gehen Angebot und Nachfrage gleichzeitig zurück ("Doppelschock", Kenneth Rogoff). Das ist im Vergleich zu großen Krisen vorher neu und manche sprechen hier von einem "Schwarzen Schwan" (extrem seltenes und unwahrscheinliches Ereignis). Es handelt sich um einen realwirtschaftlichen Schock, der fast alle Länder gleichzeitig trifft. Das muss für die Weltwirtschaft verheerend sein (Situation wie bei Spanischer Grippe, aber bessere Ausgangsvoraussetzungen). Viele Firmen in aller Welt schließen die Produktion. So muss z. B. PSA die Produktion in Rüsselsheim und Eisenach zwei Wochen schließen. Auch andere Autofirmen (VW, Audi, Daimler, BMW, Ford) stoppen die Produktion. Weil Vorprodukte fehlen, die Nachfrage einbricht oder Arbeiter geschützt werden sollen. Diese Unternehmen wirken als Multiplikatoren, weil sie viele Zulieferer haben, die dann betroffen sind. Die Lieferketten sind die verwundbarste Stelle (wegen weit verbreiteter Just-in-time-Produktion). Zeitverzögert trifft es die Elektroindustrie und den Maschinenbau. Damit zusammenhängend stockt die ganze Logistik. Extrem stark betroffen sind außerdem die Reise- und Tourismusbranche (einige Fluggesellschaften und Reiseveranstalter gehen Pleite). Vor dem Corona-Ausbruch erwarteten Hotels und Airlines 1520 Mrd. $ Einnahmen, nach dem Corona-Ausbruch noch 699 Mrd. $ (Quelle: WiWo 13, 20.3.20, S. 8). Die Lage der Banken spitzt sich zu (doppelt betroffen). Die deutsche Wirtschaft ist extrem abhängig von Exporten (Nachfrage im Ausland)  und daher besonders anfällig. Allein die Lombardei ist für Deutschland so wichtig wie Japan (Venetien wichtiger als Brasilien) Auch die Nachfrage, vor allem nach Konsumgütern, bricht ein. Vorher kann es zu Hamsterkäufen kommen oder auch zu anderen Formen irrationalen Verhaltens. Beim Öl kommt es zu einem massiven Preisverfall (die Opec will die Förderung kürzen, Russland ist dagegen; Folge ist ein Preiskrieg zwischen Russland und Saudi-Arabien). Am 16.3. kommt es zu einem weiteren Einbruch (tiefster Stand seit 4 Jahren). Die Finanzmärkte reagieren als Frühindikatoren und indizieren die Unsicherheit in der Zukunft. Die Aktienkurse sinken permanent, Goldpreis und Kurs des Schweizer Frankens steigen ("Sichere Häfen"). Am 09.03. ist eine Art "Schwarzer Montag": Es herrscht Panik an den weltweiten Börsen. Die Aktienkurse in Europa und Asien brechen zuerst ein. Dann geht die Börse in New York stark nach unten (größter Abstieg seit 10 Jahren, 15 Minuten Handel ausgesetzt). Spätere Rückgänge der Kurse folgen (meist immer Montag, so auch am16.3.). Am 18.3. geht es weiter nach untern (DAX -5%, Dow Jones -8%). Der Preissturz bei Öl mit wird am 09.03. zum stärksten seit 30 Jahren (seit1991, Golfkrieg). Er geht noch weiter. Am 19.3. geht der DAX erstmals wieder leicht nach oben.

Kriege und bewaffnete Konflikte in der Welt sowie Terrorismus: Die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung in Hamburg kommt 2017 auf 31 Kriege und bewaffnete Konflikte. Die am stärksten betroffene Region ist der Vordere und Mittlere Orient. Heute gibt es immer weniger klassische Kriege zwischen Staaten. Häufiger sind internationalisierte Bürgerkriege (Beispiel Jemen). Ökonomisch ist es immer sinnvoller, bewaffnete Konflikte zu verhindern als sie zu lösen. In diesem Zusammenhang bedrohen Terroristen die Freiheit der Meere. Hinzu kommt, dass China und Russland machtvoll maritime Exklusivansprüche markieren. Raketen und Drohnen sind machtvolle Waffen, gegen die die meisten Schiffe  nichts machen können. Vgl. ter Haseborg u. a.: Die See-Schlacht, in: Wiwo 13/ 22.3.24, s. 16ff.

Deutschland in der Globalisierung: 40,8% betrug 2009 der Anteil der Exporte am BIP. In der Euro-Zone liegt der Anteil bei 36,3%. Etwa jeder dritte Arbeitsplatz hängt direkt oder indirekt vom Außenhandel ab. Exportschlager Nummer eins sind Maschinen. 63 % aller Ausfuhrgüter gehen in die Länder der EU. Nach Schätzungen (Pankaj Ghemawat) verbleiben rund 70% der Wertschöpfung im Land. Rund 90% verbleiben in Europa. Deutschland macht etwa 5% der Weltwirtschaft aus, Europa 32%. Prognosen sagen, dass diese Anteile am Welthandel bis 2030 auf 3% und 21% fallen.

Piraten (am Horn von Afrika): Piraten aus Somalia, Investoren, Reeder, Unterhändler, Piratenjäger, Regierungen, Islamisten und Richter (meist aus Kenia) sowie Verteidiger aus aller Welt liefern sich immer wieder das gleiche Spiel. Es wird so lange weiter gehen, wie die wirtschaftliche Rechnung aufgeht. Die Überfälle gibt es nicht nur vor Somalia, sondern auch vor Indonesien, in der Straße von Malakka und im Golf von Bengalen. Am wirksamsten wäre die Piraterie durch einen rechtsstaatlichen und wirtschaftlichen Neubau Somalias zu bekämpfen. Bekämpft werden müssten die Ursachen, nicht die Symptome. Die Aktivität der Seestreitkräfte sollen auch auf das Land ausgedehnt werden. Die EU verlängert 2012 die Mission des Anti-Pirateneinsatzes bis 2014. 2013 gibt es Piraten im Golf von Guinea vor der Küste Nigerias. Die Küstenwachen sind korrupt. Ausländische Piratenjäger sind unerwünscht. Während sich 2014 die Lage am Horn von Afrika entspannt, wird die Straße von Malakka zum neuen Brennpunkt. Im ersten Halbjahr 2023 gibt es wieder mehr Angriffe. Zentrum ist der Golf von Guinea (Westafrika).  "Seeräuber reagieren wie alle Individuen auf Anreize", Peter Leeson, George Mason University. 2010 gab es 445 Piratenüberfälle mit 1200 Geiseln. 69 deutsche Schiffe waren betroffen.

Verkehrsstraßen (Kanäle): Weil der meiste Verkehr mit Container-Schiffen über die Meere läuft, haben Kanäle eine überragende Bedeutung. Der Panamakanal (fünf Prozent des Welthandels) wird ausgebaut. Besonders wichtig ist auch der Suezkanal. Ägypten baut 2014 eine zweite Fahrrinne. Der Panamakanal bekommt Konkurrenz. Nicaragua plant eine eigene Wasserstraße zwischen Pazifik und Atlantik (278 km, 200.000 Arbeitsplätze). Die Verträge wurden unterzeichnet. 50 Jahre gilt die Konzession für die chinesische Firma HKND (49% Wang Jing). Die Bevölkerung rebelliert. Die meist befahrene künstliche Wasserstraße der Welt ist der Nord-Ostsee-Kanal (98 km; 32589 Schiffe 2014). Im August 2015 wird eine neue 72 Kilometer lange Schifffahrtstrass am Suezkanal freigegeben (Kosten 8 Mrd. Euro). Besonders wichtig für den Transport von Erdöl und -Gas sind die Straße von Hormus, die Straße von Malakka und der Suezkanal/ Sumed-Pipeline. Durch die Endsendung von Flugzeugträgern im Mai 2019 wollen die USA die Produktion von Iran blockieren, insbesondere nach China. 80% des Welterdöls geht über diese Kanäle nach Asien. Im Juni 2019 werden zwei Öl-Tanker (einer mit Methanol gefüllt) im Golf von Oman in Brand geschossen. Noch ist unklar, wer geschossen hat. Die Spannungen zwischen den USA und dem Iran werden weiter angeheizt. Die USA wollen den freien Schiffsverkehr durch die Straße von Hormus garantieren. Sie fordern dabei Mitte 2019 Hilfe von GB, Frankreich und Deutschland (7 von 15 Fregatten sind außer Dienst gestellt) an. Die Klimakrise trifft immer mehr den Panama-Kanal. Extremes Niedrigwasser behindert die Durchfahrt. Im August 23 stauen sich 134 Schiffe. ende 2023 greifen Huthi - Rebellen immer wieder Schiffe im Roten Meer an. Die USA erwägen mit anderen Ländern, auch Deutschland, einen Marineeinsatz. Einige Reedereien beschäftigen auch die Sicherheitsfirma Seagull Martime, Malta. Sie schickt bewaffnete Teams auf Schiffe und arbeitet mit Patrouillenbooten. Die USA rufen die Operation "Prosperity Guardian" ins Leben. Sie soll die internationale Militärpräsens im Roten Meer deutlich verstärken. Die EU will das US-Militär unterstützen. Über die Schifffahrtsroute Suez-Kanal laufen über 12 % des Welthandels. Die Huthis greifen im Februar 2024 Handelsschiffe an. Sie stellen sich im Gaza-Krieg auf die Seite der Palästinenser. Die USA und GB greifen die Huthis an. Zusammen mit der EU organisiert man eine Kontrolle des Suez-Kanals. Der Kanal ist eine zentrale Verbindung zwischen Asien und Europa. Dem Panama-Kanal droht 2024 nach der Trockenheit die nächste Gefahr. Superstürme könnten die wichtige Wasserstraße zerstören. Vgl. Der Spiegel 19/ 4.5.24, S. 92ff.

Brücken und Tunnel: Sie sind auch wichtige Verkehrsstraßen. Besonders in Europa sind die Tunnel wichtig: Gotthard-Basistunnel, Eurotunnel. In Japan ist der Seikan-Tunnel bekannt. Er verbindet die japanische Hauptinsel mit der Insel Hokkaido. Auch Brücken haben eine zunehmende Bedeutung: so die Öresundverbindung von Kopenhagen nach Malmö. Aber auch die Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke in China. Die Brücke der Märtyrer des 15. Juli verbindet den europäischen mit dem asiatischen Teil Istanbuls.

Züge: Sie spielen eine zunehmende Rolle, vor allem im Verkehr zwischen China und Europa. 2020 fuhren 12.000 Züge von Deutschland nach China - das waren ein Drittel mehr als 2019. Die Havarie im Suezkanal hat die Nachfrage nochmals verstärkt. Aber die Schiene wird immer ein Nischen - Player bleiben. Allein ein Schiff wie die Ever Given transportiert die Ladung von 200 Güterzügen.

Container-Häfen und -schifffahrt: Zahl der Handelsschiffe und Häfen (im Container-Umschlag 2007 Singapur vor Shanghai, Hongkong,  und Shenzen; Güterumschlag auf See erreicht 2007 Höchststand). Im Yangtse-Delta hat China mit Shanghai und Ningbo zwei Tiefseehäfen. Im Perlfluss-Delta konkurrieren konkurrieren Hongkong, Shenzhen und Guangzhou. 2018 ist Shanghai der größte Container-Hafen vor Singapur und Shenzhen. China baut auch und kauft Häfen im Ausland: in Kenia, Sri Lanka, Griechenland und Mittelamerika. Experten befürchten Überkapazitäten. Mehr als 90 Prozent der weltweit gehandelten Güter werden über den Seeweg transportiert. Bei Deutschland sind es 60% des Exports. Der Jade-Weser-Port ist der einzige Tiefwasserhafen Deutschlands. Das größte Frachtschiff der Welt kann 18.270 Container laden. 260.000 Jobs hängen am Hamburger Hafen. In Konjunkturkrisen wird die Zahl der Schiffe in der Regel abgebaut. Sie werden an der Küste armer Länder von unausgebildeten Menschen verschrottet. Der giftige Tankerschrott ist ein großes Problem, vor allem in Bangladesch richtet er riesige Umweltschäden an. Ein bei der UN vorliegendes Abwrackgesetz haben erst drei Länder unterzeichnet. Mit 19100 Containern ist die chinesische CSCL Globe das größte Containerschiff der Welt. Im Oktober 2017 wurden +5,8 mehr Container weltweit umgeschlagen im Vergleich zum gleichen Monat des Vorjahres. Das deutet darauf hin, dass der Welthandel nicht gesunken ist. Gefährlich wird es, wenn Schiffe durch Naturkatastrophen Container verlieren. So wie 2019 die MSC Zoe vor der holländischen Küste mit dem Verlust von 270 Containern. Der verpflichtende Einsatz von Peilsendern wird diskutiert. 500 Milliarden Dollar setzt die internationale Containerschifffahrt pro Jahr um. 90 Prozent der weltweit gehandelten Waren werden in Containern transportiert. 150 Länder werden durch die Handelsrouten der Containerschiffe auf den Weltmeeren verbunden. Im März 2021 blockiert ein großes Container-Schiff ("Ever Given") den Suez-Kanal. Es kommt zu einem großen Stau. Am 29.3.21 kann das Schiff weggeschleppt werden. Etwa vier Fünftel des globalen Handelsvolumens wird über die Weltmeere abgewickelt. 2022 soll das Volumen bei 161 TEU liegen (Twenty Foot-Equivalent-Unit, 2010 110 TEU). die größten Reedereien sind: Maersk/ Dänemark, Mediterranean/ Schweiz, CMA, CGM/ Frankreich, Cosco/ China, Hapag-Lloyd/ Deutschland. Infolge der Null-Covid-Strategie kommt es in China in Shanghai zu einem Superstau. Der setzt sich auf der ganzen Welt fort. In der Nordsee wächst deshalb der Stau der Containerschiffe.  Whosever commands the sea commands the trade; whosoever commands the trade of the world commands the riches of the world, and consequently the world itself, Sir Walter Raleigh (1552-1618); Entdecker und Höfling von Elisabeth I.

Handelsflotten: Die deutsche Handelsflotte ist die siebtgrößte der Welt. Die meisten deutschen Schiffe fahren für Hapag-Llloyd.  Schiffe wickeln 80% des Welthandels ab. Sie geraten immer öfter ins Visier von Soldaten, Terroristen, Piraten. Die Pulsader der Globalisierung führt durch die Second-Thomas-Untiefe im Südchinesischen Meer. Hier stören immer öfter die Chinesen.

Häfen in Deutschland: Die großen Häfen Hamburg und Bremen sowie Wilhelmshafen geraten immer mehr ins Hintertreffen gegenüber Rotterdam/ Niederland und Antwerpen/ Belgien. Man arbeitet an einem Notfallplan.  Die Zukunft könnte in einem Quasimonopol bestehen. 2022 kommt e szu verzögernden Staus als Folge des Staus in Shanghai (Null-Covid-Strategie Chinas). 2022 kommt es zu einem Schiffsstau im Hafen von Shanghai (Corona). Es gibt Sorge um den Welthandel.

Binnenschifffahrt in Deutschland: Sie ist eine Lebensader. Bei normalen Pegelständen ersetzt ein modernes Binnenschiff 150 LKWs. Diese Verkehrsstraße hat die geringsten externen Kosten. 202 wurden 195 Mio. Tonnen auf diesem Wege transportiert. Vgl. WiWo 31/ 29.7.22, S. 8.

Grenzzäune und Mauern (Gegenteil von Globalisierung): Solche Grenzbefestigungen gibt es zwischen den USA und Mexiko, an der Grenze Israels, in Marokko (Ceuta), in der Westsahara, zwischen Griechenland und Mazedonien (inzwischen auch zu Ungarn, Bulgarien, Kroatien und Österreich), zwischen Nord- und Südkorea und an der Grenze zwischen Indien und Bangladesch. 

Regimewechsel in Nordafrika: In Nordafrika (Ägypten, Tunesien, Libyen) und einigen arabischen Ländern (Jemen, Bachrain) erhebt sich die Bevölkerung gegen das Regime. Ursachen sind Wohlstandsgefälle, keine Demokratie, Nepotismus, Korruption und Ausbeutung. Die Länder haben große ökonomische Bedeutung für Europa wegen ihres Ölreichtums, möglichen Migranten, Rückzugsgebiet für Terroristen u. a. Der Konflikt zwischen Islamisten und eher Liberalen, der lange von den Diktatoren unterdrückt wurde, bricht aber nun auf (z. B. in Ägypten, Tunesien).

Sicherheit: Politische und makroökonomische Risiken sind schwer einzuschätzen. Vor allem die Risiken, mit denen Investoren und Unternehmen rechnen müssen. Der Sicherheits-Dienstleister  Control Risks fertigt eine Risiko-Karte an. Die gefährlichsten Länder 2013 sind Irak, Afghanistan und Somalia. 35% der weltweiten Produktion erfolgt in Ländern, die mit mittlerem oder hohen politischen Risiko bewertet sind. Vgl. Wirtschaftswoche Nr. 51, 16.12.2013, S. 6/7.

Werte und ihr Wandel: Die ökonomischen Rahmenbedingungen beeinflussen stark die Wertvorstellungen. Damit werden die Präferenzen  der Menschen mittlerweile auch in der VWL hinterfragt. Dies hat große Bedeutung im Hinblick auf die Entwicklung in Ostasien. Die Werte stellen auch eine Ursache für die Ökonomie dar (Kultur). Quelle: Di Tella, R./ Galiani, S./ Schargrodsky, E.: The Formation of Beliefs: Evidence from the Allocation of Land Titles to Squatters, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 122, 2007/Februar, S. 209-241. Berühmt ist die These von Max Weber, dass ohne die Protestantische Ethik (Askese, Leistungsmotivation) die Entwicklung des Kapitalismus in Deutschland nicht so erfolgreich verlaufen wäre. Nicht minder berühmt die These von Karl Marx: Die materialistischen Lebensbedingungen (Dasein) bestimmen das Bewusstsein und Denken der Menschen. Vgl. auch Karl Marx, Daten und Bedeutung. In der globalisierten Welt scheint der Religion wieder eine wachsende Bedeutung beizukommen. Eine besondere Rolle spielt dabei der Islam. "Die Unteilbarkeit der Klimabedrohung weltweit kann die im vergangenen Jahrhundert gemeinschaftsbildenden Werte der Mitmenschlichkeit und Solidarität wieder beleben, je spürbarer die Bedrohung ist", Claus Noe, Ex-Staatssekretär, gestorben 2008.

Kultur und Globalisierung: Nähern sich die Kulturen in einer globalisierten Welt an oder betonen sie gerade ihre Besonderheit. Dies hat große Bedeutung für bestimmte Bereiche des Marketing (Produktpolitik, Kommunikation). "Too stupid to understand science - Try religion!" über Facebook verbreitet vom Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung Löning (FDP), heftig kritisiert vom Vorsitzenden der Glaubenskongregation im Vatikan Müller.

Empathische Zivilisation: Der Begriff wurde von Jeremy Rifkin geprägt. Er geht davon aus, dass sich globale Empathie entwickeln kann, so dass Kooperation über Konkurrenz siegt. Den größten Einfluss haben dabei Internet und Kommunikationstechnologie. Vgl. J. Rifkin: Die Empathische Zivilisation, Frankfurt/ New York 2010.

Konvergenzthese: geht unter anderen auf Jan Tinbergen zurück. Unterschiedliche Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen nähern sich an und bilden eine optimale Mischform. Sehr aktuell in der Weltwirtschaftskrise 2009, in der auch der Marxismus wieder eine Renaissance erlebt. (Vgl. hierzu auch meinen Beitrag). Der Konvergenzhypothese zufolge verringern sich auch tendenziell die internationalen Unterschiede im realen BIP je Einwohner im Zeitverlauf. Dies gilt heute offenbar für die reichen Länder, aber nicht für die Welt insgesamt. Vgl. Krugman/Wells, Volkswirtschaftslehre, Stuttgart 2010, S. 807. "Wir können nicht zulassen, dass religiöse Unterdrückung an die Stelle der kommunistischen tritt", Hillary Clinton, US-Außenministerin 2009 in Berlin.

Trilaterale Kommission USA, EU, Japan: 400 Mitglieder, die nicht in einer Regierung sein dürfen. Die Mitglieder sind führende Wirtschaftsmanager, Politiker oder Wissenschaftler. Es geht um globalen persönlichen Kontakt. Chef der 20 deutschen Kommissare ist Michael Fuchs (Vize-Vorsitzender CDU/CSU-Fraktion). Bei der Jahreskonferenz 2012 im April in Tokio geht es um Chinas Rolle in der Weltpolitik.

Staaten und Städte in einer globalisierten Welt: Die Staaten und Zentralregierungen werden immer hilfloser. Die Städte könnten mächtiger werden. Diese These vertritt Benjamin Barber (Buch "If mayors ruled the world").

Globalisierung und digitale Ökonomie: Die Digitalisierung der Wirtschaft wird den klassischen Güterhandel mit standardisierten Massenprodukten drastisch reduzieren. Produktions-Rückverlagerungen in großem Ausmaß werden möglich.

 

Internationale Finanzmärkte (die Finanzwelt; Kapitalmarkt, Aktienmarkt, Devisenmarkt, Immobilienmarkt; Kreditmärkte, Banken; Finanzkrisen; finanzielle Entscheidungsfindung; vgl. auch Finanzierung auf der Seite "Economics/basic", insbesondere betriebliche Finanzwirtschaft)

"Die Ökonomen haben sich durch den Glauben an die Kraft der Mathematik so verhalten wie Kapitäne mit einer schlechten Karte, auf der die gefährlichen Klippen nicht aufgezeichnet waren. Also ist das Schiff beinah auf Grund gelaufen", Robert Johnson, Leiter von INET und Hedge-Fonds-Manager 2012 (zitiert nach Die Zeit, 16/2012, S. 30).

Auf dem hypothetischen Kreditmarkt finden Sparer und Kreditnehmer zusammen. Dort werden im Gleichgewicht nur Investitionsprogramme finanziert, deren Ertragsrate größer oder gleich dem gleichgewichtigen Zinssatz ist. Budgetdefizite können zur Verdrängung von privaten Investitionen führen ("crowding-out"). Es ist schwierig zu entscheiden, ob Budgetdefizite des Staates das Wirtschaftswachstum erhöhen oder verringern. Finanzielle Vermögensobjekte sind Darlehen, Anleihen, Aktien und Bankeinlagen. Diese haben Transaktionskosten und finanzielle Risiken. Beides sollte zur Diversifikation führen. Finanzintermediäre sind Institutionen wie Lebensversicherungen, Kreditinstitute, Investmentfonds.

Finanzdienstleistungen: Vordenker im Finanz- und Bankenwesen war die Familie Medici in Florenz (1397-1494). Sie gründen die ersten Banken (man sammelte Spareinlagen; man verleiht das Geld und überwacht die Kredite). Das Risiko sollte auf verschiedene Investitionen verteilt werden. Wenn die Banken wachsen, steigen die Profite. So kann man mit Geld immer mehr Geld verdienen. Diese Grundregel gilt noch heute. "Das Finanzwesen steuert die moderne Gesellschaft. Das mag sich für manche Menschen seltsam anhören, aber es ist absolut wahr", Robert Shiller, Wirtschaftsnobelpreisträger 2013. Im Februar 1898 gab es die erste Automobilversicherung der Welt in den USA (Travelers Insurance Company, erste Police für Dr. Truman Martin aus Buffalo).

Finanzmärkte sind der Aktien-, Devisen- und Kapitalmarkt. Die Hypothese effizienter Märkte impliziert, dass Kursschwankungen unvorhersehbar sind aber rational. Viele nennen den heutigen Zustand der internationalen Finanzmärkte auch "Diktatur der internationalen Finanzmärkte", weil sie von den Staaten nicht mehr kontrollierbar sind. Sie haben sie auch von weiten Teilen der Realwirtschaft abgekoppelt. Ausgangspunkt war die Deregulierung der US-Finanzmärkte in den Achtzigerjahren. Reagan befreite 1982 die regionalen Sparkassen von staatlichen Vorschriften und erlaubte Darlehen mit variablem Zinssatz. Clinton  hob die Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken auf. Bush erlaubte den Investmentbanken, ihre Geschäfte unbegrenzt auf Pump zu betreiben und wollte, dass sich jeder Amerikaner ein Haus leisten konnte. Vgl. als klassischen Aufsatz: Dale Jorgenson, Capital Theory and Investment Behavior, in: AER, 1963. Vom Volumen her ist der Devisenmarkt der größte (950 Billionen $ 2010, 1990: 150 Billionen $). Dann folgen außerhalb der Börsen gehandelte Finanzderivate mit einem Volumen von 600 Billionen $. Im gleichen Jahr wurden Aktien und Bonds für 90 Billionen $ gehandelt. Das weltweite BIP betrug 2010 63 Billionen $ (1990: 22 Billionen $). Dies zeigt wie deplaziert das Finanzsystem mittlerweile ist. Das Vertrauen in die Vertriebsmaschinerie auf den Finanzmärkten hat durch die Krisen stark gelitten.  Als Alternativen bieten sich Portale an wie Wikifolio, Vaamo und Ayondo.

SWIFT ((Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication): In diesem Regelsystem für die internationalen Finanzmärkte sind 10.800 Banken und Finanzdienstleister aus mehr als 200 Ländern. 2012 wurden iranische Banken ausgeschlossen. 2015 überlegt man, die russischen Banken raus zuwerfen. 2018 steht das ganze System stark unter Druck. Cyberattacken und politische Machtspiele gefährden seine Existenz.

Alternativen zu Swift: Die russischen Banken können das Zahlungssystem Swift leicht durch Telex ersetzen. Russische Banken wickeln ihre Geschäfte auf altmodische Weise ab - wie vor der Gründung von Swift 1973. Banken können auf andere Nachrichtenkanäle zugreifen. Telex ist ein System zur Nachrichtenübermittlung mithilfe von Fernschreibern.

Finanzstabilität: Zustand, in dem das Finanzsystem volkswirtschaftlich bedeutende Funktionen erfüllt und die Marktteilnehmer sich stetig verändernden Rahmenbedingungen anpassen können. Der konzeptionelle Rahmen ist wie folgt gekennzeichnet: Es tritt eine unerwartete Entwicklung ein (Schock). Das Finanzsystem ist verwundbar, wobei in der Folge die Stabilität in Gefahr ist. Die Makroprudenzielle Politik prüft Verwundbarkeit und Resilienz und greift bei Bedarf mit Maßnahmen ein.  Vgl. Körner, Tobias/ Kruse, Oliver (Hrsg.): Finanzstabilität. Eine Einführung in die makroprudenzielle Politik,  Stuttgart (Schäffer-Poeschel) 2024.

Theorien über die Instabilität/ Volatilität der Finanzmärkte: Die Wirtschaftswissenschaften sind damit gescheitert, Märkte berechenbar zu machen. Viele Ansätze scheitern daran, dass sie zu stark formalisiert sind, wie etwa die Spieltheorie. Historisch -philosophische Ansätze sind von der Mathematik verdrängt worden, die aber ihrerseits gescheitert ist. Auch die Chaostheorie, die auf den Griechen Herodot zurückgeht und in der Physik eine wichtige Rolle spielt, hat die Erwartungen nicht erfüllt. Im Moment werden Ansätze sehr stark beachtet, die Unfälle und Unerwartetes in ihre Erwartungen systematisch einbauen. Hier steht der Begriff der Emergenz  im Mittelpunkt: Systeme werden immer komplexer und bringen plötzlich neue Phänomene hervor, die sich daraus ableiten lassen. Der Begriff stammt aus der Biologie. Volatilität ist ein zentraler Begriff in der Finanzwelt (Prognose von Zeitreihen, Bewertung von Finanzprodukten). Besonders das Gebiet der Varianz aus der Statistik sollte bekannt sein. Der Physiker Didier Sornette von der ETH Zürich versucht ein neues Modell zu entwickeln, das er "Physik des Drachenkönigs" für statistische Extremereignisse nennt. Vgl. http://www.er.ethz.ch/fco. Andere wie Nassim N. Taleb sprechen bei der Finanzkrise von einem "Schwarzen Schwan", der unvorhersehbar ist. Maurice Obstfeld und K. Rogoff prangern das hohe Leistungsbilanzdefizit der USA an. Andere gründen ihre Thesen darauf, dass die Verbraucher in den USA dauerhaft über ihre Verhältnisse leben. Nouriel Roubini sieht die Macht der Großbanken als Auslöser und fordert eine Beschränkung (Roubini/ Mihm: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft, Frankfurt 2010). Einige Ökonomen halten auch das amerikanische Finanzsystem für marode: Fed und US-Regierung hätten die Krise verursacht. Einige Finanzmarktexperten plädieren für umfassendere Ansätze. Rajan aus Chicago sieht die Einkommensungleichheit in den USA als Ursache der Finanzkrise.  "Wir müssen Volatilität als den neuen Normalzustand betrachten", Kasper Rorsted, Henkel-Chef. Das 2009 erschienenes Buch "Kasino Kapitalismus" (Berlin, Econ) von H. W. Sinn analysiert die Ursachen der Finanzkrise und zeigt einen Plan für die Sanierung der Finanzmärkte auf.

Finanzkrise: Es liegen keine umfassenden Modelle für die Erklärung solcher Krisen vor. Das liegt daran, dass solche Krisen zu komplex auf drei Dimensionen sind: Versagen der Märkte, Versagen der Institutionen, Versagen der individuellen Moral. So fehlt insbesondere ein Modell für den Finanzsektor, das auch Ausfälle von Krediten und Bürgschaften verarbeiten kann. Erfahrungen mit Konsequenzen vom Konkurs einer Großbank ("Too big to fail") gab es nicht. Auch für die Verstaatlichung von Kreditinstituten gibt es keine theoretische Richtschnur. Die Zusammenhänge zwischen Devisenmarkt, Kapitalmarkt (mit Aktienmarkt) und Geldmarkt und die Verbindungen zum realen Bereich müssen intensiver erforscht werden. Am besten definiert man Finanzkrise über eine Verschuldungskrise. Die Verhaltensweisen der Menschen (Herdentrieb, fehlendes Vertrauen, Gier u. a.) müssen besser integriert werden. Paul Krugman entwirft in seinem Buch "Die Neue Weltwirtschaftskrise" ein rudimentäres Modell. Gravierende Folgen der Finanzkrise sind eine Zunahme der Macht des Staates, eine starke Abnahme des privaten Finanzvermögens (siehe unten), ein Explodieren der öffentlichen Verschuldung, eine weltwirtschaftliche Rezession und ein Anwachsen des Protektionismus. Langfristig entstehen solche Krisen durch künstlich erzeugtes Wachstum über Verschuldung und zu niedrige Leitzinsen. Hinzu kamen Finanzinnovationen  und eine lasche Regulierung der Immobilienfinanzierung. Auch die Regulierung der Banken muss verbessert werden: Die Probleme bei der Bilanzierung nach Marktpreisen müssen gelöst werden. Vgl. den interessanten Beitrag von George Soros: Die Analyse der Finanzkrise ...und was sie bedeutet - weltweit, München 2009. Die Finanzkrise 2008/2009 soll zu einem Wohlfahrtsverlust von 15 Billionen $ geführt haben. Von September 2009 an werden noch Verluste von 4 Billionen $ erwartet. Vgl. auch Behavioral Finance und  Soffin. Bemerkenswert bleibt, dass das Weltfinanzsystem im Herbst 2008 nur mit den Garantien von Steuerzahlern gerettet werden konnte (das sollte man in Diskussionen immer wieder betonen). 2013 sind von den Staatshilfen für Banken in Deutschland (insgesamt 57,9 Mrd. €) 14,2 Mrd. € zurückgezahlt. Der Verlust der Steuerzahler liegt bei 50,2 Mrd. €. In den USA sieht die Bilanz für den Staat besser aus: 380,2 Mrd. € Staatshilfe. Bis 2013 wurden 241,5 Mrd. € zurückgezahlt. 120,7 Mrd. € betrugen die Einnahmen aus zinsen und Gebühren. Der Gewinn für die Steuerzahler liegt bei 18,0 Mrd. €. (Quelle: Wirtschaftswoche 37/ 2013, S.8, 9).  "Wir werden in einer Phase der ökonomischen und sozialen Malaise leben, in der wir alle den Gürtel enger schnallen müssen. Es wird bitter werden, sehr schmerzhaft. Die Arbeitslosigkeit wird massiv ansteigen", Nouriel Roubini, N. Y , 2009. Durch die Finanzkrise 2008/ 2009 ist das durchschnittliche Finanzvermögen eines US-Bürgers von 113.563 € auf 98.869 € gefallen. In Deutschland fiel die entsprechende Größe von 55.224 € auf 53.777 €. Insgesamt sollen sich die Kosten der weltweiten Finanzkrise bis Ende 2009 auf 7,3 Billionen € beziffern. "Die falschen Anreize, die schon die Finanzkrise ausgelöst haben, sind heute noch intakt", Mike Mayo, Analyst 2014.

Ansteckungseffekte: Zwischen Finanzkrisen, allgemeinen Wirtschaftskrisen in der Realwirtschaft, den Haushalten und Unternehmen und den Banken bestehen Ansteckungseffekte. Diese Effekte müssten viel mehr erforscht werden. Das Buch "Fraktale und Finanzen" von B. B. Mandelbrot und R. L. Hudson (München/ Zürich 2007) behandelt das zentrale Problem der Globalisierung, nämlich die Unberechenbarkeit der Finanzmärkte. Mandelbrot gehört zu den weltweit führenden Mathematikern und wendet seine "fraktale Geometrie" auf die Finanzmärkte an. Zumindest gelingt es ihm, dass üble Fehlverhalten zu erklären. "Auf Finanzmärkten hat die Vorstellung eines "Wertes" nur begrenzten Wert", S. 340.

Kosten der Finanzkrise 2008: Westdeutsche Landesbank 18 Mrd. €, Industriekreditbank 9,6 Mrd. €, Hypo Real Estate (14 Mrd. €, HSH Nordbank 16 Mrd. €, Sächsische Landesbank 1,4 Mrd. €, Landesbank Baden- Württemberg 5 Mrd. €, Bayern LB 10 Mrd. €, Commerzbank 3-6 Mrd. €, + Verluste der KfW IPEX, NordLB und BremenLB. Quelle: Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn. Die meisten Lasten haben die deutschen Steuerzahler getragen. Durch die staatlichen Hilfen für Griechenland konnten griechische Schuldtitel rechtzeitig an griechische und zypriotische Banken verkauft werden (brauchten später auch Staatshilfe). Auf eine Anfrage der Grünen antwortet das Finanzministerium 2018 mit folgenden Zahlen: Die Kosten für die Bankenrettung in Deutschland haben sich auf 68 Mrd. € summiert.

Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung der Finanzkrise 2008 ab 2018 (zehnjähriges Jubiläum der Krise): Die Kollateralschäden der letzten Finanzkrise sind zehn Jahre nach der Krise 2018 immer noch nicht behoben (hohe Staatsverschuldungen, Massenarbeitslosigkeit in Südeuropa, fragile Banken, Misstrauen gegen und in den Eliten von Wirtschaft und Politik, Misstrauen gegen die Mechanismen der Banken und Märkte). Die Geldmarktfonds sind gegenüber Runs nach wie vor anfällig. Die europäischen Banken hängen für die Finanzierung ihrer US-Dollar-Aktivitäten nach wie vor von den US-Geldmärkten ab. Die Möglichkeit eines Zusammenspiels von Wertpapierkäufen, Kursverlusten und Überschuldungsvermutungen besteht unverändert. Die Verlustbeteiligung der Gläubiger ist immer noch sehr umstritten. Vgl. Martin Hellwig: Was wäre, wenn der Lehmann-Konkurs heute stattfände? in: Wirtschaftsdienst 2018/8, S. 539ff. Auffällig ist im Jahre 2018, dass viele Unternehmen hoch verschuldet sind. Ihre Finanzierungskosten steigen. Aber auch Fusionen werden durch die billigen Kredite angetrieben. Noch steigen die Unternehmensgewinne. Doch was ist, wenn die Zinsen in den USA und in der EU wieder nach oben gehen? "Stupid German money" (Kauf von CDO, CLO, RMBS) ist wie ein Bumerang nach Deutschland zurückgekommen und hat das traditionelle System der Landesbanken und aller Banken schwer erschüttert. Die Deutsche Bank hat sich 2018 noch immer nicht von den Wetten in den USA erholt (Derivategeschäfte). Es hat sich herausgestellt, dass ihre Verantwortung in der Finanzkrise größer war als ursprünglich angenommen. Sie hat die Krise nach Kanada getragen und ihre Verantwortung in Deutschland auf den Staat abgeschoben (IKB-Pleite). Es scheint, dass die Strategie der US-Regierung zur Rettung der Banken besser gewesen ist. Das Handelsblatt nennt im September sieben Gefahrenherde: 1. Ansteckungsgefahr ist noch da. 2. Schattenbanken: Gleiche Risiken, nur am anderen Ort. 3. Lasche Schuldendisziplin bei Staaten und Unternehmen. 4. Passives investieren verstärkt Kursbewegungen. 5. Verwundbare Infrastruktur. 6. Politische Risiken. 7. Verzerrungen an den Märkten durch die Geldpolitik (Quelle: Handelsblatt Nr. 178, 14.09.2018, S. 46ff.). Zusammenfassend könnte man sagen, dass die Ursachen der letzten Finanzkrisen alle geblieben sind. Zu niedrige Zinsen, politisch motivierte staatliche Eingriffe und extreme Schuldenmacherei bei allen Wirtschaftssubjekten haben die Probleme in die Zukunft verschoben. Hinzu kommen Fonds, Versicherungen und Pensionskassen, die immer mehr Anlagen kaufen, die schwer handelbar sind (nicht transparent und nicht liquide). Hinzu kommt noch, dass die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen 2018 sehr ungünstig sind: Handelskrieg von Trump, Italienkrise, Brexit, Argentiniens Dollar-Abhängigkeit, Währungsturbulenzen in der Türkei, Schuldenberg in China. Das Globale Schuldenwachstum seit der Finanzkrise 2008 bis 2018 beträgt +60%. Ende September 2019 zeigen sich auf den US-Geldmärkten wieder Anzeichen, die man von der letzten Krise her kannte: Der Zinssatz, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen, schoss plötzlich auf 10%. Ein von der Notenbank kontrollierter kurzfristiger Zins schoss über das von der Fed beabsichtigte Ziel. Die Fed musste über 200 Mrd. $ ins Bankensystem geben und schiebt bis Mitte Oktober noch mal 75 Mrd. täglich nach (so war auch die Situation vor der Lehmann-Pleite). Zu viele Investoren übernehmen zu aggressiv Risiken. Banken lockern ihre Kreditbedingungen wieder. Außerdem gibt es an der Wallstreet mittlerweile eine Reihe von Schattenbanken. Sie werden jetzt gefährlich. Die Schattenwelt ist unberechenbar (Geldmarktinvestoren wie Hedgefonds, Vermögensverwalter, Wertpapierverleiher; Kreditnehmer). Das Grundproblem hat sich seit 2008 nicht verändert: Aus Ramsch wird Qualität gemacht. Pensionskassen und Versicherer haben massiv Kredite hoch verschuldeter Unternehmen aufgekauft. Finanzinvestoren und Banken versprachen höchste Sicherheit. Die Risken wurden raffiniert versteckt. In der Corona-Krise könnte die Täuschung auffliegen. Die Banken der sehr stark betroffenen Länder (Spanien, Italien, Frankreich) haben auch zu viele Staatsanleihen ihrer Heimatländer. In der Pandemie boomen die Finanzmärkte. Ist das eine Blase? Man erwartet danach Wachstum. Solange das nicht zu Inflation und dann steigenden Zinsen führt, ist das nichts schlechtes.  Im Laufe des Jahres 2021 gefährden die globale Ausweitung der Deltavariante des Corona-Virus und die anhaltenden Lieferengpässe (insbesondere Halbleiter, Chips) die Erholung der Konjunktur. Damit sinken die Aussichten für höhere Leitzinsen und die Chancen schwinden, eine neue Finanzkrise zu vermeiden. Vgl. Fischer, Malte: Der infizierte Aufschwung, in: WiWo 32/ 6.8.2021, S. 36f.  Der Ukraine-Krieg schwächt 2022 das Finanzsystem weiter. Die Sorge um die deutschen Banken ist zurück. Weltweit rutschen Volkswirtschaften in die Rezession. Durch steigende Preise und Zinsen geraten die Anleihemärkte ins Trudeln. Die Nervosität an den Börsen wächst, kommt ein neuer Bankencrash. Vgl. Bartz, Tim: Ein Funke genügt, in: Der Spiegel Nr. 42/ 16.10.22, s. 66f. Die Kurse spielen verrückt. Entscheidend dürfte weiterhin der Markt in den USA sein. Wenn der wankt, wankt die ganze Welt. Die Zinsen steigen weiterhin - und damit das Risiko. Vgl. Die Zeit Nr. 44/ 27.10.22, S. 25. 2023 scheinen die Immobilienmärkte als Reaktion auf höhere Leitzinsen erneut in die Knie zu gehen. Steht die Weltwirtschaft vor einer neuen Megakrise. Der US-Start-up-Finanzierer Silicon Valley Bank aus Menlo Park steht vor dem Aus. Er benötigt frisches Kapital. Droht in den USA eine neue Bankenkrise?  Hauptgrund für die Probleme ist die Hauptanlage in US-Staatspapiere. Diese verlieren durch die Zinserhöhungen der Fed an Wert, so dass es beim Verkauf zu Riesenverlusten kommt. Die Bank geht Pleite. Es folgt die Signature Bank in New York (zu viel Geschäfte mit Kryptowährungen) . Die Fed will die Einlagen sichern. Die US-Regierung übernimmt auch kleinere Regionalbanken, will es aber nicht Rettung nennen. Andere Banken von von Großbanken (Konsortium) gerettet. Die Bafin sieht keine Gefahr für deutsche Banken. Trotzdem gehen die Aktien der deutschen Banken im März in den Keller, weil die Schweizer Bank Credit Suisse schwächelt (sie soll wohl vom Konkurrenten UBS übernommen werden. Das erzwingen Politik und Aufsicht dann auch. Großaktionär Saudi National Bank hilft nicht). Der UK-Pension Fund wackelt auch noch (schon länger, Steuersenkungspläne lässt Staatsanleihen abstürzen, Notenbank revidiert Geldpolitik). Die steigenden Zinsen bringen nicht nur in den USA die Banken in Not. Auch deutsche Institute leiden unter der Zinswende. Die Fed könnte ihren Kurs in der Geldpolitik ändern. Italienische Bankaktien haben stark an Wert verloren. Das wirft die Frage auf, wie robust Italiens Geldhäuser sind. Am 5.8.24 brechen weltweit die Aktienmärkte ein (am stärksten der Nikkei-Index). Im August 2024 hebt die Notenbank ihren Leitzins an: Von 0 bis 0,1 auf 0,25 Prozent. Die Wirtschaft läuft solide. Man wollte Inflationssorgen vorbeugen. Das löst weltweit das Beben aus. Grund sind die Carry - Trades mit dem Yen. Sie hängen am Yen-Kurs (der darf sich nicht erhöhen). Das ist nach der Zinserhöhung passiert. Es scheint aber nur ein kurzes Börsengewitter gewesen zu sein. Der Konflikt im Nahen Osten belastet auch die Finanzmärkte (auch KI Überschätzung, US-Wirtschaft weniger stark).Vgl. Die Zeit 34/ 8.8.24, S. 20. 2018 gründet sich in Deutschland eine Bürgerbewegung "Finanzwende" (NGO).  Sie will unter anderem: eine Schuldenbremse für Banken, eine unabhängige Finanzberatung, die Offenlegung von Gesetzen, die direkt auf die Finanzlobby zurückgehen. Verschiedene Stiftungen geben eine Anschubfinanzierung. Vgl. auch: Adam Tooze: Chrashed: Wie zehn Jahre Finanzkrise die Welt verändert haben, 2018 (Siedler). Vgl. auch: Rainer Zitelmann: Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung. Weiterhin: Koetter, Michael: Der riskante Drehtüreffekt, in: WiWo 11/ 8.3.24, S. 43.

Makroprudenzielle Politik: Makroprudenzielle Politik orientiert sich allein am Ziel der Finanzstabilität und nicht an den Zielen anderer Politikfelder. Sie kann aber die potenziellen Wirkungen anderer Politikmaßnahmen in Bezug auf die Finanzstabilität kommunizieren und bei Bedarf in geeigneter Weise auf mögliche Wechselwirkungen reagieren. Es gibt noch keine allgemeingültige Definition. Es kann auch nur ein Rechtsbegriff sein. Manchmal bezieht sich der Begriff auf eine Sammlung von Maßnahmen. Er wird auch als Gegenpart zu mikroprudenzieller Politik gesehen. Der konzeptionelle Rahmen geht von einem Schock aus. Man prüft dann die Verwundbarkeit. Man bezieht auch die Resilienz ein. "We are all macroprudentialists now", Claudio Morio, 2009. Vgl. zum Thema:  Körner, Tobias/ Kruse, Oliver (Hrsg.): Finanzstabilität. Eine Einführung in die makroprudenzielle Politik,  Stuttgart (Schäffer-Poeschel) 2024.

Bankenkrise: Sie laufen nach folgendem Muster ab: Die Zentralbanken senken die Leitzinsen, zuletzt in die Nähe von Null. Das gilt für die USA, Europa (EZB, Euro-Zone), für die Schweiz, Schweden. In China sind die Leitzinsen noch höher (über 4%). Das billige Geld pumpt Finanzblasen auf. Wenn diese Blasen platzen sind folgende Szenarien möglich: 1. Konjunktur bricht ein, Banken werden durch die vielen Schuldner mit nach unten gezogen. 2. Höhere Kreditzinsen. Viele Schuldner können Kredite nicht mehr bedienen. Banken können in Schieflage geraten. 3. Höhere Staatsanleihezinsen. Niedrig verzinste Anleihen müssen abgeschrieben werden. Die Banken bekommen Probleme. eine Bankenkrise kann aber auch bei steigenden Leitzinsen entstehen. So ist es 2023. Die Krise geht wieder in den USA los. Banken haben zu viel Geld in Staatsanleihen angelegt. Dei verlieren bei steigenden zinsen an Wert. Die Banken müssen die Anleihen mit Verlust verkaufen. Es entsteht ein Bank-Run, weil das Vertrauen verloren geht. so geschehen bi der Silicon Valley Bank und der Signature Bank. Bei der Credit Suisse in der Schweiz kommen noch andere Gründe dazu. Die UBS, die zur Übernahme gezwungen wurde, erbt auch die Rechtsrisiken.

Bank-Run: Die Kunden einer Bank sind verunsichert und misstrauen der Bank. Immer mehr Kunden wollen von der Bank ihr dort angelegtes Geld. Irgendwann reicht die Liquidität der Bank nicht mehr aus. Jede Bank kollabiert, wenn alle Kunden gleichzeitig ihr Geld abhöben. Ein Bank-Run ist in der Zeit von Social Media leichter auszulösen. Bei der Credit Suisse waren es Kommentare auf Twitter, unter anderem von Bloomberg. Der Todesstoß kam mit einer Äußerung des Großaktionärs Saudi National Bank (9,9%): Keine Bereitschaft zur Erhöhung der Anteile. 

Geldmarkt: mit Finanzmitteln mit Laufzeiten von überwiegend einem bis höchstens zwei Jahren. Gehandelt wird vorwiegend von Banken und Zentralbanken. Analytisch wird der Markt in Anlehnung an Keynes mit dem Geldangebot bzw. der Geldschöpfung, der Geldnachfrage (Spekulationskasse, Transaktionskasse) und dem Gleichgewicht beschrieben. Auf dem Kapitalmarkt handeln Investoren Darlehen und Beteiligungskapital. Hier sind die Institutionen angesiedelt, die sich mit Finanzierung beschäftigen und mit dem Aufteilen und Versichern von Risiken (Banken, Versicherungen, Anleihemärkte). Wichtige Beiträge zur Preisbildung auf den Kapitalmärkten lieferte William Sharpe (Nobelpreis 1990). Auf dem Interbankenmarkt haben Banken die Möglichkeit, ohne Sicherheiten Geldmittel zu leihen oder zu verleihen. Als einer der führenden Vertreter der experimentellen Kapitalmarktforschung gilt Vernon Smith, der auch den Nobelpreis 2002 erhielt. Er sieht besondere Gefahren in der lockeren Geldpolitik auf der Welt nach der Finanzkrise. Kurzfristig konnte zpar im Gegensatz zur großen Depression 1929/30 ein ähnlicher Absturz verhindert werden. Aber Kreditzyklen und Überschuldungskrisen stellen eine bleibende Bedrohung dar (wurde schon von Fisher, Hayek und Mises behandelt). Es müsse die richtige Regulierung verstärkt werden (Zuteilung der Eigentumsrechte, dass Menschen sich sozial verantwortlich verhalten können). Die subjektive Rationalität der Menschen müsse zu gesamtwirtschaftlich wünschenswerten Ergebnissen führen (vgl. Wirtschaftswoche, Nr. 35, 25.08.2014, S. 32).

Kapitalmarkt und Kontrollen nach Wirecard: Das Bundesfinanzministerium will 16 Maßnahmen umsetzen: Finanzaufsicht hoheitliche Befugnisse. Bilanzprüfer solle alle zehn Jahre ausgetauscht werden. Die Verschwiegenheitspflichten werden gelockert. Die Aufsicht über die Prüfer soll verstärkt werden. Man braucht eigenständige, unabhängige Institutionen, die selbst tätig werden können und nicht dem Finanzministerium unterstellt sind. 

Institutionelle Anleger auf Kapitalmarkt: "Zu wenige institutionelle Anleger sind bereit, in junge und innovative Unternehmen zu investieren. Das hemmt die langfristigen Wachstumsaussichten der deutschen Wirtschaft. Stattdessen halten institutionelle Anleger in Deutschland konservativere Portfolios als ihre europäischen Pendants, da sie besonders stark in Anleihen investieren. Eine ergänzende, kapitalgedeckte Altersvorsorge aufzubauen und Hindernisse für Investitionen in risikoreichere, aber wachstumsfördernde Aktivitäten abzubauen, kann dabei helfen, langfristig mehr Wachstumskapital zu mobilisieren." Siehe Kogler, M./ Malmendier, U./ Nöh, L./ Schaffranka, C.: Deutschland braucht mehr institutionelle Anleger, in: Wirtschaftsdienst 8/ 2024, S.539-542.

Aktionsplan für Kapitalmarktunion: Eurogruppenchef Paschal Donohoe sieht "großen Appetit" 2024 , dei Kapitalmarktunion voranzutreiben. Experten weisen darauf hin, dass es nur Trippelschritte sind. Das Nationalstaatliche Denken dominiert noch. Es geht um die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Vgl. HB 12.3.24, S. 8.

Aktienmarkt: Die internationalen Aktienmärkte sind wichtige Frühindikatoren internationaler Konjunkturen und Krisen. Sie orientieren sich an Risiken wie Schulden, Kreditwürdigkeit usw. Man könnte sagen dass am Aktienmarkt die Zukunft genadelt wird. Immer noch am wichtigsten ist der US-Aktienmarkt mit dem Dow Jones. Die wird eine Zeitlang noch so bleiben ("Corporate America", Reichtum). Sehr wichtig sind auch der deutsche und japanische Markt (DAX, Nikkei). Je stärker das Vereinte Europa wird,  desto mehr verliert der DAX an Gewicht. Immer bedeutsamer werden die Aktienmärkte der Schwellenländer (Brasilien, China, Indien). Die Aktienbörsen spiegeln immer deutlicher die Aktivitäten des internationalen spekulativen Finanzkapitalismus wieder. Die Volatilität der Aktienkurse hat dramatisch zugenommen, insbesondere seit dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008. Das hängt auch mit der Zunahme der Geschwindigkeit durch das Internet zusammen. Hinzu kommen zunehmend so genannte "Fat Finger", d. h. eine zu große Order (meistens ein Tippfehler des Händlers). Der Aktienmarkt soll "entschleunigt" werden (Haltefristen von 48 Std. bei Wertpapieren?). Die psychologischen Faktoren "Angst" (Gerüchte) und "Gier" wirken ebenso immer stärker. Der Zusammenhang zur Gewinnsituation des Unternehmens hat sich gelockert. Die Korrelationen zu Anleihen, Rohstoffen und Devisen müssen systematischer untersucht werden. Wachstum der Weltwirtschaft, technischer Fortschritt und sinkende Ungleichgewichte in der Welt (Schwellenländer) wirken stabilisierend. Symbole des Marktes  sind Bär (für abwärts) und Bulle (für aufwärts). Immer wieder zu Skandalen kommt es wegen Insiderhandel. Es handelt sich um die Verwendung von internen Sonderinformationen über die Lage eines Unternehmens für Börsengeschäfte (er wurde 1994 in Deutschland verboten). Illegale Börsenpraktiken sind Bear Raid, Free Riding, Gun Jumping, Pump and Dump, Scalping. Capital Asset Pricing - Modell (CAPM): Hier hängt die Risikoprämie einer Kapitalinvestition von der Korrelation des Investitionsertrages mit dem Ertrag des gesamten Aktienmarktes ab. Weltweit wird folgendes Missverhältnis zum Trend: Viele Unternehmen erhöhen die Boni, zahlen aber keine Dividende oder machen sogar Verlust. Der Aktienmarkt in Deutschland ist segmentiert: Es gibt den DAX, den M-DAX, den Tech-DAX und den S-DAX u. a. die meisten Deutschen meiden den Kontakt zum Aktienmarkt. Damit entgeht ihnen 2015 eine ordentliche Verzinsung fürs Geld. 2018 haben die Aktienmärkte ein erhebliches Niveau erlangt: S&P 500 +70% in den letzten fünf Jahren; NASDAQ + 140% in den letzten fünf Jahren. Jede Zinserhöhung erhöht 2018 die Wahrscheinlichkeit eines Crashs. Am 08.0811 und in den folgenden Tagen kommt es zu einem starken Abwärtstrend der Börsen weltweit (DAX innerhalb von 10 Tagen -20%). Auslöser sind die Schuldensituation führender Staaten und die Abwertung der USA durch eine Rating -Agentur. Die hohe Volatilität kommt durch Spekulanten (kommen leicht an billiges Geld), Gerüchte und Leerverkäufe zustande. Am 18.08.11 brechen der DAX und die anderen Börsen weltweit nochmals so stark wie seit 2008 nicht mehr ein (DAX -6%, Fat Finger?, Prognose der Weltwirtschaft). Am 05.09. erreicht der DAX einen Zweijahrestiefststand (Gerüchte um Italien). Im Mai 2012 geht der Index weiter in den Keller wegen der Unsicherheiten um Griechenland; er rutscht sogar im Juni 2012 unter 6000. Der Börsengang von Facebook (erst überhöhter Kurs, asymmetrische Information, Gier) ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die die Finanzmärkte wieder stärker regulieren wollen. Der US-Kongress und die Börsenaufsicht prüfen ("Done is better than perfect", Motto von Mark Zuckerberg, Facebook-Gründer). In der Krimkrise im März 2014 sind die Aktienmärkte weltweit nervös. Der DAX geht vorübergehend sogar unter 9000 Punkte. Am 26.05.14 erreicht er ein Allzeit - Hoch mit über 9800 Punkten. Am 05.062014 erreicht er mit über 10.000 ein Allzeithoch. Im August fällt der Dax wegen der vielen Krisen in der Welt (Ukraine, Syrien, Israel) sogar zeitweise unter 9000. Die VW-Großaktionärsfamilien Porsche und Piech streichen 2014 die höchste Dividende unter allen Aktionären in Deutschland ein (335 Mio. €, +10% gegenüber dem Vorjahr; Quelle: Wirtschaftswoche). Wenn der Leitzins von der Notenbank gesenkt wird, steigt in der Regel der Aktienkurs, so auch am 04.09.14 nach einer Leitzinssenkung der EZB. 2015 will der Europäische Gerichtshof die Regeln für Insidergeschäfte verschärfen. Am 03.08.15 öffnet die griechische Börse wieder nach fünf Wochen Schließung. Die Kurse fallen um über 20%.  Viele griechische Firmen wollen in Nachbarländer auslagern. Der Brexit in GB führt zu einem Einbruch an den Aktienbörsen. Nach der Präsidentschaftswahl in den USA im November 2016 stürzen die Börsen weltweit ab (DAX -4%, Nikkei über -5%).

Börsen: Deutsche Börse und New Yorker Börse (Nyse Euronext) wollen sich 2011 zusammenschließen. Die Deutsche Börse soll 60%, New York 40% halten. Der Börsenwert würde etwa bei 19 Mrd. € liegen, der Umsatz bei 4,1 Mrd. €. Die Einsparungen durch diese Fusion sollen bei 300 Mio. € liegen. Das größte Börsenunternehmen der Welt würde entstehen; bisher ist es Hong Kong Exchanges & Clearing, Hongkong. Die EU-Kommission ist gegen die Fusion. Umstritten ist die Derivate - Börse Liffe. Die USA genehmigen die Börsenfusion. Das größte Börsenunternehmen der USA ist die CME Group (Nummer 2 in der Welt). Anfang 2012 verbieten die EU-Wettbewerbshüter den geplanten Zusammenschluss. In den USA entsteht 2013 eine Megabörse. Die Rohstoffplattform ICE und Nyse Euronext schließen sich zum größten Finanzhandelskonzern zusammen. Es steht auch ein Zusammenschluss der Deutschen Börse und der Börse in London 2016 im Raum. Der Brexit GB könnte die Situation verändern. Die Bafin ist gegen den Zusammenschluss. Die Mindestannahmeschwelle wird trotzdem von 75 auf 60 gesenkt. 2017 droht das Aus des Zusammenschlusses durch die EU-Kommission: Die LSE will eine auflage nicht erfüllen, nämlich den Verkauf von MTS (elektronische Handelsplattform). In den Industriestaaten verschwinden Unternehmen reihenweise von der Börse. Das billige Geld der Notenbanken erlaubt intransparenten Finanzinvestoren einzukaufen. Die Finanzmärkte verlieren zunehmend die Funktion als öffentliche Marktplätze. An den US-Börsen sind 2019 45% weniger Unternehmen gelistet als zu Hochzeiten.  "Ich denke, es ist lächerlich, dass dieses Land den Deutschen erlaubt, die New York Stock Exchange zu kaufen. Es ist großartig für Deutschland, aber es ist ein blaues Auge für die USA", Donald Trump. Martin Armstrong, der Börsenguru (Erfinder der Zahl Pi im Economic Confidence Model, saß sieben Jahre im Gefängnis), macht mit Computermodellen Aussagen zum Börsencrash. Er prognostiziert, dass 2015 am 17. Oktober der nächste Crash kommt.

Börsenaufsicht SEC in den USA, Washington D. C.: Neuer Chef nach dem Amtsantritt von Biden wird Gary Gensler. Er leitete unter Obama die Derivateaufsicht CFTC. Gensler gilt als Bankenkritiker. Biden will Fintechs und Kryptowährungen stärker regulieren.

Aktienmarkt in Deutschland: In Deutschland haben in der Bevölkerung  23% Wertpapiere, 39% Bankeinlagen und 37% Pensionen/ Andere Werte. Die Deutschen setzen stark auf Sicherheit und Garantien (andere Kriterien: Einfachheit, Rendite, Vertrauen). Das ist von den Aktien her gesehen schlechter als in anderen Ländern. 2021 hatten in Deutschland 12.1 Mio. Menschen Aktien oder Aktienfonds, was 17,1 % der Gesamtbevölkerung sind. Erfreulich ist , dass es 2020 starke Zunahmen in der Altersklasse von 14 - 39 Jahren gab (+46%; "die Aktie ist in der Hosentasche angekommen"/ Handy). In unteren Einkommensklassen gibt es kaum Aktien. Um so stärker bei hohem Einkommen (über 4000 € 33,6% 2017). Quellen: Deutsche Bundesbank, Deutsches Aktieninstitut, beide Frankfurt.

Renditen der Aktien im Vergleich zu anderen Anlageformen: Das Deutsche Aktieninstitut berechnet das Rendite-Dreieck. Dieses setzt den Verkauf (Zeitraum) und den Anlagezeitraum in Beziehung. Auf 50 Jahre gesehen haben Aktien die höchste Rendite. Sie liegt bei 5 bis 7%. Das ist im Vergleich sehr viel ("buy and hold"- Strategie).

Rolle der Aktie in der privaten Vermögensbildung: Dazu gilt folgende Empfehlung: 1. Muss: hohe Liquidität (Sparbuch, Festgeld, Termingeld). Absicherung (Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung). 2. Soll: Liquidität und Rendite (Festverzinsliche Wertpapiere, Rentenfonds). Aktien und Aktienfonds. 3. Kann:  Derivate, Immobilien, Gold. Krypto - Währungen wurden außen vor gelassen.

Finanzinvestoren-Fonds: 2019 sind die aktuell größten Finanzinvestoren-Fonds Softbank Vision Fund II, Blackstone Capital Partners VIII, Global Infrastructure Partners I, Brookfield Infrastructure Fund I, TPG Partners VIII LP, Lexington Capital Partners IX L. 64.000 Übernahmen und Finanzierungen gingen in den 6 Jahren vor 2019 auf das Konto von Finanzinvestoren.

Immobilienmarkt: Der weltweite Immobilienmarkt war Mitverursacher der Finanzkrise 2008 und bekommt auch die Folgen der Finanzkrise noch deutlich zu spüren. 2011 lagen die weltweiten Immobilieninvestitionen bei 388 Mrd. $ (2007 waren sie am höchsten). Der US-Immobilienmarkt hat sich noch nicht erholt (war durch seinen Preisverfall Auslöser der Finanzkrise, "Suprime Market", Ramschmarkt). Der spanische Immobilienmarkt kriselt weiter. In Großbritannien tritt eine leichte Besserung ein. Massiv ist der Einbruch in Irland. Es gibt Tausende überschuldete Hausbesitzer, deren Immobilien massiv an Wert verloren haben. In China kann immer noch von einer Überhitzung gesprochen werden. Der Bauboom in China ist ohne Beispiel in der Geschichte. 2001 betrug die Fläche von Gebäuden im Baubestand in China in Mrd. Quadratmetern 2,8, 2013 schon 13,4 (Quelle: National Bureau of Statistics of China). 2013 zeigen sich in Japan, den USA und Europa wieder drastische Anstiege der Immobilienpreise, weil die Zinsen niedrig sind ("Flucht in Betongold"). Der Zusammenhang zwischen Immobilienmarkt und den Finanzmärkten muss besser empirisch untersucht werden. Man kann auf jeden Fall den Schluss ziehen, dass die Immobilienpreise mit dem gesamtwirtschaftlichen Gesamtzustand in Beziehung stehen (Morris Davis, Jonathan Heathcote 2003). Vom Wohnungsbau gingen auch frühe Signale für eine Rezession aus (Edward Leamer 2007; vgl. Das Wirtschaftsbuch, München 2013). Klar ist, dass der Immobilienmarkt ein Fluchtmarkt ist, wenn Inflation droht oder besteht ("Betongold"). Auch der starke Einfluss niedriger Kreditzinsen ist unbestritten. Als Vordenker einer Ökonomie des Immobilienmarktes gilt Charles Goodheart (geb. 1936). Die Nullzinspolitik der EZB und die Massenzuwanderung treiben den Wert des Betongoldes in Deutschland in luftige Höhen (vor allem in den Großstädten). Immer mehr Bürger verschulden sich für den Kauf von Immobilien. Deutschland könnte es wie Spanien oder Irland ergehen. Auch 2017 gibt es weiter extreme Preissteigerungen. Sogar die Bundesbank äußert sich besorgt. Der Trend zur Urbanisierung ist weltweit. Also werden die Preise für Wohnimmobilien weiter steigen. Logistikimmobilien dürften sich günstiger entwickeln als Einzelhandelsobjekte. Das Grundbedürfnis Wohnen ist zum Luxus geworden. Blasen im Zuge von Spekulation sind extrem schwer zu messen. Die Wohnungskrise ist zum größten Teil eine Bodenkrise (in Frankfurt am Main z. B. kostet Bauland 2017 teilweise doppelt so viel wie 2012). Nur der Bund könnte die Spekulationen beenden. Das Eigenheim bzw. die Eigentumswohnung ist auch ein wichtiger Teil der Altersvorsorge. Eigenheimbesitzer bauen bis zur Rente auch ein größeres Vermögen auf als Mieter, weil sie sparsamer leben. Doch Wohnungen sind in Metropolen zunehmend unerschwinglich. Die Kaufpreise sind noch stärker gestiegen als die Mietpreise. Der Käufer ist in einer schlechten Position. Vielleicht tritt eine Besserung ein, wenn junge Leute bald wieder in die Vorstädte ("unechte Schwarmstadt") ziehen. Mobilität und Flexibilität in der Arbeit steigen ebenso wie die Scheidungsraten, so dass häufig eher Mieten zu empfehlen ist. Im Koalitionspapier der GroKo im Februar 2018 sind 1.500.000 neue Wohnungen vorgesehen ("Wohnraumoffensive"). Das wird nicht einfach, weil Wohnungen vor allem in den Städten knapp sind. 2018 scheint der sagenhafte Preisanstieg von Häusern und Wohnungen in den deutschen Städten an seine Grenzen zu stoßen. Verkäufer senken die Preise. Ein Ende des Immobilienbooms deutet sich an. Andererseits könnte trotzdem noch eine Blase drohen. Die Politik muss die Finanzaufsicht stärken. Ende 2018 sehen Großinvestoren die deutschen Städte als überteuert an. Sie investieren nicht mehr so viel in Immobilien (Quelle: PwC). Durch die Corona-Krise rechnen rechnen Experten mit sinkenden Immobilienpreisen in Deutschland. Doch im Mai 2020 schlägt sich das in den Städten noch nicht nieder (Quelle: Value AG). Doch dann scheint der Boom bei Wohn- und Gewerbeimmobilien vorbei. Kaufpreise und Mieten dürften kaum noch steigen. Im September 2021 kauft der Senat in Berlin 15.000 Immobilien für 2,46 Mrd. € zurück. Das dürfte mit der Senatswahl und der Enteignungsdiskussion zusammenhängen. 2021 steigen die Immobilienpreise im Rekordtempo. Das DIW warnt vor einer Blase in den großen Städten. Anfang 2022 mahnt die Bafin die Banken zu mehr Vorsicht. Mit höheren Rücklagen sollten sich die Banken absichern. Damit reagiert die Bafin auf die steigenden Preise bei Immobilien. 2023 haben die hohe Inflation und der Zinsanstieg dem langen Immobilienboom ein jähes Ende gesetzt. In den USA erfasst 2023 die Bürokrise dei Innenstädte. Auch drei Jahre nach dem Lockdown sind viele Mitarbeiter nicht in ihre Büros zurückgekehrt. Es gibt hohe Leerstände in den Großstädten (Rangfolge: Dallas/ Fort Worth, San Francisco, Phoenix, Atlanta, Los Angeles, Chicago, Washington D. C.). Kredite werden nicht mehr bedient. Vor allem ältere Bürogebäude sind betroffen. In China ist der Immobilienmarkt 2023 kurz vor dem Zusammenbruch. Riesen wie Evergrande und Gountry Garden sind hoch verschuldet und straucheln. Das sit schlecht für die Gesamtkonjunktur. In GB ist der Immobilienmarkt 2023 eine tickende Zeitbombe. Die Inflation schlägt knüppelhart zu. Hypothekendarlehen verteuern sich massiv. Die Laufzeiten sind oft kurz. Im Herbst 2013 gibt es steigende Hypothekenzinsen in den USA, die den Preisanstieg privater Immobilien drosselt. Ein Finanzmarktproblem bedroht die kommunalen Etats in China: Die Verbindlichkeiten der Kommunen sind mit Boden besichert. Große Teile der Einnahmen stammen zugleich aus dem Verkauf von Landnutzungsrechten. Deshalb haben die Gemeinden ein doppeltes Interesse an hohen Liegenschaftspreisen. Es auch erhebliche Fehlinvestitionen beim Städtebau in China (Immobilieninvestoren könnten ruiniert werden und die Weltwirtschaft hart treffen). Dadurch sind sogar Geisterstädte entstanden (bis 2030 sollten laut der Regierung 1 Milliarde Menschen in Städten leben). Aber viele Menschen bleiben lieber auf dem Lande. Die zehn Städte in China mit den meisten offiziell gemeldeten Einwohnern sind Shanghai, Peking, Chongqing, Shenzhen, Guangzhou, InTianjin, Wuhan, Dongguan, Hongkong, Foshan, Chengdu (Mercator Institute for China Studies). Die unruhige Börse treibt das Geld weiter in Beton. In den Metropolen explodieren die Wohnungspreise. Das ist riskant, weil immer häufiger auf Pump gekauft wird. Ende 2014 warnt die Deutsche Bundesbank vor Blasenbildung in einigen Ballungsräumen. Der Kauf ist in vielen Fällen komplett kreditfinanziert wegen der niedrigen Zinsen. Auf dem deutschen Wohnungsmarkt kommt es 2014 zu einer Großfusion zwischen dem Marktführer Deutsche Annington Immobilien SE und Gagfah S.A (Übernahme für 3,9 Mrd. Euro). In den USA kommen wieder stark die Immobilienkredite für Kunden mit schlechter Bonität (2003: 5,6 Billionen Euro, 2008: 9,2, 2014: 8,1 Billionen Euro). In Deutschland könnte durch die Zwangsvermietung von Immobilien infolge des Bedarfs für Flüchtlinge der soziale Frieden gefährdet sein. Auf dem deutschen Wohnungsmarkt zeichnet sich 2015 eine Mega-Fusion ab: Der größte Immobilienkonzern Vonovia will Deutscher Wohnen feindlich übernehmen. Die Übernahme misslingt. Einige Staaten erschweren den Immobilienerwerb für Ausländer. Seit 2018 gehört Neuseeland dazu. Ausländer dürfen keine Häuser mehr kaufen. 2019 sind die teuersten Städte weltweit (gemessen an dem Kaufpreis für Wohnungen pro Quadratmeter) New York City, London, Zürich. Der schwedische Konzern Heimstaden aus Malmö kauft Ende September 2021 14.000 Wohnungen in Berlin. Er zeigt sich unbeeindruckt von dem Volksentscheid zur Enteignung,

Wohnimmobilienmarkt der USA seit der Subprime-Krise: 2018, zehn Jahre nach Beginn der Subprime-Krise, übersteigen die Wohnimmobilienpreise in den USA leicht den Höchststand des vorherigen Booms. Sowohl das Hauspreis- wie auch das Kreditwachstum bleiben bislang unter ihrer damaligen Dynamik zurück und die Wohnungsbautätigkeit ist verhalten. Insgesamt ist die Risikolage vor dem Hintergrund vergleichsweise konservativer Kreditstandards begrenzt. Vgl. Richter, Michael/ Schupp, Laura: Entwicklung am Wohnungsimmobilienmarkt der USA seit der Subprime-Krise, in: Wirtschaftsdienst 2018/11, S. 821ff.  2021 ist der amerikanische Immobilkienmarkt überhitzt. Die Preise schießen imme rweiter nach oben. Damit wachsen Gefahren: Es drohen soziale Spaltung und ökonomische Verwerfungen, wenn die Zinsen steigen. Es hat sich wieder eine Blase wie 2006/07 gebildet. Vgl. Heissler, Julian/ Hohensee, Matthias: Mein Name ist Blase, in: WiWo 42, 15010.21, S. 34ff.

US-Kapitalmarkt: 2024 will die US-Wertpapieraufsicht SEC mit einer groß angelegten Reform das Anleihegeschäft sicherer machen. Die Regeln werden bis 2026 schrittweise eingeführt. Es sind die folgenschwersten Änderungen für das Geschäft mit amerikanischen Staatsanleihen. Das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen liegt bei 760,5 US$ (insgesamt 25 Billionen US$ ausstehende Papiere). In Krisenzeiten kommt es immer wieder zu Verwerfungen. Es soll auch eine Neubewertung kommen. Die Abwicklung soll über eine zentrale Gegenpartei erfolgen (wie bei Aktien und Derivaten). Dei Organisation dafür gibt es: Die FICC seit 2003. Das zentrale Clearing soll den Markt widerstandsfähiger machen. Für Händler steigt der Aufwand. Es gibt noch einige Ausnahmen für Hedgefonds. Vgl. Misch, Michael: Radikalumbau mit Nebenwirkungen, in: HB 30.01.24, S. 28f..

Exkurs. Staatsanleihen der USA: Die Schuldenpapiere der USA als Staat geraten 2023 wieder mal unter Druck. Normalerweise gelten sie als sichere Hafen für Geldanleger. Aber 2023 verlangen die Investoren höheren Zins, weil sie einen Ausgleich für das Risiko wollen. Die ganzen Krisen in der Welt (Ukraine, Gaza, Chinas und Europas Wirtschaft) führen zu weniger Anlagen und damit sinkenden Preisen. Das könnte auch Folgen für Unternehmen und Arbeitnehmer in Deutschland haben. Die internationalen Notenbanken als beste Kunden halten sich zurück. Natürlich haben die USA auch an Kredit verloren. Hinzu kommt, dass der größte Kunde China umschichtet. Vgl. Buchter, Heike: Das große Beben, in: Die Zeit Nr. 46/ 2.11.23, S. 29.

Kunstmarkt: In Zeiten niedriger Zinsen suchen Anleger nach Investments. Deshalb nutzen viele Investoren verstärkt Kunst als Kapitalanlage. Die Bieterschlachten bei den Auktionshäusern 2013 und 2014 beweisen das Vertrauen in diesen Markt. 2014 gelten folgende Werke und Künstler als die teuersten: Francis Bacon, Three Studies of Lucian Freud; Andy Warhol, Silver Crash; Mark Rohko, Orange, Red, Yellow; Jeff Koons, Balloon Dog.

Behavioral Finance: Am Finanzmarkt gibt es eine spezielle Rationalität und Menschen gewichten bei ihren Entscheidungen Verluste höher als Gewinne, verdrängen Niederlagen, neigen zur Selbstüberschätzung und sind durch Referenzpreise stark zu beeinflussen (psychologische Prospekttheorie, Kahneman, Nobelpreis 2002). Intelligenz beeinflusst die Geduld und die Risikobereitschaft positiv. Da viele Analysten nur abschreiben, sollte man nicht Empfehlungen folgen. Wirtschaftssoziologen sehen eher das Glücksspiel als Bedingung des Funktionierens von Börsen. Die Börse sei zur Wahlurne des kleinen Mannes geworden (vgl.: Stäheli, U., Spektakuläre Spekulation - Das Populäre der Ökonomie, Frankfurt 2007). Trotz immer größerer Informationsdichte werden immer noch viele Fehlinvestitionen produziert: Hauptursache ist der Herdentrieb. Konsequenz: "Ignore the Crowd"! (T. Hens, Züricher Bankeninstitut). Neuere Forschungen scheinen zu belegen, dass menschliches Verhalten in der Wirtschaft auch genetisch bedingt ist: Gene und Hormone machen den Menschen geizig und raffgierig. Die Behavioral Finance kann erklären, wie Furcht wirkt. Weil sie aber eher deskriptiv ist, kann sie keinen Hinweis geben, wie mit Risiko und Furcht umzugehen ist. In Deutschland haben knapp 3,8 Mio. Menschen Aktien, dies sind 5,8% der Bevölkerung (Aktienfondsbesitzer sind etwas mehr). "Wir können Finanzstabilität nicht nur herbeiregulieren", Andreas Dombret, Bundesbank-Vorstand. Auch Laien beeinflussen uns bei Finanzentscheidungen. Der Laien-Rat, der Nichts kostet, führt oft zu teuren Fehlentscheidungen. Dies könnte man als "versteckte Kosten" definieren. Vgl. Sprenger, Julia: Naive Advice in Financial Decision Making: Hidden Costs of a Free Offer, Ruhr Economic Papers (Bochum) Nr. 656, 2016

Value-at-Risk-Methode (galt bis 2008 als Krönung der Finanzmarkttheorie): Die zukünftigen Relationen zwischen Kursen ähneln denen der Vergangenheit. Kursschwankungen sind zufällig. Das Risiko liegt in den Nettopositionen und nicht in den Bruttopositionen (long minus short). Die Theorie setzt sich aus Effizienzmarkthypothese und Normalverteilung in der Welt des Risikomanagements zusammen. Man spricht auch von der VRA-Risiko-Formel. Sie wurde von T. Goldiman bei Goldman Sachs entwickelt. Es handelt sich um eine Berechnungsmethode, um Risiken zu kontrollieren und die Rendite zu maximieren. Letztlich kann sie aber nur eine Wahrscheinlichkeit angeben. In jüngsten Jahren wird zur Schätzung quantilsbasierter Risikomaße verstärkt auf Erkenntnisse aus der Extremwerttheorie zurückgegriffen. So gibt es die Messung auch für den DAX.

Black-Scholes-Gleichung: Preis eines Finanzderivats ändert sich mit der Zeit, vorausgesetzt, dass das Derivat bei korrektem Preis risikofrei ist und niemand dadurch Profit machen kann, dass er es zu einem anderen Preis verkauft. Vgl. Ian Stewart: Weltformeln, Reinbek bei Hamburg 2014, S. 468. Sie ermöglicht den Handel mit einem Derivat, bevor es fällig wird, indem sie ihm einen zustimmungsfähigen, vernünftigen Wert zuweist, so dass er selbst ein Handelsgut werden kann.

Libor-Zinsatz: Referenzzinssatz der Banken untereinander (auch Euribor). In der Vergangenheit war dieser Zinssatz steuerbar und manipulierbar. Es wurde ein Libor-Kartell der Banken aufgedeckt (Deutsche Bank, UBS, J. P. Morgan). 600 Mio. $ soll das Kartell verdient haben. Die EU plant 2013 ein betrugssicheres System aufzubauen (Maßnahmenkatalog gegen Manipulationen (Öffentlichkeit, transparente Rechenmethoden, Eingriffsmöglichkeiten der nationalen Aufsichtsbehörden). Libor und Euribor werden auch bei der AKA-Finanzierung zugrunde gelegt (z. B. Plafond A). Die Deutsche Bank stimmt einem Vergleich mit den Aufsichtsbehörden in den USA und Großbritannien zu uns zahlt 2,3 Mrd. € Strafe.

Effizienzmarkthypothese (EMH): Eugene Francis Fama (geb. 1934) gilt als Schöpfer dieser Hypothese (Wirtschaftsnobelpreis 2013. "You can´t beat the market". Sie geht im Kern davon aus, dass die Preise an den Finanzmärkten die vorhandenen Informationen zu den gehandelten Vermögenswerten vollständig widerspiegeln. Neue Informationen sind transparent und werden von den rational handelnden Marktteilnehmern fortwährend eingespeist. Andrew L. hat die Hypothese adaptiver Märkte (AMH) entwickelt, die als neue Version gilt. Finanzmärkte sind anpassungs- und lernfähig. Der Grad der Effizienz variiert abhängig von der Umwelt und den Investorengruppen.  Der Kern der Portfolio-Theorie geht auf Louis Bachelier (1870-1946) zurück, einem französischen Mathematiker. In seiner Dissertation entwickelt er eine Theorie der Spekulation. Diese greift Samuelson später auf. Bacheliers Ansatz mit der Annahme rationaler Akteure ist eine wichtige Grundlage der Hypothese effizienter Märkte..

Grauer Kapitalmarkt: Der Teil der Finanzmärkte, der nicht reguliert ist und damit keiner staatlichen Aufsicht unterliegt. Häufig sind hier unseriöse Produktanbieter mit sehr hohen Renditeversprechen unterwegs. Der jährliche Schaden für Sparer in Deutschland wird auf 20-30 Mrd. € geschätzt. Over the Counter (außerhalb offizieller Börsen, über den "Ladentisch") werden vor allem unregulierte Spekulationen mit Derivaten abgewickelt. Abhilfe kann "Clearing" schaffen, denn Clearínghäuser machen den Derivatehandel transparenter und sicherer. Es wird geschätzt, dass 2010 Schattenbanken Kredite von 16 Billionen Dollar in den Büchern haben. Banken gehen in Schlupflöcher in die Länder, die weniger regulieren und kontrollieren (z. B. Singapur). Auch in China gibt es Schattenbanken. Berühmt ist das Schattenbanksystem von Wenzhou. Die Bundesregierung kündigt 2014 an, dass sie den "grauen Kapitalmarkt" stärker regulieren will. Auslöser ist die Insolvenz des Windkraftbetreibers "Prokon", der besonders mit Genussrechten arbeitete. 2014 wird auch das Gesetzespaket "Mifid" beschlossen (gegen Finanz-Zockerei). Es tritt ab 2017 in Kraft. Kernstück ist die Schaffung einer neuen Marktform an den Finanzmärkten. Die krasse Trennung zwischen Börsengeschäften (Aktien, Wertpapiere) und Trading floors (Termingeschäfte, Handel zwischen Finanzhäusern) soll aufgehoben werden. Es soll normale Informations- und Transparenzpflicht gelten. Über Risiko und Kundeneignung muss genau informiert werden.  Die Parallelbanken werden weltweit immer größer. Ihr Markt wird 2014 auf 71 Billionen Dollar geschätzt (innerhalb von zehn Jahren von 45 Billionen Dollar angestiegen). Damit sind die Papiere aus den Bilanzen der Banken, aber nicht aus dem System. Vor Schattenbanken gibt es kaum Regulierungen (auch keine Schuldenobergrenzen). Zu den Schattenbanken rechnen auch Private-Equity-Investoren, Hedgefonds, Geldmarkt- und Kreditfonds sowie bestimmte Versicherer. Der graue Kapitalmarkt ist eine deutsche Besonderheit. Wenig regulierte Finanzprodukte werben oft mit hohen Renditen. Sie sind nicht nur wenig reguliert, sondern teils aufgebläht. Es gibt kaum zugriff auf Sachwerte verbunden mit niedrigen Eigenkapitalquoten.  "Wenn wir ein gutes Tagesergebnis gemacht hatten, sagten uns die Bosse: Hey, ihr habt heute gut angeschafft! - als seien wir Prostituierte", Jerome Kerviel, Exbörsenhändler über seine Spekulationen. Die Schattenbanken in China bereiten immer größere Probleme: Schuldner, die von den staatlichen Finanzinstitutionen keine Darlehen erhalten, treffen auf Gläubiger, denen die offiziellen Einlagezinsen zu niedrig sind. Längerfristige Schulden werden gebündelt und als kurzfristige Wertpapiere weiterverkauft. Bei Liquiditätsengpässen und Ausfällen kann das System außer Kontrolle geraten. Weiterhin wächst sehr stark der Schattenbankbereich in China. Dabei handelt es sich um unregulierte Schattenbanken, die in hohem Ausmaß Kredite vergeben haben (4000 bis 5000 Milliarden, Schätzung von Standard & Poor`s).

Anleihen: Lange Zeit ging es fast ausschließlich um Staatsanleihen. Der Prestigeverlust weckt immer größeres Interesse an Firmenbonds und Zinspapieren von Unternehmen. Hinzu kommt die größere Transparenz bei Unternehmen im Vergleich zu Staaten. Damit erhalten Länder, die auf neue Kredite angewiesen sind, keinen Zufluss mehr aus Ländern mit Kapitalüberschüssen. Die Kapitalmärkte fördern damit die Reintegration. Als fatal hat sich der Repo-Mechanismus erwiesen: Banken können Wertpapiere hinterlegen und erhalten dafür Kredite. Dabei ist es wohl zu fatalen Nebenwirkungen gekommen, die mitverantwortlich für die Finanzkrise und die Euro-Krise waren. Die Zentralbanker haben keinen Unterschied zwischen den Anleihen von Griechenland und denen Deutschlands gemacht. Vor allem kleinere Mitgliedsländer der EU haben die Möglichkeit genutzt Staatsanleihen auszugeben und haben damit die hohen Schulden angehäuft. Vgl. Heile Buchter: Die Söhne der Lehman Brothers, in: Die Zeit, Nr. 39, 18.09.2014, S 23 (sie beruft sich auf Simon Johnson, IWF, und Peter Boone, London School of Economics). Staatsanleihen haben Privilegien in den Bankbilanzen. Sie bleiben bei der Berechnung der wichtigen und von der Finanzaufsicht überwachten Eigenkapitalquoten unberücksichtigt. Die EU-Kommission will, dass Staatsanleihen nicht mehr als risikofreie Anlagen für Banken eingestuft werden. Die Änderung würde vor allem deutsche Banken treffen. Das Weltfinanzsystem hängt stark an dem Markt für Staatsanleihen der USA. Sie, auch Treasuries genannt,  sind Schuldverschreibungen der amerikanischen Regierung und Fundament des globalen Finanzsystems. Die Zinsen auf der ganzen Welt richten sich nach den Renditen der Tresuries (der Markt ist 13 Billionen Dollar schwer). Im Herbst 2015 kommt der Verdacht auf, dass der Markt manipuliert werde. Die beteiligten Banken werden wohl zu wenig kontrolliert (die so genannten "Primary Dealers"; z. B. Goldman Sachs, Deutsche Bank). Es geht besonders um den Verkauf von Bezugsrechten. Dadurch wurden Pensionskassen geschädigt. Verdacht schöpfte man durch einen Kurz-Crash.  Auch die Zinssätze von einigen Staatsanleihen sind negativ. Das gilt zumindest für folgende 2015: Schweiz 10 Jahresanleihen, Finnland; Deutschland 7 Jahre; Österreich 6 Jahre (Quelle: Bloomberg). Diese Länder sind klare Profiteure der Krisen in einigen Ländern Europas, wie z. B. in Griechenland. Mitte Mai 2015 kommt es zu einem Crash am Anleihemarkt. Dies könnte die Finanzwelt durcheinander wirbeln. Es könnt der Anfang vom Ende der Mini-Zinsen sein. 2016 sind auch die Staatsanleihen in Japan negativ (10-jährig). Damit fällt immer mehr der positive Zins als Motor des Kapitalismus aus.  Das Bundesverfassungsgericht gibt am 05.05.20 ein Urteil dazu: Der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB ist in Teilen gegen das Grundgesetz. Begründung: Bundesregierung und Bundestag haben die EZB-Beschlüsse nicht geprüft. Es handelt sich allerdings nicht um verbotene Staatsfinanzierung. Das Urteil könnte Argumente gegen Euro - Bonds liefern. Damit wendet sich das Bundesverfassungsgericht gegen den EuGH. 

Staatsanleihen: Staatsanleihen oder Schuldverschreibungen sind eine der wichtigsten Finanzierungsquellen von Staaten. Sie sind Wertpapiere, die mit einem festen Zins ausgestattet sind und das Kapital wird zu einem festgelegten Zeitpunkt zurückgezahlt. Sie werden in verschiedenen Laufzeiten von zwei bis 30 Jahren ausgegeben. Mit der Schuldenkrise in Europa ist das Risiko eines staatlichen Schuldenausfalls gestiegen (früher sicher). Als Zinszahlung erhält der Anleger die Rendite oder den Effektivzins (dieser ergibt sich aus dem vorhinein festgelegten Zins der Anleihe/ Kupon und dem von ihm gezahlten Marktpreis/ Kurs des Papiers). Sinkt die Nachfrage und damit der Kurs des Papiers, steigt für den Anleger die Rendite. Am 22.01.15 gibt die EZB den Kauf von Staatsanleihen von Banken im großen Rahmen bekannt. Dadurch soll Geld in neue Anlagen fließen, vor allem in den südlichen Krisenländern (monetäres Konjunkturprogramm). Die Wirtschaft soll schneller wachsen und die Inflation sich erhöhen. Die Steuerzahler stehen dafür im Risiko (zusätzlich bekommen sie fürs Sparen dauerhaft keinen Zins mehr und können für das Alter nicht mehr vorsorgen). Am 22.0102015 gibt die EZB den Kauf von Staatsanleihen in großem Umfang bekannt. Monatlich werden für 60 Mrd. Euro Staatsanleihen von Banken aufgekauft (von März 2015 bis September 2016. Die Summe beträgt insgesamt 1140 Mrd. €). Die Staatsanleihen werden nach dem Anteil der Mitgliedsländer an der Notenbank gekauft, also am meisten Papiere von den Deutschen (trotzdem ist es eine Art Vergemeinschaftung der Haftung für Staatsschulden, zumindest bei denen für EU-Institutionen mit ca. 12% der Käufe). Es gibt keine Eingrenzung bei den Laufzeiten. Die Frage ist, ob die Krisenländer jetzt trotzdem weiter Reformen durchführen und ihre Haushalte konsolidieren (sie haben zumindest Zeit gewonnen). Offen bleibt auch, ob die Preissteigerung tatsächlich angehoben werden kann. Ein schwächerer Euro ist sicher auch für die Exportwirtschaft erwünscht.  Es könnte im schlimmsten Falle zu einer Blasenbildung und zu einem Anstieg der Vermögenspreise kommen. Letztlich wirkt der umfangreiche Anleihenkauf über drei Kanäle: Kredit, Vermögen und Wechselkurs. Am 09.03.15 beginnt die EZB mit dem Kauf. Der Europäische Gerichtshof legitimiert im Juni 2015 den Kauf (Klage von Gauweiler). Wichtig ist auch der Mechanismus in der EU, dass Banken Staatsanleihen nicht mit Eigenkapital unterlegen müssen. Beim drohende Grexit am 29.06.15 stiegen die Zinsen für spanische und italienische Staatsanleihen deutlich an. Sie müssen damit die Anleger mit höheren Renditen locken. Das Bundesverfassungsgericht muss im Februar 2016 wieder damit befassen, ob das OMT - Staatsanleihenprogramm der EZB rechtens ist. Im Oktober wird entschieden, dass die EZB und die Bundesbank weiter kaufen können. Die Entscheidung wird an den Europäischen Gerichtshof weiter gereicht. Dieses gibt einen Freifahrtsschein für EZB-Anleihekäufe. Bedenken des Bundesverfassungsgerichtes werden zurückgewiesen. Die Käufe sollen aber Ende 2018 auslaufen. Im Herbst 2019 werden neue Anleihen-Käufe aufgenommen. Die EZB sagt, dass sie damit die Kreditvergabe der Banken weiter ankurbeln will. Es könnte aber in Wirklichkeit darum gehen, die Haftungsunion zu vertiefen und Italien und Frankreich zu ermöglichen, ihre Schuldenpolitik fortzuführen. Die Corona-Krise 2020 führt zu einem massiven Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB. Die Banken der haupt betroffenen Länder (Italien, Spanien, Frankreich) haben zu viele Staatsanleihen ihrer Länder. Das Bundesverfassungsgericht gibt am 05.05.20 ein Urteil dazu: Der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB ist in Teilen gegen das Grundgesetz. Begründung: Bundesregierung und Bundestag haben die EZB-Beschlüsse nicht geprüft. Es handelt sich allerdings nicht um verbotene Staatsfinanzierung. Das Urteil könnte Argumente gegen Euro - Bonds liefern. Damit wendet sich das Bundesverfassungsgericht gegen den EuGH.  "Am Ende ist die Frage einfach: Ist Zusammenarbeit wirklich der beste Weg für Europa?", Mario Draghi, EZB-Präsident, über die Identitätskrise des Kontinents.  Das Bundesverfassungsgericht gibt am 05.05.20 ein Urteil dazu: Der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB ist in Teilen gegen das Grundgesetz. Begründung: Bundesregierung und Bundestag haben die EZB-Beschlüsse nicht geprüft. Es handelt sich allerdings nicht um verbotene Staatsfinanzierung. Das Urteil könnte Argumente gegen Euro - Bonds liefern. Damit wendet sich das Bundesverfassungsgericht gegen den EuGH. Im Mai 2021 bestätigt das Bundesverfassungsgericht das Anleiheprogramm PSPP der EZB.

Asset Backed Securities (ABS, Kreditverbriefungen): Bündelung von Forderungen, um sie an Investoren weiterzureichen. Die Risiken werden damit breiter gestreut, aber gleichzeitig auch verschleiert. Vor der Finanzkrise 2008 gelang dies mit verzerrten Ratings der Agenturen aus den USA. Deshalb galten diese Papiere auch als "Giftpapiere" (Forderungen mit schlechter Bonität) und waren Mitauslöser der Finanzkrise.  Folglich sank das Volumen dieser Anleihen von rund 700 Milliarden Euro in 2008 auf ca. 180 Milliarden Euro 2013. In Europa waren aber die Ausfallraten von 2007 bis 2013 mit 1,4% relativ gering. Nun will 2014 die EZB den Markt wieder ankurbeln. Konkret will die EZB ABS ankaufen, um die Bilanzen der Banken zu entlasten. Damit könnte sie eine Art Bad Bank bilden. Gegenwärtig ist dies nicht möglich, weil die Regeln zu strikt sind (Entscheidung über eine Lockerung bis 2015).  Schon 2014 will die EZB jetzt ABS kaufen. Sie folgt damit dem Beispiel der Fed. In Europa herrscht aber eine andere Struktur. Das Geschäftsmodell, Forderungen mit zweifelhaftem Wert und Hintergrund als ABS zu verkaufen wird weiterhin von den amerikanischen Banken betrieben. EDMC ist der größte private Bildungsanbieter in den USA. Mit einer Art Drückerkolonnen werden Studenten Kredite vermittelt, mit denen ein Studium bezahlt wird. Die Zertifikate dieser Hochschulen sind zweifelhaft und führen zu keinem Arbeitsplatz. Die Studenten bleiben auf hohen Schulden sitzen, die sie ein Leben lang verfolgen. EDMC verkauft die Forderungen weiter, die zu ABS werden. Die Mehrheit an EDMC hält Goldman Sachs (40%).

CFD: Differenzgeschäfte mit Nachschusspflicht. Sie gehören zu den Hebelprodukten. Sie ähneln dem Glücksspiel. Es wird auf die Kursentwicklung von Basiswerten (Aktien, Rohstoffe, Währungen) spekuliert. Bei einer positiven Kursänderung verdient der Kunde, bei einer negativen muss er nachschießen. Umfang von 1,6 Mio. € 2016. Sie werden 2017 von der Bafin verboten. Auch die britische Finanzaufsicht FCA sieht 2018 genauer hin: Die Ergebnisse sind alarmierend.

Finanztransaktionen sind durch neue Produkte immer komplexer geworden. Zu nennen sind Derivate, Rohstoffhandel und Devisengeschäfte (reale Güter und Dienste 70 Billionen Dollar, 1007 Billionen Dollar auf Devisenmärkten). Hinzu kommt die enorme Beschleunigung der Märkte (die Händler sind junge Leute zwischen Zwanzig und Vierzig). Moral war schon immer eher hinderlich. Die ganze Welt wird als globale Spielwiese genutzt. Um das Vertrauen in die Finanzmärkte wieder zu stärken beschließt die Bundesregierung 2012 einen "Finanz-Tüv". Es handelt sich um eine Stiftung Finanztest, die an die Stiftung Warentest angedockt werden soll. "Natürlich ist das Wirtschafts- und Finanzsystem um ein vielfaches komplizierter, weil Menschen über weit mehr Freiheitsgrade verfügen. Menschen sind janusköpfig,...", Wolf Singer, langjähriger Direktor des Max-Plack-Instituts für Hirnforschung in Frankfurt am Main, in: Der Spiegel 29/2014, S. 40.

Illegale Geldtransfers (Hawala-Banking): Personen zahlen Bargeld ein bei Kiosken oder Juwelieren. Der Betrag wird an Auszahlungsstellen, etwa in der Türkei oder Syrien, an Empfänger ausgegeben. So genante Hawaladare organisieren die Transfers und erhalten Provisionen. NRW will in Deutschland dagegen vorgehen. Man fordert den Budn zu härteren Gesetzen auf. Vgl. Der Spiegel 43/ 19.10.24, S. 18.

Risiken bei Banken und ihre Absicherung: Durch die Finanzkrise ist dieses Thema in den Vordergrund gerückt. Man arbeitet mit Eigenkapitalunterlegung, Verlustdatensammlung und Risikoidentifizierung bzw. -bewertung. Letzteres kann mit Self Assessment und Szenarioanalyse bzw. Key-Risk-Indikatoren durchgeführt werden. Im Herbst 2011 kommt es wieder zu einem großen "Bankenbeben". Die Aktienkurse fallen, die Gewinne schrumpfen. Wie stabil ist das weltweite Bankensystem? Ist das Geschäftsmodell der heutigen Banken überholt? Deutschland und Frankreich planen 2013, Trennbanken einzuführen. Riskante Handelsgeschäfte sollen so abgespalten werden. Die Spareinlagen sollen abgeschottet werden. Der Bundesfinanzminister will insgesamt schärfere Regeln und eine strengere Managerhaftung. Spitzenbanker können bestraft werden, wenn sie ihre Pflicht zur Risikokontrolle vernachlässigen. Vgl. Anat Admati/ Martin Helwig: The Bankers New Clothes, Woodstock (Princeton University Press) 2013 (in Deutsch 2013, Finanzbuch-Verlag München). Die wichtigste Empfehlung des Buches lautet, dass die Banken eine deutlich höhere Eigenkapitalausstattung brauchen. Sie widerlegen das Argument der Banken, dass eine höhere Eigenkapitalausstattung die Kreditvergabe der Banken und das Wachstum behindere. Im Mai 2013 beschließt der Bundestag das Trennbankengesetz. Risikogeschäfte müssen abgespalten werden. Die beste Risikovorsorge wäre sehr viel Eigenkapital (20 bis 30 Prozent der Bilanzsumme). Die G20 haben sich auf zwei Säulen geeinigt, um eine Wiederholung der Finanzkrise zu verhindern: 1. die Aufsicht soll massiv verstärkt werden (28 weltweit; 139 sollen sogar in der EU dabei sein). 2. Die Abwicklung soll erleichtert werden (Insolvenz nach festen Regeln, ohne Schockwellen). In der EU gibt es mittlerweile ein European Systemic Risk Board (wann sind Banken systemrelevant?).  Bankensysteme sind per se instabil. Zu diesem Schluss kommen US-Wissenschaftler 2014: Calomiris, Haber: Fragile by Design, the Political Origins of Banking Crisis and Scarce Credit, Princeton University Press

Bankenansturm: Er wird durch Pessimismus ausgelöst, wenn die Kunden ihre Spareinlagen zurück haben wollen. Bankenstürme gab es in den USA zwischen 1930 und 1933, in Argentinien am Ende der Asienkrise in den Neunziger-Jahren und zwischen 2007 und 2009 auf der ganzen Welt. Die erste klassische, theoretische Studie fertigte Charles Kindleberger an (1978 Manias, Panics and Chrashes: A History of Financial Crisis). Der Ablauf ist folgender: Bei ihren langfristigen Investitionen hält eine Bank Einlagen zurück. Wenn Kunden sich sorgen machen, wollen sie ihr Geld abheben. Wenn die Einlagen nicht reichen, muss die Bank ihre Investitionen mit Verlust verkaufen. Die letzten Sparer erhalten kein Geld mehr.

Bankenkrise: Sie laufen nach folgendem Muster ab: Die Zentralbanken senken die Leitzinsen, zuletzt in die Nähe von Null. Das gilt für die USA, Europa (EZB, Euro-Zone), für die Schweiz, Schweden. In China sind die Leitzinsen noch höher (über 4%). Das billige Geld pumpt Finanzblasen auf. Wenn diese Blasen platzen sind folgende Szenarien möglich: 1. Konjunktur bricht ein, Banken werden durch die vielen Schuldner mit nach unten gezogen. 2. Höhere Kreditzinsen. Viele Schuldner können Kredite nicht mehr bedienen. Banken können in Schieflage geraten. 3. Höhere Staatsanleihezinsen. Niedrig verzinste Anleihen müssen abgeschrieben werden. Die Banken bekommen Probleme. In der Corona-Krise 2020 wird das "dicke Ende" noch kommen. Es wird eine Reihe von Kreditausfällen geben. Dadurch könnte zwei bis sieben Prozent des Kernkapitals der Institute aufgezehrt werden (Prognose BaFin 2020). 20 bis 30 der schwächsten Banken könnten stärker betroffen sein.

"Bad Bank": In dieser Zweckgesellschaft kann eine Geschäftsbank "giftige" Wertpapiere (auch "Schrottpapiere" genannt) einbringen. Dabei handelt es sich um Kredite, deren Nehmer nicht mehr zahlen können, oder um Wertpapiere, die ihren wirtschaftlichen Wert verlieren. Banken müssen je nach Ausfallwahrscheinlichkeit der gehaltenen Wertpapiere Eigenkapital vorhalten. Für die Risikopapiere erhält die Bank Anleihen, die staatlich garantiert werden und für die eine Gebühr zu entrichten ist. Die hohen Abschreibungen aufgrund der amerikanischen Kreditabenteuer greifen die Eigenkapitalbasis an. Die Papiere müssen mit einem Abschlag übertragen werden. Die Bank zahlt über die Garantielaufzeit (max. 20 Jahre) die Differenz zwischen 90% des Buchwerts und dem Fundamentalwert (von der Soffin mit geschätztem Wertverlust berechnet) an den Staat. Nach dem Ende der Garantielaufzeit werden verbleibende Verluste mit künftigen Gewinnen verrechnet. Die deutschen Banken haben im Oktober 2009 "Giftpapiere" in Höhe von 230 Mrd. €. Am stärksten sind die WestLB und die Commerzbank betroffen. Als erste Bank lagert die WestLB auch Giftpapiere aus. Es folgt 2010 die HRE, die 210 Mrd. € auslagern will. Im Herbst 2010 muss der Bund weitere 40 Mrd. € Staatsgarantien geben. Im Oktober 2011 kommt heraus, dass sich die HRE (FMS Wertmanagement) um 55,5 Mrd. € verrechnet hat (Buchungsfehler, weniger Schulden). Die Landesbanken in Deutschland sind generell in der Krise, weil sie überdimensioniert und kundenfern sind. Die EU dringt auf eine Änderung der Struktur, wobei allerdings bedacht werden muss, dass diese Banken auch wichtige Kreditgeber für den Mittelstand und Großunternehmen sind. Nach einer Schätzung Anfang 2010 gibt es bei den Banken insgesamt noch 90 Mrd. € Abschreibungsbedarf. 2012 dürfte der Stand sein, dass die Banken in Deutschland insgesamt 430 Mrd. € an Schrottpapieren loswerden müssen. Die Parallelbanken werden weltweit immer größer. Ihr Markt wird 2014 auf 71 Billionen Dollar geschätzt (innerhalb von zehn Jahren von 45 Billionen Dollar angestiegen). Damit sind die Papiere aus den Bilanzen der Banken, aber nicht aus dem System. "Der Herr des Silbers regiert den Himmel, und der Gott des Geldes herrscht über die Erde", der chinesische Richter Zhang Tao im 17. Jahrhundert. Die größten europäischen Bad Banks haben die RBS mit 270 Mrd. €, die Hypo Real Estate mit 176 Mrd. € und die WestLB mit 78 Mrd. €. Für die Altlasten der WestLB steht die EAA (Erste Abwicklungsanstalt). Ihr wird vorgeworfen, dass die WetLB mit Städten und Gemeinden Zinsgeschäfte zu deren Ungunsten gemacht habe. Aber auch die EAA verklagt Kommunen. Meist geht es bei den Streitfällen um Zinsswaps.

Multinationale Banken: Im Zusammenhang mit der Finanzkrise 2008 und der folgenden Weltwirtschaftskrise wird immer wieder das Zerschlagen von Großbanken gefordert. Die entscheidende Frage ist, sind diese Großbanken ein Unsicherheitsfaktor oder ein Stabilisator. Dabei spielt eine Rolle, ob sie bei regionalen Schocks ausgleichen, bei einem "Credit Crunch" gegensteuern oder einen internen Kapitalmarkt nutzen. Vgl. Navaretti, G./ Calzolari/ Pozzolo/ Levi: Multinational Banking in Europe: Financial Stability and Regulatory Implications, in: Economic Policy 2010. "Wer multinationale Banken für einen Unsicherheitsfaktor hält, hat nicht verstanden, was diese Institute tun", Giorgio Barba Navaretti, Uni Mailand. "Wir sollten die größten Banken aufspalten", James Bullard, Federal Reserve Bank St. Louis.

Globale Fondsgesellschaften: Großinvestoren achten darauf, dass sich ihre Unternehmen nicht gegenseitig den Gewinn abgraben. Damit sind sie ein wichtiges Element im weltweiten Wettbewerb geworden. Insofern wären weltweite wettbewerbspolitische Maßnahmen notwendig. Vgl. Azar, Schmalz und Tecu: Anti Competitive Effects of Common Ownership, Ross School of Business, Univ. of Michigan, April 2015.

Bretton Woods II bzw. Savings glut-Hypothese: Zinsen (Niedrigzinsen), Defizite (große Leistungsbilanz- und Haushaltsdefizite) und extrem steigende Preise von Vermögenswerten (Immobilien, Aktien) können so unnormal bleiben, solange große Schwellenländer (China, Indien, Brasilien) Grund haben, auf  die Exportstrategie zu setzen. Dies dauert wegen des riesigen Potentials an Unterbeschäftigung dort an; außerdem können wegen der schlechten rechtlichen Rahmenbedingungen dortige Ersparnisse noch nicht relativ sicher in lokale Finanzprodukte investiert werden. (B. Bernanke, R. Caballero, M. Dooley). "Es ist unverschämt, wenn das Schicksal der Weltgemeinschaft von der Zukunft einer Handvoll gigantischer Finanzunternehmen abhängt", Ben Bernanke, Chef der US-Notenbank.

Auslandsvermögen deutscher Unternehmen: Die Exportüberschüsse Deutschlands wurden überwiegend im Ausland angelegt. Der größte Teil nicht in Realvermögen (Direktinvestitionen), sondern in ausländischen Finanztiteln. Darunter waren viele Schrottpapiere, aber auch die Dollar-Abwertung und der Akienkursverfall haben einen großen Teil dieses Finanzvermögens "verbrannt". Hinzu kommt, dass die Schuldnerländer oft Defizitländer sind, die die Inflation zur Entwertung der Forderungen nutzen.

Minsky-Moment (auch These der finanziellen Instabilität; benannt nach dem US-Makroökonomen Hyman P. Minsky, 1919 - 1996). Er war Kind weißrussischer Emigranten. Er studierte Mathematik in Chicago und Wirtschaftswissenschaften in Harvard.  dort war er Assistent von Alvin Hansen. Am längsten lehrte Minsky an der Washington University in St Louis. Er hatte als Kind die Folgen der großen Depression erlebt. Erklärung für Finanzkrisen, insbesondere die von 2007/2008. "Unser Finanzsystem pendelt zwischen Stärke und Zerbrechlichkeit" (Stabilizing an unstable economy). In Stabilitätsphasen lockern Banken ihre Sicherheitsstandards bei der Vergabe von Krediten. Weil es keine Kreditausfälle gibt, werden Banken immer laxer. Irgendwann kommen Schuldner zum Zuge, die ihre Kredite nur mit neuen Schulden bedienen können. Dann kommt die Abwärtsspirale. Der Immobilienmarkt spielt dabei immer eine Schlüsselrolle. Finanzinnovationen hielt er für einen Katalysator großer Krisen. Künstliche Boomphasen an den Finanzmärkten sah er voraus.  "Die vier führenden europäischen Industrienationen wollen ein Frühwarnsystem für Börsen einführen, dies wurde Ende Januar 2008 in London beschlossen". Die internationale Finanzkrise trifft auch die ökonomische Theorie Die expansive Geldpolitik der letzten Jahre  könnte 2018 zu einer Krise führen, also zu einem Minsky-Moment. "Manche ökonomischen Theorien werden diese Krise nicht überstehen", Joseph Stiglitz. Die erste große Finanzkrise gab es in Deutschland während des siebenjährigen Krieges 1763. Banken in Hamburg und Amsterdam verspekulierten sich im Boom des Krieges mit Anlagen in Preußen. Mehr als 100 Geldhäuser gingen unter.

Ponzi-Kreditnehmer: Der Begriff wurde auch von Hyman Minsky geprägt. Eine Person, die mit einem Darlehen einen Vermögenswert kauft und von der Wertsteigerung desselben abhängig ist, um das Darlehen samt Zinsen zurückzuzahlen.

Finanzspritze: Die Idee geht auf Ben Bernanke (geb. 1953) und Mark Gertler (geb. 1951) zurück. Eine starke Wirtschaft kann immer weiter wachsen, eine schwache dagegen wird wegen der sich selbst verstärkenden negativen finanziellen Bedingungen immer schwächer werden. "So wie ein gesundes Finanzsystem das Wachstum fördert, können schwierige finanzielle Bedingungen eine Wirtschaft daran hindern, ihr Potential zu nutzen", Ben Bernanke.

 Hedgefonds: 2008 gibt es etwa 10.000 solcher Fonds (vom englischen to hedge - absichern) mit einem Volumen von schätzungsweise 2,0 Bio. $. Der erste Hedgefonds wurde 1949 von A. W. Jones aufgelegt, um Aktienpositionen abzusichern. Hedgefonds geben Anteile an Anleger aus. Mit den Geldern werden Assets erworben (Aktien, Rohstoffe, Devisen, festverzinsliche Wertpapiere). Es soll ein absoluter Return erzielt werden: Gewinne werden periodisch verteilt. Die Anlagestrategien wechseln ständig. Es wird ein Leverage-Effekt angestrebt, deshalb wird möglichst viel Fremdkapital eingesetzt (dies kann durch Carry Trades verstärkt werden). Sie wählen ihren Standort und ihre Rechtsform so, das sie vom Staat nicht streng kontrolliert werden können. Wird überhaupt nicht reguliert und keine staatliche Kontrolle ausgeübt, spricht man vom "grauen" Finanzmarkt" oder von Schattenbanken. Die Königsdisziplin der Hedgefonds sind Leerverkäufe. Sie wetten auf fallende Kurse, sie gehen "short". Kampagnen für Short-Wetten funktionieren besonders gut in einem Börsencrash oder wenn andere Anleger ihre Aktien verkaufen. Dazu leihen sie sich Wertpapiere von Unternehmen, die sie für überbewertet halten. Anschließend verkaufen sie die Anleihen oder Aktien, um sie nach einem Kurseinbruch wieder günstiger zu kaufen und an die Bank, die Pensionskasse oder den Investitionsfonds zurückzugeben, die ihnen die Papiere geliehen hat. Die Differenz zwischen Verkaufs- und Rückverkaufskurs ist ihr Gewinn. Der berühmteste Fall des Erfolgs eine Hedgefonds ist die erzwungene Abwertung des britischen Pfunds durch George Soros 1992. In der Finanzkrise 2007/ 2008 haben die Fonds Hunderte Milliarden und auch ein Großteil ihrer Macht verloren. In der Metropolregion Rhein-Neckar ist der Hedge - Fond K1 in Schwierigkeiten. Im Jahre 2009 bekommen die Fonds in den USA eine strenge Aufsicht (voraussichtlich von SEC). Hedge-Fonds und die sie kontrollierenden Rating - Agenturen müssen Transparenz- und Lizenzpflichten unterliegen. Insgesamt bremsen die USA aber strengere Regulierungspläne, wie sie von der EU vorgeschlagen wurden. Die schärferen Kontrollen in der EU konkretisieren sich nach der Griechenland-Krise. Sie mussten gegen Großbritannien beschlossen werden, wo 80% aller Hedge-Fonds zu Hause sind. Die meisten Hedge-Fonds haben aber ihren Sitz in Cayman Islands, einer britischen Kronkolonie. Die Hedge - Fond - Manager sollen eine Zulassung beantragen müssen. Insgesamt soll die Transparenz erhöht werden. 2011 spekulieren die Hedge-Fonds in großem Stil am US-Markt. Weltgrößter Devisen-Hedgefonds ist FX Concepts in den USA. Eine Betrachtung der Hedgefonds muss differenziert erfolgen. Die vielen "schwarzen Schafe" müssen konkret analysiert werden. 2014 greifen verschiedene Hedgefonds Ferdinand Piech und Wolfgang Porsche an. Sie wollen ein Teil des Geldes zurück, dass sie bei der Übernahmeschlacht zwischen Porsche und VW verloren haben. 2016 verlieren die Hedgefonds ihren Glanz. Zu viele Milliardenwetten wurden verloren. Nur die Gebühren erinnern an früher. Eine Investmentidee alleine reicht nicht mehr. Das Personal ist in die Kritik geraten (zu jung, Kokskonsumenten). "Ein Mensch, der voller Neid vernimmt, dass alle Welt im Gelde schwimmt, stürzt in den Strom sich munter, doch siehe da: Schon geht er unter! Es müssen - wie´ s auch andere treiben - Nichtschwimmer auf dem Trockenen bleiben!",  Eugen Roth. 2015 geht der Hedgefonds FX Concepts (John Taylor) Pleite, weil er jahrelang gegen den Euro gewettet hatte. Von 2013 1,35 ist der Euro auf 2015 1,13 gefallen, man hatte sich verzockt. Die großen Hedgefonds sind inzwischen zu unbeweglich geworden. Sie können nicht mehr schnell genug auf Herausforderungen reagieren. 2015 ist Bridgewater am größten (103,6 Mrd. US-$ verwaltetes Vermögen) vor AQR und MAN Group. 2019 haben Investoren aus Hedgefonds 64 Mrd. Dollar abgezogen - der höchste Abfluss seit 2016. Insgesamt verwalten die Hedgefonds 2019 3259 Mrd. $, die Fonds legten seit Jahresbeginn (bis September 19) um 6,75 zu. Der US-Aktienindex S&P500 18,3%.

Volcker-Regel: Sie verbietet Banken, sich an Hedge - fonds zu beteiligen. Sie ist nach dem ehemaligen Chef der US-Notenbank (Fed) von 1979 bis 1987 benannt. Paul Volcker stirbt 2019 mit 92 Jahren.

Derivate: Handelbare Papiere, die von variablen Basiswerten wie Rohstoffpreise oder Aktienkurse abgeleitet sind. Zu den Derivaten zählen Optionen, Termingeschäfte (Futures) und Swaps (Tauschgeschäfte). Im Grunde genommen handelt es sich um Wetten auf die zukünftige Entwicklung. Kreditderivate ähneln entweder einer Versicherung oder einer Anleihe auf Kredit und werden überwiegend zwischen Banken, Versicherungen, Pensionsfonds und Hedge-Fonds gehandelt. Wichtigste Variante sind Credit Default Swaps (CDS), eine Art Kreditversicherung. Auch so genannte Asset Backed Securities (förderungsbesicherte  Wertpapiere) zählen zu den Derivaten. Bisher konnten die Banken die Preisgestaltung frei durchführen und mussten keine Gebühren an Dritte leisten (Lizenz zum Geldverdienen). 2012 legt die EU fest, dass zukünftig ein Großteil der Produkte über klassische Börsenbetreiber abgewickelt werden muss. Für alle Derivate wird eine Anmeldung der Geschäfte eingeführt, um Kettenreaktionen auf den Finanzmärkten zu verhindern. "Finanzmärkte haben einen sicheren Weg, die Zukunft vorherzusagen: Sie schaffen sie", George Soros (zitiert nach Der Spiegel 34/2011, S64).

Leerverkäufe: Auch "short selling". Es sind Verkäufe von Papieren, die man nicht hat. Man leiht sich Papiere, bei denen man einen Kursverlust erwartet und verkauft diese dann zum aktuellen Kurs. Wenn der Kurs tatsächlich fällt, kann man die Papiere billiger kaufen und zurückgeben und die Differenz stellt den Gewinn dar. Fast alle Länder haben die Leerverkäufe, die kurzfristig in der Krise verboten waren, wieder erlaubt. So die USA und Deutschland. China hat die Leerverkäufe 2008 erst eingeführt. Auch Kreditversicherungen (Credit Default Swaps/ CDS) werden zu ähnlichen Spekulationen genutzt. Eigentlich sind sie eine Versicherung, die vor dem Ausfall eines Schuldners schützen soll. Hedge-Fonds kaufen CDS, ohne die zugrunde liegenden Anleihen (z. B. Griechenland, 8,3%) zu halten. Sie spekulieren auf steigende Prämien, wobei sie den Schutz  dann weiterverkaufen. Als größter Leerverkäufer gilt der Amerikaner James Chanos. Er sieht die Leerverkäufer als die Finanzpolizisten der Märkte in Echtzeit. Viele Experte fordern, die Leerverkäufe zu verbieten werden (sind aber wichtig für die Liquiditätsversorgung der Banken, die USA erwägen eine Erschwerung). Leerverkäufe können unter vernünftigen Rahmenbedingungen Kurse glätten und Blasen verhindern. Am 18.05.10 verbietet die Bafin ungedeckte Leerverkäufe (naked shorts) in Deutschland. Das Verbot bezieht sich auf Anleihen von Staaten der Eurozone (auch auf CDS). "Ungedeckt" ist Anleihen bzw. Aktien-Verkauf, ohne sie zu besitzen. Der Bundesfinanzminister darf auch Derivate verbieten, die auf deutschen Aktien oder dem Euro-Kurs basieren. Nettopositionen aus Leerverkäufen müssen veröffentlicht werden. Im August 2011 werden nach Turbulenzen an den Aktienmärkten Leerverkäufe vorübergehend in vier weiteren Staaten verboten (Frankreich, Italien, Spanien, Belgien). Später beschließt die EU, dass die europäische Börsenaufsicht ESMA in Krisenzeiten Leerverkäufe befristet verbieten kann. Großbritannien klagt vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Begrenzung und das Verbot von Leerverkäufen durch die ESMA. Der Gerichtshof weist 2014 die Klage zurück. Eng verbunden mit Short-Selling sind Kreditausfallversicherungen. Auch sie sollten vermindert werden. "Wetten auf Börsenkurse, auf Staatspleiten und künftig wohl auf Rohstoffpreise schaffen keine Werte und auch keine Nachfrage", Wilhelm Segerath, Gesamtbetriebsrat Thyssen-Krupp.

Leverage-Effekt: Der Hebeleffekt beruht darauf, dass ein Fonds sich durch die Aufnahme von Krediten finanzielle Mittel für den Kauf von Wertpapieren beschaffen kann, die weit über das in den Fonds eingezahlte Kapital (Eigenkapital) hinausgehen. Der Effekt ist die Grundlage jeder Neuerung in der Finanzwelt, es geht immer um Investitionen mit geborgtem Geld. Andererseits müsste auf den Finanzmärkten auch ein Deleveraging installiert werden, also eine Entschuldung und ein Rückbau der Finanzmärkte im Verhältnis zur Realwirtschaft. "We simply attempt to be fearful when others are greedy and to be greedy only when others are fearful", Warren Buffet (b. 1930, American investor, businessman, philanthropist.

Spekulation: Spekulationen ("Wetten" auf zukünftige Preisentwicklungen) beeinflussen zunehmend die Preise auf wichtigen Märkten. Zuerst waren Hightech-Aktien und Immobilienkredite sowie Devisen betroffen. Neuerdings sind immer stärker die Rohstoffmärkte einbezogen. Damit greifen Spekulationen stark in globale Märkte ein, setzen die normalen Marktmechanismen außer Kraft und führen zu Unberechenbarkeit. Warentermingeschäfte sollen die Marktteilnehmer gegen große Marktrisiken absichern, die Spekulanten kaufen aber Futures nur des Profits wegen. Der Spekulationsdruck führt zu Blasen. Mit neueren Theorien (Chaostheorie, Spieltheorie) versuchen Ökonomen, die Entwicklungen zu erklären. Zunächst wurden Spekulationen als unvorhersehbare Entwicklungen (externe Schocks) in die Marktgleichgewichtsmodelle eingebaut. Die Finanzkrise hat auch eine Debatte über den Nutzen der Spekulation ausgelöst. Ist der Spekulant mehr Investor oder mehr Glücksspieler. Wenn man Finanzinnovationen zulässt, hat man damit immer eine Wette auf ein neues Produkt. Glücksspiel hat immer mit Glaube an Schicksal zu tun. Bei der Arbitrage wird bei einem bestehenden Preisdifferential zwischen zwei Märkten angesetzt. Spekulation und die Derivate - Märkte richten aber nicht nur Chaos an, sondern geben auch wichtige Signale. Deshalb müssen diese Märkte gesteuert und nicht verboten werden. Ein Teil der Mehrkosten der Regulierung werden die Banken an die Kunden weitergeben. 2010 werden nach Immobilien, Firmen, Krediten und Rohstoffen Staaten zum Spielball globaler Spekulanten. Es taucht sogar der Verdacht auf, das die Finanzmarktakteure mit automatischen Computersystemen arbeiten. Grundsätzlich helfen gegen Spekulationen Abgaben, Verbote und Gebote und eine zentrale Abwicklung. Nach der Finanzkrise 2008 gab es noch zwei große, berühmte Spekulationsfälle: MF Global hatte Staatsanleihen der kriselnden Euro-Staaten gekauft. Dieses Geschäft ist mit dem Namen John Corzine verbunden. Die FSA hatte nicht die Risiken erkannt. Als die Finanzierung scheiterte kam die Insolvenz. Die zweite große Spekulation war bei J.P.Morgan. Hier hatte Bruno Iksil (Wal von London) große Spekulationsgeschäfte am Laufen (Hypothekenkredite, Wetten gegen American Airlines u. a.). Der Verlust betrug 6,7 Mrd. $. Die Strafe soll bei 920 Mio. $ liegen. 2014 muss Greenpeace International zugeben, bei Währungsspekulationen 3,8 Mio. Euro verloren zu haben. Mit neuen Methoden wollen Zentralbanker und Finanzminister gegen Spekulationsblasen vorgehen: So wollen sie schärfere Auflagen für Banken (Kreditbeschränkungen, Darlehenskriterien) in Kombination mit Zinsanhebung. Diese Mittel sind umstritten.  "Gesetze und Institutionen müssen nicht an gute Menschen angepasst werden, sondern an schlechte", John Steward Mill, The Subjection of Women (Über Freiheit, Hamburg 1987). Alle drei Monate ist an den Börsen "Hexensabbat". Die Märkte können dann verrückt spielen. Es betrifft den dritten Freitag der Monate März, Juni, September und Dezember. Meist werden die großen Kursausschläge durch Spekulationen ausgelöst (an den Terminbörsen fallen mehrere Arten von Termingeschäften an). 

Shortseller: Spekulanten, die auf fallende Kurse setzen (erst leihen sie sich Papiere, sie zahlen eine Leihgebühr, dann kommt die Wette auf fallende Werte, dann wird die Aktie wieder verkauft. Die Differenz zwischen Verkaufs- und Kaufkurs abzüglich der Leihgebühr ist der Gewinn des Leerverkäufers). Sie werden auch Kurs-Crasher genannt. Sie greifen oft schwer durchschaubare Geschäftsmodelle an. Sie können die Börsen sauber halten. Berühmt und berüchtigt ist Fraser Perring. Der Investor durchsucht Bilanzen gezielt nach Fehlern ab. Dann macht er sie publik, wie zuletzt bei Wirecard. Mit Wetten auf fallende Aktienkurse ist er reich geworden. Berühmt wird 2023 auch der Fall "Gautam Adani. Er war der reichste Mann der Welt. Ein Spekulant von der Wallstreet - Anderson - macht ihn um viele Milliarden ärmer.

Funktionsweise von Shortselling: 1. Ein Leerverkäufer leiht sich gegen eine geringe Gebühr Aktien von einem anderen Aktienhändler aus. 2. Er verkauft diese zum aktuellen Kurs an der Börse. 3. Der Akteinkurs fällt durch die Bekanntgabe der Informationen über die Firma durch den Leerverkäufer. 4. Sobald der kurs gefallen ist, kauft der Leerverkäufer die Aktien wieder. 5. Er gibt sie dem Händler zurück. Die Differenz behält er als Gewinn. Vgl. Die Zeit 10/2023, S. 20.

Carry Trade: Seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers kommt es zu weiteren Verwerfungen auf den Finanzmärkten. Die Spekulanten spielen mit dem Dollar. Investoren verschulden sich in US - Währung und investieren dann in der ganzen Welt. Das Risiko ergibt sich daraus, dass der Zinsvorteil schwindet, wenn die Verschuldungswährung aufgewertet wird. Durch die Unübersichtlichkeit des Devisenmarktes und die Vielzahl von Einflussfaktoren auf Devisenkurse ist eine rationale Verhaltensweise schwierig. Steigen die Zinsen in den USA wieder, ist der Yen als Verschuldungswährung wieder interessant. Die Euro - Schwäche durch die Griechenlandkrise führt zu einem Rücktausch und verstärkt den Dollar. "Die größte Innovation der Finanzindustrie in den letzten 20 Jahren war der Geldautomat", Paul Volcker, ehemaliger Fed-Chef, jetzt Vorsitzender des "President`s Economic Recovery Advisory Board".

Credit Crunch (Kreditklemme) durch das Misstrauen der Banken untereinander. Sie leihen sich gegenseitig kein Geld mehr, weil sie bei den Konkurrenten zu viele Schrottpapiere befürchten. Zuletzt 2010 haben die Banken 369 Mrd. Euro über Nacht bei der EZB angelegt. Die hohe Summe der Einlagefazilität ist ein Parken des Geldes bei der Notenbank als es sinnvoller zu verwenden. "Hohe Summen in der Einlagefazilität bedeuten, dass wir einen Geldmarkt haben, der nicht einwandfrei funktioniert", Jean-Claude Trichet, Chef der EZB bis 2011.

Offshore - Finanzplätze (Steueroasen und Steuerflucht): Solche mit liberaler Bankenaufsicht und ein hohes Maß an Diskretion. Sie erheben in der Regel keine oder nur geringe Steuern auf Einkommen und Vermögen. Außerdem gelten sie als Plätze der internationalen Geldwäsche. Sie werden auch als Steueroasen bezeichnet. Sie profitieren von Steuerbetrug, Geldwäsche, Verlagerung des Wohnsitzes und Steueroptimierung. Damit bilden sie eine Parallelökonomie, die sich der Kontrolle entzieht. Zu den Steueroasen rechnen der US-Staat Delaware (Platz 1, mehr als 200.000 Konzerne haben einen Sitz hier, auch sieben deutsche DAX-Konzerne), Luxemburg, Schweiz, Kaiman-Inseln (viele deutsche DAX-Konzerne haben Sitz), Bermudas, Bahamas (keine Unternehmenssteuern), Panama, Monaco, Liechtenstein, Gibraltar, Jersey, Isle of Man, Guernsey (milde Unternehmenssteuern), Cook-Inseln, Jungferninseln, Mauritius, Singapur, Labuan, Seychellen, Dubai, Vanuatu, Dublin (doppelter Firmensitz), Amsterdam (keine Lizenzsteuern) u. a. (ca. 70). Die Drahtzieher sitzen aber in den Finanzzentren, vor allem in London. Die OECD hat eine graue und schwarze Liste aufgestellt. China versucht, Hongkong zu einem Offshore - Bereich zu machen. Mitte 2011 macht Deutschland ein Abkommen mit der Schweiz (ab 2013, Stichtag vorbei, Ablehnung im Bundesrat). Auslandskapital unterliegt einer Abgeltungssteuer (gilt auch für Steuersünder, 26,4%). Der Bundesnachrichtendienst deckt 2012 auf, dass die Hilfe der EU für Banken aus Zypern vor allem reichen Russen hilft, die über Schwarzgeldkonten Geld waschen.  Cross-Border-Leasing (CBL) bezeichnet das Leasing über Nationengrenzen, wobei Leasingnehmer und -geber unterschiedliche steuerrechtliche Vorteile ausnutzen. Von großer Bedeutung war in den letzten Jahren CBL mit den USA, wo langfristige Mieten wie Eigentum behandelt werden. 2013 besorgen Journalisten aus 46 Ländern vertrauliche Dateien über Steuerflüchtlinge in Steueroasen (Projektname "Offshore Leaks", Nutzen von Briefkastenfirmen und Trusts). Im Juni 2013 stellt ein Konsortium für Investigativen Journalismus Teile der so genannten Offshore-Leaks-Daten ins Internet. Rund 100.000 Deutsche nutzen Steueroasen. Luxemburg will das Bankgeheimnis lockern (automatischen Benachrichtigung über Zinszahlungen; auch Österreich gerät unter Druck und verspricht Lockerung). Großbritannien einigt sich 2013 mit seinen Überseegebieten (z. B. Bermudas, Jungferninseln)  auf eine stärkere Zusammenarbeit im Kampf gegen die Steuerflucht. Die Daten kommen allen EU-Ländern zugute. Auch viele große Unternehmen betreiben Steuervermeidung. Sie gründen ein dichtes Netz von Auslandstochterfirmen in den Steueroasen und sparen so viele Milliarden $ Steuern (Apple, Microsoft, Facebook). Die OECD stellt Mitte 2013 einen Aktionsplan gegen den Steuerwettbewerb auf (soll auf der Ebene der G20 behandelt werden). Ansatzpunkte können die Steuersätze, die Regulierungsintensität, die Bemessungsgrundlage und die Informationspflichten sein (Verschiebung von Teilen der Wertschöpfungsketten, Steuerwettbewerb, Lücken in Steuerabkommen). Auf dem Treffen in Moskau im Juli 2013 wird erstmals darüber verhandelt. 2014 decken "Offshore-Leaks" (und Global Financial Integrity) auf, dass ein Großteil der chinesischen Partei- und Machtelite 3 Billionen in den Steueroasen der Karibik gebunkert hat (in der Regel über Scheinfirmen). Fast die Hälfte des Schwarzgeldes aus Entwicklungsländern stammt aus China. Vgl. auch Zeitgespräch: Steuerflucht und Steueroasen, in: Wirtschaftsdienst 2013/ 6, S. 359-376. Im Februar 2014 einigen sich die OECD-Staaten auf einen Weltstandard für globale Steuertransparenz. Die Banken müssen künftig Auslandskonten an Heimatstaaten melden und Stiftungen durchleuchten. Die Absicht, Steueroasen auf der ganzen Welt auszutrocknen, scheitert 2014 erstmal. Daraufhin entwickelt das deutsche Finanzministerium ein Rabattmodell für Unternehmen: Durch ermäßigte Steuern auf Patent- oder Lizenzeinkünfte (Patent- oder Lizenzboxen) sollen international tätige Konzerne angelockt und die Verlagerung von Geschäften ins Ausland verhindert werden.  "Nicht die Oase oder die umgebende Wüste sind das Problem, sondern die großen Kamele in der Oase, die den anderen das Wasser weg saufen", Renate Künast. "Wenn wir uns in der G20 auf Prinzipien für eine faire Besteuerung in einer globalisierten Welt verständigen könnten, wäre dies ein großer Schritt vorwärts", Tony Abbot, Ministerpräsident Australiens 2014.

Neue Weltfinanzordnung nach der Weltwirtschaftskrise 2009: 1. Finanzreform in den USA 2009: US-Notenbank bekommt umfassendere Überwachungsvollmachten, es wird eine neue Finanz- und Verbraucherschutzbehörde geschaffen, Hedge-Fonds und Privatinvestoren werden staatlich überwacht. Die Krisen-Hilfen der Notenbank werden einer externen Überprüfung unterzogen. Leerverkäufe bleiben auf unbestimmte Zeit nicht erlaubt. Neue Regeln sollen riskante Geschäfte radikal einschränken (Banken dürfen keine Hedgefonds haben, die Größe der Banken wird beschränkt, Trennung zwischen Banken- und Kapitalmarktgeschäft (Volcker - Regel), keine Einlagen auf eigene Rechnung). Banken sollen eine Sondersteuer zahlen. Es wird eine Insolvenzordnung für Banken eingeführt, sie müssen auch mehr Eigenkapital vorhalten. Schutz für die Verbraucher (Behörde) statt Transaktionsteuer. Derivate und Pensionsfonds sollen kontrolliert werden und transparenter werden (Clearing-Stellen oder Börsen). Die Reform ist in einem Dokument und muss noch durch den US-Kongress und Senat. Im Mai passiert sie den Senat, im Juni und Juli 2010 den Kongress. Die Bankenabgabe wird gekippt. 2. Asien: Bei Regulierungsmaßnahmen hält man sich weitgehend zurück. Es wird kaum Reformbedarf gesehen. Allenfalls geht es um neue Kapital- und Liquiditätsregeln.  3. Kirchen:  Sozialenzyklika von Papst Benedikt XVI. am 07.070.09: das zügellose Profitstreben wird angeprangert. Verurteilt werden kosmopolitische Manager, die oft nur den Anweisungen er Hauptaktionäre folgen. Die Wirtschaft braucht für ihr korrektes Funktionieren die Ethik. 3. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) gibt mit der Sozialkammer eine Denkschrift über "Unternehmerisches Handel in evangelischer Perspektive" heraus. Sie kommt zu der Einsicht, dass man ethische Grundsätze nicht zerlegen kann, und es deshalb eine Unternehmensethik nicht geben darf. Die Wirtschaft soll dem Menschen dienen. Auf dem 4.  G20-Gipfel in Pittsburgh ging es um folgende Punkte: Einlagengarantie, Bankenrettungen, Aufsichtsstärkung, Anlegerschutz, Managervergütung, Eigenkapitalregeln, Rating - Agenturen, Kreditderivate und Handel, Hedge-Fonds, Rechnungslegung, Steueroasen. Die Runde der Finanzminister und das internationale Finanzmarktstabilisierungs-Gremium FSB (früher Forum) entwickelte Details, insbesondere zum Eigenkapital. Insgesamt dürfte die Profitabilität der Banken in Zukunft sinken. Machen nicht alle Länder bei der Kontrolle der Hedge-Fonds mit, dürfte es zu Umzügen kommen (Singapur wirbt). Weitere Beschlüsse werden 2010 in Südkorea gefasst. Weltweit kommt die Bankenabgabe nicht (aber in den USA, GB, EU). Neue Regel für das Eigenkapital sollen erarbeitet werden. Der Baseler Ausschuss und das Financial Stability Board arbeiten für zukünftige Konferenzen konkrete Regelungen aus (u. a. für Toronto). Basel III: Erhöhung der Kernkapitalquote von 4 auf 6% ab 2013.  Die 10 größten deutschen Kreditinstitute brauchen dann bis 2019 rund 50 Mrd. €. Die 5. Europäische Union will generell die Finanzaufsicht unter dem Dach der EZB ansiedeln. Die neue EU-Börsenaufsicht soll Derivate zähmen. Sie hat in London, Paris und Frankfurt ihren Sitz. Die Behörde kann besonders gefährliche Finanzprodukte verbieten. Der außerbörsliche Derivatenhandel hatte Ende 2009 einen Umfang von 425 Billionen US-Dollar erreicht. In Deutschland soll die Bundesbank die Banken- und Versicherungsaufsicht bekommen. Als erstes wird  konkret in der EU ein Risikorat als Frühwarnsystem für die Finanzmärkte bei der EZB eingerichtet. Geplant ist auch die Gründung einer europäischen Rating -Agentur. Im Euroland wird ein Stabilisierungs-Fonds eingerichtet (in Verbindung mit einer weiteren Konkretisierung des Stabilitätspaktes). Die Hedge-Fonds sollen stärker kontrolliert werden (80% in London, deshalb GB dagegen). Auch eine europäische Rating - Agentur soll aufgebaut werden. Es werden 2010 Grenzen für Banker - Boni gezogen: Kopplung an das Grundgehalt, nur 30% bar, Rest 3 bis 5 Jahre zurückhalten und je nach Erfolgsfall auszahlen. Es werden im Herbst 2010 in der EU drei Finanzaufsichtsbehörden eingerichtet: für Banken in London, für Versicherungen in Frankfurt, für Wertpapierbörsen in Paris. Die Behörden sind weisungsbefugt. In Paris wird auch die Aufsicht für die Rating - Agenturen angesiedelt sein. 2012 werden härtere Regeln für die Finanzmärkte eingeführt. Termingeschäfte sollen schärfer kontrolliert werden. Zentrales Element ist die Meldepflicht. Währungsderivate, Zinsderivate und Kreditausfallversicherungen stehen im Vordergrund. Offen ist in 6. Deutschland, ob die BaFin in die Bundesbank integriert wird oder ob eine Holdinglösung kommt. Die Bundesregierung führt eine Bankenabgabe ein, die die Banken an den Kosten für die Soffin beteiligt (1,2 Mrd. €, Notfallfonds für zukünftige Krisen, differenziert nach dem Risiko der Banken). Unklar ist noch, ob die Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Bausparkassen in der Pflicht genommen werden. 2013 soll die Soffin in dem Bankenfonds aufgehen. Außerdem soll die Befugnis für die Bankenaufsicht so erhöht werden, dass Krisenbanken zerlegt werden können. Die Haftungsrisiken bei börsennotierten AGs sollen verlängert werden. Das Beispiel HRE zeigt aber deutlich, dass politische Kontrolle und globales Bankgeschäft nicht zusammen passen. Die Bafin verbietet ungedeckte Leerverkäufe. Das Eigenkapital soll eine größere Rolle spielen im Verhältnis zu Krediten. 2010 werden erstmals Aufsichtsräte von der Bafin abberufen. Künftig wird auch ein "Beipackzettel" für Finanzprodukte Pflicht. Als Resümee lässt sich festhalten, dass die effiziente Finanzmarktregulierung weniger an der Komplexität der Märkte als an mangelnder Unabhängigkeit der nationalen Regierungen scheitert, was eine Gefahr für das demokratische System ist.  "Während die Schulden steigen und die Rezession anhält, erleben wir, wie Regierungen versuchen, ihre Last durch Eingriffe am Finanzmarkt, höhere Inflation und teilweise Staatsbankrott zu erleichtern. Das Endspiel der großen Rezession wird kein schönes Bild abgeben", Kenneth Rogoff, US-Ökonom 2009.  Vgl. auch: Stiglitz, Joseph E.: Freefall: Free Markets and the Sinking of the Global Economy, Norton Company 2010.

Dodd Franck Act (USA): Der "Dodd-Franck Wall Street Reform and Consumer Protection Act" ist ein Bundesgesetz. Es ist nach dem Vorsitzenden des Senatsausschusses für Banken und dem damaligen Vorsitzenden des Ausschusses für Finanzdienstleistungen benannt. Es wurde 2010 verabschiedet. Kernregelungen von Dott-Franck sind: 1. Effektive Finanzaufsicht, 2. Regulierungen der Finanzmärkte, 3. Schutz der Verbraucher und Investoren vor "Schwarzen Schafen" bei den Finanz - Dienstleistern, 4.  Werkzeuge für die Regierung, 5. Internationale Kooperation. Die Regierung unter Trump will ab 2017 das System wieder ändern, weil es die Kreditvergabe behindere und für die USA Nachteile bringe.

Staatsanleihen der USA: Die Schuldenpapiere der USA als Staat geraten 2023 wieder mal unter Druck. Normalerweise gelten sie als sichere Hafen für Geldanleger. Aber 2023 verlangen die Investoren höheren Zins, weil sie einen Ausgleich für das Risiko wollen. Die ganzen Krisen in der Welt (Ukraine, Gaza, Chinas und Europas Wirtschaft) führen zu weniger Anlagen und damit sinkenden Preisen. Das könnte auch folgen für Unternehmen und Arbeitnehmer in Deutschland haben. Die internationalen Notenbanken als beste Kunden halten sich zurück. Natürlich haben die USA auch an Kredit verloren. Hinzu kommt, dass der größte Kunde China umschichtet. Vgl. Buchter, Heike: Das große Beben, in: Die Zeit Nr. 46/ 2.11.23, S. 29.

Staatsverschuldung in der Welt: 2009 und 2010 ist die Staatsverschuldung überall in der Welt dramatisch angestiegen. Der Schnitt liegt 2010 bei ca. 100% Gesamtverschuldung (mit einer Spanne von Japan mit 198% bis zu Schwellenländern mit ca. 40%. Diese Spanne ist eine Bedrohung für das Gleichgewicht in der Welt. Die Konjunkturpakete mussten finanziert werden, Banken mussten vom Staat gerettet werden. In den USA, Japan, Großbritannien und im Euro-Raum stiegen die Staatsschulden um ca. 3,9 Billionen €. Die Staatsanleihen der Länder, die damit ihre Kredite finanzieren, werden von Rating - Agenturen bewertet.  Die Skala geht von AAA bis CCC+. Beabsichtigt ist, die Banken an der Krise zu beteiligen, entweder mit einer Bankenabgabe oder einer Finanztransaktionssteuer. Die Griechenlandkrise in der EU ist auch eine Verschuldungskrise, keine Krise des Euro. Besonders die sehr wichtigen Länder USA, Japan und Großbritannien müssen dringend ihre öffentlichen Haushalte anpassen. Absolut am höchsten sind die Staatsschulden der USA (10.040 Mrd. Euro 2010). Dann folgen Japan (9840), Deutschland, Italien, Brasilien, Frankreich, Großbritannien und Indien. Die Staatsschuldenkrise verwischt auch immer mehr die Grenzen zwischen Geld- und Finanzpolitik. 2011 sind in den OECD-Staaten die Staatsschulden bei 102% gemessen am BIP. Am besten (geringsten Schulden) stehen Kanada, Norwegen, Schweden, Schweiz und Singapur da. 2011 haben die Volkswirtschaften der Welt Schulden in Höhe von 55 Billionen Dollar (Der Spiegel 1/2012, S. 62). Besonders bedrohlich ist die Situation in Japan (238%, Ende 2012) und den USA (108%, Ende 2012). Griechenland liegt Ende 2012 bei 162% (Italien 127%, Irland 117%). Im März 2012 sperrt die EU Fördergelder an Ungarn wegen zu hoher Defizite. Bei Irland erlaubt die EZB der irischen Zentralbank, die Milliardenschulden in Staatsanleihen umzuwandeln und kauft diese dann noch. Eigentlich ist diese monetäre Staatsfinanzierung nicht erlaubt. Die EZB muss haften. Die entscheidende Frage ist, ob die Staaten es schaffen, ihre Schulden abzubauen. Vorerst bedienen sie sich der Notenbanken. Den Preis zahlen die Sparer. Carmen Reinhart und Ken Rogoff fanden in ihrem Buch "Dieses Mal ist alles anders" empirisch heraus, dass die magische Grenze bei 90% liegt. Ab dieser Grenze wird das Wirtschaftswachstum behindert. Allerdings sind in dem Werk erhebliche Rechenfehler.  Viele Länder manipulieren ihre Staatsschulden, in dem verdeckte Schulden bei den Staatsunternehmen bestehen. Staatskonzerne mit der höchsten Verschulung sind 2016 Pemex (Mexiko), Petrobas (Brasilien) und PDVSA (Venezuela) sowie Gazprom (Russland. "Ich würde mal tippen: 6000 €", Silvana Koch - Mehrin, FDP, EU-Wirtschaftspolitikerin, auf die Frage um wie viel die deutschen Schulden während der Fernseh-Sendung "Hart aber fair" gestiegen sind. Richtige Antwort: 20 Mio. €. Ende 2011 dürfte die Schuldenlast aller OECD-Staaten bei 45 Billionen Dollar liegen. Nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ, Basel) steigt der Schuldenberg Mitte 2013 auf 100 Billionen Dollar. Darunter sind in hohem Ausmaße Anleihen von Staaten und Unternehmen. Ende 2017 erreicht die globale Verschuldung 237000 Milliarden Dollar. Die Schuldenquote liegt bei 318 Prozent der Weltwirtschaftsleistung (alle Wirtschaftseinheiten). Quelle: Bankenvereinigung IIF. Diese Zahl ist allerdings sehr umstritten. Der IWF kommt nur auf 83% (Die Rechenmethoden dürften unterschiedlich sein, hier nur Staat).

Staatsverschuldung international: Rangfolge: Japan 258%. Griechenland 177%. USA 122%. Sri Lanka 118%. Ausgewählte Länder. Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung (BIP) in Prozent 2022. Der IWF warnt davor, dass immer mehr Länder in finanzielle Not geraten. Die reine Verteilungspolitik muss dem Ende entgegen gehen. Vgl. Rudzio, Kolja: Die Gefahr der hohen Schulden, in: Die Zeit 17/ 20.4.23, S. 25.

Weitere Verschuldung in der Welt (Private Haushalte, Unternehmen, Finanzsektor): Die Privaten Haushalte waren 2014 mit 40 Billionen US-Dollar verschuldet (2000: 19). Die Unternehmen hatten weltweit 56 Billionen US-Dollar Schulden (2000: 26). Der Fianzsektor brachte es 2014 auf 20 Billionen $ (2000: 45). Quelle: McKinsey.

Staatsschulden und Corona-Krise 2020: Für Deutschland könnten sich durch die Krise und ihre Folgekosten 400 Mrd. € Staatsschulden mehr ergeben. Dadurch wächst die Schuldenquote von 59,85 auf 75% bzw. 69 (je nach Rechenmethode). Schon die Finanzkrise 2008 hatte zu einem rasanten Zuwachs der Schulden weltweit geführt. Gegenüber 2008 gab es schon bis 2019 ein Plus von 40%. 322% der globalen Wirtschaftsleistung betragen die Schulden von Staaten, Unternehmen, privaten Haushalten und Finanzinstituten weltweit. Quelle: Fischer, Malte u. a.: Schuld und Sühne, in: WiWo 17, 174.2020, S. 14ff. "Nur eine der beiden Katastrophen ist denkbar: Entweder beseitigt die Nation die Staatsschuld oder die Staatsschuld die Nation", David Hume, Ökonom und Philosoph, 1750. Die Corona-Krise 2020 führt zu einer hohen Neuverschuldung der Länder. Dazu einige Zahlen (Prognose vom Mai 2020): USA 15,4%, UK 8,3%, Euro-Zone 7,5%, Japan 7,1%. Der Gesamtschuldenstand könnte sich wie folgt entwickeln: Welt 96%, China 65%, Deutschland 69 bzw. 75%, Euroländer 86%, USA 131%, Japan 254%

Finanzstrategie in der Schuldenkrise: Die Anleihezinsen werden durch Regulierungen relativ niedrig gehalten. In Deutschland sind sie für 10-jährige Anleihen mit 1,6% im Mai 2012 historisch niedrig. Weltweit üben die Staaten Druck auf die Zentralbanken aus, die Zinsen nicht zu erhöhen. Die USA wollen die Zinsen sogar bis 2014 auf niedrigen Niveau halten. Insgesamt soll auch mehr Inflation zugelassen werden, damit die Staatsschulden real entwertet werden.

Rating - Agenturen (Rating=Bewertung): Sie bewerten die Kreditwürdigkeit von Unternehmen, Banken, Emissionen und Staaten. Stufen sie das Ausfallrisiko von Krediten höher ein, verlangen die Geldgeber in der Folge höhere Zinsen. Am bekanntesten sind Standard & Poor` s (S&P, seit 1860, 8000 Mitarbeiter, Tochter von McGraw Hill). Daneben gibt es noch Moody`s (seit 1909, 4000 Mitarbeiter, größter Einzelaktionär ist Warren Buffet)) und Fitch (seit 1913, 1800 Mitarbeiter, 60% beim französischen Finanzdienstleister Fimalac). Problematisch für die Unabhängigkeit und Macht sind die Eigentumsverhältnisse, der Sitz in den USA  und die Bezahlung durch die Auftraggeber. Rating - Agenturen sind auf Gewinn ausgerichtete Privatfirmen. Die Einstufung reicht in der Regel von AAA bis D. Viele Großanleger orientieren sich an den Ratings. Als z.B. im Herbst 2011 zwei französische Baken von Moody´s herabgestuft werden, sinkt deren Aktienkurs. Immer wieder wird kritisiert, dass die Rating-Agenturen Schuldner in Sprüngen herabstufen. So wurde z. B. Irland in fünf Stufen auf einmal herabgesetzt. Die Agenturen erkennen meist Krisen viel zu spät. Es gibt auch den Verdacht unangemessener Bewertung von Hypothekenpapieren (US-Justizministerium ermittelt gegen S&P). Schon lange werden Rating-Agenturen in Europa und Asien gefordert. China hat mittlerweile eine eigene Rating-Agentur, auch Japan. Diese haben aber keine große Bedeutung.  Die chinesische Agentur Dagong wurde 1994 gegründet. Sie hat rund 500 Mitarbeiter und 34 Niederlassungen (seit 1998 heißt der Chef Guan). Andere Ratingagenturen sind in Kanada (DBRS), und Deutschland (Euler Hermes). Mittlerweile gibt es in Deutschland noch die Rating -Agentur Scope. Sie wurde 2002 in Berlin gegründet. Sie bewertet Banken und Firmen. Die EU will eine unabhängige Agentur schaffen (Stiftungsmodell, eventuell privat finanziert). 2012 steht diese kurz vor dem Start. Roland Berger ist federführend (bisher Stiftungskapital von 300 Mio. €, Berater Markus Krall). Sitz wird wahrscheinlich Holland sein. Haftung bei fehlerhafter Analyse soll dabei sein. Binnen drei Jahren sollen 1000 Mitarbeiter eingestellt werden. Im April 2012 scheitern vorerst diese Rating-Pläne, weil nicht genügend Investoren für das Gründungskapital von 300 Millionen Euro gefunden werden. Dies scheint bis Herbst 2012 da zu sein, so dass dann gestartet wird. Die EU-Kommission präsentierte auch ein Gesetzespaket, um die Rating - Agenturen mehr an die "kurze Leine zu nehmen" (mehr Transparenz, kürzere Bewertungszyklen, mehr Infos für Investoren, Beteiligungsobergrenzen). Problematisch ist, dass Rating - Agenturen und Hedge - Fonds implizite Allianzen eingehen: Die Agenturen nehmen sich einzelne Länder in Europa vor und stufen sie herab (weil sie in den USA sind?). Die Hedge - Fonds machen nun Leerverkäufe entsprechender Anleihen, wodurch deren Kurs fällt. So können sie die Papiere billig einkaufen. Bonitätsurteile waren angeblich auch politisch motiviert (deshalb muss S&P-Chef Deven Sharma zurücktreten, D. Petersen wird Nachfolger). Im November 2011 wird Frankreich irrtümlich herabgestuft von S&P (120 Min. mit schlimmen Folgen). Ende 2011 droht S&P 15 EU-Länder herabzustufen (eventuell den Rettungsschirm), auch Deutschland. Die EU entwirft 2012 strengere Regeln für die Rating-Agenturen, die europäische Staaten begutachten: Haftung/ bessere Verantwortung, Bekanntgabe bei geschlossenen Börsen/ keine sensiblen Zeitpunkte, Transparenz der Bewertung. 2013 wird in einer Verordnung festgelegt, dass die Agenturen ihre Bewertungskriterien offen legen müssen. Unaufgeforderte Benotungen von Staaten dürfen nur noch dreimal jährlich zu angekündigten Terminen veröffentlicht werden. Ferner müssen sie für ihre Benotungen haften.   "Das unkontrollierte Auseinanderbrechen der Währungsunion muss unbedingt verhindert werden", Beatrice Weder di Mauro im Handelsblatt vom 16.07.11, S. 7.

Finanztransaktionsteuer (Finanzmarktsteuer): Im Kampf gegen Spekulationen in der Diskussion. Sie geht über die Devisenspekulationsteuer von Tobin hinaus. Sie soll alle extrem kurzfristigen und spekulativen Finanzbewegungen (Wertpapier, Derivate- und Devisenmärkte) steuern, aber langfristige Kapitalanlagen begünstigen. Sie wirkt ähnlich wie eine Umsatzsteuer und wird sowohl auf Gewinne wie Verluste erhoben. Mit dem Aufkommen (bis 30 Mrd. € jährlich in D, weltweit 500 Mrd. $) könnten die Finanzmärkte einen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten. Das Problem ist, dass die Steuer nur auf internationaler Ebene Sinn macht, aber die Unterstützung in den USA und Großbritannien fehlt. Hier bremsen unterschiedliche Interessen. Entscheidend dürfte die Gestaltung der Steuer sein. Diskutiert werden Sätze von 0,01 bis 0,05% des Wertes. In der EU könnte die Steuer eine Chance haben im Zusammenhang mit der Einführung einer EU - eigenen Steuer (im Herbst 2010 soll es mehrere Optionen geben). Im Herbst 2011 sprechen sich immer mehr Staaten dagegen aus (Großbritannien, Schweden). 2012 wollen Frankreich und Deutschland eine solche Steuer in den Euroländern einführen. Partiell werden Transaktionssteuern erhoben in Großbritannien ("Stamp Duty" auf Spots), Irland, Süd-Korea, Schweiz, Indien, Taiwan. Alternativen wären eine Börsenumsatzsteuer (gibt es bereits in London, dem größten Bankplatz Europas) oder eine Bankenabgabe (diese soll vor allem Finanzriesen, evtl. auch Versicherungen treffen). Letztere wurde in D schon beschlossen, der Beitrag orientiert sich an der Bilanzsumme minus Eigenkapital und dem Systemrisiko (Einlagen). Berücksichtigt werden soll auch die internationale Verflechtung (Sparkassen, Volksbanken werden verschont). Die Abgabe soll in einen neuen Stabilitätsfonds fließen. Weltweit wird die Bankenabgabe nicht kommen. 2011 bringt die Bankenabgabe in Deutschland 600 Mio. € ein (ursprünglich war mit 1,3 Mrd. € gerechnet worden). In der Diskussion ist auch eine Finanzaktivitätssteuer, die nur auf außerordentliche Gewinne und die Summe der Boni erhoben werden soll. Diese schlägt der IWF vor. Diskutiert wird ein Steuersatz von 2%, Spekulationen werden weniger eingedämmt. 99% aller Börsentransaktionen in der EU laufen über die Finanzplätze London und Frankfurt. 2011 fordert die CDU eine Finanztransaktionssteuer in der kleinen Lösung Deutschland, Frankreich und Österreich. 2011 fordert das Europaparlament eine Finanztransaktionssteuer. Sie hat den Charakter wie eine Mehrwertsteuer in der Realwirtschaft. Sie soll auf Umsätze an den Finanzmärkten erhoben werden, ohne Kreditkartenzahlungen und Bargeld-Devisenumtausch. 2012 beginnt Frankreich damit. Allerdings scheitert die Transaktionssteuer auf europäischer Ebene vorerst im März 2012 (Gegner GB, Luxemburg, Irland). Eventuell kommt es zu einer Stempelsteuer auf Aktienkäufe, die auf Derivate erweitert werden könnte. Die Bundesregierung sieht auch in einer möglichst breit gefassten Börsensteuer eine Alternative. Wahrscheinlich kommt 2012 eine Finanztransaktionssteuer (Aktien, Devisen, Derivate, Termingeschäfte), wenn sich neun Länder finden. Damit wird auch die Zustimmung der Opposition zum Fiskalpakt verknüpft. 10 EU-Länder planen mittlerweile die Transaktionssteuer. Im Herbst 2012 beschließen sogar 11 Staaten eine Transaktionssteuer (Deutschland, Frankreich, Österreich, Belgien, Estland, Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Slowakei, Slowenien; Niederlande überlegt). Die genaue Gestaltung muss noch festgelegt werden. 2013 kann man sich auf die Einführung der Steuer ab 2014 einigen (die EU-Kommission rechnet mit 30 bis 35 Mrd. € Einnahmen). In Deutschland sind Schwarz-Gelb darüber uneins. Es bleibt in der EU umstritten, welche Finanzprodukte von der Abgabe betroffen sind (auch der Ort der Besteuerung ist noch nicht geklärt). Knapp vier Jahre ruht sozusagen der Gesetzesvorschlag. Im Herbst 2015 soll er wieder belebt werden.  "Wir sehen einen Herdentrieb im Markt, ein regelrechtes Rudelverhalten, wie in einem Wolfsrudel. Und wenn wir diese Rudel nicht stoppen, werden sie die geschwächten Länder auseinanderreissen", Anders Borg, Schwedens Finanzminister.

Finanzmarktregulierung: Wichtig wäre eine weltweite Koordination, da die internationalen Finanzmärkte am stärksten globalisiert sind. Deshalb ist sie auch immer wieder Gegenstand von G8 und G20-Treffen. Grundsätzlich gibt es folgende Ansatzpunkte: 1. Bankeninsolvenzrecht ("too big to fail"). 2. Eigenkapitalquote (höhere Mindestquoten). 3. Bankenabgabe (Beteiligung der Verursacher). 4. Leitzinsen (Beeinflussung des Geldkreislaufes und der Kreditvergabe). 5. Transparenz (Derivate - Handel, Hedge - Fonds). 6. Wirtschaftspolitik (Sparen oder Konjunktur ankurbeln? Der G20-Gipfel in Toronto beschließt Halbierung der Schulden bis 2013). Auf den Finanzmärkten muss eine neue Balance von Markt und Staat gefunden werden. Eine Finanzaufsicht mit Interventionsrechten national muss ordnungspolitisch genau umrissen sein. In der EU hat 2011 die ESMA in Paris ihre Arbeit aufgenommen. Sie ist zuständig für die Neuzulassung der Ratingagenturen in Europa. Sie soll zu einer Art Finanzaufsicht entwickelt werden. Hauptproblem sind die Interessen Londons. Die EZB wird immer mehr zur "Feuerwehr an den Finanzmärkten" (Anleihekäufe). Sie folgt damit der US-Notenbank Fed, die immer weniger geldpolitisch unabhängig ist.  "Drei Dinge treiben den Menschen zum Wahnsinn. Die Liebe, die Eifersucht und das Studium der Börsenkurse", John M. Keynes.

Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktstabilität (FISG): Das Gesetz soll noch 2021 fertig werden. Anlass war die Tatsache, dass erstmals in der deutschen Geschichte ein DAX-Unternehmen insolvent ging (Wirecard, 2 Mrd. € waren verschwunden). Das Gesetz ist also die Konsequenz von Wirecard. Es hat drei Regelungsbereiche: 1. Abschlussprüfung (Fee Cap, Bagatellverfahren, externe Rotation (10 Jahre), Schadensersatz (bei grober Fahrlässigkeit). 2. Bilanzkontrolle (Corporate Governance). 3. Prüfung der Bafin - Reform. Das Gesetz ist noch im politischen Prozess. Es schwankt zwischen politischer und ökonomischer Rationalität. Die Diskussion wird über das Gesetz hinaus weitergehen: Europäische SEC? Wettbewerb im  Prüfermarkt?  "Hart cases made bad laws", aus GB. Quelle: Gerrit Fey, Deutsches Aktieninstitut, Fachbereich Kapitalmärkte. Vortrag beim bdvb. Zoom-Video-Konferenz 22.4.2021.

Kreditgeber letzter Instanz (Lender of last resort): Mit der Bereitstellung eines Rettungspakets lindert der Kreditgeber letzter Instanz den finanziellen Druck zu einem bestimmten Preis.

Staatsfonds der Welt: Es gibt ca. 12 große Staatsfonds in der Welt. Die größten haben Abu Dhabi (627 Mrd. $), Norwegen (512 Mrd. $; 2017: 1 Billion Dollar) und Saudi-Arabien (439 Mrd. $). Diese Rangfolge gilt nur, wenn man die vier chinesischen Staatsfonds nicht addiert: SAFE Investment Company, China Investment Corporation, National Social Security Fund und Hongkong. Danach folgen Singapur (2 Fonds, einer Temasek Holdings, das Vorbild aller Fonds), Kuweit, Russland und Katar. Die Regierungen treten als Investor auf. 2015 wird der Norwegische Staatsfonds zum größten der Welt (803 Mrd. Euro, Government Pension Fund - Global). An zweiter Stelle liegt Abu Dhabi (Investment Authority; 704 Mrd. Euro) vor Saudi-Arabien (SAMA Foreign Holdings; 690). Die China Investment Corporation liegt auf der vierten Stelle bei 680 Mrd. Euro vor der Kuweit Investment Authority (539).  Die Depotanteile sind auf viele Länder verteilt. Deutsche Unternehmen haben hohe Beteiligungen der Staatsfonds. Vor allem einzelne Unternehmen aus dem DAX haben einen hohen Anteil (Linde, BMW, Daimler). 2016 stoßen die Staatsfonds aus Saudi-Arabien, Russland, Norwegen massiv Aktien ab. Grund ist der niedrige Ölpreis. Der Norwegische Staatsfonds unterliegt eine Ethik-Richtlinie. Es darf nicht in Unternehmen investiert werden, die Massenvernichtungsmittel herstellen oder gegen Menschenrechte verstoßen. 2016 kostet das alleine 1,3 Mrd. €.  Ende 2017 verkündet der Norwegische Staatsfonds die Abkehr vom Ölgeschäft. 2021 leitet Lara Kathuria den Norvegischen Staatsfonds, Er ist auch die Rentenkasse des Staates. Ihr Motto ist: "Signale verstehen!".

Liquiditätsschwemme: ausgelöst durch Zentralbankgeld seit dem Ausbruch der Finanzkrise bis Anfang 2011. Die USA pumpen 1112 Mrd. $ in den Geldmarkt durch Repogeschäfte, Käufe von Wertpapieren und Zinssenkungen. Dagegen ist der Betrag der EZB mit 173 Mrd. € gering. Japan bringt 9000 Mrd. Yen durch Zinssenkungen, Anleihekäufe und Devisenmarktinterventionen in den Markt. China setzt 1300 Mrd. Yuan ein.  

Diktat der Finanzmärkte: Großbanken und Rating - Agenturen setzen ihre Prinzipien gegen demokratische Staaten durch. Sie haben die Regierungen in Griechenland, Italien, Belgien und Spanien zu Fall gebracht bzw. Regierungswechsel erzwungen. Staaten verlieren ihr Budgetrecht. Immer schwieriger erweist sich der Faktor "Zeit" in der Demokratie. Das Vertrauen in Marktwirtschaft schwindet. Es hat sich eine neue "außerparlamentarische Opposition" herausgebildet, die durch nichts legitimiert ist. Ein boomender Finanzsektor schadet auch der Realwirtschaft. Vgl. Stephen Ceccetti, Enisse Kharroubi: Why does financial sector growth crowd out real economic growth? BIS Paper, September 2013. "Die Finanzkrise wird die Welt so stark verändern wie der Fall der Mauer", Wolfgang Schäuble, Bundesfinanzminister. "Wir haben ein Kasino geschaffen, das die Fundamente einer gesunden Wirtschaft untergräbt", David Stockman.

Kamikaze-Kapitalismus: Von David Graeber mit einem Buch geprägt (Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus, München 2012). Im Mittelpunkt steht der Einfluss von Geld auf die Politik und zu hohe Schulden jeder Art. Graeber, Professor für Ethnologie, ist einer der führenden Köpfe der Occupy Wall Street - Bewegung. Der Autor prangert die ungerechte Verteilung des Wohlstands an sieht ein spürbares Ende des Kapitalismus. In Deutschland hat sich Blockupy herausgebildet. In der Regel finden Demonstrationen in Frankfurt statt (vor Deutscher Bank oder Standort der EZB).

Deutsche Pfandbriefbank: Hypo Real Estate, München  (HRE; Symbol für die Auswirkungen der Finanzkrise; Rettung mit Steuermillionen; verstaatlicht 2009; neuer Namen: Deutsche Pfandbriefbank/ PBB; auch Bad Bank FMS). Die HRE selbst muss der Bund bis 2015 wieder verkaufen. Evtl. muss die Bank noch Anleger entschädigen. Das Verfahren läuft noch. Sechs Jahre nach der Beinahepleite klagt die Münchener Staatsanwaltschaft 2014 den gesamten Exvorstand an.

Abkoppeln von China und Russland vom globalen Finanzsystem: Beide Länder haben Sorgen über härtere Sanktionen. Sie wollen das Sanktionsrisiko verringern und mehr Unabhängigkeit. Man fürchtet vor allem den Ausschluss vom Finanzdienstleister Swift. Beide Länder haben bereits eigene Kreditkartenfirmen gegründet. Beide Länder wollen sich mehr zusammentun.

CIPS: Das chinesische Zahlungssystem. Es ist gegenwärtig noch kein Ersatz für Swift. Es ist technisch noch nicht ausgereift und ist auf Transaktionen mit Yuan ausgelegt. Russland hatte bisher immer Vorbehalte dagegen, weil der Renminbi nicht frei konvertierbar ist. Das könnte sich nach dem Ukraine-Krieg ändern.

 

 


Fortsetzung des VWL - Lehrbuchs auf der Seite Fallstudie/ E-Learning: hier (Volkswirtschaftslehre, Inhalt: Fallstudien, Funktionsweise, Ideologien (Ideen) und Wirtschaft, wirtschaftspolitische Grundkonzeptionen, Marktbetrachtung (Grundlagen, Finanzmärkte, Umwelt, Arbeitsmarkt), Weltwirtschaftskrise,  Wirtschaftsordnungen) und auf der Seite "Methode" (Übungsmodell, Spieltheorie, Lern-Datenraster, Methode der VWL, Wissenschaftstheoretische Grundlagen der VWL).

 

"Kein Ding sieht so aus, wie es ist. am wenigsten der Mensch, dieser lederne Sack voller Kniffe und Pfiffe", Wilhelm Busch, verstarb vor weit über 100 Jahren am 09. 01. 1908. Er war Satiriker, Dichter, Zeichner (Urvater des Comics) und Maler, auch Buddhist. Vgl. auch die W.-B.-Gesellschaft.