Werner Krämer

Culture, Religion, Philosophie, Soziologie, Psychologie

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"Wenn wir zu hoffen aufhören, kommt, was wir fürchten, bestimmt", Ernst Bloch, Philosoph, in Ludwigshafen geboren, am 8. Juli 2015 wäre er 130 Jahre alt geworden. Vor 100 Jahren (1913) erschien sein Werk "Geist der Utopie", das seinem Hauptwerk "Das Prinzip Hoffnung" (mitten im Krieg geschrieben) vorauseilt. Er versucht dem Bösen das Utopische entgegenzusetzen (hochaktuell!). Er hatte sich auch mit der daoistischen Philosophie beschäftigt. Auch folgender Spruch ist von ihm: "Die einzige Sprache, die jeder versteht, ist die Sprache des menschlichen Gesichts". Weitere Zitate von ihm am Ende dieser Seite. Seit 1997 gibt es das Ernst-Bloch-Zentrum in Ludwigshafen (www.bloch.de). Der zweite berühmte Sohn Ludwigshafens war Helmut Kohl, der 16 Jahre Kanzler war und am 16. Juni 2017 mit 86 Jahren starb. Kohl hatte eine besondere Beziehung zu seiner Geburtsstadt, in der er auch starb, aber auch zu Speyer, wo er begraben wurde, und zu Straßburg, wo zum ersten Mal ein europäischer Trauerakt für ihn stattfand. 2021 wird eine Helmut-Kohl-Stiftung gegründet. Es gibt Streit mit der Witwe um Sitz und Struktur. 2021 beschließt der Stadtrat in Ludwigshafen eine Helmut-Kohl-Straße zu benennen. Im März 2022 wird eine Helmut-Kohl-Büste in der Nähe des Speyerer Doms aufgestellt. 2023 beschuldigt der Ex-Chefredakteur der Bild Kai Diekmann in seinem Buch die Kohlsöhne der Geldgier. Vor 250 Jahren (27.8.20 zurück) wurde der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel in Stuttgart geboren. Er ist einer der bedeutendsten Philosophen überhaupt, allein schon durch seinen Einfluss auf Karl Marx. Vor ca. 150 Jahren 1871 wurde der Dichter Christian Morgenstern geboren. Er war auch ein wichtiges Vorbild für Heinz Erhardt. 2024 wird der Maler, Grafiker und Zeichner Caspar David Friedrich in den Mittelpunkt gerückt, der 1774 geboren wurde (vor 250 Jahren). Mit der konstruierten Bilderfindung leistete er einen originären Beitrag zur modernen Kunst. Kaum ein deutscher Maler wird so geliebt. Für Klimabewegte wird Friedrich zu einem Propheten. Er ist der Maler der Stunde. Vgl. Illies, Florian: Zauber der Stille. Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten, Frankfurt (S. Fischer) 2024.

Zitate und Leben  von Ernst Bloch und von anderen Künstlern (Heine, Biermann, Enzensberger, Böll, Fontane, Beethoven, Hegel, Christian Morgenstern, Kafka), die in einem Jahr der Vergangenheit gefeiert wurden.

                                                   

Inhalt/ Agenda: Bisher sind Kinder-Uni und Schulpatenschaft; ein Forum der Nutzer; ein satirisches Portrait der Volkswirtschaftslehre; ein Schwarzes Brett. Berühmte Wirtschaftsbücher (große und einflussreiche Ökonomen); ökonomisch relevante Filme  und Kommentare (Views). Die Seidenstrasse  (alte und neue; "Autobahn" der Globalisierung und Strategie der KPCh); Troja/ Ilias und Homer (Wiege unserer Kultur und Wissenschaft); Islamische Kultur und Wirtschaft (auch Türkei, Iran, Indonesien, Afghanistan, Saudi-Arabien,  Einfluss des Islamismus, Integration) Ganzheitliches Denken (vor allem aus China); Naturströmungen: Daoismus und Shintoismus, (Leben, Lehre, Relevanz); Konfuzianismus in Asien (Sittenlehre)Kulturelemente in Asien (China, Japan); Kultur als Rahmen in China, in Japan, in Korea, in Indien, in Indonesien, in Russland, in Vietnam, in Afghanistan, im Iran. Indien als Ursprungsland vieler Religionen der WeltBhagavad Gita/ Yoga/ Tri Guna ( Psychologie Indiens), Religion als Bestandteil der Kultur und Wirtschaft (Ursprünge der Philosophie). Große deutsche Soziologen: Soziologie und Ökonomie I, Businessstrategien in unterschiedlichen Kulturen (Soziologie und Ökonomie II, Kulturfaktoren, sozialer Rahmen). Auslandschinesen, Migration, "Greater China", Kultur und Subkulturen (China als wichtigstes Land der Welt und Kultur der Zukunft, chinesisches Jahrhundert). Psychologie als Grundlage der Ökonomie (+Sozialpsychologie, menschliches Verhalten als Kern der Ökonomie). Digitale Gesellschaft und digitaler Mensch (Kultur bzw. Soziologie/ Psychologie der Digitalisierung; digital Humanities). Soziologie/ Sozialpsychologie  der GlobalisierungSoziologie/ Sozialpsychologie der Nachhaltigkeit. Geschichte und Struktur der Philosophie als Ursprung der Ökonomie. Eckdaten der weltweiten Kultur- und Wirtschaftsgeschichte, Astronomie und China (Kooperation mit Europa, Technologiegeschichte), sowie neuere Zitate aus dem Wirtschaftsleben enthalten. Jubiläen (berühmte Personen der Kultur und -geschichte) 

Diese Seite soll von den Nutzern mitgestaltet werden. Bitte äußern Sie Anregungen, Ideen, Kritik oder Bedarfswünsche. Dies können Sie gerne persönlich, schriftlich oder per Email (Feedback )machen. Bei den Wissenselementen überwiegen soziologische, kulturelle und psychologische Sachverhalte. Sie werden als die wichtigsten Unterstützungsleistungen für die Ökonomie gesehen. Leider wurden und werden diese Elemente in der Ökonomie oft ausgeblendet. Ich nehme auch gerne Anregungen von Studentinnen und Studenten anderer Hochschulen oder von Kolleginnen und Kollegen entgegen.                                                                                            

 

  Bildung und Ausbildung ist unser Pass für die Zukunft und das Morgen gehört denjenigen, die sich heute darauf vorbereiten, Wolfgang Gerhardt, Politiker.

Kinder-Uni und Schulpatenschaft:

Kinder-Uni

Wintersemester 2009/ 2010, Thema:

Umweltschutz durch Eigennutz. Denn heute stirbt der Wald und morgen ... ? (oder: Warum Eisbären Radfahrer mögen)

Kurze Inhaltsangabe:

Im Dezember 2009 findet in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen eine Weltklimakonferenz mit fast allen Ländern der Erde statt, die den zukünftigen Umweltschutz weltweit regeln soll. Die jetzige Regelung, das Kyoto-Protokoll, läuft im Jahre 2012 aus. Eine neue Übereinkunft ist dringend notwendig für das Überleben der Erde, denn die Naturkatastrophen (Stürme, Überschwemmungen, Dürren, Versteppung, Eisschmelze u. a.) infolge zunehmender Umweltverschmutzung häufen sich.

Dazu gehört auch das Absterben der Bäume. Ob es einem Baum schlecht geht, erkennt man meist am Blattausfall. Das Waldsterben  ist insbesondere auf den CO2-Ausstoß (Kohlenstoffdioxid) zurückzuführen. Diese Verunreinigung (Emission) entsteht durch Autofahren, produzierende Firmen, Kraftwerke, Flugzeuge und Heizungen. Leider zahlen diese Verursacher nicht ganz für ihre negativen Folgen, sondern die Allgemeinheit (alle Menschen, die Steuern zahlen) muss die Schäden tragen oder beseitigen (der globale Waldschutz stand auch im Mittelpunkt der Nachfolgekonferenz in mexikanischen Cancun Ende 2010).

Hier setzt die Umweltökonomik (wirtschaftliche Beschäftigung mit Umweltfragen) ein, indem sie erreichen will, dass jeder Verursacher für seine Schäden selbst zahlt. Sie will die Menschen dazu bringen, dass es zu ihrem  eigenen Vorteil ist, die Umwelt sauber zu halten.

Anhand eines Waldexperimentierkoffers (von der BASF gesponsert), verschiedener interaktiver Umwelt-Internetseiten und eines Rollenspiels wird mit den Kindern die Umweltproblematik behandelt und die Funktionsweise eines künstlich erzeugten Marktes im Umweltbereich nachgestellt. Dieser Markt regelt die Höchstmenge von CO2 über Verschmutzungsrechte (Zertifikate). In der Praxis findet dies mittlerweile schon in Europa statt.  

Termin: 14. Januar 2010, 15.30 - 16.30 Uhr, in A 302. Geeignet für Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren. Literatur: Al Gore, Wir haben die Wahl. Ein Plan zur Lösung der Klimakrise, München: Riemann 2009.

Sommersemester 2009, Thema:

Warum ist der Big -  Mac nicht nur zum Essen da?

Kurze Inhaltsangabe:

Den Big Mac kennt fast jedes Kind und fast jeder Erwachsene überall in der Welt. Er ist ein Produkt und eine Marke der Fast Food - Kette Mc Donalds, die ein globales Unternehmen darstellt und somit in fast allen Ländern der Erde vertreten ist. 

Wirtschaftswissenschaftler nutzen diese Eigenschaft, um die Preise von Waren auf der Welt vergleichen zu können. Sie können dabei vor allem sehen, ob das Geld in einem anderen Land (Währung genannt) in Bezug zum wichtigsten Geld auf der Welt (Dollar) oder zu unserem Geld, dem Euro, zu hoch oder zu niedrig bewertet ist. Man spricht vom Big Mac – Index und scherzhaft von „Burgernomics“. Eine englische Zeitung, der „Economist, macht regelmäßig die  Berechnung.  

Der Wert eines Geldes ist wichtig beim Umtauschen in das Geld eines anderen Landes. Wenn man in Urlaub fährt, möchte man auch wissen, wie viel man mit seinem Geld, dem Euro, im Ausland kaufen kann (dies wird „Verbrauchergeldparität“ genannt).

Vorsichtig eingebaut wurden auch Hinweise darauf, dass Fast Food dick und süchtig machen kann (dies zeigen Studien mit Ratten in den USA).

Termin: 29. April 2009 von 15.30 bis 16.30 Uhr, für acht bis zwölfjährige SchülerInnen in A 302. Mc Donalds neben der Hochschule sponsert die Veranstaltung mit kostenlosen Big Macs. Am 29. Mai in einer Grundschule. Die Big Macs werden gemeinsam selbst zubereitet.

Vgl. auch: University of Western Australia, The Big Mac Index - Two Decades on an Evaluation of Burgernomics", 2010. Einerseits sind die Wechselkursprognosen auf Basis der Burgerpreise systematisch verzerrt (unterschiedliche Rohstoffkosten und Arbeitspreise werden ausgeklammert). Andererseits lassen sich diese Fehler korrigieren. Damit sind die Vorhersagen mittel- bis langfristig gar nicht so schlecht. Berühmt wurde auch die Internetseite der "Unverwüstliche Burger", wo ein Experiment mit einem Burger von Mc Donalds geschildert wird, der nach 180 Tagen noch gleich frisch aussieht.

Sommersemester 2008, Thema:

Wie man einen Gummibärchenskandal spielerisch lösen kann, oder: Was nützen Wirtschafts-Nobelpreisträger in der Grundschule?

Kurze Inhaltsangabe:

Jan ist Klassensprecher einer  Grundschulklasse. Das ist er geworden, weil er an die Mitschüler Gummibärchen verteilt hat. Über die Herkunft der Gummibärchen hat er gelogen. Lea, eine Mitschülerin und stellvertretende Klassensprecherin, weiß davon. Sie hat aber selbst Gummibärchen von einem Fremden angenommen, was verboten ist. Dies wiederum weiß Jan. Gerüchte über beide Fälle drohen sich zu einem Gummibärchenskandal auszuweiten. Die Klassenlehrerin will den Skandal mithilfe der Spieltheorie lösen. Für die Spieltheorie sind in den letzten Jahren fast alle Wirtschaftsnobelpreise (der wichtigste Preis für Wirtschaftsforscher) vergeben worden. Wie können verschiedene Lösungen des Skandals ausschauen?

Termin: Fr. 13. Juni 2008, 15.30 Uhr, in A 301. Mit Beitrag und Interview von SWR4.

"Man müsste im Vorschulalter und Grundschulalter alles konzentrieren, was man an guter Pädagogik zur Verfügung hat", Henning Scheich, Direktor Leibnitz-Institut für Neurologie, Magdeburg.

"Ein großer Mensch ist, wer sein Kinderherz nicht verliert", Mengtse.

Sommersemester 2006, Thema:

Warum regnet Geld nicht vom Himmel und wird nicht in den Mülleimer geworfen?  (analog dem chinesischen Sprichwort "Reiskörner fallen nicht vom Himmel"; es ging nicht um Helikoptergeld!).

Kurze Inhaltsangabe:

Geld steht für das Wesen des Wirtschaftens, mit dem Kinder zuerst in Berührung kommen (z. B. Sparbüchse, Taschengeld).

Ökonomische Fragen, die jeder zu beantworten hat, sind : Wie komme ich an Geld? (Muss ich arbeiten  oder "arbeitet" mein Geld?) Was tue ich mit dem Geld? (Brauche ich Geld?) Wie viel Geld habe ich? Wie viel Geld werde ich in Zukunft haben?  Anhand des Geldes können auch Grundfragen behandelt werden: Regiert Geld die Welt? Macht Geld allein glücklich? Hört bei Geld die Freundschaft auf?

Ausgangspunkt sind Geldscheine und Münzen, die die Kinder bekommen. In ein spielerisches Experiment und eine kleine Befragung werden die Teilnehmer aktiv eingebunden.

Termin: Mo 12. Juni 2006, 15.00 bis 16.00 Uhr in A303. Die Veranstaltung  für 8 bis 12jährige Schüler war schon lange ausgebucht.  Am 29.09. 2007 in einer Buchhandlung in Neustadt für Kinder von 8-10 Jahren.

Buch zur Vorbereitung (nicht Voraussetzung): Crummenerl/ Puth, So ist das mit dem Geld, Würzburg (Arena) 2004.

Diese Veranstaltung kann in modifizierter Form auch in Banken,  Buchhandlungen, Schulen oder anderen Institutionen eingesetzt werden.

"Man braucht Geld, um zu leben, auch ich benötige es. Jeder liebt Geld", Dalai Lama, Friedensnobelpreisträger und buddhistisches Oberhaupt Tibets.

Schulpatenschaft

Die Hochschule kümmert sich schon länger um die relevanten Schulen der Region. Im Rahmen dieses Schulpatenschaftsprogramms habe ich zuletzt die Berufsbildende Schule, Landau besucht. Eine Klasse der Internationalen Gesamtschule Mannheim, Herzogenried ( www.igmh.de ) wurde in der FH und im OAI betreut.

Am 10. September 2008 habe ich einen Vortrag über die Kompetenzen der HS Ludwigshafen in der Metropolregion Rhein-Neckar auf der Messe für Ausbildung und Studium (MAuS) am Otto-Hahn-Gymnasium in Landau (R. A 219 von 13.20 - 13.50 Uhr) gehalten.

"Wirklich ist jedes Kind gewissermaßen ein Genie, und jedes Genie gewissermaßen ein Kind", Arthur Schopenhauer, deutscher Philosoph (1788-1860).

 

      "Cras legam" (Ich werd` es morgen lesen). Nach Sueton, römischer Schriftsteller um 70-140. Das Schriftstück, das Cäsar den geplanten Anschlag auf sein Leben enthüllen sollte, wurde von ihm weggelegt, um es später zu lesen. Am 15. März 44 wurde er ermordet. "Don`t put off until tomorrow what you can do today".

Forum:

- Literaturempfehlungen: von StudentInnen: Tom Peters: Re-imagine - Spitzenleistungen in chaotischen Zeiten -, Starnberg 2004 (Dorling Kindersley Verlag). Vergleiche auch www.tompeters.com.  Zitate daraus: "Die wichtigste und verantwortungsvollste Aufgabe unserer Zeit ist es, unsere Unternehmen und Institutionen, ob öffentlich oder privat, neu zu erfinden". "Alles verändert sich ständig und immer schneller. Nichts ist von Dauer", S. 305. Eine weitere Literaturempfehlung: Ridderstrale, J./ Nordström, K. Karaoke Kapitalismus, Redpoint 2005 (vgl. auch Karaoke - Kapitalismus ).

- Der Vorschlag, die Kategorie "FAQ" (Frequently Asked Questions) aufzunehmen, ist implizit auf der Homepage umgesetzt, da der Text im Laufe vieler Jahre (mittlerweile über 16 Jahre) maßgeblich von den Fragen meiner StudentInnen inspiriert wurde.

- Für die Vorbereitung von Prüfungen können je nach Studienabschnitt und Fach durchaus einige Informationen der Homepage die Arbeit erleichtern (z.B. die aktuellen Daten auf der Startseite oder der Seite "Ostasien" bzw. die Seite "Übung", auch "E-Learning"). Die Kombination einzelner Seiten entspricht einem VWL-Online-Lehrbuch.

Emails zu bevorstehenden Klausuren beantworte ich nicht. Ich sehe darin einen unzulässigen Versuch, sich persönlich einen Vorteil zu verschaffen. Alle StudentInnen müssen die gleichen Chancen und Bedingungen haben. Fragen nach Noten beantworte ich auch grundsätzlich nicht per Email. Ebenso gebe ich Noten jeder Art niemals selbst bekannt.

- Seminararbeiten und Referate kann ich nicht online per Email betreuen, weil der interaktive Aufwand und die erforderliche Exaktheit eines schriftlichen Dokuments dem entgegenstehen. Auch Anfragen sollten über das Sekretariat laufen.

- Wenn Sie beabsichtigen, eine Thesis (Bachelor oder Master) von mir betreuen zu lassen, informieren Sie sich bitte vorab auf der Seite "Abschluss/ Thesis". Meine Fächer sollten dabei nicht zu den schwächeren gehören. Die Zahl "schlampiger" Arbeiten (wegen Termindruck durch bevorstehendes Masterstudium, Defizite im wissenschaftlichen Arbeiten, Rechtschreibschwächen, Kopieren aus dem Internet) ist gewachsen. Ich will auf keinen Fall "als Co-Autor auftreten".

- Zeitung lesen (insbesondere Wirtschaftsteil, oder das entsprechende Nutzen anderer Medien) ist bei mir nicht nur prüfungsrelevant, sondern indiziert auch Engagement und ist im späteren Berufsleben notwendig. 

- Kritik bzw. Verbesserungsvorschläge beziehen sich häufig auf die Übersichtlichkeit der Homepage. Ich bitte, unterstützend mit der Gliederungs-Seite "Sidemap" zu arbeiten. Das schließt aber nicht aus, dass ich mir über diesen Punkt Gedanken mache und ständig an Innovationen arbeite - soweit dies meine Zeit und mein Know-how ermöglichen. Meine StudentInnen dürften es aber aufgrund der Kenntnis meiner Denkweise/ Logik und mündlicher Hinweise in den Veranstaltungen einfacher haben.

- E - Learning Elemente, die auch interaktive Kommunikation ermöglichen (Web 2.0), sind auf mittlere Sicht für die Veranstaltung VWL I vorgesehen. In OLAT bin ich mit Veranstaltungen aktiv. Es ist zu berücksichtigen, dass diese für den Dozenten in vielen Fällen sehr arbeitsintensiv und ineffizient sind. Gerade der Campus-Gedanke im OAI lässt dies auch weniger sinnvoll erscheinen; dagegen wird hier die Kommunikation in den Veranstaltungen ständig ausgebaut (soweit der Hochschulpakt dies noch erlaubt). Die Rolle des Professors verändert sich (und würde sich noch stärker verändern, wenn die Rahmenbedingungen besser wären).

- Keine noch so guten Skripte und Super - Präsentationen können das eigene Literaturstudium und die Übungen (Workload) ersetzen. Wissen wird nicht automatisch beim im Raumsitzen und Rumsitzen übertragen. Lernen ist und wird immer notwendig bleiben. Außerdem ist es immer mit Denkprozessen gekoppelt, ebenso spielt die Interaktion bzw. zweiseitige Kommunikation eine große Rolle. Deshalb sollte man als Student die Schuld für Versagen immer zuerst bei sich suchen und nicht in der Evaluierung versuchen, dem Dozenten den "Schwarzen Peter" zuzuschieben. Auch für miserable Rahmenbedingungen sollte der Dozent nicht verantwortlich gemacht werden.

- Unverschämte Emails beantworte ich nicht, einige Kostproben: "wegen eines Jobs kann ich nicht in die Veranstaltung kommen, bitte geben Sie mir den Inhalt an"; "wegen Krankheit konnte ich die Vorlesung nicht besuchen, ich bitte um einige Tipps zum Klausurthema"; "da Ihre Vorlesung überfüllt ist, möchte ich sie mit Ihnen in der Sprechstunde durchsprechen" usw. Damit ist noch nicht von der Rechtschreibung die Rede.

- Zunehmend versuchen Studenten, über Email Kontakt aufzunehmen, wenn sie in Veranstaltungen oder Zusatzveranstaltungen nicht anwesend waren. Auf diese Art von Arbeitsbeschaffung verzichte ich gerne.

- Sowohl Klausuren als auch Hausarbeiten enthalten Kommentare, aus denen sich die  Begründung der Note ableiten lässt. Dies ist den Studenten durch Einsichtnahme zugänglich. Bei stark steigenden Korrekturfällen werden die Bemerkungen kürzer, nicht mehr so gut lesbar und ich kann einzelne Email-Anfragen nicht mehr beantworten. Noten werden nicht geändert und sind somit nicht verhandelbar. Wegen extrem hoher Studentenzahl und damit Prüfungsteilnehmer-Zahl gehe ich zu Sammelbesprechungen der Prüfungsergebnisse und Klausurbesprechungen über.

- Einzelne Studenten versuchen, mit Diskussionen, Emails und entsprechenden Lehrevaluierungen, mich dazu zu bewegen, die Power -Point orientierte Auswendiglernmentalität einiger BWL-Fächer auf die Volkswirtschaftslehre und Statistik zu übertragen. Das Verlangen von Denk- und Transferfähigkeiten auch im Bachelor ist eine hochschulpolitische Grundsatzfrage. Anders lautenden konkreten Gremienbeschlüssen, die von Transferfähigkeiten abrücken, würde ich aber folgen, was meine Arbeit erheblich erleichterte, weil ich kaum noch Wiederholer hätte.

"Die Steuern sind hoch, die Arbeitszeiten kurz, der Urlaub lang. Rom ist untergegangen, weil die Leute sich zu sehr amüsiert haben", Shigetaka Komori, Präsident der Japanisch-Deutschen Gesellschaft über Deutschland.

"Jeder Kunde hat ein Recht, zu wissen, wie die Leute, bei denen er einkauft, zur Gesellschaft stehen", dm-Chef Götz Werner (er wurde auch bekannt durch seine Forderung nach einem Grundeinkommen in Deutschland).

 

 

       "Ein Ökonom ist jemand, der mehr vom Geld versteht als die Leute, die es haben", John Kenneth Galbraith, amerikanischer Ökonom, 2006 gestorben. Er wurde von Keynes beeinflusst. Berühmt wurde er durch sein Buch "Gesellschaft im Überfluss", 1955.

Portrait:

der Volkswirtschaftslehre (bzw. Ökonomik) mit Augenzwinkern. Auf mehrfachen Wunsch hin.

Ökonomen-Witz: Ein Heißluftballon war vom Kurs abgekommen und trieb orientierungslos über Berge und Täler. Endlich sahen die beiden Piloten tief unten einen Wanderer. "Wo sind wir?", riefen sie ihm zu. "Ihr seid in einem Ballon", rief der Wanderer zurück. Worauf der eine Ballonfahrer zum anderen sagte: "Die Antwort ist präzise, korrekt und absolut nutzlos. Der Mann muss ein Ökonom sein." (Quelle: Nikolaus Piper: Präzise, korrekt, nutzlos?, in: Zeit der Ökonomen. Eine kritische Bilanz volkswirtschaftlichen Denkens, Hamburg 1993, S.5).

"Volkswirte dienen dem Volk, nicht der Politik. Doch hören die Politiker ihnen nur zu, wenn es auch das Volk tut", Hans-Werner Sinn 2016 (zitiert nach Capital, Ausgabe 2/ 2016, S. 66.

"Die einzigen Räder, die der Nationalökonom in Bewegung setzt, sind die Habsucht und der Krieg unter den Habsüchtigen, die Konkurrenz", Karl Marx, MEW, 40, S. 511.

Volkswirtschaftslehre (VWL) ist eine Wissenschaft zur Beantwortung folgender Fragen auf fünf Gebieten:

Instrumente/ Methoden: Warum betreibt die Volkswirtschaftslehre (VWL) mit ihrem Namen Etikettenschwindel, da sie doch mehr Weltwirtschaft ist und eigentlich Globalökonomik heißen müsste?   Warum bringt das Internet ökonomische Gesetze durcheinander und wird deshalb nicht verboten?  Wie macht man aus Kaffee Theoreme? (sind deshalb die Kaffeeanbau-Länder so arm oder kann man im Kaffeesatz lesen: z. B. bei den Kosten bei einer Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I). Warum hält volkswirtschaftliches Wissen nicht länger als Fisch? Warum misstraut jeder ökonomischen Aussagen und warum ist bei vielen Talkshows  doch immer ein Ökonom dabei? Warum liegen ökonomische Prognosen fast immer daneben? Warum kann man aus unrealistischen Annahmen so gute Schlüsse ziehen? Warum sind Ideologien in der VWL oft wichtiger als Ideen? Warum sollen politische Maßnahmen nicht bewertet, aber beurteilt werden? Warum ist die VWL die einzig wahre Sozialwissenschaft und warum sind alle anderen Hilfswissenschaften? Warum ist die Volkswirtschaftlehre imperialistisch, indem sie häufig Fragen bearbeitet, über die auch andere Disziplinen nachdenken? Warum rennt der "homo oeconomicus" dauert "gegen die Wand"? (weil ihm die Kultur fehlt?). Warum leidet beim Denken ans Vermögen das Denkvermögen? Warum ist der mathematische Ansatz so erfolgreich? Weil er nur rein schematisches Denken ("Scheuklappen") erfordert. Warum sind die Vorhersagekünste deutscher Ökonomen so schlecht? (z. B. für 2010). "Wie mer et määt ess et verkehrt", Kölsche Weisheit, für Ökonomen gut geeignet (Trost für manche VWL-Klausuren). Als Ergänzung kann noch die Daten- und Faktenflut im Internet angesprochen werden: Warum sollte man überhaupt noch Statistik lernen? Die Daten werden doch unbegrenzt frei Haus geliefert.  Auch dazu gibt es eine Kölsche Mundart: "Dat Genauje, dat mät noch alles kapott." Konsequenz: Alles unbesehen und ungeprüft übernehmen!?

Mikroökonomik: Warum ist der Mensch für die hektische Wirtschaft nicht geschaffen und sollte er deshalb von ihr fern gehalten werden? Warum schmeckt das zehnte Bier nicht so gut wie das erste? Warum ist die Realität schneller als die Theorie und so gibt es mittlerweile Grenzkosten von null in der Sharing Economy? Wo lebt der "homo oeconomicus"? Warum braucht der Mensch ein Auto, um Geld zu verdienen, damit er sich ein Auto kaufen kann? Warum ist Wasser lebensnotwendig, aber billiger als Gold? Warum ist nichts kostenlos? Wird die Welt nur vom Nutzen regiert? Warum interessiert nur das durchschnittliche Verhalten und warum hält sich keiner dran? Ist Kriminalität Folge eines ökonomischen Kalküls und warum sind Ausländer krimineller? Warum haben Frauen theoretisch weniger Zähne als Männer und warum zählt keiner nach? Macht Geld allein kinderreich? Heiratet der Mensch, wenn dadurch sein Nutzen höher ist als die Kosten des Alleinseins und sind das Opportunitätskosten? Macht Reichtum glücklich? Warum wird die Polizei nicht privatisiert?  Warum sind viele Mikroökonomen bzw. Neoklassiker  so engstirnig? (und trösten sich damit, dass die Betriebswirte noch weniger Tiefgang haben). Warum gehören die meisten Mikroökonomen zur folgenden Gruppe: Those who don´t know that they don´t know? Es soll Ökonomen geben, die Heinz Erhardt für den Begründer der Sozialen Marktwirtschaft halten (siehe das Ende der Seite; wegen der Veröffentlichung eines Zitats von Heinz Erhardt hatte ich mal Probleme mit einem Verlag; zum Glück wurde mittlerweile das Gesetz geändert). Sollte man Flüchtlinge von der Tafel ausschließen? (die Realität bietet immer mehr als die Satire).  "Jeder Jeck ess anders", Kölsches Mantra als Kritik am Menschenbild der Mikroökonomik. Das Pfälzische "Jo, alla!" ist in sehr abgemilderter Form in manchen Situationen ähnlich zu interpretieren.

Makroökonomik: Warum sind viele Makroökonomen klein und betreiben deshalb nicht Mikroökonomik? Sind Keynesianer schlauer als Monetaristen und alle Neoklassiker per se sowieso heilig? Warum gibt es zwischen den jeweiligen Schulen so viele Schlammschlachten, z. B. zwischen Krugman und Schwartz/ Nelson.  Sind Kriege für das Wirtschaftswachstum und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit notwendig ("neue Wirtschaftswunderzeiten"; Trump arbeitet mit seinem Austausch des engsten Beraterstabs/ "Falken" darauf hin)? Warum macht man durch Optimierung von "Employability" die Arbeitslosigkeit nicht vergessen? Kann der Verzicht auf Urlaub die Probleme der Rentenversicherung lösen? ("Wir müssen im Zweifel auf eine Urlaubsreise verzichten, um für später vorzusorgen", Peer Steinbrück, ehemaliger Superminister, Diplom Volkswirt). Steigt mit dem Rocksaum die Konjunktur? Steigt mit der Aktentaschenfülle des amerikanischen Notenbankchefs der Leitzins? Ist der Euro schuld an der Wachstumsschwäche Deutschlands? Warum streben wir nicht Autarkie an und lösen uns von der Globalisierung ab (geschlossene Volkswirtschaften sind auch mathematisch einfacher)? Warum schaffen wir die Arbeitsteilung nicht ab und werden alle zu Selbstversorgern? Warum macht der Staat jetzt nicht mehr Schulden (weniger Menschen bei uns in der Zukunft lösen doch das Knappheitsproblem)? Weshalb war eine Wirtschaftskrise unvermeidlich, obwohl vorher noch stattliche Wachstumsraten prognostiziert wurden? Ist die Weltwirtschaftskrise mit einem Offenbarungseid der Makroökonomik verbunden (wo ist der neue Keynes)? VWL wird in der Weltwirtschaftskrise zur Abkürzung für "Vom schnellen Auferstehungs-V  über das wabblige W bis zum langen Talsohlen-L war alles im Angebot". Anleitung für den Nobelpreis: entwickeln Sie ein makroökonomisches Modell, wandern Sie in die USA aus, seien Sie ein Mann, beschäftigen Sie sich nicht mit Wirtschaftsgeschichte (vgl. Wirtschaftswoche 41/ 30.9.16, S. 38f.). Für Karriere in Deutschland gilt eher folgende Regel: als Mann Geschlechtsumwandlung, neue Wortschöpfung auf Englisch wie z. B. "Emotional Economics", mit irgendeinem unsinnigen Buch in Talkshow, fleißig Klauen (zur Zeit aus der Psychologie; "Behavioral is in").  "Et kütt wie et kütt", Kölsches Mantra, hier Bewertung der Makroökonomik. Besser als jedes Modell der VWL; siehe die Vorhersage der Finanz- und Weltwirtschaftskrise 2008/2009.  "Wie konnte das passieren, dass niemand diese Krise vorhergesehen hat", Queen Elisabeth II. nach dem Finanzcrash 2008. "Um die Sache zusammenzufassen, Ihre Majestät, war dies ein Versagen der kollektiven Vorstellungskraft vieler kluger Menschen", Antwort der britischen Ökonomen in einem Antwortbrief.

Umweltökonomik:  Warum will keiner die Umwelt verschmutzen und es geschieht doch? Warum macht Trittbrett - Fahren ("free rider") nirgendwo sonst so viel Spaß? Warum Umweltschutz durch Eigennutz? Warum verdienen die Manager so wenig, dass sie nicht in der Nähe ihrer Unternehmen wohnen können (Beispiel BASF und Professoren)? Warum ist das Öl trotz seiner Knappheit viel zu billig? Sollte man den Chinesen das Privatauto verbieten, damit die Erde die nächsten 30 Jahre überlebt? Warum klammert man - wie die USA unter Bush und Trump - das Umweltproblem nicht aus ("ceteris paribus"), damit sich alle anderen Probleme der Erde von selbst lösen? In der Umwelt funktioniert der Marktmechanismus nicht: warum streicht die VWL nicht den Markt als Mittelpunkt ihrer Wissenschaft? Führt Umweltschutz zum Hungern in der Welt? Warum können sich nur reiche Länder Umweltschutz leisten? Warum macht keine Branche so erfolgreiche Lobby - Arbeit wie die Energiewirtschaft? Warum profitiert die Umwelt nicht vom Emissionshandel (Ergebnis ist nur "heiße Luft!")? Warum werden bei der Atomtechnologie wichtige Faktoren herausgerechnet (Müll, Risiko, Zwischen- und Endlagerung)? Warum ist die Nachhaltigkeit in der Ökonomie so in den Hintergrund gedrängt worden (Shareholder Value, Kurzfristigkeit, Ausklammerung der Natur, Vernachlässigung sozialer Aspekte)? Warum ist ein Schurken-Unternehmen wie VW so extrem erfolgreich? Ist in der Wirtschaft alles erlaubt? (mit der Zahl der Wirtschaftsethik-Veranstaltungen an Hochschulen wächst die A-Moral in der Praxis). "Et hätt och schlemmer kumme könne", Kölscher Kommentar zum Umweltzustand. Etwas pessimistischere Form: "Watt fott es, es fott". Dem möchte man die Pfälzer Redensart "Uffbasse!" entgegenhalten. "Ich heize den grünlinken Klimalügnern ein", Trump am 24.01.17

Internationale Wirtschaft:  Warum ist Knappheit der Leitgedanke der VWL und warum herrscht sie nur in Entwicklungsländern? Sollte man Deutschland in die USA verlegen (analog einem iranischen Vorschlag), damit die Wirtschaft endlich floriert? Warum sind alle Länder für die Aufhebung der Importzölle der anderen Länder und schaffen sie doch nicht ab? Warum können die Religionen weltweit dem globalen Markt nicht Fesseln anlegen (Vorbild Islam)? Warum gibt es nicht eine Währung in der Welt (globo, mundo)? Warum verlegt man nicht die gesamte Produktion nach China und Indien, damit die übrigen Menschen mehr Muße haben? ("Es kann gar nicht dazu kommen, dass Indien und China eines Tages alle Produkte dieser Welt herstellen und wir selber gar nichts mehr", Jagdish Bhagwati, Ökonom, in: Die Zeit, 23.11.2006, S. 32). Warum gibt es so viele gute Wechselkurstheorien und so viele arme Volkswirte? Warum glorifizieren mit großer Peinlichkeit so viele Volkswirte das US-System ohne die vielen Vorteile der europäischen Länder herauszuarbeiten? Wann muss die "Leitwirtschaft" USA den Offenbarungseid leisten oder war die Präsidentenwahl die Rettung? Warum ist der Big - Mac nicht nur zum Essen da? Warum verkaufen Börsenexperten Ratschläge statt Aktien zu kaufen? Warum kann man alle Modelle in der Pfeife rauchen? Weil keins die aktuelle Krise vorhergesehen hat. Warum dürfen Griechen und Franzosen früher in Rente gehen? Warum ist seit Trump wieder Kreativität bei Zöllen gefragt? (das Thema wurde schon aus Lehrbüchern verbannt und zur Geschichte gerechnet!). Warum will die chinesische Führung so viele Menschen aus der Armut holen und schafft ihr eigenes Geld ins Ausland? Wäre es nicht einfacher, dieses Geld an die Armen zu geben?  "Mer muss och jönne könne", wichtige Voraussetzung für die Internationalen Wirtschaft auf Kölsch. Verhindert Protektionismus. Auch wichtig zum Überleben der EU. Das Pfälzische "Kumm, geh fort!" ist in seiner Paradoxie sehr interessant. Es meint im Grunde genommen das Gegenteil.

" Das Leben meistert man lächelnd oder überhaupt nicht", (aus China). "Aller höhere Humor fängt damit an, dass man die eigene Person nicht mehr ernst nimmt", Hermann Hesse. Vgl. zur Satire allgemein das Satire-Magazin "Kojote" (www.kojote-magazin.de).

 "Kein Gedanke ist so alt oder absurd, daß er nicht unser Wissen verbessern könnte. Anything goes...", Paul Feyerabend: Wider den Methodenzwang, Frankfurt 1986, S. 55.

 

    "Selbst einen Papagei kann man zu einem gelehrten Nationalökonomen machen; es genügt, ihm die Worte "Angebot" und "Nachfrage" beizubringen", Paul Samuelson (gestorben 2009, schrieb das erfolgreichste ökonomische Lehrbuch aller Zeiten, mit Keynes der wichtigste Ökonom des 20. Jahrhunderts).

 Schwarzes Brett:                               

 Angebot:

Lehrbücher können billiger von den Studenten höherer Semester bezogen werden.

 

 

 

Nachfrage:   

Studentische Hilfskräfte

Tutoren

 

zur Zeit nicht

Vergleiche auch die großen Hochschulportale/" Schwarzen Bretter":

www.studylounge.de und www.facebook.com . Facebook ist mit 60 Mio. Mitgliedern das größte Soziale Netzwerk. 2011 ist der Marktwert gemessen am Aktienkurs riesig.

StudiVZ ist ein  virtueller Campus (ca. 1 Mio. Mitglieder immatrikuliert): Fachsimpeln über Professoren, Seminare und "Gegruschel".

 "Something cheap is only a bargain if you need it", Redensart.

 

"It is not from the benevolence of the baker that you receive your bread", Adam Smith 1776 (An inquiry into the nature and causes of the wealth of nations, s. u.).

   Der Bäcker produziert Brot, weil es unter den Bedingungen des wettbewerblichen Marktes  ("invisible hand") in seinem eigenen Interesse liegt. Die Verfolgung seines eigenen Interesses bringt unbeabsichtigt für die Gesellschaft als ganzes eine Steigerung ihres Wohlstands mit sich.  Links steht die Statue von Adam Smith in Edinburgh vor der ehemaligen Börse. Diese war eine der ersten und wichtigsten in der Welt, als Glasgow im 18.  Jahrhundert der Mittelpunkt des Handels mit Baumwolle und Tabak aus den Kolonien und Startpunkt der industriellen Revolution war (James Watt, der Erfinder der Dampfmaschine, und  der Philosoph David Hume hatten wie Smith an der Universität Glasgow studiert; schottische Aufklärung). Heute beinhaltet das Gebäude das Rathaus. Mehr zu den Werken und der Rolle von Adam Smith als Vater der Ökonomie siehe unten in dieser Rubrik. Im November 2021 findet in der alten Industriestadt der Weltklimagipfel statt.

Wirtschaftsbücher (berühmt, einflussreich, subjektive Einschätzung von mir /persönliche Hitliste, auch BWL/Unternehmensführung; mit Hinweisen zu den "Meilensteinen" der Autoren; berühmte Ökonomen im weitesten Sinne, einschließlich wichtiger Nachbar-Wissenschaften. Man könnte auch von Ahnengalerie der Sozialwissenschaften sprechen. Die Ökonomie ist nicht im "luftleeren Raum" entstehen, sondern war immer ein Kind ihrer Zeit. Wichtige Philosophen haben ihr den Weg bereitet. Die heutige Ökonomie ist stark durch die USA, die heute noch führende Wirtschaftsnation, geprägt. Das wird sich in den nächsten Jahren mit dem Abstieg der USA Richtung Asien verlagern, auch beeinflusst von der Digitalisierung):

Ökonomische Analysen im Rahmen der antiken griechischen Philosophie. Wichtige Elemente finden sich bei den klassischen griechischen Philosophen Sokrates (Ethik), Platon (Aufbau der Gesellschaft, idealer Staat) und Aristoteles (z. B. Allmendeproblem; Eigentum Privatbesitz; Logik; Wohlergehen). Xenophon kann als der größte ökonomische Denker der antiken Philosophie bezeichnet werden. 400 Jahre vor Christus schildert er wichtige Grundlagen (Gespräch über die Haushaltsführung; Mittel und Wege, dem Staat Geld zu verschaffen; Gewinnmaximierung; auf ihn soll auch die Verbindung von Oikos und Nomos zurückgehen als Kunst der Haushaltsführung, so ist der Begriff "Ökonomie" entstanden). Hesiod kann als erster bekannter Ökonom überhaupt benannt werden. Er lieferte Grundideen für die moderne Chaostheorie und definierte Arbeit als Quelle allen Guten für die Menschen (auch die Äußerung "Alles fließt" soll auf ihn zurückgehen). 100 Jahre später liefern Thales (Olivengeschäft), Archimedes und Pythagoras (Geometrie) wichtige mathematische Grundlagen, die auch in der Ökonomie Verwendung finden. Die einzelnen Bücher sollen an dieser Stelle nicht genannt werden. "Bedenke, dass die menschlichen Verhältnisse insgesamt unbeständig sind, dann wirst du im Glück nicht zu fröhlich und im Unglück nicht zu traurig sein", Sokrates (469 - 399 v. Chr.).  "In einem Gemeinwesen, in dem Reichtum und Armut fremd sind, wird auch die beste Gesinnung zu finden sein", Platon: Sämtliche Dialoge, Bd. 7, Hamburg 2004, S. 78.

Nicolo di Bernardo del Machiavelli: Er lebte von 1469 bis 1527. Er war Florentinischer Philosoph, Politiker, Diplomat und Dichter bzw. Schriftsteller. Er schrieb mehrere Bücher, unter anderem "Die Kunst des Kriegers" und "Der Fürst". Er sah insgesamt eher nichts Gutes im menschlichen Tun (in England "Old Nick"; es war eine Reaktion auf die gescheiterte christliche Utopie). Die Lehren von Machiavelli haben auch die Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre stark beeinflusst. Sein zentrales Thema ist die Macht. Man spricht auch von Machiavellismus. Danach ist zur Erlangung oder Erhaltung der Macht jedes Mittel erlaubt, unabhängig von Recht und Moral. Machiavellismus wird in der Psychologie auch als Persönlichkeitsmerkmal gesehen. In der Betriebswirtschaftslehre wird Macht als Motiv und Anreiz im Management behandelt, hauptsächlich bei Männern. Je höher man in der Hierarchie aufsteigt, desto öfter muss man sich mit der Abwehr von Intrigen beschäftigen (im Vordergrund steht nicht die Sache, sondern das Machtspiel). Moderne Machtforschung behandelt das Umfeld, Verbündete, Etikette und Kompetenz. Vereinfacht steht Machiavellismus heute oft für eine Politik ohne Moral und Skrupel. Er entwickelt auch Grundregeln der Macht: Harte Schnitte am Anfang, für klare Verhältnisse sorgen, niemals neutral bleiben. Florenz gilt als eines der Ursprungsorte der modernen Ökonomie (Grundlage der Banken, Erfindung des modernen Rechnungswesens).

Rene´ Descartes: Er lebte von 1596 bis 1650. Er war ein französischer Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler. In der Mathematik prägte er den Begriff "reelle" Zahl, um solche Zahlen im Zusammenhang mit Lösungen von Polynomgleichungen von imaginären Zahlen zu unterschieden. Eine reelle Zahl ist ein Wert aus einer fortlaufenden Zahlenreihe, die wir nach Belieben auswählen, um ihn im Rahmen realer Anwendungen zur Messung verschiedener Größen zu verwenden. Positive reelle Zahlen beschreiben beispielsweise Entfernungen, Geschwindigkeiten von Fahrzeugen und Lebensmittelkosten. Descartes führt das empirische, realitätsorientierte Denken im Wissensbereich ein. Diese Arbeit wird von Hume fortgeführt. Descartes war quasi ein Begründer der empirischen Methode, ohne die die Sozialwissenschaften heute nicht vorstellbar sind. Sein berühmtester Spruch ist sicher: "Cogito, ergo sum". Ich denke, also bin ich. 

Jean-Jacques Rousseau: Über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen, 1755 (auch: Gesellschaftsvertrag, 1762). Er war Wegbereiter der Aufklärung und der geistige Vorbereiter der französischen Revolution. Die Ziele "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" sind von ihm theoretisch formuliert worden. Er wandte sich vom blinden Vertrauen in die theoretische Vernunft ab und widmete sich dem moralischen Gewissen. Er lebte von 1712 (geboren in Genf) bis 1778. Er hatte eine spezielle Sicht auf die Chinesen und behauptete, dass sie keine Menschlichkeit hätten (das China-Bild der Zeit war stark von Briefen und Berichten der Jesuiten geprägt, die in China lebten). Zu diesem Thema gab es vor einigen Jahren eine Diskussion in Weibo, dem chinesischen Twitter. Der Philosoph dachte vor allem beim Spazierengehen (laut Sportwissenschaftlern wird die Gehirntätigkeit beim Gehen um 20% gesteigert). Ohne die Aufklärung wäre die moderne Ökonomie nicht möglich gewesen. Heute gibt es eine Diskussion, inwieweit man die Werte der Aufklärung noch für die Ökonomie braucht (in Anbetracht des Erfolges Chinas). Es gab in Frankreich auch immer Gegenaufklärer, die das  autoritäre Denken bevorzugten. Der bekannteste ist Joseph de Maistre (1753 bis 1821). Man kann ihn durchaus noch als Beobachter moderner Autoritätsprobleme heranziehen.   "Die Früchte der Erde gehören allen, die Erde selbst niemanden", Jean-Jacques Rousseau (1712-1778), Discours sur l´inegalite. "Kein Staatsbürger darf so reich sein, um sich einen anderen kaufen zu können, und keiner darf so arm sein, um sich verkaufen zu müssen", Rousseau: Der Gesellschaftsvertrag, Leipzig 1984, S. 82.

Immanuel Kant (1724 - 1804): Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? 1784 in der "Berlinischen Monatsschrift". Kant, der "Weise aus Königsberg" war der Philosoph der Vernunft und Aufklärung in Deutschland. Er setzt sich in seinen Schriften auch für Frieden, Freiheit und Menschenrechte ein. Ohne die Aufklärung wäre die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften so wie sie verlief sind kaum möglich gewesen. Die Aufklärung hat den Glauben an Dogmen, und ein Wertesystem, das sich an Rasse, Nation und Religion orientierte, zurückgedrängt und zugunsten eines Humanismus und Wohlergehen des einzelnen Menschen in den Mittelpunkt gerückt.  Gegenwärtig (2015) verfolgt die digitale Ökonomie den Gegenentwurf: Sie ist nicht an der Ausbildung der Vernunft des Menschen interessiert, sondern an seiner statistischen Selbsterfassung und algorithmischen Zurichtung. Kant hat die Philosophie von der Religion emanzipiert. Die "Kritik der reinen Vernunft" wurde zum einflussreichsten philosophischen Buch deutscher Sprache (auch Mao Zedong hatte Kant gelesen und meinte, der Kern der Philosophie stimme mit der von Konfuzius überein). Der "kategorische Imperativ" ist zu einem der wichtigsten ethischen Kriterien geworden. Seine Schrift "Zum ewigen Frieden" ist heute noch brandaktuell.  In dieser Schrift heißt er es für gut, dass China sich in der damaligen Zeit abschottete.  In seinem wunderbaren Aufsatz "Was ist Aufklärung"  kommt er zu der wichtigen Erkenntnis, dass die Menschen eine starke Vaterfigur wünschen, die ihnen erklärt, wo es langgeht (hier hat er fast hellseherische Fähigkeiten bewiesen, Adorno hat mit seiner Autoritätsanalyse das verfeinert). 2023 setzt man Hoffnung auf die Philosophie Kants bei der Beendigung der Kriege. Er lebte in Zeiten von Kriegen und Revolutionen. Er glaubte an eine funktionierende Gewaltenteilung im Staat, einen florierenden Handelsgeist und eine liberale Öffentlichkeit. Kant war sicher: Frieden ist machbar.  "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstands ohne Leitung eines anderen zu bedienen", Immanuel Kant (Quelle: siehe oben). "Sein ist offenbar kein reales Prädikat; d. i., ein Begriff von irgend etwas, was zu dem Begriffe eines Dings hinzukommen könne", Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft. "Alles Gute, das nicht auf moralisch gute Gesinnung gepfropft ist, ist nichts als Schein und schimmerndes Elend". Berühmt ist auch sein Satz, Dummheit sei ein Gebrechen, gegen das kein Mittel gibt (Kritik der reinen Vernunft). Kant wurde im ostpreußischen Königsberg geboren und lehrte dort später an der Universität. Heute heißt die Stadt Kaliningrad und gehört seit Ende des 2. Weltkriegs zu Russland. Kant ist der berühmteste Sohn der Stadt und die Uni ist nach ihm benannt. Die Bennennung des Flughafens nach ihm scheitert 2018. "Wer sich zum Wurm macht, kann nachher nicht klagen, dass er mit Füssen getreten wird", Immanuel Kant. Auch folgender Spruch ist von ihm: "Habe den Mut, dich deines Verstandes zu bedienen". Ebenso: "Die wichtigste Revolution im Inneren des Menschen ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit".

2020 entsteht eine Diskussion um Kant in den USA. Sie soll hier ausführlicher dargestellt werden, weil sie exemplarisch ist für die Rezeption großer deutscher Wissenschaftler bzw. Denker im Ausland. Sein Universalismus sei in Wirklichkeit eine rassistische Ideologie für privilegierte weiße Männer gewesen (Philosoph Charles Mills). Es habe eine Unterteilung in Herrenvolk und Untertanen gegeben. Kant sei Wegbereiter der Nazis gewesen. Mills erlangt begeisterte Zustimmung in den USA und Kant wird gemäß der "Cancel Culture" zur Unperson in den USA. LGBTQ in den USA schließt sich dem an. Die Idee der allgemeinen Menschenwürde ("von der Natur unabhängige Menschlichkeit und einzigartige Würde") und der Moral von Kant bleibt auf der Strecke. Gerade Kant hat sich für die Abscheu des Menschen gegen Knechtschaft ausgesprochen. Was Kant widerfahren ist in den USA droht auch anderen großen deutschen Denkern (Hegel, Marx, Nietzsche). Natürlich waren sie auch Kinder ihrer Zeit und hatten Elemente von Rassismus und Antisemitismus (gerade bei Marx, der ursprünglich selbst Jude war). Deshalb kann man aber nicht ihr ganzes Denken "Verteufeln". Ich selbst habe bei Vorträgen oder Vortragsangeboten über Karl Marx des Öfteren erlebt, das eine sachliche Analyse unerwünscht ist, weil z. B. die Schublade/ das Vorurteil  "Marx=Kommunismus=DDR bzw. China" nicht beschädigt werden darf. Wir sollten als Wissenschaftler solche Fallen entlarven und sie nicht zulassen. Vgl. auch: Boehm, Omri: Sie wollen ihn stürzen sehen, in: Die Zeit Nr. 49, 26.11.2020, S. 56f. Seit 2023 versucht man in der Geburtsstadt von Kant in Königsberg, das heute Kaliningrad heißt und zu Russland gehört, den Philosophen der Aufklärung zu einem Russen zu machen und zum Kronzeugen Putins. Vgl. Die Zeit 2/ 2024, 4.1.24, S. 38. "Der Himmel hat den Menschen als Gegengewicht zu den vielen Mühseligkeiten drei Dinge gegeben: die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen", Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, 1790. Wer sich umfassend eher durch einen Roman leichter als durch wissenschaftliche Bücher über die Aufklärung informieren möchte, sollte folgendes Buch lesen: Angela Steidele, Aufklärung. Ein Roman, Berlin 2022/ 23 (Insel Verlag). Die Lektüre sei auch den oben beschriebenen Idioten in den USA empfohlen. Ebenso natürlich folgendes Buch, das einen hervorragenden Überblick über das Denken von Kant gibt und auch über seine Bedeutung.

Marcus Willaschek: Kant. Die Revolution des Denkens, C. H. Beck/ München 2023. Der Autor, ein international bekannter Kant-Experte, verfolgt Kants Revolution durch sein gesamtes Werk hindurch. Zugleich wird die aktuelle Relevanz - und gelegentlich auch die Problematik - seines revolutionären Denkens deutlich. Kant ist sicher der bedeutendste Philosoph der Neuzeit. Er wurde vor 300 Jahren (von 2024 gerechnet) geboren. Kant war Wegbereiter des Kosmopolitismus und der Idee der Menschenwürde. Sein Denken wirkt bis ins deutsche Grundgesetz und die Vereinten Nationen. Seine teilweise Rezeption heute in den USA ist ein Skandal und zeugt davon, wie tief die Wissenschaft fallen kann. Kant sei durchaus empfohlen, wenn man innovative Konzepte deutscher Ökonomen vermisst, die es tatsächlich kaum gibt. So ist es ein Armutszeugnis für die heutige deutsche Ökonomie, wenn man immer wieder auf Kant oder Marx (wie z. B. der japanische Philosoph Saito) zurückgreifen muss.

2024 zum 300. Geburtstag von Kant findet in Königsberg (heute Kaliningrad) ein Symposion von russischen Politikwissenschaftlern statt. Der Gouverneur von Kaliningrad Anton Alichanow vertritt dort die These, von Kant führe "eine fast direkte Verbindung" zum derzeitigen "globalen Chaos". Es gebe sogar eine "direkte Verbindung zum militärischen Konflikt in der Ukraine". Kant habe den Weg zum moralischen Relativismus vorgeprägt, mit dem sich im Westen angeblich jede Tat und auch jedes Unrecht rechtfertigen lasse. Dabei wird wohl Kants Schrift "zum ewigen Frieden" übersehen. Dieser "philosophische Entwurf" gilt als eine der Grundlagen für die Charta der Vereinten Nationen. Als eine Bedingung dafür, dass Frieden zwischen den Staaten dauerhaft möglich ist, heißt es dort: Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines anderen Staats gewalttätig einmischen.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 - 1831): Wichtigster Vertreter des deutschen Idealismus. Struktur der Philosophischen Werke: Logik, Naturphilosophie, Philosophie des Geistes. Berühmt ist sein Schema der Dialektik: These, Antithese, Synthese. Eine seiner berühmtesten Werke: System der Wissenschaft. Erster Teil: Die Phänomenologie des Geistes, Bamberg 1807. Hegel hat großen Einfluss gehabt auf die Soziologie und Karl Marx. Hegel glaubte an den Weltgeist: Mag die Geschichte der Menschheit auch noch so schrecklich sein, irgendwann erreicht sie ihr Ziel - die Verwirklichung von Vernunft und Freiheit. Große Männer waren für ihn Cäsar, Napoleon, Alexander. Er nannte sie "Geschäftsträger des Weltgeistes". Die "welthistorischen Individuen" sorgen für den "Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit". Sobald ein Staat den Bezug zu seinen Idealen aufkündigt, war er für Hegel vom Niedergang bedroht. Für Hegel sind in Asien das Licht des Geistes und der Weltgeschichte aufgegangen. Enden wird sie selbstverständlich im Westen. Es könnte deshalb ein Irrtum sein, weil China seiner Konzeption am nächsten kommt: Der soziale Zusammenhalt , die Verbindung der individuellen "Willensatome", soll zu einem staatlichen Ganzen vereint werden. Dann wäre Xi Jinping, der chinesische Staatspräsident und Parteichef, ein Geschäftsführer des Weltgeistes". 2021 und 2022 gibt es eine Diskussion, ob man von Rassismus in der Philosophie Hegels sprechen kann. Vgl. Stone, Alison: Das Wirkliche ist das Ungleiche, in: FAZ Nr. 39, 16.2.22, S. N 3. Der Autor meint, dass Hegels Denken der Realität einer sozialen Welt entspreche, in der liberale Freiheiten mit rassistischer Diskriminierung einherginge. Hegel war halt ein Kind seiner Zeit (die Orientalen hätten nur gewusst, dass Einer frei ist, die griechische und römische Welt habe gewusst, dass einige frei sind, Europa wisse, dass alle Menschen frei sind). Das sieht man in seiner Geschichtsphilosophie (Vorlesungen 1819): "Die Weltgeschichte geht von Osten nach Westen, denn Europa ist schlechthin das Ende der Weltgeschichte, Asien der Anfang". "Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit", G. W. F. Hegel. "Was Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dieses, dass Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die daraus zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben", Georg Wilhelm Friedrich Hegel. "Beginnende Bildung fängt immer mit dem Tadel an, vollendete aber sieht in jedem das Positive", Hegel. Auch von ihm: Philosophieren heißt, frei leben zu lernen". Am 27.8.20 vor 250 Jahren wurde Georg Wilhelm Friedrich Hegel in Stuttgart geboren. 1818 übernimmt er in Berlin den Lehrstuhl vom berühmten Johann Gottlieb Fichte. 1831 stirbt Hegel  während einer Cholera-Epidemie. Vgl. etwa: Sebastian Ostrisch: Hegel. Der Weltphilosoph, Propyläen-Verlag 2020. Jürgen Kaube: Hegels Welt, Berlin (Rowohlt) 2020.

Jeremy Bentham (1748 - 1832): Jurist, Philosoph und Sozialreformer. Geboren und gestorben in London. Begründer des klassischen Utilitarismus. Wichtigster Sozialreformer Englands im 19. Jahrhundert. Lehrer: John Locke, Thomas Hobbes, David Hume. Schüler: John Stuart Mill und David Ricardo. Der Wert einer Handlung misst sich an ihrem Nutzen für die Allgemeinheit: das größte Glück der größten Zahl. Philip Schofield bereitet als leitender Herausgeber 2019 eine 70 Bände umfassende Werksausgabe vor.  Vgl. auch: The Philosophy of Economic Science, in: Werner Stark (Hrsg.), Jeremy Bentham's Economic Writings, Vol. I, London 1952, S. 79–120. Introduction to the Principles of Morals and Legislation (1780, publiziert 1789), hrsg. von J. H. Burns/H. L .A. Hart (The Collected Works of Jeremy Bentham), London 1970, 2. Aufl. Oxford 1996. Berühmt ist der Philosoph auch, weil er als einziger Philosoph "ausgestopft" wurde und sich so noch heute in Natura präsentiert.

Thomas Malthus (1766 - 1834): Zunächst ist er Pfarrer. Später wird er Professor für Geschichte und Politische Ökonomie. Berühmte Bücher sind: An Essay on the Principle of Population, 1798. The Nature of Rent, 1815. Principle sof Political Economy, 1820. Berühmt ist das Bevölkerungsgesetz von Thomas R. Malthus (Principles of Political Economy, 1820): Die Bevölkerung verdoppelt sich alle 25 Jahre, während sich die Nahrungsmenge nur in arithmetischer Reihe erhöht ("Die Macht der Bevölkerung ist unendlich viel größer als die Macht der Erde, allen Menschen den Unterhalt zu ermöglichen"). Seine Prognose ist ein Leben am Rande des Existenzminimums für die Menschheit. Dies liegt daran, dass die nutzbare Ackerfläche begrenzt ist und der Grenzertrag zusätzlicher Arbeitskräfte auf den Feldern abnimmt. Zudem hält Malthus die Amortisationszeit von Investitionen in der Landwirtschaft für zu lang. Vergessen hat er den technischen Fortschritt und damit Produktivitätssprünge. Trotzdem ist seine ökonomische Grundidee heute aktueller denn je und es stellt sich immer mehr die Frage: Hatte er doch recht? Implizit warnte Malthus damit auch vor den Grenzen des Wachstums. Das Ackerland könne die wachsende Bevölkerung bald nicht mehr ernähren. Neuere Forschungen zeigen, dass Polygamie die Bevölkerung wachsen lässt, nicht aber die Wirtschaft (wichtig für Entwicklungsländer und die Entwicklungspolitik. Malthus wuchs auf einem Landgut in Surrey auf. 1788 wurde er zum Priester geweiht. Er beeinflusste Darwin und Keynes bewunderte ihn.  "Indem ich meine Postulate als gesichert voraussetze, behaupte ich, dass die Vermehrung der Bevölkerung unbegrenzt größer ist als die Kraft der Erde, Unterhaltsmittel für den Menschen hervorzubringen", An Essay on the Principle of Population". Nach UN-Schätzungen 2009 soll die Weltbevölkerung 2010 6,91 Mrd. betragen (4,17 in Asien). 2050 soll sich die Zahl auf 9,15 Mrd. Menschen erhöhen (nur in Europa  schrumpft die Bevölkerung).

Adam Smith (1723-1790): 2023 ist sein 300. Geburtstag. Der Wohlstand der Nationen (Originaltitel: "The Wealth of Nations"). Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, München 2005 (11. Aufl., neueste Auflage 2012 Tübingen). Auch: Die Theorie der ethischen Gefühle.  Smith (Schotte, 1723 in Kirkcaldy geboren-1790 in Edinburgh gestorben; dort steht ein Denkmal für ihn, siehe oben), eigentlich Moraltheologe, gilt als einer der Väter des Faches "Volkswirtschaftslehre". Schottland leistete sich damals doppelt so viele Universitäten wie England, so dass sein Umfeld sehr gebildet war. Der Philosoph David Hume war ein enger Freund, der Erfinder James Watt ein guter Bekannter. Allerdings kam die industrielle Revolution etwas zu früh für Smith. Smith hat auch eine Abhandlung über die Moral in der Wirtschaft geschrieben (Theorie der ethischen Gefühle: der Mensch strebt nah Gerechtigkeit und Barmherzigkeit). Die Einbeziehung von Ethik und Moral in die Wirtschaft erlebt nach der Finanzkrise 2008/ 2009 eine Wiedergeburt. Als seine zentrale These gilt die "Unsichtbare Hand" (das Bild wurde damals häufig von Predigern verwendet; vielleicht die berühmteste Metapher der Ökonomie), die Marktversagen und stabile Ungleichgewichte auf lange Sicht ausschließt. Smith schrieb noch wesentlich mehr. Er wollte Eigennutz, Freiheit und Ethik (die beiden Widersprüche) wieder optimaler zusammen führen. Doch die Nachlassverwalter verbrannten die Schriften (wahrscheinlich 16 Bände). Smith lebte sein ganzes Leben bei seiner Mutter. Auf die Oberschicht war er nicht gut zu sprechen. Smith ist häufig von Ideologen vereinnahmt worden (mit Eigeninteresse meint er wohl das der aufgeklärten schottischen Kaufleute; Glasgow war Handelszentrum mit den Kolonien für Tabak und Baumwolle und Ursprung der industriellen Revolution). Offenbar wusste Smith schon, dass es immer auf die Werte ankommt. Das ist der eigentliche Kern seines Werkes (Gemeinnutz durch Eigennutz). Aber auch seine Bücher ist nicht frei von Fehlern und Auslassungen (das Zustandekommen von Preisen konnte er noch nicht erklären). Karl Marx hat das Werk von Smith in der englischen Nationalbibliothek ausführlich studiert. Im Studium ist Smith von der Eliteuniversität Oxford enttäuscht. Die Stadt Glasgow interessiert ihn mehr. Er studiert ausgiebig Monopole und den Sklavenhandel. Er fordert den Freihandel - wird aber Zollbeamter (er war auch Sohn eiens Zollbeamten). Er galt in seiner Zeit als introvertierter Kauz. In Paris gab es auch mal ein Zusammentreffen mit der Konkurrenz, den Physiokraten (Quesnay, auch Voltaire, Benjamin Franklin). Smith definierte auch relativ einfach den Zins "als Preis für das Ausleihen von Kapital". Nach seiner Europareise kehrte Smith nach Kirkcaldy in Schottland zurück, wo er mit seiner Mutter bis zu ihrem Tod im Jahre 1784 zusammenlebte. Sechs Jahre später starb er als Junggeselle.  "Es ist nicht die Wohltätigkeit des Metzgers, des Brauers oder des Bäckers, die uns unser Abendessen erwarten lässt, sondern dass sie nach ihrem eigenen Vorteil trachten", Adam Smith. "Adam Smith, Adam Smith, Was erzählst du denn für Mist? Wie kannst du es wagen, einfach zu sagen, das Selbstsucht immer lohnend ist? Das ist wohl der größte Stuss - Adam Smith, du hast ´nen Schuss!, Stephen Leacock, Hellements of Hickonomics, in: Sen, On Ethics and Economics, Oxford, 1987, S. 21. "Mitten unter den unaufhörlich wachsenden Geldforderungen der Regierung hat doch dieses Kapital, bloß durch die Sparsamkeit und den klug angewandten Fleiß der Privatleute (...) ihren Zustand zu verbessern, langsam und im Stillen zugenommen", Adam Smith. "Überall in Europa haben die Schulden enorm zugenommen, die heute in allen großen Staaten als erdrückend empfunden und auf Dauer vermutlich zum ruin führen werden. die Politik der Verschuldung hat nach und nach jeden Staat geschwächt, der sich ihrer bediente", Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen. Vgl. auch: Bert Losse: About Smith, in: WiWo 18/ 28.4.23, S. 36f.

David Ricardo (1772 - 1823): On the Principles of Political Economy and Taxation, London 1817. Seine Theorie der Komparativen Kosten hat die Außenwirtschaftstheorie bis heute geprägt. Aber auch seine Subsidenztheorie und seine Arbeitswertlehre hatten großen Einfluss. Berühmt ist sein Gutachten über den Außenhandel zwischen Portugal und England mit Wein und Tuch. Weiterhin interessiert ihn die Arbeitsteilung, wie Preise und Gewinne entstehen. Er entlarvt den Irrtum der Merkantilisten, dass Gold reich macht.  Beim Freihandel erlebt er nur die Anfänge der Globalisierung. Ricardo ist in der Theoriegeschichte einmalig. Er hat Einfluss auf zwei konträre Strömungen in der Ökonomie gehabt: einmal auf Karl Marx. Zum anderen auf die Neoliberalen. Vgl. Ulrike Herrmann: Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung, Frankfurt 2016, S. 64. Seine Theorie schließt sich der generellen These von D. Ricardo an: Das Verfolgen individuellen Vorteils ist mit dem allgemeinen Wohle des Ganzen verbunden. Mittlerweile häufen sich die Kritiker an dieser Lehre. So wird zumindest Outsourcing in Niedriglohnländer (Programmieren, Call - Center) als schädlich  für entwickelte Volkswirtschaften angesehen (A. S. Blinder). Noch weiter gehender ist die Kritik von Samuelson. Heutzutage sind die Handelsbeziehungen auch ungleich komplexer: Auch Unternehmen, Arbeit und Kapital überqueren die Grenzen. Technologietransfer und Macht sind auch als Variablen noch nicht enthalten. Im Gegensatz zu der These von Ricardo gibt es in der Globalisierung auch Verlierer. David Ricardo analysierte auch sehr scharfsinnig die Auswirkungen von technischem Fortschritt auf die Arbeit (Kompensationshypothese). Von 2023 aus starb er vor 200 Jahren. Seine Freihandelstheorie verwies auch auch die Wohlstandsverluste, die entstehen, wenn wir uns vom freien Handel und von der internationalen Arbeitsteilung abwenden. David Ricardo war nach der Schlacht von Waterloo reich geworden. Er kaufte 1815 in großem Umfang britische Staatsanleihen.  "Die Zeiten überdauert hat jedoch das Gesetz der komparativen Kosten und die Methode der komparativ-statischen Analyse, die Ricardo erfand", Mark Blaug: Systematische Theoriegeschichte der Ökonomie, München 1971, S.256, über David Ricardo und sein Werk. "Der Zinsfuß wird nicht durch den Satz geregelt, zu dem die Bank leihen wird... sondern durch die Gewinnrate, die durch die Beschäftigung von Kapital erzielt werden kann", David Ricardo, Principles... Vgl. als Überblicksartikel auch: Fischer, Malte: Freiheit für Handel! in: WiWo 37/ 8.9.23, S. 36f.

John Stuart Mill (1806-1873): Über die Freiheit, aus dem Englischen von Kurt Seilin, Stuttgart 2009 (Reclam). Britischer Philosoph. Kern seiner liberalen Utopie ist im Grunde genommen ein Kinderreim: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu". Jeder Mensch sei ein Souverän. Er kann über sich und seinen Körper frei verfügen. Mill setzt sich damit auseinander, was der Staat darf. Das spielt wieder in der Corona-Pandemie 2020 eine große Rolle. Er plädierte auch dafür, dass Erbschaften zur Gänze an den Staat fallen sollen. Originalquelle: Mill: Principles of Political Economy, London 1848.

Johann Heinrich von Thünen: Der isolierte Staat, Aalen 1990 (1. Auflage bei Perthes in Hamburg 1826). In diesem Buch entwickelt Thünen revolutionäre "grüne" Ideen. Seine Theorie der Kreise war bahnbrechend. Grundideen der  Grenzproduktivitätstheorie stammen von ihm: Der Einsatz eines zusätzlichen Arbeiters ist vorteilhaft, solange der Mehrertrag höher ist als der Lohn (die Produktionsmenge, die sich mit einer Einheit Arbeit herstellen lässt, ist das Grenzprodukt der Arbeit). Bei der Jahrestagung des Vereins für Sozialpolitik wird seit 25 Jahren zu Beginn immer eine Thünen - Vorlesung gehalten. 2010 resümiert Martin Hellwig "in unserer Wissenschaft klafft eine große Lücke zwischen der Modelltheorie und dem Umgang mit praktischen Fragen der wirtschaftspolitischen Realität". Thünen hat großen Einfluss auf US-Ökonomen (z. B. Krugman, New Geography).  Thünen lebte von 1783 bis 1850. In Tellow bei Rostock errichtete er einen landwirtschaftlichen Musterbetrieb und führte dort 10 Jahre lang die Bücher. "Man kann von dem redlichen Willen, seine Pflicht zu erfüllen, beseelt sein, und doch anderen großes Unrecht tun, wenn man nicht weiß und nicht erkennt, was Pflicht ist", Thünen.

Friedrich List (1789 - 1846): Das nationale System der politischen Ökonomie (zuerst 1841; zuletzt Nomos 2007). National System of Political Economy, Cosimo Classics, 2011). Das Buch kann als erstes volkswirtschaftliches Lehrbuch in deutscher Sprache gesehen werden. Er lebte von 1789 bis 1846 (erschoss sich). Geboren wurde er in Reutlingen (damals freie Reichsstadt)), wo man mehr über ihn erfahren kann. Promoviert hatte List wie Marx in Jena. Er war der weltweit wichtigste Zolltheoretiker (Erziehungszoll!). Er war auch Entwicklungstheoretiker (Kritiker von Malthus, Innovation bewältige jedes Bevölkerungswachstum; er kritisiert auch überzeugend die Arbeitswertlehre). Während er heute in Deutschland relativ unbekannt ist, gilt er in Entwicklungs- und Schwellenländern als einer der größten deutschen Ökonomen (auch in Japan). Seine Ausführungen über den Niedergang der großen Handelsimperien Hanse, Venedig und Spanien sind noch heute interessant zu lesen. In Deutschland hat er auch Verdienste um den Deutschen Zollverein und das Eisenbahnwesen. 1817 führte List die erste demoskopische Befragung in Deutschland durch. Er befragte in Heilbronn (Sammelplatz am Neckar) deutsche Auswanderer in die USA. In Frankfurt gründete er die erste Vertretung deutscher Kaufleute (Handels- und Gewerbeverein). Deshalb wurde ihm vom württembergischen König der Lehrstuhl in Tübingen entzogen. Er wanderte in die USA aus und baute dort eine der ersten Eisenbahnstrecken (zum Kohletransport).  Er setzte sich stark für Europa ein und war insofern auch einer der Vordenker der EU (Kontinentalallianz, heute Kerneuropa). 1822 formulierte er im Hinblick auf die deutsch-französischen Beziehungen (er setzte sich für Heiraten zwischen beiden Völkern ein). 1828 unterstützte er Andrew Jackson im Präsidentschaftswahlkampf, der ihm 1830 die amerikanische Staatsbürgerschaft zuerkannte. 1833 machte er ihn zum Konsul im Großherzogtum Baden. 1837 implodierte sein Vermögen in den USA (die Ursachen sind ungeklärt). 1844 setzte der Deutsche Zollverein die Idee von List um. 1846 beging er in Kufstein Selbstmord.  "Meine Augen sind auf Europa gerichtet". Es gibt in Deutschland einen Friedrich List-Preis (verliehen vom bdvb). 2017 wird Hans-Werner Sinn damit ausgezeichnet. Es gibt auch ein Friedrich-List-Institut an der HS Reutlingen. List macht als einer der ersten Wissenschaftler die Nationalökonomie zur Sache des Volkes (so Bruno Hildenbrand; H. - W- Sinn. "Der Betriebswirt dient dem Betrieb, der Volkswirt dem Volk" bei der Preisverleihung im Frankfurter Römer). Vgl. auch dazu: Eugen Wendler, Friedrich List - Vordenker der Marktwirtschaft, Springer, Gabler 2018. Des.: Die Politische Ökonomie von Friedrich List, Springer/ Gabler 2020.

Karl Marx: Das Kapital, 3 Bände, Berlin 2008 (1859 erscheint das Einführungskapitel unter dem Titel "Zur Kritik der politischen Ökonomie", 1867 der erste Band; damit 2017 150 Jahre). Der erste Band ist eindeutig von Marx. Die anderen Bände sollen auf Fragmente zurückgehen, die Friedrich Engels redigiert hat. Das Werk soll nach der Bibel das meist gelesene Buch der Welt sein. Marx selbst nannte es "ökonomische Scheiße". Es hat die Welt auch entscheidend beeinflusst (Wirtschaftssysteme in Russland, China). Fleißige Leser waren Lenin, Stalin, Mao, Che Guevara und Fidel Castro. In den Studienjahren in Berlin lernte Marx die Hegelschen Ideen kennen. Danach sind Wirtschaft und Gesellschaft in beständiger Wandlung begriffen. Ein Sozialwesen trägt immer die Wurzel für Konflikte in sich. 1841 wurde Marx Chefredakteur in Köln. 1848 gründete er die "Neue Rheinische Zeitung" mit dem Geld von Kapitalisten (Banker, Kaufleute). Er verlor den Posten wegen zu revolutionärer Umtriebe und ging nach Paris. Nach längerer Zeit in Brüssel musste er später nach London fliehen. Dort konnte er das Elend der Industriearbeiter im Frühkapitalismus aus nächster Nähe beobachten (er besuchte auch die streikenden Textil- und Werftarbeiter in Schottland). Sein Freund Friedrich Engels, der auch Werke in England (Manchester)  besaß, unterstützte ihn materiell (zumindest bis er selbst Pleite ging; 350 Pfund pro Jahr). Seine Haarpracht war schon zu Lebzeiten legendär. Sein Haupt-Werk schrieb er in der British Library in London. Der Erzbischof von München Reinhard Marx, Erzbischof von München,  hat 2008 ein Buch mit dem Titel "Das Kapital" vorgelegt (München, Pattloch). Es ist eine Auseinandersetzung mit den Ideen von Karl Marx. Es geht um die zentrale Frage, ob in den marktwirtschaftlichen Ordnungen der Traum vom Wohlstand zu Ende ist (dient das Kapital noch dem Menschen?). Über diese Frage habe ich auch einen Vortrag gehalten. Mit zwei Dingen hat Marx richtig gelegen: Mit der Prognose der Globalisierung und der Fragilität der Finanzmärkte (deshalb wurde er auch 2008 wieder aktuell). Im Schatten von Marx stand immer sein Freund Friedrich Engels, etwas zu Unrecht.   Der chinesische Künstler Wu spendet der Geburtsstadt von Karl Marx Trier im Marxjahr 2018 eine Statue (6,30m hoch auf 1,40m Sockel). Wu hat schon 500 Stauen historischer Persönlichkeiten angefertigt (Konfuzius in Peking, Laotse). "In der Tat ist also G - W - G die allgemeine Formel des Kapitals", Karl Marx (G Geld, W Waren). "Ich bin so weit, daß ich in fünf Wochen mit der ganzen ökonomischen Scheiße fertig bin", Marx 1851 in einem Brief an Engels. Er brauchte noch 16 Jahre. Berühmt ist auch ein anderes Zitat von ihm: "Was mich betrifft, ich bin kein Marxist". "Sie (gemeint ist die Industrialisierung, W. K.) hat mit einem Wort, an die Stelle der mit religiösen und politischen Illusionen verhüllten Ausbeutung die offene, unverschämte, direkte, dürre Ausbeutung gesetzt", Karl Marx.

Friedrich Engels: (1820-1895) "In Elberfeld allein werden von 2500 schulpflichtigen Kindern 1200 dem Unterricht entzogen und wachsen in den Fabriken auf, bloß damit der Fabrikherr nicht einem Erwachsenen, dessen Stelle sie vertreten, das Doppelte des Lohnes zu geben nötig hat, das er einem Kinde gibt", Friedrich Engels 1839 in seinen berühmten "Briefen aus dem Wupperthal". Engels war der Sohn eines wohlhabenden Baumwollfabrikanten aus Barmen und ist damals gerade 19 Jahre alt. Am 28. November 2020 jährt sich der Geburtstag des bekannten Kommunisten zum 200. Mal. Die Stadt Wuppertal würdigt ihn mit einer großen Veranstaltungsreihe. Das Geburtshaus wurde 1943 bei einem Bombenangriff zerstört. Es gibt kein Grab von ihm (die Asche wurde verstreut). Sehr aktuell und wichtig ist seine Einschätzung der Nationalökonomie (Volkswirtschaftslehre): "Die Nationalökonomie entstand als eine natürliche Folge der Ausdehnung des Handels, und mit ihr trat an die Stelle des einfachen, unwissenschaftlichen Schacherns ein ausgebildetes System des erlaubten Betrugs, eine komplette Bereicherungswissenschaft", Friedrich Engels, MEW 1, S. 499 (Marx-Engels-Werke, Berlin, Dietz-Verlag, 1956 - 1990, 43 Bände). Auch:  It`s the Economy, stupid". Engels war in der Schule ein Goethe-Fan. Später veröffentlichte er mit Marx das Kommunistische Maifest. Er wurde polizeilich gesucht. Sein Vater hätte ihn am liebsten in die USA geschickt. Engels war sehr vielseitig: Er war quasi Soziologe, bevor es die Wissenschaft überhaupt gab. Er war ein glänzender Journalist. Er war ein Liebhaber der Fuchsjagd und Weingenießer. In der Kölnischen Zeitung, bei der Marx Journalist war, gibt es einige Beschreibungen von ihm. Barmen im Tal der Wupper, wo die Familie auch lebte, war durch Umweltverschmutzung geprägt. Die Wupper war durch die Abwässer der Färberein blutrot. Der Vater wollte den begabten Sohn erziehen: er nahm ihn vom Gymnasium und steckte ihn in Bremen in eine Lehre zum Kaufmann. Später schickt er ihn ins Mekka des Kapitalismus nach Manchester. Mit den Erfahrungen schreibt er das Buch "Die Lage der arbeitenden Klasse in England". Später wird Engels Prokurist in Manchester, Marx lebt mit seiner Familie in London. Dort wird er hauptsächlich aus den Einnahmen der Firma in Manchester finanziert. Engels selbst war sehr bescheiden. Im Grunde genommen war er auch Humanist und hätte die Gräuel späterer Revolutionen in Russland und China nicht gutgeheißen. Er war auch kein Dogmatiker, er dachte aber radikal. "take it easy" sein Motto im  Poesiealbum von Marx` ältester Tochter Jenny. 1895 erliegt er dem Krebs. Seine Asche sollte in Badeort Eastbourne zerstreut werden. Vgl. Staas, Christian: Der Zweite von links, in: Die Zeit Nr. 46, 26.11.2020, S. 19.

Hermann Heinrich Gossen, 1810-1858: Entwicklung der Gesetze des menschlichen Handelns, und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln, Braunschweig 1854. Gossensche Gesetze: 1. Der Grenznutzen eines Gutes nimmt mit zunehmender konsumierter Menge ab, kann aber nicht negativ werden. 2. Grenznutzen muss in allen Verwendungsrichtungen gleich sein. Gossen entwickelte eine subjektive Wertlehre, indem er den individuellen Nutzen eine Gutes einbezog. Mithilfe Gossens konnte das so genannte Wertparadoxon der klassischen Ökonomie aufgelöst werden. Man spricht auch von Sättigungsgesetz.  Gossen ist einer der bekanntesten deutschen Ökonomen in der Welt (weil es nicht so viele gibt). Der Verein für Socialpolitik vergibt jährlich einen nach ihm benannten Preis. Gossen war preußischer Anwalt.  Interessant ist die Frage, ob das "Gesetz des abnehmenden Grenznutzens" auch für Geld und die Geldpolitik der EZB gilt. Ist hier nicht auch der Grenznutzen mittlerweile erschöpft? "Whatever it takes", Mario Draghi, EZB-Chef.

Ernst Engel, deutscher Ökonom und Statistiker, 1821-1896. Engelsches Gesetz : Wenn das Einkommen wächst, geht der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel zurück. Absolut können die Ausgaben noch zunehmen. Das Gesetz gilt auch heute noch. Nahrungsmittel sind normale Güter mit einem hohen Anteil an inferioren Gütern. Diese haben eine Einkommenselastizität kleiner als Null. Mit steigendem Einkommen werden superiore Güter (Luxusgüter) immer stärker nachgefragt (Einkommenselastizität größer Null). Engels wirkte auch beim Aufbau des Reichsamtes für Statistik mit. Anders ist die Situation grundsätzlich in vielen afrikanischen oder asiatischen Ländern, wo die Menschen oft 75% ihres Einkommens für das tägliche Brot aufwenden.

Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888): Ders.: Die Darlehenskassen-Vereine als Mittel zur Abhilfe der Noth der ländlichen Bevölkerung, sowie auch der städtischen Handwerker und Arbeiter, Neuwied 1866. Er hat zwar kein großes Buch geschrieben, aber durch seine praktische Arbeit die Ökonomie beeinflusst wie kaum ein anderer Deutsche. Er ist in seiner Wirkung - auch international -  im Grunde genommen der größte deutsche praktische Ökonom nach Marx, wenn auch noch andere die Genossenschaftsidee vorangebracht haben. Er ist im gleichen Jahr wie Marx geboren und erlebt heute eine große Renaissance. So wurde die Genossenschaftsidee auch 2016 von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt. Die Genossenschaftsidee ist Grundlage der Sharing Economy und anderer neogenossenschaftlicher Plattformen heute in der digitalen Revolution. Das Revolutionäre seiner Idee liegt darin, Kredite und Geschäftsanteile als soziales Bindemittel zu sehen. Kreditgeber und Kreditnehmer sind Mitglieder. Es herrscht Symmetrie der Macht. Die Mitglieder helfen sich selbst, es fließen keine Mittel an Investoren. Das Motto lautet "Hilfe zur Selbsthilfe", Mildtätigkeit reicht nicht aus. Diese Idee hat Mohamad Junus bei den Mikrokrediten wieder aufgegriffen. Menschen verfolgen nicht nur egoistisch wirtschaftliche Ziele, sondern können partnerschaftlich zusammenarbeiten und kooperieren bei Geschäftsprojekten. Das schont ganz erheblich Ressourcen. Die Genossenschaftsidee ist damit auch nachhaltig und setzt nicht auf Gewinn. Sie kann damit auch ein Modell für nachhaltiges Wirtschaften sein. "Das Geld des Dorfes dem Dorfe", Raiffeisen (Wertschöpfungsketten, die regional nachvollziehbar sind). Zu einer ausführlicheren Darstellung vgl. Genossenschaftsmodell.   Die Genossenschaftsidee ist in der Globalisierung stark auf dem Vormarsch: 2004 gab es 5470 Genossenschaften in Deutschland. 2017 sind es mehr als 8000 (Banken-, Agrar-, Energie- und Wohnungssektor sowie Mikrokreditprogramme). Die Idee ist sehr erfolgreich in Japan, Indien und Brasilien. Weltweit gehören heute mehr als 1 Mrd. Menschen Genossenschaften an. "Was einer allein nicht schafft, schaffen viele", F. W. Raiffeisen. Das ist heute auch der Grundgedanke der Crowd-Ökonomie (Crowd finance).

Alfred Marshall (1842 bis 1924): Principles of Ecomomics, London 1890. Er wird der Chambridger Schule der Neoklassik zugerechnet. Er war auch Professor in Cambridge (einer seiner Schüler war Pigou). Er hat die mikroökonomische Partialanalyse mitentwickelt. Er gilt als Schöpfer des so genannten Marshall-Diagramms. Seine analytischen Instrumente sind heute noch in den Lehrbüchern der VWL. Er war mit seinen Theorien der Zeit weit voraus. Sein zweites Buch war auch bedeutend: Elements of Ecomomics of Industry, London 1892. Ein drittes buch erschien 1923: Money, Credit and Commerce. Marshall beeinflusste die Ökonomie auch in folgenden wichtigen Bereichen: Wohlfahrtsverlust (Excess Burden), Angebotspolitik, Steuerinzidenz.  "Die Welt der Wirtschaft ist das Produkt der menschliche Natur; sie kann sich nicht schneller ändern als die Menschen selbst", Alfred Marshall (1842-1924): Principles of Economics, 1890; den Studenten vom Marshall-Diagramm her bekannt (auch daraus folgendes Zitat: "Economics is a study of mankind in the ordinary business of life").

Arthur Cecil Pigou (1877 - 1959): A Study in Public Finance, 1928. Principles and Methods of Industrial Peace, 1905. The Economics of Welfare, London et. al. 1920. Er war ein britischer Ökonom und Schüler von Alfred Marshall in Cambridge. 1908 wurde er Professor in Cambridge (bis 1943). Er entwickelte die Idee der "Pigou - Steuer". Firmen, die negative externe Effekte auslösen, also Schaden und Kosten für andere verursachen, sollten dafür Steuern zahlen. Heute ist die viel diskutierte CO2-Steuer eine Pigou - Steuer. Pigou gehört der neoklassischen Schule an. Berühmt ist auch der Pigou - Effekt: fallende Löhne wirken Konjunktur belebend. Auch die Idee das Verursacherprinzip im Umweltschutz anzuwenden, geht mit auf ihn zurück: Die wahren Gesamtkosten sollten auch die Kosten der Umweltverschmutzung berücksichtigen - wer verschmutzt, der zahlt. 

Vilfredo Pareto (1848 - 1923): Manuale di economica politica, Mailand 1906. Er wurde in Frankreich geboren und wuchs in Italien auf. Er studierte Ingenieurswesen und wurde Bauingenieur. Mit 45 Jahren wurde er Professor für Ökonomie an der Uni Lausanne (Schweiz). Er ist bekannt für seine Arbeiten über Wohlfahrtsökonomie, darunter das nach ihm benannte "Pareto-Optimum". Trattato di sociologia generale – das soziologische Hauptwerk, 1916. Ausgewählte Schriften, Hrsg. u. eingel. von Carlo Mongardini, übersetzt aus dem Italienischen von Cristina Busolini und aus dem Französischen von Ilse Hohenlüchter, Verlag für Sozialwissenschaften, Frankfurt am Main/ Berlin/ Wien 1976. Er unterschied sich bei der Ungleichheitsforschung grundlegend von Smith, Ricardo und Marx vorher. Er ist der Erste, der sich Zugang zu Steuerdaten verschafft und anfängt, mehr über Individuen statt Klassen zu sprechen. Mit ihm gewinnt das Thema eine neue Dimension. Später verfeinert Kuznets diese Sichtweise (qualifizierte und unqualifizierte Arbeiter).  "Die Grundlage der politischen Ökonomie und, im Allgemeinen, jeder Sozialwissenschaft ist offensichtlich die Psychologie. Es mag ein Tag kommen, an dem wir in der Lage sein werden, die Gesetze der Sozialwissenschaften aus den Prinzipien der Psychologie abzuleiten", Vilfredo Pareto, Manual of Political Economy: A Variorum Translation and Critical Edition, herausgegeben von Aldo Montesanto et. al. Oxford University Press, (1906) 2013, Kap. 2, S. 21.

Gustav von Schmoller (1838 - 1917): Er war der Gründungsvater des Vereins für Socialpolitik und erster Vorsitzender. Als Vertreter der "Kathedersozialisten" wollte er keine wertfreie Wissenschaft, sondern stets im politischen Geschehen mitmischen. Zu seinen Ehren verleiht der Verein die Schmoller - Ehrenmedaille. Er hat ein berühmtes Lehrbuch der Volkswirtschaftslehre geschrieben: "Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre, 1900". Ein ganzes Kapitel ist dem Thema gewidmet "Die Rassen und Völker".  2021 diskutiert der Verein über den Inhalt und ob man noch die Medaille vergeben kann. Einige bezeichnen dies als Cancel Culture. Für seine Verdienste (Gründung des Vereins für Socialpolitik 1873) wurde Schmoller einst geadelt. Mitgründer waren Lujo Brentano und Adoph Wagner.

Frederick Winslow Taylor: The Principles of Scientific Management, New York 1911 (Über die Grundsätze wissenschaftlicher Unternehmensführung, erste Wirtschaftsbuch-Bestseller). 1856 bis 1917. Er machte als erster "Arbeit" zum Denkansatz, erforschte die Arbeitsproduktivität und begründete den "Taylorismus" (Arbeiter sind allein pekuniär motiviert und so über den Lohn steuerbar). Sein Werk zeigt auch warnend, wohin rein ingenieurwissenschaftliches Denken führen kann. Taylor wollte Arbeit so effizient wie möglich machen ("Zeit ist Geld"). Er arbeitete in der Bethlehem Steel Corporation, wo er gefeuert wurde. Er hielt mehrere Beteiligungen, die er mit 45 Jahren verkaufte. Der Management-Guru Peter Drucker bezeichnete ihn als "Isaak Newton der Arbeitswissenschaft". Er war wohl der erste Unternehmensberater der Welt. Taylor machte erste empirische Untersuchungen im Watertown Arsenal in Massachusetts der US-Army. Er untersuchte "Drückebergerei" und "Krankfeiern" ("soldiering"). Seine Erkenntnisse halfen. Man sprach deshalb auch von Social Engineering". Als der direkte Gegenbeweis der Theorie gilt die Arbeit des Soziologen Richard Titmus (The Gift Relationship). Blutspender  in GB und den USA spendeten weniger Blut, wenn sie Geld dafür bekamen. Diese Arbeit wurde auch voin Ökonomen sehr erst genommen (Arrow, Solow). Altruismus fand Eingang in die Wirtschaftswissenschaften. Taylor war Ingenieur und lebte in den USA. Er entwickelte seine Ideen in einem Stahlwerk in Philadelphia. Taylor vernachlässigte die menschlichen Bedürfnisse. Man spricht von "Taylorismus". Organisation und System sollen die Persönlichkeit ersetzen. Es geht um Steigerung der Produktivität. Er entwickelte vier Prinzipien: Studieren, Suche, Kontrollieren, Teile. In der Organisation sind im drei Systeme wichtig: Getrennte Verantwortungsbereiche, Standards für Einstellungs- und Einarbeitungsprozesse, die Philosophie "Bezahlen nach Leistung".

Werner Sombart: Der moderne Kapitalismus, 1902. Eine neue Ausgabe in vier Bänden kam 1917; die endgültige Ausgabe 1928 in sechs Bänden. Er wurde 1863 in Ermsleben geboren und starb 1941 in Berlin. Dort hatte er zuletzt einen Lehrstuhl. Er war einer der großen Gründungsfiguren der deutschen Sozialwissenschaft und der letzte wichtige Vertreter der historischen Schule. Er begründet eine Typologie diverser Formen des Kapitalismus und verweist auf wichtige Elemente in der Entwicklung des Kapitalismus. Weitere Werke von ihm sind "Krieg und Kapitalismus" sowie "Luxus und Kapitalismus". Smbart liebte und verachtete den Kapitalismus gleichzeitig. Er gewährt einzigartige Einblicke in zwei Hauptfaktoren, die den technologischer Wandel im Westen vorangetrieben haben: gegenseitige Bekämpfung in Krieg und Prestigeverbrauch. Leider wird Sombart heute fast ignoriert und so wird die die lange Tradition der deutschen Ökonomie verdrängt. Die heutigen deutschen Ökonomen sind zu sehr auf die USA als Leitwirtschaft fixiert. Sombart beschäftigte sich schon intensiv mit der Rodung der Wälder und dem Holzproblem (Frankreich, Italien, England, Deutschland). Die Klimakonferenz in Glasgow beschloss 2021, die Rodung bis 2030 zu stoppen. Sombart nahm für sich in Anspruch, den wissenschaftlichen Begriff "Kapitalismus" geprägt zu haben.   "...wenn man die Beobachtung macht, daß im ganzen 18 Jahrhundert, die Holznot war, die im Vordergrund des volkswirtschaftlichen Interesses stand,...", Werner Sombart: Der moderne Kapitalismus, München 1987 (3 Bd., dtv).

Max Weber (1864-1920): Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1921. Dieses Buch ist Fundament für die Wirtschaftssoziologie sowie die politische Soziologie und wahrscheinlich das einflussreichste soziologische Werk. Die Maschine "Bürokratie" bringt die schwache Persönlichkeit und den gedankenlosen Konsumenten hervor ("Fachmenschen ohne Geist", "Genussmenschen ohne Herz"). Verwaltungen sorgen dafür, dass politische Entscheidungen nachprüfbar werden. Auch die "Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" vom gleichen Autor ist bedeutsam, weil sie sich früh mit dem Einfluss der Kultur (Religion) auf die Wirtschaft befasst, was Ökonomen meist vernachlässigen (Warum ist in Europa der Kapitalismus entstanden?). Der asketische Protestantismus hat uns reich gemacht. Was die Zukunft Asien angeht, hat Max Weber völlig geirrt. Hier war er wohl ein Kind seiner Zeit. Interessant ist auch sein Buch "Politik als Beruf", 1919. Politik wird mit dem Kopf gemacht, aber nicht nur mit dem Kopf (Macht des Zufalls, Charisma). Er war fasziniert vom starken Führer, vom "charismatischen Führertum". Er macht auch eine Einteilung des moralischen Handelns in eine Gesinnungs- und eine Verantwortungsethik (tatsächliche Ergebnisse). Webers Prognose für die Zukunft der Menschheit sieht düster aus. Er erwartet  "Fachmenschen ohne Geist" und "Genussmenschen ohne Herz", also arbeitsteilige Fachidioten und hedonistische Konsumenten. Max Weber pflegte eine ausgedehnte Kommunikation, auch mit Kollegen anderer Couleur (Anarchist Erich Mühsam, Philosophen Ernst Bloch, Georg Lukas, Dichter Stefan George). Am 4. Juni 1920 starb Weber in München, in Heidelberg liegt er begraben. 2020 ist also das 100. Todesjahr. Weber war Universalgelehrter. Er beschränkte seinen Rationalitätsbefund nicht nur auf die Ökonomie, wie Karl Marx. Weber ist nicht unumstritten: Kritisiert wird sein chauvinistischer Nationalismus (begrüßte den 1. Weltkrieg) und sein Antisemitismus. "Man kann sagen, dass drei Qualitäten vornehmlich entscheidend sind für den Politiker: Leidenschaft - Verantwortungsgefühl - Augenmaß." a. a. O.

Georg Simmel (1858-1918, Berlin-Straßburg): Philosophie des Geldes, 1900. Aktuelle Theorie des Ausdehnungswillens des Geldes. Die Bestimmung der Zugriffsrechte des Geldes und seiner zirkulierenden Menge, die Lenkung seines Einflussbereiches und die Begrenzung seiner Taxierungsmacht muss von jeder Gesellschaft geregelt werden. Wenn Geld Kaufkraft besitzt - bis auf welche Gebiete mag sie sich erstrecken? Für Simmel ist Geld eine "jede Herzlichkeit ausschließende Sachlichkeit". "Indem man mit Geld bezahlt (hat), ist man mit jeder Sache am gründlichsten fertig". Simmel gilt als Begründer der "formalen Soziologie", der Stadtsoziologie und der Konfliktsoziologie. Er war stark beeinflusst von Max Weber und Immanuel Kant. "Wir allein entscheiden, was wir vom Geld als Wert bearbeiten und vergleichen - und was wir seiner Bearbeitung und Vergleichung als Würde entziehen - wollen", Georg Simmel.

Ludwig von Mises: Nationalökonomie. Theorie de Handelns und Wirtschaftens, Genf 1940. Er lebte von 1881 bis 1973. Er arbeitete zunächst in Wien, auch als Lehrstuhlinhaber. Dort gründete er 1927 das Österreichische Institut für Konjunkturforschung. Dann lehrte er in Genf. Wegen der Nazis emigrierte er 1940 in dei USA. Er war Schüler von Böhm-Bawerk und war beeinflusst vom Denken Carl Mengers. Er selbst prägte Röpke, Hayek und Erhard. Er beschäftigte sich mit Grenznutzen, Geld- und Konjunkturtheorie, auch Wechselkursen, und der sozialistischen Wirtschaftsrechnung. Er analysierte auch methodologischen Fragen und entwickelte eine umfassende Theorie menschlichen Handelns. Es gibt zwei nach Ludwig von Mises benannte Forschungsinstitute, eines in den USA (Auburn) und das andere in Deutschland. Vgl. Friedrich, Cornelia, in: Herz/ Weinberger (Hrsg.): Die 100 wichtigsten Werke der Ökonomie, Stuttgart 2019, S. 161f.

J. A. Schumpeter (1883 - 1959): Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 7. Aufl., Tübingen 1993. Ca. 100 hervorragende Seiten über Karl Marx. Er listet die Widersprüche des Fortschritts auf (Entpersönlichung der Arbeit, Zerstörung der Familie). Derselbe: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 9. Aufl., Berlin 1997. Sein letztes Buch trägt den Titel "Geschichte der ökonomischen Analyse". Er erfand die Vierphasentheorie des Konjunkturzyklus. Kapitalismus ist für ihn "ein Prozess der schöpferischen Zerstörung". Es ist für ihn auch weniger ein Wirtschaftssystem als eine "Kulturform". Gedanklich hat er so Disruption vorweggenommen (Begriffe wie Wagniskapital, Firmenstrategie, Innovation spielen eine große Rolle). Er wendet sich gegen die "Stagnationisten" (Smith, Ricardo, Keynes). Die Neoklassiker nennt er "Jammergestalten". Imponierend seine interdisziplinäre Ausrichtung und Phantasie. Schumpeter lehrte in Österreich, Deutschland und den USA, war auch österreichischer Finanzminister. In der Volkswirtschaftslehre ist heute die Entrepreneurial Economics als Gegenentwurf auf dem Vormarsch. Sie setzt auch wieder bei Schumpeter an. Privat war Schumpeter Karrierist, Spekulant, Frauenheld und Weltbürger. Dieses Unstete hat meiner Ansicht nach auch seinen ganz großen wissenschaftlichen Durchbruch verhindert. Trotzdem gilt er zusammen mit Keynes als der bedeutendste Ökonom des 20 Jahrhunderts.  "Der Prozess der schöpferischen Zerstörung ist für den Kapitalismus wesentliches Faktum..., der unaufhörlich die Wirtschaftsstruktur von innen heraus revolutioniert, unaufhörlich die alte Struktur zerstört und unaufhörlich eine neue schafft", J. A. Schumpeter, Kapitalismus... a. a. O.; S. 137f. "Ohne Innovationen ist alles nichts. Kein Wachstum. Kein Wohlstand. Keine Zukunft", Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, a. a. O..

John Maynard Keynes (1883 - 1946): Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, Berlin 2002 (9. Aufl., neue Übersetzung 2006 von "General Theory of Employment, Interest and Money"). Keynes gilt als größter Volkswirt des 20. Jahrhunderts. Seine Lehre aus der Weltwirtschaftskrise 1929 hat die Wirtschaftspolitik danach geprägt, auch die in der Weltwirtschaftskrise 2009. Revolutionär war für die damalige Zeit Keynes` Ansicht, dass marktwirtschaftlicher Wettbewerb nicht notwendigerweise zur Vollbeschäftigung führe. Er entwarf daher das Instrument der Nachfragesteuerung, um ein hohes Beschäftigungsniveau zu sichern  (notfalls soll Staatsnachfrage eingreifen). In seinem Essay "The Economic Possibilities for Our Grandchildren" schreibt er über die zentrale Bedeutung des technischen Fortschritts: "Das Ausbleiben wichtiger technischer Erfindungen zwischen dem prähistorischen Zeitalter und der vergleichsweise neuen Zeit ist wirklich erstaunlich. Fast alles, was noch zu Beginn der Neuzeit wirklich eine Rolle spielt, war bereits dem Menschen der Vorzeit bekannt". Mittlerweile gibt es auch eine Keynes-Gesellschaft in Deutschland. Keynes lebte vom 1883 bis 1946. Sein Vater war schon Wirtschaftsprofessor in Cambridge. Dort wurde er später selbst Professor. Vorher arbeitete er im Staatsdienst, auch in Indien (wenig beschäftigt schrieb er seine Dissertation). Er wurde reich durch Spekulationen an der Börse (als Dozent verdiente er zu wenig). Keynes verfolgte an der Börse eine Langfriststrategie (Auf und Ab ist nicht berechenbar, erstklassige Unternehmen mit guten Management auswählen, auch erfolgreiche Strategien hinterfragen). Er war auch ein wichtiger Berater in Versailles nach dem 1. Weltkrieg und in Bretton Woods nach dem 2. Weltkrieg. 1930 erschien seine Geldtheorie (Vom Gelde), ein wichtiger Baustein des obigen Buches. Eine zentrale Frage war: wo bleibt das Geld? Die Zentralbank könne jede Flaute bekämpfen.  Sein Privatleben war Bestandteil der Regenbogenpresse, weil er mit einer russischen Ballerina verheiratet war (und vorher homosexuelle Beziehungen hatte). Er war auch ein begeisterter Kunstsammler (Cezanne, Degas, Modigliani, Picasso). Keynes starb an Herzversagen (Streptokokken der Mandeln hatten sich in den Herzklappen festgesetzt). Die Geldtheorie von Keynes ist heute in wesentlichen Teilen überholt. Er sieht Zins als die Entschädigung für den Verzicht auf Liquidität. Keynes war nach Marx erst der zweite Ökonom, der ein makroökonomisches Gesamtmodell entwickelte. Die Grundidee von Keynes ist die Grundlage der Wirtschaftspolitik aller Staaten dieser Welt, egal welches Wirtschaftssystem sie haben. Er lieferte die Mittel zur wirtschaftlichen Weltrettung in Krisen (Finanzkrise 2008, Corona-Krise 2020). Keynes glaubte nicht an die Selbstheilungskräfte des Marktes, sondern an einen starken Staat, der die Verantwortung übernehmen muss. "Die auffallenden Mängel der volkswirtschaftlichen Gesellschaft, in der wir leben, sind ihr Scheitern bei der Bereitstellung von Vollbeschäftigung und ihre willkürliche und ungerechte Verteilung von Vermögen und Einkommen", John Maynard Keynes.

Heinrich Freiherr von Stackelberg:  Marktform und Gleichgewicht, Wien-Berlin 1934 (Habilitationsschrift). Er lebte von 1905 bis1946 und war ein sehr bekannter deutscher Ökonom. Die ersten 18 Lebensjahre lebte er in Russland. Er habilitierte an der Uni Köln. Er starb an Kriegsverletzungen. Zuletzt lehrte er in Bonn und Madrid. Buch auch: The Theory of Market Economy. Darin entwickelt er eine Marketingtheorie und eine neue Kostentheorie. Er beschäftigt sich auch mit Verbundeffekten. Stackelberg hätte ein ganz überragender  deutscher Ökonom werden können, wenn er länger gelebt hätte. Am bekanntesten ist seine Typologie der Marktformen, die in fast jedem Lehrbuch der Mikroökonomik ist. Er prägte die Preis- und Oligopoltheorie über den deutschen Sprachraum hinaus.

Ludwig Erhard: Er lebt von 1897 bis 1977 (2022 125 Jahre). Wohlstand für alle, 1957: Die "Denkschrift" ist eine aufbereitete Edition von Erhard-Zitaten, zusammengestellt von dem Journalisten Wolfram Langer. Das Buch wurde bis heute über 250.000 Mal verkauft. Es wurde auch zum Kampagnen - Motto der CDU und ist daher auf den Wahlkampf hin geschrieben. Erhard gilt als Mentor der sozialen Marktwirtschaft. Neuere Erkenntnisse der Wirtschaftsgeschichte zeigen, dass eher Müller-Armack die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft entwickelt hat. Das Wirtschaftswunder wird auch eher den günstigen Rahmenbedingungen zugeschrieben. Aber es enthält die Philosophie der sozialen Marktwirtschaft.  Vgl. Das deutsche Maskottchen, in: Wirtschafswoche 26/ 23.06.2017, S, 19ff. Ludwig Erhard war als unpolitischer Politiker schon zu Lebzeiten ein Mythos (zeitweise populärer als Adenauer). Macht war eher ein notwendiges Übel für ihn. Er glaubte an die Macht der Vernunft und guter Argumente.   "Das mir vorschwebende Ideal beruht auf der Stärke, dass der Einzelne sagen kann: Ich will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal selbst verantwortlich sein", Ludwig Erhard, Wohlstand für alle, 1957. Ebenfalls daraus: "Die soziale Marktwirtschaft braucht eine ausgewogene Balance zwischen einer wettbewerblichen Marktwirtschaft und einem starken Staat, der Markt und Marktteilnehmer klare und scharfe Grenzen setzt" (Erhard musste das GWB gegen den Widerstand der Wirtschaft durchsetzen!). "Er glaubt an das, was er sagt", Konrad Adenauer (verächtlich). Es gibt in Deutschland eine Ludwig Erhard-Stiftung. Zeitweise habe ich Weiterbildung in Freiburg bei Lehrern betrieben. Diese wurde oft von der Stiftung bezahlt. In Klausuren habe ich öfters die Frage nach dem Unterschied zwischen Ludwig und Heinz gestellt.

Walter Eucken: Die Grundlagen der Nationalökonomie, Jena 1940, Düsseldorf 1990. Er lebte von 1891 bis 1950. Er war Ordinarius in Tübingen und Freiburg. Er ist Begründer der Freiburger Schule und einer der Mitbegründer des Ordoliberalismus (ORDO-Jahrbuch). Er hat auch die Soziale Marktwirtschaft mit geprägt. Er veröffentlichte noch das Buch Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 1952. Er arbeitete auch theoretisch über Geld- und Währungsprobleme sowie Kapitalmarkt. In Freiburg an der Uni wurde das Walter Eucken - Insttut nach ihm benannt.

Friedrich August von Hayek, (1899-1992): Die Verfassung der Freiheit, 1960 (The Constitution of Liberty). Die Geschichte des liberalen Denkens. Definition der persönlichen Freiheit. Entwicklung des Rechtstaates. Bedrohungen der Freiheit. Er erkannte einen Kreislauf, bei dem während einer Rezession der Zinssatz sinkt. Dies hat die Aufgabe vieler Kredite zur Folge. Höhere Zinsen wirken dagegen. Seit 1998 gibt es eine Hayek-Gesellschaft. Sie kämpft gegen Überregulierung, Interventionismus, Vergemeinschaftung von Schulden (Vorsitzender 2020 ist Stefan Kooths, Konjunkturchef am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, 2021 leitet er interimistsich das IfW zusammen mit Holger Görg ). 2021 kommt es zu einem Konflikt mit der Hayek-Stiftung: Es geht um die AfD - Mitgliedschaft. 1927 gründete Hayek das Österreichische Institut für Konjunkturforschung mit. 1931 wurde er an die London School of Economics berufen, 1950 wechselte er an die University of Chicago. Erstes wichtiges Buch 1944: The Road to Serfdom (Der Weg zur Knechtschaft). Hayek hat darin wie stets vor den Gefahren des Kollektivismus gewarnt. Es geht ihm um die ökonomische Bedeutung der Freiheit. Zuletzt, von 1962 an, wirkt Hayek an der Uni Freiburg (vorher in Wien, London School of Economics und Chicago). 1974 bekommt er den Nobelpreis für Wirtschaft. Er begründete auch die Mont Pelerin Society, Schweiz 1947; Vereinigung von Akademikern, insbesondere Ökonomen; neoliberal ausgerichtet; berühmte Mitglieder waren: Gary Becker, James Buchanan, Ronald Coase, Milton Friedman, George Stigler. Die Gesellschaft hat und hatte großen Einfluss auf Regierungen und deren Wirtschaftspolitik. Freiheit ist wesentlich, um Raum für das Unvorhergesehene und Unvoraussagbare zu lassen; wir wollen sie, weil wir gelernt haben, von ihr die Gelegenheit zur Verwirklichung unserer Zeile zu erwarten", F. A. von Hayek. Von ihm stammt auch folgendes Zitat: "Das Geld ist eines der großartigsten Werkzeuge der Freiheit, die der Mensch erfunden hat". "Wahrscheinlich stimmt es, dass die Menschen meist nicht fähig sind, selbständig zu denken". Deshalb traut Hayek dem Markt mehr zu als den Menschen und der Wissenschaft. Das kann auch ein gefährlicher Irrtum sein. Vgl. Beckers, Maja: Radikale Marktforschung, in: Die Zeit Nr. 49, 2.12.21, S. 62.

Karl Popper: Logik der Forschung, 1934 (11. Auflage 2005). Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Tübingen 2003 (Kampfschrift gegen totalitäres Denken). Er wurde 1902 in Wien geboren und starb 1994. Er war von jüdischer Herkunft und trat später zum Protestantismus über. Er war Schulabbrecher und hatte so keine Chancen im Establishment. Später studierte er Philosophie an der Universität Wien, wo er auch promovierte. Er war befreundet mit Rudolf Carnap. Sie hatten einen gemeinsamen Feind: die "Metaphysik" (vor allem Martin Heidegger). In der Jugend beschäftigte er sich intensiv mit Psychoanalyse und Marxismus. Popper war der Erfinder der Drei-Welten-Theorie: 1. Physikalische Gegenstände. 2. Mentale Welt mit Gedanken, Gefühlen, Empfindungen. 3. Objektives Wissen (z. B. mathematische Sätze). Als einer seiner Schüler bezeichnet sich George Soros (weitere Hans Albert, Helmut Schmidt). Später lehnt Popper Marx, Freud und Platon ab. Berühmt machte ihn das Falsifikationsprinzip. Sein Grundgedanke bleibt heute noch wertvoll: Wissenschaftliche Erkenntnis besteht nicht in der Verallgemeinerung von Beobachtung. Wo eine Theorie herkommt, ist gar nicht so wichtig. Wichtiger ist, dass sie sich gegen Kritik und experimentelle Tests bewährt. Popper ging 1946 nach London und lebte dort (wie Freud und Marx). Er lehrte an der London School of Economics und an der London University. Vorher hatte er an der University of Canterbury in Neuseeland unterrichtet.  1965 wurde er für seine Verdienst zum Ritter geschlagen.

Milton Friedman (1912-2006): A Monetary History of the United States 1867-1960, zusammen mit Anna J. Schwartz, Princeton 1963. In diesem Werk wird die große Bedeutung der Geldpolitik für Konjunktur und Inflation belegt. Es wird versucht, nachzuweisen, dass die Große Depression auf Fehler der amerikanischen Notenbank zurückzuführen ist. Vgl. von Friedman auch Kapitalismus und Freiheit, München 1962 (Plädoyer für Freiheit und Marktwirtschaft, siehe Zitat unten). Friedman hatte auch als erster die Idee von Helikoptergeld. Milton Friedman lebte von 1912 bis 2006. Er hatte einen Lehrstuhl an der University of Chicago. 1976 erhielt er den Wirtschaftsnobelpreis. Er bereitete gedanklich den Weg für die Neoliberale Wende von Ronald Reagan in den USA und Margaret Thatcher in Großbritannien. Berühmt berüchtigt ist seine Beratertätigkeit für das Regime in Chile nach dem Sturz Allendes (man sprach etwas abwertend von "Chicago-Boys"). Als einer von wenigen Ökonomen war Friedman immer sehr ehrlich: er bekannte, dass es in einer Marktwirtschaft immer um Gewinn geht.  "Ein Staat, der Recht und Ordnung aufrecht erhielte, Eigentumsrechte definierte, als Medium diente, durch welches wir Eigentumsrechte und andere Regeln des ökonomischen Spiels ändern könnten, Streitigkeiten über die Interpretation der Regeln entschiede, die Erfüllung von Verträgen durchsetzte, den Wettbewerb förderte, eine Währungsverfassung bereitstellte, Aktivitäten entfaltete, um technischen Monopolen entgegenzuwirken und solche Nachbarschaftseffekte zu bewältigen, die weithin als hinreichend erachtet werden, um staatliche Intervention zu rechtfertigen, und der private Wohltätigkeit ergänzte wie die Familie bei dem Bemühen, den Unmündigen, ob geistig Behinderten oder Kind zu schützen – solch ein Staat hätte eindeutig wichtige Funktionen zu erfüllen,“ Milton Friedman. "Der Liberale des 19. Jahrhunderts war ein Radikaler, und zwar in doppelter Hinsicht: im etymologischen Sinn jemand, der den Dingen auf den Grund, an die Wurzel geht, und im politischen Sinn jemand, der sich für die großen Veränderungen in den sozialen Institutionen einsetzt. In diesem Sinn muss sich ein moderner Erbe verhalten." Milton Friedman: Kapitalismus und Freiheit, 1961.

Ronald Coase: The Problem of Social Cost, in: Journal of Law and Economics, 3/1, 1960, S. 1-44  (angeblich meistzitiert in den Wirtschaftswissenschaften). The nature of the firm, in: Economica, Vol.4, No. 16 (1937), S. 386-405;  The Firm, the Market and the Law, Chicago 1990. Von der Wirkung her zählt Coase sicher zu den größten Ökonomen des letzten Jahrhunderts. Coase wurde 1910 in Willesden bei London geboren; er starb 2013. Er studierte an der London School of Economics und lehrte später in den USA (zuletzt in Chicago).  1991 erhielt er den Nobelpreis für Ökonomie. Er war Vorreiter wichtiger Innovationen in der VWL: Neue Institutionenökonomik. Vertragstheorie, Principal Agent. 2012 erscheint sein letztes Buch: How China became Capitalist (muss man nicht gelesen haben; wahrscheinlich war er nicht mehr ganz frisch im Kopf). Umso lesenswerter sind seine anderen Werke, sie sprühen vor Innovationen. Coase ist häufig fehl interpretiert worden, vor allem von der Chicago-Schule. Das betrifft vor allem die Anwendung auf die Umweltverschmutzung. und den CO2-Zertifikate-Handel. Man unterstellt ihm die Aussage, Umweltverschmutzung könne in einem absoluten oder objektiven Sinne gar nicht schädlich sein. Der "Geschädigte" trage ebenso Schuld wie der "Schädiger". Die Interpretation stammt von Kollegen, nicht von Coase. Der CO2-Emissionsrechte-Handel ist heute der größte künstliche Markt. Davon hängt zum großen Teil das Schicksal der Menschen ab. Das Vertrauen in den Markt ist hier riesig, weil die Transaktionskosten falsch eingeschätzt werden. Ohne das Handeln der entscheidenden Staaten kann die Welt aber nicht gerettet werden vor den Folgen des Klimawandels. Vgl. Aldred, Jonathan: Der Korrumpierte Mensch. Die ethischen Folgen wirtschaftlichen Denkens, Stuttgart 2020, S. 100ff. auch: E. Bössmann: Weshalb gibt es Unternehmungen? Das Erklärungsmodell von Ronald Coase, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 137, 1981, S. 667-74. Picot, A.: Ronald H. Coase - Nobelpreisträger 1991 - Transaktionskosten. Ein zentraler Beitrag zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse, in: WiSt 21/2, 1992, S. 79-83.

Robert Solow (geb. 1924 in Brooklyn, gestorben 21.12.23 in einer Seniorenresidenz in der Nähe von Boston; 1987 Nobelpreis, MIT in Cambridge); tot sind inzwischen auch die ehemaligen Kollegen R. Dornbusch, F. Modigliani, Paul Samuelson): Er unterbrach sein Studium in Harvard drei Jahre wegen Dienst im 2. Weltkrieg. Mitbegründer des MIT-Ansatzes: "Die Wirtschaft mit dem Ingenieurblick betrachten. Wenn die Maschine nicht funktioniert, dann muss das defekte Teil herausgefunden werden und dann repariert werden".  Seine Schüler sind heute weltbekannte Ökonomen oder Politiker (Kenneth Rogoff, Maurice Obstfeld, Oliver Blanchard, Paul Krugman, Mario Draghi, Lucas Papademos, Ben Bernanke). Er war wohl ein großer Lehrer an der mächtigsten Schule der Welt. Auf Solow geht das neoklassische Modell von R. Solow zurück. Technischer Fortschritt ist entscheidend, deshalb baut er Innovationen ein. Höchstens 50 Prozent des langfristigen Wachstums sind durch höheren Einsatz von Arbeit und Kapital erreichbar, der Rest ist Folge des technischen Fortschritts. Er untersuchte auch dei Rolle von Sparen und Investieren für das Wirtschaftswachstum. Solow gehörte zur Gruppe der "Salzwasserökonomen"  an der Ostküste , die im Konflikt lagen mit den "Süßwasserökonomen" aus Chicago.  "Da die Wachstumsrate des technischen Fortschritts exogen gegeben ist, bestimmt sie und nur sie allein die stetige Wachstumsrate der Wirtschaft", Robert Solow. Ders.: A Contribution to the Theory of Economic Growth, in: Quaterly Journal of Economics, Bd. 70, 1956, S. 65-94. Vgl. Plettner, Roman: Lehrer an der mächtigsten Schule der Welt, in: Die Zeit Nr. 1/ 28.12.23, S. 21.

Gary Stanley Becker: Er lebte von 1930 bis 2007. Human Capital, New York et al. 1964. 1970 wird er Professor an der University of Chicago (erst Wirtschaftswissenschaften, später Soziologie). Vorher war er an der University of Columbia. 1992 bekommt er den Nobelpreis für Wirtschaft. Weitere berühmte Bücher sind: The Economics of Discrimination, 1957 (Auswirkungen von Vorurteilen auf die Beschäftigung von rassischen Minderheiten). A Treatise on the Family, 1981 (Rotten-Kid-Theorem: ein egoistisches Kind ist im Umgang mit seinen Geschwistern brav, um sich einen größeren Anteil des elterlichen Wohlwollens zu sichern). Viele seiner Ideen erleben eine Renaissance in der Freakonomics oder The Undercover Economist. Gary Becker war dafür bekannt, die gesamte Ökonomie durch die Brille des eigennützigen "homo oeconomicus" zu sehen ("Ökonomik von Allem"). Er schrieb eine sehr interessante Doktorarbeit mit dem Titel "The Ecomonics of Discrimination". Er konzentriert sich darin auf die Idee, dass Heuchelei für den Heuchler kostspielig ist. Das Buch ist sehr lesenswert, weil es an das Grundproblem der USA geht. Becker ignoriert die Motivation der Arbeitgeber. Besser können die Grenzen der Ökonomie bei einer Analyse nicht deutlich werden.

Henri Fayol: Administration Industrielle et Generale, 1916. Eines der ersten Werke der Managementtheorie. Das Buch wurde erst ab 1940 bekannt. Er beschreibt 5 Funktionen des Managements: 1. Vorschau und Planung. 2. Organisation. 3. Leitung. 4. Koordination. 5. Kontrolle. Fayol war Bergbauingenieur. Taten bewirken mehr als Aussagen. Dazu entwirft er 14 Prinzipien: Arbeitsteilung, Autorität und Verantwortung, Disziplin, Einheitlichkeit der Aufträge, Einheitliche Leitung, Unterordnung des Einzelnen, Entlohnung des Personals, Zentralisierung, Rangordnung, Ordnung, Gleichheit, Entwicklung der Mitarbeiter, Initiative, Gemeinschaftsgeist.

Abraham H. Maslow: Motivation and Personality, New York 1942. Er lebte von 1908 bis 1970. Er gilt als einer der einflussreichsten Anthropologen und Psychologen  in der Wirtschaftswissenschaft. Am bekanntesten ist sein Konzept der Bedürfnishierarchie (Bedürfnispyramide). Außerdem schrieb er folgende Bücher: A Theory of Human Motivation, 1943; Psychologie des Seins. Ein Entwurf, 1962.  Maslow erkennt zusammen mit Elton Mayo auch den Wert der Teamarbeit. Die Grundthese von Maslow ist: Wenn die Grundbedürfnisse der Menschen nicht befriedigt werden, geht es meist auch der Wirtschaft nicht gut. Maslow unterscheidet Grundbedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, soziale Bedürfnisse, Wertschätzung, Selbstverwirklichung.  "I suppose it is tempting, if the only tool you have is a hammer, to treat everything as if it were a nail", Abraham H. Maslow.

Henry Hazlitt: Die 24 wichtigsten Regeln der Wirtschaft, München 2014 (Finanzbuchverlag). Original: Ders., Economics in One Lesson, 1946. Eines der populärsten Bücher über Ökonomie. Über 1 Million Mal verkauft. "The art of economics consists in looking not merely at the immediate but at longer effects of any act or policy; it consists in tracting the consequences of that policy not merely for one group but for all groups", Henry Hazlitt, Economics in One Lesson, 1946, S. 5.

Peter Drucker: The Practice of Management, 1954 (schon 1939 "The End of Economic Man"). Er lebte von 1909 (geboren in Wien) bis 2005. Er studierte in Frankfurt, zog dann nach England und später nach USA. Er entwickelte zahlreiche Theorien zur Unternehmensführung (z. B. Management by Objectives) und gilt hier als der erfolgreichste Theoretiker: "Vater des modernen Managements". Er war insofern der wichtigste Vordenker des modernen Management und bezog als erster die Ökologie ein. Weitere bekannte Bücher von ihm sind: Das Großunternehmen, 1946, dt. 1966; Management, 1973, dt. 1974. "Das meiste, was wir Unternehmensführung nennen, sind Dinge, die es den Leuten erschweren, ihre Arbeit zu erledigen". "If you want something new, you have to stop something old", Peter Drucker. Mittlerweile gibt es eine Peter Drucker Society Europe. 2016 ist Richard Straub der Präsident (der Jahreskongress 2016 findet in Wien statt).

Frederik Herzberg/ Bernhard Mausner et. al.: Motivation to Work, New York 1959. Herzberg lebte von 1923 bis 2000. Er entwickelte die Zweifaktorentheorie der Arbeitszufriedenheit, die die einflussreichste auf diesem Gebiet ist, wofür es in der Regel auch weltweite Daten gibt. Er unterscheidet zwischen Motivationsfaktoren und Hygienefaktoren. "Auf die Arbeit schimpft man so lange, bis man keine mehr hat", Sinclair Lewis, US-amerikanischer Autor.

Igor H. Ansoff: Corporate Strategy. An Analytic Approach to Business Policy for Growth and Expansion, New York 1965. Geb. 1918 in Russland; er entwickelte die Strategische Planung als Managementaufgabe (Modell "drei S"). Ansoff starb 2002. Seine Matrix (Neue Märkte, Bestehende Märkte; Bestehende Produkte, Neue Produkte) ist immer noch ein Grundpfeiler des Marketing. "Als Firmen ihre Strategien immer geschickter formulierten, entstand bei der Übersetzung der Strategie in Ergebnisse ... Paralyse durch Analyse", Igor Ansoff.

Ernst F. Schumacher: Small is beautiful: A Study of Economics as if People Mattered, Vancouver 1973. Gilt als eines der ersten grundlegenden Bücher über kleinere Unternehmen und als Klassiker für eine alternative wirtschaftliche Denkweise (deutsch 1977: Rückkehr zum menschlichen Maß, München: Oekom Verlag 2019). Es enthält auch eine "Buddhistische Wirtschaftslehre". Schumacher ist ein deutscher Ökonom in GB und ehemaliger Wirtschaftsmanager. Das Buch ist ein Klassiker der Nachhaltigkeit. Denn die Frage nach dem rechten Maß in Wirtschaft und Technologie ist heute aktueller denn je. Größe ist kein Wert an sich. Sie kann vorteilhaft sein, muss es aber nicht. Er plädiert für eine "Miniaturisierung der Technik" sowie dafür, ein "Maximum an Glück mit einem Minimum an Konsum zu erreichen". Er war seiner Zeit im Denken weit voraus. Einen Nobelpreis hat er leider nie bekommen.

Charles Handy (geb. 1932 im irischen Kildare, Ehrendoktortitel von sieben britischen Universitäten; Wirtschafts- und Sozialphilosoph): Understanding Organizations, 1976: Konzepte wie Kultur und Führung werden abgehandelt. Der Erfolg von Organisationen hängt davon ab, auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen. In "Gods of Management" (Management-Stile) skizzierte er 1978 die Idee, dass alle Organisationen vier altgriechischen Göttern zuzuordnen sind: Zeus (Klubkultur), Apollo (Rollenkultur, Athene (Aufgabenkultur, Dionysos (Existenzielle Kultur).  The Age of Unreason, 1989: Konzept der "Kleeblatt-Organisation". 2007 erschien seine Autobiographie "Ich und andere Nebensächlichkeiten".

Michael Porter: Competitive Strategy: The Core Concepts, New York 1980. Er wurde 1947 geboren. Er definierte den Begriff "Wettbewerbsvorteile" neu und begründete neue Rahmenbedingungen. Er lehrt in Harvard. Von ihm stammt auch die Porter - Hypothese in der Umweltökonomik. "Einmal zwischen den Stühlen, bedarf es in der Regel Zeit und kontinuierliche Anstrengung, um das Unternehmen aus dieser wenig beneidenswerten Position zu befreien", Michael Porter. Auch: "Jedes im Wettbewerb stehende Unternehmen hat  eine Wettbewerbsstrategie, bewusst oder unbewusst".

Philip Kotler: Er gilt als der Vater des modernen Marketing. Geboren wurde er 1931. Kotler ist S. C. Johnson & Son Distinguished Professor an der Kellog School of Management der Northwestern University. Gegenwärtig zählt er zu den einflussreichsten Wirtschaftstheoretikern. Seine Bücher wurden in 25 Sprachen übersetzt. Bücher: Grundlagen des Marketing, 1980. Marketing 4.0, 2017. Zitat aus dem aktuellen Buch: "Die Hauptprämisse dieses Buches ist, dass sich das Marketing an die veränderte Natur der Customer Journey in der digitalen Wirtschaft anpassen muss. Aufgabe des Marketing ist es, die Verbraucher zu begleiten auf diesem Weg von der Wahrnehmung einer Marke bis hin zu ihrer Empfehlung", ebenda S. 13.

Tom Peters/ Robert Waterman: In Search of Excellence, 1987. Peters, geboren 1942. Das Buch war 20 Jahre eines der am meisten verkauften. "Exzellente Firmen glauben nicht an Exzellenz - nur an konstante Verbesserung und konstante Veränderung", Tom Peters.

Paul Anthony Samuelson (1915 bis 2009): Sein Lehrbuch der Volkswirtschaftslehre gilt als das am meisten verkaufte Lehrbuch aller Zeiten (19 Auflagen in 41 Sprachen). Später ist als Mitautor auch William D. Nordhaus eingestiegen, der 2018 den Wirtschaftsnobelpreis erhält. Nordhaus bringt umweltökonomische Aspekte ins Lehrbuch.  Samuelson war einer der einflussreichsten Ökonomen und hat mehrere Hundert Bücher auf vielen Gebieten der Volkswirtschaftslehre verfasst. Er hat unter anderem versucht, die Keynesianische Theorie mit der neoklassischen Wirtschaftstheorie zu verbinden. Er erhielt den Wirtschaftsnobelpreis 1970. Noch mit 94 Jahren arbeitete er viermal die Woche bis zu fünf Stunden täglich in seinem Büro im Massachusetts Institute of Technology (MIT). "Vor Jahren sahen Ökonomen den perfekten Wettbewerb als Ideal...Heute erkennen wir, dass die ganze Welt eine Ausnahme vom tadellosen Wettbewerb ist. Hätten wir allen nicht perfekten Konkurrenten die Köpfe abgeschlagen, gäbe es kaum noch Köpfe", Paul Samuelson. Vgl. Samuelson, Paul A.: Foundations of Economic Amalysis, Cambridge, Harvard 1947 (Dissertation bei Leontief und Schumpeter;  Meilenstein zur Mathematisierung der Wirtschaftswissenschaften).

Amartya Kumar Sen (geboren 1933). Die Idee der Gerechtigkeit, 2010 (2017). Er ist ein indischer Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph. Er erhält 2020 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, der mit 25.000 € dotiert ist. 1998 erhielt er den Wirtschaftsnobelpreis. Sen wurde 1933 in Shantiniketan in Westbengalen geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften in Kalkutta und England. Sen lehrte in Dehli, Stanford, Berkeley, Oxford und Cambridge. Seit 2004 war er Professor in Harvard. Er lebt heute in den USA an der Ostküste. Sen verbindet die ökonomische Theorie mit Moralphilosophie und Ethik. Sein großes Thema ist die Soziale Gerechtigkeit. Sen verfasste über 30 Bücher, die in viele Sprachen übersetzt wurden, und hat ca. 100 Ehrendoktorwürden. Bei der Gleichheit greift Amartaya Sen den Gedanken von John Rawls für die Ökonomie auf: Am 22. Mai 1979 hält der indische Wirtschaftswissenschaftler und spätere Nobelpreisträger in Stanford einen programmatischen Vortrag mit dem Titel "Equality of What?". Darin übte er scharfe Kritik an den herrschenden Gleichheitsvorstellungen. Er skizzierte als Alternative zum ersten Mal seinen berühmten Fähigkeiten - Ansatz (vgl. Ders., Gleichheit? Welche Gleichheit? Stuttgart/ Reclam 2020). Berühmt ist auch sein Werk "Die Identitätsfalle. Warum es keinen Krieg der Kulturen gibt. München 2007 (3. Auflage, Beck). Er stellt sich dem Klischee vom Kampf der Kulturen entgegen. Er plädiert für eine kosmopolitische Gesellschaft, in der Platz ist für viele Identitäten und Lebensformen. Gerechtigkeit und Freiheit werden den Sieg über Fundamentalismus und Gewalt davontragen. Weitere Bücher von ihm sind: Entwicklung der Freiheit, 2001 und Ökonomie für den Menschen, 1992. Internation den größten Einfluss hat vielleicht folgendes Werk gehabt: Collective Choice and Social Welfare, San Francisco 1970.

Herbert Alexander Simon (1916 - 2001): Er war ein Universalgelehrter. Er arbeitet in den Bereichen Psychologie, Soziologie, Informatik und Ökonomie. Er war auch ein Pionier der Verhaltensökonomik. Simon entwickelte ein Konzept der "eingeschränkten Rationalität". Er erhielt 1978 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Seine bekanntesten Werke bzw. Bücher sind: Administrative Behavior, 1947. Mit March: Organizations, 1958. Sehr einflussreich war auch sein Buch Models of Thought, New Haven 1979.

John Rawls: A Theory of Justice, Cambridge/ Harvard 1971.  Er war politischer Philosoph und einer der bedeutendsten Verfechter liberaler Ansichten. Er wurde ein Baltimore/ USA 1921 geboren und starb 2002. Zuletzt war er Professor in Harvard. Er entwickelte zwei Prinzipien der Gerechtigkeit, die die Beziehungen zwischen den Mitgliedern einer Gesellschaft regeln. 1. Jede Person hat denselben unveränderlichen Anspruch auf ein adäquates System gleicher Grundfreiheiten, das mit dem entsprechenden System von Freiheiten für alle vereinbar ist. 2. Soziale und ökonomische Ungleichheiten sind zulässig, insofern sie (a) zum größten zu erwartenden Vorteil für die am wenigsten Begünstigten und (b) mit Positionen und Ämtern verbunden sind, die allen unter Bedingungen fairer Chancengleichheit offen stehen. Vgl. Herz, D./ Weinberger, V (Hrsg.): Die 100 wichtigsten Werke der Ökonomie, Stuttgart 2019, S. 198f.

Daniel Kahneman: Schnelles Denken, Langsames Denken, München 2012 (Übersetzung von Thinking, Fast and Slow, 2011). Er war ein Kind jüdisch-litauischer Eltern und wuchs in Frankreich auf. Die Familie konnte sich vor den Nazis verstecken und wanderte nach dem Krieg nach Palästina aus. Erste Erfahrungen als Psychologe sammelte er in der israelischen Armee (Verfahren zur Auswahl von Offizieren). Kahneman ist der wichtigste Psychologe für die Wirtschaftswissenschaften. Er ist auch Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaften (2002, zusammen mit Vernon Smith). Das obige Buch ist von großer Bedeutung für den Zusammenhang von Psychologie und Wirtschaftswissenschaften gewesen. Kahneman kommt von der Wahrnehmungspsychologie. In seinem Buch behandelt erfolgende Themen: 1. Zwei Systeme (automatisch und schnell; subjektives Erleben und komplexe Berechnungen). 2. Heuristiken und kognitive Verzerrungen. 3. Selbstüberschätzung. 4. Entscheidungen. 5. Zwei Selbste. Kahneman hat mit seinen Arbeiten stark die Verhaltensökonomik beeinflusst, etwa die Forschungen von R. Thaler. 2021 erscheint ein neues Buch von ihm (zusammen mit Olivier Sibony und Cass R. Sunstein): Noise. München/ Siedler. Sie ergründen die Fehler in unseren Urteilen. Diese werden durch zufällige Störgrößen verursacht: " Noise". Die Autoren liefern Lösungen, die die Welt besser, fairer und weniger zufällig machen sollen. Im März 2024 stirbt Kahneman. Zeitlebens  machte es ihm Vergnügen, gängige psychologische Theorien zu demontieren. wichtige Meilensteine seiner Forschung waren die Prospect-Theorie und dei Framing-Theorie (vgl. Psychologie auf dieser Seite).  "Der Mensch neigt dazu, seine langfristigen Interessen seinen kurzfristigen Vorlieben zu opfern", Daniel Kahneman, s. o.

Richard Thaler (geb. 1945): Misbehaving. Was uns die Verhaltensökonomik über unsere Entscheidungen verrät, München (Siedler) 2018. Originalausgabe "Misbehaving. The Making of Behavioral Economics, New York (Norton) 2015. 2017 wird die höchste Auszeichnung der Ökonomie (Nobelpreis) an Richard H Thaler von der University of Chicago vergeben. "Thaler hat die Ökonomie menschlicher gemacht", ließ das Nobelpreis-Komitee verlauten. Thaler hat eine Theorie des libertären Paternalismus entwickelt. Durch gezieltes Anstupsen (Nudging) sollen die Menschen in ihren Entscheidungen zu Positivem beeinflusst werden. Allerdings können die unterbewussten "Entscheidungshilfen auch von der Politik und Unternehmen missbraucht werden. "Warum fällt es uns so schwer, Geld fürs Alter zurückzulegen, obwohl dies sinnvoll wäre? Warum können wir keinem vermeintlichen Schnäppchen widerstehen?"  (Umschlagtext). Sehr einflussreich war auch sein Buch "Nudge", das er gemeinsam mit Cass Sunstein verfasst hatte. Es erschien 2008.

N. Gregory Mankiw/ Mark Taylor: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart (Schäffer-Poeschel, amerikanische Originalausgabe und Europaausgabe in Englisch) 2012. Diese Lehrbuch ist mittlerweile das führende Grundlagen- und Einführungslehrbuch weltweit in der VWL. Die letzte und 8. Auflage ist aus dem Jahre 2021 (auch neue aktuelle Beispiele: Folgen des Brexit, Mietpreisbremse). Es hat das Buch von Samuelson/Nordhaus, das mit 4 Millionen Exemplaren vom Verkauf her noch führt, abgelöst. Es ist zwar mit 1108 Seiten sehr dick und lang, dafür aber  gut zu verstehen und selbständig durchzuarbeiten (Workload!). Der große Vorteil liegt auch in der Aktualität (anfangs) und Anwendungsorientierung. Leider fehlen die formalen analytischen Grundlagen der Ökonomie. 2015 erscheint von den gleichen Autoren plus Andrew Ashwin in Deutschland das Lehrbuch "Volkswirtschaftslehre für Schule, Studium und Beruf", Stuttgart (Englisch: Dies.: Business Economics, London u. a. 2013). Es eignet sich gut für den Einsatz in Bachelor - Studiengänge, bei denen häufig die VWL - Stundenzahlen reduziert wurden. Leider regt das Buch zu wenig zum volkswirtschaftlichen Denken an, ist zu unkritisch, enthält zu wenig Umweltökonomik und unterstützt nicht das Abstraktionsvermögen. Siehe Greg Mankiw`s Blog: gregmankiw.blogspot.com. Mankiw war Berater von Bush. Für die Analyse aktueller Entwicklungen und Krisen ist das Buch nicht mehr geeignet. Trotzdem führt es mit weitem Abstand die Liste der Lehrbücher der VWL in Deutschland an (Grundlagen, über 70%, vgl. Exporing-economics.org/de). Deshalb habe ich Mankiw auch in diese Liste aufgenommen. Natürlich gibt es viele andere Lehrbücher der VWL (Acemoglu u. a., Krugman/ Wells, Stiglitz/ Walsh, Hanno Beck, Baßeler u. a., Premer und viele andere). Einige Bücher wurden speziell für einen knappen Überblick auf einfachstem Niveau geschrieben (Beispiel: F. Hubert: VWL für BWLer). Eigentlich ist aber die Zeit der Lehrbücher in der VWL vorbei, da sie der Dynamik in der Realität nicht gewachsen sind. Das war mal ursprünglich der Antrieb für mich, diese Plattform zu entwickeln.

Thomas Piketty: Das Kapital im 21. Jahrhundert, München 2014. Dieses Buch des französischen Ökonomen über die Ungleichheit im Kapitalismus (Capital in the Twenty-First Century, Harvard University Press, 2013 in Französisch: Le capital au XXI siecle, Paris) schlug hohe Wellen. Seine Grundthese lautet: Der Kapitalismus schädigt die Demokratie. Leistung lohnt sich doch nicht. Es gibt eine wachsende Konzentration des Vermögens auf der Welt. Die Gesetzmäßigkeit im Kapitalismus lautet: Rendite aus Vermögen r (Kapitalrendite) ist größer als das reale Wirtschaftswachstum g. Im Einzelnen stellt Piketty folgende Thesen auf: 1. Die Ungleichheit wächst; 2. Die Mehrheit der Bevölkerung kann nicht mehr mithalten; 3. Kapital gewinnt an Gewicht; 4. Das Wachstum wird in den Industrieländern immer schwächer; 5. Die Erbschaftswelle rollt. Die Zuordnung empirischer Belege zu diesen Thesen ist umstritten. Die  Datenreihen sind auch ungenau und lückenhaft (Rechenfehler, Übertragungspannen). Besonders wird kritisiert, dass an vielen Stellen die Steuern ausgeblendet werden. Ein objektives Maß für eine gerechte Verteilung von Vermögen und Einkommen gibt es noch nicht Das Buch erzielt in den USA große Aufmerksamkeit, viel mehr als in Frankreich. Kapitalrendite ist größer als das Wachstum (r > g): Mathematische Zusammenfassung des Buches von Thomas Piketty (Das Kapital des 21. Jahrhunderts, 2013). Als Slogan: Wer erbt, verdient mehr, als derjenige, der arbeitet. Das bezeichnet Piketty als den "zentralen Widerspruch des Kapitalismus". Die Ungleichheit wächst im Kapitalismus ständig an. Die Schere zwischen Arm und Reich wird sich immer weiter öffnen. Piketty beweist diese These mit großen Datenmengen im Computer. Es ist sein Verdienst, dass er dem Grundthema der Ökonomie "Gerechtigkeit, Verteilung" wieder mehr Aufmerksamkeit verschafft. In den USA trifft er die Achillesverse des Wirtschaftssystems damit. Der Wirtschaftsnobelpreis ist nur eine Frage der Zeit. Piketty ist auch sehr aktiv in den sozialen Medien (Twitter, LinkedIn).

Paul Krugman:  Geboren 1953. Nobelpreis 2008. Mit  Robin Wells hat er ein Einführungsbuch geschrieben: Volkswirtschaftslehre, Stuttgart 2010 (in Deutsch). Bekannter ist sein Lehrbuch Internationale Wirtschaft  (zusammen mit Obstfeld, Paul/ Melitz, Mark), München 2012 (in Deutsch).  Paul R. Krugman erhielt den Nobelpreis für seine Forschungen über Standortfragen (Neue Ökonomische Geographie, hier hat er viel von Thünen übernommen) und strategische  Handelspolitik (Kritik an der Freihandelsthese von Ricardo). Sein berühmtestes und einflussreichstes Buch ist insofern auch Geography and Trade, Leuven 1991. Seine Ideen sind nicht wirklich neu gewesen, sondern haben Probleme auf den Punkt gebracht. Er ist auch ein bekannter Kolumnist der New York Times. Außerdem hat er ein Weblog (https://krugmanonline.com). Mit seinem Buch über die Asienkrise habe ich einige Jahre eine Fallstudie im Ostasieninstitut durchgeführt. In der Weltwirtschaftskrise (hierfür hat er sein Asienbuch aktualisiert) kritisierte er vor allem Peer Steinbrück und Österreich. 2010 warnt er vor Axel Weber an der Spitze der EZB und plädiert für mehr Konjunkturprogramme. Seine Ausbildung absolvierte er am MIT und in Yale. Seine Lehrer waren Rüdiger Dornbusch und Joseph E. Stiglitz. Er ist von seiner Ausrichtung her Keynesianer.  Jetzt ist er Professor in Princeton. Mehr über Krugman erfährt man bei Wikipedia, auch seine ganzen Veröffentlichungen (und sein Privatleben und sexuelle Neigung! In den USA bleibt nichts mehr verborgen). Krugman mischt sich stark in die internationale Wirtschaftspolitik ein. Er gibt auch Europa und Deutschland gerne unaufgefordert Ratschläge (z. B. kritisiert er die Leitzinserhöhung der EZB 2023). Für die Verteilungsprobleme der USA interessiert er sich wenig. Seit die Demokraten regieren, ist er ruhiger geworden. Krugman ist zur Zeit weltweit der erfolgreichste Ökonom im Netz. Auf Twitter hat er mit Abstand die meisten Follower, auch aus Deutschland (4,6 Mio., Stand Februar 2023).

Jürgen Habermas (geb. 1929): Er ist der berühmteste lebende Philosoph der Welt und auch Soziologe/ Sozialwissenschaftler. Er wuchs in Gummersbach auf. Er studierte Philosophie und promovierte in Bonn. 1956 ging er an das Institut für Sozialforschung in Frankfurt (Theodor W. Adorno, Max Horkheimer). 1964 wurde er Professor für Soziologie in Frankfurt. 1971 wurde er Co-Direktor am Max-Planck-Institut in Starnberg. 1983 wechselt er wieder nach Frankfurt. Berühmte Bücher von ihm sind: Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1962. Theorie des kommunikativen Handelns, 1981. Legitimationsprobleme des Spätkapitalismus, 1976. Seine Werke wurden in über 40 Sprachen übersetzt. Zentrale Themen sind: Demokratie, Rechtstaat, Rationalismus, Diskurs, Kommunikation, Öffentlichkeit und globale Ordnung, insbesondere Europa.  2019 im Herbst 2019 erscheint: Auch eine Geschichte der Philosophie, zwei Bände (1752 Seiten, Suhrkamp, Berlin). Dieses Werk hat Habermas im Alter von 90 Jahren vollendet. Es ist eine Geschichte des philosophischen und religiösen Denkens. Band 1: Die okzidentale Konstellation von Glauben und Wissen. Band 2: Vernünftige Freiheit. Spuren des Diskurses über Glauben und Wissen. Es gibt im Stil einer Genealogie darüber Auskunft, wie die heute dominanten Gestalten des westlichen nachmetaphysischen Denkens entstanden sind. Als Leitfaden dient ihm der Diskurs über Glauben und Wissen. Er zeichnet nach, wie sich die Philosophie sukzessive aus der Symbiose mit der Religion löst und säkularisiert. Es ist auch eine Reflexion über die Aufgabe einer Philosophie, die an der vernünftigen Freiheit kommunikativ vergesellschafteter Subjekte festhält. In meiner Diplomarbeit über Legitimität bei Renate Mayntz in Köln habe ich mich intensiv auch mit den Werken von Habermas beschäftigt (andere wichtige Autoren waren Niklas Luhmann, Max Weber und Talcott Parsons). Ich habe ihn in diese Liste aufgenommen, weil ein überragender Ökonom in Deutschland zur Zeit fehlt, Habermas aber als Sozialwissenschaftler weltbekannt ist. Die deutsche VWL hat es sträflich versäumt, ihre eigenen geistesgeschichtlichen Wurzeln aufzuarbeiten und weiter zu entwickeln. Marx und Habermas (und natürlich auch Kant) waren und sind Deutsche. Sie haben und beeinflussen noch heute das Denken auf der ganzen Welt, vor allem auch in Asien  (China, Japan, Indien). Eine unkritische Übernahme imperialer Positionen der US-Ökonomie, die zum großen Teil ideologisch die Konzentration auf den ökonomischen Vorteil der USA rechtfertigt, ist einer selbständigen deutschen VWL nicht würdig. Dies sollte sich schleunigst ändern.  2006 wurde ein Asteroid nach ihm benannt. "Mündigkeit ist die einzige Idee, deren wir im Sinne der philosophischen Tradition mächtig sind". "Idealismus ohne Illusion, Realismus ohne Anpassung". Habermas mischt sich 2023 noch mit 93 Jahren in die Politik ein. In der SZ fürchtet er die Eskalation des Krieges in der Ukraine und plädiert energisch für Friedensverhandlungen. "Angetrieben durch den bellizistischen Tenor einer geballten öffentlichen Meinung", Ders. in SZ vom 14.2.23. 2024 erscheit ein Buch über Habermas: Felsch, Philipp: Der Philosoph Habermas und wir; München (Propyläen. Er erzählt, was Habermas in seiner Gekehrtenkarriere alles stemmte. Er zeigt seine Wirkmacht und stellt auch bestürzt fest, was dem Idealisten Schritt für Schritt verloren geht, was sein Leben ausgemacht hat.

Kamer Daron Acemoglu (geb. 1967 in Istanbul): zusammen mit James A. Robinson: Warum Nationen scheitern. Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut, Frankfurt 2021 (7. Auflage, erschienen in Deutsch 2014, Original in Englisch 2012: Why Nations fail). Die Wirtschaftsgeschichte als Methode: Langsam gewinnt die Wirtschaftsgeschichte in der Ökonomie wieder an Bedeutung zu. Es gibt führende Ökonomen, die eindrucksvoll den Analysewert aufzeigen. Der Entwicklung bestimmter Staaten kann man sich anders kaum nähern: China, Indien, Russland, Korea, Japan, Deutschland. Im Rahmen solcher Analysen kommen Geographie, Kultur, Institutionen als Raster dazu. Vgl. Acemoglu, Daron u. a.: Volkswirtschaftslehre, München 2020, S. 700ff. Man kann hier mit natürlichen Experimenten arbeiten (nur Institutionen als unabhängige Variable, Kausalität).  Dabei spielen wirtschaftshistorische Daten eine große Rolle. In Deutschland gewinnt ein Professor für Wirtschaftsgeschichte (Davide Cantoni, LMU München, studierte auch bei Acemoglu) 2019 den Hermann-Heinrich-Gossen-Preis. Er forscht über die Folgen historischer Einschnitte. Er bezieht ökonometrische Verfahren in die wirtschaftshistorische Forschung ein. Er machte auch eine bekannte Studie über die ökonomischen Folgen der Reformation. Interessant sind auch seine Forschungen über die Geschichte des deutschen Steuersystems. Die Analyse geht bis ins 15 Jahrhundert zurück. Deutsche Territorien, die ab dem 16., Jahrhundert leistungsfähige Institutionen zur Besteuerung einführten, waren ökonomisch erfolgreicher - und ihr Risiko langfristig von der Landkarte zu verschwinden, war deutlich geringer. Hoch spezialisierte Transkriptionsfirmen in Asien (Indien, Vietnam) übertragen Daten in Exceldateien. Moritz Schularick von der Uni Bonn hat sich mit historisch - empirischen Studien über das Entstehen von Finanzkrisen weltweit einen Namen gemacht. Vgl auch von Daron Acemoglu: Politics and Economics in Weak and Strong States, in: Journal of Monetary Economics, 52/ 2005, 1199-1226. Auch: Daron Acemoglu/ Simon Johnson: Macht und Fortschritt, 2023. Die beiden US-Ökonomen analysieren anhand historischer Beispiele, wie Eliten den technologischen Fortschritt für ihre Zwecke nutzen. Acemoglu ist seit 1993 Professor am MIT/ USA. Er ist US-Staatsbürger. 2023 erhält er den A.SK Social Sciene Award des WZB Berlin.

"50 Prozent der Wirtschaft ist Psychologie, Wirtschaft ist eine Veranstaltung von Menschen, nicht von Computern", Alfred Herrhausen, durch ein Attentat getötet, ehemaliger Vorstandssprecher der Deutschen Bank (vielleicht auf dem Höhepunkt der Bank).

 

 

       "Ich bin Handwerker, kein Künstler", Sönke Wortmann, deutscher Regisseur (geb. 1959, "Das Wunder von Bern", drehte auch den offiziellen Film zur Fußball-WM 2006 in Deutschland "Ein Sommermärchen", ab Oktober 2006 im Kino). 2022 kommen mehrere Filme von ihm ins Kino. Danach will er sich eine Pause gönnen.

Filme:

Gliederung: Japan, China, Indien, Süd-Korea, Vietnam, Iran, Umwelt, Kultur und Psychologie, Sonstige Relevante (Ökonomie, Spieltheorie).

Die größten Kinomärkte der Welt sind USA/ Kanada  (11,4 Mrd. $ Ticketumsatz 2019) vor China (9,3), Japan (2,4), Indien (1,6; gleicher Wert: Südkorea, GB, Frankreich), Deutschland (1,2). 2020  gab es in Deutschland nur 27,9 Mio. Besucher (wegen Corona -76,5%). Vgl. WiWo 50, 4.12.20, S. 10.

Japan: Der Film "Last Samurai" zeigt einige Grundzüge der japanischen Kultur auf, wenn man dafür auch die vielen unnötigen Kriegsszenen in Kauf nehmen muss. Die Umbrüche in der Meiji-Zeit (1876, Ende der Samurai) werden geschichtsverzerrend wiedergegeben. Viele bekannte historische Denkmäler sind zu erkennen. Einiges über die japanische Kultur erfährt man auch aus dem Film "Lost in Translation", der in Tokio spielt. Bill Murray wird unvorbereitet in das fremde Land "Japan" versetzt. Viele sehen ihn als Film des Jahrzehnts. Clint Eastwoods Pazifikkriegsstudie "Letters from Iwo Jima" zeigt, wie sinnlos es ist, einen Hügel zu verteidigen (ungeheure Übermacht der USA), aber auch einiges über das japanische Wertesystem (der Film wird am 15.01.18 im Fernsehen bei Arte gezeigt). "Sakuran - Wilde Kirschblüte" ist die Geschichte vom Aufstieg eines unbändigen Mädchens zur ranghöchsten Kurtisane im Tokio (Vergnügungsviertel Yoshiwara) des 18. Jahrhunderts. Auf der Berlinade 2008 wurde der Film "Kirschblüten - Hanami" von Doris Dörrie vorgestellt. Es geht um ein bayrisches Ehepaar. Als die Frau stirbt, geht er dem Traum der Frau nach: Japan, Fuji und der Butoh -  ein Ausdruckstanz (die Toten träumen von uns). Er selbst lebt den Traum seiner Frau in Tokio, wo ein Sohn lebt, aus und wird dort selbst nach seinem Tod nach buddhistischem Ritual begraben. Die Kirschblüte ist leicht, wunderschön - aber vergänglich. Wie ein Menschenleben in Zeitraffer. "Hachiko" ist die Geschichte von einem treuen Hund in Japan, der von tiefem Vertrauen und Freundschaft zwischen Mensch (Richard Gere) und Tier über den Tod hinaus handelt. "Sushi in Suhl" (Kino 2012, Fernsehen 2014) ist die Geschichte vom einzigen Japan-Restaurant in der DDR (eine wahre Geschichte). Rolf Anschütz baut über viele Jahre die Japan-Abteilung der Wappenschmiede auf. Er wird schließlich mit einem Orden der DDR und der Japanischen Regierung ausgezeichnet.  Die DDR-Regierung hoffte, Beziehungen zu Japan aufnehmen zu können und unterstützte daher das Projekt. 2015 kommt wieder ein neuer Star Wars-Film in die Kinos. Der Begriff "Jedi" kommt aus dem Japanischen (Jidai-gedi). Im Mittelpunkt der Filmreihe stehen die Jedi und die Sith. Die Geschichten der Filme (früher von George Lucas, heute von W. Disney) verbinden Anlehnungen an den Shintoismus/ Samurai, Buddhismus und Daoismus. Interessant ist es, diese Bezüge in den Filmen zu identifizieren. 2015 erscheint auch der japanische Film "Kirschblüten und rote Bohnen". Naomi Kawases Film erzählt von drei Außenseitern. Weil sie zusammen kochen, sind sie sich nicht mehr fremd. Es geht um Sinn stiftende Rituale und kulturelle Vorstellungen. Also ist der Film sehr lehrreich im Sinne meiner Veranstaltung "Interkulturelle Kommunikation". Im Jahre 2018 gewinnt das Drama "Shoplifters" des japanischen Regisseurs Hirokazu Kore-Eda die Goldene Palme beim Filmfestival in Cannes. Es geht um Kleinganoven, die ein Kind bei sich aufnehmen. 2018 kommt der neue Film von Martin Scorsese heraus. Er heißt Silence und beleuchtet die Hintergründe der ersten Missionare und Christen Japan. Man bekommt einen guten Überblick über die japanische Kultur. 2019 kommt eine Art Fortsetzung von Dörries Kinoerfolg "Kirschblüten - Hanami" (2007) in die Kinos. Der Film heißt "Kirschblüten & Dämonen". 10 Jahre nach dem Tod seiner Eltern muss der Held von Bayern nach Japan reisen, um nicht mehr von den Erinnerungen verfolgt zu werden. Es geht um den Verlust von Männlichkeit. Seine japanische Bekannte von damals reist dann mit ihm zurück nach Bayern. Im Jahre 2023 kommt der französische Film "Der Geschmack der kleinen Dinge" in die deutschen Kinos. Er ist mit den Starschauspielern Gerard Depardieu und Pierre Richard in den Hauptrollen besetzt, außerdem mit Sandrine Bonnaire. Auch einige japanische Schauspieler sind dabei. Der französische Starkoch Garvin (beste Koch Frankreichs und Feinschmecker mit Leib und Seele), der gerade mal wieder seinen dritten Stern bestätigt hat und in einem ehemaligen Kloster residiert, bekommt einen Herzinfarkt und gerät in eine Lebenskrise, weil auch seine Familie kaputt ist. Spontan reist er nach Japan auf der Suche nach dem Geschmack von Umami (so auch der Originaltitel). Dazu besucht er einen ehemaligen japanischen Wettbewerber, gegen den er vor 40 Jahren mal verloren hatte. Der Aufenthalt in Japan  hilft ihm, seine Lebenskrise zu bewältigen und seine Familie wieder zu finden. Der japanische Film "Suzume" kommt 2023 in die deutschen Kinos. Es ist ein Animationsfilm von Regisseur Makoto Shinkai. Er macht seit mehr als 25 Jahren Animationsfilme. Er spielt mit magischen Welten. Kein Thema ist tabu, so spielen auch der Klimawandel und die Atomkatastrophe eine Rolle. Shinkai wird weltweit verehrt. Suzume ist der Name der Hauptfigur, einer 17-jährigen Schülerin. Die Heldin hat Unterstützung von einer Katze und einem Fremden. Im Jahre 2022 bekommt der deutsche Regisseur Wim Wenders einen japanischen Kulturpreis. 2022 dreht er auch einen Film in Japan, der in Tokio spielt. Der Titel ist "Perfect Days". Er läuft 2023 im Filmfestival von Cannes (der japanische Hauptdarsteller erhält den Preis als bester Schauspieler). Es steht ein einzelner Mann im Mittelpunkt, den Japans Superstar Koji Yakusho spielt. Es geht um das Leben eines Toilettenreinigers in Tokyo, wo die öffentlichen Toiletten architektonische Schmuckstücke sind. Das Leben erfindet die besten Geschichten. Die Kraft und Schönheit bezieht der Film aus den Momenten bezwingender Ruhe. Arisa Nagano spielt die Nichte des bescheidenen Hirayama. Der Film hat zwei Aussagen: Mache deine Arbeit immer so gut wie du kannst (egal, welche es ist); erfreue dich an den kleinen Dingen des Lebens. Man kann den Film nur richtig genießen, wenn man Japan, seine Kultur (Hygiene) und Tokio schon kennt (es geht auch um die Stadt). Andererseits ist es ein guter Weg, Japan kennen zulernen. 2023 im August kommt der japanische Film "Das Zen-Tagebuch" in die deutschen Kinos. Der ältere Schriftsteller Tsutonsu lebt seit dem Tod seiner Frau in einer abgelegenen Bergvilla. Er verbringt die Tage mit Gartenpflege, Lesen, Schreiben und Kochen. Manchmal kommt die Redakteurin/ Lektorin Maschko vorbei und er kocht für sie. Es ist eine Parabel auf Zen-Philosophie, einfaches Leben, Alltag, Liebe und den Tod.  Hayao Miyazaki: Der Junge und der Reiher, 2024 in Deutschland.  Mit diesem Film geht der Animationsregisseur in seinen Ruhestand. Er hat viele berühmte Filme gemacht (Mein Nachbar Totoro, Chihiros Reise ins Zauberland). Der Film ist extrem erfolgreich in Japan und den USA sowie in Frankreich. Es geht um den Jungen Mahito und um die Frage, wie wollt ihr leben. 2024 kommt der japanische Film "Die Unschuld" in die Kinos. Er handelt von Kindern, ist Schulkrimi und Sittendrama. Regisseur ist Hirokazu Koreeda. Er dreht in Nagano. Der Film hat in Cannes die Queer-Palme bekommen. 2024 bringt Regisseur Ryusuke Hamaguchi den Film "Evil does not exist" in die Kinos. Es wird das Leben in Einklang mit der Natur gezeigt. 2022 hatte ermit "Drive my Car" den Oscar gewonnen.  "Du zeigst nicht das Schicksal, du zeigst den Willen", Hayao Miyazaki, 2024.   Im Dezember 2015 stirbt die japanische Schauspielerin Setsuko Hara 95jährig in Kamakara. Sie hatte in viele berühmten Filmen mitgewirkt (Tochter des Samurai, Später Frühling, Weizenherbst, Die Reise nach Tokio). Sie wurde gefeiert für die Verkörperung des japanischen Frauenideals "yamato nadeshiko", das in sich die Wesenszüge Hausfrau, Geisha und Samurai vereinigt.

China: Sehr empfehlenswert ist der Film "Balzac und die kleine chinesische Schneiderin", der zu Zeit der Kulturrevolution in China spielt (in der Regel auch in Programmkinos). "Tuyas Ehe" aus China (Wang Quan`an) gewinnt den goldenen Bären der 57. Berlinale 2007. Es geht um eine aussterbende Gesellschaft (Nomaden, Schafzucht) und Umweltprobleme (kein Wasser) in der inneren Mongolei. Im Mittelpunkt steht eine mongolische Bäuerin, die sich nicht klein kriegen lässt. Beeindruckend sind die schönen Landschaftsaufnahmen. Ab Ende 08.07 kam der Film in deutsche Kinos, jetzt fast nur noch in Programmkinos. Gefahr und Begierde von Ang Lee (goldener Löwe und Palme) spielt in der Zeit des 2. Weltkriegs in Hongkong und Shanghai. China ist von Japan besetzt  und es gibt eine Kollaborationsregierung. Die Hauptdarstellerin gehört der Widerstandsbewegung an und wird auf einen Minister angesetzt. Sie zerbricht an dem Konflikt zwischen Liebe und Patriotismus. Weil sie sich für die Liebe entscheidet und den Minister rettet, wird sie hingerichtet. Der Film hat viele Ebenen: Unter anderem auch Gewalt und Sexualität. Der Film läuft 2021 auch in Arte im Fernsehen. Das Kriegsdrama "John Rabe" ist 2009 zum besten deutschen Spielfilm mit der Lola in Gold (Deutscher Filmpreis, höchstdotierter Kulturpreis) ausgezeichnet worden. Regisseur Florian Gallenberger zeigt hier den deutschen Helden, der in China viele Menschen vor den Japanern im Kriege schützt und das Leben rettet (als Betriebsleiter von Siemens baut er eine Schutzzone auf). Rabe ist in China als Held sehr bekannt, nicht aber in Deutschland. Ulrich Tukur und Daniel Brühl zeigen eine herausragende schauspielerische Leistung. Die 60. Berlinale 2010 wird mit der chinesischen Tragikomödie "Apart Together" gestartet. In dem Film von Regisseur Wang Quan´an reist ein ehemaliger Soldat aus Taiwan zurück nach Shanghai, um seine große Liebe wieder zu finden, die er vor 50 Jahren schwanger verlassen hat. Die Enkelin seiner großen Liebe zeigt ihm die Stadt. Der Film Shanghai von 2010 aus den USA steht in der Tradition von Casablanca. Er erzählt von einem amerikanischen Geheimagenten, der in die Stadt geschickt wird, um den Tod eines Freundes aufzuklären. Es ist eine Woche vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor. Im Mittelpunkt steht eine große Liebe, die sich als nachhaltiger erweist als die politischen Beweggründe. 2019 auf der Berlinale wird der Film "So Long, My Son" aus China gezeigt. Es ist die Geschichte eines einfachen Ehepaars, das im Verlauf von 30 Jahren zwei Kinder (Unfall, Zwangsabtreibung), die Arbeit, Freunde und beinahe sich selbst verliert. Der Hauptdarsteller Wang Jing-chun wird mit dem Silbernen Bären als Darsteller ausgezeichnet. Im März 2020 wird der Film "The Great Wall" im ZDF gezeigt (auch Mediathek). Der chinesisch-amerikanische Action-Fantasy-Film wurde 2016 von Regisseur Zhang Yimou gedreht. Hauptrollen spielen Jing Tian und Matt Damon. Alle 60 Jahre greifen Drachen-Monster China an (das ist der Zweck der Mauer). Zwei Söldner retten zusammen mit einer Eliteeinheit den Kaiser.  Die chinesische Zensur schneidet regelmäßig unliebsame Teile aus ausländischen Filmen heraus. Bei der Filmkontrolle ist kein Muster zu erkennen. Es geht meist nicht um politische Aspekte. 2020 kommt die melancholische Komödie "Master Cheng in Pohjanjoki" ins Kino. Es ist ein finnischer Film von Regisseur Mik Kaurismäki. Es geht um einen Chinesen (Koch) in Lappland. Deshalb ist der Film hier eingeordnet. 2020 kommt ein Remake von Mulan in die Kinos (200 Mio. $). Er kommt auch bei Disney. Er wird als Werbefilm gesehen für Familiensinn und Vaterlandsliebe. Er dürfte der Führung in Peking gefallen (chinesische Vaterlandstreue). 2020 liefert die Filmindustrie in China das Kriegsepos "The Eight Hundred" . In Deutschland heißt der Film "Stream". Er berichtet von einer legendären Schlacht 1937, in der chinesische Soldaten ein Gebäude vier Tage gegen eine japanische Übermacht verteidigen. Regisseur ist Guan Hu.  2023 kommt der Film "Asterix und Obelix im Reich der Mitte" in die Kinos. Es ist ein gallischer Auslandseinsatz in China. Sie bestaunen die Sitten und Schönheit Chinas. Im Februar 2024 wird der Stumm-Film Die Nibelungen von Fritz Lang in den deutschen Kinos wieder gezeigt. Das große deutsche Filmepos von Fritz Lang (Direktor, Drehbuch)  wird 100 Jahre alt. Es besteht aus zwei Teilen: Siegfried ud Kriemhilds Rache. Es spielt hauptsächlich in Worms, also unserer Region. Der Film gehört heute der F. W. Murnau-Stiftung in Wiesbaden. Einige Teile mussten aus China re - importiert werden (deshalb steht der Film an dieser Stelle). Der Drache ist natürlich auch Mittelpunkt der Kultur in China. Siegfried tötet den Drachen im ersten Gesang des Nibelungenliedes, dem Helden-Mythos der Deutschen.  Der Schauspieler Volker Helfrich hat in China Karriere gemacht. Er ist originalgetreuer Darsteller westlicher "Langnasen".

Indien: Der indische Film "The Namesake, zwei Welten, eine Reise" aus dem Jahre 2006 von Mira Nair ist eine hervorragende Fallstudie auf die Akkulturation. Die zwei Welten sind Kalkutta in Indien und New York in den USA. Vor dem kulturellen Hintergrund wird eine wunderbare fesselnd Familiengeschichte erzählt. "Slumdog Millionaire" aus Indien hat 8 Oskars bekommen. Er handelt von einem indischen Jungen aus den Slums von Mumbai, der bei der Sendung "Wer wird Millionär" 20 Mio. Rupien gewinnt. Für mich war der Film eher eine Enttäuschung, weil er klischeehaft gemacht ist und zu wenig über das reale Leben in Indien erzählt. Auch die sprunghafte Bildführung ist sehr gewöhnungsbedürftig. Indien verfügt quantitativ über die größte Filmproduktion der Welt. Der Film "Life of Pi" ist zwar kein indischer Film oder Film über Indien, aber er erzählt von einer missglückten Ausreise aus Indien nach Kanada. Ein Junge überlebt auf einem Rettungsboot und Floß zusammen mit einem Tiger. Das Abenteuer des Überlebenskampfes beider schildert der Film in faszinierenden 3D-Bildern. Der Stummfilm "Das Grabmal einer großen Liebe" wurde 1928 produziert. Regisseur war Franz Osten. Am Ende der Liebesgeschichte wird das Taj Mahal als Grabmal und Wahrzeichen gebaut. Der Film beeindruckt mit den schauspielerischen Leistungen ohne Stimme. Am 30.3.20 wurde der Film noch mal bei Arte gezeigt. Der Film "In Flames" aus Pakistan gewinnt Ende 2023 auf dem 72. Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg. Es ist ein Drama über Frauenleben in Pakistan und eine wilde Reise in die Welt radikalen Denkens in den USA. Regisseur ist Zarrar Kahn, Hauptdarstellerin Ramesha Nawal.

Süd-Korea und Nord-Korea: 2019 gewinn der südkoreanische Film Parasite von Bong Joon-ho die Goldene Palme von Cannes. Es ist ein Thriller über eine südkoreanische Familie, die sich bei Reichen "einzeckt". Die Familie ist bitterarm und kann sich mit List in eine reiche Familien einschleichen und dann das Kommando übernehmen. 2020 gewinn dieser südkoreanische Film "Parasite" überraschend auch 4 Oskars in Hollywood (bester Film, bestes Drehbuch, bester ausländischer Film, beste Regie). Er ist damit der erfolgreichste Film. Es ist eine Gesellschaftssatire über Klassenunterschiede (siehe oben). Regisseur ist Bong Joon-ho. 2021 wird der Film "Minari - Wo wir Wurzeln schlagen" sogar für den Oscar prämiert (die Hauptdarstellerin Youn Yuh-Jung, 74 Jahre). Eine  koreanisch-amerikanische Familie möchte sich in den Achtzigerjahren im US-Bundesstaat Arkansas ein neues Leben aufbauen. Man sucht nach einem Platz für die Minari - Pflanze.  Der bekannteste Film, in dem Nordkorea eine Rolle spielt, ist wahrscheinlich James Bond "Stirb an einem anderen Tag". Der Film kam 2002 mit Pierce Brosnan. Er spielt in Nordkorea, London, Kuba und Island. Im August 2023 kommt der Film "Past Lives - In einem anderen Leben" ins deutsche Kino.  Er spielt in Süd-Korea und den USA. Der US-Film von der Regisseurin Celine Song, die vorher vor allem Theater gemacht hat, gedreht. Es ist ein Liebesfilm. Mit 12 Jahren wurden die eng befreundeten Nora und Hae Sung in Seoul getrennt. Noras Familie wandert in die USA aus. 12 Jahre später nehmen sie online wieder längere Zeit Kontakt auf. 12 Jahre danach treffen sie sich in New York. Nora ist verheiratet mit einem Amerikaner. Hae Sung hat sich vorübergehend von seiner Freundin getrennt. Viel Sympathie oder auch Liebe ist noch da. Es gibt einen alten Film, der in Süd-Korea spielt. Er heißt Sayonara und ist von 1957. Hauptdarsteller ist der junge Marlon Brando, der einen Major der US-Armee spielt. Er verliebt sich in eine Japanerin, die Tänzerin und Sängerin ist. Am Ende gehen beide in die USA, um dort eine Familie zu gründen.

Vietnam: Der bekannteste Vietnam-Film ist "Apocalypse Now" von Francis Ford Coppola. Auch "Full Metal Jacket" von Stanley Kubrick begleitet Kampf- und Schlachtszenen aus Vietnam. Eine Art Komödie ist "Good Morning Vietnam"  von 1987. "Indochine" mit Catherine Deneuve wurde 1991 an Originalschauplätzen in Vietnam gedreht. 2024 erscheint der Film "Geliebte Köchin" in deutschen Kinos. Regisseur ist Tran Anh Hung, der aus Vietnam stammt. Es geht um die Köchin Eugene, die von Juliette Binoche gespielt wird.

Iran: "Liebe auf Persisch" lief 2018 auf dem Ludwigshafener Festival des Deutschen Films. Der Film kam voll in die Verschärfung der Wirtschaftssanktionen der USA gegen den Iran. Der Film zeigt auf humorvolle Art die kulturellen Parallelen zwischen Deutschland und dem Iran auf.  Er verdeutlicht das Alltagsleben der Menschen unter schwierigen politischen Bedingungen. Der Film kommt im Fernsehen in der ARD im Oktober 2018. Den Goldenen Bären auf der Berlinale 2020 gewinnt der Episodenfilm "Es gibt kein Böses". Er ist von dem iranischen Regisseur Mohammed Rassulof. , der darin vier Kurzgeschichten erzählt, die sich mit der Todesstrafe im Land beschäftigen. Seine Tochter, die in Deutschland mittlerweile lebt, spielt eine Hauptrolle. 2023 wird in Deutschland der Film "Holy Spider" im Kino gezeigt. Es geht um einen Frauenmörder im Iran, der 2000/ 2001 16 Prostituierte in der heiligen Stadt Mashad ermordet. Er erdrosselt die Frauen mit ihrem Kopftuch, wickelt sie in einen Teppich und entsorgt sie dann. Das Schlimme an dem wahren Fall ist, das der Mörder Hannei im Iran als Held gefeiert wurde. Das sagt einiges über das Frauenbild und ist insofern hochaktuell. Regisseur Ali Abbasi drehte den Film in Jordanien. Eine Journalistin spielt schließlich den Lockvogel. Die Geistlichen und die Obrigkeit kommen insgesamt gut weg.

Umwelt: Im Oktober 2006 startete in Deutschland der Dokumentarfilm "Eine unbequeme Wahrheit" von Al Gore. Der Film gewann später auch zwei Oskars . Es geht um Weltklima- und Umweltschutz. Der ehemalige US-Vizepräsident und Präsidentschaftskandidat kämpft seit seinem Buch "Wege  zum Gleichgewicht" und Kioto für dieses Thema; vgl. auch www.climatecrisis.net . 2007 erhält er den Friedensnobelpreis. Der Film "Unsere Erde", der im Februar 2008 in Deutschland gestartet ist,  behandelt ebenfalls die Folgen der globalen Erwärmung und des Klimawandels. Am Beispiel der Tiere, vor allem der Eisbären und der Buckelwale, wird die Bedrohung verdeutlicht. Es handelt sich um eine Naturdokumentation mit atemberaubenden Bildern. Vgl. auch www.unsere-erde-derfilm.de . James Camerons "Avatar" ist mittlerweile der erfolgreichste Film aller Zeiten. Das Science-Fiction-Drama ist ökologisch angehaucht. Für einen wichtigen Rohstoff sollen die Ureinwohner von ihrem "Lebensbaum" durch Zwangsräumung vertrieben werden. Einerseits lebt der Film von vielen Klischees, andererseits ist das optische Erleben beeindruckend. Der Film "The Descendents" behandelt die Geschichte einer Familie auf Hawaii. Es geht auch um den möglichen Verkauf einer Immobilie, die die Küste "verschandeln" würde. Im Mittelpunkt steht aber ein Familienvater (gespielt von George Clooney, Golden Globe, Regisseur Alexander Payne), der die Familie mit zwei Töchtern alleine zusammenhalten muss, weil seine Frau im Koma liegt. Die Klischees von "heiler Familie" im "heilen Amerika" sind etwas zu dick aufgetragen. "Chasing Ice" (USA 2013, Regie: Jeff Orlowski) zeigt überzeugender als abstrakte Statistiken das Verschwinden der Gletscher. Beeindruckend wird gezeigt, welche Gewalt die Natur entwickeln kann. Es ist eine Reaktion auf die Hybris der Menschen. Manaslu (Österreich/ Südtirol 2019) ist ein Film über die Besteigung einer der höchsten Berge der Erde in Nepal (einer der 14 Achttausender, 8163 m, "Berg der Seelen"). Der Bergsteiger Hans Kammerlander scheitert zweimal. 1991 verliert er dabei zwei Freunde. Beim zweiten Aufstieg 2017 merkt Kammerlander beim Vergleich die Folgen des Klimawandels. Die Interview von Werner Herzog sind eindrucksvoll eingebaut. Kammerlander hielt auch zweimal Vorträge über seine Achttausender-Besteigungen in Neustadt an der Weinstraße. Als erster Mensch bestieg er zusammen mit Reinhold Messner zwei Achttausender nacheinander. Bei der Besteigung des Everest ohne Sauerstoffgerät fuhr er danach mit Skiern abwärts.  "Es kann nur auf einem anderen Planeten oder in China stattfinden", Han Han, chinesischer Blogger.

Kultur und Psychologie: "Viel Passiert", ein Film von Wim Wenders über BAP, zeigt viel über die Zeitgeschichte der letzten 30 Jahre und über die Kultur meiner Heimatregion ("Et kütt wi et kütt, äwer et hätt noch immer joot jejange", BAP waren am 15.03.09 in Mannheim im Rosengarten). Der Besuch des Filmes "Die Kinder des Monsieur Mathieu" kann nur jedem Pädagogen nahe gelegt werden. "Wall Street" ist für Wirtschaftsstudenten allein schon sinnvoll, um über folgenden Spruch von Michael Douglas nachzudenken: "Lunch is for wimps" (Mittagspause ist etwas für Schwächlinge); auch: "Greed (Gier) clarifies, cuts trough and captures the essence of the evolutionary spirit. Greed, in all of its forms - greed for life, for money, for love, knowledge - has marked the upward surge of mankind". Dieser Spruch ist durch die Weltwirtschaftskrise überraschend aktuell geworden. Im Herbst 2010 kommt der zweite Teil mit gleichem Titel in die Kinos, auch mit Michael Douglas. Er handelt von der Finanzkrise, die allerdings zu sehr mit Spielsucht erklärt wird. Die Verquickung mit dem Happyend einer Familie wirkt aufgesetzt. Der Film von Woody Allen "Match Point" verrät einiges über Karriere und Beziehungen in der feinen englischen Gesellschaft und über Zufall und Glück (" I don´t want to achieve immortality through my work. I want to achieve it through not dying"). Ähnlich geht es in dem Film "Der Teufel trägt Prada" um die Opfer und Kosten der Karriere. I´m not there ist einmal ein Film über das Leben von Bob Dylan. Durch die Vielzahl der überragenden Schauspieler und ihre frei und weit interpretierten Rollen ist es aber gleichzeitig ein Kulturepos über die USA. Der Film "Shopaholics" zeigt auf humorvolle Weise unter Einschluss des "American Dream" was Kaufsucht ist und wie man sie heilen kann. Der Film von und mit Hape Kerkeling "Horst Schlämmer, Isch kandidiere!" entlarvt humorvoll die Vordergründigkeit und Schemenhaftigkeit des politischen Bundestags-Wahlkampfes in Deutschland und lässt die Profipolitiker, die mitspielen, erschreckend niveau, humor- und phantasielos erscheinen. I Der Film Shutter Island von Martin Scorsese mit Leonardo DiCaprio eignet sich sehr gut als Anschauungsmaterial für meine Psychologie-Veranstaltung. Es geht um verschiedene Realitäten und psychologische Mechanismen. Der deutsche Film Almanya, der im Frühjahr 2011 in die Kinos gekommen ist, handelt von der Frage der Heimat und der Identität türkischer Gastarbeiter in Deutschland. Die Schwestern Samdereli erzählen die Geschichte einer Familie aus Ostanatolien. Der Film, der auch außer Konkurrenz auf der Bernlinale 2011 lief, ist sehr empfehlenswert (Lola: bestes Drehbuch). Der Film "Eine dunkle Begierde" handelt von den Begründern der Psychoanalyse S. Freud und C. G. Jung. Im Mittelpunkt der Handlung steht jedoch die Liebesbeziehung zwischen der Patientin und späteren Ärztin Spielrein (Russin, Jüdin, Hysterie, Masochistin, im Film Kira Nightly) und Jung. Interessant ist der Film von Tom Tykwer "Cloud Atlas" von der Idee her (seit November 2012 in den Kinos in Deutschland). Er folgt auch einer Mode, buddhistisches Gedankengut populär aufzubereiten. Die Länge des Films ist lästig und die zu starken Zugeständnisse an den amerikanischen Geschmack schaden. Für alle an Philosophie und Politikwissenschaft Interessierten ist der Film "Hannah Arendt" Pflicht (2013). Die Hauptrolle spielt Hannah Sukowa. Der Film wurde mit zwei Deutschen Filmpreisen ausgezeichnet. Im Mittelpunkt des Filmes steht die Berichterstattung über den Eichmann-Prozess in Israel. Sie entlarvt ihn als Bürokraten, Befehlsempfänger und Person, die über ihr Handeln nicht nachdenkt. Einige Seiten, in denen sie über die Kooperation von jüdischen Führern mit den Nazis berichtet, machen sie zur Persona non grata. Interessant sind die Rollen von Martin Heidegger (ihr Geliebter als Studentin) und Hans Jonas (berühmter Soziologe, der sie auch heimlich liebt). Der Film "Der Medicus" von 2013 (Regie Philipp Stölzl) zeigt eindrucksvoll, wie weit im Mittelalter die arabische und persische Kultur entwickelt waren. Es wird auch deutlich, dass die Perser das philosophische und wissenschaftliche Erbe der griechischen Antike bewahrt haben. Der Film entstand nach dem Buch von dem Amerikaner  Noah Gordon (1986, The Physician). Der Film "Monsieur Claude und seine Töchter" (in Deutschland 2014) könnte als Lehrfilm über Vorurteile und Stereotype eingesetzt werden.  Die vier Töchter heiraten interkulturelle Schwiegersöhne (Araber, Jude, Chinese, ein Schwarzer von der Elfenbeinküste). Es geht auch um Rollen, latenten und offenen Rassismus, Ängste vor Überfremdung und Mischehen in Frankreich. Für alle im Bildungssystem Tätige ist der Film "Frau Müller muss weg" von Sönke Wortmann (2014/2015) empfehlenswert. Sehr anschaulich wird wie in einer Komödie der Versuch von Eltern dargestellt, die Klassenlehrerin in einer Grundschule in Dresden zu "mobben", damit ihre Kinder eine Gymnasialempfehlung bekommen. Die Lebensverhältnisse, Motive, Familien und Charaktere der Eltern werden amüsant geschildert. In dem Film "Ich bin dann mal weg" von 2015 nach dem gleichnamigen Roman von Hape Kerkeling geht es um eine Wanderung auf dem fast 800 km langen Jacobsweg von Frankreich nach Santiago de Compostela in Spanien. Es geht um Erholung von Burn Out, Sinnfindung und die Grundfragen des Lebens ebenso wie um das Verhältnis zu Gott. auf dem 12. Film-Festival in Ludwigshafen wird zum ersten Mal der Film "Der Äthiopier" gezeigt. die Hauptrolle spiel Jürgen Vogel, der auch anwesend ist. Er spielt einen Jugendlichen, der aus der Unterschicht ist und seinem schwierigen Elternhaus nach Äthiopien entflieht. Dort kann er mit seinem technischen Talent und seinem bei einem Bankraub erbeuteten Geld sehr effektiv Entwicklungshilfe leisten. Er gründet eine Familie und muss wegen des Bankraubs kurz wieder in Deutschland ins Gefängnis. Aber es gibt ein Happy - End. Kulturell kann man viel aus dem Film lernen. 2016 kommt der Film "Girl on the Train" (Hauptrolle Emily Blunt) in die Kinos. Regisseur ist Tate Taylor. Das Drehbuch entstand nach dem Thriller-Bestseller von Paula Hawkins. Die einsame und alkoholkranke Rachel versucht, einen Mord aufzuklären. Psychologisch sehr interessant sind die Abgründe in der Vorstadtidylle. 2018 ist der Eröffnungsfilm auf dem Ludwigshafener Filmfestival "Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?". Es geht um Liebe in verschiedenen Konstellationen und die Alsheimer-Krankheit. Hauptdarsteller sind Corinna Harfouch, Meret Becker und Karl Krankowski. 25km/h. Deutscher Spielfilm 2018. Hauptdarsteller sind Lars Eidinger und Bjarne Mädel. Es handelt sich um ein Roadmovie: Ein Brüderpaar mittleren Alters erfüllt sich beim Begräbnis ihres Vaters einen Jugendtraum und fährt mit dem Mofa quer durch Deutschland an die Ostsee. Es geht um die Suche nach dem Sinn des Lebens und um wichtige Änderungen im Leben. Der eine Bruder findet den Weg zu seinem 15jährigen Sohn in Berlin, der andere den Weg zur Partnerin. Regie führte Markus Goller. Als Schauspieler wirken unter anderem noch mit Franka Potente, Alexandra Maria Lara und Sandra Hüller. Der Film wird 2019 auf dem Filmfestival Ludwigshafen gezeigt. Green Book. Weltpremiere auf dem Toronto Film Festival im November 2018. Oscar für den besten Film im Februar 2019. Regisseur ist Peter Farrelly. Es ist ein Rassismusdrama, das in den 60er-Jahren in den USA spielt. Es geht um eine besondere Freundschaft zwischen einem schwarzen Pianisten und einem weißen "Mädchen für Alles" (Italiener aus der Bronx, N. Y.). Im Mittelpunkt steht eine zweimonatige Konzerttour durch die Südstaaten der USA. Der Film "Niemandsland" (nach der Novelle "The Aftermath", auch englischer Titel) spielt direkt nach dem 2. Weltkrieg in Hamburg. Es geht um Krieg, Liebe und Extremsituationen. Keira Knightley spielt überragend die Frau eines britischen Oberstleutnants, der in Hamburg Ordnung schaffen soll. Er droht seine Frau an einen deutschen Architekt zu verlieren, bei dem er Quartier genommen hat. Schließlich bleiben beide doch zusammen. Auf dem Filmfestival 2019 in Ludwigshafen wird der Film "Herzjagen" gezeigt. Es geht um die psychischen Folgen einer Herz-OP. Im Mittelpunkt steht Hauptdarstellerin Martina Gedeck. 2020 erscheint ein Film über das Leben von dem Künstler bzw. Maler Gerhard Richter. Er ist der höchst gehandelte Maler in Deutschland. Richter erlebte als Kind das Nazi-Regime und wirkte später in der DDR ("sozialistischer Realismus"). Dann floh er nach Westdeutschland, studierte an der Kunstakademie Düsseldorf und machte dann Karriere. Der Film überzeichnet einzelne Phasen, verzerrt sie und wird vom Künstler selbst verrissen. Man erfährt zu wenig über den Maler und Künstler. Der Titel ist "Werk ohne Autor", Regisseur ist Florian Henckel von Donnersmarck. Schauspieler sind Tom Schilling, Paula Beer, Oliver Masucci, Sebastian Koch. 2022 (Pause wegen Corona) kommt ein Film über Elvis Presley in die Kinos. Der Regisseur Baz Luhrmann hat einen Film gedreht über den König des Rock`n Roll. Der Film "Elvis" erzählt die Lebensgeschichte des Stars. Man erfährt, wie eifrig  der weiße Musiker den schwarzen Blues und Gospel bewunderte. An vielen Stellen weitet der der Film sich ins Kulturhistorische der amerikanischen und westlichen Gesellschaft. Im bin selbst einmal der Music - Road von Chicago nach New Orleans über Nashvill und Memphis abgefahren. Bei Memphis liegt das Haus von Elvis mit Grab. Es ist heute Museum und heißt Graceland. Der Verfall und das Widersprüchliche der "Suchtperson" Elvis wird leider zu wenig durchleuchtet. 2022 auf dem Ludwigshafener Filmfestival wird der Film "Ernestos Island" gezeigt. Er handelt von der kleinen Insel Ernst Thälmann vor Kuba, die Fidel Castro einst der DDR schenkte. dort soll ein junger Mann aus Berlin  die Asche seiner Mutter hinbringen, die einst als glühende Kommunistin für den Weltkommunismus kämpfte. Er hat einen kubanischen Vater, der tot ist. Er lernt seine Familie kennen und findet seine Identität und sein Gleichgewicht. Ein Freund von ihm scheitert und begeht Selbstmord. Der Film hat verschiedene Ebenen (deutsche Geschichte, Kuba heute, Balance im Leben). Er konnte nur über Crowdfunding  fertig gestellt werden. 2022 kommt der Film "Im Westen nichts Neues" in die Kinos. Er ist nach dem gleichnamigen Buch von Erich Maria Remarque gedreht. Er passt gut in die Zeitenwende (Ukraine-Krieg). Regisseur ist Eduard Berger (er hat in New York studiert und bei US-Regisseuren gelernt). Netflix hat den Film finanziert und top -vermarktet, vor allem in den USA. Er ist für neun Oscars nominiert, auch für den besten Film. Der Film "Im Westen nichts Neues" gewinnt im März 4 Oskars bei der Verleihung in Los Angeles. Er wird auch bester ausländischer Film (zusätzlich Kamera, Set-Design, Musik). Damit wird er zum erfolgreichsten deutschen  Film bei den Oslars. "Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg. bis ich raus fand, dass es welche gibt, die dafür sind. Besonders die, die nicht hineingehen müssen", Erich Maria Remarque, Schriftsteller, 1898 - 1970. 2023 auf der Berlinade wird der Film "Seneca" vorgestellt. Regiseur ist Robert Schwentke. Seneca war der Erzieher des blutrünstigen römischen Kaisers Nero. John Malkowivich spielt Seneca. Er ist Opportunist, Zyniker mit schlechtem Gewissen, Hanswurst des käuflichen Denkens. Er textet mit seinen Feigheiten, seinen Lebenslügen. Seine letzten Worte im Film sind: "Mama, es tut weh" (er wird von Nero zum Tode verurteilt, es dauert lange bis ein Mittel wirkt). Der Film soll eine Parabel auf die  korrupte Politik und Philosophie generell sein. Damit wird Seneca, der Hauptvertreter des Stoizismus, aber missbraucht.  2023 kommt die Amazon Serie "The Consultant". Christoph Waltz verkörpert den sadistischen Regus Patoff, der eingestellt wird, um das Geschäft der Firma CompWare auf Vordermann zu bringen. Zur Begrüßung schnüffelt er an einzelnen Mitarbeitern, und entlässt jeden, dessen Geruch ihm nicht behagt. Das kapitalistische Ausbeutungssystem wird persifliert. Der Film "Der vermessene Mensch" handelt vom Völkermord, den deutsche Truppen Anfang des 20. Jahrhunderts (ab 1884) in Namibia begangen haben. Regisseur ist Lars Kraune. Der Film wird auch an historischer Stätte gezeigt. Über vier Jahre wurde an dem Film gearbeitet. Noch heute sind deutschstämmige Großgrundbesitzer die Hauptgrundstückseigentümer. Schon vor dem Nationalsozialismus waren weite Teile der Medizin schon ethno - zentrisch und ohne Gewissen. Der Film "Die Unschärferelation der Liebe" kommt 2023 in die Kinos. Regisseur ist Lars Kraune. Schauspieler sind Caroline Peters und Burghart Klaußner. Der Film ist nach einem Theaterstück und eine Liebeskomödie. Eine notorisch lügende Schulsekretärin trifft auf einen Metzger. Sie leidet unter dem Trauma, dass ihr Sohn aus einer gescheiterten Ehe mit einem Amerikaner in die USA gegangen ist. Dei Partnerschaft wird dann durch eine USA-Reise gefestigt. Auf dem Ludwigshafener Filmfestival erhält der Regisseur Thomas Stuber den Regiepreis verliehen. von ihm wird der Film "Die stillen Trabanten" gezeigt. Hauptdarsteller sind Martina Gedeck, Nastassja Kinski (sie kommt auch nach Ludwigshafen), Charly Hübner und Albrecht Schuch. Gezeigt werden drei Episoden, die in einander verwoben sind. Es geht um Liebe, Sehnsüchte und Träume. Ende 2023 kommt der Porträtfilm "Anselm - Das Rauschen der Zeit" von Wim Wenders ins deutsche Kino. Im Mittelpunkt steht der Künstler Anselm Kiefer, der quasi aus Deutschland geflohen ist und ein Atelier in der Nähe von Paris betreibt. Kiefer ist in der Welt vielleicht der am höchsten angesehene deutsche Künstler (Maler). In Deutschland sieht man ihn sehr ambivalent. Er ist früher oft angeeckt, weil er als Nazi missverstanden wurde. Dei Schlüsselszene im Film ist über den Philosophen Heidegger. Kiefer habe das Ungeheure nie mythisiert, sondern seine Bilder seien Topographien des Horrors. In zerklüfteten Landschaften haust das Grausen und in romantischen Idyllen das Verbrechen.  Wenders will nachweisen, dass es die deutschen Menschheitsverbrechen waren, die Kiefers blick rückwirkend verfinstert haben. Priscilla von Sofia Coppola nach dem Buch von Priscilla Presley (in Deutschland ab 2024). Es geht um das Kennenlernen in Deutschland, die Beziehung in Graceland bis zur Heirat und dann zur Trennung. Man lernt einiges über die Kultur der Zeit , aber auch psychologisch über den Kontroll-Freak Elvis. Für mich war der Film Pflicht, da ich mal die Music-Road der USA von Chicago nach New Orleans gefahren bin, mit den Highlights Nashville und Memphis/ Graceland. Im Februar 2024 erscheint der Film "One Love" über das Leben von Bob Marley and the Wailers im deutschen Kino ("One Love" ist einer der größten Songs des Reggae-Musikers). Er beginnt mit den politischen Zuständen auf Jamaika, wo nach der Unabhängigkeit von GB sich in den Sechzigerjahren verschiedene Splittergruppen bekriegen. Marley flieht, weil er um sein und das Leben seiner Familie fürchtet. Er startet eine Weltkarriere. Die Entstehung des Albums "Exodus"  in den Siebzigerjahren steht im Mittelpunkt. Es wird später zum besten Album des Jahrhunderts gewählt. Der Film endet mit dem Krebstod von Marley 1981. Vorher ist er 1978 noch mal nach Jamaika zurückgekehrt und gibt ein Konzert. 1980 wird er im Garten seines Hauses gezeigt, wo er einigen seiner Kinder den "Redemption Song" (Erlöserlied von Schmerz und Pein) vorsingt. Im März 2024 kommt der Film "Zone of Interest" in die deutschen Kinos. Der Auschwitz -Kommandant Rudolf Höß und seine Frau Hedwig realisieren direkt an der Lagemauer ihre Vorstellungen eines Familienlebens in einer Idylle von Familie mit fünf Kindern und großem Garten. Man hat Reitpferde, hund, Fluss zum Schwimmen, Angeln und Kajak fahren. Regisseur ist Jonathan Glazer. Sandra Hüller spielt die Hedwig. Der Film ist für 5 Oscars nominiert. Das besondere an dem Film ist, dass die Grauen des Konzentrationslagers nicht gezeigt werden, sondern man sie selbst aufgrund von Geräuschen, indirekten Ereignissen u. a. assoziieren muss. Die Fähigkeit der Leute, die Gewalt auszublenden, scheint für Glazer das Ausbreiten der Gewalt erst möglich gemacht zu haben. Da ist sicher etwas dran. Was der Film aber nicht zeigt, ist der Hass. Erst wenn der Hass auf die Juden groß genug ist, kann er in Gleichgültigkeit umschlagen. Vgl. NZZ 6.3.24, S. 7. 2024 ist auch das Jahr von Franz Kafka. Es ist das hundertste Todesjahr, da er 1924 an Lungentuberkulose gestorben ist. Im Kino startet im März ein Film über seine Liebe zu Dora Diamant: "Herrlichkeit des Lebens". Er lernt sie im Urlaub an der Ostsee kennen und lebt später eine zeitlang mit ihr in Berlin. Die zentrale Botschaft des Films ist: Das Leben kann so herrlich sein in vielen kleinen Dingen trotz Begrenzung durch Krankheit und Tod. Der Film ist deutsch-österreichisch und nach dem gleichnamigen Buch von Michael Kumpfmüller von Georg Maas und Judith Kaufmann gedreht. Hauptdarsteller sind Sabin Tabrea und Henriette Confurius. Auch im Fernsehen wird eine sechsteilige Serie über das Leben von Franz Kafka gezeigt.

Sonstige Relevante (Ökonomie allgemein): Sehen Sie sich den Film "A Beautiful Mind" an (z. B. in Programmkinos, mittlerweile auch im Fernsehen). In diesem Film über den Mathematiker und Wirtschaftsnobelpreisträger John Nash werden Grundpositionen der Spieltheorie und natürlich das Nash-Gleichgewicht  anschaulich und spannend dargestellt. Die Spieltheorie ist heute unverzichtbar in der Volkswirtschaftslehre. Strategische Situationen auf Oligopolmärkten, auf dem Arbeitsmarkt, im Umweltbereich oder im Welthandel können so hervorragend analysiert werden. Der Film "Troja" sollte Pflicht sein, da die Ilias von Homer (habe ich in der Schule noch in Griechisch gelesen) so was wie das Buch aller Bücher ist. Kassandra tritt auf, indem sie auch stets die Alternative des Unterlassens vorschlägt. In "Up in the Air" mit George Clooney geht es um einen "Entlasser" vom Dienst, der für eine Consulting-Firma arbeitet, die sich auf Kündigungen spezialisiert hat. Es geht um Verlierer in der Wirtschaftskrise, aber auch um einen entwurzelten, schrägen Lebensstil des "Corporate America" (zumindest für "Personal-Studenten" Pflicht). Der Film "Ludwig II" von 2013 zeigt eindrucksvoll, dass der bayrische König seiner Zeit weit voraus war, aber gegen die Machtpolitik Bismarcks keine Chance hatte. Sehr interessant ist die Einschätzung der Rolle von Kunst und Musik. Der Film "Der große Gatsby" von 2013 (Regie Bez Luhrmann, Hauptrolle L. DiCaprio) nach dem Roman von F. Scott Fitzgerald (erschienen 1925, dritter Film) stellt einen jungen Millionär und undurchsichtigen Geschäftsmann in den Mittelpunkt. Es geht um Kritik am "American Dream" und Gesellschaftskritik allgemein (Rolle der Frau), aber auch um die Wertschätzung von Menschen und um Moral. Der französische Film "Paulette" (2013 in Deutsch, Jerome Enrico)) erzählt die Geschichte einer älteren Dame, die aus der Not heraus zur Haschischhändlerin wird (Krimikomödie). Zuletzt bietet sie zusammen mit ihren Freundinnen das Haschisch sehr erfolgreich in in Gebäck an. Nachdem das Geschäftsmodell erfolgreich ist, wird ein Geschäft legal in Amsterdam eröffnet. Es handelt sich um eine kreative, humorvolle Auseinandersetzung mit dem Thema "Altersarmut".  Paulette lebt in einer heruntergekommenen Trabantenstadt unter ärmsten Bedingungen. Der Film "Die Königin der Nacht", der 2016 auf dem Ludwigshafener Filmfestival gezeigt wird, zeigt, was passiert wenn rein ökonomische Regeln und Normen auf eine eine andere, ökologisch und wertebezogene Welt treffen. Eine Bäuerin muss, um ökonomisch zu überleben, ihren Körper verkaufen. Ein Kunde verliebt sich in sie und versucht sie mit allen Mitteln ökonomisch von sich abhängig zu machen. Der Handlung endet in einer Katastrophe. Toni Erdmann (Regie und Drehbuch Maren Ade), ein Film mit Auszeichnung in Cannes und nominiert für einen Oskar in Hollywood, greift viele Themen auf. Ökonomisch am wichtigsten ist die Satire über Unternehmensberatungen und ihren Hauptzweck. Allein schon wegen der schauspielerischen Leistung der Hauptpersonen Vater und Tochter ist der Film sehr sehenswert. "The Wolf of Wall Street", ein Film von Martin Scorsese, hatte 2013 in New York Premiere. Die Hauptrolle hat Leonardo diCaprio. Der Film basiert auf einem Buch des Börsenmaklers Jordan Bedfort. Der Film zeigt überspitzt das Leben der Wall Street, dem Herz des Welt-Finanzmarktes. Es geht um Börsenspekulation und Börsengeschäfte. 2017 kommt der Film "Der junge Karl Marx" in die deutschen Kinos. Regisseur ist Raoul Peck. Der Titel sagt schon fast Alles. Es geht um die revolutionären Unruhen in Deutschland und Frankreich 1844 und die Rolle von Marx darin. Der Film "Ein Gauner und Gentleman", 2019,  ist von Robert Redfort (er soll sein letzter Film sein). Er spielt in der Hauptrolle einen Bankräuber, der in seinem Leben von dieser Rolle nicht lassen kann. sogar als er die große Liebe wieder findet, kann er nicht ablassen. Es geht auch um Ganovenehre und Ethik. Der Film "Der beste Film aller Zeiten" von 2021 führt in die Wirtschaft der Filmindustrie ein. Die schauspielerische Leistung von Penelope Cruz und Antonio Banderas ist überragend. 2023 kommt der Film "Was man von hier aus sieht" in die Kinos. Er ist nach dem gleichnamigen Buch von Marianne Leky gedreht worden. Er spielt im Westerwald in einem kleinen Dorf (im Film im Dorf Ulrichstein in Hessen/ Vogelsberg). Immer wenn Selma ein Okapi sieht, stirbt eine Person im Dorf. Es ist ein Buch und eine Parabel über den Sinn des Lebens und den Tod. Ökonomisch könnte es ein Symbol für die Prognose sein (deshalb an dieser Stelle beschrieben). Der Film ist sehr sehenswert und mit hervorragenden Schauspielern besetzt (allen voran Cornelia Harfouch als Selma). 2023 kommt der Film "Der Pfau" in die Kinos. Der Film ist nach dem gleichnamigen Buch gedreht. Die Gruppe von Investment-Bankern triff sich auf einem Landsitz in den schottischen Highlands, um Compliance zu üben und einen Zusammenschluss mit einer schottischen Bank vorzubereiten. Ein toter Pfau löst eine Reihe lustiger Verwicklungen aus. Der Film ist eine Persiflage auf Coaching und Team - Building. Schauspieler sind unter anderen Svenja Jung, Jürgen Vogel, Tom Schilling und Anette Frier. 2023 wird der Film "Roter Himmel" auf dem Filmfestival in Ludwigshafen gezeigt. Es geht auch um die großen Brände, die den Wald vernichten. Im Mittelpunkt stehen aber Kommunikationsprobleme in einer Gruppe. Drehbuchschreiber und Regisseur ist Christian Petzhold. Eine Gruppe Jugendlicher verbringt die Ferien in einem Ferienhaus an der Ostsee. Zwischen Nadja und Leon, einem Schriftsteller, kriselt es erst, dann kommt es wohl zu einem Happy End. Schauspieler sind Paula Beer, Matthias Brandt, Thomas Seubert und Enno Trebs. Auf dem Ludwigshafener Filmfestival wird auch der Film "Adios Buenos Aires"" gezeigt. Der Spielfilm, der von WDR und Arte produziert wurde, stammt von Regisseur German Kral, der auch das Drehbuch geschrieben hat. Er wurde in Buenos Aires geboren und lebt aber schon lange in München. Es ist ein Film über den Tango in wirtschaftlich schwierigen Zeiten (Wirtschafts- und Finanzkrise 2001). Poor Things, ein englischer Spielfilm von 2023, in Deutschland 2024. Regisseur ist Giorgos Lanthimos. Unter anderem mit Emma Stone, Mark Ruffalo und William Defoe. Ein Kindergehirn wird in den Kopf der Mutter eingepflanzt, die Selbstmord begangen hatte. Die Frau hat den Namen Bella Baxter. Es  wird die Entwicklung des Kindergehirns zur erwachsenen Frau gezeigt, die die Welt und Sexualität entdeckt. Der Film enthält viele Gedanken und Ideen philosophischer Art über die Ökonomie. 2024 kommt der Film "Maria Montessori" in die Kinos. Er ist von Lea Todorov. Im Mittelpunkt des Sozialdramas stehen die Star -Musikerin aus Paris, gespielt von Leila Bekhti, und Maria Montessori, gespielt von Jasamin Trinca. Beide haben ein behindertes Kind. Maria Montessori wurde 1870 in Italien geboren und starb 1952 in den Niederlanden. In Deutschland arbeiten ca. 600 Kindergärten und 400 Schulen nach Montessori. Das originale Lernmaterial wird von einer niederländischen Firma produziert. 2024 kommen ein Kinofilm (ab 7.3.24) über sie und ein Sachbuch auf den Markt. Das Buch "Der lange Schatten Maria Montessoris" von Sabine Seichter erschien im Beltz-Verlag. Man spricht auch von einer Montessori-Pädagogik. Sie war mit Sicherheit nicht die Vorreiterin von Integration und Inklusion behinderter Kinder. Sie wollte das "neue Kind" schaffen und sprach vom Erlöserkind. Sie hatte auch eine Schattenseite (Rassentheorie, Nähe zu Mussolini). Vgl. Interview mit Ullrich, Heiner: "Sie sprach von Erlöserkind", in: Die Zeit 10/ 29.2.24, S. 30. Sie gilt auch als ein Vorbild der Emanzipation der Frau. Sie lehnt die Ehe mit ihrem Kollegen und Vater ihres behinderten Kindes ab, um ihre Freiheit zu bewahren. Sie hatte schon als eine der ersten Frauen in Italien Medizin studiert.    "Trenne dich nie von deinen Illusionen! Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben", Mark Twain, US-amerikanischer Literat.

"Ein Filmpreis wäre eine Katastrophe. Wenn der Film einen Preis gewinnt, würde der Ministerpräsident oder jemand auf dieser Ebene ihn sehen wollen, um herauszufinden, was den Wirbel verursacht hat", Li Yu, chinesische Filmregisseurin, über ihre Arbeitsbedingungen.

 

 

    "Der gute Ruf geht weit, aber unendlich weiter geht der schlechte Ruf", Serbisches Sprichwort.

Kommentare  (Meinungsrubrik zu aktuelleren Fragestellungen; Views and Commentaries):

Die Wahl von Johannes Gutenberg zum größten Rheinland-Pfälzer dokumentiert die Mängel unseres Geschichtsunterrichts und der damit verbundene Ethnozentrismus: der Buchdruck mit beweglichen Lettern wurde schon viel früher in China erfunden (Sui-Dynastie, 581-618, Bi Sheng erfand dann zwischen 1041 und 1048 bewegliche Lettern; Gutenberg übernahm seine Technologie dann von den Portugiesen). Das Unwort des Jahres 2004 "Human - Kapital" indiziert eher die wissenschaftliche, insbesondere ökonomische, Inkompetenz der Unwort - Jury. Das Unwort des Jahres 2005 ist "Entlassungsproduktivität": selten gebraucht in der Ökonomie und überflüssig, da in der Arbeitsproduktivität enthalten. Für 2006 steht "Freiwillige Ausreise", das zu mehr "sprachkritischer Reflexion" aufrufen soll. 2007 wird das Wort "Herdprämie" gewählt, das einer gewissen Ironie nicht entbehrt. 2008 einigt man sich auf das Wort "Notleidende Banken". 2009 wird der Begriff "Sale" als überflüssigstes Wort und "Betriebsratsverseucht" als Unwort eingestuft. 2010 ist "Alternativlos" Unwort des Jahres. 2011 wählt die unabhängige Jury aus Sprachwissenschaftlern, Journalisten und Schriftstellern Döner-Morde als Unwort des Jahres. 2012 folgt Opfer-Abo (vor Pleite-Griechen). 2013 wird es "Sozialtourismus". Im Jahre 2014 folgt "Lügenpresse". Im Jahre 2015 ist "Gutmensch" Unwort des Jahres (Toleranz und Hilfsbereitschaft wird als naiv und dumm bezeichnet). Vgl. auch Institut der Deutschen Sprache (IDS), Mannheim. 2016 wird "Volksverräter" Unwort des Jahres. 2017 kommt "alternative Fakten" ("alternative facts") zu der Ehre. 2018 ist das Unwort "Anti-Abschiebe-Industrie". Zum Unwort 2019 wird "Umwelthysterie" ernannt. 2020 gibt es gleich zwei Unworte: Corona-Diktatur und Rückführungspatenschaften. 2021 wird das Wort "Pushback" ausgewählt. Es steht für die Rückführung von Flüchtlingen (zwischen Polen und Belarus). 2022 entscheidet man sich für das Unwort "Klimaterroristen" (zweiter Platz "Sozialtourismus"; Sprachwissenschaftler der Uni Marburg). 2023 ist "Remigration" Unwort des Jahres. Es ist das neue "Ausländer raus" (ein wissenschaftlicher Begriff wird missbraucht). Es gibt auch immer ein Wort des Jahres. Dazu wurde 2013 "GroKo" (Große Koalition) gewählt. 2012 war es "Rettungsroutine", 2011 "Stresstest", 2010 "Wutbürger", 2009 "Abwrackprämie". 2016 ist "postfaktisch" (Englisch: post-truth) das Wort des Jahres. Es spielt beim Brexit und bei der US-Präsidentschaftswahl eine Rolle (Punkten mit Lügen und auf Gefühle setzen). Im Jahre 2017 wird Jamaika-Aus zum Wort der Jahres gekürt. 2018 wird "Heißzeit" von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres gemacht. Im Jahre 2019 bringt es "Respektrente" zum Wort des Jahres. 2020  wird "Corona-Pandemie" Wort des Jahres. Es folgt 2021 "Wellenbrecher". Das Wort stammt aus dem Küstenschutz und Schiffbau  und wird als den Sammelbegriff für alle Schutzmaßnahmen bei Corona gebraucht (hat sich gegen Impfpflicht und Boostern durchgesetzt; auf Platz zwei und drei landen die Begriffe "SolidAhrität und "Pflexit")). Wort des Jahres 2022 wird "Zeitenwende". Im Jahre 2023 folgt "Krisenmodus".   Wirtschaftswort des Jahres 2019 wird "Klimakrise". Das Wort wird von einer Jury im Auftrag der Wirtschaftswoche vergeben. 2023 soll auch ein Jugendwort des Jahres ausgewählt werden. Es werden Nominierungen gemacht. Jugendliche können ab August 2023 abstimmen. Eine wichtige Rolle dabei spielt die Videoplattform "TikTok".

Viele deutsche Großunternehmen machen eine miserable Öffentlichkeitsarbeit (Beispiele:  Deutsche Bank, Daimler , Siemens). Insofern könnte hier investiert werden. "Siemens war und ist eine deutsche Ikone, die auch für moralische Werte und Integrität steht", Klaus Kleinfeld, ehemaliger Siemens-Chef. Auch die Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Regierung nach der Naturkatastrophe in Japan 2011 ist ein Unding (Umweltminister auf einer Parteiveranstaltung). Viele Äußerungen und Nachrichten auf dieser Seite würden in China gegen das neue Internetgesetz verstoßen (Staat gegen Blogger; es gibt 30 Mio. Blogs in China). Chinas Sicherheitsbehörden verschärfen mit einer Art "Big Brother" (Comic-Figuren) die Kontrolle im Internet. Bis Mitte des Jahres wurden 2009  2000 Blogs und Foren geschlossen. Mittlerweile sind 2008  mit 220 Mio. Nutzern mehr Chinesen im Internet als Amerikaner. Mitte 2009 soll ein Filterprogramm eingeführt werden ("Grüner Damm zur Begleitung der Jugendblüte"). Es sollte in alle in China verkauften Computer eingebaut ("virtuelle Chinesische Mauer") werden. Amerikaner, Japaner und Europäer wollen die Software von Jinhui nicht einbauen und setzen sich durch. Die Chinesische Führung versucht trotzdem immer wieder zu zensieren, z. B. findet man bei den Unruhen in Nordafrika nicht Ägypten. Der Rektor der Pekinger Hochschule für Telekommunikation entwickelt die "Große Brandmauer", die ein System von Zensurfiltern darstellt. Wegen der Zensur entwickeln sich die Chinesen zu begeisterten Mikrobloggern. 2010 zieht sich Google zum großen Teil aus China zurück. Google unterwirft sich nicht mehr der Zensur, die Suchseiten werden nach Hongkong umgeleitet (gegenüber den Eingriffen der USA und GB scheint man aber weniger zimperlich zu sein). 2018 will Google wieder auf den chinesischen Markt zurück und akzeptiert eine zensierte Suchmaschine. In China dürfte es ca. 10 Mio. Menschen mit Internet-Sucht geben. Das größte chinesische Internet-Sozialnetz "Renren.com" will 2011 an die Börse. Die chinesische Regierung sperrt immer wieder Internetseiten, z. B. im März 2012 solche mit Gerüchten über einen Putschversuch. Es gibt auch Eingriffe der Zensur in Zeitungen, so beim liberalen Wochenblatt "Nanfang Zhoumo". Auf der anderen Seite führt eine Einheit von Chinas Militär Computerattacken auf westliche Firmen und öffentliche Einrichtungen durch. Sitz der Einheit soll Shanghai (Datongstraße) sein. Umstritten ist die Rolle des Telekommunikationsunternehmens Huawei, das Unternehmen, Behörden und Telefongesellschaften mit Netzwerktechnik ausrüstet. Die chinesischen Internetfirmen werden immer mächtiger (Alibaba, Baidu, Sina, Tencent). 2014 verbietet China Windows 8. Die Regierung verhindert den Zugriff auf immer mehr internationale Webseiten. 2015 nutzen 600 Mio. Chinesen das Internet. Auch die sozialen Netzwerke sind gesperrt. 2015 sollen auch die Umwege über VPN zugemacht werden ("Große Internet-Mauer"). Bis 2020 will die VR für jeden Bürger eine Sozialbewertung erstellen ("social credit", Zusammenstellung der Infos aller Datenbanken). Apple muss 2016 die Nachrichten - App der New York Times sperren (hatte über Familienvermögen der Führung berichtet). Auch andere Nachrichtenportale sind gesperrt.  Ab 2017 soll das Verhalten im Internet anhand von Spuren im Netz beurteilt werden. Es bahnt sich ein Überwachungswahn an. Im Sommer 2019 werfen Twitter und Facebook China vor, in Online-Netzwerken gezielt gegen die Proteste in Hongkong Stimmung zu machen. Sie sperren Nutzerkonten.  Im Oktober 2019 nimmt Apple auf Druck Chinas eine von Hongkonger Demokratieaktivisten genutzte App aus dem Angebot. Russland will ein separates nationales Internet. Jugendliche würden dann von den sozialen Netzwerken getrennt. Zuerst kommt 2019 ein "Stacheldraht" um das russische Internet: Ein Gesetz gibt dem Staat die Kontrolle über die Datenmengen.  Es gibt aber noch technische Probleme. Ungarn will eine Internetsteuer einführen, gegen die ein Proteststurm ausbricht. Das geplante internationale Urheberrechtsabkommen Acta birgt große Gefahren des Missbrauchs. Es sollte wesentlich genauer gefasst werden, damit es nicht Generationen von Juristen in aller Welt als Haupterwerbsquelle dienen kann ("Abzocke"). Ein "freies und offenes Internet" sind ein hohes Gut. Grundsätzlich ist der Kampf gegen Produkt- und Markenfälschungen durch ein internationales Handelsabkommen aber sinnvoll.  Acta wird dann auch folgerichtig 2012 vom Europaparlament ad acta gelegt. Deutschland hat sich an der geplanten Volkszählung der EU 2011 beteiligt ("Zensus 2011", die Erhebung 2000 in der EU wurde ausgelassen), was sehr zu begrüßen ist (durch die deutsche Vereinigung und den Zeitabstand zur letzten Zählung von 1987gibt es ein großes Datendefizit; es sollen hauptsächlich Daten aus Registern ausgewertet werden). Am 20.09.07 hat der Bundestag das Gesetz für die Volkszählung 2011 beschlossen. Die Vorratsdatenspeicherung ist umstritten. Gemessen an der kommerziellen Datengier im Internet sind die Informationen eher bescheiden. Jeder dritte Deutsche wurde befragt, in 10% der HH durch Interviewer (Religionszugehörigkeit freiwillig, Fragen zu Haushalt, Arbeit und Bildung). 80.000 Interviewer sollen unterwegs sein, die Kosten betragen 700 Mio. €. Stichtag ist der 9. Mai 2011. (Vorsitzender der Zensuskommission ist Gert G. Wagner vom DIW). NPD-Mitglieder sollten sich freiwillig zur Verfügung stellen, um Infos über Ausländer zu bekommen. Die Zählung ist besonders wichtig für die Stimmverteilung im Bundesrat und den Länderfinanzausgleich. 2016 kommt die WLAN - Reform (Änderung des Telemediengesetzes). Wlan-Anbieter und  und Internetanbieter sollen von Haftungsrisiken befreit werden (Störerhaftung). Der Europäische Gerichtshof schränkt diese Regelung wieder etwas ein: es muss kein Schadensersatz für Urheberrechtsverletzungen geleistet werden Aber Anbieter, z. B. die Musikindustrie,  können einen Passwortschutz verlangen. Ende Juni 2017 beschließt der Bundestag ein Gesetz gegen Hasstiraden im Internet. Soziale Netzwerke müssen künftig rechtswidrige Hetzkommentare innerhalb von 24 Stunden löschen oder hohe Strafen zahlen.

Die Verschiebung des Zentrums der Weltwirtschaft, insbesondere der Produktion und des Konsums,  nach Asien, die in ihren Auswirkungen die Dimension der industriellen Revolution erreichen kann, wird leider in den Wirtschaftswissenschaften noch nicht angemessen berücksichtigt. Die Industrieländer (G8) laufen mittlerweile Gefahr, weltweit nicht mehr Ernst genommen zu werden:  Warum die O5 einerseits nicht einbezogen sind, andererseits die EU mit allen wichtigen Staaten ist nicht zu vermitteln. Das gleiche gilt für die Leitung von IWF und Weltbank. In der Betriebswirtschaftslehre rücken zu Recht weltweite Wertschöpfungsprozesse (Produktionswirtschaft mit Innovation, Umwelt, Logistik und Kostenrechnung) in den Mittelpunkt. Die Unternehmensteuerreform  enthielt drei innovative, interessante Bausteine: die Zinsschranke, Thesaurierungs-begünstigung, und die Abgeltungssteuer. In der Praxis erweist sich die Zinsschranke in der Wirtschaftskrise 2009 als gefährlich (sie wurde deshalb modifiziert). Auch der eingeschränkte Verlustvor- und -rücktrag wirkt ähnlich in der Krise. Eine steuerliche Förderung der Forschung - wie von der Wirtschaft gefordert - wäre wünschenswert. Die Überprüfung aller Doppelbesteuerungsabkommen ist sicher sinnvoll und nützlich. Die steuerlichen Maßnahmen im Wachstumsbeschleunigungsgesetz sind jedoch höchst zweifelhaft. Ein Skandal ist, dass ca. 13.000 Finanzbeamte (Deutsche Steuergewerkschaft) fehlen, um insbesondere Steuerprüfungen bei Firmen in ausreichendem Umfang durchführen zu können.

Die Erhebung von Studiengebühren ist akzeptabel, wenn die Mittel größtenteils den Hochschulen zufließen, zinslose und nicht in jedem Falle zurückzuzahlende Kredite zur Verfügung stehen und die Benachteiligung von Kindern aus sozial schwachen Schichten in der Grundschule behoben wird. Studiengebühren haben große Vorteile, wenn die Umverteilung zugunsten Bedürftiger funktioniert. In RLP dürften der Sonderweg Probleme bereiten ("Landeskinderregelung" mit gebührenfreiem Erststudium oder Stipendien - wurde ausgesetzt - / Finanzausgleich bei negativem Gerichtsurteil). 2013 setzt nur noch Bayern auf Studiengebühren. Aber auch dort stehen sie auf der Kippe. 2012 absolvieren fast doppelt so viele Studenten einen Abschluss als 10 Jahre zuvor (Bologna-Reform, Doppelzählung von Master). Ein immer größeres Problem stellt der Wohnraum für Studenten dar. In Berlin entsteht das erste Studentendorf aus Hochseecontainern, privat finanziert (Vorbild Keetwonen in Amstersam. 2014 wird eine Änderung der Hochschulfinanzierung angestrebt (Neufassung Artikel 91b des Grundgesetzes). Es geht darum, die Finanzierung der Hochschulen zur Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern zu machen (bisher Ländersache).  Die Akkreditierungsagenturen müssten auch die zukünftigen Erträge der neuen Qualifikationen ermitteln (generell wird die Angebotsqualität vernachlässigt). Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Februar 2012 ist das Basisgehalt für W2-Professoren in Hessen "evident unzureichend" (Alimentierungspflicht, Abstandsgebot). Die Leistungszuschläge sollen auch einklagbar sein.  Eine Überarbeitung dieses Besoldungssystems ist dringend erforderlich. Die Länder reformieren daraufhin die Besoldung. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern werden immer größer. Eine Untersuchung vom Handelsblatt ergibt, das deutsche Ökonomen kaum konkurrenzfähig sind. Sie betreiben keine Forschung auf internationalem Niveau. Viele Top - Ökonomen wandern mittlerweile auch ins Ausland aus. Lieblingsland ist die USA. Dies sollte uns auch an Fachhochschulen anspornen, mehr Forschung und Veröffentlichungen in Angriff zu nehmen ( www.handelsblatt.com/oekonomie ). Allerdings steigt die Produktivität (www.handelsblatt.com/vwl ). Aber es herrscht große Konzentration: ca. 15% der Professoren veröffentlichen ca. 80% der Publikationen (natürlich auch eine Frage von Netzwerken und Infrastruktur). Beste VWL - Uni im deutschsprachigen Bereich sei Zürich vor Mannheim. 2011 überholt Mannheim Zürich (Mehrfachveröffentlichungen aufgedeckt). 2013 liegt noch Mannheim vorne, vor Bonn und München (LMU). 2017 führt in Deutschland die LMU München vor Frankfurt und Mannheim. Bei BWL liegt Mannheim vor München und Köln. Bei den Fachhochschulen liegen Reutlingen, Köln und Pforzheim vorne. Auf einer Weltbesten - Liste der Hochschulen, erstellt von der Uni Shanghai, sind sechs deutsche Unis vertreten, die LMU München mit Platz 53 am besten. Aktuell (2019 fünf Jahre zurück) führt Christian Dustmann die VWL - Rangliste von Handelsblatt an (Mo. 16.09.2019, S. 13). Beim Lebenswerk führt Bruno S. Frey. Die Finanz- und Weltwirtschaftskrise, die von Ökonomen nicht vorhergesagt wurde, zeigt, dass die Theorien der Volkswirtschaftslehre grundlegend überarbeitet werden müssen. Nicht ökonomische Motive und psychologische Faktoren (Emotionen) müssen in die Modelle eingebaut werden. Wichtige bisherige Theoriestränge sind unhaltbar. Außerdem sollte bei jeder Gelegenheit - ähnlich dem Spruch von Cato ("Ceterum censeo Carthaginem esse delendam") - betont werden, dass die Steuerzahler dieser Welt die Banken und Finanzmärkte retten mussten. Aber auch eine Ökonomie der Nachhaltigkeit muss allmählich mehr theoretisch und empirisch fundiert werden. Ende 2014 wird das Grundgesetz dahin geändert, dass Bund und Länder bei Hochschulen kooperieren dürfen. Die Finanzierungsstruktur soll auch geändert werden. Die Wirtschaftswoche erstellt im Januar 2019 eine Liste der forschungsstärksten Betriebswirtschaftsprofessoren im deutschsprachigen Raum: Es führen Helmut Krcmar, TU München und Nils Boysen, Uni Jena vor Martin Bichler, TU München. Vgl. WiWo 4 18.1.2019, S. 40. Grundlage waren die 860 Fachzeitschriften. Bei den Universitäten liegen im deutschsprachigen Raum  folgende bei der Forschungsleistung vorne: Uni St. Gallen, TU München, WU Wien, Uni Zürich. Vgl. WiWo 50/ 9.12.22, S. 42f. Ende 2023 veröffentlicht die Wirtschaftswoche (Wiwo) die forschungsstärksten Hochschulen im deutschsprachigen Raum in der Volkswirtschaftslehre (2014-2023). An der Spitze liegen die Universität Zürich, vor der LMU München, der Uni Bonn und der Uni der Uni Mannheim.  Dann folgen die ETH zürich, die Universität Lausanne und die Uni Köln. Vgl. wiWo Nr. 50/ 8.12.23, S. 36ff.

Der OECD-Bildungsbericht 2007 sieht in Deutschland für die Zukunft einen großen Mangel an Ingenieuren und Lehrern. Außerdem sei die Studienabbrecherquote mit 35% viel zu hoch. Das ist die Quittung für die extrem schlechten Rahmenbedingungen an den Hochschulen, insbesondere Fachhochschulen, und für die Vernachlässigung der sozialen Komponente. Der Hochschulpakt ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Durch die Besoldungsreform an den Hochschule (W2 Einstieg an FH) wird man kaum noch Spitzenleute als Quereinsteiger aus der Praxis bekommen. 2011 stellt die OECD fest, das die deutschen Bildungsausgaben im internationalen Vergleich unter dem Durchschnitt liegen. Es fehlten auch Hochqualifizierte. 2013 zeigt der Bericht, dass in den MINT-Fächern der Anteil der Studentinnen ständig gestiegen ist. Im PISA-Test 2013 (OECD) liegen die deutschen Schüler über dem Mittelwert, d. h. sie haben sich verbessert (in Europa sind die Schweiz, Niederlande besser). Die weltweit besten Ergebnisse zeigt Shanghai in China. Chinas Mittelschicht drillt ihre Kinder. Der OECD-Bildungsbericht 2016 lobt ausdrücklich das deutsche , duale Ausbildungssystem. Die Studie 2017 der OECD "Bildung auf einen Blick" vergleicht Zahlen, die nicht vergleichbar sind (Beispiel: Studiengebühren in GB Bildungsausgaben, BAFÖG in Deutschland Sozialleistungen). Positiv fällt auf, dass Deutschland mittlerweile den höchsten MINT-Anteil hat. 2018 kommt der OECD-Bildungsbericht "Deutschland auf einen Blick". Er gibt dem deutschen Bildungssystem gute Noten. Die Ausbildung sei so gut wie ein Studium. Im PISA - Test 2016. sind die Deutschen überdurchschnittlich. Spitzenreiter sind Singapur, Estland, Japan oder Kanada. Die Pisa-Studie 2019 zeigt, dass deutsche Schüler unbedingt aufholen sollten. Sonst fehlen bald die Tüftler. Erstmals nach der Corona-Pandemie erhält Deutschland wieder ein neues Pisa-Zeugnis 2023: Das Ergebnis ist verheerend. In Mathematik, im Lesen und in Naturwissenschaften sind ei Leistungen der Jugendlichen drastisch gesunken. Der Bildungsmonitor 2009 zeigt für Rheinland-Pfalz (RLP) gute Leistungen im Schulbereich, aber Schwächen in der Hochschulforschung. 2011 zeigt sich generell eine Verbesserung, RLP rückt auf den fünften Platz vor. Im Monitor 2017 fällt RLP auf den 11. Platz zurück. Der Bildungsbericht 2012 (Federführung DIPF) betont die Bedeutung der musischen und kulturellen Bildung. Der Ausbau der Kita-Plätze für unter Dreijährige sollte beschleunigt werden. 20% bilden den harten Kern der "Bildungsverlierer". Eine Studie (Minimal Economic Knowledge, MEK) weist 2010 nach, dass die Deutschen zu wenig über Wirtschaft wissen. Die Noten an den Hochschulen werden immer besser (Statistisches Bundesamt).  Das Abbild des Leistungsvermögens scheint nicht mehr realitätsgetreu zu sein. Ursachen könnten Image und Bequemlichkeit sein. Deshalb setzen Personaler immer mehr auf Zusatzqualifikationen und eigene Tests. Im Herbst 2016 wird eine AOK-Studie über Stress der Studierenden vorgelegt. Der Stress-Level (überfüllte Hörsäle, Lernstoff) ist hoch. Er unterscheidet sich nach Geschlecht (bei Frauen höher) und Bundesländern (in RLP am niedrigsten). Das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) erstellt im Auftrag der Kultusministerkonferenz in bestimmten Zeitabständen Studien über das schulische Leistungsniveau in den Bundesländern. Die neueste Studie heißt "Bildungstrends 2015". Bayern bleibt an der Spitze der Bundesländer. Der Norden holt aber auf. Hinten liegen die Stadtstaaten Berlin und Bremen. Eine Untersuchung der OECD, kommt im Oktober 2018 zu folgenden Ergebnissen: Es gibt bessere Chancen für ärmere Schüler. Es gibt noch eine große Leistungsschere, aber sie bewegt sich in die richtige Richtung. Zwischen 2006 und 2015 ist die soziale Durchmischung der Schulen deutlich besser als in anderen Ländern.

"Ich habe die Arbeit selber geschrieben - ich stehe auch zu dem Blödsinn, den ich darin geschrieben habe," Karl-Theodor zu Guttenberg 2011 (zu dem Entschluss, aufgrund der Plagiatsvorwürfe auf seinen Doktor zu verzichten).

No tener pelos en la lengua: kein Blatt vor den Mund nehmen.

 

Seidenstrasse (als alte Verbindung zwischen Europa und Asien, vgl. auch die Geschichte der Globalisierung auf der Ostasienseite) und aktuelles Seidenstraßen-Projekt:

      Marco Polo-Denkmal am Jiayuguan Pass in der Wüste Gobi in der Provinz Gansu  im Westen Chinas im Herbst 2008. Gansu ist eine relative arme Provinz. Hier mussten sich traditionell viele Führungskader der KPC bewähren. Die Wüste Gobi erobert immer mehr vorher fruchtbares Land. Riesige Windparks und Solarfelder versuchen die Region trotzdem zu nutzen. Hier liegen auch Öl-Raffinerien und Weinanbaugebiete Chinas (Weinfabriken). Zwischen beiden kommt es immer wieder zu Konflikten (im Westen kaum bekannt).

"Ein guter Reisender hat kein Ziel und keine feste Absicht anzukommen", Daoistisches Sprichwort.

Seide: Die Staatliche Seidenmanufaktur Nr. 1 ist  in Suzhou, China ("Venedig Chinas", Ende des Kaiserkanals) ist einer der Ursprünge. Diese Stadt im Südosten Chinas gilt als Geburtsort der chinesischen Seidenkultur. Seide war viele Jahrhunderte eines der wichtigsten Exportgüter des Landes auf der Seidenstraße, der Verbindung nach Europa. Die Herstellung der Seide war geheim, bis das Verfahren später von Japanern geklaut wurde (einer der berühmtesten Fälle von Industriespionage; im 8. Jahrhundert wurde das Monopol von Japan gebrochen). Anfang des 6. Jahrhunderts wollte Mönche aus Europa schon das Geheimnis erkunden. In Frankreich (Ludwig IX.) bestand eine große Nachfrage nach Seide. Seide wurde in der Regel mit Gold aufgewogen.  Später wurden in Frankreich viele Maulbeerbäume für die Seifenzucht angepflanzt. In Deutschland erst seit Friedrich dem Großen. Synthetische Farben für Seide waren eine der Ursprünge der chemischen Industrie. Unternehmen wurden gegründet, um sie herzustellen, so die BASF.

Der Begriff "Seidenstraße" geht auf den deutschen Asienforscher Ferdinand von Richthofen (1833-1905) zurück. Er erforschte zwischen 1860 und 1880 China und die Handelswege von dort nach Europa. Der oben abgebildete Pass ist der größte der Welt an der alten Seidenstraße (Serike, Serata) zwischen Asien und Europa, der alten "Autobahn" der Globalisierung und dem Symbol des Handels zwischen Asien und Europa. Hier ist auch das Ende der Chinesischen Mauer (mit einer Festung, die Fallen enthält). "Vom regen Handel der Kaufleute hängt der Wohlstand der Welt ab", Dschingis Khan. Er war Mongolenherrscher und hatte im 13. Jahrhundert das größte Reich der Geschichte, einschließlich China. Er begründete eine Strecke der Seidenstraße, über die Marco Polo (1271-1295; in genuesischer Gefangenschaft schrieb er seine Erlebnisse auf; das Erfolgsbuch prägte vor den Jesuiten das Chinabild der Europäer) ebenso wie Ibn Battuta (1325-1353, reiste 29 Jahre lang, war Marokkaner, "Haus des Islam") reisten und über die viele Produkte und  Erfindungen aus China, das zu der Zeit die technologische Führungsmacht der Welt war, nach Europa kamen. An den Erzählungen Marco Polos zweifelten schon die Zeitgenossen. 17 Jahre will er das Land bereist haben (die Rückreise war über Persien und die Türkei). Beim Schreiben half ihm Rustichello da Pisa. Im Gefängnis hatte er ihn kennen gelernt (er war Teilnehmer im Krieg zwischen Venedig und Genua  und wurde gefangen genommen).  Das Buch heißt "Il Milione". Im Niedersächsischen Landesmuseum begann am 26.01.12 eine Ausstellung unter dem Titel "Von Venedig nach China". Schon vor Polo hatte es Reisen nach China und Indien gegeben. Aber Polo besuchte kaum bekannte Teile Chinas und hinterließ besagtes Buch, das zu den bekanntesten Werken des Mittelalters zählt. Der Text ist mit Sagen und Legenden angereichert. Vor 700 Jahren (ab 20224 zurück) starb er in seiner Heimatstadt Venedig. Er war ein kluger und gelehrter Bürger Venedigs.    Die Hauptroute der Seidenstraße lief von Xi ´an (genau von Chang´an), der alten Kaiserstadt, über Dunhuang (im Hexi-Korridor), Kashgar, Samarand, Teheran, Bagdad nach Antiochia. Von Xian, Dunhuang und Kashgar gab es Nebenrouten nach Kalkutta, Karatschi, Rangun, Guangzhou/Hongkong, Shanghai und Peking. Der Handel fand mit Zwischenhändlern in Teilabschnitten statt. Die beiden Enden (zuerst Chinesen und Römer) kannten sich in der Regel nicht. Gehandelt wurden Seide, Porzellan, Tee, Felle und Lackwaren aus dem Osten und Gold, Silber, Weihrauch, Bernstein und Glas aus dem Westen. Die Provinz Xinjiang ist heute das Drehkreuz für Chinas Öl- und Gasversorgung (Hauptstadt Urumqi, in der Provinz leben viele Uiguren, sie gilt als Unruheprovinz). Aus den Grotten von Dunhuang wurde im 19. Jahrhundert die größte und am besten erhaltene Bibliothek über die Geschichte des Buddhismus von europäischen Forschern geraubt. Die Rollen sind heute über die Bibliotheken der Welt verstreut, die meisten sind im British Museum in London. Sie sind in vielen Sprachen (chinesisch, indisch, altpersisch "Keilschrift" u. a.). In der Provinz Xinjiang lebten vor ca. 1500 Jahren die Tocharer. Sie ließen sich dort aus Europa kommend nieder. In der Wüste Taklamakan fand man unzählige Papierfetzen, von denen man einiges über die Sprache und Kultur weiß (vgl. auch www.univie.ac.at/tocharian ). Die größte Leistung dieser indogermanischen Hochkultur bestand darin, den Buddhismus aus Indien zu importieren und in China und dem übrigen Asien zu verbreiten. Unklar ist, warum die Kultur verfiel (schleichende Islamisierung?). Vgl. auch: Peter Hopkirk: Die Seidenstraße. Auf der Suche nach verlorenen Schätzen im chinesischen Zentralasien, München (List-Verlag) 1986.

Dieses Foto (Quelle: Porzellanmuseum auf der Leuchtenburg bei Kahla in Thüringen) zeigt - wenn auch etwas undeutlich in diesem Format - drei Handelsstraßen an: Die alte Seidenstraße auf dem Landweg, die maritime Seidenstraße und die Gewürzroute. Am Beispiel des Porzellans soll die unterschiedliche Bedeutung erläutert werden: Auf der Landroute dauerte der Transport 4 Jahre. Erst im 13. Jh. in der Ming-Zeit gelangte die erste Porzellanvase nach Europa. Später wurde speziell für den Export in China produziert. Auf der maritimen Seidenstraße ging der Transport etwas schneller, aber das Prinzip war das gleiche: Kauf - Verkauf auf allen Stufen. Die Folge waren hohe Preise. Erst die Gewürzroute der Portugiesen (nach Vasco da Gama) durchbrach dieses Prinzip: jetzt fuhr das gleiche Schiff von Niederlassung zu Niederlassung und das Prinzip war Auftragserfüllung. Die Fahrt dauerte so nur noch 4 bis 9 Monate und die Preise für Porzellan sanken erheblich.

Zentrum der Porzellanmanufakturen war Jingdezhen (im heutigen Jiangxi). Dort wurde Porzellan für den Kaiserhof hergestellt. Das Geheimnis der Porzellanherstellung lag in der Verwendung von Kaolin, einem besonders reinen Ton, der mit Feldspat vermischt auf über 1300 Grad gebrannt wurde. Das Geheimnis dürfte spätestens seit der Tang-Zeit  bekannt gewesen sein. Zwischen dem 9. und 14. Jh. wurden aus den Häfen Südchinas Millionen von Porzellangefäßen nach Japan, Südostasien, Indien und bis an den Persischen Golf verschifft. Europäer hatten nur billige Imitationen hergestellt (Medici, Delft). Erst 1708 gelang es Johann Friedrich Böttger am Hofe August des Starken in Dresden echtes Porzellan herzustellen.  Die Serienproduktion begann 1710 mit der Meißner Porzellanmanufaktur. Vgl. Vogelsang, Kai: Geschichte Chinas, Stuttgart 2019, S. 320.

Über die Seidenstraße fand der Buddhismus seinen Weg von Indien in alle Teile Asiens. Mönche begleiteten diplomatische Missionen an fremde Höfe. Buddhistische Kunstwerke wurden verschenkt. Aber auch die Kaufleute trugen die Lehre über die Handelsrouten in alle Welt. Die Lehren des Buddha waren im Prinzip zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Kaufleute. Im Geldverdienen sah man ein Zeichen für gutes Karma und konnte damit den Reichtum rechtfertigen.

Die Höhlen von Dunhuang (Mogao - Grotten, seit 1987 Unesco-Weltkulturerbe) in der Provinz Gansu in der Wüste Gobi im Nordwesten Chinas. Dunhuang war 111 v. Chr. als chinesischer Grenzposten gegründet worden und wurde später ein berühmter Handelsknotenpunkt. In den Höhlen sind die Geschichten der Seidenstraße bildlich dargestellt. 2008 konnte ich die Höhlen besuchen. Sie haben buddhistische Mönche über Kilometer  in den Berg gegraben. Es gibt über 500 erhaltene Grotten mit Kunstschätzen (Malereien, Manuskripte, sonstige Kunstschätze). Viele wurden von westlichen Archäologen in der Kolonialzeit geraubt und lagern in westlichen Museen. Sie zeugen davon, wie der Buddhismus sich über die Seidenstraße ausbreitete. Die Seidenstraße war auch ein Basar der Kulturen. Viele Einflüsse konnten sich vermischen (chinesische, hellenistische, jüdische, persische, arabische, christliche, indische). Aus Asien wurden Seide, Porzellan, Jade und Gewürze gehandelt.

Kein anderer Ort verkörpert die kulturelle Vielfalt des chinesischen Mittelalters stärker als Dunhuang. Im Westen des heutigen Gansu gelegen, wo die Nord- und Südrouten der Seidenstraßen zusammentreffen, bildete es den Schnittpunkt der chinesischen und zentralasiatischen Welt. Dunhuang war für Händler und Mönche das Tor nach China. Vom 4. bis 11. Jh. entwickelte es sich zu einem Pilger-Ort und bedeutenden Zentrum des Buddhismus geprägt von zahlreichen chinesischen und nichtchinesischen Klöstern. Die Entdeckung der "Bibliotheksgrotte" im Jahre 1900 war eine Sensation. 50.000 Manuskripte wurden gefunden. Dei meisten landeten in Museen in London, Paris, St. Petersburg und Kyoto. 10.000 Rollen liegen in Peking. Vgl. Vogelsang, Kai: Geschichte Chinas, Stuttgart 2019, S. 253.

Es soll eine Art neue Seidenstraße errichtet werden. Sie ist ziemlich deckungsgleich mit der historischen Hauptverbindungsstrecke. Die zweite so genannte maritime Seidenstraße führt über das südchinesische Meer, den Indischen Ozean nach Afrika und in den Nahen Osten, durch das Rote Meer und über den Suezkanal bis ins Mittelmeer. Die alte Seidenstraße hatte ihre Zielpunkte in Europa in Rom und Istanbul (ausgehend von Kashgar über Andischan). Von da ging es weiter nach Nordeuropa. Im 15. und 16. Jahrhundert war Nürnberg ein wichtiger Knotenpunkt der Seidenstraße (hier trafen sich alle wichtigen Handelsstraßen im nördlichen Europa). Eine Eisenbahnlinie führt heute von Urumtschi (Dsungarische Pforte) über Moskau nach Deutschland. Seit 2012 verkehrt zwischen Duisburg und dem chinesischen Chongqing regelmäßig ein Containerzug der Yuxinou-Linie (zwei Wochen). Es stehen für den Gütertransport eine Nordroute (von Shenyang über Irkutsk, Omsk und Moskau) und eine Südroute (von Wuhan über Astana, Jekaterinburg und Moskau) zur Verfügung. Die Bedeutung der Containerzüge nimmt zu. Geplant ist noch eine Eisenbahnverbindung von Kashgar durch Pakistan nach dem Hafen Gwadar (von einer chinesischen Firma kontrolliert; von hier besteht ein Korridor in den Nahen Osten und Afrika, damit der Seeweg über die unsichere Malakka-Meerenge entlastet wird). Mittlerweile sind die chinesischen Metropolen Chongqing, Zhengzhou, Xi `an, Wuhan, Yiwu  und Shenyang mit Moskau, Istanbul, Ankara, Duisburg (wichtigster Hafen in Europa, 80% der Züge halten zuerst hier, mehr als 30 Züge pro Tag) , Hamburg, Rotterdam, Prag, Madrid und London verbunden. Weitere Verbindungen nach Europa sollen folgen. Exkurs: Yiwu International Trade City. Es ist der weltgrößte Großmarkt für Kleinwaren. Es gibt 75.000 Geschäfte. Neue Züge sollen die Entfernung nach Europa in 2 Wochen schaffen (ein Drittel der bisherigen Zeit). Wer den neuen YXE-Zug nutzt, bekommt von der Stadt bis zu 70% der Transportkosten ersetzt. Yiwu soll zu einem Handelsdrehkreuz werden ("Perle der neuen Seidenstraße"). Vgl. Die Zeit, Nr. 51, 5.12.19, S. 27. In Deutschland will Duisburg "Deutschlands China-Stadt" werden. 100 Mio. € soll das "Duisburg Gateway Terminal" kosten, an dem sich auch Chinas Großreederei Cosco beteiligt. Mit einerexklusiven Partnerschaft hofft man Investitionen aus China anzuziehen. Man will Smart City dank Huawei werden. Vgl. HB Nr. 28, 10.02.21, S. 20  Die Seidenstraße hatte ihre Blütezeit in der Tang-Dynastie ((618-907, Mogao-Grotten) und in der Pax Mongolica (1250-1350).  Später haben sich die Kaiser der Qing-Dynastie (ab 1644), die Mandschuren waren, immer um einen Ausgleich zu den Nachbarstaaten im Westen, Nordwesten, Nordosten, Norden und Süden (Mongolei, Turkmenistan, Kasachstan, Tadschikistan, Kirgisistan, Afghanistan, Iran, Russland, Pakistan, Indien) bemüht. Eindrucksvoll zeigt sich dies an den nachgebauten Klöstern am Sommersitz der Dynastie in Chengde in der Provinz Hebei im Nordosten von Beijing. 

 

 

 

 

Chengde, Nachbildung des Potala-Palastes in  Lhasa/ Tibet. Die Stadt im Norden von Peking war Sommersitz der chinesischen Kaiser in der Qing - Dynastie. Die Qing-Kaiser waren Buddhisten (Mahayana - Buddhismus, tibetisch). Deshalb bauten sie in Chengde die wichtigsten Paläste aus Tibet einfach nach. Chengde ist von Peking aus heute mit der Eisenbahn am besten zu erreichen. Lange war die Stadt wegen ihrer abseitigen Lage ein Stück ursprüngliches China. So war es sehr interessant für uns in einem alten Hotel zu übernachten, was eigentlich nur für Funktionäre der KPC gedacht war.

Der Fund von Mumien in der Taklamakan-Wüste in neuerer Zeit hat die Forschung über die Seidenstraße revolutioniert. Diese Mumien sind 3500 und 4000 Jahre alt. Es handelt sich um einen ganzen Friedhof. Stoffbeigaben zeigen Verbindungen zu den Kelten. Die Mumien haben auch europäische Gene (Kefir-Käse bei den Leichen). Also gibt es gemeinsame Ursprünge. Wahrscheinlich sind dies die Ureuropäer, die nach Osten und Westen gezogen sind. Also ist das System der Seidenstraße viel älter als gedacht. Vorher hatte man schon griechische Einflüsse an der Seidenstraße entdeckt. Oral Stein im Auftrag der Engländer und  Albert von Le Coq im Auftrag Kaiser Wilhelm des II. fanden in der Taklamakan-Wüste Drucke und Kunst, die Verbindungen zu den Griechen aufweisen. Es gibt sogar die These, die die Krieger der Tonarmee in Xi`an griechische Körperdarstellungen widerspiegeln.  Somit ist die These plausibel, dass es viele Zusammenhänge zwischen europäischer und chinesischer Kultur gibt, die viel älter als die Seidenstraße sind. Die These, dass sich die chinesische Kultur in den ersten Jahrhunderten vor und nach der Vereinigung ohne Einflüsse entwickelt hat, ist widerlegt. Es hat auch wohl einen Ideentransfer vom Buddhismus zum Christentum gegeben. Bis 2001 galten die Protagonisten des im Mittelalter weit verbreiteten christlichen Romans " Barlaam und Josaphat" als katholische Heilige. Vergleiche mit der Buddhalegende sprechen heute eher für einen Transfer entlang der Seidenstraße. Die Figur des Josaphat ähnelt in vieler Hinsicht Prinz Siddartha. Beide suchen einen Weg, ein Leben ohne Leid zu erreichen. Josaphat entsagt dazu der Welt, um sich in Askese Gottes Gnade zu erfahren, Siddartha übt sich in Meditation, um sich selbst zu befreien. Vgl. Florian Ruf: Ideentransfer "Josaphat - Heiliger und Buddha", in: Spektrum Spezial 2/2018, S. 58ff.  "We will be known forever by the tracks we leave", Dakota, amerikanische Ureinwohner.

Samarkand in Usbekistan ist auch heute noch einer der Höhepunkte der Seidenstraße. Es gibt unzählige alte Koranschulen (Medresen), Mausoleen und Moscheen. Es ist eine der ältesten durchweg bewohnten Städte Zentralasiens. Immer noch werden hier wertvolle Seidenteppiche hergestellt. Im Herzen der Stadt liegt der Registan-Platz, einer der schönsten Plätze weltweit. Die Architektur ist im timuridischen Stil mit persischer Note gestaltet. Timuriden waren muslimische Herrscher unter Timur, einem mongolischen Militärführer im 14. Jahrhundert, der in Usbekistan als Nationalheld gefeiert wird. Die Totenstadt Sha - i Zinda ("lebender König") zeigt Glanzstücke von Samarkands Mausoleumbaukunst.

Seidenstraßen-Projekt: Am 13./ 14. Mai 2017 lädt die chinesische Führung zum "Gipfel der neuen Seidenstraße". Es kommen zahlreiche Spitzenpolitiker aus aller Welt. Es geht um Globalisierung, Chinas wachsenden Einfluss und um Fördermittel. Dahinter steckt auch ein gigantisches Investitionsprogramm (Handelsrouten, Straßen, Tiefseehäfen, Containerterminals, Pipelines, Flughäfen, Schien- und Wasserwege, Stromnetze). Es werden einige Oppositionelle aus Gefängnissen freigelassen. Am Ende kommt es zu einem Eklat mit der EU: Ein gemeinsames Papier der Teilnehmer trägt die EU nicht mit, weil ein Hinweis auf freien Handel und faire Wettbewerbsbedingungen fehlt.

2018 dehnt China das Projekt auf die ganze Welt aus. Dahinter stecken geostrategische Interessen. Bisher ist Zentralasien, Afrika, Europa und der mittlere Osten einbezogen ("Chinas Griff nach Westen"). Jetzt soll auch Südamerika dazu gehören. Es soll auch eine "polare Seidenstraße" durch die Arktis geben. Die Initiative trägt den Namen "Ein Gürtel, eine Straße" (One Belt, One Road). Die Projekte werden zu 80% von chinesischen Unternehmen geplant. Nur wenige lokale Firmen sind beteiligt. Die "maritime Seidenstraße" dient unter anderem der Sicherung der Energie- und Rohstoffversorgung. Chinas Energiebedarf dürfte sich bis 2030 verdreifachen (von 2019 aus). Andererseits müssen Überkapazitäten durch Exporte reduziert werden (Stahl, Zement, Metall). In Afrika wurde der "Zirkel von Freunden" stark erweitert. Die Strategie birgt auch Gefahren. 54 Prozent der Kredite hat China an Länder mit geringer Bonität vergeben. In Europa besteht die Sorge, dass das "16+1-Projekt" die EU spalten könnte. Vgl. Friederike Böge: Globalisierung chinesischer Prägung, in: FAZ, 30.01.2018. Die Chinesen bauen eine Bahnstrecke zwischen Budapest und Bukarest. Die Handelskammern in Deutschland und die für Standort-Marketing zuständige Gesellschaft GTAI sehen große Geschäftschancen für deutsche Unternehmen (Bau von Kraftwerke, Straßen u. a.). China strebt auch eine gewisse Abhängigkeit anderer Länder an. China möchte ebenso wieder Zentrum der Welt sein wie bis Anfang des 19. Jahrhunderts. Deshalb entwickelt die EU eine Gegenstrategie. Diese soll bis zum nächsten Seidenstraßen-Gipfel in Shanghai im November 2018 stehen (nicht nur geostrategische und wirtschaftliche Aspekte, auch Bildung, Forschung, Innovation, Kultur, Tourismus). Der EU mangelt es beim chinesischen Vorgehen an Transparenz und Kontrolle. Außerdem würde die Abhängigkeit unterschätzt. Vgl. Erling, Jonny/ Mülherr, Silke: Bewaffnete Handelskrieger, in: Welt am Sonntag, Nr. 13, 31. März 2019, S. 13f. Für den 26. April 2019 hat Xi Jinping die ganze Welt zum Zweiten Seidenstraßengipfel nach Peking eingeladen.   

2020 baut China einen riesigen Fischereihafen auf Papua-Neuginea. Gut 200 Mio. Dollar sind dafür veranschlagt. Es ist ein "multi-funktionaler Fischerei-Industriepark" geplant. Die USA und Australien (100 Kilometer vor der Küste) befürchten einen Militärstützpunkt. Der Projektrahmen ist auch die "Neue Seidenstraße".  China ist zur Zeit das einzige Land auf der Welt mit einer "geostrategischen Idee" (Sigmar Gabriel, Münchener Sicherheitskonferenz 2018).  Der Westen hat im Grunde genommen keine  eigne Strategie oder  Gegenstrategie.   Die maritime Seidenstraße hat allerdings auch viele Schattenseiten. Chinesische "Piraten" machen etwa Afrikas Ostküste unsicher. Es gibt zahlreiche Verstöße gegen Fischereivorschriften. Von den 142 chinesischen Schiffen in der Region werden 41% mit illegalen Aktivitäten in Verbindung gebracht. Quelle: Environmental Justice Foundation/ EJF. Ähnliche Aktivitäten gibt es im südchinesischen Meer. Hier setzen Fischereischiffen, die eigentlich Militärschiffe sind. Machtinteressen durch gegen die Philipppinen, Taiwan und andere Länder.                                         

Schiffsmodell eines chinesischen Schiffes, wie sie auf der maritimen Seidenstraße als Segelschiffe fuhren. Dieses Modell steht in Hoi An (Weltkulturerbe der UNESCO), Vietnam. Diese Stadt war eine der wichtigsten Stationen der alten maritimen Seidenstraße. Chinesen hatten hier eigene Stadtteile und Pagoden. Am stärksten waren die chinesischen Provinzen Funan und Kanton vertreten. Heute noch kann man in Hoi An diese Geschichte hautnah erleben. Im 15. Jahrhundert erkundete der Eunuch und Admiral  Zheng He mit einer Flotte die Welt. Er soll Amerika und Afrika erreicht haben. In Afrika erreichte er die Insel Pate vor Kenia. In den letzten Jahren entdeckte man dort bei Ausgrabungen chinesische Keramik und Kunst aus dem 15. Jahrhundert. Kenia ist heute ein wichtiger Stützpunkt der "Neuen Seidenstraße" in Afrika. Die Chinesen führen riesige Infrastrukturprojekte durch (Brücken, Straßen, Häfen).

Die Finanzierung des Projektes erfolgt übe reine Reihe von speziellen Institutionen. Der Staatsfonds China Investment Corporation (CIC) ist mit 750 Mrd. US-$ ausgestattet. Sie kommen aus den Devisenreserven, die früher mehr in US-Staatsanleihen investiert wurden. Großkredite können die China Development Bank (CDB) und die Export-Import Bank of China (Exim) gewähren. Die Asean Infrastructure Investment Bank (AIIB) verfügt über 100 Mrd. US-$ Kapital. China hat eine Veto-Minorität von 26%. Die USA und Japan sind gar nicht erst im Boot. Imme rmehr Länder der Seidenstraßeninitiative können ihre Schulden nicht fristgerecht bezahlen. China vergibt massenhaft Notkredite. China schafft ein neues System für grenzüberschreitende Rettungsdarlehen. Es ist aber eher undurchsichtig und unkoordiniert. Quelle: Studie des Ifw, Kiel 2023 (Trebesch, Brad Parks u. a.).

Endpunkte der neuen Seidenstraßen mit der Eisenbahn sind in Deutschland Duisburg, Hamburg und Nürnberg. 500 Euro Millionen Umsatz erwartet die Deutsche Bahn im Jahr 2030 beim Gütertransport auf der Schiene von Europa nach China - etwa sechs Mal so viel wie heute (2019). Mehr als die Hälfte davon würde über die etwa zwei Wochen dauernde Route durch Kasachstan laufen, der Rest über die längere Strecke durch Russland.  Dort sollen auch chinesische Unternehmen angesiedelt werden. Das bringt sicher auch Risiken für Deutschland mit sich, wenn verzerrte Wettbewerbsbedingungen bestehen. Die Auftragsvergabe an Unternehmen ist intransparent. In die Kritik gerät immer wieder die Finanzierung: Sie erfolgt in Form von Krediten. China bürdet den Empfängerländern immer höhere Schulden auf. Sie werden dadurch abhängig. Am weitesten ist das Projekt fortgeschritten in Pakistan, wo der Hafen Gwadar erweitert wird. Eine besondere Bedeutung hat die Nordostpassage als Schifffahrtweg. Sie ist nur 13.000 km lang von Wladiwostok nach St. Petersburg. Über den Suezkanal sind es 21.000 km (auch der weg über den Panamakanal ist länger). Wegen des Klimawandels werden die arktischen Gewässer immer besser befahrbar. In Asien liegen die Häfen mit dem größten Containerumschlag (Shanghai, Singapur, Shenzhen, Ningbo). Im Jahre 2018 rollen zunehmend Züge von Mannheim nach Chongqing. Es ist eine neue 11.000 Kilometer lange Güterzugverbindung. Der Mannheim-Chongqing-Shuttle braucht 17 bis 18 Tage. Er ergänzt den Seeverkehr. Er kann sich sofort etablieren, weil der Rhein zu wenig Wasser hat für die Binnenschifffahrt. Die Stadt liegt am Oberlauf des Yangtse-Flusses. Die BASF und Daimler wollen unter anderen die Strecke nutzen. Duisburg im Ruhrgebiet hat bisher erheblich profitiert. Die Stadt wandelt sich erfolgreich vom Stahlstandort zum Warenlagerungs- und Umschlagsplatz. Duisport ist mittlerweile der größte Binnenhafen Europas. Durch den Ukraine-Krieg 2022 bricht die Nachfrage nach Transportzügen zwischen Duisburg und China ein. Kunden reduzieren ihre Buchungen und stellen auf Seeverkehr um. Gründe sind fehlende Versicherungen und Einschränkungen durch Sanktionen. Die Züge fahren in der Regel durch Russland, Belarus und Polen.

Kooperationsformat 14+1 für Mittel- und Osteuropa: Damit will China dei Seidenstraße in Mittel- und Osteuropa voranbringen. Das hat und soll Spaltungspotential für die EU haben. Als erstes Mitglied hatte Litauen das Format verlassen. 2021 folgten Lettland und Estland. 2023 folgt Tschechien. Polen wird wohl auch noch folgen.

Rohstoff-Pipelines und Kraftwerke: Sie müssen eigentlich auch dazu gerechnet werden. Sie entstehen von Zentralasien nach China und nach Europa. Wichtige Partner sind Kasachstan, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan und Kirgistan. China wählt nicht den kürzesten Weg, auch um Russland nicht mehr Einfluss zu geben. Vgl. Kuhn, Britta: Chinas Neue Seidenstraße, in: Wirtschaftsdienst 2019/12, S. 880ff. China baut ebenso eine Reihe von Kraftwerken in aller Welt. Diese haben verschiedene Technologien: In Serbien, Bosnien Herzegowina, Türkei, Israel  sind es Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen. In Großbritannien, Marokko und Spanien sind es Kraftwerke mit erneuerbaren Energien. Atomkraftwerke werden in der Türkei gebaut.

Kritik bzw. Gegenmaßnahmen: Mit den USA zusammen stellen sich immer mehr Staaten gegen die Seidenstraßeninitiative. Man spricht auch von "Belt and Road"- Initiative (BRI). Die USA bauen ein Gegenprogramm auf. Sie wollen 60 Mrd. Dollar dafür bereit stellen. Damit könnte das größte Investitionsprogramm der Geschichte noch scheitern. Robert Lightnizer, Handelsbeauftragter der USA, wirft China im November 2018 Know-how-Diebstahl vor ("China hat seine unfairen, untragbaren und wettbewerbsverzerrenden Praktiken nicht grundlegend geändert"). Beim Aufbau der Infrastruktur im Zusammenhang mit der Seidenstraße werden fast ausschließlich chinesische Firmen eingesetzt. Die Finanzierung läuft über eine der großen Staatsbanken, meist über die China Exim Bank. Der Baukonzern China Communications Construction mit seiner Tochter CRBC, der staatliche Netzbetreiber China State Grid und der Bahngigant CRRC gehören zu den Firmen, die am meisten von den Milliardenaufträgen profitieren. Werden die Kreditbedingungen nicht mehr erfüllt, müssen Länder Teile ihres Territoriums oder Infrastruktur abtreten. Die Finanzierung (siehe oben) ist der Hebel, der China eine ungeheure Macht gibt.  Vgl. Fischer, K./ Heissler, J./ Petring, J.: Auf der Straße der Schulden, in: WiWo 49/ 23.11.18, S. 20ff. Außerdem werden fast ausschließlich chinesische Arbeiter eingesetzt. Teilweise aus Angst vor anderen Religionen und Kulturen, teilweise aus ökonomischen und technologischen Gründen.  "Die Seidenstraße kann das Leben von 70 Prozent der Weltbevölkerung verbessern", Joe Kaeser, Siemens-Vorstandschef.

Andererseits geht China auch erhebliche Risiken selbst ein. Allein Pakistan könnten 70% der Gesamtinvestitionen verloren gehen. Das Gelände ist hier schwierig. Regierungsvertreter müssen mit horrenden Summen bestochen werden. Terror bedroht die Bauarbeiten. Aufstände drohen in Belutschistan (Heimatprovinz von Gwadar), weil Konflikte mit Indien wegen Kaschmir drohen. Es wachsen auch die finanziellen und geopolitischen Probleme (schon vor Corona). Die Gesamtinvestitionen gehen seit 2019 zurück. Wichtige Bauprojekte sind auch unrentabel. Vgl. Kuhn, Britta: Chinas Belt- und Roadinitiative wandelt sich, in: Wirtschaftsdienst, H. 11, 2021, S. 901-905.

Aktuell: 2019 wächst der chinesische Druck auf Italien. Es soll sich der chinesischen Initiative zum Bau der "Neuen Seidenstraße" anschließen. Ende März 2019 kommt Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping nach Italien. Dann könnte eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet werden. Italien wäre dann als bisher größte Volkswirtschaft und Mitglied der G7 dabei. China lockt mit großen Investitionen. Im Dezember 2021 legt Ministerpräsident Mario Draghi die Seidenstraßenprojekte auf Eis. China fordert immer auch "Respekt vor Kerninteressen". Damit sind die Ansprüche im Ost- und Südchinesischen Meer gemeint. Deutschland übt scharfe Kritik an der geplanten Kooperation zwischen China und Italien. China als als Einfallstor in Italien den Hafen Triest im Nordosten Italiens gewählt.  Andere EU-Länder wie Griechenland, Portugal und Ungarn haben entsprechende Vereinbarungen schon unterschrieben. Italien einigt sich trotz Protesten vieler EU-Länder mit China: Es wird ein Absichtserklärung unterzeichnet. China investiert in die Häfen Triest und Genua, Straßen und Bahnstrecken sowie Telekom-Netze. Auch die Schweiz wird Mitglied der Initiative. China interessiert die Schweiz als Bankenplatz und Zentrum für Finanzdienstleistungen. In der Schweiz wurden eigens Gesetze geändert.  Vgl. auch: Peter Frankopan: Die Neuen Seidenstrassen. Gegenwart und Zukunft unserer Welt, Berlin (Rowohlt) 2019. "Einst führten alle Wege nach Rom. Heute führen sie nach Peking" (Umschlagtext). Ein Buch über den Wiederaufstieg Asiens - und den Beginn einer neuen Epoche. Die "Neuen Seidenstrassen" sind das größte Infrastrukturprojekt aller Zeiten. Sie werden zu den Lebensadern der Welt. Ende April 2019 (Eröffnung 26.04.) findet ein weiterer Gipfel (der zweite) zur "Neuen Seidenstraße" in Peking statt (Konferenzpalast vor den Toren Pekings inmitten von Gärten und Pavillons nicht weit von der Großen Mauer). Gesandtschaften aus 150 Ländern und 37 Staats- und Regierungschefs kamen. Aus Deutschland ist Wirtschaftsminister Altmaier dabei (er darf nicht überall teilnehmen, weil er nicht Regierungschef ist). Xi Jinping gibt bekannt, dass bereits Infrastruktur-Verträge in Höhe von 64 Milliarden Dollar abgeschlossen wurden. Laut Außenminister Wang haben 126 Länder und 29 internationale Organisationen Verträge abgeschlossen. Seit 2013 wurden Kredite in Höhe von 265 Milliarden Euro von verschiedenen Banken vergeben. Piräus soll zum größten Hafen Europas ausgebaut werden. Der chinesische Staatskonzern Cosco besitzt praktisch den Hafen seit 2013. Die Griechen hoffen auf weitere Investitionen. Der Hafen von Athen werde zum "Kopf des chinesischen Drachens in Europa" (so Xi Jinping bei einem Besuch in Griechenland am 11.111.2019). Chinesische Firmen haben seit 2005 rund 7,5 Mrd. € in dem Land investiert. Damit ist China der größte ausländische Investor in Hellas. Griechenland und China wollen ihre Beziehungen ausbauen und vertiefen. 2021 sollen über 500.000 chinesische Touristen in das Land kommen.  Auf dem G7-Gipfel in Cornwall Anfang Juni 2021 strebt man eine globale Infrastrukturallianz an. Die westlichen Industrieländer planen eine Gegenoffensive zu Chinas Seidenstraße. Vor 70 Jahren verkündete Mao Zedong die Gründung der Volksrepublik China. Am 1.Oktober 2019 wird mit einer Militärparade gefeiert. Vor 30 Jahren, am 4. Juni 1989, rollten Panzer über den Tiananmen-Platz in Peking. Hunderte Menschen kamen ums Leben.

Kommentar: Schon seit 2013, dem Amtsantritt von Xi Jinping, kam China mit dem Vorschlag der BRI an die Öffentlichkeit. Ursprünglich standen die Länder Zentralasiens im Mittelpunkt. Für China war aber von Anfang an nicht nur die Infrastruktur angesagt, sondern auch der damit verbundene Handel (gemeinsame Standards, Streitschlichtung u. a.). Für Europa besteht eine Chance, die Hegemonie der USA auszugleichen. Es könnte durchaus eine Win - Win - Situation entstehen, wenn Europa seine eigenen Interessen durchsetzen kann. Das geht aber nur mit Einigkeit. China nutzt gezielt die Schwächen einiger Länder aus (Griechenland, Italien). Wahrscheinlich werden künftig auch weniger Güter in Asien produziert. Die Regionalisierung der Lieferketten nimmt in der Digitalisierung und durch den Anstieg der Löhne in Asien stark zu. So könnte es sein, dass zukünftig weniger Güter transportiert werden. Der Fernhandel scheint abzunehmen. Die Bundesregierung  fordert schon lange eine europäische Antwort auf die Seidenstraße. Ihrer Meinung nach nutzt sie China, um seinen globalen Einfluss auszudehnen (Standards, Normen). Allerdings werden gemeinsame Pläne immer wieder gestört. "Staaten, die in Chinas Orbit geraten sind, werden zu Vasallen, Kreditnehmer zu Bittstellern", Reinhard Bütikofer, Vorsitzender der Chinadelegation des EU-Parlaments, 2021.

Digitale Seidenstraße: Mittlerweile spricht man 2020 auch von einer digitalen Seidenstraße. Damit gemeint sind Kooperationen zwischen Forschungs- und Rechenzentren (z. B. KIT Karlsruhe und Einrichtungen in China), Investitionstätigkeit von den Technologiegiganten, Angebote für Netzinfrastruktur und digitale Projekte. Es werden auch Lehrstühle finanziert, so etwa in Budapest und Prag. Vgl. Mattheis, Philipp: Dei dreckige Seidenstraße, München 2023, S. 211ff.

Im November 2021 entwickelt die EU einen 300-Milliarden-Plan (Global Gateway). Sie will das Geld investieren, um Infrastrukturprojekte weltweit zu fördern. Es ist Europas Antwort auf Chinas Seidenstraßeninitiative. Die EU will zu einem geopolitischen Akteur werden. 147 Mrd. € sollen von Europäischen Entwicklungsorganisationen wie der KfW kommen. Europa ärgert es besonders, dass bei den Ausschreibungen der "Belt and Road" - Initiative der Chinesen europäische Unternehmen so gut wie keine Chancen haben. Die USA sind mit ihrer Gegen-Strategie allerdings voraus ("Leuchtturmprojekte" beginnen schon Januar 22; "Build back better World"). Auch Japan will agieren. Im Rahmen der G7 sollen die Projekte verzahnt werden.  Vgl. HB 30.11.21, S. 1. Der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine könnte die Neue Seidenstraße massiv behindern. Diese Strategie setzt auf eine Konzeption von Eurasien. Wenn Russland isoliert ist und Länder in Osteuropa und Südeuropa von der EU nicht mehr abzuspalten sind (der Krieg eint die EU) wackelt die Konzeption. Vgl. Klein, Martin: Krieg in der Ukraine, in: Wirtschaftsdienst H. 3/ 2022, S. 157. Im April 2022 wird das Global Gateway-Projekt wieder belebt. Mit ihm will die EU ihren Einfluss in der Welt ausbauen (Entwicklungspolitik). Die stärkere internationale Vernetzung soll die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken. Es sollen auch demokratische Werte und Standards gefördert werden. Gezielt will man gegen Chinas Investitionen in kritische Infrastruktur vorgehen: EU-Prüfverfahren (Common European Framerate for Screening FDI. Es gibt aber unterschiedliche Interessenslagen innerhalb der EU. Als Leiter der Initiative ist im Januar 2023 Mario Draghi im Gespräch. Auch Deutschland unterstützt den Vorschlag. Folgende Projekte gehören dazu: 1. Subsahara - Afrika (25 Länder, 36 Projekte, Schwerpunkte erneuerbare Energien und Infrastruktur). 2. Lateinamerika und Karibik (15 Länder, 14 Projekte, Internet, Waldschutz, Mobilität). 3. Asien und Ozeanien (13 Länder, Schwerpunkt Erneuerbare Energien). 4. EU-Nachbarregionen (7 Projekte, Balkan und GUS-Staaten, Nordafrika (Schwerpunkt digitale Infrastruktur). Vgl. Der Spiegel 6/4.2.23, S. 66ff. Vgl. auch: Geoepoche Nr. 118: Die Seidenstraße. Handel, Glanz und der Kampf um das Herz Asiens, 2022. 2023 sieht man einen 4000 Kilometer langen Handelsweg zwischen Indien und Israel als Antwort auf dei Seidenstraße. Er soll den Austausch von Gütern zwischen Asien und Europa erleichtern (beteiligt sind auch die VAE, Saudi-Arabien). Man nennt ihn "Wirtschaftskorridor Indien - Naher Osten - Europa" (IMEC). Der IMEC soll Schiffsrouten, Häfen und Eisenbahnstrecken umfassen.

"Wir sind , was wir denken. Alles, was wir sind, entsteht aus unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken formen wir die Welt", Buddha. Die Seidenstraße lohnt sich auch zu bereisen. Man kann dies mit dem Zug machen. Dann fährt man von Almaty nach Aschgabat (Sonderzug). Alternativ ist die Reise mit dem Bus möglich (z. B. über Reiseveranstalter).

 

Troja/ Ilias und Homer (Wiege unserer Kultur; Ursprung der westlichen Philosophie, auch der Wissenschaft, so auch der Ökonomie. Homer schafft die ersten epischen Dichtungen: Ilias, Odyssee. Homer gilt damit als Begründer der Philosophie Europas, weil er schon alle wichtigen Fragen stellt):

                                            Trojanische Pferde 2010: links aus dem Film Troja. Dieses Pferd steht mittlerweile in Canakkale bei Troja (es soll zukünftig in einem Troja-Park stehen). Rechts das Pferd, das im Eingang der Ruinen von Troja steht und von einem Schreiner gestiftet und gezimmert wurde. Wahrscheinlich stellt das Pferd in der Ilias nur ein Symbol dar (mit der Kriegslist/ "Danäergeschenk" gelingt die Eroberung nach 10jähriger Belagerung). Es gibt aber Bezüge zur Realität: Die Umgebung der Stadt war ein Zentrum der Pferdezucht. Großer Bedarf an den Tieren herrschte, seit die Mesopotamier den zweirädrigen Streitwagen erfunden hatten (bekannt aus "Ben Hur"). Die Helden der Ilias sind keine realen Figuren.  Anhand von Odysseus erzählt Homer, wie die Griechen zur Großmacht wurden. Viele Ausschnitte haben sich bis heute erhalten. Paris schießt dem griechischen Helden Achilles einen giftigen Pfeil in die Ferse - dessen einzige verwundbare Stelle. Nach dem unterlegenen Helden ist unsere kräftigste Sehne benannt. Neuere archäologische Forschungen halten es für möglich, dass es sich um ein Schiff mit Pferdekopf gehandelt hat, das in die Stadt gezogen wurde. Solche Tributschiffe waren üblich (zwischen Assyrern, Mykenern, Phöniziern). Erst der Römer Vergil hatte anders als Homer eindeutig von einem hölzernen Pferd geschrieben (in der Aenes). Homer ist wahrscheinlich auf der Kykladeninsel Ios begraben, wo jedenfalls sein Grab heute noch zu besichtigen ist.

Die Geschichte in Kürze: Paris, der Sohn des Königs von Troja,  verliebt sich in die damals schönste Frau der Welt Helena, die aber Frau von Priamos ist. Er entführt Helena nach Troja. Eine griechische Flotte mit Soldaten aus Sparta, Athen und Mykene zieht mit 1200 Schiffen nach Troja, um die Stadt zu erobern. 10 Jahre dauert der Krieg, den die Griechen mit der Kriegsliste des Pferdes gewinnen. Nach der griechischen Mythologie ist das Ganze eine Folge einer tragischen Entscheidung: Hera, Aphrodite und Athene beanspruchen die schönste Frau der Welt zu sein. Paris soll entscheiden. Er entscheidet sich für Aphrodite, die ihm auch Helena verspricht, die aber schon vergeben ist. Insofern soll der Krieg die Rache der Hera sein. Hera, Aphrodite und Zeus  sind Kinder von Uranos, dem Gott des Himmels. Daneben gibt es Götter für Meer (Poseidon) und Unterwelt. Zeus ist Sohn von Uranos und Gaia. Chronos, ein anderer Sohn von Uranos, schlägt diesem das Geschlechtsteil ab, weil er Gaia vergewaltigt (daraus entsteht Aphrodite, die Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit).

In der Ilias von Homer (habe ich in den Schule noch in Alt-Griechisch gelesen, Teile des Werkes von Vergil dann in Latein) nahm es Odysseus mit den Göttern auf. Er emanzipierte sich gegenüber den Göttern. Er versucht sie zu überlisten, wenn er auch eine Göttin auf seiner Seite hat. Wesentlich ist, dass er sich auf seinen Verstand und seine Vernunft verlassen kann. Er ist also misstrauisch gegenüber den übernatürlichen Erkenntnisquellen. Das ist so was wie der Anfang jeder Philosophie, zumindest der westlichen. Zentrales Thema ist die Kontingenz: "Quod est nec impossibile nec necessarium". Was weder unmöglich noch notwendig ist. Man könnte es Zufall oder Schicksal nennen. Unsere Handlungsmöglichkeiten sind enorm erweitert, und die Risiken werden minimiert. Die Sterblichkeit wurde in der Antike ausgiebig reflektiert. Homer macht die körperliche Dimension des Krieges höchst anschaulich.  Homer schrieb als zweites Werk die Odyssee, die von der Reise des Helden Odysseus nach Ende des Trojanischen Krieges zurück in seine Heimat handelt.  Grundthema der Ilias ist die menschliche Fragilität. Die Helden verkörpern universelle Charaktere: Achill - toxische Männlichkeit, ohne Hoffnung. Odysseus ist heute populärer, der sich selbst aus dem Schlamassel zieht. Vgl. auch: Interview mit Jonas Grethlein, in: Welt am Sonntag Nr. 21/ 22.5.22, S. 43. 

Gegenstand ist der bereits neun Jahre währende Trojanische Krieg zwischen Troja und der griechischen Allianz der Achaier. Zentrales Thema der Ilias ist der Zorn, der innerhalb ihres nur 51-tägigen Handlungsverlaufs immer weitere Kreise zieht und dabei Heroen wie auch Götter als unentrinnbares Schicksal ereilt. Den Anfang setzen die Entehrung des Gottes Apollon durch den Raub der Chryseïs und seine Rache an den Achaiern. Als schließlich dem Apollon-Priester Chryses die Tochter zurückgegeben wird, fordert Agamemnon, Oberbefehlshaber der Achaier, Ersatz für seine Beute und gerät so in Konflikt mit Achilleus, der sich in der Folge ebenfalls entehrt sieht und sich aus den Kämpfen zurückzieht. Der „Zorn des Achilleus“ wird zur Klammer des Epos, findet zum Ende hin aber eine neue Ursache. So wendet Achilleus im 19. Gesang die endgültige Niederlage der Achaier durch die öffentliche Versöhnung mit Agamemnon und seinen Wiedereintritt ins Kampfgeschehen ab, um dafür nun dem Zorn auf Hektor nachzugeben, der zuvor seinen besten Freund und Kampfgefährten Patroklos getötet hat. Eine Mäßigung findet Achilleus’ Zorn erst im letzten bzw. 24. Gesang, als er Hektors Leichnam nach 12-tägiger Schändung dessen Vater Priamos zur Bestattung überlässt. Siehe Wikipedia, Artikel "Ilias", eingesehen 04.01.2021. Die Trojaner hörten nicht auf die Prophetin Kassandra. Sie gilt bis heute als die Krisenseismografin.

Wahrscheinlich war auch Troja als regional bedeutende Metropole an das Netz der Seidenstraße angeschlossen (heute spricht man von einer "neuen Seidenstraße" durch den Bahntunnel unter dem Bosporus in Istanbul; ein weiterer alter Teil führte durch Kappadokien über Ortahisar, Konya, Beysehir und Side). Die Bedeutung von Troja lag in der Lage an einer der wichtigsten Seestraßen der damaligen Zeit an der Einfahrt der Dardanellen (Verbindung Mittelmeer, Schwarzes Meer). Die heftigen Winde ließen Schiffe immer wieder vor Troja anlegen (das Meer reichte damals bis zur Stadt; wahrscheinlich Zoll und Hafengebühren). Troja lag in Wilusa, einem Gliedstaat des Hethitischen Großreichs, an der Westküste der heutigen Türkei (am Hügel Hisarlik, 30 km entfernt vom heutigen Canakkale). Die Hauptstadt des einstigen Hethiterreiches war Hattuscha, im heutigen Zentralanatolien gelegen. Um 800 v. Chr. schrieb Homer mit der Ilias (habe ich noch in der Schule in Altgriechisch gelesen; neuere Ansätze ordnen die Ilias um 650 v. Chr. ein) das älteste Literaturdenkmal Europas. Es hat viele nachfolgende Kulturen (u. a. das Römische Reich) stark beeinflusst (deshalb subventionierten die Römer, z. B. Augustus und Hadrian, spätere Neugründungen wie Troja VII und VIII). Insofern ist die Ilias das Buch aller Bücher in der Welt. Unklar ist, was Homer selbst erfunden und was er übernommen hat. Ob der Trojanische Krieg tatsächlich stattgefunden hat, so wie in der Ilias beschrieben, ist noch nicht geklärt. Es mehren sich die Anzeichen aus Ausgrabungen, dass um 1200 v. Chr. tatsächlich kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Mykene und Troja stattgefunden haben und das Troja wesentlich größer war als nur der ursprünglich entdeckte Hügel von Schliemann (dies dürfte Troja II gewesen sein; das Troja des berühmten Krieges könnte Troja VI sein; Schliemann reiste zuerst nach China und der chinesischen Mauer). Insgesamt haben die Ausgrabungen in Troja über 10 Schichten von ca. 2600 v. Chr. bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. hervorgebracht. Klar ist, das der berühmte Goldschatz des Priamos, der seit dem 2. Weltkrieg in Moskau aufbewahrt ist (Puschkin-Museum), nicht von diesem sein kann. Andere Ausgrabungen sind im Pergamon-Museum in Berlin (die Türkei fordert die Rückgabe) oder in den archäologischen Museen von Canakkale und Istanbul ausgestellt. Die Ausgrabungen in Troja werden in der Regel von deutschen Wissenschaftlern geleitet (am bekanntesten war der Tübinger Archäologe Prof. Korfmann) und von Unternehmen gesponsert, z. B. von Daimler. Seit 1906 graben deutsche Archäologen auch in Hattuscha. Im Herbst 2010 habe ich Troja besucht (im Rahmen eines Erasmus-Aufenthaltes für Vorlesungen an der Kültür-Uni in Istanbul). In der Türkei selbst ist der Ort wenig bekannt und auch wenig begehrt. In Deutschland gibt es einen engen Zusammenhang durch Schliemann und die starke Förderung der Ausgrabungen durch den deutschen Staat und die Industrie. Anlässlich des 200. Geburtstag von Schliemann 2022 (6. Januar)  gibt es eine Ausstellung zu seinen Ehren. Es erscheinen auch viele Artikel: Spiegel Geschichte. Das Rätsel um Troja, 2022. Thadeusz, Frank: Berserker auf dem Hügel, in: Der Spiegel Nr. 52, 24.12.21, S. 102ff. Aisslinger, Moritz: Ein deutscher Held und Räuber, in: Die Zeit Nr. 2, 5. Januar 2022, S. 13ff. Der Autor hat mit vielen Experten gesprochen. Schliemann grub auch in Mykene ab 1876. Deutsche Archäologen gruben in Pergamon (C. Humann ab 1878) und Milet (T. Wiegand ab 1899). Vgl. auch: Frank Vorpahl: Schliemann und das Gold von Troja. Mythos und Wirklichkeit, Berlin (Galiani) 2022

Wesentlich besser erhalten und mittlerweile ein Geheimtipp ist Laodikeia im Westen der Türkei (unweit von Pamukkale). Das Stadion war das zweitgrößte im Römischen Reich nach dem Circus Maximus in Rom. Hier ist eine der ältesten Kirchen der Welt fast vollständig erhalten geblieben. Im siebten Jahrhundert wurde die Stadt durch ein Erdbeben zerstört. Mittlerweile fordert die Türkei antikes Raubgut zurück. Auch Deutschland, vor allem die Museen in Berlin. ist betroffen. 2017 taucht eine neue Theorie über Troja und seine Nachbarstädte auf: Verantwortlich für den Zusammenbruch am Ende der Bronzezeit sei ein Kampf um die Vormachtstellung im östlichen Mittelmeer. Einer der Hauptakteure seien die Luwier gewesen, kein einheitliches Volk. Vgl. Eberhard Zangger: Die Luwier und der Trojanische Krieg, Grell Füssli 2017.

Die antike griechischen Philosophie und ihr Einfluss auf die Ökonomie. Wichtige Elemente finden sich bei den klassischen griechischen Philosophen Sokrates (Ethik), Platon (Aufbau der Gesellschaft, idealer Staat) und Aristoteles (z. B. Allmendeproblem; Eigentum Privatbesitz; Logik; Wohlergehen). Xenophon kann als der größte ökonomische Denker der antiken Philosophie bezeichnet werden. 400 Jahre vor Christus schildert er wichtige Grundlagen (Gespräch über die Haushaltsführung; Mittel und Wege, dem Staat Geld zu verschaffen; Gewinnmaximierung; auf ihn soll auch die Verbindung von Oikos und Nomos zurückgehen als Kunst der Haushaltsführung). Hesiod kann als erster bekannter Ökonom überhaupt benannt werden. Er lieferte Grundideen für die moderne Chaostheorie und definierte Arbeit als Quelle allen Guten für die Menschen. 100 Jahre später liefern Thales (Olivengeschäft), Archimedes und Pythagoras (Geometrie) wichtige mathematische Grundlagen, die auch in der Ökonomie Verwendung finden. Die einzelnen Bücher sollen an dieser Stelle nicht genannt werden. Die antike griechische Philosophie hatte großen Einfluss auf die römische Philosophie. Besonders hervorzuheben sind hier Lucius Annaeus Seneca (1 bis 65 n. Chr.) und Marc Aurel (161 - 188 n. Chr.; Kaiser und Philosoph). Sie gehörten zu der Richtung der Stoiker (gehen auf Athen/ Sokrates, Epiktet) zurück. Sie haben eine kosmologische, ganzheitliche Weltsicht und stehen für Weltoffenheit und Anpassungsfähigkeit (der Mensch soll seine Stelle in der Gesamtheit finden). "Bedenke, dass die menschlichen Verhältnisse insgesamt unbeständig sind, dann wirst du im Glück nicht zu fröhlich und im Unglück nicht zu traurig sein", Sokrates (469 - 399 v. Chr.).  "In einem Gemeinwesen, in dem Reichtum und Armut fremd sind, wird auch die beste Gesinnung zu finden sein", Platon: Sämtliche Dialoge, Bd. 7, Hamburg 2004, S. 78. Ich habe in einzelne Texte noch in Alt-Griechisch, was ich im Gymnasium gelernt habe, "reingeschnuppert". Oder Texte der römischen Philosophen habe ich auch noch in Latein gelesen: "Betrachte die Vergangenheit, die großen Veränderungen so vieler Reiche; daraus kannst du auch die Zukunft vorhersehen", Marcus Aurelius, Selbstbetrachtungen, Kapitel 7 (er war römischer Kaiser und Philosoph). "Das harte Wort schmerzt immer, sei `s auch ganz gerecht", Sophokles, griechischer Tragödiendichter.

"Die frühere Ungewissheit schwindet und die Lösung scheint näher denn je zu liegen. Es würde nicht verwundern, wenn das Resultat bereits in naher Zukunft lauten würde: Homer ist ernst zunehmen", Joachim Latacz, Troia und Homer. Der Weg zur Lösung eines alten Rätsels, München/ Berlin 2001, S. 342. Vgl. auch Askin, M.: Troja, Istanbul 2010.

 

Islamische Kultur und Wirtschaft (auch Türkei, Iran, Indonesien, Afghanistan; Islamismus als einflussreicher Faktor in der Welt im 21. Jahrhundert;  Integration, Deutschtürken, Rolle der Frau. Islamisches Finanzwesen, Militanter Islamismus, Instrumentalisierung):

  Toledo, Spanien. Hier lebten Christen, Muslime und Juden Jahrhunderte einträchtig in Toleranz zusammen. Toledo war für die muslimischen Herrscher nach Cordoba die zweitwichtigste Stadt in Spanien. Die Stadt ist auch durch ihren Stahl und die daraus gefertigten Schwerter/Messer und den Maler El Greco berühmt. El Greco hat mit seiner Modernität sehr viele Maler beeinflusst. Im 10. Jahrhundert erblüht auf der iberischen Halbinsel das Reich von al-Andalus. Glänzende Kapitale ist Cordoba, wo Muslime, Christen und Juden ebenfalls friedlich zusammenleben. Abd Ar-Rahman III., seit 920 Kalif von Cordoba, hat weite Teile der iberischen Halbinsel unter seiner Herrschaft vereint. Die Muslime waren 711 mit ca. 7000 Kämpfern über die Meerenge von Gibraltar gekommen. Rahmann III. bringt auch die großen Städte wie Toledo und Saragossa unter seine Kontrolle. Er hat Kontakt zu dem fränkischen König Otto I. Der Mönch Johannes von Gorze besucht in seinem Auftrag Cordoba. Das Kalifat ist eine der größten und bestorganisierten Machtzentralen in Europa. Das Steuersystem ist perfekt. Das Handwerk blüht. Kaufleute verbreiten die Handwerkswaren. Es gibt auch Sklavenhandel. Es wird eine gewaltige Bibliothek aufgebaut. Unzählige Schreiber und Übersetzer sind tätig. Ab dem 12. Jahrhundert erobern christliche Herrscher aus dem Norden die iberische Halbinsel von den Muslimen zurück. Dei Kreuzzüge nach Jerusalem hatten schon die friedliche Koexistenz der Religionen endgültig beendet.

"Wir sehen ja, dass sich dein Gesicht am Himmel hin und her wendet. Da kehren wir dich gewiss in eine Gebetsrichtung, die dir gefällt. So wende dein Gesicht der unantastbaren Moschee zu. Wo immer ihr seid, wendet euer Gesicht ihr zu". Koran 2, 144 (gemeint ist Mekka mit der Kaaba. Weitere heilige Orte sind Medina, wo der Prophet starb und Jerusalem mit dem Felsendom).

Rund 1,9 Milliarden Menschen bekennen sich heute zum Islam, die meisten leben in Asien und Afrika. In Deutschland leben zwischen 5,3 und 5,7 Mio. Moslems (2021; Anteil von 6,4 bis 6,7% an der Bevölkerung), die meisten kommen aus der Türkei (in Duisburg Marxloh steht die größte Moschee Deutschlands).2016 ist der Anteil der Muslime in Deutschland erstmals über 5%. Leider wird in der deutschen Bevölkerung immer wieder der normale Islam mit extremem Islamismus und extremem Nationalismus verwechselt. Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass der islamische Terrorismus einer der dominierenden Strömungen (neben dem Aufstieg Chinas) unserer Zeit ist. Terroristische Anschläge (z. B. auch der 2015 auf Charlie Hebdo in Paris) werden islamisch legitimiert. Der IS wird immer stärker und dehnt sich auch nach Asien aus (Afghanistan, Indien, Pakistan). Dadurch wächst auch in Deutschland die Angst vor dem Islam (57% aller Deutschen, auch Pegida als Anti-Islam-Bewegung). Viele Jahrhunderte war die arabische Kultur der europäischen weit voraus (Mathematik, Architektur, Medizin u. a.; der andauernde Niedergang ist ein historisches Rätsel). Auch die Ursprünge unserer Ökonomie liegen mit der Erfindung der Landwirtschaft in Mesopotamien in diesem Raum (damals gab es den Islam allerdings noch nicht). Der maurische Philosoph Ibn Rushd (genannt Averroes) aus Cordoba, der im 12. Jahrhundert lebte, gilt sogar als der Retter des griechischen Philosophen Aristoteles. Aristoteles war zu der Zeit bekannter bei den Arabern als im Abendland. Averroes beeinflusste stark die Denker Albertus Magnus und Thomas von Aquin. In Europa erinnern noch heute Bauwerke in Cordoba und Granada an eine der glanzvollsten Epochen des Islam. Aber auch  der Philosoph Faraddin ar-Razis ist sehr bekannt, Er wurde 1150 in der Stadt Raij (heute ein Vorort von Teheran) geboren. Er behandelte auch zentrale Gottesfragen (Schöpfung, Ewigkeit, Gottesbild). Man sollte auch nicht vergessen, dass die Integration in Deutschland auch nicht nur von der Religion abhängt, sondern von Aufenthaltsdauer, Migrationsgründen, soziale Lage, Kultur. "Wenn wir nicht achtgeben, wird die Stunde kommen, in der Europa mehr Interesse an der Türkei als die Türkei Interesse an Europa haben wird", Guido Westerwelle, Bundesaußenminister, 2013.

Exkurs. Islam in Deutschland: In Deutschland leben 2023 ca. 5,3 Mio. Muslime. Seit einigen Jahren finden regelmäßig Islamkonferenzen in Deutschland (DIK) statt. Die erste Konferenz war im Jahre 2006.  Die Schirmherrschaft hat das Bundesinnenministerium. Die letzte Konferenz fand im Dezember 2022 statt. 2023 will sich die Konferenz, die im November 23 stattfindet,  um Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit in Deutschland kümmern.  Hauptzweck der Konferenz  ist der Dialog zwischen deutschen Staat und den Muslimen in Deutschland. Im Zentrum steht im Moment die Imam-Ausbildung in Deutschland. Vgl. auch: Hamed Abdel-Samad: Islam. Eine kritische Geschichte, München 2023, vor allem S. 289 ff.. Die Imame in Deutschland sind Schlüsselfiguren (viele werden von Ditib ausgebildet, die von der Türkei bezahlt wird). Es gibt noch Imame, die mit Osama bin Laden sympathisieren und gegen Ungläubige hetzen dürfen. Eine Ausweisung scheitert oft an Verwaltungsgerichten (Beispiel Bremen 2023, Chihi). Es kommt auch immer wieder zu Konflikten um den Bau von Moscheen. In Germersheim/ Pfalz wird seit 2016 vor Gericht gestritten. Es geht um die Höhe der Minarette und die Größe des Baus in einem Wohngebiet. Die Ditib streitet mit der Stadt und den Bürgern. Das Gericht erklärt den Moschee-Bau im Wohngebiet zwar grundsätzlich für zulässig. Aber Art und Umfang passen nicht. Ditib scheitert damit vor Gericht. Der Journalist und Tagesschausprecher Constantin Schreiber lebte und arbeitete lange in islamischen Ländern. Er gilt als Islam-Experte, der auch arabisch spricht, und hat Bücher veröffentlicht. Weil er immer mehr von Islamisten angefeindet und bedroht wird, will er sich ab 2023 nicht mehr mit dem Thema "Islam" beschäftigen. Deutschlands bekanntester Islamtheologe ist Mouhanad Khorchide. Er leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Münster. Dort werden auch Imame ausgebildet. 2023 veröffentlicht er einen Debüt-Roman: Sieben verlorene Perlen. Rayyans Reise zu den Schätzen des Islam, Verlag Bonifatius. Er wird als Häretiker angefeindet und steht unter Polizeischutz. Durch den Gaza-Krieg 2023 und Proteste der Muslime in Deutschland gegen das Vorgehen Israels, entsteht eine Diskussion in Deutschland: Gilt der Satz von der Staatsräson (immer Verbündeter Israels wegen der Shoa in Deutschland während der Hitler-Zeit) noch. Kümmert sich Deutschland zu wenig um muslimischen Antisemitismus in Deutschland? Vgl. auch: Interview mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, in: Die Zeit 53/ 14.12.23, S. 6. Sogar die USA, der engste Verbündete Israels, wendet sich von dem Land ab. Die Parteien in Deutschland tun sich schwer mit dem Umgang mit dem Islam. Die CDU ändert 2024 einen umstrittenen Satz im Entwurf des Grundsatzprogramms: Von "Die Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland" zu "Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland".

Exkurs: Islam und Europa: Bis ins 18. Jahrhundert hinein herrschte die Furcht vor den vordringenden Türken. Mit einigem Recht hat man den Propheten Mohammed als "Gründungsvater" und einige türkische Sultane als "gewalttätige Geburtshelfer" Europas bezeichnet. Trotz dieser Kämpfe entwickelte sich im 12. und 13. Jahrhundert ein intensiver islamisch-christlicher Kultur- und Wissenschaftsaustausch. Die Europäer waren im Wesentlichen Nehmende und die Araber Gebende. Über die Araber in Spanien, Sizilien (Friedrich II erreichte den Frieden mit den Moslems über Jerusalem, er sprach fließend Arabisch) und anderswo erhielt Europa Papier, Ziffern (einschließlich Null), die Kenntnis über die griechischen Philosophen und arabische Mode. Vgl. Kocka, Jürgen: Europa und die Anderen, in: WZB Mitteilungen 1/ 23, S. 7ff. Heute haben die einzelnen Länder in Europa verschiedene Einstellungen zum Islam. In Frankreich leben relativ viele Islam-Gläubige aufgrund der Geschichte (Flüchtlinge aus den ehemaligen Kolonien). Sie sind oft schlecht in die Gesellschaft integriert und leben in den schwierigen Wohnvierteln der großen Städte. In Deutschland kommen die meisten Menschen mit islamischem Glauben aus der Türkei und haben auch Integrationsprobleme, aber auch aufgrund der Kultur insgesamt (Anatolien). Die skandinavischen Länder sind mit vielen Integrationsprojekten gescheitert (vor allem Schweden, aber auch Dänemark). Die Verbrennungen von Koran, die aufgrund der liberalen Verfassung in Schweden kaum zu verbieten sind, verhindern zunächst die Zustimmung der Türkei zum Nato-Beitritt. Die Zustimmung kommt dann doch noch. Die Verbrennungs-Aktionen des Koran in Schweden gehen weiter. Im Irak wird die schwedische Botschaft gestürmt. Schweden und Dänemark wollen die Verbrennungsaktionen unterbinden. Das Personal von Turkish Airlines soll auch an Bord seine Gebetsverpflichtungen einhalten können (an der Spitze steht ein Günstling von Erdogan). Istanbul repräsentiert eher die westlich orientierte Türkei, was  auch die Kommunalwahlen zeigen.

Die Religion des Islam gründet sich auf den Koran, der einer der wichtigsten und mächtigsten Bücher der Welt ist. Er entstand vor etwa 1400 Jahren. Er geht auf Mohammed zurück, der als 40-jähriger Kaufmann seine erste Offenbarung in Mekka empfängt (20 Jahre nach Mohammeds Tod werden die Offenbarungen, die er empfangen hat, verbindlich aufgeschrieben). Mohammed war zuerst Schafhirte und Analphabet bis er durch seinen Heirat mit einer wohlhabenden Frau sozial aufstieg (diese Rollenverteilung benutzt man auch zum Psychologisieren). Später muss er nach Medina fliehen (der Stamm erkannte seine Erkenntnisse nicht an; 622; Beginn der islamischen Zeitrechnung; Hidschra). 632 macht er seine Abschiedswallfahrt und stirbt. Die Überlieferungen zu Mohammeds Leben sind neben dem Koran die wichtigste Quelle des Islam. Wie die Christen und Juden beruft sich der Islam auch auf Abraham und Moses (siehe Topkapi - Museum in Istanbul, siehe unten).  Später kam es zu einer Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten. Der Gegensatz zwischen den beiden Religionsgruppen, der zum Teil erbittert auch heute noch ausgetragen wird, ist für die Konflikte und Instabilität in vielen Ländern Arabiens verantwortlich (Syrien, Irak, Jemen, Bachrain). Aber die Konflikte haben nicht nur religiöse Ursachen, die Religion wird instrumentalisiert. In vielen arabischen Ländern und im Iran gibt es aber noch andere kulturelle Einflüsse (Geschichte Persiens als Weltreich). Der Einfluss der islamischen Kultur auf die Wirtschaft wird im Mittelpunkt verschiedener Veranstaltungen stehen (Interkulturelle Kompetenz, Kommunikation, International Economics). Als Kaufmann hatte Mohammed sicher eine Affinität zum Wirtschaftsleben. Mekka, in Saudi-Arabien gelegen, ist heute Mittelpunkt des islamischen Universums. In dieser Metropole trifft der Islam auf die ökonomische Globalisierung. Hier stehen die Kaaba, ein quadratischer Stein und ein schwarzer Meteorit (Umgebung teuerstes Bauland der Welt). Hunderttausende Menschen kommen jährlich zum Höhepunkt der muslimischen Wallfahrt Hadsch. Sie erklimmen dann auch den Berg Arafat in Saudi-Arabien. Der Prophet Mohammed soll auf dem Berg seine letzte Predigt gehalten haben. Verbunden ist damit eine symbolische Steinigung des Teufels. Dann kehren die Gläubigen nach Mekka zurück und umrunden die Kaaba, den Schwarzen Würfel in der Großen Moschee. 2023 werden 2,5 Mio. Pilger erwartet.  Saudi-Arabien gibt es auch eine besonders radikale Form des Islam der "Wahhabismus". Zu dieser Strömung gibt es verwandte Koranschulen. Eine hat sich in Indien gebildet und ist Ursprung der Taliban in Afghanistan. Aber sogar in Saudi-Arabien gibt es mittlerweile auch prominente Bewegungen, nach den das Verschleiern des Gesichts bei den Frauen nicht obligatorisch ist.  Bei der Hadsch, der Wallfahrt nach Mekka (verbunden mit dem Berg Arafat anlässlich der Steinigung des Teufels Mina), muss der Würfel siebenmal umrundet werden und gegen den Uhrzeigersinn. Ab 2013 wird die Moschee in Mekka vergrößert und die Verkehrswege werden verbessert. Jährlich besuchen immerhin ca. 9 Millionen Pilger Mekka (jeder gesunde und volljährige Muslim sollte einmal im Leben die Hadsch machen, was nicht billig ist). Nach einem Kranunglück im September 2015 sterben 107 Menschen an der Großen Moschee. Ende September 2015 sterben 700 bei einer Panik. 2020 muss die Hadsch auf Sparflamme stattfinden wegen Corona. Erstmals 2023 gibt es wieder eine Pilgerfahrt ohne Einschränkungen. Sie fällt auf Ende Juni.   Es gibt auch eine kleine Wallfahrt, Umbra genannt. Der Islam ist heute eine sehr heterogene Religion, die daher in viele Strömungen differenziert werden muss. Unter ihnen gibt es Gruppen, die als radikal angesehen werden können, z. B. die Salafisten (diese Fundamentalisten sind in Deutschland sehr erfolgreich, weil sie Deutsch predigen und den Alltag der jungen Menschen genau kennen; 2012 verteilen sie in großen Mengen kostenlos den Koran; die islamistische Organisation "Die wahre Religion" wird im November 2016 verboten). Die Salafisten expandieren in Deutschland rasant (2014 7000 Salafisten; "vier M": männlich, muslimischer Hintergrund, Migrationshintergrund, Misserfolge). 2017 nennt der Verfassungsschutzbericht schon 10.800 Salafisten in Deutschland (doppelt so viele wie 2013).  In einer Umfrage 2013 der Bertelsmann Stiftung findet die Hälfte der Deutschen den Islam als bedrohlich. Dabei wird das Deutschlandbild sehr stark von den  Islamisten beeinflusst. Rechte Bewegungen machen sich dies zu Nutzen und organisieren in den Jahren 2014 und 2015 islamfeindliche Demonstrationen (z. B. Pegida in Dresden).  Islamismus macht aus Religion eine politische Ideologie (die Säkularisierung und die Gewaltenteilung werden nicht anerkannt). Man tut sich auch schwer mit Presse- und Meinungsfreiheit (Attentat auf Charly Hebdo in Paris mit vielen Toten). Im März 2019 gibt es 11 Festnahmen von Salafisten im Rhein-Main-Gebiet. Sie hatten einen Anschlag geplant. Im Ramadan gibt es strenge Fasten - Regeln im Islam. Mit dem Zuckerfest, das über mehrere Tage geht, endet der Ramadan.

Exkurs. Fes/ Marokko und Karthago/ Tunesien: In Fes wurde 895 n. Chr. die erste Universität der Welt gegründet. Sie ist eng mit der Geschichte des Islam verbunden. In der Bibliothek der Uni finden sich die ältesten Koran-Handschriften der Welt. Sie sind in einer Sprache vor dem Arabischen verfasst. Es gab einen engen Austausch mit den Moslems in Andalusien (Cordoba, Granada). Die Religion des Islam entstand nach den Christen und Juden. Anfangs waren die Verbindungen noch eng. Heute ist Fes eine Millionenstadt in Marokko. Sie trägt Spuren der uralten Berber-Kultur. So gibt es viele Riads, die ein Abbild des Universums sein sollen. Zeitweise durfte Fes nur von Moslems betreten werden. In der Nähe liegt Karthago, das von der alten Kultur der Phönizier geprägt wurde. Sie entwickelten die erste Schrift in dem Raum, die in Teilen später von den Griechen und Arabern übernommen wurde (das Alphabet wurde im 11. Jahrhundert vor Christus entwickelt, weil man für den Handel Kommunikation brauchte). . Karthago beherrschte etwa 400 Jahre den ganzen Mittelmeerraum vor den Griechen und Römern. Sie waren glänzende Kaufleute und bauten die besten Kriegsschiffe, die die Handelsschiffe überwachten. Der Sage nach wurde Karthago von Prinzessin Dido gegründet. Die Phönizier huldigten ihrem Gott Bal (wichtig war auch noch Tanit).

Exkurs: Opferfest und Ramadan: Es wird Anfang Juli  ( 9. Juli)  gefeiert.  Gleichzeitig findet die Hadsch, die Wallfahrt nach Mekka, statt. Es geht auf eine gemeinsame Geschichte von Christen, Juden und Moslems zurück. Gott bittet Abraham seinen Sohn Ismael zu opfern, indem er ihm mit dem Messer die Kehle durchschneidet. Als Abraham das machen will, geht es mit dem stumpfen Messer nicht (Gottestest). Gleichzeitig sendet Gott einen Engel, mit der Aufforderung jetzt ersatzweise einen Widder zu opfern. Heute nimmt man dafür ein Schaf, das "geschächtet" wird. Wer zu wenig Geld hat, kann sich an einem Gemeinschaftsschaf beteiligen (ein Drittel für die Familie, ein Drittel für Freunde, ein Drittel wird gespendet). In einigen Ländern ist mittlerweile erlaubt, das Schaf vorher zu töten (Tierschutz). Am 23. März beginnt der Fastenmonat Ramadan. Er gehört zu den "fünf Säulen" (Geboten) des Islam. Zwischen Sonnenauf- und -untergang verzichten Gläubige auf Essen und Trinken, Sex und Genussmittel. Der Ramadan endet mit dem Fest des Fastenbrechens, dem Eid al Fitre.

Grundlegend für die Entwicklung des Islam und viele Konflikte im Nahen Osten ist der Gegensatz zwischen Sunniten und Schiiten (vgl. oben). Ca. zehn bis zwanzig Prozent der Moslems sind Schiiten, vor allem im Iran, Irak und im Libanon. Diese zwei Gruppen haben sich im siebten Jahrhundert darüber zerstritten, wer als Kalif Nachfolger von Mohammed werden sollte. Die Schiiten verloren den Machtkampf.  Der Name der Schiiten geht auf "Schia Ali", die Partei Alis, zurück. Die Sunniten sind die Anhänger der Tradition (Sunna). Heute entfremden sich Sunniten und Schiiten immer mehr, vor allem im Irak (um 800 war Bagdad noch die Kapitale des Kalifenreiches und so was wie der Mittelpunkt der islamischen Welt). Der Gegensatz ist Ursache vieler Konflikte und Kriege im Nahen Osten (Syrien, Irak, Jemen).  Hinzu kommt, dass die Grenzen der Nationalstaaten nach dem Ersten Weltkrieg von Europäern gezogen wurden, oft ohne Rücksicht auf Religionen und Völker. Etwa 80% aller Muslime weltweit sind Sunniten. Schiiten stellen die Mehrheit im Iran, Irak und Bahrain. 2014 breitet sich die Terrororganisation "Islamischer Staat (IS)" immer mehr in Syrien und Irak aus. Vor allem Kurden sind betroffen. IS geht außerordentlich brutal vor und verursacht große Flüchtlingsströme. Immer wieder erfolgt eine Rechtfertigung von Gewalt durch den Jihad (kriegerischer Kampf) und das Märtyrertum (Selbstmordattentate). Sogar islamische Organisationen und Staaten distanzieren sich von IS. Vgl. Tilman Seidensticker, Islamismus, München 2014. Der Gegensatz zwischen Schiiten und Sunniten spaltet auch 2015 den Jemen. Schirmherr der Sunniten ist Saudi-Arabien. Unterstützung der Schiiten kommt vom Iran. Man fühlt sich an den Dreißigjährigen Krieg erinnert. Es geht um handfeste Machtinteressen (schon früh verband sich der Glaube mit der Macht, deshalb expandierte die Religion so schnell). Zwischen den Fronten stehen der Oman, Israel, Kurdische Gebiete und die Türkei (Sunnitische Mehrheit, alevitische Minderheit, die zu den Schiiten gezählt wird). In Deutschland gibt es einen Staatsvertrag mit der Türkei (Ditib-Moscheen). Ausbildung und Besoldung der Imame wird von Ankara übernommen. Ab 2018 fördert der Bund keine Ditib-Projekte mehr. Hintergrund sind die Vorwürfe, Imane des Verbandes hätten in Deutschland mutmaßliche Kritiker des Präsidenten Erdogan ausspioniert. Mittlerweile gibt es eine Reihe theologischer Fakultäten und Seminare (Osnabrück, Erlangen, Frankfurt, Tübingen). Mitglieder der Gülen - Bewegung sollen 2016 bespitzelt worden sein.    "Gottes ist der Orient, Gottes ist der Okzident. Nord- südliches Gefälle, Ruht im Frieden seiner Hände", Goethe, West-Östlicher Divan (entspricht der 2. Sure des Koran, sehr doppeldeutig, wenn man Gott durch Allah ersetzt). Vgl. zum Islam auch die pessimistische Prognose: Hamed Abdel-Samad, Der Untergang der islamischen Welt, Droemer 2010. auch von ihm: Mohamed. Eine Abrechnung, München 2015.

Exkurs über die Struktur des Islam und sein Innen- und Außenverhältnis:  Zum Schicksal gehören die Beziehungen zwischen Schiiten und Sunniten. Könnte es eine Art Ökumene geben? Der Schwiegersohn des Propheten ist ja der Namensgeber der Schiiten  (Saladin hat ein Buch über frühe Muslime geschrieben). Mohammed hatte seine Nachfolge nicht geregelt (jeder versucht eine Begründung zu finden). Ursprünglich bestand eine Anführerschaft durch religiösen Verdienst. Erst später setzte sich das dynastische Prinzip durch (Legitimierung der Herrschaft). Die Gelehrten beider Gruppen sagen ziemlich das Gleiche. Im 13. Jahrhundert gab es eine Sufi-Gemeinschaft. Die Grundlagen sind heute noch in etwa gleich: Koran, Sunna, Islamische Lehre (Aqida) und Wissenschaftler. Die Stellung zum Judentum ist auch schwierig: Der Islam wird als letzte Botschaft Gottes angesehen. Die Dreifaltigkeit versteht der Islam nicht. Wichtig für den Islam ist heute die Tradition der Medresen. Das sind die Gelehrten, die an Universitäten ausbilden. Dabei gibt es drei Bausteine: 1. Grundlagen des Glaubens. 2. Spekulation ((Kalem). 3. Moral. Aber vielfältige Interpretationen sind möglich. Der Islamische Glauben hat fünf Säulen: 1. Einmal im Leben nach Mekka. 2. Rituelle Gebet (Salat). 3. Glaubensbekenntnis (Schahada), 4. Fasten im Monat Ramadan (Saum). 5. Almosenabgabe (Sakat).  Die größte Moschee Deutschlands wird im September 2018 in Köln-Ehrenfeld eingeweiht. Sie wurde vom türkischen Trägerverein Ditib gebaut. Es war auch der türkische Präsident Erdogan anwesend. Die Moschee hat Platz für 1100 Gläubige, ist 30 Mio. € teuer und hat 55 Meter hohe Minarette. Es gibt einen Streit über die Eröffnungsfeier (die Kölner Oberbürgermeisterin und andere prominente Befürworter wurden nicht eingeladen, Undankbarkeit). Erdogan betreibt durchaus "Kuhhandel" mit Moscheen. So verhandelt er 2019 mit dem griechischen Ministerpräsidenten Tsipras: Fethije-Moschee mit Minarett in Athen gegen Wiedereröffnung der Akademie Chalki im Marmarameer. Vgl. zu den Schiiten und Iran ausführlich: Iran. 2021 gibt es einen Streit um einen Moscheebau in Straßburg. Frankreichs Innenminister will die Bauförderung der Stadt überprüfen lassen.

Exkurs: Iran (Persien) und Schiiten: Als Begründer des Iran gilt Ismail (1502, Safawiden-Dynastie, Schah, dauerhaft Schiitisch). Ca. 80 Mio. Einwohner 2017. An der Spitze des Staates steht ein Expertenrat (aus 86 hochrangigen Klerikern, Ali Chamenei an der Spitze, der Präsident ist nicht so mächtig). Als "islamische Revolution" mit Partizipation der Bevölkerung ist eine Art Gegenentwurf zu Saudi-Arabien. Verbündete sind Katar, Syrien, Libanon. Die Beziehungen zu China sind eng. Schiitische Schutzmacht (Konflikt mit Saudi-Arabien im Jemen und in Syrien). Die Beziehungen zu den USA sind stark vorbelastet: 1953 wird Premier Mossadegh durch die CIA gestürzt. Dann wird die Monarchie des Schahs gestützt. Am 1.2.1979 kehrt Ayatollah Khomeini aus seinem Pariser Exil nach Teheran zurück. Nach 13 Jahren Atomstreit einigen sich die Weltmächte mit dem Iran: Die Vereinbarung umfasst 100 Seiten. Die Atomanlagen müssen unter strenge internationale Kontrolle gestellt werden (zivile Nutzung ja, militärisch nein). Wenn dies funktioniert, werden die Wirtschaftssanktionen aufgehoben. Wichtigste Exportländer für den Iran sind China, die Türkei, Indien, Japan und Deutschland. Die meisten Importe kommen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, China, Indien, Südkorea und Deutschland. Der Iran verfügt über 9% der Weltölreserven. Er hat ein Drittel der globalen Erdgasreserven. Außerdem verfügt der Iran über die zweitgrößte Kupfermine der Welt. Bei Eisenerz ist das Land auf Platz neun. Bei Pistazien ist der Iran Weltmarktführer. Die Frauen sind inzwischen oft besser ausgebildet als die Männer. Sie drängen an die Universitäten und den Arbeitsmarkt. Sie stoßen an ihre Grenzen, wo islamische Gesetze ihre Rechte einschränken. VAE, Bahrain, Sudan und Marokko erkennen Israel an und nehmen diplomatische Beziehungen auf. Saudi-Arabien wird folgen. Damit gibt es zwei Lager im Nahen Osten, jeweils geführt von Saudi-Arabien (USA) und dem Iran (China, März 2021 Pakt mit Iran). Dritte Achse ist Türkei/ Katar. Mittlerweile herrscht wohl eine Kluft im Land zwischen der klerikalen Elite und der Jugend. Letztere ist hoch gebildet, international orientiert und durchaus auch westlichem Leben aufgeschlossen. Eine korrupte Oligarchie benutzt die islamische Religion, um sich die Macht zu sichern. Vgl. Natalie Amiri: Zwischen den Welten: Von Macht und Ohnmacht im Iran, Berlin (Aufbau-Verlag) 2021. Im 17. Jahrhundert war Isfahan die Zentrale der Schiiten. Es galt folgender Satz: "Isfahan ist die Hälfte der Welt". Sie wurde im 10. Jahrhundert als Residenzstadt der iranischen Buyiden-Dynastie (932-1055) gegründet. Sogar Bagdad konnte erobert werden. Timur griff 1378 die Stadt von Kabul aus an und eroberte sie.

Exkurs. Oman und Ibadismus: Der Ibadismus ist eine religiöse Sondergemeinschaft des Islam. Sie sind weder Sunniten noch Schiiten. Sie gehören zu den Charidschiten, die jede Zuordnung ablehnen. Sie sehen sich als Erben der Muhakkima. Das ist eine eigene Rechtsschule. Der Name geht auf Abdullah Ibn Ibad zurück, dessen Identität im Dunkeln bleibt. Die meisten Angehörige der Religion leben im Oman (45% der Bevölkerung). Im Zentrum stehen die vier Wege der Religion: Hervortreten, Verteidigung, Selbstaufopferung, Geheimhaltung. Die anfänge liegen in der Stadt Basra. 747 gründen die Ibadiden Sanaa. Vgl. Amir Ennami: Studies in Ibadism, Muscat 2008. Die Ibadiden sind eher tolerant und erlauben gemeinsames Beten aller Gruppen des Islam.

Exkurs. Saudi-Arabien und Wahhabismus:  In Saudi-Arabien gibt es eine besonders radikale Form des Islam der "Wahhabismus". Zu dieser Strömung gibt es verwandte Koranschulen. eine hat sich in Indien gebildet und ist Ursprung der Taliban in Afghanistan. Aber sogar in Saudi-Arabien gibt es mittlerweile auch prominente Bewegungen, nach den das Verschleiern des Gesichts bei den Frauen nicht obligatorisch ist.  Bei der Hadsch, der Wallfahrt nach Mekka (verbunden mit dem Berg Arafat anlässlich der Steinigung des Teufels Mina), muss der Würfel siebenmal umrundet werden. Ab 2013 wird die Moschee in Mekka vergrößert und die Verkehrswege werden verbessert. Jährlich besuchen immerhin ca. 9 Millionen Pilger Mekka. Nach einem Kranunglück im September 2015 sterben 107 Menschen an der Großen Moschee. Ende September 2015 sterben 700 bei einer Panik. 2020 muss die Hadsch auf Sparflamme stattfinden wegen Corona.  Es gibt auch eine kleine Wallfahrt, Umbra genannt. Mekka, in Saudi-Arabien gelegen, ist heute Mittelpunkt des islamischen Universums. In dieser Metropole trifft der Islam auf die ökonomische Globalisierung. Hier stehen die Kaaba, ein quadratischer Stein und ein schwarzer Meteorit (Umgebung teuerstes Bauland der Welt).

Exkurs. Sufismus: Es ist eine Strömung im Islam. Sie ist eng mit Askese verbunden und hat eine philosophische Komponente. Es gibt einen Einfluss des Stoizismus. Der Sufismus ist ein mystischer Weg. Viele sehen ihn heute als Alternative zum orthodoxen Islam. Er ist eine friedliche geistige und soziale Revolution. Vgl. Hamed Abdel-Samad: Islam, München 2023, S. 149ff.

Exkurs: Indonesien als größtes islamisches Land der Welt: Indonesien ist das bevölkerungsreichste muslimische Land der Erde (wenn man Indien, Pakistan und Bangladesch nicht als gemeinsame Kultur nimmt). Es wird eine gemäßigte und tolerante Form des Islam praktiziert (87,2% der Bevölkerung sind Muslime). In jüngster Zeit häufen sich allerdings Vorfälle, die auf eine Radikalisierung hindeuten. So wird etwa eine chinesische Gottheit verhüllt, weil sie zum Gegenstand von Kampagnen wird. Auch der IS zeigt sich häufiger in Aktionen. Viele radikale Indonesier waren Mitglieder des IS. Sie könnten in ihre Heimat zurückkehren. Um 1000 bis 1500 n. Chr. erfährt der Buddhismus, der bis dahin in Indonesien überwiegt, einen Niedergang und wird durch den Islam ersetzt. Die Gründe sind noch nicht ausreichend erforscht. Heute haben andere Religionen einen ganz geringen Anteil: Protestantismus (6,9%), Katholizismus (2,5%), Hinduismus (!,7%), Buddhismus (0,7%), Konfuzianismus (0,05%). Es gibt keine Staatsreligion. Indonesien kommt als größter islamischen Staat der Welt eine große Verantwortung für die Entwicklung des Islam zu. Es könnte bei der Eindämmung des militanten Islamismus helfen. Indonesien gehört zu den größten Käufern von Rüstungsgütern aus Deutschland (etwa Panzer). Andererseits ist das Land auch ein großer Profiteur der Neuen Seidenstraße (Finanzhilfen und Kredite aus China für Infrastrukturprojekte). Indonesien wandelt heute zwischen den "Blöcken" (USA und Westen, China/ Russland/ Iran).

Exkurs: Islam in der Welt: Weltweit leben 1,9 Mrd. Muslime auf der Welt. Wenn man Indien und seine Nachbarländer zusammen nimmt, haben sie den höchsten Anteil: Indien 176 Mio.; Pakistan 167 Mio.: Bangladesch 134 Mio. Damit übertreffen sie Indonesien mit 209 Mio. Danach liegen in der Rangfolge erst Nigeria (77); Ägypten (76); Iran (73), Türkei (71). In Saudi-Arabien leben nur 25 Mio. Muslime. In Deutschland sind es knapp über 5 Mio. (vor allem aus der Türkei).

Ein besonderer Faktor stellt mittlerweile der Islamische Staat dar. Er umfasst Teile von Syrien und Irak. Er hat ein perfekt organisiertes Finanzierungssystem aufgebaut. Einnahmequellen sind Steuern, enteignete staatliche Banken, Öl und Gas, Verkauf von Antiquitäten, Erpressung, Lösegelder, Ausländische Spenden (insbesondere aus Saudi-Arabien) und Landwirtschaft (Weizen, Gerste). Die Söldner kosten nur ca. 8% des Jahresetats. Die OECD hat 1989 eine Expertengruppe für Schwarzgeld- und Korruptionsbekämpfung gegründet. Hauptaufgabe dieser Financial Action Task Force (FAFT) ist inzwischen der Kampf gegen die Terrorfinanzierung. Politikwissenschaftler sprechen beim islamischen Staat von heroischen Gesellschaften, die asymmetrische Kriege führen und diese brauchen. Selbstmordattentäter sind ihre Drohnen und sind wegen ihres islamischen Wertesystems grenzenlos opferbereit. Allein 2014 soll es 33.000 Todesopfer durch Terror gegeben haben, die kosten sollen bei 53 Mrd. Dollar liegen (Quelle: Institut für Wirtschaft und Frieden, Sydney). Der selbst ernannte Kalif al-Baghdadi  ist der Anführer der IS-Miliz. Er braucht Erfolge, um seine Dschihad-Soldaten im Griff zu haben. Fehlen diese Erfolge im Kernland, sucht man Sie in der Welt. Der ägyptischen Dschiadist Abu Bakr Naji lieferte in seinem Buch "Management der Barbarei" von 2004 den theoretischen Überbau (dreistufige Strategie: Infiltration, Destabilisierung durch Attentate, militärischer Angriff; totales Chaos, totale Ordnung). Die größte Gefahr geht vom IS jedoch in Pakistan aus. Das Land ist eine starke Atommacht. Es gibt im Land immer mehr Koranschulen und Milizen. Der Staat droht zu scheitern. 2016 gibt es Anschläge, die nur indirekt mit dem IS zusammenhängen. Es gibt wohl keine Verbindungen und Anweisungen. Man spricht von "Einsamen Wölfen" (Attentat in Nizza mit einem LKW). Mit dem Vordringen der Türken in Syrien sollen viele Islamisten in ihre Heimatländer zurück geschickt werden (auch Frauen und Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit),

Exkurs: Saladin. Er ist der berühmteste Herrscher im Islam. Viele moderne Führer - auch im Islamischen Staat - nennen ihn als Vorbild. Er lebte nach den Grundsätzen "Es soll keinen Zwang im Glauben geben" und "Gott ist barmherzig". 1138 wird er in Tikrit (dem heutigen Irak) geboren. 1193 stirbt er in Damaskus an einem wiederkehrenden Fieber. Auf dem Höhepunkt seiner Macht hat er fünf Königreiche: Ägypten, Jerusalem, Syrien, Aleppo und Arabien. Er befreit Jerusalem von den Kreuzrittern (1187), lässt aber Juden und Christen dort zu (Kompromiss mit Richard Löwenherz, der diesem viel Ärger einbringt). Über Jahrhunderte hält sich das Bild des gerechten Herrschers. Er ist das Vorbild für Lessings "Nathan der Weise" gewesen.  "Ein wirklicher Sieg bedeutet, die Herzen deiner Gegner durch Edelmut und Milde zu verändern", Saladin.

Exkurs: Militanter Islamismus (islamischer Terrorismus): Er ist in einigen Ländern ein Problem, besonders in Frankreich. In Frankreich sind Teile der islamischen Bevölkerung sozial marginalisiert und ausgegrenzt. Es sind zum guten Teil die Bewohner der Banlieues. Sie sind aufgrund der verdrängten Kolonialgeschichte Staatsbürger Frankreichs. Es gehören aber auch Immigranten dazu. Die Schulen und Hochschulen in Frankreich sind hochselektive Institutionen der Elitebildung. Die jungen Menschen in den Banlieues haben keine Chancen. Der Terror hat also gesellschaftliche Wurzeln. Dafür kann man den Islam als solches nicht allein verantwortlich machen. Ein eindrucksvolles Beispiel ist das Köpfen eines Lehrers auf offener Straße im Oktober 2020, der eine Mohammed - Karikatur im Unterricht gezeigt und besprochen hatte. Oder ein Messer-Attentat in Nizza in einer Basilika von einem Tunesier mit drei Toten als Nachahmungstat. Viele radikale Muslime sind über Lampedusa eingereist, auch der Berlin-Attentäter Anis Amri. Wenn sie in Tunesien nicht vorbestraft sind oder auffällig geworden sind, können sie nicht einfach abgeschoben werden. Der Generalbundesanwalt geht 2020 von 620 islamischen Gefährdern in Deutschland aus. Anfang Oktober2020 gab es ein Messerattentat in Dresden. In der Wiener Innenstadt schießt Anfang November ein Angehöriger des islamischen Staates (Österreicher; er täuschte eine Läuterung vor) wahllos auf Menschen (22 Schwerverletzte, vier Tote). Es scheint nur einen Haupttäter zu geben. Bekannte von ihm werden festgenommen. Neben der Angst vor der Pandemie kommt jetzt auch die Angst vor islamischem Terror. Das hat auch ökonomische Konsequenzen: Die Verunsicherung führt zu Zurückhaltung bei Konsum und Investitionen. Die Länder der EU sollten nicht den arabischen Ländern oder der Türkei die Finanzierung der Moscheen überlassen. Diese tragen immer wieder zur Radikalisierung bei. Der Islam tut sich schwer mit der Trennung von Staat und Religion und mit Toleranz (das liegt aber nicht in seiner Geschichte begründet, im Mittelalter war der Islam die toleranteste Religion). Besonders gefährlich ist die islamistische Boko Haram in der Sahelzone. Sie breitet sich dort rapide aus. Der Terror zieht sich wie ein Gürtel im Süden Tschads, im Südosten Nigerias oder im Norden Kameruns. Innenpolitisch ist der Kampf gegen die Gruppe nicht mehr zu gewinnen. Es müssen Bündnisse eingegangen werden. Weiter nördlich im westafrikanischen Niger, in Mali und in Burkina Faso sind zahlreiche islamistische Milizen und kriminelle Banden (auch lokale Jugendbanden) aktiv. Sie sind teilweise mit dem Terrornetzwerk "Al Qaida" und dem "Islamischen Staat" (IS) liiert oder noch mit Boko Haram (manchmal auch mit mehreren Gruppen). Auch in der EU gibt es immer mehr Pläne für Anschläge: Im Februar 2021 nehmen Deutschland und Dänemark 14 Verdächtige fest. Sie sollen Bombenattentate geplant haben. Die Verhafteten stehen dem Islamischen Staat nahe. Abu Walaa soll der Chef der IS-Terrormiliz in Deutschland gewesen sein. Gegen ihn läuft 2021 noch ein Prozess. Er wird am 24.2.21 zu zehneinhalb Jahre Haft verurteilt. Er hat junge Islamisten radikalisiert und dem IS in Syrien zugeführt.  Am stärksten ist in Europa Frankreich von islamischen Terrorismus betroffen. Hier gab es in den letzten Jahren auch die meisten Toten. Im Februar 2021 beschließt die Nationalversammlung ein neues Gesetz. Die Muslime sollen auf die Werte der französischen Verfassung verpflichtet werden (mit institutionellen Anpassungen und Überwachung). Im Mai 2021 verbietet der Bundesinnenminister den salafistischen Verein "Ansaar International". Mit den Spendensammlungen seien terroristische  Vereinigungen unterstützt worden. Ein Somalier, dessen Asylantrag abgelehnt worden war, tötet aus islamistischen Motiven und psychischer Störung Ende Juni 21  3 Menschen und verletzt 5 in Würzburg. In der Sahel-Zone versucht der IS immer wieder Fuß zu fassen. Es gibt massenhaft Terroranschläge. Frankreich gelingt im September 2021 die Tötung des IS-Führers Adnan Abu Walid al-Sarawi. Der Einfluss des IS geht bis nach Mali. Anfang Februar wird IS-Chef Al-Kuraschi im Rahmen einer Kommando-Aktion der USA im Nordwesten Syriens getötet. Der IS verübt 2023 auch immer noch schwere Anschläge in Syrien. Ein weiteres terroristisches Netzwerk des Islam ist Al Qaida. Neuer Anführer dieses Netzwerks ist 2023 der Ägypter Saif aö-Adel. Er operiert meist vom Iran aus. Al Qaida war und ist auch noch in Afghanistan aktiv. Deutschland verbietet im November 23 Hamas und Samidoun. Die Behörden in Deutschland (vor allem in Berlin und NRW) müssen immer wieder bei Demonstrationen für Palästinenser in Deutschland prüfen, ob sie im Rahmen der Demonstrationsfreiheit liegen oder ob schon Volksverhetzung vorliegt. Im November 2023 kommt es zu einer Großrazzia gegen Islamisten in sieben Bundesländern. Zahlreiche Objekte des islamischen Zentrums Hamburg werden durchsucht (es folgt später noch eine Razzia in Berlin). Eine neue Generation von Fundamentalisten rekrutiert junge Muslime im Internet. Vgl. Schenk, Arnold: im Netz der Islamisten, in: Die Zeit 49/ 23.11.23, S. 35. 2023 beschießen islamistische Huthi - Rebellen Frachtschiffe vom Jemen aus mit Drohnen und Raketen. Reeder fürchten um ein Nadelöhr im Welthandel (Bab-al-Mandeb). Hier ist die Einfahrt vom Golf von Aden in das Rote Meer und weiter zum Suezkanal. Die USA suchen Partner für den militärischen Schutz (und werben auch in Deutschland: Kriegsschiffe, Spezialisten). Die Hamas bereitet sich auch auf Anschläge in Europa vor. Sie hat geheime Waffenverstecke. Im Dezember 23 werden vier Mitglieder der Hamas in Deutschland und den Niederlanden festgenommen. 2024 richtet die Hamas ein Massaker in Israel an. Im Jahre 2024 macht der IS Provinz Khorasan (ISPK) von sich reden. Er macht den großen Anschlag bei einem Konzertsaal in der Nähe von Moskau (139 Tote). Anschläge in Deutschland (Kölner Dom) konnten verhindert werden.

Exkurs. Instrumentalisierung des Islam: Die Religion "Islam" ist schon oft instrumentalisiert worden. Im "Arabischen Frühling" vor 10 Jahren (von 2021 rückwärts) glaubte man an Reformen (Änderung der Rollenverteilung der Geschlechter, Demokratisierung der Politik, soziale Reformen). Doch die Restauration berief sich auch wieder auf den Islam. Das ist besonders gut in Ägypten zu beobachten. Islam und Intoleranz gehören nicht notwendigerweise zusammen. Im Mittelalter war der Islam die toleranteste aller Religionen (Toledo in Spanien). Die islamischen Philosophen sorgten für die Erhaltung der Schriften der großen griechischen Philosophen (vgl. oben und Philosophie, auch letzten Abschnitt). Die herrschenden Eliten und Stammes- Familien-Clans (Beispiel Saudi-Arabien) bedienen sich immer wieder der Religion. Das sollte analysiert und kommuniziert werden. Die Gelehrten des Islam vertreten auch völlig unterschiedliche Modelle. Im Iran herrscht bei den Schiiten die Idee des Gottesstaates. Im Irak vertritt der oberste Gelehrte Ali al Sistani das Gegenmodell. Der Papst Franziskus und der Ajatollah treffen sich im März 2021 im Irak. Vgl. Rüb Matthias: Papst und Ajatollah, in: FAZ Nr. 55, 6. März 2021, S. 5. Saudi-Arabien als sehr reiches Land finanziert Moscheen und Bildungseinrichtungen in aller Welt. Besonders auffällig ist dies in ärmeren Ländern wie z. B. Bangladesch. Aber auch Länder mit gemäßigtem Islam - wie Indonesien - sind dem Einfluss ausgesetzt. Dadurch gewinnt ein radikalere Form des Islam an Bedeutung, der Wahhabismus. Der Iran benutzt radikale Bewegungen, um seine Existenz zu sichern 8er fürchtet Angriffe Israels und der USA wegen seiner Atomrüstung). Persien hatte immer eine Sonderstellung und war auf Distanz zu Arabien. Die Religion verstärkt das nur. Der Iran unterstützt die Hamas, die Hisbollah und andere Bewegungen. Die Unterstützung besteht in Geld (oberster Geldgeber, jährlich 100 Mio. US-$)) und kostenlose Sach- und Ausbildungsleistungen. Allein Katar überwies 1,5 Mrd. Euro an die Hamas und ist zweitgrößter Geldgeber (Katar besitzt große Aktienanteile an deutschen DAX-Firmen, insofern kommt auch Geld aus Deutschland). Dazu kommen 4 Mrd. Euro jährlich von Muslimen aus aller Welt. Die meisten islamischen Staaten kennen das Existenzrecht Israels nicht an. Deshalb haben Friedensverträge oder Zweitstaatenlösungen keine Chance und machen wenig Sinn. Deutschland sieht sich aus seiner Vergangenheit in der Nazi-Zeit in der besonderen Verantwortung für Israel. Wie kann Frieden erreicht werden? Es braucht dringend einen Plan, wie die Zwei-Staatenlösung im Heiligen Land gelingt.

Fundamentalistischer Islam in Afghanistan und anderen Ländern  und globale Bedeutung: Die Taliban bildeten sich ursprünglich während der britischen Kolonialherrschaft als Gegenbewegung. Sie wurden reorganisiert 1994 in Pakistan gegen die russische Besetzung. Ursprung ist eine Koranschule in Indien, die dem Wahhabismus ähnelt. Deshalb auch die engen Beziehungen nach Saudi-Arabien. Die Taliban sind so erfolgreich, weil sie nicht korrupt sind, klare hierarchische Strukturen besitzen, einen festen Glauben haben und massiv von Saudi-Arabien und Pakistan unterstützt werden. Hinzu kommt, dass die relevanten Ethnien vertreten sind. Sitz der Führung ist Pakistan (Karachi, Quetta). Dort sitzen auch spezielle Koranschulen, die radikalisieren und ausbilden (Akora Khattak, Abbotabad). In diesen Madrasas wurde auch das pakistanische Militär zu großen Teilen ausgebildet. Innerhalb der Taliban gibt es ganz unterschiedliche Kräfte mit ganz unterschiedlichen Interessen. Wir wissen viel zuwenig darüber.  Al-Qaida, ein loses, weltweites Terrornetzwerk (1988 von Osama bin Laden in Peschawar/ Pakistan gegründet) und Islamischer Staat (IS)  sind weiterhin relativ mächtig und aktiv in Afghanistan. Sie versuchen, wieder mehr Einfluss zu gewinnen. Der IS tritt mit einem Bomben-Anschlag auf den Flughafen in Kabul Ende August 21 hervor, bei dem es viele Todesopfer gibt. Als Vergeltung führen die USA einen Drohnenangriff gegen Führer des IS aus. Raketenangriffe des IS folgen, die zum größten Teil von der US-Flugabwehr verhindert werden. Der IS strebt weiterhin ein Kalifat an. Es ist der regionale Ableger der Provinz Chorasan (ISKP). Er hat sich 2015 gebildet aus unzufriedenen Mitgliedern der Taliban und Al-Qaidas). Die Machtverhältnisse zwischen Taliban und diesen Gruppen ist intransparent. Es gibt auch Stämme, die versuchen, wieder mehr Einfluss zu gewinnen. Die Stammesfürsten sind ganz wichtige Figuren. So formiert sich gewaltiger Widerstand im Pandschirtal. Anführer ist Widerstandskämpfer Massud (er ist der Sohn des Stammesführers, der nie von den Taliban bezwungen wurde).  Besonders gefährlich sind die Gruppen, die globale Ziele verfolgen. Die Taliban haben sie in der Vergangenheit weder bekämpft noch unterstützt, aber geduldet. Sie werden von der Türkei, Katar und Pakistan unterstützt (Pakistan fährt 2023 seine Unterstützung zurück, weil sein Einfluss auf die Taliban schwindet, sie weisen sogar Flüchtlinge aus; weitere Gründe: Pakistan geht es ökonomisch sehr schlecht; es gab zahlreiche Anschläge). Dem internationalen Terrorismus wird der Abzug der Nato aus Afghanistan Auftrieb geben. Kernpunkt und Tummelplatz internationaler Terroristen ist schon immer die Provinz Nordwaziristan. Sie unterstützt auch aktiv die Hamas. Auch in der Russischen Föderation gibt es radikale islamische Gruppen, so etwa in Dagestan. Radikale, informelle Gruppen, die sich auf den Islam berufen, beherrschen ganze Länder, wie die Hisbollah den Libanon. Der Chef dieser libanesischen Miliz ist Nassan Nasrallah. Die Hisbollah könnte ein zweite Front im Gaza-Krieg 2023 eröffnen. Sie ist hochgerüstet und wird hauptsächlich vom Iran finanziert und trainiert. Die Religion "Islam" dient auch hier der Legitimation.

Exkurs. Islam, Koran und Antisemitismus: Islamisten bedienen sich des Koran und verschärfen seine Inhalte, um ihren Judenhass zu legitimieren. Die Hintergründe: Im 7. Jahrhundert lebten die damaligen Juden sowohl in Mekka als auch in Medina mit ihren muslimischen Nachbarn in Frieden. Nach seiner Auswanderung von Mekka nach Medina 622 verfolgte der Prophet verschiedene Strategien gegenüber den Juden. Zunächst war er um Annäherung bemüht. Er trat in Dialog und wollte als Gesandter Gottes anerkannt werden sowie letztlich bekehren. Als diese Hoffnung sich nicht erfüllte, stempelte er die Juden als Ungläubige ab. So entstand ein koranischer Sündenkatalog der Juden. 624 beginnen so Gewaltmaßnahmen gegen die Juden. Ab 634 war das Bauen neuer Synagogen verboten und die Juden wurden überall im Alltag diskriminiert. Die Gründe für Antisemitismus wurzeln also sehr tief. Vgl. Abdel-Hakim Ourghi: Die Juden im Koran. Ein Zerrbild mit fatalen Folgen, 2023.

Wenn die Alkoholsteuer 2010 in der Türkei um 30% erhöht wird, geht es sicher nicht nur um religiöse Motive, sondern auch um fiskalische (was zum Schwarzbrennen einlädt und den Konsum noch gefährlicher macht; die türkische Finanzwissenschaft wurde stark von deutschen Wissenschaftlern geprägt, wie etwa Neumark, der vor den Nazis emigrierte). Auch in anderen Bereichen emigrierten deutsche Wissenschaftler vor den Nazis in die Türkei. Berühmt ist in der Türkei Eduard Zuckmayer, der Bruder des Schriftstellers. Er war Professor und Musikpädagoge und prägt die Entwicklung der Musik in der Türkei (importierte und übersetzte viele deutsche Volkslieder). In der Türkei leben 74 Mio. Muslime. Hier wurde der Islam 1928 als Staatsreligion abgeschafft. Die Unruhen in Nordafrika 2011 (Tunesien, Ägypten, Jemen, Libyen) zeigen, wie wichtig die Türkei als Bindeglied zu den islamischen Ländern sein könnte. Die Türkei spielt auch eine Schlüsselrolle in dem Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten. Als Transitland hilft die Türkei der EU bei der Flüchtlingsfrage und erwartet dafür EU-Reiseerleichterungen. Konkret einigt man sich Ende 2013: Die Türkei nimmt illegal in die EU eingereiste Menschen wieder auf. Türken erhalten eine visafreie Einreise. Im September 2011 wird beim Besuch des türkischen Präsidenten Gül ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen. Deutschland ist nach wie vor gegen eine Vollmitgliedschaft in der EU. 2013 will die Bundesregierung den Beitrittsgesprächen neuen Schwung verleihen (Türkeibesuch der Kanzlerin anlässlich des Konfliktes mit Syrien). Im Oktober 2011 wird der 50. Jahrestag des Beginns der türkischen Arbeitsmigration nach Deutschland gefeiert. Die Türkei entwickelt sich immer mehr zum Vorbild für die Modernisierung der islamischen Welt. Gleichzeitig wachsen die Spannungen zwischen weltlichen und religiösen Kräften. Religionsfreiheit gibt es nicht in der Türkei. In Istanbul wird ab 2013 die größte Moschee der Türkei gebaut (im asiatischen Teil). Die Türkei hat noch keine Atomkraftwerke, 4 sind in der Planung. Istanbul ist stark erdbebengefährdet. 2013 wird der Bahntunnel unter dem Bosporus fertig gestellt (Kooperation mit Japan). Er verbindet Europa und Asien. Ökonomisch bereiten das hohe Leistungsbilanzdefizit und die hohe Arbeitslosenquote Sorgen. Im Mai und Juni 2013 gerät Regierungschef Erdogan unter Druck. Viele Demonstrationen richten sich gegen seinen autoritären Führungsstil (die meisten Demos auf dem Taksim-Platz in Istanbul).  Auslöser war eine geplante Bebauung des Gezi-Park. Im Zuge von Demonstrationen im ganzen Land wird deutlich, dass ein tiefer Graben durch die Bevölkerung der Türkei verläuft (eher islamistisch orientierte Gruppen, westlich orientierter Teil der Bevölkerung). Im Sommer 2013 kommt es wegen der Demonstrationen zum Bruch zwischen Erdogan und der Güllen-Bewegung. Güllen, ein islamischer Prediger, lebt in den USA und ist sehr mächtig (Banken, Firmen). Vor allem in der Polizei und Justiz ist der Einfluss groß. In Deutschland betreibt die Bewegung Nachhilfezentren und Schulen. 2014 beschließt das türkische Parlament ca. 4000 private Güllen-Schulen zu schließen. Ende 2014 stellt die türkische Justiz einen Haftbefehl gegen Güllen aus. Die Regierung Erdogan gerät unter Korruptionsverdacht, woraus eine Affäre erwächst. Das Twitter-Verbot geht nach hinten los und kann leicht umgangen werden. Die EU kritisiert das Vorgehen der Regierung gegen die Justiz (Hunderte von Richtern und Polizisten strafversetzt). Die Türkei verschärft 2014 das Internetrecht: Internetseiten können von der Regierung ohne richterlichen Beschluss gesperrt werden. Dies öffnet dem Missbrauch gegen unliebsame Oppositionelle Tür und Tor. Bei den Kommunalwahlen Ende März 2014 erreicht Erdogan ca. 45%. Er ist Favorit bei den Präsidentschaftswahlen am 10. August 2014. Er gewinnt im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit. Die EU-Beitrittsgespräche sollen in einer Stufenlösung erfolgen (erst ab Hebst 2013, Fortschrittsbericht abwarten). Am 25.11.13 werden die Beitrittsgespräche wieder aufgenommen. Im jetzigen Kapitel geht es um Regionalpolitik. Das größte Problem stellt die geteilte Insel Zypern dar. Bei einem Besuch Erdogans in Deutschland im Februar 2014 betont die Bundesregierung, dass die Beitrittsgespräche ergebnisoffen und zeitlich nicht befristet sind. Ende April 2014 besucht Bundespräsident Gauck die Türkei. Er würdigt die Großmut der Türkei bei der Flüchtlingshilfe für Syrer. Mitte 2014 gibt Staatspräsident Gül bekannt, dass er keine weitere Amtszeit bereit steht. Damit ist der Weg für Erdogan frei. Im Herbst 2014 schränkt die türkische Regierung die Meinungsfreiheit im Internet weiter ein. Erdogan will die Rating - Agenturen aus dem Land werfen, weil er mit der Einstufung nicht zufrieden ist. Bei der Parlamentswahl im Juni 2015 verliert die AKP die absolute Mehrheit. Die türkische Regierung will die alte Hofsprache Osmanisch auf den Stundenplan der Oberschulen setzen. Im Herbst 2014 gibt es eine Massenflucht in die Türkei (syrische Kurden in Flucht vor der IS). Der lässige Umgang von Erdogan mit der IS bringt die Kurden gegen ihn auf. Praktisch tritt die Türkei später 2015 in einen Krieg gegen die PKK ein (die Luftwaffe bombadiert Stellungen in Syrien). Bei dem verheerendsten Anschlag in der türkischen Geschichte Anfang Oktober 2015 in Ankara werden 95 Menschen getötet und 507 verletzt. Die Bundesregierung will im Herbst 2015 der Türkei die Wiederaufnahme der eingefrorenen EU-Beitrittsverhandlungen anbieten, um die Türkei zur Hilfe bei der Flüchtlingskrise zu gewinnen (in Lagern in der Türkei sind über 2 Mio. Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak). Zypern und Griechenland sind dagegen. Erweiterte Beitrittsgespräche werden im Dezember 2015 wieder aufgenommen (als Gegenleistung für die Schließung der Grenzen). Beitrittsverhandlungen sind für die liberalen Kräfte im Land auch die einzige Chance auf Veränderung. Die türkische Regierung plant 2015 islamische Gotteshäuser im Ausland zu errichten. So sollen zwei Minarette in Havanna/ Kuba gebaut werden. Am 01. 11. gewinnt die APK die absolute Mehrheit bei den Parlamentswahlen (Davutoglu, Erdogan). Davotoglu tritt im Mai 2016 zurück. Erdogan stellt den Flüchtlingspakt mit der EU in Frage, weil die EU darauf besteht, dass die Anti-Terrorgesetze der Türkei geändert werden. Die EU plant eine Notbremse bei der Visa-Freiheit: Sie kann 6 Monate lang ausgesetzt werden. Im Juni 2016 gibt es ein schweres Attentat des IS am internationalen Flughafen Atatürk in Istanbul (41 Tote, 239 Verletzte). Im Juli 2016 scheitert ein Putsch der Armee. Es folgt eine Säuberung bei Militär, Bildungswesen und Justiz. Es wird für drei Monate der Ausnahmezustand verhängt. In den folgenden Monaten werden 125.000 Staatsdiener entlassen. Die Gülen-Bewegung (Fethullah Gülen, lebt seit 1999 im Exil in den USA) wird für Alles verantwortlich gemacht (laut BND stimmt das nicht; der Putsch-Versuch kam nur aus der Armee). Erdogan plant einen Gesetzentwurf zur Einführung der Todesstrafe. Das wäre wohl der Bruch mit der EU. Erdogan rückt sowieso immer mehr von der EU ab. Mitglieder der HDP - Führung und weitere oppositionelle Journalisten werden verhaftet. Der Fortschrittsbericht 2016 zum EU-Beitritt der Türkei fällt vernichtend aus (mehr als eine privilegierte Partnerschaft wird nicht mehr drin sein). Das EU-Parlament will über die Aussetzung der Beitrittsverhandlungen abstimmen. Für seine Verfassungsreform, die dem Präsidenten mehr Macht einräumt, will Erdogan Wahlkampf in Deutschland machen. Auf kommunaler Ebene werden Veranstaltungen nicht genehmigt (Erdogan: "Nazi-Methoden"). Beide Seiten instrumentalisieren Wahlkampfverbote (nach der türkischen Verfassung ist Wahlkampf im Ausland verboten). Immer mehr Türken fliehen nach Deutschland, weil sie in der Heimat verfolgt werden ( bis März 2017 262 Anträge, darunter Diplomaten und Militärs, die als Anhänger von Gülen gelten). Nach dem "Ja" für das Referendum im April 2017 kommen auch zunehmend Millionäre nach Deutschland, um ihr Vermögen zu sichern. Erdogan ruft im Bundestagswahlkampf 2017 die Deutsch-Türken dazu auf, nicht SPD, CDU oder Grüne zu wählen. Das Verhältnis zwischen der Türkei und Deutschland ist stark belastet. Die deutsche Regierung erhöht den Druck auf die Türkei: Die Ausweitung der Zollunion der EU mit der Türkei soll blockiert werden (eine Abschaffung würde die Türkei hart treffen). Nach mehreren Festnahmen von deutschen Bürgern (geboren in der Türkei) wegen Anhängerschaft von Gülen verschärft die Bundesregierung die Reisewarnungen. Am 16.02.18 wird der Welt-Journalist Deniz Yücel (doppelte Staatsbürgerschaft) nach 367 Tagen Haft freigelassen. Die Türkei hat weltweit die meisten Journalisten im Gefängnis. Erdogan will 2018 den Ehebruch verbieten und durch Strafrecht sanktionieren. Die Rechtskonservativen sollen bei Laune gehalten werden (auch mit einer Einführung der Todesstrafe). Zwei Wochen nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen legt der neue Staatspräsident Erdogan seinen Amtseid im Juli 2018 ab. Im Juli 2018 wird der Ausnahmezustand offiziell beendet. Dafür werden die Terrorgesetze verschärft. Im Herbst 2021 will Erdogan westliche Botschafter ausweisen (auch die Deutschlands und der USA). Sie hatten die Freilassung des Menschenrechtlers Kavala gefordert, der im Gefängnis in der Türkei sitzt. Dann nimmt er die Ausweisung zurück. Erdogan wird angesichts des näher rückenden Wahltermins immer nervöser. Die ökonomische Lage des Landes ist 2021 und 2022 desaströs (Währungsverfall, Armut). Der Kulturkampf wird weiter betrieben. 2022 droht er der Popikone Aksu ("Der Sängerin die Zunge herausreißen"). Biden erkennt den Genozid an den Armeniern an und riskiert damit eine Eiszeit. Im Mai 2021 setzen Veröffentlichungen eines Mafiabosses die türkische Regierung unter Druck. Im gleichen Monat wird der Notenbank-Chef wieder mal entlassen (hohe Leitzinsen). Trotzdem sinkt die Lira weiter weiter auf Rekordtief. Erdogan will in die Geldpolitik eingreifen. Die Anleger reagieren nervös. Bilder des Geheimpalastes des Präsidenten gelangen an die Öffentlichkeit (Panne, 1000 Zimmer). Im August 2021 steigt die Inflationsrate auf fast 20%. Im September 2021 stellt der Europarat ein Ultimatum: Wenn der Bürgerrechtler Osman Kavala nicht bis Ende November 21 freigelassen wird, droht der Türkei der Rauswurf aus der Organisation. Die politischen Differenzen mit den USA bleiben auch unter Biden. Der NATO-Partner Türkei sucht die Nähe zu Russland. Im Oktober 2021 stürzt die türkische Lira auf einen historischen Tiefstand. Devisentauschgeschäfte sind nicht mehr anonym möglich. Erdogan legt die Zentralbank an die Kette. In einer Rede Ende November 21 spricht Erdogan von "wirtschaftlichem Unabhängigkeitskrieg". Die Lira bricht dann weiter ein. Erdogan muss fürchten, die Wahl 2023 zu verlieren. Das treibt ihn zu irrwitzigen Angriffen. Jetzt findet er in der Stadtverwaltung von Istanbul "Terroristen (er will den CHP-Bürgermeister in Bedrängnis bringen). Im Vergleich zur US-Währung hat die Lira 2021 um 44% abgewertet. Der Kursverfall spiegelt den Vertrauensverlust des Finanzmarktes gegenüber Erdogans Politik wider. Im Februar 2022 haben Erdogan und seine Frau Corona. Auch in der Türkei gibt es Oligarchen. Es ist eine Riege schwerreicher Unternehmer, die ihm für Staatsaufträge die Treue halten ("Fünferbande"). Die Opposition erhebt den Vorwurf der Korruption und "Vetternwirtschaft". Im Mai 22 gibt es neuen Streit zwischen Berlin und Ankara: Die Regierung wirft dem deutschen Botschafter vor. dass er Strippenzieher für die Opposition in der Türkei sei. Im Frühjahr 2022 ist die Wirtschaftssituation weiter katastrophal: 61% Inflation, die Lira fällt weiter, zugleich steigen die Unternehmensgewinne. Dei Exporte steigen, die Einwanderung bringt Devisen ins Land. Die Wiederwahl Erdogans ist in Gefahr. Er hat aber seine eigene Theorie und erhöht kaum die Leitzinsen (außer hausgemachten Problemen Ukrainekrieg und Energiepreise). Im Juni 2022 steigt die Inflation auf 70%, gegen Ende des Jahres auf über 90%. 2022 will die Türkei westlichen Lebensstil im Land unterdrücken. Eine bekannte Popsängerin kommt hinter Gittern, weil sie zu freuzügig auftritt (Gülsen). Das schwere Erdbeben 2023, das große Schäden und viele Toten fordert, lässt Erdogan und die Türkei wieder abhängiger von der EU und den USA sein.  Der Herausforderer Kemal Kilicdaroghlu will das "Ein-Mann-Regime" in der Türkei beenden. Seine Chancen steigen, weil Erdogan und seine Regierung große Schwächen beim Erdbeben zeigen. Die Türkei bittet das Ausland um Erdbebenhilfe. Gleichzeitig will Erdogan Milliarden für Rüstung ausgeben. Er scheint Großmachtträume zu haben. Bei der Wahl muss man in eine Stichwahl gehen. Erdogan führt nur knapp im ersten Durchgang. Er geht aber als Favorit in die zweite Runde. Doch was wird aus dem Land, wenn er fünf weitere Jahre regiert - und wie wirkt sich das auf die Menschen aus? Erdogan gewinnt die Stichwahl mit rund 52% gegenüber 48%. Er kann weitere 5 Jahre regieren. Simsek, ein anerkannter Ökonom, wird Finanzminister. Erkan, die von Goldman Sachs kommt,  wird neue Notenbankchefin. Seine wirtschaftspolitischen Rezepte sind dann widersprüchlich. Er vertritt eine eigene Zinstheorie:  Er sieht niedrige Zinsen als Instrument der Inflationsbekämpfung. Folglich kommt ein neuer Inflationsrekord und die Lira fällt auf den Tiefststand. Erdogan kann sein Versprechen, die Erdbeben-Region wieder aufzubauen, nicht einlösen. 2024 fehlen Hunderttausende Wohnungen. Ende März 24 ist Kommunalwahl in der Türkei. Er stellt in Aussicht, bald aufzuhören. Ganz wichtig wird die Entscheidung in Istanbul sein, das eine der letzten Bastionen der Opposition in der Türkei ist. Die Opposition CHP gewinnt die Wahl deutlich (35 der 81 Provinzen gehen an sie, die fünf größten Städte, auch wieder Istanbul und Ankara). Ekrem Imamoglu scheint der Mann der Zukunft zu sein. Hauptursache für die Wende ist die Wirtschaftskrise in der Türkei.     In Türkei nimmt in den letzten Jahren die Fettleibigkeit dramatisch zu. Nach Daten der OECD ist jeder dritte Türke übergewichtig, jeder fünfte fettleibig. Die Gründe dafür reichen von der Ausbreitung der Fast Food bis zur Veränderung des Lebensstils. Es gibt eine tückische Mischung von Bewegungsmangel, falscher Ernährung und Zigaretten. Der Gesundheitsminister will den Zuckerkonsum reduzieren.

Exkurs "Umweltkatastrophen: "Marmarameer" und Präsidentenpalast, Erdbeben: 2021 überzieht eine Schleimschicht das Marmarameer. Es verschandelt die Strände, verstopft die Häfen und erstickt das Leben. Der "Seerotz", von dem man auch spricht, ist Folge der Wasserverschmutzung und könnte die Region unbewohnbar machen. Das Meer leidet vor allem durch Abwässer von Haushalten und der Industrie. Es ist auch schon 2,5 Grad wärmer als normal. Der Präsidentenpalast Ak Saray (Der weiße Palast) gilt als der größte Amtssitz der Welt. 1000 Zimmer für eine halbe Milliarde Euro. Das Bauwerk ist ein Schwarzbau, weil es im Naturschutzgebiet steht. Im Februar 2023 erschüttert ein verheerendes Erdbeben die Türkei (Grenzregion zu Syrien, bis nach Syrien hinein). Insgesamt sind 23 Mio. Menschen betroffen. Es gibt über 25.000 Tote. Betroffen sind auch große Städte: Nurdagi, Antakya, Gaziantep, Kahramanimaras in der Türkei; Aleppo, Idlib, Hasaka in Syrien. Mehrere Erdplatten stoßen aneinander: Anatolische Platte, Afrikanische Platte, Eurasische Platte, Arabische Platte. Die türkische Regierung hat Schuld auf sich geladen,  weil sie Bausünden nicht kontrolliert oder bestraft ((immer wieder Amnestien vor Wahlen). Das ganze betroffene Gebiet ist so groß wie Deutschland. Erdogan stellt die Katastrophe wenige Monate vor der Wahl auf eine harte Probe.

Unverblümt stellt die islamisch-konservative Führungsschicht ihren Wohlstand 2019 zur Schau, während Millionen Türken wegen der Wirtschaftskrise nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. Die türkische Regierungspartei AKK entfernt sich von ihren Werten. Die Funktionäre dürfen heute fast alles. Sie haben sich in den 17 Jahren Regierungszeit von der Welt der Normalbürger weit entfernt. Die traditionell säkular geprägten Eliten wurden aus den Führungspositionen in Wirtschaft, Verwaltung und Politik gedrängt. Türkische Islamisten werden immer fordernder. Erst setzen sie die Öffnung der Hagia Sofia zur Moschee durch. Dann wollen sie den Frauenrechte - Vertrag kündigen. Es geht um Gewalt gegen Frauen. Der Vertrag wurde einst in Istanbul verabschiedet. Sogar Erdogans Tochter ist gegen die Kündigung des Vertrages. Die Konjunktur hat Erdogan vor der Wahl künstlich am Laufen gehalten. Er hat den Mindestlohn um 55% angehoben. Die Zentralbank hat Devisen in Höhe von 100 Milliarden verkauft.  "Ich weiß nicht, wie das Land den wirtschaftlichen Zusammenbruch abwenden kann." Daron Acemoglu, Wirtschaftsprofessor in den USA/ MIT, 2023, stammt aus der Türkei. Vgl. Arsu, Sebnem u. a.: Jenseits der roten Linie, in: Der Spiegel 21/ 20.5.23, S. 82f.

Exkurs: Exiltürken/ Deutschtürken. In Deutschland leben sehr viele Türken  (Türkische Staatsbürger und Deutsche mit türkischem Ursprung; ca..3 Mio. zusammen, 1,4 Mio. Wahlberechtigte für Wahlen in der Türkei). Es gibt oft Spannungen zwischen den Türken in der Türkei und der Diaspora in Deutschland. Die Auslandstürken gelten als arrogant und hinterwäldlerisch (die meisten kommen aus Anatolien und von der Schwarzmeerküste). Türken, die aus Istanbul kommen, sind häufig wenig religiös und kulturell westlich orientiert. Es gibt auch politische Gräben, weil die anatolischen Auslandstürken meist Erdogan-Anhänger sind. Die AKP ist bei ihnen beliebter als bei den Türken in der Türkei (Fast 70% wählen Erdogan, das ist eine wichtige Basis für ihn. Auch 2023 wählt Deutschland Erdogan). Das ist paradox, weil sie nicht in der Türkei leben wollen und sich gegen Abschiebungen wehren. Gerade Familien kommen mit dem Mindestlohn von 250 € im Monat in der Türkei nicht zurecht. So gibt es mittlerweile viele aus Deutschland abgeschobene Erdogan-Fans, die mit Hilfe ihres Staatspräsidenten nach Deutschland zurück wollen. Die Türken machen sich über diese Gruppe in Sozialen Medien lustig, zumal die Auslandstürken die Situation in der Türkei loben und vom Neid der Deutschen sprechen. Es gibt auch eine Art "Führerkult". Erdogan ist Heilsbringer und Beschützer ("ein neuer Atatürk"). Viele seiner Befürworter fühlen sich hierzulande diskriminiert und nicht anerkannt. Erdogan und die Türkei benutzten die Moscheen in Deutschland über Ditip, die von der Türkei finanziert werden, um nationalistische Propaganda für Erdogan zu machen, vereinzelt tragen sie auch zur Radikalisierung des Islam (Islamismus) bei (verdeckter Wahlkampf). Mit der UID gibt es eine Lobby-Organisation der türkischen Regierungspartei AKP in Europa, insbesondere in Deutschland. Diese tritt aggressiv und im Hintergrund in Deutschland auf. Deutschland tritt für journalistische Freiheit in der Türkei ein. Sie gewährt Journalisten Exil (zum Beispiel Can Dündar, der in der Türkei zu 27 Jahren Haft verurteilt wird). Zu Problemen führt das Islamische Recht. Scharia ist die Gesamtheit des islamischen Gesetzes, wie es im Koran niedergelegt ist. In der islamischen Theologie die vollkommene Ordnung, die Frieden und Gerechtigkeit schafft. Politik und Religion werden als untrennbare Einheit gesehen (das ist einer der Hauptgründe für Schwierigkeiten der Integration von Moslems in westlichen Ländern). Es kommt immer wieder zu Konflikten, wenn Moslems dem islamischen Recht eine höhere Priorität einräumen als dem nationalen Recht (z. B. bei Scheidungen). Der EU-Gerichtshof stellt 2017 klar, dass die Scharia in der EU nicht gilt. Insofern muss Deutschland auch eine Scheidung nach islamischem Scharia-Gericht in Syrien nicht anerkennen. Zu diesem Thema sei besonders folgendes Buch empfohlen: Sarica, Tuba: Ihr Scheinheiligen, München 2018 (6. Auflage). Sie kritisiert die Deutschtürken dafür, dass sie sich in der Opferrolle bequem machen. Sie schaffen eine Parallelwelt in Deutschland, in der eigene Regel gelten. Sie kritisiert die Deutschen für falsch verstandene Toleranz. 2021 vermissen Deutschtürken politische Repräsentation in Deutschland. Andere antworten darauf: Erdogan dienen und in den Bundestag wollen - geht`s noch? Vgl. Ali Ertan Toprak, in: Die Zeit Nr. 16, 15. April 2021, S. 11. 2021 kommt raus, dass Erdogans Partei AKP Menschen nach Deutschland einschleust. Parteivertreter kassieren dafür hohe Provisionen. Die Migranten  kommen aus armen Landstrichen und kommen oft im Zusammenhang mit Projekten. Die Wirtschaftskrise in der Türkei nimmt immer größere Ausmaße an: Arbeitslosigkeit, vor allem bei Jugendlichen. Wertverlust der Lira mit Verlust der Kaufkraft der Menschen. Der Zusammenbruch des Systems würde zur Massenemigration führen (dann vor allem nach Deutschland). Die Anzahl der Flüchtlinge in der Türkei, insbesondere in Istanbul, ist extrem hoch (keine genauen Zahlen). Der Bürgermeister von Istanbul Ekrem Imamoglu hätte wohl große Chancen in der Präsidentenwahl gegen Erdogan, was diesen sehr nervös macht (er lässt Imamoglu wegen Korruption verhaften). Das Regime kann es sich eigentlich nicht leisten, die Macht abzugeben. Dafür wurden zu viele illegale Handlungen vollzogen. Im April 2022 wird Osman Kavala zu lebenslanger Haft verurteilt. Er saß seit November 2017 in Untersuchungshaft. Das Gericht spricht ihn des Umsturzversuchs für schuldig. Der Fall bringt der Türkei international große Kritik ein: Kavala war im Grunde genommen nur ein großer Kulturförderer. Die Situation ist für die Türkei international gerade günstig: Man braucht sie dringend im Ukraine-Krieg (Sperrung der Durchfahrt ins Schwarze Meer, Überflugsverbot für russische Flugzeuge, Vermittler bei Getreidelieferungen). Im September 2022 kommt ein türkischer Gelehrter in Haft, weil er die tatsächliche Existenz Abrahams bestreitet. Es ist Celal Sengör, ein Wissenschaftler von Weltruf, der sich angesichts der Ausgrabungen von Harran geäußert hat. In der antiken Stätte in der heutigen Südtürkei soll Abraham einst gelebt haben.  Die Türken in Deutschland können schon ab Ende April wählen. In der Türkei ist die Wahl erst am 14.5.23. Erdogan scheint gegen Ende des Wahlkampfes angeschlagen zu sein. Er zeigt körperliche Schwächen. Er setzt rein auf die Karte Islam, um von Erdbeben und der schlechten Wirtschaftslage abzulenken. Sein Konkurrent ist Alevit. Erdogan stellt ihn als Gegner des sunnitischen Islam dar. Im ersten Wahlgang verpasst Erdogan die absolute Mehrheit. Er muss in eine Stichwahl, bei der er Favorit ist. Er gewinnt die Wahl mit 52% (das ist schwach, wenn man seine Medienbeherrschung bedenkt). Die Reform des Einbürgerungsrechts 2023 mit der erleichterten Einbürgerung ist für Türken ein großes Thema. Es sei eine Anerkennung für die Lebensleistung einer ganzen Generation von "Gastarbeitern". Es gibt in Deutschland zahlreiche türkische Lehrer, die die Muttersprache in der Schule unterrichte. Darüber entsteht eine Diskussion: Behindert es die Integration? 2023 geraten türkische Vereine in Deutschland in den Fokus. Sie äußern zunehmend Antisemitismus. Es sind türkische Rechtsextreme in Deutschland. Es taucht die Frage nach einem Verbot von Vereinen der "Ülkücü"-Bewegung auf. Aus deutscher Sicht gibt es wichtigere Interessen - vor allem ein Migrationsabkommen mit der Türkei (so sieht man auch über antiisraelische Hetze hinweg). Im November 2023 (17.11.; letzter Besuch 2018) kommt Erdogan zu einem Staatsbesuch nach Deutschland. Der Besuch ist politisch und aus Sicherheitsgründen heikel. 2023 kommen aus kaum einem anderen Land mehr Asylsuchende nach Deutschland. Zehntausende Lehrerinnen und Lehrer sowie andere Intellektuelle, z. B. Ärzte,  haben ihre Jobs verloren oder wollen sie nicht mehr in der Türkei ausüben (Mix aus Gründen: politische Druck auf Opposition, massive Finanz- und Wirtschaftskrise mit hoher Inflation, Erdbeben im Südosten ohne Perspektive). Die Bundesregierung  will ab 2024 schrittweise die Entsendung von Immamen aus der Türkei stoppen. Zuletzt erhöhte antisemitische Hetze aus einigen Moscheegemeinden den Druck.

Exkurs: Islam und Integration. An vielen anderen Stellen beschäftige ich mich auf dieser Plattform mit dem Islam. Die Spanne reicht von der Auseinandersetzung mit der Religion, die geteilt ist in Schiiten und Sunniten, bis zur sozialen und politischen Zersetzungswirkung in Staaten (UdSSR bzw. Russland, China, Türkei). Was ich für unklug und untragbar halte, ist eine Tabuisierung des Themas. Ich nehme als Beispiel das Buch von Sarrazin "Deutschland schafft sich ab". Zwei Grundthesen in diesem Buch sind diskussionswürdig: Die schwierige Integrationsfähigkeit des Islam und die wesentlich höhere Geburtenrate (z. B. arabische Clans und ihre Rekrutierung). So halte ich auch die Ausschluss-Diskussion über Sarrazin in der SPD für völlig falsch. Die schwierige Integration bei islamischen Migranten ist durch viele Studien belegt (Frankreich, GB, Schweden, Dänemark; dazu habe ich mal eine spezielle Veranstaltung gemacht). Auch die verzerrte Darstellung der schiitischen Moslems im Iran (von den USA massiv betrieben, vor allem von einer einflussreichen Minderheit bzw. Juden gefördert; vgl. meine Darstellung oben) sollte nicht von der Wissenschaft unterstützt werden. Die Wissenschaft hat immer die Grundfunktion der Aufklärung und eventuell der Moderation. Vgl. dazu folgendes Buch: Hamed Abdel-Samad: Aus Liebe zu Deutschland. Ein Warnruf,  München 2020 (5. Auflage). Ebenfalls empfehlenswert: Ders.: Islam, München 2023. Der Autor weist darauf hin, wie kostbar Demokratie, Aufklärung, Liberalität und Meinungsfreiheit sind. 2013 wurde gegen den Autor eine Fatwa verhängt. Er ist aber auch von westlicher Seite durch seinen Lebenslauf umstritten: Er wird der Pädophilie bezichtigt (es gibt ein umstrittenes Urteil dazu des EuGH) und soll als Soldat Grausamkeiten begangen haben. Dänemark verbietet ab 2021 Gottesdienste in ausländischer Sprache. Es ist ein Mittel im Kampf gegen islamische Hassprediger. Die Moscheen wurden in der Vergangenheit zu wenig überwacht. Der neue US-Präsident Biden will die direkt nach seiner Vereidigung die  Einreisebeschränkungen für Menschen aus muslimischen Staaten aufheben. Frankreich, das eine lange Erfahrung im Umgang mit dem Islam hat, macht 2021 eine Charta für den "Islam Frankreichs". Der Islam bekennt sich zu den Werten der Französischen Republik. Beim Wieder - Ausbruch des Nahostkonflikts 2021 oder beim Krieg im Gaza-Streifen 2023 zwischen Israel und den Palästinensern manifestiert sich ein muslimischer Antisemitismus in Deutschland. Er wird leider meist wie ein Tabu behandelt. Man sollte den Punkt benennen: Bei vielen Muslimen ist die Integration in unsere Werte gescheitert. Im Juni 2021 startet das Islamkolleg Deutschland in Osnabrück (IKD; 5,5 Mio. € Anschubfinanzierung vom Bundesinnenministerium). Es soll Imame erstmals in Deutschland ausbilden. Predigtlehre, Koranrezitation, Seelsorge und Gemeindearbeit sind Kern des Lehrplans. Die Ausbildung dauert 2 Jahre, 90% der Imame der etwa 2500 Moscheegemeinden in Deutschland kommen bisher aus dem Ausland. Die dänische Regierung /Sozialdemokraten) wollen 2021 die Durchmischung der Gesellschaft erhöhen. Es sind höchstens 30% Muslime pro Schule erlaubt. Viele muslimische Jugendliche werden nun längere Schulwege in Kauf nehmen müssen (sie leben überwiegend in Großstädten). Integrationsprobleme dürfen aber niemals auf die Religion "Islam" beschränkt werden. Die Kultur insgesamt spielt eine Rolle (Macho/ Pascha, Imponiergehabe, Gruppenzwang). Ergänzt wird dieser Faktor um prekäre Situationen, Diskriminierung, fehlende Wohnungen/ Enge, Chancenlosigkeit/ kein höherer sozialer Status, familiäre Probleme, Gewalt - Erfahrungen.

Exkurs: Die Rolle der Frau im Islam: Die Rolle der Frau im Islam ist umstritten. In den maßgeblichen Quellen herrscht eine Offenheit, d. h. man kann alles belegen. Mohammed erreichte seinen Aufstieg vom Schafhirten zum reichen Kaufmann nur durch seine reiche Frau. In vielen Ländern ist man auf die berufliche Emanzipation der Frau bei der erfolgreiche Industrialisierung und Digitalisierung (Transformation)  angewiesen (Saudi-Arabien, Iran). Es gibt immer wieder Beispiele dafür, dass sich die Länder mit dem Wandel schwer tun (Prinzessin Latifa in den VAE; Autofahren in Saudi-Arabien, Geschlechtertrennung im Bildungswesen). Einer der Hauptgründe dafür ist die Scharia (ursprünglich Pfad in der Wüste, der zur Wasserstelle führt): Islamisches Recht. Scharia ist die Gesamtheit des islamischen Gesetzes, wie es im Koran niedergelegt ist. In der islamischen Theologie ist sie die vollkommene Ordnung, die Frieden und Gerechtigkeit schafft. Politik und Religion werden als untrennbare Einheit gesehen (das ist auch einer der Hauptgründe für Schwierigkeiten der Integration von Moslems in westlichen Ländern). Es kommt immer wieder zu Konflikten , wenn Moslems dem islamischen Recht eine höhere Priorität einräumen als dem nationalen Recht (z. B. bei Scheidungen oder Gewalt gegen Frauen). Sowohl Bibel als auch Koran sowie die alt-griechische Mythologie spiegeln immer auch zu allen Zeiten Übergänge zwischen Matriarchat und Patriarchat. Der EU-Gerichtshof stellt 2017 klar, dass die Scharia in der EU nicht gilt. Insofern muss Deutschland auch eine Scheidung nach islamischem Scharia - Gericht in Syrien nicht anerkennen. In der Scharia wird die Frau in einer sehr traditionellen Rolle gesehen, die dem Mann untertan ist und zu gehorchen hat. 2021 tritt die Türkei aus der Istanbul-Konvention des Europarates aus. Das ist ein Schlag gegen Frauen im Islam. Es entsteht auch eine Diskussion darüber, inwieweit muslimische Zuwanderer Frauenrechte in Deutschland gefährden. Die Bestseller-Autorin Ayaan Hirsi Ali warnt (Dieselbe: Beute, 2021). In einigen Religionen (Buddhismus, Hinduismus, Katholizismus) und Naturströmungen (Konfuzianismus, Shintoismus) ringt man um die Rolle der Frau in der modernen Gesellschaft und will von patriarchalischen Strukturen weg. Die Diskussion um die Rolle der Frau wird wieder sehr aktuell durch den Sieg der Taliban in Afghanistan. Die entscheidende Frage ist erstmal, ob Frauen an Leib und Seele bedroht sind. Viele internationale Organisationen warnen (medica mondiale u. a.). Für Frauenrechtlerinnen scheint das so zu sein. Die Taliban selbst sagen, dass sie Frauen an Schulen, Hochschulen und in wichtigen Berufen (Gesundheitsbereich) haben wollen (in der Realität sieht das dann aber ganz anders aus). Sie können allerdings nicht ein Ministeramt bekleiden. Diese Zusage halten sie später allerdings nicht ein (Verbot für Frauen von Schulen und Hochschulen sowie in NGO). So bleibt den Frauen hier nur die Familie, verbunden mit einfachen Tätigkeiten, die  Ausbeutung vermuten lassen (z. B. Nähereien). In Demokratien können Frauen in Wahlen ihren Einfluss zeigen. In der Türkei wird die Forderung von Islamisten nach Abschaffung des Frauenschutzgesetzes zum Problem für Erdogan. Zwei islamistische Splitterparteien, die in der Koalition sind, wollen das Gesetz streichen. So könnte Erdogan die Frauen verlieren. Diese beiden Parteien mit ihren frauenfeindlichen Programmen werden bei der Wahl 2023 in die Volksvertretung gewählt. Die Türkin Merve Dizdar wird bei den Filmfestspielen in Cannes 2023 als beste Darstellerin ausgezeichnet. "Kuru Otlar Üstüne" (Über trockenes Gras) erzählt von der Dienstpflicht, die junge Lehrer und Lehrerinnen in der Türkei im kurdischen Südosten ableisten müssen.

Exkurs. Emine Sevgi Özdamar: Sie erhält 2022 den Georg-Büchner-Preis (mit 50.00 € dotiert). Seit 1951 wird der Preis von von der Akademie in Darmstadt vergeben (von Bund, Land Hessen und Stadt Darmstadt finanziert). Özdamar ist Schriftstellerin, Schauspielerin und Theaterregisseurin. Sie hat über Zuwanderung, die Tücken der neuen Sprache, die Irritationen und das Faszinierende des neuen Landes geschrieben. Wichtige Bücher sind: Mutterzunge 1990, Das Leben ist eine Karawanserei 1992, Ein Schatten begrenzter Raum 2021. Vgl. Soboczynski, Adam: Ihre Sprache der Liebe, in: Die Zeit Nr. 33/ 11.8.22, S. 50. Am 05.11.22 wird ihr der Preis in Darmstadt verliehen.

Im WS 2010/2011 hielt ich mich zu einem Lehrauftrag in Istanbul auf (Erasmus-Semester; Kultur-Uni, Privat-Uni); im SS 2011 organisierte ich dort ein Symposion über Familienunternehmen (es waren zahlreiche Familienunternehmen beteiligt, auch solche, von Frauen geführt). "Ich bin hier nicht als Tourist in kurzen Hosen unterwegs, sondern als deutscher Außenminister. Das, was ich sage, zählt". Guido Westerwelle, ehemaliger Bundesaußenminister (FDP) bei einem Türkei-Besuch im Januar 2010 (Westerwelle stirbt im Jahre 2016; er liegt auf dem Melaten - Friedhof in Köln begraben; den Friedhof sollte man sich mal ansehen). 2020 und 2021 gehen viele KMU und Familienunternehmen durch die Corona-Krise Bankrott. Die Türkei kann nicht die staatliche Hilfe geben, die es in Deutschland und der EU gibt. Die Türkei ist in einer schweren Wirtschaftskrise (Corona, Finanzierung von Kriegen, Abfließen von Kapital und Investitionen, Währungsverfall). Im Januar 2021ernennt Erdogan einen neuen Direktor der renommierten Bogazici-Universität. Dagegen gibt es Proteste von StudentInnen und Personal. Es werden 17 Personen verhaftet. Im Februar wird ein neuer Rektor der Bosporus-Universität in Istanbul von Erdogan ernannt. Die Studenten lehnen den regierungsnahen Rektor ab. Die Polizei greift wieder hart durch. Erdogan wagt aber nicht, das Gedenken an Mustafer Kemal Atatürk anzugreifen. Der gründete am 29.10.1923 die moderne Türkei, auch mit einer neuen Verfassung. Grundpfeiler waren die Trennung von Kirche und Staat und das Wahlrecht der Frauen. Das Tragen von Kopftüchern wurde an Hochschulen verboten, weil es als religiöses Symbol gesehen wurde. Man spricht von säkularer Demokratie.

Heute entstehen dort immer wieder Konflikte durch das Kopftuch (Verbot in Universitäten von Erdogan gelockert, Rektoren entscheiden). Erdogan will auch das Hut-Gesetz des Republikgründers Atatürk von 1925 kippen. Erdogan kündigt immer neue Gesetzentwürfe an, die er später nicht umsetzt (Abtreibungsverbot, Verbot der Fernsehserie über Süleyman I. wegen zuviel Haremsintrigen). Er will die konservativ-islamischen Wähler ansprechen.  Während der Regierung Erdogan hat sich aber die Lage der Christen in der Türkei verbessert. Ein gutes Dutzend orthodoxer Bischöfe konnte 2010 aus anderen Ländern eingebürgert werden. Auch im Kloster Sümela und auf der Insel Akdamar konnten erstmals nach langer Zeit wieder Gottesdienste gefeiert werden. 2011 kommt ein Gesetz, das die Rückgabe von ehemaligem Kirchenbesitz regelt. Erstmals seit Gründung der türkischen Republik wird wird 2014 ein christlicher Neubau einer Kirche genehmigt (in Istanbul; in der Türkei leben ca. 100.000 Christen). Tarsus, im Süden der Türkei, ist der Geburtsort des Apostel Paulus (die Stadt ist über 10.000 Jahre alt; Christian Wulff ist Ehrenbürger). Mittlerweile gehören Indonesien und Pakistan (Gründung 1947 durch muslimische Nationalisten) zu den mächtigsten muslimischen Ländern mit den meisten Muslimen. In keinem anderen Land der Erde leben so viele Muslime wie in Indonesien. Die Insel gilt als Vorbild für die arabische Welt im Hinblick auf Pluralismus (weltoffener, sanfter Glauben). Muslimische Kaufleute dominierten im 15.Jahrhundert den Seehandel mit China. Sie trugen den Glauben bis nach Sumatra.  Die Universität Straßburg bietet einen internationalen Studiengang für islamisches Finanzwesen an. Islamic Banking sind Finanzdienstleistungen, die im Einklang mit den Vorschriften des Islam stehen. Keine Geschäfte, die mit Schweinefleisch, Alkohol u a. zu tun haben. Zudem ist es verboten, für die Gabe von Kapital Zins zu nehmen (Ribah). Auch Spekulationen (Gharar), Glücksspiele (Maysir, Qimar) und weitere unethische Geschäfte sind verboten.2015 startet die erste islamische Bank in Deutschland (Kuveyt Türk Bank, Lizenz der Bafin). Der Islam besitzt ein Normensystem, das als Scharia bezeichnet wird (neben dem Koran gründet es sich auf Berichte über die Aussagen und Taten Mohammeds; vgl. GeoEpoche, Nr. 73, 2015: Der Islam).  Rechtwirksam wird es erst durch Einbindung in nationales Recht. Es wird im internationalen Recht zu Rate gezogen, vor allem im Familien- und Erbrecht. Hier kann es unterhalb der Gerichte in Mediation eingesetzt werden. Ayaan Hirsi Ali ist eine prominente Islamkritikerin, die sich für einen Wandel der islamischen Glaubenslehre einsetzt (Status des Koran, Betonung des Jenseits, Anspruch der Scharia, Konzept des Dschihad). Bis 2070 (evtl. schon 2050) könnte der Islam die größte religiöse Gemeinschaft der Welt sein.  "Ich rufe Ägypten auf: Vergesst nicht eure Kultur und Geschichte", Erdogan, türkischer Ministerpräsident, appelliert an die Regierung, keine Gewalt einzusetzen. 2011 bei einem Deutschlandbesuch geißelt er die Islamophobie. Im Jahre 2016 verbieten türkische Behörden Weihnachten an einer deutschen Schule in Istanbul. Seyran Ates gründet 2017 in Berlin-Moabit die erste liberale Moschee Deutschlands. Sie ist offen für die unterschiedlichen Strömungen des Islam. Ates ist Imamin. Sie ist der Hetze ausgesetzt und muss von der Polizei geschützt werden.

Berühmte Stelle in der Hagia Sophia in Istanbul ("Kirche der göttlichen Weisheit", gilt auch als 8. Weltwunder; 537 eingeweiht, ab 532 Bau durch Kaiser Justinian)), wo der römische Kaiser bzw. der Sultan seine Audienzen abhielt. Das Plakat zeigt Istanbul als Kulturhauptstadt von Europa 2010 (zusammen mit Essen). Die Kirche, von Konstantin dem Großen ca. 300 n. Chr. erbaut und von Kaiser Justinianus 537 geweiht,  bzw. Moschee (seit 1453 für mehrere Jahrhunderte, heute Museum)  hat ein wechselvolles Schicksal. Kein anderes Symbol steht so für die gemeinsame Geschichte von Christentum und Islam (beide Religionen berufen sich auf die gleichen Gründungsväter wie Moses und Abraham). Der türkische Staatsgründer Kemal Atatürk wandelt sie in ein Museum um. Sie gehört zum Unesco -Weltkulturerbe. Erdogan stellt 2019 vor der Kommunalwahl den Status des Bauwerks in Frage: Sie soll Moschee genannt werden. Istanbul wendet sich immer mehr vom Westen ab (wie die Politik von Erdogan). Touristen aus Saudi-Arabien, Kuwait und Indonesien sowie Emigranten aus Irak und Libyen drängen in die Metropole. Araber führen mittlerweile die Liste ausländischer Immobilienkäufer an. 2018 steht der Stadt ein großes Erdbeben bevor. Laut Regierung könnten 600.000 Gebäude einstürzen (unter dem Boden des Marmarameeres schrammen die Kontinentalplatten Afrikas, Europas und Asiens aneinander). Das größte Problem ist die marode Bausubstanz. Der Taksim-Platz im Herzen von Istanbul soll nach dem Willen von Erdogan umgestaltet werden zu einem Wahrzeichen der "neuen Türkei" (ab 2018). Istanbul stand mal für die Versöhnung von Orient und Ockzident und war sehr beliebt bei Touristen ("Istancool"). Seit Erdogan und dem Terror ändert sich dies langsam. 2020 wird die Hagia Sophia zum Streitobjekt. Ein Gericht soll darüber entscheiden, ob die ehemalige Kirche wieder zur Moschee wird (das Symbol der türkischen Nation stand immer schon für das schwierige Verhältnis von Christentum und Islam). Orthodoxe Christen aus Griechenland und den USA sind gegen die Moschee.  Das Gericht entscheidet, dass die Hagia Sophia wieder als Moschee genutzt werden kann. Der Staatspräsident Erdogan ordnet dann auch sofort die Öffnung zum islamischen Gebet an. Es gibt eine Diskussion darüber, ob christliche Symbole weichen müssen. Sie werden vorerst beim Gebet nur verhängt. Plötzlich sind die christlichen Motive dann wieder zu sehen: Die weltberühmten Mosaiken, z. B. Mosaik aus dem 10. Jahrhundert, das die Jungfrau Maria mit Jesuskind und den römischen Kaisern Konstantin und Justinian zeigt. Über dem Kaisertor ist wieder sichtbar, wo der byzantinische Kaiser Leon VI. vor Jesus Christus kniet. Im Frühjahr 2022 werden die Kaisertüren mutwillig beschädigt (Verzierungen; Holz soll von Noahs Arche stammen). Kritiker machen der Moschee-Verwaltung massive Vorwürfe. 2023 ist das weltberühmte Bauwerk dem Massenansturm nicht mehr gewachsen. Experten warnen. Sorgen bereiten vor allem die Wasserkanäle unter der Hagia Sofia. 1000 Jahre Hagia Sophia Kirche, 500 Jahre Moschee, fast 100 Jahre Museum. 2020 wurde sie auf Anweisung von Erdogan wieder Moschee. Bald soll sich der Status wieder Richtung Museum ändern, aber nur für ausländische Besucher. Das Staunen soll dann nicht mehr gratis sein.

Exkurs: Orthodoxe Christen in der Türkei: Die Hagia Sophia in Istanbul ("Kirche der göttlichen Weisheit", gilt auch als 8. Weltwunder; 537 eingeweiht, siehe oben), wo der römische Kaiser bzw. der Sultan seine Audienzen abhielt. Die Kirche, von Konstantin dem Großen ca. 300 n. Chr. erbaut und von Kaiser Justinianus 537 geweiht,  bzw. Moschee (seit 1453 für mehrere Jahrhunderte, heute Museum)  hat ein wechselvolles Schicksal. Kein anderes Symbol steht so für die gemeinsame Geschichte von Christentum und Islam (beide Religionen berufen sich auf die gleichen Gründungsväter wie Moses und Abraham). Der türkische Staatsgründer Kemal Atatürk wandelt sie in ein Museum um. Sie gehört zum Unesco -Weltkulturerbe. Die Türkei bzw. Griechenland (griechisch  orthodoxe Kirche) und Russland (russisch-orthodoxe Kirche) sind die Länder mit den meisten orthodoxen Christen. Besonders bekannt ist auch das Kloster und Heiligtum Sümela in der Türkei. Es hat große kulturgeschichtliche Bedeutung und steht auf der Unesco - Weltkulturerbe -Liste (Schwarzmeerküste, Vertreibung der Pontus - Griechen aus Anatolien). Es soll auf Wunsch von der Jungfrau Maria gegründet worden sein. Deshalb ist die Marien-Ikone darin heilig. Die türkische Regierung erlaubte jährlich einen Gottesdienst zu Mariä Himmelfahrt. Wegen Restaurierungsarbeiten wurde die Erlaubnis entzogen. Auf Zypern haben sich immer wieder muslimische Kultur und griechisch orthodoxe Kultur abgewechselt (den Norden beansprucht die Türkei), je nach Herrschaft der Griechen (Hellenen) oder Osmanen. Viele Kirchen wurden einfach umgewidmet in Moscheen oder umgekehrt. Generell herrscht aber immer eine gewisse Toleranz, die auch heute noch größer ist als in der Türkei selbst.

Im Frühmittelalter war die Philosophie in Europa praktisch "eingeschlafen". Auch in Byzanz brannte sie nur auf kleiner Flamme. Das Zentrum der philosophischen Aktivität lag in dieser Zeit im Islam und in Bagdad. Um 820 nach Christus gründete der abbasidische Kalif al-Ma`mun das berühmte Haus der Weisheit. Er beschäftigte eine große Gruppe von Übersetzern (darunter auch Christen), die griechische Texte ins Arabische übertrugen. Als Aristoteles-Verehrer ließ er dessen gesammelte Werke und die hellenistischen Kommentare übersetzen. Ebenso einige Werke von Platon. Die griechische Philosophie wurde so vor dem Vergessen gerettet. 641 hatte der muslimische General Amr Ibn al`As Alexandria erobert, das bis dahin oströmisch war. In der Bibliothek lagerten viele Schriften der großen Philosophen. Philosophen des Islam entwickelten dann die Gedanken weiter und setzten sich damit auseinander: Abu Ya`qub Ishaq al-Kindi (ca. 800 - ca. 873) und Abu Nasr Muhammad al-Farabi (ca. 872-ca. 950). Ersterer war in erster Linie Naturwissenschaftler und Mathematiker. Der zweite verfasste viele Kommentare. Darauf griff später in Europa auch Thomas von Aquin (1225-1274) zurück. Die islamische Philosophie dieser Zeit war von großer Toleranz und Offenheit geprägt. In Europa am bekanntesten ist Avicenna (ca. 980-1037). Er war aus Buchara, der Hauptstadt des persischen Samanidenreiches. Seine Weltsicht wurde durch die klassischen griechischen Philosophen geprägt (man spricht auch von islamischem Aristotelismus). Vgl. Gregory Bassham: Das Philosophiebuch, Librero 2020, S. 146ff. Man kann nicht genug auf diesen geschichtlichen Abschnitt hinweisen, wenn man sich die verbreitete Intoleranz  des heutigen Islam ansieht. Meiner Ansicht nach ist der Islam heute zum großen Teil durch politische Interessen instrumentalisiert worden.

Im Mittelalter gab es auch einen Aufstieg der islamischen Astronomie. Das größte Problem war, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in Einklang mit den Lehren von Mohammed zu bringen. so wurde der islamische Kalender ein reiner Mondkalender. Vorher hatte man die Lücke zum Sonnenjahr in Zentralasien durch einen eingeschobenen Schaltmonat geschlossen. Da swurde dann in Sure 9.37 632 verboten ("Die Verschiebung ist ein Übermaß an Unglauben"). Hilfsweise führte man den so genannten Zijat ein. Das ging auf Tabellen und Daten von Ptolemäus zurück. Vgl. Brooke-Hitching, Edward: Der Atlas des Himmels, München 2021, S. 73f. Der islamische Kartograf Mohammed al-Idrisi ( 1100 - 1165) schuf einige der bedeutendsten Weltkarten des Mittelalters. Dafür ging er auf Reisen und griff antike, arabische und christliche Quellen zurück. Sein Hauptwerk heißt "Reise des Sehnsüchtigen, um die Horizonte zu durchqueren".

Exkurs: Islamisches Finanzwesen: Der Rechtsrahmen ist die Scharia. Verboten sind Zins (Ribah), Spekulationen (Gharar), Glücksspiele (Maysir, größere Risiken) und unethische Geschäfte (z. B. mit Schweinefleisch). Die Rahmenbedingungen sind in den einzelnen islamischen Ländern unterschiedlich (auch die institutionelle Struktur). Speziell Für Asien (Indonesien, Malaysia u. a.) wurde bei mir das islamische Finanzwesen in einer  BA - Thesis untersucht. Mittlerweile sind 2015 die G20-Länder an islamischen Finanzmodellen interessiert. Vor allem folgende Aspekte sollen geprüft werden (Arbeitsgruppe): Islamische Finanzierungsmodelle verlangen in der Regel für Kreditgeschäfte den Bezug auf konkrete Güter und Vermögensteile wie etwa Landbesitz oder Immobilien. Es gibt viele rein islamische Banken in der Welt. Allein die Banken in Saudi-Arabien haben ein Anlagevermögen von 343 Mrd. Dollar (2015). Dann folgen die VAE (150) und Malaysia (148). Es soll eine neue islamische Megabank gegründet werden (für Infrastrukturprojekte). Istanbul und Jakarta streiten sich um den Sitz. Die islamischen Banken haben spezielle Anleihen entwickelt, die das Zinsverbot umgehen (Suluk).  Die britische Regierung entwickelt 2016 ein Scharia-gerechtes Modell für Studiendarlehen. Das klassische islamische Zinsverbot soll berücksichtigt werden. Staat Zinsen sollen Muslime in einen Fonds einzahlen, aus dem weitere Darlehen vergeben werden.  Das Islamische Finanzwesen wurde stark nach der großen Finanzkrise 2008 diskutiert.

Exkurs: Islamische Imperien:  Heute wird im Zusammenhang mit dem Islam meist über Terrorismus diskutiert. Vor tausend Jahren war die islamische Kultur führend in der Welt. Kultur war fortschrittliches Denken in Medizin, Mathematik, Astronomie, Musik, Rechtsprechung und Philosophie. Islamische Städte waren der Inbegriff für überlegene Zivilisation. Sie wurden erbaut auf großen Kulturen, die vor dem 6. Jahrhundert vor Christus schon bestanden: Sumerer, Babylonier, Assyrer, Achämeniden, Parther. Auch heute noch ist der Islam die am schnellsten wachsende Religionsgemeinschaft der Welt. Originalsprache des Koran ist Arabisch. In ihr empfing Mohammed in einer Höhle hoch über Mekka die erste Offenbarung.

Zu Lebzeiten des Propheten Mohammed erstreckte sich das islamische Reich über die Arabische Halbinsel. Unter seinen ersten vier Nachfolgern (Abu Bakr, Umar, Uthman, Ali) breitete sich das Reich rasch nach Norden und Westen aus. Seine erste große Hauptstadt war Damaskus. Die Umayyaden-Dynastie (661-750) machte das islamische Herrschaftsgebiet zu einem der größten Imperien, die die Welt je gesehen hatte. Eine Revolution macht der Herrschaft ein Ende. Die Abbasiden regierten von 762 bis 1258 von der Metropole Bagdad aus. Sie war lange führende Stadt der Welt und kosmopolitisch . Im Laufe der Zeit zerfiel das Reich. Der Emir Abd rief in Cordoba ein rivalisierendes Kalifat aus. Seit 1099 rückte Jerusalem in den Mittelpunkt. Die Stadt ist dem Islam heilig, gleich nach Mekka. Im ersten Kreuzzug geht Jerusalem verloren. Ende des 11. Jahrhunderts erobert der legendäre Saladin (siehe oben), dessen Metropole Kairo ist, wieder Jerusalem. In Fes blühte von 1244-1465 die Meriniden - Dynastie. Im 14. Jahrhundert kam keine Stadt der islamischen Welt an Samarkand vorbei. Vgl. Marozzi, Justin: Islamische Imperien. Die Geschichte einer Zivilisation in fünfzehn Städte, Berlin 2020.

Exkurs: Ökonomische Armut in vielen Ländern und Entwicklung des Islam: In Ländern mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung schwindet die Religiosität. Die Normen, die Religionen dieser Welt aufrechterhalten, wirkten teilweise mildernd auf die psychische Last von Menschen mit geringem Stand. Beispiele: Im Islam betreten arme Menschen  fünfhundert Jahre früher das Paradies als reiche. Im Neuen Testament: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass ein Reicher in den Himmel kommt. Die Religiosität schwindet in modernen Gesellschaften und dadurch nehmen die schädlichen Auswirkungen eines niedrigen sozialen Status weiter zu. Man muss Alternativen zur nationalen Religiosität finden, um diese schädlichen Folgen abzumildern. Karl Marx würde sagen: Wenn der Rausch des religiösen Opiums schwindet und mit ihm der Schein des Heiligen, dann bemerkt der Arme sein Jammertal. Der wirtschaftliche Fortschritt stärkt den Glauben an die Segnungen des marktwirtschaftlichen Materialismus. Zu dieser These scheinen Forschungen am ZEW in Mannheim (Jana Berkessel, Jochen Gebauer) zu führen. Umgekehrt würde die These gelten: In armen Ländern hat der Islam eine herausragende Funktion. Er stabilisiert die relative Armut und kann sich dadurch auch sehr positiv weiter entwickeln.

Exkurs. Geschichte des Islam: 570-632: Die Ära Mohameds. 632-661: Die Ära der "rechtgeleiteten Kalifen". 661-750: Die Ära der Umayyaden. 750-1258: Die Ära des Abbasiden-Kalifats. 711-1492: Die Ära von al-Andalus. 969-1171: Die Ära der Fatimiden. 1095-1291: Die Kreuzzüge. 1299-1922: Das Osmanische Reich. 1744 - heute: Ära des Islamismus. Ära des Aufbruchs. Vgl. Hamed Abdel-Samad: Islam. Eine kritische Geschichte, München 2023. Ders.: Mohamed. Eine Abrechnung, München 2025.

"Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland", Ex-Bundespräsident C. Wulf in seiner Rede zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit. Wulf besuchte 18. bis 22. Oktober 2010 eine Woche die Türkei und legte den Grundstein für die neue deutsche Uni in Istanbul. Nachfolger Joachim Gauck korrigiert dies in "Die Muslime gehören zu Deutschland". Mittlerweile gibt es einen wachsenden "Stammtisch" remigrierter Akademikerinnen und Akademiker aus Deutschland in Istanbul (hier lebt fast ein Viertel der türkischen Bevölkerung; die Stadt soll noch gigantisch vergrößert werden). In RLP wurde ein "Runder Tisch Islam" eingerichtet. Immer mehr und immer jüngere Europäer ziehen in den Syrischen Bürgerkrieg, um an der Seite von Islamisten zu kämpfen. Man nutzt aus, dass in der Pubertätskrise Jugendliche für eine begeisternde Idee empfänglich sind. Radikalisiert werden sie über das Internet, vor allem Facebook. Imame und Religionslehrer sollen in Berlin ab 2018 an der Universität ausgebildet werden. Es wird ein Islam-Institut gegründet.

 

   "Wo sind die Weisen der Vergangenheit, Wo die Zukunft?  Himmel und Erde bestehen ewiglich, Einsam und traurig vergieße ich Tränen", Chen Zi´ang (661-702). 

  In der angeblich ältesten Apotheke Chinas in Hangzhou, im Südosten Chinas (Grundlage der TCM, einige  Mischungen kosten mehrere Tausend Euro). Hangzhou mit dem Westsee wird als Paradies auf Erden bezeichnet. Auf dem Westsee finden berühmte Freiluft-Lichterspiele statt. In der Nähe wird der berühmte Drachenbrunnen-Tee angebaut. Die Stadt gilt auch heute noch als Gesundheits- und Kurzentrum. Sinnigerweise findet Anfang September 2016 dort das G20-Treffen statt, auf dem die beiden größten Umweltverschmutzer der Erde China und USA das Klimaabkommen von Paris ratifizieren. Die USA steigen dann unter Trump wieder aus. In Beijing steht noch heute die Apotheke des Kaisers.         

Ganzheitliches Denken in der asiatischen Kultur (meist aus China, auch bei uns in Teilen verbreitet, Daoismus):

Ein Großteil des im Folgenden beschriebenen Denkens soll auf Lao Tse ("Alter Meister", "Alter") zurückgehen. Sein Leben und auch sein Wirken ist in widersprüchlichen Legenden überliefert. Neuere Forschungen legen seine Wirkungszeit im vierten oder dritten Jahrhundert vor Christi fest. Meist findet man aber sein Geburtsdatum um 600 v. Chr. angesiedelt. Ob er im Süden oder Norden Chinas gelebt hat, ist ungeklärt. Seine Berufsangaben reichen von Reichsbibliothekar bis General. Er verkündete das einfache Leben (Kernweisheit: Lebe nicht nach außen, sondern nach innen). Hermann Hesse und Bertolt Brecht verehrten ihn. Daoismus ist mehr eine Weltanschauung (für den richtigen Weg). Man weiß heute nicht genau, ob die Schrift und das Buch "Daodejing" (ca. 5000 Schriftzeichen in 81 Kapiteln) nur auf die Person von Laozi oder auf ein Autorenkollektiv zurückgehen (vgl. Englert, Dai, Först: Die Provinz Fujian, Annweiler 2013, S. 153ff.).

Der Gedanke von der Einheit von Mensch und Natur ist Kern der Weltsicht der traditionellen chinesischen Kultur (geprägt von Daoismus und Konfuzianismus). Dadurch entstanden eine Reihe von gedanklichen Gebilden in China, die sich von der westlichen Kultur unterscheiden, diese aber heute erheblich beeinflussen. Generell ist die Welt der Asiaten komplexer (dagegen bei uns mehr in Schubladen). Es gibt weniger einfache Lösungen. Alles hängt mit allem zusammen. Die Gehirne scheinen aufgrund der Kultur anders gepolt. Dies wirkt sich auf Wahrnehmungen aus, die bis in Gehirnstrukturen wirken. Leben Asiaten lange im Westen passen sie ihr Denken an. "Es ist viel Raum in den Hautfalten des Buddha", Chinesisches Sprichwort.

Ein Beispiel für ganzheitliches Denken ist die traditionelle chinesische Medizin (TCM: Kräutermischungen, Akupunktur, Massagetechniken wie Tuina, Bewegungsübungen wie Qigong und Tajiquan, Ernährungsweise nach heiß, kalt; damit fünf Säulen). Gesundheit bedeutet Gleichgewicht von "Yin" und "Yang", da der menschliche Körper ein winziges Abbild des kosmischen Systems ist (in diesem Zusammenhang setzen chinesische Heiler auch immer mehr auf Feuer). Daher wurden die Meridiane und Akupunkturpunkte entwickelt. Der Pharmakonzern Chi-Med (2000 gegründet) verfügt über die geheime Bibliothek der traditionellen chinesischen Medizin. Für die TCM ist auch Corona nichts Neues. Von den ersten Symptomen bis zu Long Covid folgt die ganzheitliche Heilkunde einem Verständnis für virale Erkrankungen. und für den Körper. So gibt es die Kräuterrezepturen Shufeng Jiedu. Besonders interessant ist Qi Gong. Es ist eine Methode für ein gesundes, langes Leben. Qi steht für die physiologische Aktivität und funktionelle Vitalität des Organismus (Atem, Luft; strömt in einem Geflecht von Leitbahnen oder Meridianen durch den Menschen). Durch Qi-Gong-Übungen kann man spüren, wie sich mit dem Einatmen der Körper mit Energie füllt. Dies geschieht mit drei Elementen: dem Körper (Shen), dem Atem (Xi) und dem Herz (Xin). Insgesamt bilden 18 Figuren den Kern. Auch das Gehirn profitiert: Studien zufolge stärkt Qi Gong Konzentration und Gedächtnis. Bei Tai-Chi sind die Bewegungsabläufe komplexer, teils meditativ. Der Ursprung liegt in der chinesischen Kampfkunst. Das Programm ist sehr gut für das Alter geeignet. Der Grundansatz ist, das Körper, Geist und die Psyche eine Einheit bilden. Sie sollen eine Balance bilden (Gleichgewichtssinn, Stürzen vorbeugen), Energie soll fließen und Blockaden sollen gelöst werden.  Es gibt in Deutschland ein "Netzwerk Bundesvereinigung Taiji-quan und Qigong". Es gibt in Deutschland rund 100.000 Lehrer. Ich selbst bin Trainer in einem Sportverein und gliedere einzelne Übungen in die Gymnastik ein.  Nadelstiche stillen Schmerzen (Akupunktur), Tuina-Massagen helfen. Gemische aus Kräutern, Pilzen und Tierknochen sind speziell. Seit den 1980er Jahren ist das medizinische Guolin Qigong vom chinesischen Gesundheitsministerium offiziell anerkannt. Grundlagen sind Atmung, Handhaltung und natürliches Gehen. Einen großen Stellenwert in der chinesischen Medizin hat die Organuhr. Sie gibt vor, mit den natürlichen Rhythmen zu leben. Jedes Organ hat seine Phase über den ganzen Tag verteilt (vgl. Li Wu: Die Organuhr, Mankau Verlag 2014). Besonders früh schon wusste man in der TCM sehr viel über das Herz: Der Arzt Wang Shu-he analysierte schon im 3. Jh. n. Chr. den Herzrhythmus: "Wenn der Herzschlag so regelmäßig wie das Klopfen des Spechts oder das Tröpfeln des Regens auf dem Dach ist, wird er Patent innerhalb von vier Tagen sterben". Hintergrund ist das vegetative Nervensystem, das aus den beiden Gegenspielern Sympathikus- und Vagus -Nerv besteht. Man kannte auch den Herzpunkt 7 (Shen Men - "Tor des Bewusstseins, Punkt am Handgelenk).   In China gibt es ein altes Handbuch für Medizin aus dem Jahre 340. In diesem Buch geht es auch um die Anwendung des einjährigen Beifuß (Artemisinin als Wirkstoff). Er hilft gegen Malaria und Diabetes. Mao etablierte die TCM 1950 neu. 

Auch in Japan gibt es eine Lehre, die den Fluss der Lebensenergie harmonisiert. Sie heißt Jin Shin Jyutsu und bedeutet die "Kunst des Schöpfers durch den mitfühlenden Menschen". Der Japaner Jiro Murai (1886 geboren) erfuhr vor über 100 Jahren in schwerer Krankheit die Heilkraft ritueller Handlungen (Mudras), die er Buddha-Statuen abgeschaut hatte. Im Alter von 26 Jahren durchschritt er eine schwere Krankheit.  Danach entdeckte er im japanischen Weisheitsbuch "Kojiki" aus dem 8. Jahrhundert ein lange im Verborgenen gehütetes Wissen und den feinstofflichen und physischen Körper des Menschen. Daraus machte Murai sein System der Selbstheilung. Es geht darum, dass in unserer Körpermitte ein vertikaler Hauptzentralstrom fließt, der sich in zwei so genannte Betreuerströme aufteilt. Zentralstrom, Betreuerströme und Vermittlerströme werden "Dreieinigkeitsströme" genannt. Man spricht auch von Japanischem Heilströmen oder der Kunst der "mühelosen Wirklichkeit". Der innere Arzt soll aktiviert werden. Disharmonien im Energiefluss von Körper, Geist und Seele sollen ausgeglichen werden. Dazu gibt es 26 Energiepunkte im Körper.   Shiatsu wurde auch in Japan entwickelt. Es knüpft an die TCM an. Es soll Verspannungen , Stress bekämpfen. Eine weitere Form des Heilens, die in Japan im späten 19. Jahrhundert entwickelt wurde (Begründer Dr. Usui), ist Reiki. Reiki funktioniert mittels Energieübertragung durch die Hände. Reiki nutzt die universelle Lebensenergie Ki zur Steigerung des Wohlbefindens. Die Techniken sind leicht zu erlernen und jedem zugänglich. Der Reiki - Praktiker nimmt die Lebensenergie um sich herum auf und wird zu einem Medium der Heilung. Reiki kann auch als Netzwerk der Liebe verstanden werden, das auf der Lebensenergie gründet. Man unterscheidet Haras (untere, mittlere, obere). Es gibt auch Reiki - Lehrer mit Reiki - Graden. Bestandteil sind Lebensregeln.  Vgl. Charlish, Anne/ Robertshaw, Angela: Reiki, Librero 2017. Weiterhin bekannt ist Gua Sha. Es handelt sich um eine Reiztherapie (Schabemassage). In ostasiatischen Ländern gab es früher in fast jedem Dorf eine oder mehrere Personen - meist Frauen - die Gua Sha bei verschiedenen Beschwerden einsetzten. Es geht um die Ausleitung von Giften. Vor allem der Rücken kann davon profitieren. Vgl. Arya Nielsen: Gua Sha - Eine traditionelle Technik für die heutige Praxis, Verlag Systemische Medizin, 2013. Die sanfte Zen-Atmung: Sie beruht auf der Atem- und Imaginationsmethode des japanischen Zen-Mönchs Hakuin Ekaku (1686-1769). Bei dieser Atemtechnik wird tief in den Bauch hinein geatmet. Sie ist leicht im Alltag anzuwenden. Wenn sie regelmäßig angewendet wird, befreit sie den Körper von Schlacken und Spannungen, stärkt die Psyche. sie soll einen verjüngenden Effekt auf Körper und Geist haben. Unser Leben fängt mit einer tiefen Ausatmung an und endet mit dem Einatmen. Aus japanischer Sicht bemisst sich Gesundheit daher daran, wie gut wir ausatmen können. Man will die Bauchatmung fordern, die entspannter und fokussierter ist. Durch eine lange, sanfte Ausatmung wird ei Balance zwischen Symphatikus und Parasymphatikus auf natürliche Weise wiederhergestellt. Im Japanischen ist "Atmen" (iki suru) der Ursprung des Wortes "Leben" (ikuru). Vgl. Yuki Shiina: Die sanfte Zen-Atmung. Das Anti-Aging Geheimnis der Japanerinnen, trias Verlag 2019.

Die chinesische Militärstrategie folgt auch diesem Denken: Sie beurteilt zunächst die Rechtschaffenheit (yi). Im Westen steht der Nutzen im Vordergrund. Sunzis (Sun Zi, 544-466 v. Chr.) Kriegskunst wurde zuerst im 8. Jahrhundert nach Japan exportiert und im 18. Jahrhundert  in viele Sprachen übersetzt (Sun Tzu wurde angeblich in Huimin geboren, dort gibt es den Freizeitpark "Sun-Tzu-Kriegskunst-City"; "Jede Kriegsführung gründet auf Täuschung"). Die 36 Strategeme der List, die im 15. Jahrhundert n. Chr. erstmals zusammengestellt wurden, stellen eine wichtige Planungsgrundlage der Politik und Wirtschaft dar (vgl. im deutschsprachigen Raum die Bücher Harro von Sengers). Die Strategeme sollen auf  Tan Daoji (gestorben 436 v. Chr.) zurückgehen. Er gilt als einer großen Strategen in China (hinzu kommt noch Ch`i Chikuang (1528-1588). Sie sind stark vom Daoismus beeinflusst. haben Ein weiteres Beispiel ist das chinesische Essen: Es folgt den Prinzipien Harmonie und Ordnung. Die chinesische Küche ist über mehrere tausend Jahre zu einer großen Perfektion gelangt.  Runde Dinge (Harmonie!) herrschen vor, vereint mit einer strengen Hierarchie.  Auch die philosophischen Hauptströmungen "Daoismus" und "Konfuzianismus" reflektieren die zentralen Beziehungen zwischen Mensch und Kosmos als ganzheitliches System. Der Konfuzianismus wird als "Herrschaftsideologie" von der Regierung gefördert in Ergänzung zum Marxismus-Maoismus. Die "breiten Massen" in China stehen dem Daoismus näher (geht auf Laotse zurück), der in seiner Grundstruktur gewisse Parallelen mit dem Denken der marxistischen Philosophie hat. Die Chaostheorie und die Quantentheorie der Physik haben die Verbindung zwischen alter chinesischer Weisheit und moderner westlicher Wissenschaft bestätigt. Der dänische Physiker Niels Bohr machte das chinesische Symbol von Yin und Yang zu seinem Familienwappen (vgl. Shuyang Su: China. Eine Einführung in Geschichte, Kultur und Zivilisation, Gütersloh/ München 2008, S. 199). Bohr arbeitete die quantentheoretischen Erkenntnisse Max Plancks in sein Atommodell ein (die Elektronen können nur auf bestimmten Bahnen den Atomkern umkreisen). Einer der besten Interpretationen von Yin und Yang liefert der chinesische Philosoph Zhuangzi (spätes viertes Jahrhundert vor Christus: Dunkelheit und Licht, Sanftheit und Härte, Schwäche und Stärke, Sommer und Winter). Der Grieche Demokrit hatte um 400 v. Chr. als erster in Europa die Idee von einem elementaren Atommodell. Mehr ganzheitliches Denken würde den Wissenschaften im Westen, auch den Wirtschaftswissenschaften, gut tun. Hier ist sicher noch einiges zu lernen. In diesen Kontext gehört auch Fengshui, die uralte Lehre von kosmischen Kräften. Nur die korrekte Anwendung (Hausbau, Geschäfte) garantiert ein Leben in Harmonie. "Wenn Wissen und Gelassenheit sich gegenseitig ergänzen, entstehen Harmonie und Ordnung", Dschuang Dsi.

Interessant sind in diesem Zusammenhang die Überlegungen des englischen Philosophen Searle. Er bindet das Denken, insbesondere gas Ganzheitliche, an ein biologisches Hirn und schließt aus, das Computer intelligent sein können. Berühmt ist sein Beispiel des "chinesischen Zimmers": Jemand, der nur Englisch spricht und im Hirn eines Chinesen gefangen ist, würde kein Chinesisch verstehen. Vgl. Searle, J. R.: Minds, Brains and Programs, in: Behavioral and Brain Sciences, 3 (1980), S. 417-457.

Auch die chinesische Lehre des Chan (ursprüngliches chinesisches Zen, sie kommt aus dem indischen Tantrismus) geht von einer ganzheitlichen Form des Bewusstseins aus. Es geht darum, im Augenblick zu leben und den Körper, die Empfindungen und Gefühle von jeglichen Glaubensmustern und erstarrten Formen zu lösen. So kann man eintauchen in die Realität und mit der Welt der Materie, die einen umgibt, kommunizieren.

In Kaiserslautern werden als einzigem Ort in Europa buddhistische Shaolin Kampfmönche ausgebildet (Shaolin Temple Europe, Otterberg bei Kaiserslautern; buddhistische Klosteranlage, die früher einmal eine Waldgaststätte war). Sie folgen damit der Tradition des chinesischen Shaolin-Tempels in der Provinz Henan. Sie dienten Jahrhunderte den chinesischen Kaisern. Sie sind heute durch Kung-Fu-Shows weltbekannt (Mutter aller Kampfsportarten). Ausgangspunkt sind Qi-Übungen (Qi = Lebenskraft, Lebensenergie) zur meisterlichen Beherrschung des Kung-Fu. Man kann einem Shaolin-Meister folgen (tiefe Beziehung zwischen Schüler und Meister ist entscheidend): Der Weg ist schwierig und weit. Jahrelange Übung, Ausdauer und Entbehrung sind erforderlich, um mit dem Geist den Körper zu beherrschen (wie bei dem geheimnisvollen Klostergründer Damos). Es geht um das Geheimnis innerer Stärke. Acht Leitsätze beinhaltet die Shaolin -Philosophie: 1. Ich lerne jeden Tag mehr über mich selbst. 2. Ich kontrolliere meine Gedanken. 3. Ich achte auf meine Gefühle und lerne, sie anzunehmen, aber auch loszulassen. 4. Ich bin gefestigt und übernehme Verantwortung für mich und für andere. 5. Ich wertschätze meinen Körper und achte auf mich. 6. Ich acht und wertschätze andere Menschen. 7. Ich richte meinen Blick mit Gelassenheit auf das Wesentliche. 8. Ich lebe im Hier und Jetzt und nehme an, was geschieht. Diese Leitsätze haben mittlerweile auch Eingang gefunden ins Coaching und ins Energie- und Bewusstseinstraining. Vgl. Späth, T./ Bao, S. Y.: Shaolin, München 2011 (Umschlag). Hinter Shaolin Kung Fu steckt damit mehr als Selbstverteidigung - es geht um eine Lebensweise. Auch in Frankfurt residiert ein Meister. Vgl. Armbruster, Alexander: Auf einen Schlag, in: FAZ Nr. 266, 15.11.21, S. 9.

Auf der anderen Seite gibt es auch viele Gemeinsamkeiten mit unserer Kultur. Ein gutes Beispiel dafür ist der tibetische Sagenheld Cesar, der in einem Cesar-Epos verehrt wird. Er steht für die Identität und Geschichte Tibets. Er soll seinen Sitz in Ling gehabt haben. Er ist Gottes Sohn, der auf die Erde kommt, wenn die Menschen in Bedrängnis sind. Viele weitere Elemente der Geschichte haben Parallelen mit der von Jesus in der Bibel. Andere ähneln denen der Siegfried-Sage oder dem Troja-Epos von Homer. Die gemeinsamen Ideen und Geschichten in asiatischen und abendländischen Epen überraschen immer wieder (Vgl. zu Cesar Reinhold Messner: 13 Spiegel der Seele, Zürich 2007, S. 49ff.). In seiner Burg Juval im Vinschgau (Südtirol, Eingang zum Schnalstal) gibt es einen großen Raum mit Ausstellungsstücken zu Cesar ("Tausend Freuden", benannt nach der ersten Frau von Cesar). Der heilige Berg der Tibeter ist der Kailash (6714 m hoch, am Manasarovar-See). Hier entspringen die wichtigsten Flüsse Asiens. Der Berg kann umrundet werden (alle "Heiligen" Tibets sollen das gemacht haben, Milarepa, Padmasambhawa, Cesar, Buddha). Der Berg soll die Achse der Erde darstellen. Er soll auch Wiege des Lamaismus sein (der Dalai Lama will sich zurückziehen).

"Für eine Unze Gold kann man keine Unze Zeit kaufen", aus China.

 

Symbol des Shintoismus. In jedem Schrein in Japan vorhanden. Auch z. B. im Japanischen Garten in Kaiserslautern. Das Wasserbecken aus Stein wird Tsukubai genannt. Es ist auch Bestandteil der Tee-Zeremonie. Das Symbol steht für rituelle Reinigung (zentral im Shintoismus, Hygiene oberstes Gebot). Es kommt in unterschiedlichen Formen vor. Heute hat es mehr traditionellen als praktischen Wert. Dieses Bild wurde von mir im Ryoanji-Tempel in Kyoto gemacht. Kyoto ist die alte japanische Kaiserstadt (nach Nara, vor Tokyo/ Edo).

Naturströmungen und -philosophien in Asien: Daoismus und Shintoismus

"Ohne aus der Tür zu gehen, kennt man die Welt. Ohne aus dem Fenster zu schauen, sieht man den SINN des Himmels", Laotse

Der Daoismus ist die Naturphilosophie in China und einigen anderen asiatischen Ländern.  Laozi, chinesischer Philosoph, 6. Jh. v. Chr., Begründer des Taoismus bzw. Daoismus. Die Weisheit des Tao Te King, das Buch vom Sinn und Leben. Es gibt zwei Bücher mit 81 Kapiteln. In Lujang sollen sich Laotse und Konfuzius getroffen haben. Laotse half Konfuzius die alten Regeln zu studieren. Sie stammten aus der Bronzezeit. Es waren geschichtliche Riten. Im Mittelpunkt standen Blut/ Fleisch und Wein für die Ahnen. Das war ein religiöser Akt und eine religiöse Erfahrung. Aber es gab keinen Schöpfer. Man spricht auch von Pinyin. Lehre des Weges. Es ist eine Art authentische Religion ("Seele Chinas"). Die Ursprünge reichen bis 1400 v. Chr. Das war auch in der Zeit der Zhou-Dynastie (1040-256 v. Chr.). Die wesentlichen Bausteine wurden 400 v. Chr. niedergeschrieben. Da erreichte die Lehre ihren Höhepunkt. Es ging ursprünglich auch um Unsterblichkeit (auch im übertragenen Sinne). Dazu dienten Qigong, Taijiquan, Imagination, Konzentration  und Atemtechniken. Folgende Elemente gehören dazu: Kosmologische Vorstellungen von Himmel und Erde. Fünf Wandlungen. Lehre vom Qi. Yin und Yang. Yijing ( I Ging). Die größte und älteste Statue des als Gründer des Daoismus verehrten Laozi steht am Fuß des Berges Qingyan bei der Küstenstadt Quanzhou im Südosten Chinas (Partnerstadt von Neustadt an der Weinstraße in Deutschland)..

Grundlegend ist das daoistische Konzept des Wu Wei. Es handelt sich um "müheloses Handeln", wörtlich "Nichthandeln" (die Dinge natürlich geschehen zu lassen). Ein gutes Leben ist ein Leben in Harmonie mit dem Dao. Es soll abgestimmt sein auf Rhythmen und Harmonien der Natur. Heute wird überlegt, den Daoismus gleichberechtigt als Religion anzuerkennen. Es gibt auch den Shenismus in China (Mischung von Naturströmungen oder von verschiedenen Religionen; sich in verschiedenen Religionen jeweils das Beste auszusuchen, ist immer schon in Asien da gewesen).

Die Mehrdeutigkeit der Aphorismen hat durchaus ihren tieferen Sinn: Für Daoisten ist das Leben selbst rätselhaft. Dao ist der Weg der letzten Wirklichkeit (des Menschen, des Universums). Immanente Quelle allen Lebens; es ordnet und fließt durch alle Dinge. Ein gutes Leben ist in Harmonie mit dem Dao (einfach, natürlich, abgestimmt mit den Rhythmen und Harmonien der Natur).

Nach Laotse ist Zhuang Zhou (Zhuangzi, ca. 365-290 v. Chr.) der einflussreichste Denker des Daoismus. Er lehrte, dass alles Wissen relativ ist. Er sieht das Leben mehr als Traum. Man spricht auch vom Zhuangzi-Konvolut. Der Text ist aber sehr heterogen.

Viele Experten teilen den Daoismus in eine philosophische und in eine religiöse Strömung. Vgl. Nagel-Angermann, M.: Die Geschichte des Alten China, Wiesbaden 2018, S. 49. Darüber besteht aber kein Konsens. Vor allem im Süden setzte sich ein individuell-mystische Praxis durch. Sie hatte inhaltlich Bezüge zum Mahayana-Buddhismus.

"Wenn das Tao in Verfall gerät, dann gibt es Menschlichkeit und Gerechtigkeit; kommt Klugheit und Scharfsinn auf, dann gibt es Heuchelei; sind die sechs Arten der Blutsverwandtschaft uneinig, dann gibt es Kindesliebe und Elternliebe; wenn die Landesherrschaft in Verfall und Zerrüttung gerät, dann gibt es treue Untertanen“, Laotse.

"Wer gut zu führen weiß, ist nicht kriegerisch. Wer gut zu kämpfen weiß, ist nicht zornig", Laotse

In Japan spielt der Shintoismus (von Kami no mishi - der Weg der Götter) eine als Naturreligion große Rolle mit Pflichttreue, Selbstbeherrschung. Zentral sind Ahnenkult und Naturverehrung (Naturereignisse sind göttlich; Schreine werden an landschaftlich schönen Orten errichtet). Höchste Götter sind die Kami, die ihren Sitz auf dem heiligen Berg Fuji haben. Es gibt viele Götter und Menschen, Tiere und Pflanzen können zu Göttern werden. Höchster Gott ist die Sonnengöttin Amaterasu, von dem der Kaiser sich ableitet. Der Tod hat keine große Bedeutung, so dass der Verstorbene kann noch ein paar Jahre Einfluss auf die Lebenden nehmen, bevor er ins Reich der Ahnen eingeht. Ein Kernwert des Shintoismus ist auch die Hygiene. Reinlichkeit spielt so im Alltag Japans eine große Rolle (vor Betreten eines Schreins Hände und Mund waschen, auch vor Sumu-Kampf). Alle 20 Jahre werden wichtige Schreingebäude abgerissen und detailgetreu wieder aufgebaut (neue Kraft für die Götter; Verfall des Holzes stoppen; Scheu vor Unreinheit). Japanische Schrift besteht aus Kanji (von den Chinesen übernommen, im 5. Jahrhundert durch buddhistische Mönche aus Korea) und Mayogana (Hiragana- und Katakana - Silbensystem: das erste früher von Frauen benutzt und runder, das zweite eckiger aussehend von Mönchen benutzt, Fremdwörter). Ende Mai 2016 treffen sich die G7 in Ise-Shima in Japan (seit fast 2000 Jahren steht dort der Shinto-Schrein). Es ist der heiligste Ort des Shintoismus. Bekannt ist auch ein uraltes Pilgerritual: Yamabushi, das bis vor kurzen nur Männern erlaubt war. Es geht um eine Wanderung zu den heiligen Bergen (Haguro, Gassan, Yudono) und ihre Besteigung. Handys, Uhren, Zähneputzen sind nicht erlaubt. Die Pilger tragen Strumpfschuhe, um durch die dünnen Gummisohlen die Erde zu spüren, und eine spezielle weiße Kleidung. Mottos sind "uketamau" (ich akzeptiere) und "otachi" (los, weiter).

Auch in anderen Regionen, etwa in der Antike in Europa, war die Natur durchdrungen von übernatürlichen Kräften. Aberglaube war Normalität. Gottheiten bildeten in dieser Weltsicht die oberste Ebene. Magische Praktiken sollten Leben schützen und im Alltag helfen (Fingergesten, Befragung der Götter durch Orakel, Werwolf- und Geisterlegenden). Vgl. Fischer, Josef: Volksglaube. Leben in einer Welt voller Magie, in: Sektrum Spezial: Archäologie, Geschichte, Kultur 2/2018, S. 12ff.

Shenismus: Verehrung von Göttern. Chinesischer Volksglaube. Sammlung chinesischer Volksreligionen, die buddhistische, konfuzianistische und daoistische Prinzipien enthält. Die Bezeichnung ist relativ neu. Der Begriff berücksichtigt, dass die Menschen in Asien Glaubenselemente oft mischen. Gegenüber Religionen herrscht eine gewisse Toleranz (Grenze, wenn die Kommunistische Partei ihre Macht bedroht sieht). In Vietnam gibt es Caodaoismus. Er nimmt sich wie der Shenismus Elemente aus allen Religionen. Manche sprechen auch von einer Sekte.

 

  Es gibt in China unzählige Statuen von Konfuzius. Diese wurde in der Nähe der Ming-Gräber 2006 fotografiert. Die Ming-Dynastie wurde abgelöst von der Qing - Dynastie (Mongolen-Kaiser), weil sie dem Volk nicht mehr Wohlstand bringen konnten. Wu, der Künstler, der die Marx-Statue in Trier angefertigt hat, die eine Spende Chinas war, hat natürlich auch Konfuzius dargestellt, genauso wie Laotse. In der Nähe ist eine der größten Firmen Chinas SGCC. Es ist ein Stromnetzbetreiber, der mittlerweile wohl die zweitgrößte Firma der Welt ist. Der größte Konfuzius-Tempel findet sich in seiner Geburtsstadt Qufu. Der wichtigste,  höchstrangige und zweitgrößte  Konfuzius-Tempel steht in Beijing. Direkt daneben liegt der Lama-Tempel. Berühmt ist auch der "Literatur-Tempel" in Hanoi/ Vietnam. Dieser Konfuzius-Tempel, auch die älteste Universität Vietnams, sollte ein Symbol gegen den Buddhismus sein.

Konfuzianismus in Asien (Sittenlehre, aber auch Herrschaftslegitimation)

"Der Weg nach draußen führt durch die Tür", Konfuzius

Leben von Konfuzius und seine Wirkung:  (Kongzi, chinesischer Philosoph, Gesellschaftstheoretiker und Staatsmann, 551-479 v. Chr., Konfuzius). Als Wiege des Konfuzianismus gilt die Stadt Qufu in der Provinz Shandong. Je mehr der Konfuzianismus offizielle Staatsdoktrin wurde, desto umfangreicher wurde gebaut. Hier leben die Nachkommen (77 Generationen über einen Zeitraum von 2500 Jahren). Es gibt 466 Hallen, Pavillons und 2000 Gedenksteine. Prunkstück ist der große alte Konfuziustempel und das Grab. Konfuzius formulierte Ideen von Harmonie und Ordnung. Bis zur Revolution 1911 war die konfuzianische Lehre Staatsdoktrin. Parteichef Xi Jinping setzte stark auf die traditionelle Kultur mit Konfuzianismus. Ende 2013 besucht er das Konfuzius-Forschungsinstitut in Qufu ("Das Zentralkomitee schätzt den Konfuzianismus und die traditionelle chinesische Kultur hoch." ... Ein Mensch ohne Werte könne nicht bestehen, und ein Land ohne Werte könne nicht aufsteigen"). Der Konfuzianismus hat großen Einfluss auch in Japan, Korea, Vietnam und Singapur. Wichtigstes Element des Konfuzianismus sind die menschlichen Elementarbeziehungen "Vater-Sohn, Herrscher-Untertan, Ehemann-Ehefrau, Älterer Bruder-Jüngerer Bruder, Freund-Freund". Der Konfuzianismus ist keine Religion, sondern eine Morallehre. Im Mittelpunkt stehen die richtigen Verhaltensweisen, Tradition und Respekt. Hinzu kommen die Reziprozität (der Pflichten), der Kollektivgedanke, die Familie und das Lernen. Sekundärtugenden sollen beachtet werden (Höflichkeit, Respekt, Dankbarkeit). Man könnte den Konfuzianismus als die Diesseitsorientierung des Daoismus bezeichnen. Der Vater von Konfuzius hatte nur Töchter. Um einen Sohn zu bekommen heiratete er mit 60 Jahren eine 17jährige Zweitfrau. Nach Sex im Freien auf einem heiligen Berg wurde Konfuzius geboren. Konfuzius Mutter erschien auf dem Berg ein Fabelwesen (Qilin, Drache, Hirsch u. a.). Als Konfuzius drei war, starb der Vater. Die Familie verarmte danach. Das Reich war durch innere Kämpfe zerrissen ("Streitenden Reiche", 8 kleinere Fürstentümer).  Konfuzius eröffnete zunächst eine Schule. Später wurde er in der Stadt Lu (Provinz Shandong) Minister für Justiz und war sehr erfolgreich für die Provinz. Die Nachbarprovinzen waren neidisch und und führten Lu der Legende nach mit Frauen und Pferden in Versuchung. Mit 33 Jahren musste Konfuzius fliehen und ging auf Wanderschaft, die 14 Jahre dauerte (mit einigen Schülern). Nirgends konnte er sesshaft werden. Er kehrte nach Qufu zurück und führte sehr erfolgreich eine Schule. Er starb als enttäuschter Mann. Erst seine Schüler brachten den Erfolg zur Zeit der Vereinigung (221 v. Chr.). Der Konfuzianismus wurde Herrschaftsideologie des Kaisers. 

Lehre (Inhalt): Fünf Klassiker: Buch der Wandlungen. Buch der Lieder. Buch der Urkunden. Buch der Riten. Frühlings- und Herbstannalen. Das Lunyu (chinesische Bibel) umfasst vier Grundlagen: Mitmenschlichkeit (Ren; =zwei; bestmögliche Lebensführung; Shu=Empathie, Gegenseitigkeit), Gerechtigkeit, Kindliche Pietät, Riten. Der Studienplan in Qufu umfasst sechs Künste, die man lernen musste: 1. Li (soziales Verhalten, Zeremonie). 2. Riten. 3. Moral. 4. Kaligraphie. 5. Mathematik. 6. Kunst des Streitwagenlenkens.  7. Bogenschießen. Die fünf Klassiker und die Analekten wurden als Text auf Stehlen (189, dauerte vier Jahre) gehauen. Man sieht sie heute im Nationalmuseum in Peking (auch im Konfuziustempel und der kaiserlichen Akademie). Sie waren Grundlage des Examens für den klassischen Staatsdienst. Die Prüfungen waren sehr streng und dauerten 3 Tage (vorher hatte man sich auf regionaler und Provinz-Ebene bewährt). Die Säulen der Gesellschaft waren Familie, Hierarchie und Tradition. In der Unternehmenskultur sind es Bildung, Disziplin, Fleiß. Die Kernpunkte der Kultur waren Aufrichtigkeit, Bescheidenheit und Harmonie. Es gibt ganz konkrete Verhaltensregeln: Rituale des Alltags, Harmonie, korrekte Begrüßung, Beziehungen zwischen Alt und Jung, Ehe, Freunde, Gefühl für einander da zu sein. Im Mittelpunkt steht die Ehrung der Ahnen. Es gibt nicht einen Gott als Schöpfer wie bei den Religionen. Die Schüler von Konfuzius (Kong Qiu) haben die Lehren verbreitet. Einer der wichtigsten war Zeng Shen, der das Xiaoling verfasste.

"Die ganze Kunst der Sprache besteht darin, verstanden zu werden", Konfuzius.

Relevanz: Er prägt noch immer die Beziehungen der Menschen: Respekt des Jungen gegenüber dem Alten, des Untertanen gegenüber dem Fürsten, der Frau gegenüber dem Mann ("Die Tugend des Herrschers ist die des Windes, die Tugend des Volkes ist die des Grases", Konfuzius; gilt auch für Unternehmenshierarchien: führt zu geringer Machtdistanz). Insofern wird in China viel mehr Wert auf Hierarchie gelegt. Auf den Konfuzianismus gehen generell die Werte "Hierarchie" und "Harmonie" zurück. Motto: "Weise ehren, Fähige beauftragen, Unfähige ausbilden", Konfuzius (Tugend "zhi"). Der Konfuzianismus ist auch eine wichtige ideelle Grundlage für das Nachahmen und die Produktpiraterie: "Wer nicht auf den Spuren anderer wandelt, kommt nicht ans Ziel", Konfuzius. ebenso von ihm: "Unsere größte Ehre liegt nicht darin, dass wir niemals fallen. sondern dass wir jedes Mal aufstehen, wenn wir am Boden sind". Experten unterscheiden oft zwischen der konfuzianischen Morallehre und der konfuzianischen Staatslehre. Für letztere wurden die Grundlagen in der Han-Dynastie (206 v. Chr. - 221 n. Chr.) gelegt, die sich dann zu einer Staatslehre entwickelte. Menzius, ein nachfolgender Gelehrter vom Konfuzianismus, ersetzt den Auftrag des Himmels durch einen rationalen Herrschaftsauftrag: Gewinne das Volk und du gewinnst die Oberherrschaft (Vgl. Wolfgang Bauer: Geschichte der chinesischen Philosophie, Frankfurt/M. 2006).

Ein treuer Nachfolger von Konfuzius war Mengzi (Menzius, Meister Meng, 370 - ca. 290 v. Chr.). Er ging davon aus, dass die menschliche Natur gut sei. Mit der richtigen Erziehung und Umgebung könne der Mensch sein positives Potential entwickeln. "Ein großer Mensch ist, wer sein Kinderherz nicht verliert", Mengzi. Wichtigster Vertreter des so genannten Neokonfuzianismus ist Zhu Xi (1130-1200 n Chr.). Während der Song-Dynastie erlebte der Konfuzianismus eine Wiederbelebung. Man versuchte, Elemente des Daoismus und Buddhismus einzubeziehen bzw. zu integrieren.

Legitimation des Patriarchalischen Systems: Frauenrechte waren in vielen asiatischen Ländern lange Zeit kaum ein Thema. Das ändert sich langsam. In China, Südkorea, Thailand wehren sich immer mehr Frauen. Die Opfer von sexueller Gewalt haben in China wegen der oft fehlenden unabhängigen Justiz kaum keine Chance. Frauen in China werden auch wieder mehr in die Häuslichkeit zurückgedrängt. Die demographische Krise als Folge der Ein-Kind-Politik verstärkte die Unterwerfung der Frauen, aber auch gleichzeitig die Emanzipation der Frauen durch die Auswahlmöglichkeit bei Männern (Frauen in der Minderheit). Die Geburtenrate ist trotz der Lockerung bei der Kinderzahl gefallen. Viele Frauen wollen sich selbst verwirklichen in einem Beruf. Von Mao ist der Spruch, dass Frauen "die Hälfte des Himmels tragen". In den Kommunistischen Partei und fast allen Führungsgremien dominieren aber Männer.

Konfuzius als Propaganda-Figur: Nach der Gründung der VR China 2049 fiel Konfuzius in Ungnade. Seine Lehren galten als reaktionär. In Qufu sprengten Rotgardisten sein Grab.  Die KPCh hat Konfuzius seit den 1980er Jahren rehabilitiert. 2004 wurden die ersten Konfuzius-Institute im Ausland gegründet. Die Partei schafft es, Konfuzius und Marx miteinander zu verschmelzen. Konfuzius ist für die Ethik der Gesellschaft und die Legitimation des Systems zuständig, Marx für die Wirtschaft. Heute sind die Konfuzius-Institute in der Kritik: China finanziert sie, verfolge aber auch eine politische Agenda. Tausende Studierende lernen in ihnen in Deutschland Chinesisch. Bei der Jahrestagung der Deutschen Vereinigung für Chinastudien in Freiburg im November 2021 versuchte man das heikle Thema in einer Podiumsdiskussion anzugehen. Überschrift: "Sinologie im Spannungsfeld von Politik, Moral und öffentlicher Erwartungshaltung". Die Reisekosten für die Teilnehmer der Diskussionsrunde hatte das Freiburger Konfuzius-Institut übernommen. Die Universitäten in Hamburg, Düsseldorf und Trier haben mittlerweile die Kooperation mit den Konfuzius-Instituten beendet. Vgl. Maass, Harald: Pekings Lehrplan, in: Die Zeit Nr. 4, 20.01.22, S. 34f.

Konfuzius als Symbol der Überlegenheit des "chinesischen Weges": Der Konfuzianismus ist zu einem entscheidenden Punkt geworden, den Peking im Wettstreit der Systeme zwischen demokratischer, westlicher und autoritärer, chinesischer Gesellschaft ins Spiel bringt. Einige Aspekte dieser Lehre - wie Hierarchie und Meritokratie - werden als Zeichen der Überlegenheit gewertet. Die klassische chinesische Philosophie wird heute in das Herrschaftskonstrukt der modernen Volksrepublik integriert. In der Wirtschaft unterstützt noch der Marxismus. Immer wieder wird auf die Krise der Demokratien verwiesen (USA unter Trump, Europa). Vgl. Görlach, Alexander: Alarmstufe Rot, Hamburg 2022, S. 224f.

 

"Wer das Alte bewahrt und zugleich neues Wissen zu gewinnen vermag, der kann den Menschen Lehrer und Vorbild sein", Konfuzius.

 

"Dass Keime nicht zu Blüten werden, ach, dass kommt vor. Dass Blüten nicht zu Früchten werden, ach, dass kommt vor", Konfuzius.

 

 

Grabeskirche in Jerusalem, Israel. Sie erhebt sich über dem Ort von Christi Kreuzigung. Sie wurde von Kaiser Konstantin 326-335 errichtet. Sechs Konfessionen teilen sich die labyrinthische Ansammlung von Treppen, Gängen, Altarnischen und Kapellen. Zentrum der Kirche ist das Heilige Grab. Ein ähnlicher Brennpunkt für viele Religionen in Jerusalem ist der Tempelberg (Felsendom, Klagemauer, Al-Aksa-Moschee).  Die Muslime glauben, dass hier der Prophet Mohammed ins Himmelreich aufstieg. Die Juden verehren den Ort wegen der biblischen Tempel (unter anderem Salomons Tempel etwa 1000 v. Chr.; später Tempel des Herodes). Nichtmuslime dürfen dort nicht beten. Es kommt immer wieder zu Unruhen. Diese verstärken sich, nachdem die USA 2017 Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen. Jerusalem war im 11. und 12. Jahrhundert militärisch umstritten zwischen  Christen und Moslems. Beiden Religionen ist die Stadt heilig. Zunächst konnten die Christen in einem Kreuzzug die Stadt erobern. Unter Saladin eroberten die Moslems im 12. jahrhundert die Stadt zurück (siehe unten). Aus Kreuzzug - Zeiten gehören noch heute Liegenschaften in Jerusalem den Kirchen oder ihren Ländern: Notre-Dame-Center/ Vatikan, Erzbistum Wien (Österreichisches Hospiz), Annakirche/ Frankreich, Anglikaner, Sergejhofes, Alexander-Newski-Kirche/ russisch-orthodoxe Kirche, griechisch-orthodoxe Kirche. 2022 machen Siedler und Politiker Jerusalem immer mehr zu einer jüdischen Stadt (eigentlich gehört sie allen drei Weltreligionen: Juden, Moslems, Christen). Das neueste Ziel der Radikalen ist der Ölberg. Man arbeitet mit allen Mitteln, wie z. B. der "Davidstadt"

Religion (Ethik) als Bestandteil der Kultur und Wirtschaft (auch Ursprünge der Philosophie):

"Es gibt nur einen Gott, aber tausend Varianten", George Bernhard Shaw, irischer Dichter und Schriftsteller.

"Einer der interessantesten und verhängnisvollsten Irrtümer, dem Menschen und ganze Völker unterliegen können, ist es, sich für das Werkzeug des göttlichen Willens zu halten", Bertrand Russell, englischer Philosoph und Mathematiker.

"Beim Blick in den Himmel drängen sich von alters her bildliche Vorstellungen auf", Peter Sloterdijk, deutscher Philosoph; in: "Den Himmel zum Sprechen bringen", 2020.

Volkswirtschaften sind eingebettet in Kultur. Die Tradition prägt die Wirtschaftsform mit. Kulturelle und soziale Faktoren haben großen Einfluss. Am stärksten hat Karl Polanyi diese Hypothese vertreten. Er lebte von 1886-1964. Sein Hauptwerk war "The Great Transformation, 1944". Auch die "Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" von Max Weber ist bedeutsam, weil sie sich früh mit dem Einfluss der Kultur (Religion) auf die Wirtschaft befasst, was Ökonomen meist vernachlässigen. Der asketische Protestantismus hat uns reich gemacht. Erst der Protestantismus vertrat die Auffassung, dass man auf der Erde erworbene Reichtümer auch im Paradies nutzen kann. Hinzu kommt Luthers Lehre vom Priestertum für alle (permanente Selbstkritik, egalitäre und partizipatorische Religion, auch über das Geld der Kirche wird demokratisch entschieden). Mit Luther begann auch die Pluralisierung des abendländischen Christentums. "Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Religion und wirtschaftlicher Entwicklung bleibt interessant und relevant und die empirische Forschung dazu steht erst am Anfang über hundert Jahre nach Weber", siehe Kersting, F/ Wolf, N.: Wirtschaftsfaktor Religion, in: FAZ 12.4.21, S. 16.  Der Katholizismus riet, die Ordnung zu akzeptieren, in die der Mensch hineingeboren war. Damit legitimierte er die bestehende Ordnung. Der Arme hatte Vorteile ins Paradies zu kommen gegenüber dem Reichen. Der Reiche konnte sich allerdings von den Sünden freikaufen ("Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegfeuer springt", Spruch von dem Ablassprediger Johann Tetzel, 1460-1519).  "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass ein Reicher in den Himmel kommt" (heute noch als Zitat in Augsburg in der Fugger-Siedlung).  In der Tradition der Aufklärung kommt es dann am Ende zur Befreiung von der Religion. Sie mündet in der Feuerbach`schen Position, der Mensch sei des Menschen Gott. Karl Marx radikalisiert diese Auffassung, indem er das Bewusstsein abhängig vom Dasein macht (dialektischer Materialismus). Danach prägen die ökonomischen Verhältnisse das Denken der Menschen.  Der sozialistische Humanismus im Marxismus hat wieder Züge einer Religion. Insgesamt ist es kein Zufall, dass Europa die Kernregion des Christentums ist und auch Entstehungsort der freien, kapitalistischen Marktwirtschaft. Erst in der Aufklärung entstand die Kluft zwischen freiheitlicher Ökonomie und christlicher Theologie (vgl. Grözinger, Robert: Das christliche Herz der Marktwirtschaft, in: FAZ, Nr. 302, Mo. 30.12.13, S. 18). "Eines möchte ich gleich betonen: Meiner Ansicht nach hat die jüdische Religion dieselben Hauptideen wie der Kapitalismus. Ich sehe bei beiden den gleichen Geist", Werner Sombart: Die Juden und das Wirtschaftsleben, München/ Leipzig 1913.

Es gibt die Hypothese, dass auch Demokratie Religion braucht. Sie wird von dem bekannten deutschen Soziologen Hartmut Rosa vertreten. Er versucht drei Aspekte zu analysieren: 1. Was verliert die Gesellschaft, wenn die Religion keine Rolle mehr spielt? 2. Wohin steuert dei Demokratie, wenn die Religion keine Resonanz mehr erzeugt? 3. Worin liegt das Potential der Religion für unsere Zukunft als Demokratie? Es ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Relevanz von Glaube und kirche zur Demokratisierung. Vgl. Rosa, Hartmut: Demokratie braucht Religion, München (Kösel) 2022, 4. Auflage.  "Demokratie ist das zentrale Glaubensbekenntnis unserer Gesellschaft, aber sie erfordert eben Stimmen, Ohren und hörende Herzen", ebenda, Umschlagstext.

Es gibt auch religionspsychologische Analysen der Religion. Aberglaube und Magie sind so alt wie die Menschheit. Unbewusstes, Träume, Erwartungshaltungen haben die Menschen immer begleitet. Oft stand dies im Zusammenhang mit den Sternen oder dem Auftauchen besonderer Sternenphänomene (Komet, Heilige drei Könige bzw. Magier). Religionen leugnen in der Regel auch nicht diese heidnischen Wurzeln oder Ursprünge in der Natur. "Einen Gottlosen habe ich noch nie gesehen, nur Ruhelose sind mir begegnet", Fjodor Dostojewski, russischer Literat.

Fundamental für jede Religion ist die Seele als eigenständig. Die Einheit von Seele und Körper steht dem entgegen. Das die Seele etwas vom Körper Unterschiedenes, eigenständig Existierendes und möglicherweise Ewiges ist, ist einen Vorstellung, die von vielen Religionen, vertreten wird (auch in der Philosophie). Bis heute gibt es auf die Frage keine befriedigende Antwort. Die moderne Neurophysiologie sieht mehr und mehr Anzeichen dafür, dass geistige und seelische Prozesse aufs engste mit körperlichen Prozessen zusammenhängen. Damit scheint sich die These zu bestätigen, die der materialistische Aufklärungsphilosoph Julien Offray de La Mettrie (1709 - 1751) bereits 1748 in seiner Schrift "Die Maschine Mensch" aufgestellt hat: Körper uns Seele sind vom selben Stoff. Seelen bleiben an den Körper gebunden. "Da aber alle Fähigkeiten der Seele derartig von dem eigentümlichen Bau des Gehirns und des ganzen körpers abhängen, dass sie offensichtlich nichts anderes als deiser Bau selbst sind, haben wir also eine durch die Vernunft gut erleuchtete Maschine vor uns", Julien Offray de La Mettrie. Vgl. Philosophie-Kalender 2020 in Kooperation mit Die Zeit.

Natürlich gibt es in Kulturen auch andere als religiöse Strömungen. Es ist sowieso schwierig, den Begriff "Religion" zu definieren. Gerade in Asien gibt es eine Reihe von Naturbetrachtungen, die man normalerweise noch dazurechnet. Auch mehr ethische Fundierungen können einbezogen werden. So etwa "Animal spirits": exogene Wellen von Optimismus und Pessimismus bezüglich der wirtschaftlichen Lage, die das Investitions- und Konsumniveau  beeinflussen (Einfluss der Psychologie, vgl. Mankiw, Makroökonomik, Stuttgart 1998, S. 559; auch G. Schmölders). Shiller und Akerlof haben ein neues Buch mit gleich lautendem Titel veröffentlicht. Sie knüpfen an die "Theorie der ethischen Gefühle" von Adam Smith an. Danach handeln Menschen nicht nur eigensüchtig und rational. Es geht um "menschen-nähere" Ökonomie mit Gefühl. Gegendenker wäre etwa Gary Becker, der alles auf Nutzenmaximierung zurückführt. Den griechischen Philosophen ging es ähnlich um ethische Fragen des "guten Lebens", nicht um effizientes oder rationales Wirtschaften", Mikl-Horke, G.: Sozialwissenschaftliche Perspektiven der Wirtschaft, München/ Wien 2008, S. 8.  Aristoteles unterschied zwischen "oikonomia" (Hauswirtschaft, daher kommt der Begriff "Ökonomie"), "chresmatia" (Erwerb von Geld, Bereicherung) und "katallage" (Austausch, Ausgleich). Dieser Gedanke findet sich auch in der chinesischen Philosophie. Im Jahre 1759 entstand "Die Theorie der ethischen Gefühle" von Adam Smith. Der schottische Moralphilosoph  beobachtete die Prinzipien hinter dem menschlichen Verhalten (Einfühlungsvermögen, Wohlwollen, Fairness, Gewissen). Empirische Studien deuten darauf hin, dass sich Ökonomen eher von Effizienzkriterien und Laien eher von Fairness und Moral leiten lassen. Ende 2010 starten in Deutschland Spitzenmanager die Initiative "für verantwortliches Handel". Die Unterzeichner verpflichten sich zu fairem Wettbewerb, Sozialpartnerschaft, Leistungsprinzip und Nachhaltigkeit. Der tschechische Ökonom Tomas Sedlacek landet mit dem Buch "Die Ökonomie von Gut und Böse" (tschechische Originalausgabe 2009) einen großen Erfolg. Er fundiert die ethische Bindung der Ökonomie in der Ideengeschichte, die auch eine Geschichte der Menschheit ist. Er zeigt, dass bereits im Gilgamesch-Epos der Sumerer, der ältesten Geschichte der Welt, und  im hebräischen Denken ökonomisches Denken vorhanden ist. David Graeber, einer der führenden Köpfe der "Occupy Wall Street" - Bewegung sieht eine feste Verbindung zum Markt: "These I  Weder der Egoismus noch der Altruismus stellen natürliche Triebe dar; sie erwachsen vielmehr aus der wechselseitigen Beziehung zueinander und wären ohne den Markt undenkbar" (Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus, München 2012, S. 120). "O Gilgmesch, wohin willst du laufen? Das Leben, das du suchst, wirst du nicht finden!... Ergötze dich bei Tage und bei Nacht, Bereite täglich dir ein Freudenfest Mit Tanz und Spiel bei Tage und bei Nacht!, Gilgamesch-Epos. Die älteste sumerische Fassung stammt von 2150 und 2000 v. Chr.

Der Zusammenhang zwischen Religion/ Kultur und Wirtschaft zeigt sich seit Menschen in Gesellschaften zusammenleben. In den ersten Agrargesellschaften wird immer eine Macht im Jenseits angebetet, weil Wohlstand und Überleben an der Natur hängen. In Mesopotamien, der ersten sesshaften Kultur der Menschheit (Sumerer 5400 v. Chr.), war die Religion sehr wichtig. Sie gehörte zu den wenigen Dingen, die die Region zusammenhielt. Aus der Religion leiteten sich Gebräuche, Moralvorstellungen und Sozialhierarchie ab.  Der Monotheismus wurde zum ersten Mal in Ägypten unter Pharao Echnaton praktiziert und ausprobiert. Aus Ägypten drangen auch Mysterienkulte nach Europa und das, was wir als Magie bezeichnen. Ägypten hat Religion und Priestertum stark beeinflusst. Unter Tutanchamun versuchte man, Monotheismus und Polytheismus zusammen zu denken. Ein weiteres herausragendes Beispiel ist das Reich der Inkas in Südamerika. Eine Kette von Heiligtümern durchzog das Reich, wo Opfer gebracht wurden, um die Götter milde zu stimmen. Diese Heiligtümer waren am 40.000 km langen Wegenetz aufgestellt. Das Ursprungsgebiet war der Machu Picchu und Cusco. Da die Inka keine Schriftsprache kannten, gibt es keine überlieferten Quellen, die den Zweck von von Machu Picchu verraten. Manche Archäologen halten sie für eine Zufluchtsstätte der königlichen Familie. Später erstreckte das Reich sich von Quito im Norden bis Potosi im Süden. Auch die Maya, die insbesondere auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan lebten, hatten ihre Götter. Sie waren in Götter der Unterwelt (Unterwasserhöhlen, einzige Frischwasserquellen im Dschungel) und in Gott der gefiederten Schlange der vier Elemente Wasser, Erde, Feuer und Luft (Jahreskalender, Sonnenwende) eingeteilt. 2021 findet man in einer Unterwasserhöhle, einem Genote, auf der Halbimsel Yucatan ein Kanu aus der Maya-Zeit. Es ist das erste gut erhaltene Kanu dieser Art auf Maya-Gebiet aus der Zeit (1000 Jahre alt).  Auf der zu Chile gehörenden Osterinseln mitten im Pazifik stehen fast 900 kolossale Steinskulpturen, die "Moai". Sie könnten verehrte Ahnen sein, die Diesseits und Jenseits verbinden. Lange Zeit vor den Inkas blühte die Paracas - Kultur in Peru. Das war vom 3. Jahrhundert bis zum 8. Jahrhundert nach Christus. Tote bestattete man in einem Mumienbündel. Darstellungen von Jaguaren, Vögeln und Schlangen hatten eine religiöse Bedeutung. In der Antike zur Zeit des römischen Weltreiches gewann das Christentum den Konkurrenzkampf der Kulte. Es gab ca. 50 Alternativen. Viele wurden verboten wie etwa der Bacchuskult, der Isiskult oder der Mithraskult. Die offiziellen Staatsgötter Juno, Minerva und Jupiter waren durch lange Dauer des Reiches verbraucht und wirkten durch die Monumente steif. Historiker meinen, dass das Christentum aufgrund seiner guten Organisation, der kuscheligen Betstunden und der verlockenden Idee der Auferstehung siegte. Nach dem Sieg wurden keine heidnischen Kulte und Götzen mehr geduldet. Symbole wurden teilweise umgedeutet. Zum Beispiel wurde der keltische "Stone of Destiny" bei Perth in Schottland nur noch als Krönungssymbol der schottischen Könige verwendet.  "Ama sua, ama llulla, ama quella", das Volk der Sonne stiehlt nicht, lügt nicht und ist nicht faul.

Exkurs. Griechische Mythologie und Religion: Wenn man in die griechische Mythologie eintaucht, etwa durch die Werke von Homer, Hesiot oder Gustav Schwab (Griechische Sagen, 1838), erkennt man sehr gut Bezüge zu den Abrahamitischen Religionen. In der Bibel und im Koran tauchen vergleichbare Geschichten auf. Der Mythos um die Entstehung der Erde und der Götter muss ähnliche Quellen haben.

In Afrika und heute auch in Südamerika (durch den Sklavenhandel) sind die Orishas-Religionen sehr einflussreich. Am wichtigsten ist die Religion der Yorubas (Angola). Diese Götter zeichnen sich durch Nähe und Vertrautheit zu den Menschen aus. Eine Verbindung wird über Tranchezustände in den Eingeweiden hergestellt. Die Götter stehen mit den Naturkräften in Verbindung. Es gibt viele kleine Altare, auf denen Opfergaben erbracht werden. Diese Götter tragen menschliche Züge, mit allen Fehlern und Schwächen. Sie sind Vermittler zwischen Menschen und Oluran. Oluran steht über den Orishas und ist der einzige und mächtigste Gott. In anderen afrikanischen Kulturen (z. B. Sudan) haben die Götter andere Namen, aber die Struktur ist gleich. Viele dieser Religionen glauben an Wunderkräfte von Heilern, Schamanen und Geisterbeschwörern. Hexen werden bekämpft (Ghana, auch Papua-Neuguinea). Vermeintliche Hexen werden gelyncht oder in Hexendörfer verbannt.  "Religion ist das Werk Gottes, das durch den Teufel seine Perfektion erhielt", Peter Ustinov, englischer Schauspieler.

Mitte des 20. Jahrhunderts fand man in Felshöhlen nahe Qumran 850 Schriftrollen (teils in Fragmenten). Die Funde vom Toten Meer künden vom antiken Judentum. Hier fand man auch die älteste Fassung der Zehn Gebote. Erwähnt ist auch der Gott Jahwe. Für unsere westliche Kultur ist das Tote Meer so was wie der Nabel der Geschichte. 2016 war ich am Toten Meer, auch in Masada und im Toten Meer. Masada ist eine geschichtsträchtige Festung auf einem Gipfelplateau hoch über dem Toten Meer, die von König Herodes errichtet wurde. Im Jüdischen Krieg (66-74) diente Masada als Zufluchtsort gegen die Römer. In aussichtsloser Lage entschlossen sich die jüdischen Rebellen zum kollektiven Suizid. In der Nähe ist auch Jericho, eine der frühesten Städte überhaupt. Hier fand ein reger kultureller Austausch statt, unter anderem mit Ägypten. Sodom liegt im Süden des Toten Meeres. Nach dem Ersten Buch Mose zerstörte Gott die Stadt (weil Lots Frau sich umdrehte). Am Ostufer des Jordan, kurz vor dem See, liegt Al-Maghats (seit 2015 Unesco - Weltkulturerbe), wo Joannes der Täufer Jesus getauft haben soll. In Machärus, der Festung hoch über den Ostufer des Toten Meeres, wurde Johannes der Täufer hingerichtet (gehörte 66 zu jüdischen Rebellen gegen die Römer). In Ghor es - Safi im Süden des Toten Meeres wurden um 1300 große Mengen Zucker produziert (auch bedeutende biblische Heiligtümer dort). Im März 2021 findet man in der Judäischen Wüste nahe des Toten Meeres weitere 2000 Jahre alte Schriftrollen mit Bibeltexten (größtenteils auf Griechisch). Man findet auch einen 10.000 Jahre alten Korb.

Über die Entstehung der jüdischen und christlichen Religionen bringt die aktuelle Forschung immer neuere Ergebnisse: Historiker vermuten, dass beim Bau der bis zu 30 Quadratkilometer großen Ramsesstadt (um 1278 v. Chr.) Israeliten als Zwangsarbeiter tätig waren. Von dort soll der Auszug aus Ägypten gestartet sein. Vieles spricht für eine Wanderung nach Arabien (Hala al-Badr, Nordwesten Saudi-Arabiens). Auf diesem  Vulkan-Berg könnte Gott als Götze verehrt worden sein. Der Urkönig Saul herrscht ursprünglich im nördlichen Bergland Palästinas. Er wird von dem Anführer David einer Söldnertruppe, die zuerst den Süden kontrolliert, angegriffen. Die Truppe erobert später Jerusalem. Vgl. Israel Finkelstein: Das vergessene Königreich - Israel und die verborgenen Anfänge der Bibel, München 2014. Gemeinsamer Ursprung des Christentums ist das historische Leben Christi und seine Geschichten, die die Jünger im Neuen Testament aufgeschrieben haben. Die Bergpredigt von Jesus ist der wichtigste Kern. Inwieweit das neue Testament historisch wahr ist, lässt sich nicht genau klären. Lange Zeit ist der Dualismus (Diesseits, Jenseits; um in den Himmel zu kommen, ist Reichtum hinderlich) in der katholischen Religion die Legitimation für die herrschenden Verhältnisse. Erst der Protestantismus lässt eine Wirtschaftsgesinnung und Leistungsmotivation entstehen, ohne den der Kapitalismus nicht möglich gewesen wäre (Max Weber, Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus; vgl. oben). Heute lösen sich viele Christen von der Institution der Kirche und leben eine eigene Spiritualität, in die Elemente aus fernöstlichen Religionen einfließen. Man versucht in der Ökomene eine Annäherung von Katholiken und Evangelischen Christen zu erreichen (Dialog auch in der Abendmahlfrage). So besucht Papst Franziskus den Gottesdienst des Lutherischen Weltbundes im schwedischen Lund am 500 Jahrestag der Reformation 2016 (Anschlag der Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg).  Aber nicht nur die katholisch orientierten Christen teilen sich in Katholiken und Orthodoxe bzw. Anglikaner, sondern auch die an Luther orientierten Christen zerfallen in viele Untergruppen (Lutherisch, Reformiert,  Methodistisch u. a.). Hinzu kommen eine Vielzahl von Sekten (Freikirchen in vielen Varianten, Amische, Zeugen Jehova, Mormonen). Als Wiege der Ökumene (Einheit des Christentums) gilt der Ort Nicäa in der heutigen Türkei. Der Ort liegt etwa 100 Kilometer südöstlich von Istanbul bei der heutigen Stadt Iznik. Hier fand 325 das erste Ökumenische Konzil statt. Die theologischen Grundlagen des Christentums wurden von Bischöfen und Kaisern ausgefeilt. Die türkische Kulturbehörde pflegt den Ort heute eher als Zentrum der osmanischen Keramik.   Der Vatikan, der katholische Kirchenstaat und Sitz des Papstes, gerät in der Neuzeit immer wieder in die Kritik. So übt er 2018 Kritik am Rektor der Jesuitenhochschule St. Georgen in Frankfurt, weil der sich für Homosexuelle einsetzt. Auch Papst Franziskus wird immer wieder behindert. Dem jüdischen Glauben gehören weltweit etwa 15 Mio. Menschen an (90% der Bevölkerung Israels in Höhe von 8,3 Mio. sind Juden). Das Judentum ist die älteste der drei monotheistischen Weltreligionen. Seine Grundlage bilden die aus den ersten fünf Büchern Mose bestehenden Thora und Talmud (Ansammlung von Auslegungen). Ihren Gott nennen sie Jahwe. Die zentrale Schrift ist die Tora. Der Alltag gläubiger Juden wird durch 613 Gebote und Verbote geregelt (Hygiene, Kleiderordnung, Ernährung). Gottesdienste finden in der Synagoge statt, in der Männer (tragen Kippa) und Frauen getrennt sitzen. Eine besondere Rolle spielen die Rabbi, die mehr Gelehrte als Priester sind. Eine besondere Bedeutung kommt dem Sabbat zu, der von Freitagabend bis Samstagabend dauert und an dem keine Arbeit verrichtet werden darf. In der Vergangenheit wurden die Juden immer wieder Opfer von Verfolgung (am schlimmsten Deutschland zwischen 1936 und 1945, daran erinnert in Jerusalem die Gedenkstätte Yad Vashem). Die Ultraorthodoxen richten ihren Alltag streng nach den Geboten der Thora aus. Die meisten sind Charedim (Gottesfürchtige). Sie werden staatlich alimentiert (da sie eine hohe Geburtenrate haben, steigt das Armutsproblem in Israel).   Im brandenburgischen Templin fordert die "Kirche des Fliegenden Spagettimonsters" dieselben Rechte wie die christlichen Kirchen.  Es handelt sich um eine Religionsparodie. Die Evangelische Religion hat sich im 16. Jahrhundert von den Katholiken abgespalten. Gründer war Martin Luther (ein ehemaliger Mönch). Durch seine Übersetzung der Bibel von der Lateinischen Sprache in die Deutsche hat er die Entwicklung der Deutschen Sprache und Kultur stark beeinflusst. Am 31.10. 1517 schlug er seine berühmten Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg. Deshalb wird 2017 500 Jahre Martin Luther gefeiert. In Worms musste Luther vor Kaiser Karl V. antreten und seine Auffassungen begründen (in dieser Stadt erinnern das Lutherdenkmal und seine nachgebildeten Schuhe an dieses wichtige Ereignis). In Worms gibt es auch den ältesten jüdischen Friedhof in Europa. Nach Luther gab es zahlreiche Absplitterungen von den Lutheranern: Die Reformierten, die Pfingstler, die Baptisten, die Prebyterianer und die Methodisten. Der wichtigste Reformator nach Luther war Jean Calvin, der den Calvinismus in Genf begründete. 2018 kommt es zu einem Streit um die Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden. Einerseits sei das Kreuz ein christliches Symbol. Andererseits sollte man das Kreuz nicht utilitaristisch verwenden, statt aus innerer Überzeugung.

Exkurs zur jüdischen Religion: Das Judentum ist eine der drei abrahamschen Religionen. Das Gott zum Menschen wird, hat eigentlich nur das Christentum noch übernommen. Grundlage sind Thora (Bund zwischen Gott und seinem Volk) und Talmud. Grundelement ist die Schechina: Einwohnung. Gott ist in Tempel, Bundeslade und in Rabinern. Man kann Radiakiwa und Rabischena-Linien unterscheiden. Sie interpretieren die Thora unterschiedlich. Das hängt auch mit der Schwierigkeiten der Hebräischen Sprache zusammen (Lesen von Konsonanten und Vokalen). In RLP liegt ein Schwerpunkt des Judentums in Deutschland. Bei Mainz, Worms und Speyer spricht man von den drei Schum-Städten. in Deutschland. Sie beantragen 2019 bei der UNESCO Weltkulturerbe zu werden. Im Juli 2021 werden sie Weltkulturerbe. Worms beherbergt heute noch einen der ältesten jüdischen Friedhöfe in Deutschland. Speyer war im Mittelealter eine der bedeutendsten Gemeinden nördlich der Alpen. Bis ins 13. Jahrhundert kamen Gelehrte aus aller Welt  an den Rhein., um bei den "Weisen von Speyer" zu lernen. einige Namen waren: David ben Meschullam, Isaak ben Ascher ha-Levi, Samuel ben Kalonymos he-Chassid, Simcha ben Samuel. Noch heute sind erhalten Reste der mittelalterlichen Synagoge, das Ritualbad Mikwe und das Museum Schpira. Am 19.7.20 wird der Zentralrat der Juden 70 Jahre alt. Er vertritt in Deutschland ca. 100 Gemeinden. 2021 feiert man in Deutschland 1700 Jahre Judentum. Seit dem Jahr 321 leben Juden nachweislich auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Der Festakt findet in der Kölner Synagoge statt (Edikt des römischen Kaisers Konstantin an die Stadt Köln: Juden können in den Rat der Stadt berufen werden). Unweit des Doms entsteht über den Spuren eines mittelalterlichen jüdischen Viertels ein Museum. Europas älteste bis zum Dach erhaltene Synagoge steht in Erfurt.

Exkurs. Juden und der Staat Israel:  2022 machen Siedler und Politiker Jerusalem immer mehr zu einer jüdischen Stadt (eigentlich gehört sie allen drei Weltreligionen: Juden, Moslems, Christen). Das neueste Ziel der Radikalen ist der Ölberg. Man arbeitet mit allen Mitteln, wie z. B. der "Davidstadt". Die radikalen Siedler scheinen wie der Ku-Klux-Klan zu ticken. Israel droht zu einer Ethnokratie zu verkommen. Durch die Beteiligung der Rechtsradikalen an der Regierung gewinnen die Siedler immer mehr Einfluss. Der Staat ist zu sehr mit der Religion verknüpft. Die Ultraorthodoxen sind seit je her ein Staat im Staate, den sie bedingungslos ausnutzen (sie werden alimentiert und müssen nicht zur Armee). Vgl. auch: Interview mit der Soziologin Eva Illouz, in: Der Spiegel 7/ 11.2.23, S. 94ff. Es gibt im Januar und Februar 2023 Massendemonstrationen gegen die Justizreform. Das Parlament soll über dem Gesetz stehen, was ein Ende der Gewaltenteilung wäre. Bei Diskussionen über Antisemitismus in Deutschland wird oft nicht getrennt zwischen Kritik an dem Staat Israel und Kritik am Judentum.

Exkurs. Israel und Palästinensische Gebiete (Zionismus): Der Berg Zion liegt im Südosten Jerusalems. Zionismus bedeutet die Heimkehr der Juden in ihre heilige Stadt Jerusalem und das umgebende Land. Im 19. Jahrhundert waren immer mehr europäische Juden antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt, so dass sich der Zionismus entwickelte. Oberstes Ziel war die Rückführung der auf der ganzen Welt verstreuten Juden in das Gebiet  zwischen Mittelmeer und Fluss Jordan bzw. Totes Meer. Es sollte einen Judenstaat geben (Schrift von Theodor Herzl 1860 - 1904). 1947 kam ein Teilungsplan der UNO. Darin war ein jüdischer Staat, ein arabischer Staat und internationales Gebiet vorgesehen. Nach dem Unabhängigkeitskrieg 1949 bildete sich der Staat Israel. Er dehnte sich 1967 nach dem Sechstagekrieg aus.1995 kam Oslo II, eine Annäherung zwischen Israel und den Palästinensern (das Abkommen scheiterte 2000). Heute gibt es den israelischen Staat. Daneben liegen palästinensische Autonomiegebiete und von Israel besetzte Gebiete. Im Westjordanland gibt es eine Zivilverwaltung, teils israelisch, teils palästinensisch (das Westjordanland war ursprünglich Jordanien angegliedert) . Die Situation hat also eine längere Vorgeschichte (auch Folgen europäischer Kolonialgeschichte für die Palästinenser, die oft nicht gesehen werden) die den Frieden fern erscheinen lässt. Seit Jahrzehnten halten  Netanyahu und die Hamas sich gegenseitig am Leben. Es war ein effektiver Weg, die Zweistaatenlösung zu verhindern. Ende Dezember 23 verlangt der UN-Sicherheitsrat mehr Hilfe für Gaza. Die USA setzen ihr Vetorecht nicht ein. Die Niederländerin Sigrid Kaag wird UN-Beauftragte für den Wiederaufbau des Gazastreifens. Südafrika reicht eine Völkermordanklage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof ein. "Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg". Mahatma Gandhi.

Exkurs. Juden in Deutschland: In Deutschland leben 2023 225.000 Juden. Sie sind in 105 Gemeinden organisiert. Die größten Gemeinden sind in München und Berlin vor Düsseldorf und Frankfurt. 2022 gab es 2600 Anschläge auf jüdische Einrichtungen und Menschen. Vgl. WiWo Nr. 46/ 2023, S. 10. 2024 wird der Karlspreis der Stadt Aachen an den Vorsitzenden der europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, und an siw Jüdische Gemeinschaft Europas vergeben.

Juden, Christen und Muslime führen ihre Religionen auf denselben Mann zurück, Abraham (arabisch Ibrahim; Geschichte der Religionen und ihrer Bezüge, mit Schwerpunkt Islam). Er ist schon Monotheist, der seinen Sohn (Isaak) opfert. Muslime verehren auch Jesus und Maria. Die Religionen haben sich nicht nur bekämpft, sondern auch in Vielem bereichert. Die Muslime gehen aber davon aus, dass es nur so scheint, dass Jesus am Kreuz gestorben ist, dies also nicht wirklich passiert ist Andere Richtungen glauben, dass Judas oder Simon für Jesus am Kreuz gestorben ist. Die Muslime gehen aber auch davon aus, dass Jesus irgendwann wiedergeboren wird und nicht Mohammed, der in Medina begraben ist. In einigen Versionen soll er auf der Moschee in Damaskus wiederkommen. Mohammed musst aus Mekka fliehen, weil seine neue Religion erst nicht anerkannt wurde. Es gab monotheistische Konkurrenten.  In der Oase Medina (so von Mohammed umbenannt) war er Schiedsrichter. Er wurde von rivalisierenden Clans gebraucht. Es gab fünf Stämme, drei jüdische und zwei andere. Mehrere Kulturen kreuzten sich: Byzanz, Persien, Arabien, Palästina (Nazareni). Er wollte die Abschaffung des Polytheismus erreichen.  Der Koran besteht aus 114 Suren (der Begriff kommt aus dem Syrischen, wohl die Fremdsprache, die Mohammed beherrschte). Der Koran hat weder Logik noch Chronologie. Er enthält auch so gut wie keine geographischen Bezüge. So fehlt auch der Kontext. Viele Experten sprechen von einer Heiligen Schrift ohne Kontext, die viele Jahre nach Mohammeds Tod aufgeschrieben wurde (viele Jahre nach der Hidschra/ Flucht, dem Beginn der islamischen Zeitrechnung. Es gibt kaum historische, arabische Quellen aus der Zeit.  Der deutsche Islamwissenschaftler Theodor Noeldecke hat im 19 Jahrhundert den Koran ins Deutsche übersetzt und eine Chronologie der Suren angefertigt. Es gibt mekkanische und medinensische Suren. Nicht immer können die Suren klar zugeordnet werden. Hierüber gibt es einen unendlichen Expertenstreit.  Der Berliner Archäologe Friedrich von Delitzsch entdeckte bei seinen Ausgrabungen in Mesopotamien (babylonische Funde, Babel) Schrifttafeln, auf die denen die Paradiesgeschichte der Bibel ("Garten Eden", Genesisgeschichte) 800 Jahre vor der Bibel auftauchte. Die Paradiesidee ist in Bibel, Thora und Koran enthalten. Sie wurde wohl abgeschrieben und verfremdet. In der Bibel findet sich eine negativere Darstellung der Rolle der Frau: Sie ist Sünderin und Verführerin. Das dürfte das Frauenbild in den Religionen nachhaltig beeinflusst haben. Als Delitzsch seine Entdeckung publik machen wollte, wurde er von Kaiser Wilhelm II. auf Druck der Kirche zurückgepfiffen. Delitzsch hatte die Vermutung, dass die Paradiesfabel die Zeit verklärt, als die Menschen noch nicht sesshaft waren (Jäger und Sammler, Mesopotamien war die erste sesshafte Kultur). Für das Christentum ganz entscheidend war die Durchsetzung im Römischen Reich. Begünstigt wurde dies durch die sozioökonomische Struktur, die Herrschaftsform, die Anpassungsfähigkeit der Christen, die Fürsorge in den Gemeinden. Vgl. Werner Dahlheim: Die Welt zur Zeit Jesu, München (Beck) 2017. 2018 erscheint ein Buch von Thilo Sarrazin mit dem Titel "Feindliche Übernahme". Er plädiert dafür, den Islam als Mehrheitsreligion in Europa und Deutschland zu verhindern. Als Begründung führt er an, dass sich Demokratie und Islam ausschließen. Im September 2022 kommt ein türkischer Gelehrter in Haft, weil er die tatsächliche Existenz Abrahams bestreitet. Es ist Celal Sengör, ein Wissenschaftler von Weltruf, der sich angesichts der Ausgrabungen von Harran geäußert hat. In der antiken Stätte in der heutigen Südtürkei soll Abraham einst gelebt haben.

2021 ist in Berlin der Baustart für ein Mehrreligionen - Gebäude "House of One". Die Grundsteinlegung erfolgt nach zehnjähriger Planung. Das Bet- und Lehrhaus ist für Juden, Christen und Muslime. Die Kosten sind mit 47 Mio. € veranschlagt. Davon tragen der Bund 20 Mio. das Land Berlin 10 Mio. €.

In den arabischen Ländern, Iran und in Asien (Indonesien, Türkei, Malaysia, Nachfolgestatten der Sowjetunion, China) spielt der Islam eine große Rolle (vgl. meinen Artikel weiter oben). Die Religion des Islam gründet sich auf den Koran, der einer der wichtigsten und mächtigsten Bücher der Welt ist. Er entstand vor etwa 1400 Jahren. Er geht auf Mohammed zurück, der als 40-jähriger Kaufmann seine erste Offenbarung in Mekka empfängt (Mekka ist die Pilgerstätte des Islam; die 'Reise heißt Hadsch; 9 Mio. Menschen kommen jährlich). Mohammed war zuerst Schafhirte und Analphabet bis er durch seinen Heirat mit einer wohlhabenden Frau sozial aufstieg. Später muss er nach Medina fliehen (622, Beginn der islamischen Zeitrechnung). 632 macht er seine Abschiedswallfahrt und stirbt. Die Überlieferungen zu Mohammeds Leben sind neben dem Koran die wichtigste Quelle des Islam. Der Koran ist immer die gegenwärtige Rede Gottes, der ja selbst gegenwärtig ist. Wie die Christen und Juden beruft sich der Islam auch auf Abraham und Moses (siehe Topkapi - Museum in Istanbul) und die Propheten. Der letzte und wichtigste war Mohamed.  Nach Mekka und Medina ist der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aqsa-Moschee das drittwichtigste Heiligtum. Später kam es zu einer Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten, die die Geschichte des Islam bis heute prägt (z. B. Konflikt im Jemen 2015 zwischen den Huthis/ Iran / Schiiten und der Regierung/ Saudi-Arabien/ Sunniten). Eine zentrale Frage ist, ob eine Ökumene zwischen diesen beiden Richtungen irgendwann einmal möglich sein wird. Besondere Sorge bereitet heute der Islamismus (radikale Umgestaltung von Gesellschaft, Kultur, Staat anhand von Werten und Normen, die als islamisch angesehen werden ohne jede Toleranz). Solche Ideen vertreten z. B. der Wahhabismus und der Salafismus. Es kommt immer wieder zu Konflikten, weil der Islam nicht die Trennung von Kirche/ Religion und Staat praktiziert. In der Wirtschaft gibt es im islamischen Finanzwesen durchaus Elemente, die man übernehmen könnte (Ribah, Gharar, Maysir u. a.).  "Sag: Er ist Gott, der Eine. Gott, der Vollkommene. Nicht hat Er erzeugt und nicht ist Er erzeugt. Und nicht gleich ist ihm einer"!, Koran 112, 1-4. Kein anderer als Ibn Battuta hat im 14. Jahrhundert so viele Länder gesehen. Er reist bis nach Indien und China (bis zu 120.000 Kilometer). Damals war der Islam fortschrittlich und weltoffen. Er begegnete allen anderen Religionen mit großem Respekt. Ende Mai 2016 besucht der Groß-Imam der Kairoer Al-Azhar-Universität Papst Franziskus im Vatikan. Mohammed al-Tayyeb ist einer der wichtigsten Instanzen der sunnitischen Moslems (75% der islamischen Gläubigen). Der türkische Kultur verein Ditib will eine Moschee in Germersheim/ Pfalz verwirklichen (zwei Kuppeln, zwei Minarette; kurz vor der Genehmigung). In Monheim bei Düsseldorf kommt es zum Streit wegen des Baus einer Moschee. Die Gemeinde wollte zwei Grundstücke kostenlos zur Verfügung stellen. In Köln wird im Juni 2017 die Kölner Zentralmoschee eröffnet. Es ist eine Ditib - Moschee mit einer 36 Meter hohen reich ornamentierten Kuppel. Es gibt 70 Gebetsorte für die 120.000 Muslime in der Domstadt. Bis 1884 war der Kölner Dom das höchste Gebäude der Erde. Eine US-Studie (Pew -Forschungsinstitut, Washington) sagt bis 2050 voraus, dass der Anteil der Muslime in Deutschland auf 11 Prozent steigt. Die aktuelle Zahl 2018 ist umstritten: Merkel spricht von 4 Mio.; das Bundesamt für Migration von 4,5 Mio.; das DIW von 2,7 Mio.; Deutsche schätzen in einer Umfrage 16 Mio. Ende 2018 gibt es in der Bundesregierung die Forderung nach eine Moschee-Steuer. Sie soll analog der Kirchensteuer für Muslime gelten. Damit sollen diese unabhängig von Zuwendungen aus dem Ausland werden (Türkei, Saudi-Arabien).

Exkurs über die Struktur des Islam und sein Innen- und Außenverhältnis:  Zum Schicksal gehören die Beziehungen zwischen Schiiten und Sunniten. Könnte es eine Art Ökumene geben? Der Schwiegersohn des Propheten ist ja der Namensgeber der Schiiten  (Saladin hat ein Buch über frühe Muslime geschrieben). Mohammed hatte seine Nachfolge nicht geregelt (jeder versucht eine Begründung zu finden). Ursprünglich bestand eine Anführerschaft durch religiösen Verdienst. Erst später setzte sich das dynastische Prinzip durch (Legitimierung der Herrschaft). Die Gelehrten beider Gruppen sagen ziemlich das Gleiche. Im 13. Jahrhundert gab es eine Sufi-Gemeinschaft. Die Grundlagen sind heute noch in etwa gleich: Koran, Sunna, Islamische Lehre (Aqida) und Wissenschaftler. Die Stellung zum Judentum ist auch schwierig: Der Islam wird als letzte Botschaft Gottes angesehen. Die Dreifaltigkeit versteht der Islam nicht. Wichtig für den Islam ist heute die Tradition der Medresen. Das sind die Gelehrten, die an Universitäten ausbilden. Dabei gibt es drei Bausteine: 1. Grundlagen des Glaubens. 2. Spekulation ((Kalem). 3. Moral. Aber vielfältige Interpretationen sind möglich. Neben Sunniten und Schiiten gibt es noch andere Gruppen im Islam. So etwa die Ibadier. Sie sind vor allem im Sultanat Oman verbreitet. Sie berufen sich mehr auf Abraham als auf Mohammed. So sind sie auch toleranter und offener gegenüber den Katholiken und Protestanten (6% im Oman). Es herrscht Religionsfreiheit. Die religiösen Führer werden auch demokratisch gewählt.  Die größte Moschee Deutschlands wird im September 2018 in Köln-Ehrenfeld eingeweiht. Sie wurde vom türkischen Trägerverein Ditib gebaut. Es war auch der türkische Präsident Erdogan anwesend. Die Moschee hat Platz für 1100 Gläubige, ist 30 Mio. € teuer und hat 55 Meter hohe Minarette. Die Koran-Sure 4, Vers 34 ist wahrscheinlich die umstrittenste. Sie fordert Männer auf, ihre widerspenstigen Frauen zu schlagen. Vgl. auch den speziellen Abschnitt über den Islam.

Das Jesidentum ist eine der ältesten (monotheistischen) Religionen der Welt, das Motive des Judentums, des Christentums und und des Islams vereinigt (bis vor 2000 vor Christus). Es gibt auch Elemente des altpersischen Zoroastrismus und des Schamanentums. Zentral in der Religion ist die Reinkarnation und Melek Taus (Engel Pfau, der Gott als Mittler zu den Menschen dient). Der wichtigste heilige Ort der Religion liegt in Lalisch, einem abgelegenen Tal im norden Iraks. Dort befindet sich das Grab von Scheich Adi, der im 12. Jahrhundert starb. Die Jesiden verehren ihn als Heiligen. Jeside wird man durch Geburt (beide Elternteile Jesiden). Bei Ehen mit Nicht-Jesiden verlieren Gläubige ihre Religionszugehörigkeit (Übertreten und Bekehrung nicht möglich). Die Siedlungsgebiete der Religion liegen im Nordirak, im Norden Syriens und im Südosten der Türkei. Der IS hat Tausende der Jesiden entführt, gefoltert und getötet (Frauen vergewaltigt und verkauft). Die Anzahl der Jesiden wird weltweit auf 200.000 bis 800.000 geschätzt. Die Gemeinden in Deutschland umfassen 2016  60.000.

Ein weiteres gutes Beispiel für die Bedeutung von Religion/ Kultur ist Indien. Seit Jahrhunderten gliedert ein komplexes Kasten-System die Gesellschaft. Jeder dient in der Kaste, in die er geboren wurde. Diese Ordnung bleibt relativ stabil. Die Hindu-Religion vereint eine Vielzahl von Sekten, Kulten und Traditionen. So sprechen Experten mehr von Hindu-Traditionen. Die erste Hochkultur in der Region des Flusses Indus gibt es von 2600 v. Chr. - 1800 v. Chr. Im siebten und sechsten vorchristlichen Jahrhundert dominiert kulturell der Brahmanismus. Das religiöse Denken kreist um "Brahman", den Wesensgrund der Welt, der als Einheit stiftende und alles bewirkende Prinzip von den sinnlichen Erscheinungen in der Welt differenziert wird. Die erlösende Verschmelzung des Atman (individuellen Bewusstsein des Weisen) mit der Alleinheit des Brahman ist das Ziel des Heilsweges, der aus dem frustrierenden Kreislauf des schmerzlichen, dem Materiellen und der Begierde verhafteten Menschenleben herausführt. Die Vorstellungswelt der Upanishaden kennt schon Seelenwanderung und Karma sowie Samsara. Um 530 v. Chr. beginnt der Buddhismus in Indien, der wesentliche Elemente des Brahmanismus übernimmt. Um 530 v. Chr. beginnt der Buddhismus in Indien. Höchstes Fest des Hinduismus ist das Diwali-Fest (aus dem Sanskrit-Wort Deepavali - Lichterkette). Es ist zu Ehren der Gottheit Lakshmi (Wohlstand, Reichtum). Es ist vergleichbar unserem Weihnachten und gleichzeitig Neujahrsfest. Geschenke, Neuanschaffungen und Familie gehören dazu. Am bekanntesten bei uns durch die Berichte der Kolonialisten ist wohl die Göttin Kali (mit Toten-Schädel, nackt). Die heiligste Stadt des Hinduismus ist Varanasi (Stadt des Gottes Shiva; liegt im Gangestal rund 200 km südlich des Himalaja; 3,2 Mio. Pilger kommen jährlich). Mit dem Wasser des Ganges kann man die Sünden abwaschen (Ganga Mata). Zwei Elemente des Hinduismus sind bei uns besonders bekannt: Wiedergeburt und Erlösung, sowie die heilige Kuh und die vegetarische Ernährung. (Vgl. spezielle Artikel zum Daoismus und Islam auf dieser Seite). Kern des Hinduismus ist das "Karma". Es ist eine Art Weltgesetz von Ursache und Wirkung. Der Hinduismus hat eine komplexe Struktur der Reziprozität entwickelt, woraus Ökonomen einiges lernen können (Kühe, Land, Gold u. a.). Eines der bekanntesten Werke der indischen Literatur und des Hinduismus ist die Bhagavad Gita. Es ist Tel des Epos Mahabharata. Es besteht aus einer Reihe von Zwiegesprächen.  Eng verbunden mit der Hindu-Kultur sind Yoga, Ayurveda und Naturheilkunde. Der Hinduismus hat wie auch die anderen Religionen eine Reihe von Festen und Feiertagen. Bekannt ist das Chhat Puja - Fest, das der Sonne gewidmet ist als Spenderin von Leben, Glück und Frieden. Das größte religiöse Festival der Welt ist "Kumbh Mela". Es dauert sieben Wochen und wird am Zusammenfluss von Ganges und Yamuna in Prayagraj alle drei Jahre begangen.  Nach einem Mythos werden "Tropfen der Unsterblichkeit" aus dem Krug (Kumbh) vergeben. Die indische Regierung hat zur Zeit sogar einen Minister, der sich um Yoga kümmert (Naik, auch der Premierminister ist Yoga-Fan). Yoga könne den Lebensstil verändern, Bewusstsein schaffen und sogar gegen den Klimawandel helfen. In Hamm-Üntrop steht der größte Hindu-Tempel in Deutschland und der zweitgrößte in der EU. Ca. 100.000 Hindus leben in Deutschland. ("Das Dharma ist die Stütze der ganzen Welt. In der Welt schleichen sich die Lebewesen an den Dharmahaftesten an, durch Dharma beseitigen sie das Übel. Im Dharma steht alles; deshalb nennen sie den Dharma das Höchste", Manus Gesetzbuch).  "Glück ist, wenn deine Gedanken, deine Worte und dein Tun im Einklang sind", Mahatma Gandhi. Am bekanntesten bei uns ist Yoga, insbesondere die Yoga-Atmung. Die Atemtechniken sind unter dem Begriff "Pranayama" zusammengefasst ("Prana" heißt auf Sanskrit "Lebensenergie", "Yama" heißt "Kontrolle"). Ende 2018 schlüpfen zwei Frauen in einen Sabarimaliatempel in der Provinz Kerala im Süden Indiens. Daraufhin kommt es zu Protesten radikaler Hindus (Tote, 15 Verletzte), weil Frauen der Zutritt verboten ist. Es geht im Grunde genommen um die Beibehaltung des Patriarchats.

Exkurs: Kumbh Mela. Es ist das größte religiöse Fest der Welt und das größte Zusammentreffen der Hindus. Es wird alle 12 Jahre gefeiert (dazwischen kleinere Feste) 2021 ist es wieder so weit. Treffpunkt ist diesmal Haridwar am Ganges. Die Stadt liegt im Bundesstaat Uttarakhant in Nordindien. Hier ist das Wasser des Ganges noch relativ sauber, aber kalt (das Fest ist von Mitte Januar 21 bis April 21). Auftakt ist das Ritual Makar Sakranti. Bei dem ganzen Fest geht es um Seelenreinigung, damit der Weg zum Himmel gelingen kann. Das Fest geht auf einen Mythos zurück: Götter und Dämonen stritten sich um einen Krug. Deshalb spricht man auch von Krugfest. Die Sicherheitsvorkehrungen sind sehr hoch (Online -Anmeldung, Corona-Test, Temperaturmessung, Abstand). Aber die Hindus sind eher sorglos, weil sie an eine Reinigung und an den Schutz durch das Wasser des Ganges glauben. Auch noch 2021 könnte das Fest zu einer Viren-Schleuder werden. Die Inzidenz - Zahlen sind sowieso drastisch hoch.

Exkurs: Hindu-Tempel in Hamm-Uentrop: Es ist der größte Hindu-Tempel Kontinentaleuropas (Grundfläche 27 mal 27 Meter). Er ist das Zentrum des Hinduismus im Exil. Er ist Kamadchi gewidmet. Es findet ein Tempel-Jahresfest (14. Juli) statt und eine Prozession zum Kanal (ersetzt den Ganges). Man findet 200 Gottheiten. Auch in Deutschland gibt es wie in Indien keine zentrale religiöse Institution, einen einheitlichen Religionsstifter oder ein gemeinsames Glaubensbekenntnis.

In Nordindien entstand im 15. Jahrhundert der Sikhismus. Sikh ist ein Wort aus dem Pandschabi (Sprache des Pandschab) und bedeutet Schüler. Religionsgründer war der Guru Nanak. Ursprünglich sollte diese Religion die Spannungen zwischen Hindus und Moslems in Indien überwinden. Die Mitglieder der Religion fallen vor allem durch ihre Namen und Kleidungsvorschriften auf. Die Religion ist eng mit einer tugendhaften Lebensführung verbunden. Frauen werden nicht diskriminiert. Das Streben nach Wohlstand und Ansehen wird befürwortet.

Eine weitere Religion in Indien ist der Jainismus. Er wurde von Mahavista (599 - ca. 527 v. Chr., bürgerlich Nataputta Vardhamana) gegründet. Die Jainas glauben auch an Karma uns Reinkarnation. Das Endziel des Lebens ist die Seele aus dem Kreislauf der Wiedergeburt zu befreien (Samsura). Alle Lebewesen besitzen eine Seele.

In China herrscht kulturell das Konzept einer "Harmonischen Gesellschaft". Konfuzianismus (Morallehre von Konfuzius). Im Zentrum stehen Respekt, Tradition und die richtigen Verhaltensweisen.  Moral ist wichtiger als Recht; Modulsystem der Sprache (200 Einzelmodule), das von der Technik her auch auf die Wirtschaft übergreift. Der Konfuzianismus geht von der Ungleichheit der Menschen aus, die durch fünf Beziehungen miteinander verbunden sind. Die Beziehungen sind Vater-Sohn, Herrscher-Untertan, Ehemann-Ehefrau, älterer Bruder-jüngerer Bruder (oder Schwestern), älterer Freund-jüngerer Freund oder Schüler). Dazu gibt es fünf klassische Schriften (Jing: Buch der Wandlungen, Buch der Lieder, Buch der Geschichte, Buch der Riten, Frühlings- und Herbstanalen).  Seine Lehren und die Schriften seiner Schüler sind bekannt als Lunyu (Discussions und Sayings). Im Zentrum steht die Idee der ethischen menschlichen Beziehungen und der moralischen Kultur als Grundlage sozialer und politischer Harmonie (wurde von der KPC übernommen als Legitimierung der Herrschaft). Besonders hervorzuheben sind Bildung und Pietät. Der Konfuzianismus ist am Diesseits orientiert. Daneben Taoismus bzw. Daoismus (Naturströmung bzw. Weltanschauung, die auf Laotse oder ein Autorenkollektiv zurückgeht, vgl. meine Darstellung weiter oben; Daojiao, vom Begriff "Dao - Weg; der Daoismus ist mehr jenseitig orientiert) und Buddhismus mit ihren tradierten mythologischen Vorstellungen. Zentrum waren die heiligen Berge Chinas (10, 5 Berge des Taoismus und 5 des Buddhismus, + Huang Shan), von wo auch heute bei uns bekannte Lebensformen kamen wie Feng Shui (Lehre von Wind und Wasser), Kungfu, Qi Gong und Tai Chi (sie gingen vom Atmen aus). Der Wutai Shan ist der heiligste Berg, wo der Buddhismus zuerst in China Fuß gefasst hat.   Es gibt dort heute noch über 100 Klöster. Er liegt relativ nahe bei Peking. Der Huashan, einer der fünf daoistischen Berge in der Provinz Shaanxi, ist die Residenzstätte der Götter der Unterwelt und bekannt für heilende Kräuter (Einheit des Menschen mit der Natur, Einfachheit, Weg der Freiheit). Die taoistische Philosophie lehrt die Harmonie von Mikro- und Makrokosmos, lebt von der Liebe zur Natur und von Gelassenheit. "Zhi dao" heißt "den Weg kennen" und ersetzt unser Wort "Wissen". Es steht für eine gewisse Flexibilität in der Kultur. Es gibt eine spannungsgeladene Einheit von Gegensätzen. Die beiden Kräfte "yin" und "yang" werden graphisch durch einen Kreis dargestellt, der durch eine S-Kurve geteilt ist. Je mehr der Mensch in die Schöpfungsgeschichte und den Verlauf der Natur eingreift, desto unheilvoller entwickelt sich die Natur. Deshalb gibt es die Haltung des "Wu wei", sich nicht aktiv in das Leben der Natur einmischen. Es geht um das anstrengungslose, ganz natürliche Tun, bei dem einer absolut in Einklang mit sich selbst und der Umwelt ist. Zentrale Einheit ist das "Qi", die Strömung von Lebensatem und Energie. Die Tradition des Daoismus hat ihren Ursprung historisch in der Zeit der "Warring States" (475-221 BC). Es geht auch um die Praktizierung von Ritualen und Meditation. Der Daoismus ist Chinas älteste und ureigene Religion bzw. Weltanschauung. In neuerer Zeit spricht man auch von Shenismus und meint damit die Integration anderer Religionselemente (etwa aus dem Buddhismus). Wer auf den Wolken geht, der lässt sich treiben , schweift umher, wird zum Vagabund. Deshalb sprechen die Daoisten von Wolkenläufern (Yunyou). Menschen sollten reisen, um sich zu verlieren, sich zu vergessen. Das Dao ist überall, solange einer nur offen ist. Vgl. A. Köckritz: Wolkenläufer, München 2015, S. 18f. Der Konfuzianismus als hierarchisches Ordnungssystem wird eher von den oberen Zehntausend (Beamten, Kader) als Morallehre  beachtet. Keine Religion wächst derzeit allerdings schneller als das Christentum. China und Indien erobern langsam die Welt. Damit werden auch die Religionen dort immer mehr ins Blickfeld rücken. In China gibt es 11 Millionen katholische Christen 2018 (Statistik ungenau, da nicht offiziell erfasst).. Ca. die Hälfte sind "patriotische Christen", die dem Regime treu sind  und bei denen der Staat die Bischöfe ernennt. Die andere Hälfte muss im Untergrund leben, bei denen ernennt Rom die Bischöfe. Im Frühjahr 2018 finden zwischen China und dem Vatikan Verhandlungen für ein Konkordat statt. Es gibt in China die Institution der "Familienkirche". Kirche wird zur Privatsache erklärt und findet oft in Privaträumen statt. Trotzdem hat die Kontrolle unter Xi Jinping zugenommen - wie von Christen berichtet wird.   Interessant ist auch die Shaolin - Philosophie, die der buddhistische Gelehrte Bodhidharma im 8. Jahrhundert aus Indien in ein chinesisches Kloster in Henan brachte. Es geht um das Geheimnis innerer Stärke. Aber auch Kampftechniken wie Kung Fu und Qigong spielen eine Rolle. Acht Leitsätze beinhaltet die Shaolin -Philosophie: 1. Ich lerne jeden Tag mehr über mich selbst. 2. Ich kontrolliere meine Gedanken. 3. Ich achte auf meine Gefühle und lerne, sie anzunehmen, aber auch loszulassen. 4. Ich bin gefestigt und übernehme Verantwortung für mich und für andere. 5. Ich wertschätze meinen Körper und achte auf mich. 6. Ich acht und wertschätze andere Menschen. 7. Ich richte meinen Blick mit Gelassenheit auf das Wesentliche. 8. Ich lebe im Hier und Jetzt und nehme an, was geschieht. Diese Leitsätze haben mittlerweile auch Eingang gefunden ins Coaching und ins Energie- und Bewusstseinstraining. Vgl. Späth, T./ Bao, S. Y.: Shaolin, München 2011 (Umschlag).   "Die Weisheit des Lebens besteht im Ausschalten der unwesentlichen Dinge", aus China. Der chinesische Taiping-Aufstand ist mit rund 20 Millionen Menschen der blutigste Bürgerkrieg der Menschheitsgeschichte. Mitte des 19. Jahrhunderts kämpfen kaiserliche Armeen gegen die Anhänger einer christlichen Sekte. Deren Gründer (Hong) hält sich für den Bruder von Jesus. Die Rebellenarmee ist schlagkräftig, weil die Frauenregimenter gut kämpfen. Der Konfuzianismus lehrt unter anderem Respekt vor Senioren. In Japan gibt es inzwischen (2015) so viele über -Hundertjährige, das sie zur Last werden (Ehrungen sind aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich). Insgesamt gibt es in China  fünf Religionen: Buddhismus, Daoismus, Islam, Katholizismus, Protestantismus (daneben noch Sekten). Wichtig ist den Menschen ehr die spirituelle Praxis (Xiuxing). Deshalb bewegen sich die Menschen oft in mehreren Religionen (Shenismus). "Sind die Menschen weise genug, die Wurzeln ihres Lebens tief im subtilen Untergrund zu verankern, nehmen die alltäglichen Dinge des Lebens ihren natürlichen Lauf, und ohne Zutun erwacht Harmonie. Dann verbreitet sich im Universum eine friedliche Ordnung und die Einheit entsteht wieder von selbst", Laotse (wichtigster Philosoph des Daoismus). 2016 untersagt China Staatsdienern die Teilnahme am Ramadan. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass die Religionsfreiheit für Muslime in Xinjiang noch nie so groß gewesen sei. Im September 2018 kommt ein Abkommen zwischen China und dem Vatikan zustande. Es regelt die Ernennung von Bischöfen in China. Details des Deals sind unbekannt. Diplomatische Beziehungen bahnen sich an. Kritik kommt vom Bischof aus Hongkong wegen fehlender Religionsfreiheit in China. 

Dieses Shinto - Tor steht im Otto Leege Pfad auf der ostfriesischen Insel Juist. Leege beschäftigte sich intensiv mit der Verbindung von Mensch und Natur. So übernahm er einige Ideen aus dem Shintoismus. Leege war Lehrer auf der Insel. Das Leben auf den Inseln ist nur im Einklang mit der Natur möglich.

In Japan spielt der Shintoismus (von Kami no mishi - der Weg der Götter) eine als Naturreligion große Rolle mit Pflichttreue, Selbstbeherrschung. Zentral sind Ahnenkult und Naturverehrung (Naturereignisse sind göttlich; Schreine werden an landschaftlich schönen Orten errichtet). Höchste Götter sind die Kami, die ihren Sitz auf dem heiligen Berg Fuji haben. Es gibt viele Götter und Menschen, Tiere und Pflanzen können zu Göttern werden. Höchster Gott ist die Sonnengöttin Amaterasu, von dem der Kaiser sich ableitet. Der Tod hat keine große Bedeutung, so dass der Verstorbene kann noch ein paar Jahre Einfluss auf die Lebenden nehmen, bevor er ins Reich der Ahnen eingeht. Ein Kernwert des Shintoismus ist auch die Hygiene. Reinlichkeit spielt so im Alltag Japans eine große Rolle (vor Betreten eines Schreins Hände und Mund waschen, auch vor Sumu-Kampf). Alle 20 Jahre werden wichtige Schreingebäude abgerissen und detailgetreu wieder aufgebaut (neue Kraft für die Götter; Verfall des Holzes stoppen; Scheu vor Unreinheit). Japanische Schrift besteht aus Kanji (von den Chinesen übernommen, im 5. Jahrhundert durch buddhistische Mönche aus Korea) und Mayogana (Hiragana- und Katakana - Silbensystem: das erste früher von Frauen benutzt und runder, das zweite eckiger aussehend von Mönchen benutzt, Fremdwörter). Ende Mai 2016 treffen sich die G7 in Ise-Shima in Japan (seit fast 2000 Jahren steht dort der Shinto-Schrein). Es ist der heiligste Ort des Shintoismus. Bekannt ist auch ein uraltes Pilgerritual: Yamabushi, das bis vor kurzen nur Männern erlaubt war. Es geht um eine Wanderung zu den heiligen Bergen (Haguro, Gassan, Yudono) und ihre Besteigung. Handys, Uhren, Zähneputzen sind nicht erlaubt. Die Pilger tragen Strumpfschuhe, um durch die dünnen Gummisohlen die Erde zu spüren, und eine spezielle weiße Kleidung. Mottos sind "uketamau" (ich akzeptiere) und "otachi" (los, weiter).

Der Zen-Buddhismus (Zen kommt von Dhyana; Geist sammeln; in China ch´an; in Japan als Zen ausgesprochen; man könnte die Chan-Tradition als Vereinigung von Buddhismus und Daoismus ansehen)  der seine Ursprünge vor über 2500 Jahren in Indien hat, kam über China (Chan) nach Japan und ist mittlerweile spirituell im Westen am erfolgreichsten. Der Buddhismus gelangte im 6. Jahrhundert n. Chr. nach Japan. Die japanischen Komuso (wörtlich: "Priester des Nichts") gehörten einer Schule des Zen-Buddhismus an. Ihre Tradition entstand um etwa 1600. Im Vordergrund steht die Erlösung durch Selbsterkenntnis. Ein Buddhist strebt an, dass seine Individualität im Nirwana erlischt (das erklärt am besten die kollektivistische Kultur). Die Religion geht auf Siddharta Gautama zurück, der später zum Buddha ("Erwachet") wurde. Sein Geburtsort ist das nepalesische Lumbini (wurde unter einem Baum von seiner Mutter geboren). Dort lebte er vor dem 6. Jahrhundert vor Christi (neuere Forschungen aufgrund älterer Tempelanlagen in Nepal bestreiten die Lebenszeit von 563-483 vor Chr.). Siddartha verkündete seine Überzeugungen in Nordindien, sammelte Anhänger um sich und bekämpfte auch die strenge Einteilung der Menschen in Kasten. Über die alten Handelswege kam der Buddhismus nach China, Korea, Japan und in viele andere Länder. Der Buddhismus ist mehr als nur eine Religion (das macht ihn meiner Meinung nach auch im Westen so attraktiv). Er stellt eine Lebenshaltung und -philosophie dar. Der Buddha ist Erkenntnis und wahres Wissen. In Japan ist Shikoku die größte buddhistische Kultstätte (eigentlich nur für die Shingon-Schule). Im 20. Jahrhundert breitete sich der Zen-Buddhismus auch bei Christen in Europa und Nordamerika aus. Er wird als Meditationstechnik begriffen, die zu Work-Life-Balance führen kann. Es gibt auch Christen in Japan . Im Norden Japans gibt es ein Dorf namens Shingo, wo angeblich Jesus begraben liegt (er soll 106 Jahre alt geworden sein, "Kirisuto Matsuri" ). Japan ist eher ein polytheistisches Land (viele Menschen leben die Rituale mehrerer Religionen). Vgl. meinen Aufsatz "Das Japan-Paradoxon". In Sasaguri im Westen Japans ist die weltgrößte Statue eines liegenden Buddha. Sie ist 41 Meter lang, elf Meter hoch und rund 300 Tonnen schwer. einmal im Jahr wird der Buddha des Nanzoin - Tempels einer rituellen Reinigung unterzogen. Man spricht von Susuharai-Prozedur. Sie erfolgt traditionell zum Jahreswechsel.   Es gibt keinen einheitlichen Buddhismus, sondern neben dem eben beschriebenen japanischen einen koreanischen, einen thailändischen, einen chinesischen und einen tibetischen. Allein in Tibet sind vier Richtungen zu unterscheiden, die unabhängig voneinander sind. Der Dalai Lama hat keine Weisungsbefugnis; er ist eher das weltliche Oberhaupt des Landes aus dem Exil in Dharamsala/ Indien. (deshalb vor allem der Konflikt mit der VR China). Die Institution des Dalai Lama und seine Institutionalisierung kennt man erst seit dem 14. Jahrhundert. Der jetzige Dalai Lama bezieht seine weltweite Autorität aus seinem Charisma, seiner Persönlichkeit, seinem großen Netzwerk und seinem persönlichen Schicksal.    "Wo jeder lärmend sich einengt, wird man niemals zur Vernunft kommen", Buddha. Anfang 2014 wird einer der wichtigsten buddhistischen Zentren in Tibet und China bei einem Großbrand völlig zerstört. Es handelt sich um Dukezong. Da die über 1000jährigen Bauten aus Holz waren, hatte das Feuer leichtes Spiel. In Traben-Trarbach an der Mosel gibt es ein Buddha-Museum in einem Weinkeller (vom Unternehmer Preuß aus Mainz eingerichtet). Dort kann man über 2000 Buddha-Figuren aus verschiedenen Regionen und Epochen bewundern. Die höchste Budddha-Statue in Deutschland und Europa steht in Hannover vor dem bundesweit größten buddhistischen Kloster (7 Meter hoch). Im Westerwald gibt es das buddhistische Kloster Hassel. Vor allem am höchsten Fest "Vesakh" pilgern dort viele Menschen hin. Es ist immer der erste Vollmond im Mai. An diesem Tag wird die Geburt, die Erleuchtung und das Sterben von Buddha gefeiert. Es geht dabei vor allem um den Theravada-Buddhismus (vor allem in Sri Lanka, Burma, Thailand).

Grundprinzipien des Buddhismus: 1. Alles ist veränderlich. 2. Alles ist zusammengesetzt. 3. Leben ist Leiden. 4. Es gibt einen Ausweg aus dem Leiden. 5. Das Nirwana ist die Befreiung. 6. Karma ist das Gesetz von Ursache und Wirkung. 7. Die Wiedergeburt (Reinkarnation). 8. Erfahrung. Man nähert sich der Religion durch Praxis. Das Dhammapada ("Worte der Lehre") ist eines der populärsten buddhistischen Werke. Es ist eine Sammlung von über 400 Versen. Meditation ist ein weiteres wesentliches Element des Buddhismus. Das ist ein Zustand innerer Ruhe und Klarsicht. Zentraler Ort für die Verbreitung der Schriftreligion aus Indien war die uralte indische Universität Nalanda. Vgl. Der Spiegel: Geschichte, 6/ 2018. Der Buddhismus, S. 28f. Rund 500 Mio. Menschen weltweit bekennen sich zum Buddhismus, er ist die viertgrößte Religion der Erde. Im Jahre 2016 zeigt das Weltkulturerbe Völklinger Hütte die Ausstellung "Buddha" Meisterwerke buddhistischer Kunst aus 2000 Jahren (Juni 2016 bis Januar 2017). Schon die alten Griechen hatten Verbindungen zum Buddhismus. Im Mittelalter basierten deutschsprachige Erzählungen über christliche Heilige auf der Legende von Buddha. Später machten Nietzsche, Wagner, Hesse und Schopenhauer den Buddhismus populär (vgl. Olaf Beuchling in Der Spiegel, Nr. 13, 24.3.2018, S. 62.). Selbstfindung, Meditation, Achtsamkeit - alles, was heute im Trend liegt, stammt aus dem Buddhismus. Der Buddhismus ist keine exklusive Religion. Seine Toleranz beruht auf der Position der Stärke. Der wichtigste buddhistische Tempel in China ist der Lama-Tempel in Beijing. "Die Einfachheit ist der Schlüssel zum Augenblick. Sie verschafft Zugang zu den wunderbarsten Reichtümer." Drukpa Rinpoche (tibetischer Meister).

Exkurs: Buddhismus-Sammlung in Traben-Trabach. In dem Städtchen an der Mosel gibt es die europaweit größte Sammlung fernöstlicher Kultgegenstände. Das Buddha-Museum liegt direkt an der Mosel. Die Ausstellungsgegenstände stammen aus Indien, Afghanistan, Vietnam, Thailand, China, Tibet und Japan. Manche sind bis zu 1700 Jahre alt. Der Privatsammler Preuß hat das Museum gestiftet.

Exkurs: Buddha-Dorf in der Westpfalz: In Niedersimpten bei Pirmasens gibt es 108 Buddhastatuen. Es gibt einen buddhistischen Tempel, in dem Mönche leben. Der Ort ist auch etwas rätselhaft: Kamele begrüßen den Besucher am Straßenrand. Schwere Panzer rosten in einer Seitenstraße vor sich hin.

Exkurs: Lamaismus: In Tibet gibt es eine spezielle Form des Buddhismus, den Lamaismus. An der Spitze steht der Dalai Lama, der jeweils als Kind auserwählt wird. Der jetzige Dalai Lama wird am 05.07.20 85 Jahre alt. Er gibt zu seinem Geburtstag eine CD heraus, die meditative Musik enthält. Er lebt im Exil in Daressalam in Indien. China verfolgt ihn, weil er zugleich geistliches und weltliches Oberhaupt von Tibet ist. Deshalb beschuldigt in China des Separatismus. 1989 hat der Dalai Lama den Friedensnobelpreis bekommen. Der Dalai Lama veröffentlichte mehrere Bücher. Darin setzt er sich vor allem für Mitgefühl ein. Die sei entscheidend gegen Stress, der unser Immunsystem zerstöre. Der Lamaismus war auch die Rechtfertigung für die Theokratie in Tibet.  Das war kein Paradies der Werte, sondern Unterdrückung und Ausbeutung der Bevölkerung durch eine kleine geistliche Elite.  Der Lamaismus lebt heute in Indien fort (siehe oben). Besonderheiten des Tibetischen Buddhismus: Er gehörtzum Mahayana-Buddhismus. Er verspricht einen schnelleren Ausweg aus dem leidvollen Kreislauf der Wiedergeburten. Durch anspruchsvolle spirituelle Übungen (Tantra, Yoga) kann der Mensch Erleuchtung innerhalb des Lebens erlangen. Es bedarf enger Beziehungen des Meisters, dem Lama, mit seinem Schüler. Sehr populär sind Bodhisattvas, erleuchtete Wesen (sie könnten ins Nirvana einziehen, entscheiden sich aber für den Meister). Der Dalai-Lama gilt als menschliche Erscheinungsform. Lama bedeutet "Hoher Priester".  In China mit Tibet als autonomem Gebiet leben heute etwa 250 Mio. Buddhisten - die Hälfte aller Buddhisten weltweit.

Exkurs. Kalachakra Initiation/ Bodh Gaya: Kalachakra heißt übersetzt "Rad der Zeit". Am besten sieht man sich dazu den Film von Werner Herzog an, der "Rad der Zeit" heißt und 2003 gedreht wurde (auch in der Edition der meisten Filme von Herzog zum 80. Geburtstag 2022). Er spielt in Bodh Gaya/ Indien, am Kailash/ Tibet und in Graz/ Österreich. Bodh Gaya ist ein heiliger Ort des Buddhismus (ca. 3000 Einwohner). Hier kam Siddharta Buddha zum Bodi - Baum (heute in der 5. Generation) und hatte seine Erleuchtung. Bodh Gaya liegt am Ganges in der Nähe von Kalkutta. Hier fand 2003 im Jahr des Pferdes eine Kalachakra-Initiation statt. Es kamen 500.000 Menschen (aus Nepal, Tibet, Mongolei, Bhutan, Indien, Thailand u. a.). Hier steht die Stupa, eines der höchsten Heiligtümer. Am Fest wird das Sankt Mandala gelegt. Es ist eine innere Landschaft in Form einer Malerei (das Rad der Zeit im Zentrum). Sie wird vom Dalai Lama begonnen und von den höchsten Priestern beendet. 720 Gottheiten werden visualisiert. Höchstes Ziel ist die Leere als endgültige Wirklichkeit. Weitere heilige Orte sind Spiti in Nordindien (hier kam der Buddha zuerst hin, er startete in Nepal) und der Kailash. Der Kailash gilt als Zentrum des Universums. Er ist ein heiliger Ort für Buddhisten und Hinduisten ("kostbares Schneejuwel"). Man umrundet den Kailash auf 5000 m Höhe (52 km, 3 Tage). Einige Pilger sterben dabei, weil sie die Höhe nicht gewohnt sind. Es geht um Aufhebung von schlechtem Karma. Der Dalai Lama spricht sich für Hineinversetzen in jede Religion aus, um Frieden zu stiften und erreichen. Jeder sollte aber bei der Religion seiner Kultur bleiben. Der Buddhismus ist eine Religion des Alltags, ähnlich dem Islam.

Exkurs: Geschichte der christlichen Missionierung in Japan: Nach dem Konzil von Trient schickte die katholische Kirche Mitte des 16. Jahrhunderts Missionare nach Japan. Der erste Missionar war Franz Xaver.  Am bekanntesten wurde Pater Louis Sotelo, der nach Sendai kam. Die Franziskaner missionierten im Gegensatz zu den Jesuiten eher das einfache Volk. In Japan stritten Reiche miteinander. Für Sendai zuständig war ein Shogun, direkt für die Region hatte Date Masozoumi die Verantwortung. Er machte sich Hoffnung, über die Franziskaner das nötige Schiffs-Know-how und den Seeweg nach Neu-Spanien (heute Mexiko) zu finden (einschließlich einer Handelserlaubnis). Den Shogunen selbst waren Christen suspekt, so dass sie 1597 26 Christen foltern ließen und später kreuzigen. Das war in Nagasaki, das die Christen zu einer Handelsmetropole gemacht hatten. Pater Sotelo sollte eigentlich auch sterben, wurde dann wegen der Handelshoffnung begnadigt. Spanien hatte quasi ein Monopol auf den Handel mit dem neuen Kontinent Amerika. Mithilfe der Spanier und der Holländer gelang es schließlich, ein hochseetüchtiges Schiff zu bauen. Mit diesem brach man 1613 nach Neu-Spanien auf (Sotelo, der Samurai Hasekura und ein Spanischer Kapitän). Sie erreichten 1614 Acapulco in Mexiko. An Bord hatte man vor allem Stoffe (auch Seide). Man erreicht in der Hauptstadt beim Vize-König eine Erlaubnis, die Waren zu verkaufen gegen Taufe zum Katholizismus. Die Handelserlaubnis konnte nur der spanische König geben. Also reisten Sotelo und Hasekura mit einem anderen Schiff nach Sevilla (Handelsmetropole für den Handel mit Amerika; am meisten entsetzte man sich über den Gott am Kreuz). Dann ging es weiter nach Madrid. Auch Hazekura ließ sich im Beisein des Kaisers noch taufen für die Erlaubnis. Das war aber sinnlos, weil die Shogune in Japan nach der Vereinigung des Reiches das Christentum verboten und alle Handelsbeziehungen abbrachen bis 1867 (Ausnahmen nur für die Ostindische Company). Sotelo starb den Märtyrertod, Hasekura wurde geächtet. Die Hintergründe werden zum Teil im neuen Film von Scorsese geschildert ("Silence").

Es hat auch wohl einen Ideentransfer vom Buddhismus zum Christentum gegeben. Bis 2001 galten die Protagonisten des im Mittelalter weit verbreiteten christlichen Romans " Barlaam und Josaphat" als katholische Heilige. Vergleiche mit der Buddhalegende sprechen heute eher für einen Transfer entlang der Seidenstraße. Die Figur des Josaphat ähnelt in vieler Hinsicht Prinz Siddartha. Beide suchen einen Weg, ein Leben ohne Leid zu erreichen. Josaphat entsagt dazu der Welt, um sich in Askese Gottes Gnade zu erfahren, Siddartha übt sich in Meditation, um sich selbst zu befreien. Beide Religionen wurden politisch auch immer wieder instrumentalisiert. Der italienische Jesuit Ippolito Desideri studierte in Tibet den Buddhismus. Er brachte im 18. jahrhundert erstmals fundierte Informationen über die fremde Religion in den Westen.

Vom Gottesbild zum Menschenbild: Im antiken Ägypten (aber auch in Babylon oder bei den Kelten) bei den Pharaonen lautete die Selbstdefinition Gottes: "Ich bin, was da ist" (Inschrift auf einer Stehle). Gott definiert sich als das Seiende, die Natur. Der Gott Israels, der alle anderen monotheistischen Richtungen geprägt hat, wird im alten Testament wie folgt beschrieben: "Ich bin, der ich bin. Gott hat Dich bei Deinem Namen gerufen". Beim ersten Gottesbild geht es um die Ein- und Unterordnung des Menschen gegenüber der Natur. Beim zweiten Gottesbild geht es nur um die Akzeptanz der Natur in Anbetracht des Schicksals des Einzelnen. Das ist  die Grundlage des humanen Denkens. Der einzelne wird bei seinem Namen gerufen. Nicht das Kollektiv, nicht die große Zahl, sondern Gott widmet sich jedem einzelnen. Darin ist die Würde des Menschen begründet. Das ist im Kern auch die Ursache unterschiedlicher Vorstellungen über Menschenrechte im Westen und in China. China ist im Menschenbild antiker Natur-Religionen stehen geblieben.

Alle Religionen glauben an eine übermenschliche Ordnung (auch die Naturreligionen). Auf Grundlage dieser übermenschlichen Ordnung stellt die Religion Normen und Werte auf (vgl. Yuval Noah Harari: Eine kurze Geschichte der Menschheit, München 2013, S. 254). Die Normen und Werte stabilisieren auch immer die weltliche Ordnung und die ökonomische Struktur. Andererseits sind die offizielle Religion und ihre Anhänger immer einander etwas fern. So bleibt Spielraum für übersinnliches Denken und Aberglaube. Vgl. auch Bernhard Uhde: Warum sie glauben, was sie glauben. Weltreligionen für Andersgläubige und Nachdenkende, Freiburg (Herder) 2013. Religiöser Glaube birgt aber immer ein Paradoxon: Auf der einen Seite gibt er dem Menschen Kraft. Auf der anderen Seite kann er Gewalt und dem Bösen Legitimation und eine höhere Begründung geben. Während Europa eher in einer postreligiösen Phase lebt (Bedeutung der Religion geht zurück; Säkularisierung), scheint weltweit der Einfluss der Religion zuzunehmen (genauere Messungen gibt es nicht). Hier ist an erster Stelle der Islam zu nennen. Beunruhigend wird es, wenn bei Fanatikern Diskussion nicht mehr möglich ist, weil sie in göttlichem Auftrag handeln. Der Islamismus und der islamische Staat sind eine der wichtigsten und einflussreichsten Tendenzen unserer Zeit.  "Der Deutsche Juristentag in Hannover diskutiert 2014, ob die Gesetze noch passen, wenn manche Täter sich auf eigene kulturelle oder religiöse Regeln berufen. Die Juristen sind sich einig: Regeln außerhalb des deutschen Rechts sind kein Grund zur Milde. Eine Paralleljustiz darf es nicht geben". Der Soziologe Phil Zuckermann ist weltweit der erste Professor für Atheismus (Pitzer College Los Angeles). Modernisierung führt nicht zwangsläufig zur Verweltlichung. Global wächst das Religiöse. Die Hamburger Sunday Assembly ist eine Art Kirche für Atheisten. Einmal im Monat treffen sie sich. Sie diskutieren über Werte und feiern das menschliche Dasein.

Eine besondere Rolle innerhalb der Religionen spielen die Sekten und ähnliche Strömungen. Sie sind meist aus dem Protestantismus hervorgegangen. Sie legen oft ihre Mitgliederzahlen nicht offen. Eine davon ist die Scientology Church, die in den USA sehr mächtig ist. Sie hat großen Einfluss in der Wirtschaft und Filmindustrie (Beteiligungen, Tom Cruise als Führungskraft). Die Zeugen Jehovas sind auch in Deutschland recht verbreitet. Salt Lake City ist das Zentrum der Mormonen. Sie gründeten 1847 die Stadt, die noch heute Zentrum der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage ist. Die Methodisten sind in den USA auch sehr mächtig. Sie unterstützen Trump. Sie haben in der Geschichte großen Einfluss gehabt. Die Vanderbilt University in Nashville/ Tennesee ist das Hauptquartier. Hier wurde viele Personen ausgebildet, die großen Einfluss hatten. So etwa Soong Charly, dessen drei Töchter in China heute noch eine Berühmtheit sind. Sehr einflussreich in einigen Staaten sind die Evangelikalen. Sie stellen drei Regierungsmitglieder unter Trump (Pastoren). Sie setzen das Verbot der Abtreibung sogar bei Vergewaltigung durch. Die Evangelikalen haben auch starken Einfluss auf Trump in den USA (hohe Zahl, etwa 60 Mio.). Der Wahlerfolg Trumps hängt auch damit zusammen, das er die Ursprungswerte Amerikas wieder beleben will. Die Evangelikalen schätzen das besonders, obwohl sie ihn selbst durchaus als unvollkommen ansehen (Altes Testament, Buch Richter: Der Unvollkommene stellt die alten Werte wieder her). Viele Evangelikale sind auch in der NRA organisiert. Sie wären auch bereit, für ihre Werte und Trump zu kämpfen. Die Evangelikalen sind zusätzlich sehr aktiv in der Auslandsmissionierung, etwa in China.

Zu den großen Kritikern der Religion gehören Feuerbach und Marx. Folgendes Zitat von Marx fast dessen Sicht gut zusammen: "Der Mensch macht die Religion, die Religion nicht den Menschen...", MEW 1, S. 378. Auch: "Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes", Ebenda. Vgl. weitere Ausführungen oben.

"Der Mensch ist der Anfang der Religion, der Mensch ist der Mittelpunkt der Religion, der Mensch ist das Ende der Religion". Ludwig Feuerbach, deutscher Philosoph.

Mittlerweile gibt es auch Kirchen bzw. Religionen im Internet. Die größte und erfolgreichste ist die Universal Church of Life in Amerika. Sie hat 20 Mio. Mitglieder und jedes Jahr kommen 35.000 hinzu. Es gibt keine Gemeindehäuser und Gottesdienst. Jedes Mitglied darf eigener Pfarrer mit allen Befugnissen sein. "Alle Religionen sind schön, die uns zu guten Menschen machen", Berthold Auerbach, deutscher Literat.

Man hat sogar Computermodelle entwickelt, die Ingredienzien für Frömmigkeit suchen. Das MODRN - Computermodell bringt Studien und soziologische Theorien mit statistischen Daten und gesellschaftlichen Zuständen zusammen. Virtuelle "Agenten" mit verschiedenen Eigenschaften werden dazu programmiert. Diese Gruppen werden dann in einer Simulation einer bestimmten Situation ausgesetzt. Daraus können Vorhersagen abgeleitet werden. Vgl. Hilmar Schmundt: Heiliges Beben, in: Der Spiegel 2/2019, 5.1., S. 96. Vgl. auch: Tim Crane: Die Bedeutung des Glaubens: Religion aus Sicht eines Atheisten, Suhrkamp 2020.

Die religionskulturelle und religionspolitische Ordnung in Deutschland ist 2021 in Bewegung geraten. Es gibt zunehmende Diskussionen über Staatsleistungen oder den Religionsunterricht. Kirchliche Institutionen wie Schulen, Hochschulen und soziale Einrichtungen müssen schließen (auch wegen der hohen Zahl von Kirchenaustritten, die zu Einnahmeausfällen führen). Die Europäisierung des Religionsrechts hat noch nicht einmal begonnen. Der Ausgang dieser Entwicklung dürfte offen sein. Vgl. Heinig, Hans Michael: Mit offenem Ausgang, in: FAZ Nr. 74, 29. März 2021, S. 6.

Theodizee und Sozidizee: Das Theodizee - Problem besteht darin, wie angesichts der Allmacht Gottes das Leid auf der Welt zu erklären sei. Wie können die Menschen so viel Leid zulassen, während sie die Mittel dagegen in der Hand zu halten scheinen. Das kann Gott nicht gewollt haben. Für Hegel war dies keine Frage der Logik, sondern vollendete Geschichte. Manche datieren den Anfang der Moderne mit Säkularisierung auf das Jahr 1755. Ein Tsunami, ausgelöst durch ein Erdbeben 260 Kilometer vor der Küste Portugals, zerstörte Lissabon. Die Lehre war ein doppelte: Man lernte, dass man angesichts der vielen Toten das Geschehen nicht angemessen interpretieren konnte. Zum anderen wurde deutlicher, dass die Menschen im neuen Zeitalter ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen mussten. Die Allmacht Gottes wurde durch den Gang der Geschichte ersetzt. Vgl. Nassehi, Armin: Theorie der überforderten Gesellschaft, München 2021, S. 30ff.

In ferner Zukunft ohne Religion? Ist eine Ende des Glaubens an Gott irgendwann vorstellbar? Viele Menschen können heute schon mit Gott nichts mehr anfangen. Sie schließen keinen Bund mit Gott - sie schließen nützliche Verträge. Für totalitäre Regime war und ist die Religion immer eine anhaltende Bedrohung. Vgl. Asseuer, Thomas: Was nach dem Glauben kommt, in: Die Zeit Nr. 48, 25.11.2021, S. 68f. Interessant ist die Auffassung von Physikern über Gott, weil sie die funktionsweise der Welt am besten kennen. Ed Witten, berühmter Physiker aus den USA, spricht von der Hypothese Gott, die er nicht ernst nehme. Für Albert Einstein und Stephen Hawking war Gott eine Metapher. Sie meinten aber nicht den Gott des Christentums. Nach den Physikern dürfte es keine Menschen geben ("Feintuning-Problem") . Dei nicht-religiöse Antwort ist das anthropische Prinzip: Es besagt, dass das Rätzel gar keines ist. Denn wäre das Universum anders, gäbe es gar keine Menschen, die sich darüber wundern könnten.

Ökonomische Entwicklung und Religiosität: In Ländern mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung schwindet die Religiosität. Die Normen, die Religionen dieser Welt aufrechterhalten, wirkten teilweise mildernd auf die psychische Last von Menschen mit geringem Stand. Beispiele: Im Islam betreten arme Menschen  fünfhundert Jahre früher das Paradies als reiche. Im Neuen Testament: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass ein Reicher in den Himmel kommt. Die Religiosität schwindet in modernen Gesellschaften und dadurch nehmen die schädlichen Auswirkungen eines niedrigen sozialen Status weiter zu. Man muss Alternativen zur nationalen Religiosität finden, um diese schädlichen Folgen abzumildern. Karl Marx würde sagen: Wenn der Rausch des religiösen Opiums schwindet und mit ihm der Schein des Heiligen, dann bemerkt der Arme sein Jammertal. Der wirtschaftliche Fortschritt stärkt den Glauben an die Segnungen des marktwirtschaftlichen Materialismus. Zu dieser These scheinen Forschungen am ZEW in Mannheim (Jana Berkessel, Jochen Gebauer) zu führen.

"Menschen, die nur arbeiten, finden keine Zeit zum Träumen. Nur wer träumt, gelangt zur Weisheit", Smohalla von den Nez Perce´.

Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, sagt die Bibel; die Philosophen machen es gerade umgekehrt, sie schaffen Gott nach dem ihrigen", Georg Christoph Lichtenberg, deutscher Philosoph.

 

Route 66 - Museum in Pontiac/ Illinois (gemalt auf die Rückseite des Museumsgebäudes). Die "Motherroad"  steht wie kaum ein anderes Symbol für die Kultur der USA sowie für den Aufbruch, Reisen und die Bedeutung des Verkehrs. Sie symbolisiert auch den amerikanischen Traum und den Reiz des Abenteuers. Die Straße führt quer durch die USA von San Francisco nach Chicago. Im Museum befinden sich Ausstellungsstücke zur Geschichte, Kultur, berühmten Reisenden, Haltestellen, Autos u. a. zu der berühmten Straße, die heute nur noch in Bruchstücken original erhalten ist. Das Museum wird von Ehrenamtlichen aus den ganzen USA betrieben. Einige davon haben deutsche Wurzeln. Der Eintritt ist kostenlos, es wird aber eine freiwillige Spende erbeten. Bob Dylan hat auf seiner CD 2020 "Rough and Rowdy Ways" die Kulturgeschichte der USA seit den Sechzigerjahren nachgezeichnet: die unrühmlichen Ereignisse (Präsidentenmord, Rassenunruhen, Vietnamkrieg) und die großen kulturellen Errungenschaften (Musikgeschichte). Heute zeichnet sich eher ein Niedergang der US-Kultur ab.

Soziologie und Ökonomie I: Überblick anhand der größten deutschen Soziologen (in Bezug auf Ökonomie, Klassiker). Ich habe auch Soziologie an der Universität zu Köln studiert. Das war bei Rene König, E. K Scheuch, F. Neidhardt, Alphons Silbermann, Rolf Ziegler, Richard Münch und Renate Mayntz. Bei letzterer habe ich auch eine Diplomarbeit über Legitimitätsglaube geschrieben. Die Kultursoziologie ist die Heimat der meisten Theoreme, die in II. erläutert werden. Viel habe ich auf diesem Gebiet bei Rene König, E. K. Scheuch und Alphons Silbermann gelernt. König hatte eine zeitlang unter Hopi - Indianern in den USA gelebt. E. K. Scheuch hatte auch eine Weile in den USA verbracht und gearbeitet. Seine Analyse der USA ist noch heute aktuell und lesenswert (USA - ein maroder Gigant, Freiburg 1992). Scheuch hat auch interessante Bücher über Indien und China geschrieben (China und Indien, Zürich 1987; Chinas Rückkehr zur Wirklichkeit, Düsseldorf 1986). Jetzt in der Globalisierung bzw. Deglobalisierung spielen diese Theoreme der Kultursoziologie eine große Rolle im Internationalen bzw. Interkulturellen Management (BWL).

"Wenn wir inneren Frieden empfinden, berühren äußere Probleme uns nicht", Dalai Lama.

Begründer der Wissenschaft "Soziologie": Als Vater der Wissenschaft "Soziologie" gilt der Franzose Auguste Comte (1776-1857, Mathematiker, Philosoph, Begründer des Positivismus). Er prägte 1838 den Begriff. Die Bezeichnung kommt aus dem Lateinischen: Socius = Gefährte, Logos = Wissenschaft. Soziologie ist die theoretische und empirische Erforschung sozialen Verhaltens. In der deutschsprachigen Soziologie ist der Begründer Ferdinand Tönnies mit seinem Werk "Gemeinschaft und Gesellschaft" von 1887. Als weitere Begründer im deutschsprachigen Raum gelten Georg Simmel und Max Weber. Vgl. Wolf Lepenies: Geschichte der Soziologie, 4 Bände, Suhrkamp 1981.

Ferdinand Tönnies (1855-1936): Noch vor Georg Simmel und Max Weber schuf Tönnies ein soziologisches System, das beansprucht, die gesamte historische und aktuelle Kultur in ihrem Sein und Werden darzustellen und verständlich zu machen. Daher wird er als Gründer der Soziologie im deutschsprachigen Raum bezeichnet. 

„Gemeinschaft und Gesellschaft“ ist der Basis-Text, in dem Tönnies sein soziologisches System entfaltet. Alle späteren wissenschaftlichen Publikationen sind letztlich Ergänzungen, Erläuterungen, Vertiefungen oder Anwendungen. Das deutet der Untertitel der zweiten Auflage von 1912 an: „Grundbegriffe der reinen Soziologie“. Seine umfassende Systematik publizierte Tönnies 1925 im Aufsatz "Die Einteilung der Soziologie".

Tönnies’ Soziologie lädt ohne Kenntnis seiner Begriffsarchitektur  zu Fehldeutungen und Missverständnissen ein, weil viele der von ihm verwendeten Bezeichnungen innerhalb des Faches inzwischen eine ganz andere Bedeutung haben. Die Benennungs-Systematik stammt aus einer Zeit, in der es noch keine etablierten soziologischen Kategorien gab. Vgl. Wikipedia - Artikel, eingesehen 11. Januar 2021.

Karl Marx: Das Kapital, 3 Bände, Berlin 2008 (1859 erscheint das Einführungskapitel unter dem Titel "Zur Kritik der politischen Ökonomie", 1867 der erste Band; damit 2017 150 Jahre). Der erste Band ist eindeutig von Marx. Die anderen Bände sollen auf Fragmente zurückgehen, die Friedrich Engels redigiert hat. Das Werk soll nach der Bibel das meist gelesene Buch der Welt sein. Marx selbst nannte es "ökonomische Scheiße". Es hat die Welt auch entscheidend beeinflusst (Wirtschaftssysteme in Russland, China). Fleißige Leser waren Lenin, Stalin, Mao, Che Guevara und Fidel Castro. In den Studienjahren in Berlin lernte Marx die Hegelschen Ideen kennen. Danach sind Wirtschaft und Gesellschaft in beständiger Wandlung begriffen. Ein Sozialwesen trägt immer die Wurzel für Konflikte in sich. 1841 wurde Marx Chefredakteur in Köln. 1848 gründete er die "Neue Rheinische Zeitung" mit dem Geld von Kapitalisten (Banker, Kaufleute). Er verlor den Posten wegen zu revolutionärer Umtriebe und ging nach Paris. Nach längerer Zeit in Brüssel musste er später nach London fliehen. Dort konnte er das Elend der Industriearbeiter im Frühkapitalismus aus nächster Nähe beobachten (er besuchte auch die streikenden Textil- und Werftarbeiter in Schottland). Sein Freund Friedrich Engels, der auch Werke in England (Manchester)  besaß, unterstützte ihn materiell (zumindest bis er selbst Pleite ging; 350 Pfund pro Jahr). Seine Haarpracht war schon zu Lebzeiten legendär. Sein Haupt-Werk schrieb er in der British Library in London. Der Erzbischof von München Reinhard Marx, Erzbischof von München,  hat 2008 ein Buch mit dem Titel "Das Kapital" vorgelegt (München, Pattloch). Es ist eine Auseinandersetzung mit den Ideen von Karl Marx. Es geht um die zentrale Frage, ob in den marktwirtschaftlichen Ordnungen der Traum vom Wohlstand zu Ende ist (dient das Kapital noch dem Menschen?). Über diese Frage habe ich auch einen Vortrag gehalten. Mit zwei Dingen hat Marx richtig gelegen: Mit der Prognose der Globalisierung und der Fragilität der Finanzmärkte (deshalb wurde er auch 2008 wieder aktuell).  Der chinesische Künstler Wu spendet der Geburtsstadt von Karl Marx Trier im Marxjahr 2018 eine Statue (6,30m hoch auf 1,40m Sockel). Wu hat schon 500 Stauen historischer Persönlichkeiten angefertigt (Konfuzius in Peking, Laotse). "In der Tat ist also G - W - G die allgemeine Formel des Kapitals", Karl Marx (G Geld, W Waren). "Ich bin so weit, daß ich in fünf Wochen mit der ganzen ökonomischen Scheiße fertig bin", Marx 1851 in einem Brief an Engels. Er brauchte noch 16 Jahre. Berühmt ist auch ein anderes Zitat von ihm: "Was mich betrifft, ich bin kein Marxist". "Sie (gemeint ist die Industrialisierung, W. K.) hat mit einem Wort, an die Stelle der mit religiösen und politischen Illusionen verhüllten Ausbeutung die offene, unverschämte, direkte, dürre Ausbeutung gesetzt", Karl Marx.

Friedrich Engels: (1820-1895) "In Elberfeld allein werden von 2500 schulpflichtigen Kindern 1200 dem Unterricht entzogen und wachsen in den Fabriken auf, bloß damit der Fabrikherr nicht einem Erwachsenen, dessen Stelle sie vertreten, das Doppelte des Lohnes zu geben nötig hat, das er einem Kinde gibt", Friedrich Engels 1839 in seinen berühmten "Briefen aus dem Wupperthal". Engels war der Sohn eines wohlhabenden Baumwollfabrikanten aus Barmen und ist damals gerade 19 Jahre alt. Am 28. November 2020 jährt sich der Geburtstag des bekannten Kommunisten zum 200. Mal. Die Stadt Wuppertal würdigt ihn mit einer großen Veranstaltungsreihe. Das Geburtshaus wurde 1943 bei einem Bombenangriff zerstört. Es gibt kein Grab von ihm (die Asche wurde verstreut). Sehr aktuell und wichtig ist seine Einschätzung der Nationalökonomie (Volkswirtschaftslehre): "Die Nationalökonomie entstand als eine natürliche Folge der Ausdehnung des Handels, und mit ihr trat an die Stelle des einfachen, unwissenschaftlichen Schacherns ein ausgebildetes System des erlaubten Betrugs, eine komplette Bereicherungswissenschaft", Friedrich Engels, MEW 1, S. 499 (Marx-Engels-Werke, Berlin, Dietz-Verlag, 1956 - 1990, 43 Bände). Auch:  It`s the Economy, stupid". Engels war in der Schule ein Goethe-Fan. Später veröffentlichte er mit Marx das Kommunistische Maifest. Er wurde polizeilich gesucht. Sein Vater hätte ihn am liebsten in die USA geschickt. Engels war sehr vielseitig: Er war quasi Soziologe, bevor es die Wissenschaft überhaupt gab. Er war ein glänzender Journalist. Er war ein Liebhaber der Fuchsjagd und Weingenießer. In der Kölnischen Zeitung, bei der Marx Journalist war, gibt es einige Beschreibungen von ihm. Barmen im Tal der Wupper, wo die Familie auch lebte, war durch Umweltverschmutzung geprägt. Die Wupper war durch die Abwässer der Färberein blutrot. Der Vater wollte den begabten Sohn erziehen: er nahm ihn vom Gymnasium und steckte ihn in Bremen in eine Lehre zum Kaufmann. Später schickt er ihn ins Mekka des Kapitalismus nach Manchester. Mit den Erfahrungen schreibt er das Buch "Die Lage der arbeitenden Klasse in England". Später wird Engels Prokurist in Manchester, Marx lebt mit seiner Familie in London. Dort wird er hauptsächlich aus den Einnahmen der Firma in Manchester finanziert. Engels selbst war sehr bescheiden. Im Grunde genommen war er auch Humanist und hätte die Gräuel späterer Revolutionen in Russland und China nicht gutgeheißen. Er war auch kein Dogmatiker, er dachte aber radikal. "take it easy" sein Motto im  Poesiealbum von Marx` ältester Tochter Jenny. 1895 erliegt er dem Krebs. Seine Asche sollte in Badeort Eastbourne zerstreut werden. Vgl. Staas, Christian: Der Zweite von links, in: Die Zeit Nr. 46, 26.11.2020, S. 19.

Max Weber (1864-1920): Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1921. Dieses Buch ist Fundament für die Wirtschaftssoziologie sowie die politische Soziologie und wahrscheinlich das einflussreichste soziologische Werk. Die Maschine "Bürokratie" bringt die schwache Persönlichkeit und den gedankenlosen Konsumenten hervor ("Fachmenschen ohne Geist", "Genussmenschen ohne Herz"). Verwaltungen sorgen dafür, dass politische Entscheidungen nachprüfbar werden. Auch die "Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" vom gleichen Autor ist bedeutsam, weil sie sich früh mit dem Einfluss der Kultur (Religion) auf die Wirtschaft befasst, was Ökonomen meist vernachlässigen (Warum ist in Europa der Kapitalismus entstanden?). Der asketische Protestantismus hat uns reich gemacht. Was die Zukunft Asien angeht, hat Max Weber völlig geirrt. Hier war er wohl ein Kind seiner Zeit. Interessant ist auch sein Buch "Politik als Beruf", 1919. Politik wird mit dem Kopf gemacht, aber nicht nur mit dem Kopf (Macht des Zufalls, Charisma). Er war fasziniert vom starken Führer, vom "charismatischen Führertum". Er macht auch eine Einteilung des moralischen Handelns in eine Gesinnungs- und eine Verantwortungsethik (tatsächliche Ergebnisse). Webers Prognose für die Zukunft der Menschheit sieht düster aus. Er erwartet  "Fachmenschen ohne Geist" und "Genussmenschen ohne Herz", also arbeitsteilige Fachidioten und hedonistische Konsumenten. Max Weber pflegte eine ausgedehnte Kommunikation, auch mit Kollegen anderer Couleur (Anarchist Erich Mühsam, Philosophen Ernst Bloch, Georg Lukas, Dichter Stefan George). Am 4. Juni 1920 starb Weber in München, in Heidelberg liegt er begraben. 2020 ist also das 100. Todesjahr. Weber war Universalgelehrter. Er beschränkte seinen Rationalitätsbefund nicht nur auf die Ökonomie, wie Karl Marx. Weber ist nicht unumstritten: Kritisiert wird sein chauvinistischer Nationalismus (begrüßte den 1. Weltkrieg) und sein Antisemitismus. "Man kann sagen, dass drei Qualitäten vornehmlich entscheidend sind für den Politiker: Leidenschaft - Verantwortungsgefühl - Augenmaß." a. a. O.

Georg Simmel (1858-1918, Berlin-Straßburg): Philosophie des Geldes, 1900. Aktuelle Theorie des Ausdehnungswillens des Geldes. Die Bestimmung der Zugriffsrechte des Geldes und seiner zirkulierenden Menge, die Lenkung seines Einflussbereiches und die Begrenzung seiner Taxierungsmacht muss von jeder Gesellschaft geregelt werden. Wenn Geld Kaufkraft besitzt - bis auf welche Gebiete mag sie sich erstrecken? Für Simmel ist Geld eine "jede Herzlichkeit ausschließende Sachlichkeit". "Indem man mit Geld bezahlt (hat), ist man mit jeder Sache am gründlichsten fertig". Simmel gilt als Begründer der "formalen Soziologie", der Stadtsoziologie und der Konfliktsoziologie. Er war stark beeinflusst von Max Weber und Immanuel Kant. Heute ist seine Philosophie wieder sehr aktuell: Geld ist durch die Notenbanken beliebig produzierbar und bekommt einen immer mehr virtuellen Charakter. "Wir allein entscheiden, was wir vom Geld als Wert bearbeiten und vergleichen - und was wir seiner Bearbeitung und Vergleichung als Würde entziehen - wollen", Georg Simmel.

Der deutsch-amerikanische Sozialwissenschaftler Kurt Lewin (1890-1947) gilt als einer der Begründer der Sozialpsychologie. Er wurde im damals neu preußischen Mogilno geboren. Von 1921 bis 1933 arbeitete er am Psychologischen Institut in Berlin. Dann wanderte die Familie in die USA aus, weil sie Jüdisch war. 1951 erschien sein grundlegendes Werk "Feldtheorie der Sozialwissenschaften". Um eine Verhaltensänderung einzuleiten, müssen individuelle Faktoren und Faktoren des Umfelds berücksichtigt werden. Im Lauf des Veränderungsprozesses werden weitere wesentliche Qualitäten und Werte eines Systems offenbar.  Deshalb liefert ein Veränderungsprozess wichtige Informationen über ein System. Man versteht ein System erst dann, wenn man versucht, es zu verändern. Mit diesen Grundgedanken prägte Lewin Methode und Denken der Soziologie. Vgl. Vgl. Collin, C. u. a.: Das Psychologiebuch, München 2020, S. 220.

Karl Mannheim (1893-1947): Er wurde in Budapest geboren und starb in London im Exil. Er war Professor für Soziologie in Heidelberg und Frankfurt, wurde entlassen, weil er Jude war. Er war ein bedeutender Kultur- und Wissenssoziologe, auch ein Pionier der Jugendsoziologie. Noch heute sehr lesenswert ist seine Analyse der Intelligenz. Er bringt schon vor 1933 die Warnung, dass wir uns nicht der Illusion hingeben sollten, dass das "freie Denken und die freie Forschung eine beeindruckende Geschichte" gehabt hätten. Er bezeichnet die Bildung als einen der wichtigsten Bereiche. Sehr populär ist seine Analyse des Ideologiebegriffes geworden.  Vgl. Karl Mannheim: "Soziologie der Intellektuellen" Schriften zur Kultursoziologie, Berlin 2022. Ders.: Ideologie und Utopie, Bonn 1929.

Niklas Luhmann: (* 8. Dezember 1927 in Lüneburg; † 6. November 1998 in Oerlinghausen) war ein deutscher Soziologe und Gesellschaftstheoretiker. Als wichtigster deutschsprachiger Vertreter der soziologischen Systemtheorie und der Soziokybernetik zählt Luhmann zu den Klassikern der Soziologie im 20. Jahrhundert. Vgl. auch Wikipedia. Es gibt biologische, psychische und soziale Systeme. Kommunikation ist die Operation sozialer Systeme. Soziale Systeme entstehen und erhalten sich durch Kommunikation (als abstrakte Operation; nicht als menschliches Handeln). Die Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung der Systeme geschieht als Zurechnung von Handeln. Eine zentrale Kategorie bei ihm ist Vertrauen.  Ohne Vertrauen könne der moderne Mensch das Bett gar nicht verlassen, stellte er einmal fest. Luhmann entwickelt die von Talcott Parsons in die Soziologie eingeführte Theorie in entscheidenden Punkten weiter.  Wichtige Werke: Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main 1984. Niklas Luhmann, Dirk Baecker (Hrsg.): Einführung in die Systemtheorie. 5. Auflage. Carl Auer, 2009. Luhmann wirkte Anfang der Sechzigerjahre einmal an der Deutschen Verwaltungshochschule Speyer. Später hatte er einen Lehrstuhl für Soziologie an der Uni Bielefeld. In meiner Diplomarbeit habe ich mich intensiver mit seiner Legitimitätstheorie beschäftigt (im Vergleich zu Max Weber, Talcott Parsons, Jürgen Habermas).

Jürgen Habermas (geb. 1929): Er ist der berühmteste lebende Philosoph der Welt und auch Soziologe. Er wuchs in Gummersbach auf. Er studierte Philosophie und promovierte in Bonn. 1956 ging er an das Institut für Sozialforschung in Frankfurt (Theodor W. Adorno, Max Horkheimer). 1964 wurde er Professor für Soziologie in Frankfurt. 1971 wurde er Co-Direktor am Max-Planck-Institut in Starnberg. 1983 wechselt er wieder nach Frankfurt. Berühmte Bücher von ihm sind: Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1962. Theorie des kommunikativen Handelns, 1981. Legitimationsprobleme des Spätkapitalismus, 1976. Seine Werke wurden in über 40 Sprachen übersetzt. Zentrale Themen sind: Demokratie, Rechtstaat, Rationalismus, Diskurs, Kommunikation, Öffentlichkeit und globale Ordnung, insbesondere Europa.  2019 im Herbst 2019 erscheint: Auch eine Geschichte der Philosophie, zwei Bände (1752 Seiten, Suhrkamp, Berlin). Dieses Werk hat Habermas im Alter von 90 Jahren vollendet. Es ist eine Geschichte des philosophischen und religiösen Denkens. Band 1: Die okzidentale Konstellation von Glauben und Wissen. Band 2: Vernünftige Freiheit. Spuren des Diskurses über Glauben und Wissen. Es gibt im Stil einer Genealogie darüber Auskunft, wie die heute dominanten Gestalten des westlichen nachmetaphysischen Denkens entstanden sind. Als Leitfaden dient ihm der Diskurs über Glauben und Wissen. Er zeichnet nach, wie sich die Philosophie sukzessive aus der Symbiose mit der Religion löst und säkularisiert. Es ist auch eine Reflexion über die Aufgabe einer Philosophie, die an der vernünftigen Freiheit kommunikativ vergesellschafteter Subjekte festhält. In meiner Diplomarbeit über Legitimität bei Renate Mayntz in Köln habe ich mich intensiv auch mit den Werken von Habermas beschäftigt (andere wichtige Autoren waren Niklas Luhmann, Max Weber und Talcott Parsons). 2006 wurde ein Asteroid nach ihm benannt. "Mündigkeit ist die einzige Idee, deren wir im Sinne der philosophischen Tradition mächtig sind". "Idealismus ohne Illusion, Realismus ohne Anpassung".

Grundzüge der Soziologie (Soziologie verstehen, Kurzbeschreibung): Soziologie hat einen  roten Faden. Menschliche Handlungen werden durch die Gesellschaft geprägt. Handlungen wirken zusammen. Konstellationen sind Beobachten, Beeinflussen und Verhandeln. Es entsteht Ordnung: Koordination, Kooperation, Konflikt. Soziale Strukturen stabilisieren gesellschaftliche Ordnung. Es gibt Werte, Rollen (Erwartungsstrukturen, Rollenkonflikte, Macht), Deutungsstrukturen (Wissen, Markt). Die Gesellschaft wandelt sich. Dies geschieht durch Bewertungsstrukturen, Deutungsstrukturen und Konstellationsstrukturen. Vgl. Kron, Thomas/ Laut, Christina: Soziologie verstehen. Eine problemorientierte Einführung, Stuttgart (Kohlhammer) 2022. Dieses Buch ist eine aktuelle und moderne Einführung in die Wissenschaft der Soziologie. Sie ist Teil der Sozialwissenschaften und hat viele Überschneidungen mit Ökonomie und Psychologie. Die empirische Sozialforschung prägt stark die Statistik.

Aktuelle Soziologen und Werke (eine subjektive Auswahl der wahrscheinlich aktuell bekanntesten): Heinz Bude ist der deutsche Generationen-Papst. Sein gesamtes Werk kreist um Alterskohorten.  2024 erscheint sein Buch "Abschied von den Boomern", München (Hanser) 2024. Bude war Professor für Soziologie an der Uni Kassel. Er lebt in Berlin. Die zwischen 1955 und 1970 geborenen Boomer sind an vielem schuld. Der nächste Soziologe hat sich auf die Digitalisierung spezialisiert: Macht, Proprietät von Märkten und Volatilität: Die Digitalkonzerne schaffen proprietäre Märkte: Apple, Google, Amazon und Facebook konkurrieren nicht mehr auf Märkten, sondern sie sind zu Eignern von Märkten geworden. Sie integrieren andere Anbieter gemäß ihren Regeln und Rahmensetzungen. Die Finanzmärkte können durch die Digitalisierung ihre Herrschaft ausbauen. Sie gewinnen am Ende immer (Hedgefonds, Kapitalgesellschaften). Die Meinungsmärkte werden in der Digitalisierung höchst volatil, die einen "strukturellen Populismus" begünstigen. Vgl. Vogl, Joseph: Kapital und Ressentiment. Eine kurze Theorie der Gegenwart, München (Beck) 2021. Überforderte Gesellschaft: Armin Nassehi: Theorie der überforderten Gesellschaft, München 2021 (C. H. Beck). Moderne Gesellschaften folgen einerseits stabilen Mustern, sind träge und kaum aus der Ruhe zu bringen. Andererseits erweisen sich ihre Institutionen und Praktiken immer wieder als erstaunlich fragil und vulnerabel. In Krisen prallen diese beiden widersprüchlichen Seiten der gesellschaftlichen Moderne besonders heftig aufeinander. Der Autor vertritt die These, dass komplexe Gesellschaften sich fortlaufend selbst als krisenhaft erleben, ohne je in eine Form prä - stabilisierter Harmonie zurückzukehren. Nassehi stellt die Sachdimension gesellschaftlicher Strukturen ins Zentrum seiner Theorie geleiteten  Gesellschaftsanalyse. Die Gesellschaft ist differenziert in ökonomische, politische, wissenschaftliche, rechtliche und familiale Logiken. Der Ruf nach Gemeinschaft, Solidarität und Zusammenhalt entspricht unserem sehnlichsten Wunsch, aus einem Guss und womöglich kollektiv handeln zu können, Das Ziel muss zwangsläufig scheitern. Aus dieser notorischen Enttäuschung resultiert ein Unbehagen, das den Blick auf die Gesellschaft von ihrer grundlegenden Selbstüberforderung ablenkt. Vgl. auch vom gleichen Autor: Muster. Theorie der digitalen Gesellschaft, München 2019. Seiner Meinung nach muss die Komplexität der Welt eingehegt werden, um in ihr leben zu können. Der Krieg in der Ukraine erschüttert ein Weltvertrauen, das nur entstehen konnte, weil wir nicht genau hingeschaut haben. Wir werden zum nachdenken gezwungen, wenn die Dinge nicht so laufen, wie wir es gewohnt sind. Vgl. Ders.: Nichts ist mehr selbstverständlich, in: Der Spiegel Nr. 14/ 2.4.22, S. 108f. Beschleunigungsgesellschaft: Die Begriffe Beschleunigungsregime oder auch Beschleunigungstotalitarismus stammen von dem deutschen Soziologen Hartmut Rosa (Uni Jena, Leiter des Ma-Weber-Kolleg in Erfurt). Unsere Welt wird durch die wachsende Mobilität und das Internet immer weiter beschleunigt. Wie viel Beschleunigung verträgt aber der Einzelne? Vgl. H. Rosa: Beschleunigung und Entfremdung, Berlin 2013. Vgl. auch vom gleichen Autor: Demokratie braucht Religion, München (Kösel) 2022. Mit dem Geld des Leibniz-Preises arbeitet er gegenwärtig an dem Projekt "soziale Energie". Er will diese Kraft verstehen, weil sie überlebenswichtig für uns alle ist. Vgl. Die Zeit 3/ 11.1.24, S. 47.  Andreas Reckwitz (Humboldt-Uni Berlin). Bücher: Das Ende der Illusionen, 2019; Spätmoderne in der Krise, 2021. Wir erleben eine Auffächerung von Weltreligionen und Wertvorstellungen mit wirtschaftlichen und politischen Systemen, die teils westliche Elemente übernommen haben, teils sehr eigensinnig sind: China, Indien, Türkei, Südafrika, viele Länder Lateinamerikas. Er sieht die liberale Demokratie in der Defensive. "Wir erleben ein Ende der Illusionen". Es entwickelt sich nicht in Richtung westlicher Demokratien zur Perfektion.

 

 

Die antike Stadt Alt-Thera auf dem Berg in Santorin oberhalb von Kamari (hier war der alte Hafen der Spartaner, im Bild ist das antike Theater abgebildet, die Agora als Mittelpunkt ist auch noch erhalten). Die Spartaner/ Dorer kamen um 900 v. Chr. auf die Insel und benannten den Verwaltungs- und Militärstützpunkt nach ihrem König Thera. So hieß damals auch die ganze Insel. Von hier konnte man hervorragend das Mittelmeer beobachten und kontrollieren. Vorher waren auf der Insel bis 1630 v. Chr., im Jahr des großen Vulkanausbruchs,  Minoer, die vom nahen Kreta mit Knossos eine Hochkultur bildeten. Nach den Spartanern kamen die Ägypter, Griechen, Makedonier (Alexander der Große, Altersruhesitz der Kapitäne), Römer, Phönizier, Araber, Venezier (sie gaben der Insel den heutigen Namen Santorin) und Türken. Die Insel ist also wirklich ein Treffpunkt aller Hochkulturen der damaligen Zeit gewesen (das gilt auch für die Sichtbarkeit der Götter). Alle haben ihre Spuren hinterlassen. Es gibt kaum einen Ort auf der Welt, wo sich so viele verschiedene Kulturen getroffen haben.

Soziologie II: Businessstrategien in unterschiedlichen Kulturen  (Verbindung Kultur - Geschäftsleben, Kultur in der Gesellschaft; empirische Kulturwissenschaft; wichtige Rahmenbedingung für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft; Einfluss der Kultur; Ethnologie;  interkulturelle Konflikte; Kultur- und Sozialanthropologie; Kultur in Asien auf der Asienseite: in China, in Japan. Auch andere Länder. Sachgliederung, Soziologen sind zugeordnet):

Der Meister sprach: "Die Natur der Menschen lässt sie einander nah sein, doch die Gebräuche halten sie voneinander fern", Konfuzius, Lunyu 17.2 .

Der Faktor "Kultur" ist in den Wirtschaftswissenschaften insgesamt unterbelichtet. Erst die Globalisierung hat zu einer stärkeren Berücksichtigung geführt. An den Hochschulen Europas hat der Bologna-Prozess die Berücksichtigung der Kultur befeuert. Am höchsten ist 2018 der Anteil an internationalen Studenten an der IMD/Schweiz vor der Lancaster University Management School. An vierter Stelle liegt die erste deutsche Hochschule (ESMT Berlin).  "Die Kultur verspeist die Strategie zum Frühstück", Peter Drucker (1909-2005). "Die Kultur beeinflusst alles, vom Verhalten bei Stress bis zum Small Talk in der Kantine", Anke Scherer, 2018,  Professorin an der Cologne Business Shool.

Kultur, Institutionen und das Räderwerk des Wandels: Moderne Ökonomen nehmen die Kultur als Element in die Analyse auf. So z. B. Oded Galor. Er geht von kulturellen Faktoren aus. Diese beeinflussen die Zusammensetzung der Bevölkerung und die Bevölkerungsgröße. Dann kommt der technische Fortschritt. Mit ihm die wachsende Bedeutung des Humankapitals. Schließlich erfolgt der demographische Übergang in die moderne Welt. Vgl. Galor, Oded: The Journey of Humanity. Die Reise der Menschheit durch die Jahrtausende. Über die Entstehung von Wohlstand und Ungleichheit, München (dtv) 2022.

Lernziel: Es geht um die Erhöhung der Interkulturellen Kompetenz und um besseres interkulturelles Arbeiten. Fremde Kulturen sollen verstanden werden. Wichtiger als die Toleranz ist aber die Akzeptanz.

 Die Kultur scheint einige grundsätzliche Denkweisen und Wahrnehmungen von Menschen zu prägen sowie die Art, wie sie Gefühle ausdrücken und erleben. Im Mittelalter spricht man eher von Seele statt von Psyche, wenn man ausdrücken will, was Kultur beeinflusst. Aber es gab sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten zu uns heute. Früher war in jedem Falle die Gemeinschaft wichtiger. Kinderliebe gab es immer. Es bestand ein gewisses Misstrauen gegenüber der Liebe. Für die Ehe waren andere Kriterien ausschlaggebend. Kultur ist alles, was der  Mensch erschafft. Das gilt auch, wenn es nicht schön aussieht. Wenn man sich um den Status des Weltkulturerbe bewirbt, gibt es immer wieder Diskussionen um Kultur (z. B. Ruhrgebiet).

Kulturelle Sensibilisierung: Ein anderer Ausdruck für Interkulturelle Kompetenz. Die Welt wird immer vernetzter. Internationales Management ist heute Bestandteil jeder Aktion im Management. Die Grundstruktur  bilden Kultur und Ideologie, internationale Finanzen, Bürokratie und Regulierungen, Politik und Recht sowie die Zeitzonen. Kulturelle Sensibilisierung erreicht man durch Sprache, nonverbale Kommunikation, Traditionen, Zeitbegriffe und Respekt. Vgl. Management einfach erklärt, München 2021, S. 28f.

Westliche Kultur (Abendländische Kultur): Wenn man auf andere Kulturen blicken will, muss man sich erst mal auf die eigenen kulturellen Wurzeln besinnen. Die westliche Kultur hat sich weltweit durchgesetzt. Was macht sie aus? Kapitalakkumulation, permanente Innovation, Freiheit, freier Markt, Individualismus, Rechtsstattlichkeit, Demokratie. hinzu kommen Diversität, Toleranz, Dialogbereitschaft mit anderen Kulturen. Sie wird öfter als Eurozentrismus diskreditiert. Vgl. Bolz, Herbert: Lob des Westens, in: WiWo 4/ 20.1.23, S. 40ff.

Hexerei: Bedrohliche Naturphänomene wie auch Erkrankungen von Mensch und Vieh wurden in der frühen Neuzeit mitunter als Ausdruck eines Kampfes zwischen Gott und den Mächten des Teufels gedeutet. Gegen das Wirken von Hexen und Zauberern sollten magische Praktiken helfen. wichtig war es aber auch, diese Verbündeten Satans zu entdecken und zu vernichten. Die im "Hexenhammer" von 1487 formulierte Lehre empfahl daher, die Preisgabe der Namen angeblicher Zauberer oder Hexen durch Folter zu erzwingen. Diese "Besagungen" lösten regelrechte Prozesswellen aus. Vgl. Heuser, Peter Arnold: Hexenjagd Todesurteil "wegen Verderbung des Korns", in: Spektrum Spezial 2/2018, S. 62..

Meiji-Restauration: Eine Phase in der Geschichte Japans, die als Vorbild für den Aufstieg Asiens insgesamt gilt. 1868 (vor 150 Jahren) wurde der "Fünf-Artikel-Eid" unterzeichnet. Es handelt sich um ein Regierungsprogramm, das Japan den Anschluss an die übrige Welt ermöglichen sollte. Zum ersten Mal brach ein asiatisches Land ins Zeitalter des Fortschritts, der Technik und der Industrie auf. Bislang hatte nur Hierarchie und Tradition gegolten, ebenso Abschottung von der Welt; jetzt war die politische, geistige, gesellschaftliche und wirtschaftliche Öffnung angesagt. Sinn war aber auch die Bewahrung und Selbstbehauptung von Monarchie und Staat. Seht stark war in dieser Zeit der Einfluss des kaiserlichen Deutschlands. 1878 bekam die japanische Armee einen Generalstab nach preußischem Vorbild. Auch die japanische Verfassung ließ sich von Preußen inspirieren. Japan erhält so eine effiziente Verwaltung, zeitgemäßen Postdienst, öffentliches Schulwesen. Die Wehrpflicht wird eingeführt. Die Fundamente einer modernen Industrie werden gelegt.  Es war der Aufbruch in eine multipolare Welt. Japan ist bis heute Modell für den Aufstieg anderer Länder  in Asien. Deng Xiaoping folgte dem Rezept in China. Die Tiger-Staaten orientierten sich auch daran.  Vgl. auch: Jan Ross, Als Japan preußisch wurde, in: Die Zeit, Nr. 9, 22.02.2018, S. 22. In Tokio steht der Meiji - Schrein. Hier wird die Kaiserfamilie aus Sicht des Schintoismus verehrt. Die Seelen von Kaiser Meiji und seiner Frau Shoken werden als Gottheiten verehrt.

36 Strategeme: In China bzw. Asien wird Business oft Richtung Krieg interpretiert. Die Strategeme sind "Kriegslisten" bzw. Tricks (sie können auch auf Geschäftsverhandlungen angewendet werden). Hinzu kommt, dass weniger geplant und dokumentiert wird und mehr ausprobiert. Vgl. Harro von Senger: Strategeme für Manager, München 2004. Die 36 Strategeme sind ursprünglich eine Sammlung von Kriegslisten des chinesischen Generals Tan Daoji (allerdings kann die Herkunft nicht sicher zurückgeführt werden; wahrscheinlich lagen die Strategeme im Volksmund vor).  "Es ist im Kriege eine Regel, dass man nie annehmen soll, ein Feind würde nie kommen, sondern man muss jederzeit bereit sein, ihn zu treffen. Man darf nie annehmen, dass er nicht angreifen wird, sondern man sollte sich immer in eine Position bringen, in der man unschlagbar ist", Sun Tsu, Über die Kriegskunst, spätes 5. Jahrhundert v. Chr. Auch: "Der klügste Krieger ist der, der niemals kämpfen muss", Meister Sun.

"Wild West" als Strategie (USA): Im Zusammenhang mit der New Yorker Börse und der Wall Street (aber auch den Methoden der NSA) hat sich der Begriff "Wildwest-Methoden" etabliert. Die Frage ist, ob mittlerweile eine extensionale Definition möglich ist. Dazu gehören könnten sicher als Werte Erfolgsorientiertheit, Begeisterung, Effizienz, Progressivität, Individualität, Selbstversorgung und Freiheit.  Die Kultur ist insbesondere im Arbeitsbereich sichtbar: "Hire and Fire", geringer Kündigungsschutz,  geringer Einfluss der Gewerkschaften, schlechtes Sozialversicherungssystem (insbesondere Krankenversicherung). 2014 finanzieren die Milliardärsbrüder Koch marktradikale Politiker und den Kampf gegen die Gewerkschaften. Ihr Ziel ist der Wildwestkapitalismus.

Thanksgiving: Es ist ein Mythos in den USA. Er geht auf Anno 1621 zurück. Es ist ein nationaler Feiertag in den USA (seit Präsident Lincoln 1863). Es ist eine Variante des Erntedankfestes. Es gilt auch als Fest der Völkerverständigung. Es erinnert an die 102 Siedler der "Mayflower", die Ende 1620 im US-Bundesstatt Massachusetts landeten und eine Kolonie gründeten. Es waren Calvinisten, die sich von Gott auserwählt hielten. Längst nicht alle Amerikaner haben deshalb Grund an diesem Termin zu feiern.

Kultur der USA (Weltleitwirtschaft): Die Rassenunruhen in USA 2020 empfehlen ein Buch von Philip Roth: Der menschliche Makel. Es gibt meines Wissens nach kein besseres Buch zu dem Thema. Gleichzeitig erfährt man viel Interessantes zu der Kultur amerikanischer Hochschulen. Vieles kann man auch auf Deutschland übertragen (Gender, Diskriminierung). 2020 gerät der deutsche Ökonom Harald Uhlig unter Druck. Er lehrt an der Uni Chicago. Er soll sich angeblich rassistisch geäußert haben (Kommentar zur Protestbewegung "Black Life Matters"). Er geht um seine Äußerung über Twitter, in der er sich gegen einen Finanzierungstopp bei der Polizei aussprach ("Drückt Euch aus! Habt Spaß! Aber macht nichts kaputt, ok?", wird als herablassend empfunden). Uhlig war aber schon vorher mehrmals negativ aufgefallen. Die Uni untersucht unter anderem einen Vorwurf, er habe eine Vorlesung auf dem Martin Luther King-Tag verlegt und sich darüber lustig gemacht. Es taucht auch die Frage auf, ob die Ökonomie eine "weiße Wissenschaft" sei (Menschenbild). Uhlig muss die Rolle als Chef-Herausgeber des Journal of Political Economy aufgeben. Siehe auch: "Tragisches Missverständnis, in: Die Zeit 26, 18. Juni 2020, S. 26. Von Philip Roth kann ich weiteres Buch empfehlen: Amerikanisches Idyll, Hamburg (Rowohlt) 2020 (21. Auflage). Es ist eine Klage über die in diesem Jahrhundert gegebnen Versprechen von Wohlstand, öffentlicher Ordnung und häuslichem Glück. Die Hauptfigur ist Swede Levov, ein legendärer Sportler an der Highschool in Newark. Für dieses Buch erhielt Roth den Pulitzer-Preis. Gegen Philip Roth ist John Steinbeck, der andere große Autor über die Kultur der USA, eher oberflächlicher.

Die US-Kultur und Gesellschaft: Obama wollte die Spaltungen überwinden und ist letztlich gescheitert. Trump sieht und sah die Spaltung nicht als Herausforderung, sondern als Chance für seine Wahlkämpfe. Die Amerikaner geben ihr Geld mehr für Waffen als für Sozialleistungen oder frei zugängliche Bildung aus. Wir haben uns immer auf den militärischen Schutz der USA verlassen. Das Individuum ist immer noch alles. Insofern ist der amerikanische Traum nicht tot. Aber er ist inzwischen mehr eine Ideologie. Aber die Gesellschaft leidet an ihrer inneren Schwäche. Viele soziale Bereiche sind unterfinanziert. Kein  Land der Welt sperrt so viele Bürger ins Gefängnis (629 Einwohner auf 100.000 Einwohner). Bildung ist eine alleinige Frage des Geldes. Die gesellschaftlichen Defizite führen zu finanziellen Defiziten und umgekehrt. Wenn der Dollar irgendwann nicht mehr akzeptiert wird (z. B. auch von Chinesen, die der größte ausländische Gläubiger sind), bricht das Kartenhaus zusammen. Politisch sind die USA gespalten, weil sich die republikanische Partei auch von religiösen Ideologien leiten lässt (Abtreibung). Innere wirtschaftliche Schwäche ist gepaart mit internen Kämpfen. Biden konnte bisher die Hoffnung nicht erfüllen. Vgl. Wiebe, Frank: Amerikas (Alb)traum, in: HB Nr. 155/ 12./ 13./ 14. August 2022, S. 16f.

Rechtsextremismus in den USA: In den USA gibt es immer mehr militante Rechtsextreme. Sie tragen häufig Hawaii-Hemden und sind bewaffnet. Man spricht von "boogaloo bois". Es sind männliche Trump - Anhänger, die gegen Frauen, Homosexuelle, Minderheiten sind. Facebook sperrte im Juli 2020 erstmals 320 Konten mit mehr als 100 Gruppen mit rechtsextremen Bezügen. Weitere starke Anhänger von Trump sind die Q. Das sind Anhänger einer Verschwörungstheorie. Sie müssen gegen unsichtbare Mächte kämpfen, die Kinder isolieren und ihr Blut trinken. Anhänger dieser Gruppe gibt es auch in Deutschland immer mehr. Trump unterstützt diese Gruppen latent ("bitte haltet euch bereit"). Es tut sich besonders eine rechtsnationale Gruppe hervor, nämlich die Proud Boys. Ihr Chef ist Enrique Tarrio, ein kleiner Textilunternehmer (gegründet wurde die Gruppe von Gavin McInnes, in GB geboren, in Kanada aufgewachsen, Publizist). Die Gruppe tritt als Miliz in Hochburgen der US-Linken auf. Man befürchtet eine Beeinflussung vor Wahllokalen von dieser Gruppe.

"Pälzylvania": In Pennsylvania spricht man neben Englisch auch PA-Dutch - Pennsylvania-Deutsch . Das ist ein Auswandererdialekt, der dem Pfälzischen ähnlich ist. Die Siedler haben nicht nur die Sprache, sondern auch andere Teile der Kultur mitgenommen: Elwetritsche, Saumagen, Wein. Darüber gibt es auch einen Film von Benjamin Wagener (2018). 2021 erscheint ein Buch dazu: Michael Werner: Hiwwe wie Driwwe.

Familienorientierung in verschiedenen Kulturen (Verbindung von Privatem und Geschäftlichem): Die islamische Religion beeinflusst stark das Geschäftsleben. Es gelten die fünf Säulen das Islam: Glaubensbekenntnis (Schahada), Gebet (Salat), Almosensteuer (Zakat), Fastenmonat Ramadan und Pilgerfahrt nach Mekka (Haddsch). Familiäre Strukturen und traditionelle Werte prägen auch das Business.  Gastfreundschaft, indirekte Kommunikation, Gastgeschenke und Netzwerke sind darüber hinaus besonders wichtig. Danwei (Einheit von Familie und Arbeitseinheit usw.) übt einen starken Einfluss in China aus. Z. B. bringen die Kredite der Auslandschinesen an Angehörige im Land die Wirtschaft immer wieder in Schwung. Auch sind viele Privatunternehmer auf die Hilfe ihrer Familie und Freunde angewiesen, da sie bei staatlichen Banken nur schwierig Kredite bekommen. Die Danwei - Philosophie führt dazu, dass der Wert des Einzelnen als begrenzt angesehen und das Individuum nur in seiner Funktion als Teil eines sozialen Verbandes wertvoll betrachtet wird. Die Familie ist von herausragender Bedeutung im gesamten ostasiatischen Kulturkreis. Das Wort Familie wird im Chinesischen mit "jia" übersetzt, was gleichzeitig Heimat und Zuhause bedeutet. Familien sind in China patrilinear organisiert, was bedeutet, dass die Frau nach ihrer Hochzeit ihre eigne Familie verlässt und in die des Ehemanns eintritt. Das Max-Planck-Institut für demographische Forschung in Rostock legt 2024 eine interessante Studie vor: Die Familien schrumpfen  - weltweit. Sie berechnen für jedes Land , wie viele Verwandte eine Person hat. Den größten Rückgang gibt es in Südamerika und der Karibik. Großen Einfluss haben der Bildungsgrad und Frauen in Berufen.  "Haltet eure Ehepartner, Kinder, Verwandte, Freunde und Mitarbeiter im Zaum und gelobt, nicht die Macht zu persönlichen Beziehungen zu nutzen", Xi Jinping, 2004, zukünftiges Staatsoberhaupt (nach Bloomberg soll seine Familie alleine über ein Vermögen von 380 Mio. Dollar verfügen; der Fall Bo Xilai zeigt, dass ein Großteil des Vermögens der Führungselite  im Ausland angelegt ist). "All lasting business is built on friendship", Alfred A. Montapert ("The Laws of Life", 1970). China hat eine Schwäche für Ivanka Trump. Ihre Tochter Arabella fing schon mit 18 Monaten an,  Mandarin zu lernen. Schon 2016 sang gab sie anlässlich des chinesischen Neujahrsfestes ein Ständchen in Mandarin der Botschaft. Ivanka (in China: Yi Wan Ka) nutzt diese Popularität für ihr Modelabel in China. Dazu gehören auch Badematten, Wickeltücher, Gardinen und Bettwäsche. Sie hat schon sieben Markenrechte bekommen. Als Trump den Netzausrüster ZTE rettet, indem er ihn von seiner Handelspolitik ausnimmt, darf die Trump-Hotelkette auf der indonesischen Insel Java ein Luxushotel samt Golfplatz bauen. Direkt daneben baut ein chinesischer Staatskonzern einen Vergnügungspark.

Familientypen und Kultur: Der französische Soziologe Emmanuel Todd teilt die Familien in Europa in Familientypen ein und zieht daraus wichtige kulturelle Rückschlüsse (E. Todd: Traurige Moderne. Eine Geschichte der Menschheit von der Steinzeit bis zum homo americanus, München 2018). 1. Stammfamilie: Der älteste Sohn wird traditionell als Stammhalter bevorzugt (Deutschland, Österreich, Schweiz, Tschechien, Irland, Schweden, Norwegen). 2. Kernfamilie; beliebige oder gleiche Erbverteilung, eher liberal oder egalitär ausgerichtet (Frankreich, Spanien, Großbritannien, Polen, Nord- und Süditalien). 3. Kommunitäre Familie: Brüder sind gleichrangig, Männer stehen über den Frauen. Söhne bleiben dem Vater verbunden (Russland, Weissrussland, Estland, Lettland, Litauen, Bulgarien, Serbien, Mittelitalien).

Clan-Struktur und Unternehmen: Clan-Strukturen sind aus vielen Ländern in der Geschichte bekannt. Als Beispiel seien die Clans im schottischen Hochland genannt. Die Mac Donalds, Mac Leans, Champells, Sutherland, Mac Kensey u. a. haben Jahrhunderte dort geherrscht. Sie zeichnen sich durch streng hierarchische Familienstrukturen aus. Durch die Auswanderungswelle aus Schottland (vor allem in Folge der Clearings) sind die Strukturen nach Kanada, USA, Australien und Neuseeland gelangt. Sie prägen noch heute Unternehmensstrukturen, die aus den Clans entstanden sind (Mc Donald`s, McKinsey, Wiskybrennereien u. a.). Die Clans treffen sich häufig auch heute noch. In den USA spricht man sogar von Clan-Demokratie. Wenn es um höchste politische Ämter geht, tauchen immer dieselben Namen auf. Angehörige politischer Dynastien müssen sich kein Profil mehr erarbeiten. Als einer der bekanntesten Clans im deutschsprachigen Raum gelten die Familien Porsche und Piech, die die Macht bei VW halten und ausbauen. In Italien ist die Agnelli-Dynastie bekannt, die als Familie 46% von Fiat beherrscht. Im Juli 2018 wird in Berlin ein Schlag gegen einen arabischen Clan durchgeführt. Es werden 77 Immobilien beschlagnahmt. Diese wurden durch spektakuläre Straftaten finanziert. Die Innenminister der Länder gehen 2019 insgesamt stärker gegen Clankriminalität vor. Man prüft auch einen Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft (doppelte Staatsbürgerschaft). Die Mitglieder der Clans lebten vorher vorwiegend im Libanon und in der Türkei. Sie sind überwiegend arabischer oder kurdischer Herkunft.

In arabischen Ländern hat die Sippe eine große Bedeutung. Ursprünglich wurde sie durch die Wüste geprägt. Das Sippensystem war eine geniale Einrichtung, die Leben in der Wüste ermöglichte. Heute ist sie eine der Hauptursachen für die Rückständigkeit der Araber im kulturellen Bereich. Weder die Institutionen der Länder noch die Gesetze des Staates haben in diesen Ländern das Sagen. Die Sippe bildet das System der Herrschaft. Sie bietet ihren Mitgliedern Geborgenheit und Solidarität und verlangt absolute Loyalität gegenüber den Herrschenden. Die Sippen Saud (Saudi-Arabien), Assad (Syrien) und Haschem (Jordanien sind jeweils die mächtigsten in ihrem Land. Heute verhindern diese Sippen nicht nur Reformen in ihren Ländern, sondern auch Reformen der arabischen Sprache. Sie kommt vom Aramäischen und wurde früher (etwa in den ersten 200 Jahren nach dem Tode des Propheten) ständig reformiert. Teilweise werden die Strukturen auch auf andere Länder übertragen. Im Ruhrgebiet z. B. reklamieren libanesische Familienclans ganze Straßenzüge für sich. In Berlin kämpfen besonders arabische Großfamilien um die Macht im kriminellen Milieu. Arabische Groß-Clans gibt es auch in anderen deutschen Städten: in Duisburg, Stuttgart, Bremen, Bremerhaven, Düsseldorf, Gelsenkirchen, Essen und Pforzheim. Sie waschen pro Jahr etwa 100 Mrd. Euro. Sie haben 30 bis 50 eigene Friedensrichter. 2019 findet eine Konferenz dazu in Essen statt. Brennpunkte sind immer noch Berlin, Bremen und Essen. Die Polizei in NRW greift zunehmend durch. Die Mitglieder sind wenig integriert, ihre Heimat ist der Clan. Insgesamt schlägt der Staat ab 2018 zunehmend zurück.

Cliquenwirtschaft: "Cliquenwirtschaft ist eine soziale Technik, die dabei hilft, über Freundschaften und Bekanntschaften wirtschaftliches Kapital zu generieren", Gisela Schmalz, Cliquenwirtschaft. Die Macht der Netzwerke: Goldman Sachs, Kirche, Google, Mafia & Co. Gewinn entsteht quasi durch Geselligkeit. Die zwei Faktoren Cliquenkitt und Cliquentechnik führen zum Erfolg der Netzwerke. 

Netzwerke (Vitamin B, Beziehungen, Guanxi, Fakelaki): In jeder Kultur spielen informelle Netzwerke im Geschäftsleben eine große Rolle. In Kulturen mit einem hohen Anteil an indirekter Kommunikation nehmen diese Netzwerke einen großen Raum ein. Sie zeigen sich vor allem in der Ess- und Trinkkultur. Geht nichts mehr ohne Einsatz dieser Mittel, spricht man von Korruption. Die NGO Transparency International stellt jährlich einen Korruptionsindex auf. In der EU nimmt Griechenland einen unrühmlichen Spitzenplatz ein. Ob Fahrprüfung oder Baugenehmigung, ohne Bestechungsgeld läuft fast gar nichts. Netzwerksbeziehungen gibt es auch im Unternehmensbereich. Der Begriff "Keiretsu" steht für Netzwerke japanischer Unternehmen (unterschiedliche Branchen).  "Beziehungen schaden nur dem, der sie nicht hat", Otto Bettermann, Menden, Unternehmer, "Hidden Champion".

GLOBE-Studie und Kulturdimensionen von Hofstede: Die Globe-Studie ist in diesem Umfang die neueste Kulturstudie über fast alle wichtigen Kulturen. Über 170 Forscher aus 62 Kulturen leisteten einen Beitrag.  Im Mittelpunkt steht der Einfluss der Kultur auf Führungsverhalten. Einzelne Länder werden zu Kulturclustern zusammengefasst. Hofstede ist durch die Ableitung seiner Kulturdimensionen (Machtdistanz, Kollektivismus/ Individualismus, Feminität vs. Maskulinität, Unsicherheitsvermeidung) berühmt geworden. Die Daten stammen aus den Jahren 1967 bis 1973 und sind veraltet und speziell, weil nur IBM-Mitarbeiter untersucht wurden. Daneben liegen zahlreiche weitere Kulturstudien vor (Trompenaar, Hall, Pinto u. a.). In der Veranstaltung "Interkulturelle Kommunikation" gehe ich auf alle diese Studien ein. "Toleranz heißt: die Fehler der anderen entschuldigen. Takt heißt: sie nicht zu bemerken." Arthur Schnitzler, österreichischer Schriftsteller. Hofstede wird 1928 in Haarlem/ NL geboren. Er hat einen Mastertitel in Maschinenbau der TH Delft/ NL. Bei IBM baute er eine Personalforschungsabteilung auf und promovierte gleichzeitig. Sein berühmtestes Buch ist Culture`s Consequences, 1980. "Individualismus bedeutet heute, dass man alles tut, was alle anderen tun, bloß einzeln", Rock Hudson, US-amerikanischer Schauspieler.

Trompenaars Kulturdimensionen: Alfons Trompenaars entwickelte zusammen mit Charles Hampden-Turner ein eigenes Schema von Kulturdimensionen (Trompenaars/ Hampdan-Turner: Riding the waves of culture, New york 1998): Universalismus und Partikularismus, Individualismus und Kommunitarismus, Neutralität und Emotionalität, Spezifität und Diffusität, Leistung und Herkunft, Serialität und Parallelität, Interne Kontrolle und externe Kontrolle.

Kulturdimensionen von Inglehart: Er  konstruiert neun Kulturzonen. Sie orientieren sich an religiösen, sprachlichen und philosophischen Kategorien. Im Zentrum stehen die Rolle des Individuums und die Rolle der Religion. So kommt er zu den Zonen baltisch, orthodox, katholisches Europa, protestantisches Europa, afrikanisch-islamisch, lateinamerikanisch, englischsprachig, Südasien, konfuzianisch.

Vom Gottesbild zum Menschenbild (Individualismus versus Kollektivismus): Im antiken Ägypten (aber auch in Babylon oder bei den Kelten) bei den Pharaonen lautete die Selbstdefinition Gottes: "Ich bin, was da ist" (Inschrift auf einer Stehle). Gott definiert sich als das Seiende, die Natur. Der Gott Israels, der alle anderen monotheistischen Richtungen geprägt hat, wird im alten Testament wie folgt beschrieben: "Ich bin, der ich bin. Gott hat Dich bei Deinem Namen gerufen". Beim ersten Gottesbild geht es um die Ein- und Unterordnung des Menschen gegenüber der Natur. Beim zweiten Gottesbild geht es nur um die Akzeptanz der Natur in Anbetracht des Schicksals des Einzelnen. Das ist  die Grundlage des humanen Denkens. Der einzelne wird bei seinem Namen gerufen. Nicht das Kollektiv, nicht die große Zahl, sondern Gott widmet sich jedem einzelnen. Darin ist die Würde des Menschen begründet. Das ist im Kern auch die Ursache unterschiedlicher Vorstellungen über Menschenrechte im Westen und in China. China ist im Menschenbild antiker Natur-Religionen stehen geblieben.

Kaizen: Ständige Verbesserung und Änderung wurde von Massaki Imai entwickelt, ursprünglich in der Fertigungstechnik. Es beinhaltet ein konsequentes Innovationsmanagement, das in permanenter Produktverbesserung und Verbesserung aller betrieblichen Prozesse besteht (die Japaner besitzen eine besondere Fähigkeit darin, Fehler zu erkennen und zu korrigieren). Es ist eine Art Führungsphilosophie, die insbesondere Verschwendung verhindern und Lernprozesse fördern soll. Die Prozessorientiertheit ist ein besonderes Merkmal der japanischen Produktion. Verbunden damit ist das Ringi Seido - Prinzip, wonach lediglich der Anstoß von oben kommt und ein Umlaufverfahren entsteht (der große Vorteil liegt in der Durchsetzbarkeit). Nemawashi: der japanische Ausdruck für das allgegenwärtige Streben nach Konsens und Harmonie, das auch damit verbunden ist,  gilt als einer der Hauptgründe für den wirtschaftlichen Aufstieg nach dem 2. Weltkrieg. Die Grundeinstellung zu Innovationen und ihre Umsetzung ist sehr stark kulturell beeinflusst. Dazu habe ich eine Reihe von Vorträgen gehalten. Die Kulturstandards "Gesicht wahren", "Etikette", "Geduld" (geduldiges Warten) und "indirekte Gespräche" werden auch im Geschäftsleben gewahrt.

Shaolin-Strategie: Acht Leitsätze beinhaltet die Shaolin -Philosophie: 1. Ich lerne jeden Tag mehr über mich selbst. 2. Ich kontrolliere meine Gedanken. 3. Ich achte auf meine Gefühle und lerne, sie anzunehmen, aber auch loszulassen. 4. Ich bin gefestigt und übernehme Verantwortung für mich und für andere. 5. Ich wertschätze meinen Körper und achte auf mich. 6. Ich acht und wertschätze andere Menschen. 7. Ich richte meinen Blick mit Gelassenheit auf das Wesentliche. 8. Ich lebe im Hier und Jetzt und nehme an, was geschieht. Diese Leitsätze haben mittlerweile auch Eingang gefunden ins Coaching und ins Energie- und Bewusstseinstraining. Vgl. Späth, T./ Bao, S. Y.: Shaolin, München 2011.

Symbole: Durch das Internet und die Bilder orientierte Kommunikation allgemein werden Symbole immer wichtiger. Sie sind die allgegenwärtige Sprache unserer Zeit. Die große Gefahr ist, dass komplizierte Sachverhalte zu stark auf Bild und Slogan reduziert werden. Interessant ist die Frage, welche Symbole für welches Land und welche Kultur stehen. Tiere oder nahe Produkte haben dabei eine Schlüsselrolle. So die Kuckucksuhr für Deutschland. Ursprünglich wurde sie nur im Schwarzwald hergestellt. Mittlerweile gibt es auch verfremdete Kuckucksuhren (Stefan Strumbel aus Offenburg). Der französische Künstler Clet Abraham gestaltet seit mehreren Jahren Verkehrschilder in Großstädten um. Er spielt mit den Symbolen, die Verhaltensvorschriften symbolisieren. In Japan und der Türkei drohte der Knast dafür (sagt auch viel über Kultur aus). Immer wieder zum Streit kommt es um religiöse Symbole. Zur Zeit geht es dabei immer wieder um das Kopftuch bei Frauen muslimischen Glaubens. Der EuGH entscheidet im März 2017,  dass unter bestimmten Bedingungen Frauen das Tragen eines Kopftuchs am Arbeitsplatz untersagt werden kann.

Statussymbol: Sich abzugrenzen von anderen gehört zum Menschen dazu. Wer es sich leisten kann, nutzt Statussymbole, um die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu signalisieren. Doch die Unterscheidungsmerkmale wandeln sich im Laufe der Zeit. Die Zurschaustellung ist keine  Protzerei, sondern befriedigt ein uraltes Verlangen. Ständiges Vergleichen kann aber auch deprimierend sein. Statussymbole spielen in kollektivistischen Kulturen eine größere Rolle. Sie sind auch bedeutender für Menschen mit geringerem Selbstbewusstsein. Vgl. Anders, Britt: Rolex oder Lastenfahrrad, in: Rheinpfalz am Sonntag 16./ 17.12.23, S. 6.

Helden: Sie gibt es in jeder Kultur. Sie können auch eine Kultur verbindende Funktion haben. So etwa Deutsche, die in anderen Kulturen zu Helden geworden sind. Das ist bei Karl Marx in China. Er zählt wie Mao zu den Helden des Landes (das habe ich mal in einem Projekt untersucht). Auch Künstler oder Fußballstars können zu Helden in einer Kultur werden. Auch bestimmte Situationen und Zeiten können Helden hervorbringen. Die Pandemie Corona hat vorübergehend zu einer Scheinkonjunktur des Heroischen geführt. Vor allem Alltagshelden wurden genannt. Politiker und Experten wurden nicht gerne als Helden gesehen. Sie funktionieren mehr als Sündenböcke. "Wutbürger, die sich nun als Heroen des Widerstands gegen Regierungsmaßnahmen inszenieren, bestätigen einmal mehr: Wo Helden die Bühne betreten, besteht Anlass zur Sorge", in: WiWo 26, 19.6.2020, S. 42f. Auch: Bröckling, Ulrich: Postheroische Helden. Ein Zeitbild, Suhrkamp Verlag 2020. Nach der Corona-Krise werden in Deutschland und auch in anderen Ländern oft Denkmäler von Helden beschmutzt oder gestürzt. Man könnte von Bilderstürmern sprechen. Dies geschieht auch bei Demonstrationen im Zuge von "Black Life Matters". Das ist eher politisch unreif und geschichtsblind. Besser könnten alte Helden durch neue Vorbilder ersetzt werden. Doch es gibt auch berechtigte Kritik. So soll die Roosevelt-Statue vor dem New Yorker Naturkunde-Museum entfernt werden. Sie zeigt den ehemaligen Präsidenten auf dem Pferd. Neben ihm zu Fuß ein Indianer und ein Schwarzer. Das Monument stelle Schwarze und Indianer als "unterworfen und rassistisch minderwertig" dar (Bürgermeister De Blasio). Trump vertritt eine andere Position: "Lächerlich, tut es nicht". Trump benutzt das Fallen von Denkmälern, um die Nation weiter zu spalten und seine Anhänger zu mobilisieren. "Unglücklich ist das Land, das keine Helden hat...Nein. Unglücklich ist das Land, das Helden nötig hat", Bert Brecht, deutscher Schriftsteller.

Unternehmenskulturen (grundsätzliche kulturelle Unterschiede durch das Heimatland beeinflusst): Generalisierungen sind vorsichtig zu betrachten. Trotzdem deuten sich Unterschiede an: Amerikanische Unternehmen geben dem Controlling einen relativ starken Einfluss. Deutsche Unternehmen sind stärker von Ingenieuren geprägt (perfektionistisch). Japanische Unternehmen sind eher  stark an Produktionsprozessen interessiert (visionsfrei). Italienische und französische Firmen legen großen Wert auf Design der Produkte und sind eher verspielt (unverbindlich, Avantgarde). Von der Unternehmenskultur sind viele andere Faktoren abhängig. Ein gutes Beispiel ist VW 2015: Die Unternehmenskultur, die zu sehr auf Hierarchie und Rentabilität getrimmt war, ermöglichte die Manipulation bei den Abgaswerten von Dieselfahrzeugen.

Führungskulturen im internationalen Vergleich: Der Umgang mit Entscheidungsprozessen lässt sich in einer Matrix darstellen. Auf der senkrechten Achse wird "Top-Down" und "Konsensorientiert" verortet. Die waagerechte Achse bildet die Einstellung zum Thema Autorität ab (Egalitär - Hierarchisch). So können vier Führungskulturen in den vier Feldern gebildet werden: Konsensorientiert und egalitär sind Dänemark, Niederland, Norwegen und Schweden. Konsensorientiert und hierarchisch sind Belgien, Deutschland und Japan. Top-down und hierarchisch sind Brasilien, China, Frankreich, Indien, Indonesien, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien. Vgl. Erin Meber: Souverän führen, in Stuttgart, Seattle und Shanghai, in: Harvard Business Manager, Oktober 2017, S. 38ff.

Risiko: Je moderner Gesellschaften sind, desto mehr Risiken werden produziert. Wachstum, internationaler Handel, Mobilität und Vernetzung schaffen Vorteile und bergen große Risiken. Das Bewusstsein zum Risiko und die Bereitschaft zur Übernahme von Risiko ist kulturell sehr unterschiedlich. Es gibt zusätzlich eine hohe Korrelation mit der Unsicherheitsabsorption, die ebenso stark von der Kultur beeinflusst wird. Als unabhängige Variable beeinflusst die Risikobereitschaft stark die Gründungstätigkeit und die Bereitschaft zur Selbstständigkeit.

Geschäftssinn/ Basarmentalität/ Gründermotivation: Der Geschäftssinn ist stark kulturabhängig. Das gilt zum Einen für das Verhandeln beim Kauf. In China oder im Orient sind Preisverhandlungen beim Kauf obligatorisch. Wenn man dafür keine Zeit hat oder sie nicht will, verliert man Achtung und "Gesicht". Man könnte also sagen, das Geschäfte machen bei einigen Kulturen im Blut liegt. Zum anderen bezieht es sich auf eine stärkere Gründertätigkeit und Selbständigkeit im Wirtschaftsleben.

Radikalisierung, Extremismus und Fanatismus: In der Regel mit Religionen verbunden. In jüngster Zeit am ehesten mit dem Islam (Islamismus). Der Islamismus ist die einflussreichste geistige Strömung unserer Zeit. Wichtige Merkmale sind: Geschlossenes Weltbild, Verlockende Identität, Unwertes Leben (wertes Ableben), charismatische Anwerber, warmes Nest.  Saudi-Arabien finanziert die Wahhabistische Ausrichtung in vielen Moscheen der Welt. Der Wahhabismus geht auf eine Veränderung der Lehre der Hanbaliten zurück. Sie wurde im 18. Jhrdt. n. Chr. von al -Wahhab gegründet und dann Staatsdoktrin in Saudi-Arabien. "Weisheit ist begreifen, dass man nicht weiß, ob etwas schwarz oder weiß ist", Umberto Eco (Der Name der Rose, gestorben 2016).

Ritual: Sie schaffen Vertrauen und verleihen Sinn. Jede Kultur braucht Rituale. Sie sind sozialer Kitt, der Gesellschaften zusammenhält. Eingesetzt werden Rituale auch in der Medizin. Wissenschaftlich anerkannt ist der Placebo-Effekt. Archäologen fanden Spuren uralter Rituale, die es schon in den ersten Zivilisationen gab.  Dazu gehören z. B. die Göbekli Tepe, das Stonehenge der Türkei. Der Tempel-Ort ist bis zu 12.000 Jahre alt. Rituale sind etwa Hochzeit, Beerdigung, Weihnachten und viele andere.

Traditionen, Bräuche, Feste, Handwerkstechniken:  Sie werden als Immaterielles Kulturerbe bezeichnet. Es wird auch von der UNESCO geschützt. Sie sind identitätsstiftend und gemeinschaftsfördernd und stellen eine Art Kitt der Gesellschaft dar. 2016 soll vielleicht das Genossenschaftswesen als erste deutsche Kulturform aufgenommen werden. Bisher anerkannt sind der Tango in Argentinien, die traditionelle chinesische Medizin (TCM) und die italienische Geigenbaukunst.

Karneval/ Fassnacht: Es ist ein wichtiges Ritual der deutschen Kultur. Aber nicht nur Corona bedroht die Tradition: Das Publikum wird weniger, Vereine verlieren Zulauf. Der Karneval muss kulturell zurück zu den wurzen (Satire). Er braucht mehr Vielfalt und weniger Stereotype. Die Witze brauchen mehr Qualität. Man sollte sich selbst nicht so ernst nehmen. 

Heiratsmarkt: A. Roth hat eindruckvoll analysiert, wie Märkte funktionieren, wo nicht rein ökonomisch der Preis entscheidet. Am interessantesten ist der Wandel des Marktes in China: von Tradition  und Familie als Entscheider weg zu der Macht der Frau, weil sie knapp geworden ist und die Männer aussuchen kann (Wohnung, Beruf, Auto). Traditionell spricht man in Asien von "Sterben nach der Hochzeit" (ganzes Geld für Familie und Kinder). Heute gibt es weltweit interessante neue Arrangements: Liquid Love, Techno-erotische Transformation, Neo-Courtship, Friending, Ehe Liht, Sologamie, Gameship. Das wird auch die Familie als Kern der Gesellschaft verändern.

Essen als wichtigstes Ritual in den Kulturen: Das Essen wird in vielen Kulturen den geschäftlichen Verhandlungen vorgeschaltet oder beides wird verbunden. Es gilt die Befolgung klarer Regeln. In China legt man großen Wert auf frisch zubereitete Mahlzeiten. Oft kann man sein Essen lebend aussuchen. Die gewählten Speisen werden den Gästen gemeinsam serviert. Es gilt als unhöflich, alles aufzuessen. Das ist aber sowieso nahezu unmöglich. Man sollte das Glas nie höher halten als das des Gastgebers. Der Gastgeber reicht dem Gast die besten Stücke. In manchen Gegenden muss der Gast mit jedem Teilnehmer am Tisch anstoßen (kann zu einem Problem bei Alkohol werden). Ebenso wichtig wie das Essen ist die Sitzordnung beim Essen. Hier müssen die Regeln des "Feng Shui" in China eingehalten werden. Eng mit dem Essen verbunden ist die Gastfreundschaft. Die chinesische Küche ist eine der besten der Welt. "die währe chinesische Küche kann euphorisieren, wären, trösten, in China habe ich die Bedeutung des Begriffes "soulfood" zum ersten Mal wirklich verstanden", A. Köckritz: Wolkenläufer, München 2015, S. 51. Am 20.01.2018 stirbt der wohl berühmteste Koch der Welt: Paul Bocuse in seinem Geburtshaus nahe bei Lyon. Er hatte auch viele deutsche Spitzenköche ausgebildet.

Brot: Brot ist ein Symbol der Kultur. In der christlichen und jüdischen Kultur ist es ein Symbol für Geburt, Wiedergeburt und Transformation. So war es auch schon im alten Ägypten vor Christi Geburt. Deshalb wird es auch beim Abendmahl gereicht. Es ist allgemein in unserer Kultur ein Grundnahrungsmittel. Es steht auch für das Sesshaftwerden der Menschen. Mit der Sesshaftigkeit in Mesopotamien kam der Getreideanbau und dann die Transformation zum Brot. Nicht genug Brot zu haben bedeutete Armut. So gründete F. W. Raiffeisen den Brotverein, um Bauern bei Missernten zu helfen. In Ulm steht das deutsche Brotmuseum.

Sitzordnung: Sie zeigt Macht, Ansehen und Strategie. Berühmt sind die Regeln des Feng Shui: Höchstrangige Person möglichst weit von der Tür weg. Daneben der höchste Gast. Einige andere Grundregeln sind: Rechts vom Chef sitzt seine rechte Hand (manchmal auch ein Schleimer). Links vom Chef sitzt ein loyaler Verbündeter - aber mit eigener Meinung. Der Ranghöchste sitzt am Kopfende. Manchmal auch in der Mitte. Die meisten Menschen zieht es instinktiv in Richtung Ecke. Räumliche Nähe kann zu Sympathie und Vertrauen führen (Experimente).

Kleidung: Kleidung ist ein wichtiges kulturelles Symbol. In der beruflichen Kleidung gibt es starke Konventionen. Z. B. müssen die männlichen Führungskräfte in Japan in Anzug und Krawatte erscheinen. In China war die Farbe "Gelb" lange nur dem Kaiser vorbehalten. Die Kleidung am Hof von Versailles war viele Jahre für ganz Europa prägend. In der Kleiderordnung gibt es einen großen Wandel. Das sieht man bei uns an der Sonntagskleidung. Früher gab es einen Sonntagsrock. "Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren", Karl Lagerfeld, Modeschöpfer.

Masken: Masken gibt es, weit es Menschen gibt. In Höhlenmalereien und vielen Stammeskulturen tauchen Masken auf. Das ist mehr Ritus. Später gibt es Masken im Schauspiel. So etwa im alt-griechischen Theater oder im japanischen. Im heutigen Karneval, vor allem in der Fassnacht, gibt es noch Überreste. Masken zeugen von Bewusstsein, dass wir gespalten sind: das ein Riss in uns klafft zwischen dem, was wir darstellen und dem was wir sind. Heute erleben Masken eine Blühte durch Corona. Sie sind aber auch zu einem Symbol der Opposition geworden. Ich kann durch Nichttragen Widerstand ausdrücken. Das kann auch Ausdruck einer existenziellen Krise sein (Verzweiflung).

Werte: Sie stehen repräsentativ für die Kultur eines Landes. Umstritten ist der Begriff Leitkultur. Aber in Anbetracht der gestiegenen Migration werden kulturelle  Leitfaden für alle in einem Land lebenden Menschen entwickelt. Der Wahlerfolg Trumps hängt auch damit zusammen, das er die Ursprungswerte Amerikas wieder beleben will. Die Evangelikalen schätzen das besonders, obwohl sie ihn selbst durchaus als unvollkommen ansehen (Altes Testament, Buch Richter, Der Unvollkommene stellt die alten Werte wieder her).  Ende 2016 stimmen die Dänen darüber ab, welche Werte ihnen wichtig sind. An erster Stelle steht ein funktionierender Wohlfahrtsstaat. Dann folgen Freiheit, Vertrauen, Gleichberechtigung, die dänische Sprache, das Vereinsleben, das ehrenamtliche Engagement, die Meinungsfreiheit und die Gemütlichkeit (Hygge) sowie das christliche Kulturerbe.

Deutschland, seine Werte und die Welt: "Zusammenfassend kann man sagen, dass die Menschen auf der Welt sicher einige Werte miteinander teilen, wie die hohe Bedeutung der Familie, aber viele Werte doch eine sehr unterschiedliche Stellung haben. Manchmal scheinen Vorstellungen auch ähnlich zu sein, wie die geäußerte Wertschätzung für Demokratie (oder Menschenrechte), doch offensichtlich verbinden die Menschen damit oft etwas anderes als man es sich in Deutschland vorstellt, wie z. B. starke Führungspersönlichkeiten, die nicht durch Parlamente eingeschränkt werden. Sicher kann man auch andere Werte als in diesem Beitrag heranziehen und man kann sie anders aggregieren, das Ergebnis wird aber vermutlich jedes Mal qualitativ ähnlich ausfallen: Viele Werte, wie sie die Menschen in Deutschland schätzen und wie sie von der deutschen Politik vertreten werden, haben auf der Welt keine Mehrheit." Siehe Menckhoff, Lukas: Fremde Welt: Nur eine Minderheit teilt Deutschlands "Werte", in: Wirtschaftsdienst 8/ 2023, S. 546-552.

Benimmregeln und Tabus (Hot Spots): Die wichtigsten Benimmregeln sollte man beachten, um in einer anderen Kultur nicht sofort mit Schwierigkeiten zu starten. In Südafrika gilt der ausgestreckte Finger als Angriffssignal. In arabischen Staaten ist legere Kleidung ein Zeichen von Armut. In Japan betritt man fremde Räume grundsätzlich ohne Straßenschuhe. In China ist Lächeln und nicken besser als Händeschütteln. In Thailand gilt das Zerknüllen von Geldscheinen als Majestätsbeleidigung. Auf den Philippinen ist Pünktlichkeit unhöflich. Ausländer sollten Russland nicht die Regierung kritisieren. In den USA sollte man keine Scherze über den Einreisebogen machen. Das können nur einige wenige Hinweise sein.

Schimpfen, Schelten, Pöbeln, Fluchen: Wer flucht, baut Stress ab und stellt eine Gemeinschaft mit Kollegen her. Das ist eine wichtige psychologische Funktion. Der britische Verhaltenspsychologe Richard Stevens hat Experimente dazu durchgeführt. In jeder Kultur hat es in jeder Epoche Rituale dazu gegeben: Im alten Athen der Mysterienkult, Starkbieranstich auf dem Nockherberg oder Karneval. Die Art wird auch stark kulturell beeinflusst: im Norden Europas eher aufrichtig (Aufrichtigkeitsgefälle), im Süden eher mit Theatralik und Gesten verbunden. In der Gegenwart ist eine zunehmende Verrohung und eine scheinbare Entgrenzung zu beobachten. Das kommt durch das Internet: Im Netz fehlt die direkte Rückkopplung. Jeder kann machen, was er will und wann er will. Die Kunst des Nichtbeachtens sollte wieder in der Gesellschaft erlernt werden.

Freundlichkeit: Sie macht gesund und glücklich. Studien zufolge sind die Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit beträchtlich. Der Dalai Lama, geistiges und weltliches Oberhaupt der Tibeter, bezeichnet Freundlichkeit als seine Philosophie. Es gibt auch einen World Kindness Day. eingeführt wurde er 1998 von der World Kindness Movement, die ihren Ursprung in Japan hat (die ältere Generation beklagte sich über einen Verfall der traditionellen Freundlichkeit). Der Tag hat sich in Singapur, Australien, Nigeria und Kanada etabliert. Freundlichkeit kann sich offenbaren in mildem Lächeln, freundlichem Winken oder anderen Gesten.

Soft Power: Weiche kulturelle Faktoren, wie z. B. die Popkultur, helfen, nationale Interessen durchzusetzen. Überragende Führungsfiguren erzählen gute Geschichten (gute Absichten reichen nicht aus). Die Hypothese geht auf Joseph Nye, einen amerikanischen Politologen, zurück.

Vorurteile und Stereotype: Beide sind die größten Hindernisse für interkulturelle Kommunikation. Vorurteile sind eher verhaltensrelevant. Stereotype sind im Einstellungsbereich. Sie haben auch eine entlastende Funktion. Menschen neigen dazu, das, was sie bestätigt, für wichtiger zu nehmen als das, was sie widerlegt. Auch wenn bekannte konkrete Ausländer für nett gehalten werden, können Flüchtlinge insgesamt bedrohlich wirken. Der US-Sozialpsychologe Anthony Greenwald deckt Vorurteile mit einfachen Mittel auf: Er hat den "Implicit Association Test (IAT)" entwickelt. Denken in Schubladen liegt in der Natur des Menschen. Es ließ sie überleben. Die Menschen waren die meiste Zeit auf ihr Umfeld beschränkt, die Familie, den Clan, die Nachbarn, später das Dorf. Alles von außerhalb konnte Gefahr bringen. Also war man automatisch zu dem hingezogen, was einem vertraut erscheint. "Ordnung ist das halbe Leben", deutsches Sprichwort.  Im Oktober 2016 bezeichnet EU-Kommissar Oettinger, noch zuständig für Digitales, in einer Rede in Hamburg die Chinesen und Koreaner als "Schlitzaugen". Es gibt einen scharfen Protest vom chinesischen Außenministerium ("Geste des Überlegenheitsgefühls"). Aus Reihen der EU kommen Rücktrittsforderungen. Oettinger muss sich entschuldigen. Ein deutscher Top-Manager bei Daimler bezeichnet bei einem Streit auf einem Parkplatz in China Chinesen als "Bastarde" und greift zu Pfefferspray. Er löst Empörung in den sozialen Netzwerken aus. Er verliert seinen Job. Im Februar 2018 bedient ein Fernsehsketch in China Vorurteile über Afrika: In der vierstündigen Frühlings-Gala, die 800 Mio. Chinesen verfolgen, geht es um Chinas Engagement in Afrika. Es treten Afrikaner auf und eine angemalte Chinesin. Es wird eine Romanze vorgetäuscht, um einer arrangierten Ehe zu entkommen. Als der Bluff auffliegt zeigt sich dei afrikanische Mutter erstaunlich verständnisvoll: Sie könne doch keinem Chinesen böse sein. die Chinesen hätten doch ihr Land aufgebaut und ihrer Tochter einen festen Job verschafft. dies ist eine von vielen rassistischen Entgleisungen in China.

Stigmatisierung (geht auf die Wundmale Christi zurück, Stigmata): Prozess, durch den Individuen bestimmte andere Individuen in eine bestimmte Kategorie von Positionen einordnen. Man knüpft bei Merkmalen an, die sichtbar oder unsichtbar sind. Die Ursachen der Stigmatisierung liegen darin, wie Menschen sozialisiert sind und wie sie gelernt haben. Das zeigt sich besonders bei geschlechtsspezifischem Verhalten. Darunter leiden Transidente Menschen. Sobald Menschen Anzeichen sozialer Abwertung entdecken, fühlen sie sich unwohl.

Allports Kontakt-Hypothese: Der Kontakt zwischen Mitgliedern verschiedener sozialer Gruppen - ob religiös, ethisch oder nach Stamm - hilft beim Abbau von Vorurteilen und fördert Intergruppenfreundschaften. Das fand Gordon Allport heraus (1897 - 1967).

Bedrohung durch Stereotype: Wenn wir befürchten, dass andere eine schlechte Leistung von uns als Bestätigung ihrer Vorurteile verwenden, kann uns dies verunsichern und die schlechte Leistung wahrscheinlicher machen. Vgl. Jarett, Psychologie, Librero 2019, S. 82.

Das Unbewusste: Es steuert den größten Teil unseres Verhaltens. Heute spricht man sogar von einer Ära des "Neuen Unbewussten". Unbewusste Prozesse können uns auch klug und effizient lenken. Es kann eine Art Autopilot sein. Auch in den Vorurteilen spielt das Unbewusste eine große Rolle. Die Angst vor dem Fremden ist in jedem Menschen.

Mimik und Gestik: Mimik bezieht sich auf den Gesichtsausdruck (feste und veränderbare Merkmale). Gestik hat insbesondere mit den Händen zu tun. Beide sind auch Bestandteil jeder Kommunikation. Amerikanische Forscher haben in unterschiedlichen Kulturkreisen einen Gesichtsausdruck entdeckt, den alle Menschen machen, wenn sie mit etwas nicht einverstanden sind (zusammengezogene Augenbrauen, aufeinander gepresste Lippen, hochgezogenes Kinn). Weiterhin sind er Kommunikation (face to face) noch die Stimme und die Beziehung zum Raum wichtig.

Körpersprache: Jeder Mensch sendet zu jedem Zeitpunkt Signale aus. Unlesbar bleibt man, wenn man die Stirn nicht in Falten legt, die Lippen ruhig aufeinander legen, der Nacken entspannt ist, die Hände entspannt sind, die Atmung reguliert wird.

Weinen: Weinen ist ein wichtiges Ausdrucks- und Kommunikationsmittel in verschiedenen Kulturen. Es stellt eine spezifische Form von Mimik und Gestik dar. Man glaubt, dass sich das Weinen evolutionär entwickelt hat, weil Menschen besonders lange auf die Fürsorge der Eltern angewiesen sind. Aber auch Tiere kennen diese Form der Anteilnahme. In Kulturen, in den Menschen einen individualisierten Lebensstil (reiche, demokratische Länder) pflegen, wird mehr geweint. Frauen weinen mehr als Männer. Menschen aus nördlichen Kulturen weinen mehr als Menschen aus südlichen Kulturen. Weinen kann sozialer Klebstoff der Gesellschaft sein (auch Waffe). Menschen weinen aus Trauer oder Glück.

Interkulturelle Kompetenz: Wichtigste Fähigkeit, um international zwischen verschiedenen Kulturen kommunizieren zu können. Die Sozialpsychologie als Teilgebiet der Psychologie  liefert die theoretischen Grundlagen (Verhalten in sozialen Prozessen, Strukturen und Systemen, Kommunikation, Kommunikationsprozess, Kultur, Kulturschock). Kulturstudien und kulturelle Vergleiche liefern empirische Daten. Interkulturelle Kommunikation muss auf das interkulturelle Marketing und die Unternehmenskulturen (Personalwirtschaft) übertragen werden.

Empathie: Sich in andere Menschen hineinversetzen können, also Gefühle und Gedanken in anderen Menschen vermuten. Eine der zentralen Fähigkeiten der interkulturellen Kompetenz. Etwa mit 4 Jahren entwickelt sich diese Fähigkeit. Sie hängt an einer Faser (Fasciculus Arcuatus), die sich zwischen 3 und 4 Jahren entwickelt und zwei Hirnregionen miteinander verknüpft (Quelle Max Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften). 

Toleranz: Als berühmteste Parabel gilt von Lessing "Nathan der Weise". Toleranz ist unerlässlich im Umgang der Kulturen. Auch zwischen den Religionen sollte Toleranz herrschen. Das ist schwierig bei Religionen mit Wahrheitsanspruch wie der Islam oder der Katholizismus. Herbert Marcuse prägte in der 68-Generation den Begriff "repressive Toleranz" (Essay von 1965). Für die Repression verantwortlich sollte der Staat, die herrschende Meinung, das Establishment sein.

Interkulturelle Missverständnisse: Sie können mit der Theorie der kognitiven Dissonanz erklärt werden. Die können auch auf die Sprache zurückgehen (falsche Übersetzungen). Ein amerikanischer T-Shirt-Hersteller bedruckte T-Shirts für den spanischen Markt, die für den Papstbesuch warben. Anstelle von "Ich sah den Papst (el papa) stand drauf "Ich sah die Kartoffel " (la papa).

Interkulturelle Kommunikation: Die Kommunikation zwischen Ländern in Asien und Ländern in Europa ist insbesondere durch einen Faktor getrennt: In Asien spricht man von impliziter Kommunikation. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass die Sprache selbst nur einen Teil des Inhalts rüberbringt. Der Rest ist in Bildern oder Symbolen enthalten oder muss vom Kommunikationspartner hinein interpretiert werden. Dabei gibt es noch Unterschiede zwischen den asiatischen Ländern (vielleicht am stärksten in Japan). Die Länder Europas pflegen eine explizite Kommunikation. Hauptkennzeichen ist, dass man direkt zum Punkt und Thema kommt. Auch hier gibt es Unterschiede zwischen Ländern in Europa (vielleicht am ausgeprägtesten in Deutschland). "Wenn das unbedachte Wort erst einmal heraus ist, können es selbst vier Pferde nicht wieder holen", Spruch aus Japan. Als Beispiel sei auf die Äußerungen des Eurogruppen-Chefs Jeroen Dijsselbloem über die Südeuropäer 2017 verwiesen ("Das ganze Geld für Schnaps und Frauen").

Kulturelle Enthemmung: Populismus, Krise der Demokratie, alternative Fakten sind in vielen Ländern auf dem Vormarsch. Das hängt auch damit zusammen, dass den Menschen feste Glaubenssysteme (Religionen) fehlen. So flüchten sie sich einerseits in hemmungslosen Konsumkapitalismus oder weichen aus in klare und starre Vorgaben wie sie der Islam bietet. Westliche Werte wie Wertschätzung des Individuums, Meinungsfreiheit, Diskussionsfreude, Neugier geraten unter Druck. Märkte  sind mittlerweile den nationalen Ordnungen entwichen und in den staatsfreien globalen Bereich abgedriftet. Dem können viele Menschen, vor allem soziale Verlierer, nicht mehr folgen. Eine Gesellschaft kann aber nicht allein auf Vertragsbeziehungen beruhen und muss Traditionen und Werte ehren und bewahren (Durkheim).

Kulturelativismus: Der Begriff wurde geprägt von Margaret Mead (1901 - 1978). Sie war die bekannteste Kulturanthropologin des 20. Jhd. Sie hat viele Bücher geschrieben. In "Coming of Age in Samoa" zeigte sie, wie die individuelle psychologische Entwicklung von den Anforderungen des lokalen, kulturellen Kontexts definiert wird.

Multikulturalität und Vernetzungskompetenz: Sie sind nicht angeboren. Man muss diese Kompetenzen erwerben. Dazu muss man mit Menschen anderer Kulturen in Kontakt kommen. Nur so kann man den Vorteil von Globalisierung sehen. Menschen mögen Unsicherheit eher nicht. Deshalb neigen sie oft zu Vereinfachungen, die einfache Lösungen bieten (wie etwa Feindbilder).

Konflikte interkulturell managen: Konfliktverhalten ist sehr unterschiedlich in verschiedenen Kulturen. Am besten sieht man dies an Konfliktsignalen. Frühzeitig sollte nach Lösungen gesucht werden. Bewährt hat sich dabei interkulturelle Meditation.

Globale Teams: Ist heute für viele Führungskräfte Alltag. Sie sollen besonders gut für die Herausbildung interkultureller Kompetenz geeignet sein. Damit der Wissenstransfer gelingt, müssen Führungskräfte vor allem der Isolation von Teammitgliedern vorbeugen.

Rollen im Team: Grundlegend war die Arbeit von Meredith Belbin Er stellte sie in seinem Buch Management Teams (1981) vor: Beobachter, Neuerer, Umsetzer, Wegbereiter, Teamarbeiter, Koordinator, Spezialist, Macher, Perfektionist.

Kulturelle Unterschiede ausgleichen und nutzen: Diversity (Diversität): In der Personalwirtschaft ein Konzept, das die Verschiedenheit der Belegschaft als effizientes Instrument betrachtet. Es geht dabei um eine Betrachtung der Verschiedenheit von Frauen und Männern (Gender, auch Sexualität), älteren und jüngeren Mitarbeitern, Ausländern/ Migranten und Deutschen (Interkulturalität), Mitglieder verschiedener Religionen, Behinderten und Nicht-Behinderten (Handicap), um die Gruppen optimal zum Nutzen der Organisation und der Gruppen selbst einzusetzen. Grundhypothese ist, das die Verschiedenheit der Mitarbeiter den Erfolg der Organisation verbessert. Wichtigste Randbedingung ist der optimale Personaleinsatz gemäß den Merkmalen. Dazu gehören auch flexiblere Laufbahn- und Arbeitszeitmodelle und ein besseres Gesundheitsmanagement. Diversität wird auch als wichtigste Reaktion auf die Bevölkerungsentwicklung gesehen. Ungeklärt ist der genaue Zusammenhang zwischen Erfolgsmerkmalen und Personenmerkmalen (z. B. müssen sich Frauen in Organisationen männlich verhalten, um Erfolg zu haben?). Fälschlicherweise erfolgt oft eine Beschränkung des Themas auf das Geschlechterrollenproblem. Das ist ist weiterhin hoch sensibel. 2014 gibt es eine Diskussion über die Einbeziehung der Sexualität in den Stuttgarter Bildungsplan. Es gibt auch eine Rangliste der Diversität in DAX-Aufsichtsräten. Seit drei Jahren (2014 bis 2016 liegt Siemens an der Spitze). "Kulturelle Vielfalt: Wir bekennen uns zu unserer regionalen und kulturellen Herkunft und betrachten zugleich Vielfalt als Zugewinn und als Voraussetzung für unseren weltweiten Erfolg", Homepage der Robert Bosch Gruppe. "Es kann ja heute keiner mehr öffentlich sagen, dass er gegen Diversity ist", Barbara Stolke, Diversity-Managerin, Thyssen-Krupp, 2015. Die Inklusion behinderter Menschen im Beschäftigungssystem erreicht Ende 2015 einen Höchststand in Deutschland: Aber immer noch ist die ALQ mit 13,9% höher.

Vertrauen: Vertrauen ist eine zentrale Ressource für junge Unternehmen und ältere Unternehmen, die Kooperationen planen. Risiko, Unsicherheit und Informationsasymmetrie spielen dabei eine große Rolle. Vertrauen in die Investoren und Vertrauen in die Kooperationspartner unterliegt bestimmten Bedingungen. Vgl. Welpe, I. M.: Die Entstehung von Vertrauen im Kontext von Unsicherheit und Informationsasymmetrie, in: ZfB 2008, H. 12, S. 1251-1283. Die Bedeutung von Vertrauen als ökonomisches Handlungsmotiv im Rahmen der "animal spirits" (Adam Smith) wird zunehmend gesehen, auch um der gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Vgl. auch Beise, M./ Diederichs, L. (Hg.): Hoffnung Mittelstand, München 2009, S. 47 ff. Auch in der Weltwirtschaftskrise 2008 zeigt sich die Bedeutung des Vertrauens für die Marktteilnehmer, hier insbesondere das Vertrauen im Interbankenmarkt. Gesellschaftliches Vertrauen und Systemvertrauen stellen eine übergeordnete Ebene dar, die die Interdisziplinarität aufzeigt. Auf den Finanzmärkten muss der Staat in und nach der Weltwirtschaftskrise als Vertrauensgeber einspringen. Dadurch wird das Risiko von der Wirtschaft auf die Gesellschaft überwälzt. Vertrauensverlust ist auch ein zentrales gesellschaftliches Thema unserer Zeit: aktuelle Beispiele sind Toyota, die Kirche, die Banken. Vertrauen fördert das Wirtschaftswachstum insgesamt (Reduktion von Transaktionskosten, Lösung für Probleme kollektiven Handelns wie Trittbrett fahren, Prinizipal-Agent-Problem; Paul Whiteley, Essex). Einige Unternehmen sind ganz besonders auf Vertrauen angewiesen. Dazu gehören etwa die Fluggesellschaften. Ein einziges Unglück, wie der Absturz durch Selbstmord 2015 bei der Lufthansa/ German Wings, kann das Vertrauen zerstören. Die Kategorie "Vertrauen" rückt in den ganzen Sozialwissenschaften und der Medizin immer mehr in den Mittelpunkt. So weiß man mittlerweile um das Hormon "Oxytocin, das uns vertrauen lässt. Vertrauen ist auch extrem wichtig im Sport (Bergsteigen). Ohne Vertrauen würde der Gebrauchtwagenhandel zusammenbrechen. Über die Bedeutung von Vertrauen für eine Gesellschaft hat auch die Wirtschaftsnobelpreisträgerin 2009 Elinor Ostrom gearbeitet (Wege, die sicherstellen, dass andere vertrauenswürdig sind).  

Neue Begriffe, die durch kulturellen Wandel entstehen: Blamestorming - In einer Gruppe zusammensitzen und darüber diskutieren, warum ein Projekt gescheitert ist und wer dafür verantwortlich ist (aus to blame und brainstroming). Shitstorm - Reaktion von Nutzern im Internet, die sich über bestimmte Informationen empören und massenweise das zum Ausdruck bringen.

Deutsche Kultur: Was macht die deutsche Kultur aus. Die bekanntesten Studien dazu stammen von Thomas (Psychologe) und Borchmeyer (Germanist; Dieter Borchmeyer, "Was ist deutsch", Berlin 2017). Davon zu unterscheiden ist das Bild über Deutschland im Ausland. In Bezug auf China habe ich das mal untersucht. Das Bild hat eine große Bedeutung für die Außenwirtschaft. Es ist auch immer einem Wandel unterworfen. 2017 kommt wieder die Diskussion über eine deutsche Leitkultur hoch (wahrscheinlich schon Wahlkampf). Wir Deutsche sollten aber als die großen Gewinner der Globalisierung Weltbürger sein. Der Begriff "Leitkultur" wird missbraucht, um die kulturelle Vielfalt der Welt und ihre Buntheit zu "bereinigen". Weitere Missgriffe entstanden durch die Wörter "Willkommenskultur" und "Erinnerungskultur". Sogar der ehemalige SPD-Vorsitzende und Außenminister Gabriel fordert im Dezember 2017 eine Debatte über Leitkultur in Deutschland.

Heimat: Der Begriff wird 2017 und 2018 in Deutschland wieder belebt. Die Globalisierung hat Gewissheiten verunsichert. Heimat kann Orientierung und Halt geben. Der Begriff wird auch durch den Aufstieg der AfD bei allen Parteien wieder salonfähig; der Begriff sollte auch nicht den Rechten überlassen werden. Heimat ist Vertrautes, verändert sich aber auch. Aber auch gleichwertige Lebensverhältnisse werden mittlerweile so bezeichnet. Heimat und Weltoffenheit lassen sich verbinden. Viele bevorzugen den Begriff "Zuhause". 2018 muss der Bundesinnenminister Heimat definieren, weil er die Bezeichnung auch im Ministeriumsnamen führt: "Heimat ist dort, wo sich Menschen wohl, akzeptiert und geborgen fühlen. Heimat hat nichts mit Enge zu tun, sondern gibt Orientierung und vermittelt einen festen Halt, die Herausforderung des Lebens zu bestehen und nach vorne zu blicken", BMI 2018: Die Notwenigkeit eines Heimat-Ministeriums wird wie folgt begründet: "Der tief greifende Wandel unserer Zeit bewegt viele Menschen in ihrem Lebensalltag. Deutschland hat sich durch Globalisierung, Digitalisierung und Zuwanderung in den letzten Jahren stark verändert. Wenn Gemeinschaften vielfältiger werden, sind die Fragen der Identität und der Identifikation mit unserem Land umso wichtiger", BMI 2018. Das deutsche Wort Heimat lässt sich nur schwer in eine andere Sprache übersetzen. DIE ZEIT hat versucht, den Begriff in acht Dimensionen zu teilen: Nr. 36, 2. September 2021, S. 46. Heute ist es eher ein Gefühl, irgendwo zu Hause zu sein (sehr unterschiedlich bei Frauen, Männern, Älteren, Jüngeren). In den 1950-er Jahren war es ein Idyll in kitschigen Heimatfilmen. Später war es schon mal Ausdruck von Spießigkeit. Der Begriff ist im 19. Jahrhundert aufgekommen - als Reaktion auf Verstädterung und Industrialisierung.

Der Heilige Gral: Die Geschichte vom Gral stammt vom Dichter Cretien de Troyes um 1190. Es geht um das Gefäß, aus dem Jesus beim Abendmahl getrunken hat. Es hat sein Blut aufgefangen, als er am Kreuze hing. In vielen Varianten gaben es dann Geschichten dazu an den Höfen in Frankreich, Britannien (Artussage) und Deutschland. Wolfram von Eschenbach brachte die Begeisterung in den deutschen Sprachraum. 1847 setzte Richard Wagner mit der Oper Lohengrin ein Denkmal. immer suchen Parceval oder dessen Sohn oder andere Ritter  nach dem heiligen Gral. Der Gral gehörte zum "Gründungsmythos" des christlichen Europa. Er stehe symbolisch für den Reifeprozess des Menschen allgemein. Heute geht es um die Klimadebatte: der bedrohte Planet, wir alle könnten Parceval sein, oder nur Greta Thunberg. Vgl. auf der Such nach der Erlösung, Steinke, Oliver, in: Die Rheinpfalz 11. Oktober 2020, S. 25.

Europäische Identität: Ein hinreichende Identifikation der Bürger mit Europa ist erforderlich. Informationsbarrieren müssten beseitigt werden, die Aufmerksamkeit der Bürger müsste gewonnen werden. Konkrete Maßnahmen könnten sein: Erasmus-Programm für Senioren. Austauschprogramm für Beschäftigte. Ein öffentlich-rechtlicher EU-Fernsehsender. Eine EU-Bürgerversammlung. Transnationale Listen für Wahlen zum EU-Parlament. Vgl. Ciaglia, S./ Fuest, C./ Heinemann, F.: What a feeling?! How to promote European Identity, EconPolicy Report, Nr. 9, Oktober 2018.

Maori: Ureinwohner von Neuseeland. Rituale von Ureinwohnern finden sich heute in vielen Verhaltensweisen. Berühmt ist bei den Maori der Nasenkuss. Anfang des 19. Jahrhunderts schafft Apirana Ngata (auf der 50$-Note) als erster Maori einen Universitätsabschluss. Er nutzte seine Ausbildung, um die soziale und wirtschaftliche Lage der neuseeländischen Ureinwohner zu verbessern und ihre Kultur am Leben zu erhalten..  Was ist das Wichtigste auf der Welt? Menschen, Menschen, Menschen (Maori-Sprichwort)

Scharia (ursprünglich Pfad in der Wüste, der zur Wasserstelle führt): Islamisches Recht. Scharia ist die Gesamtheit des islamischen Gesetzes, wie es im Koran niedergelegt ist. In der islamischen Theologie die vollkommene Ordnung, die Frieden und Gerechtigkeit schafft. Politik und Religion werden als untrennbare Einheit gesehen (das ist einer der Hauptgründe für Schwierigkeiten der Integration von Moslems in westlichen Ländern). Es kommt immer wieder zu Konflikten , wenn Moslems dem islamischen Recht eine höhere Priorität einräumen als dem nationalen Recht (z. B. bei Scheidungen). Der EU-Gerichtshof stellt 2017 klar, dass die Scharia in der EU nicht gilt. Insofern muss Deutschland auch eine Scheidung nach islamischem Scharia-Gericht in Syrien nicht anerkennen.

Jamaika: Jamaika ist eine Insel der Großen Antillen in der Karibik. Normalerweise verbindet man Reggae, Rum und Rasta mit der Kultur der Insel. Im Zusammenhang mit den Koalitionsverhandlungen in Deutschland nach der Bundestagswahl 2017 geht es immer wieder um Symbole und Vergleiche mit der Insel und ihrer Kultur. Jamaikas Touristikamt macht sich das mittlerweile zu Nutze und will touristisch von der Suche nach einem Regierungsbündnis in Deutschland profitieren. Allerdings scheitern dann die koalitionsverhandlungen.

Kultur und Minderheiten: Es geht um die zentrale Frage, ob die Mehrheit ihre Kultur stärker gegenüber Minderheiten verteidigen muss. Das ist auch im Zusammenhang mit Integration zentral. Inwieweit können Regionen und Nationen ihren Zuwanderern aus anderen Kulturen eine eigene kulturelle Identität zubilligen oder können sie ein bestimmtes Maß an Anpassung an die nationale Kultur verlangen? In Deutschland wird diese Frage an Bedeutung massiv zunehmen durch die Zuwanderer aus muslimischen Ländern.

Veränderung der deutschen Kultur durch Migration: Die Erinnerungskultur muss angepasst werden. Konflikte kommen mit ins Land. Eine Umverteilung wird schwieriger. Humor  kann problematisch sein. Essen wandelt sich. Vgl. Niejahr/ Schmitz: Neues Deutschland, in: Wirtschaftswoche 53/ 22.12.17, S. 40ff. Thilo Sarrazin (ehemals Staatssekretär und Bundesbankvorstand) problematisiert immer wieder die Bedrohung der deutschen Kultur durch den Islam (auch in seinem aktuellen Buch 2018).

Rassismus und Firmenkultur (Image und Export): Wenn Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ethnischen Zugehörigkeit oder Herkunft vom anderen diskriminiert werden, dann handelt es sich um Rassismus. Jeder Mensch kann demnach Opfer werden. , Er wird zu einer immer größeren Gefahr für die deutschen Unternehmen, die stark im Export sind. Es gibt 2018 mittlerweile einige Unternehmen, die Rassismus als Geschäftsrisiko betrachten und ihre Mitarbeiter dagegen schulen. Bekannt dafür wird 2018 die Firma Nomos Glashütte aus Glashütte. Sie will unbedingt vermeiden, dass die Rassismusfälle in den neuen Ländern am Image des Unternehmens kratzen. VW trifft ein Rassismus-vorwurf. die langjährige Personalchefin muss gehen.

Rasse: 2020 kommt es im Zuge von Rassenunruhen in den USA ("Black Life Matters", Ermordung von Floyd) zu einer Diskussion in Deutschland um den Begriff "Rasse". Es gibt Überlegungen, ihn ganz aus dem Sprachgebrauch zu tilgen. In Anbetracht seiner Geschichte (Ermordung der Juden) sieht Deutschland eine besondere Verantwortung. Lange galt die Rasse als wissenschaftliches Faktum. Auch Ernst Haeckel, der "deutsche Darwin", glaubte: Es gibt zwölf Menschenarten, die unterschiedlich entwickelt sind. Die Papua aus Neuguinea hielt er für affenähnlich. Sein Assistent Nikolai Miklucho-Maclay widerlegte schon im 19. Jahrhundert diese Theorie. Die Vorstellung, dass alle Menschen, egal welcher Abstammung, gleichwertig sind, ist wichtigste und notwendige Voraussetzung für interkulturelle Kompetenz. 2020 empfiehlt die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten Studien zum "Racial Profiling"  (Benachteilung von Menschen wegen Hautfarbe oder anderer äußerer Merkmale). In den USA und einigen anderen Ländern steht die Polizei  im Verdacht für diese Form von Diskriminierung. In einem Fernsehinterview bei O. Whinfrey erheben Meghan und Harry aus der englischen Königsfamilie den Vorwurf des Rassismus an die Adresse der Königsfamilie. Die Königsfamilie kann das ganze nicht mehr als "Zirkus" abtun.

Kulturen - Clash: Durch die Flüchtlingskrise sind viele Männer aus muslimisch geprägten Ländern nach Deutschland gekommen, deren Frauenbild völlig anders ist. Viele Männer unterscheiden zwischen "ehrbaren", früh verheirateten Frauen im Haus und anderen, die sich Rechte und Freiheiten herausnehmen. Nach diesen Normen sind die Frauen der zweiten Gruppe "Schlampen". Rein statistisch muss das schon zu Problemen führen: es gibt durch den Flüchtlingsstrom rund eine Million junger Männer zwischen 16 und 30 Jahren in Deutschland, die sich eine Partnerin wünschen, die sie aber nicht finden können. Das kann zu Aggression führen.

Wertekonflikt/ Kulturkampf: Zwischen zwei Gruppen in vielen Gesellschaften: Einmal diejenigen, für die Einwanderung, Globalisierung und Multikulturalismus positiv besetzt ist. Zu anderen diejenigen, die sich kulturell zurückgelassen und fremd im eigenen Land fühlen. Sie sind gegen die Vielfalteuphorie und sehen dadurch ihren eigenen sozialen Status (Verdrängung Einheimischer, Kriminalität von Clans, Homogenisierung von Stadtquartieren, überwiegend Migrationshintergrund in Schulklassen) bedroht.

Kulturelle Identität und Identitätspolitik: Durch den Wahlkampf in den USA und schon vorher zu uns übergeschwappt. Die Begriffe werden in unterschiedlicher Bedeutung verwendet (zentral wird: was ist rassistisch?). Sie werden zunehmend politisiert ("cultural turn"). Es ist die Zugehörigkeit eines Individuums oder einer sozialen Gruppe zu einem kulturellen Kollektiv (Subkultur, Milieu). Man unterscheidet 5 Codes, die zur Bildung führen: 1. Natur (Hautfarbe, Geschlecht). 2. Tradition. 3. Religion. 4. Idee. 5. Diskursivität. Identitätspolitik geht von einer Einteilung in Gruppen aus. Das ist eigentlich gegen das aufgeklärte Individuum (eine Errungenschaft der Aufklärung). Dadurch werden äußere Merkmale überbewertet, nicht das, was im Kopf ist, betrachtet. Zentrale Frage ist hier in der Regel die nach der Macht. Wo sitzt die Macht? (Über-, Unterordnung, Hierarchie, Bewertung nach Rangfolge). Wichtig ist politisch die demokratische Partizipation. Die Debattenkultur wird aber zunehmend abgelöst durch quasikulturelle Weltanschauung. Gefühle und Betroffenheit von Menschen rückt in den Vordergrund. Sie werden als Opfer eines repressiven Systems gesehen. Vgl. auch "Ideologien sind für intelligente Menschen wie Drogen, Interview mit dem US-Professor für Linguistik McWhorter, in: Der Spiegel Nr. 11/ 13.3.21, S. 116ff. ("Ideologie der Erwählten"). Man kann Identitätspolitik natürlich auch als legitimen Versuch benachteiligter Gruppen sehen, sich Gehör zu verschaffen. Manche behaupten, dass linke Identitätspolitik und rechtes Denken sich die Hand reichen (durch Relativieren von Menschenrechten und universellen Werten). Vgl. Pfahl-Traughber, Armin: Gefährliche Nähe, in: Die Zeit Nr. 12, 18.3.21, S. 47.

Identitätsfalle: Religiöse Identitäten werden auch heute noch häufig zu Morden genutzt. Menschen werden ermordet, nur weil sie einer Religion angehören. Das ist zum Beispiel in Indien der Fall: Hindus töten Muslime, die sie nicht kennen, außer deren Religion. Sen spricht von der Illusion und dem Klischee vom "Kampf der Kulturen". Er plädiert für eine kosmopolitische Gesellschaft, in der Platz für viele Identitäten und Lebensformen ist. Gerechtigkeit und Freiheit sollen über Fundamentalismus und Gewalt siegen. Vgl. Amartaya Sen: Die Identitätsfalle. Warum es keinen Krieg der Kulturen gibt, München (Beck, 3. Auflage) 2007.

Kulturelle Distanz und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt: Bei der Bewerbung um Arbeitsplätze in Deutschland haben Menschen mit Migrationshintergrund einen Nachteil gegenüber ihren Mitbewerbern ohne Migrationshintergrund. Die Wahrscheinlichkeit einer positiven Rückmeldung variiert in Abhängigkeit von Herkunftsland, der Religionszugehörigkeit und dem Phänotyp, da diese Signale mit bestimmten Gruppeneigenschaften korrelieren. Dabei stützen Arbeitgeber ihre Auswahlentscheidung verstärkt auf Gruppenmerkmale, die weniger mit Leistung und Produktivität, sondern vielmehr mit Kultur und Werten zu tun haben - was ein Indiz für präferenzbasierte Diskriminierung ist. Siehe Koopmans, Ruud/ Veit, S./ Yemane, R.: Andere Wertre, weniger Chancen. Kulturelle Distanz erklärt Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, in: WZB Mitteilungen , Heft 160, Juni 2018, S. 39ff.

Premium Mediocre: Premium - Mittelmäßigkeit. Es ist alles, was nur gerade so viel Premium in sich trägt, dass die wesenseigene Mittelmäßigkeit des Produkts nicht ruiniert wird. Man sagt, so wird einem zunehmenden Prekariat ästhetisch erfüllt, was politisch und ökonomisch nicht möglich ist. Der Begriff wurde vom Blogger Venkatesh Rao geschaffen. Beispiele sind die A-Klasse von Mercedes, Speedy-Boarding, Trüffel-Öl. Vgl. Niklas Maak: Es gibt sie noch, die mittelmäßige Zukunft, in: FAZ, 2912.17, Nr. 301, S. 9.

Kultur des Scheiterns (Kultur der zweiten Chance): Wer früh scheitert und Lehren aus seinen Fehlschlägen zieht, ist schneller erfolgreich. Je öfter Menschen scheitern, desto mehr lernen und entdecken sie. Diese Sicht müsste in Deutschland verbreiteter sein, vergleichbar mit der Kultur in den USA. So könnte man etwa ein freiwilliges Gründerjahr für den Einstieg ins Unternehmertum schaffen. Im Forschungslabor von Google bekommen die Mitarbeiter mehr Geld, wenn ihr Projekt scheitert. "Scheitern ist die Grundlage des Erfolgs", Laozi (Laotse), Philosoph aus China im 6. Jahrhundert vor Chr. Der Erfinder T. A. Edison, der auch GE gründete, formulierte es so: "Ich bin tausendmal gescheitert. Ich habe erfolgreich tausend Möglichkeiten entdeckt, wie die Glühbirne nicht zum Leuchten gebracht wird".

Schlaraffia: Eine Kulturvereinigung, die 1859 in Prag gegründet wurde. Es ging um Protest gegen die Ausgrenzung durch die elitäre Gesellschaft. Unter dem Tarnnahmen (ursprünglich "Proletierclub", Überbleibsel von der Revolution 1848) trafen sich die Mitglieder, um in mittelalterlichen Rollenspielen den Adel zu parodieren. Die Vereinigung gründete sich auch in vielen anderen Städten. Man spricht von "Reyche" (263 weltweit 2018, "anno uhui 159"). Wahrzeichen ist der "Uhu". Die Gemeinschaft ist weltweit. Im Mittelpunkt stehen Humor und Freundschaft (aber nur für Männer). Heute leidet die Gemeinschaft unter Mitgliederschwund. Vg. Im Reich des Uhus, Friederike Jung, in: Rheinpfalz, Sonntag 21.01.2018, S. 5.

Kulturelle Frustration: Fachbegriff der Sozialwissenschaften. Ein Gemisch von ökonomischer Enttäuschung und Suche nach Schuldzuweisung. Deutschland hat einen der größten Niedriglohnsektoren in Europa.  Steigende Mietpreise, Energiepreise und Lebensmittelpreise fressen immer mehr auf. Es bleibt das Gefühl, von den Früchten des Aufschwungs ausgeschlossen zu sein. Kulturelle Frustration beeinflusst stark das Wahlverhalten und das Abdriften nach Rechts. Es ist auch mit einer "Lähmung" verbunden.

Slawische Seele: Schon im Mittelalter rühmten Chronisten die ungewöhnliche Gastfreundschaft der slawischen Völker. Später kam als Kehrseite der Medaille der Vorwurf der Trunksucht hinzu. Zue 2slawischen Seele" gehören nach landläufiger Beschreibung aber auch eine Lust am Leiden bis hin zu Fatalismus, Frömmigkeit und der Vorwurf der Trunksucht hinzu. Manches lässt sich mit der Unterdrückung und Knechtschaft begründen. Auch gibt es für alle Stereotype historische Quellen. Gleichwohl bleibt die "slawische Seele" ein unscharfes Konstrukt. Siehe Josef Fischer: Osteuropa. Die slawische Seele, in: Spektrum Spezial 2/2018, S. 72ff.

Kultur und Gesundheit: Durchgesetzt hat sich die Definition der WHO: "Gesundheit als Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens". Viele kritisieren diese Sichtweise, weil sie zur sehr ein Recht auf Gesundheit impliziert. Sehr scharfsinnig hat dies der Direktor des Instituts für Theorie, Geschichte und Ethik chinesischer Lebenswissenschaften in Berlin ausgedrückt: "Das kulturelle Konstrukt, dass wir Medizin/ Gesundheit nennen, bedeutet die bewusste Grenzziehung zwischen der ursprünglichen Vorstellung des Ausgeliefertseins einerseits und der neuen Weltanschauung, die jedem einzelnen Menschen mit dem Versprechen gegenübertrat, die Befolgung von Gesetz und Moral durch Gesundheit und langes Leben zu belohnen".

Kultur und Zeit: Die Zeiteinordnung unterscheidet sich relativ stark zwischen den Kulturen. Die asiatische Kultur legt viel Gewicht auf das Lernen aus der Vergangenheit (Geschichte). Es gibt Kulturen, die sehr stark in der Gegenwart verankert sind (USA). Auch die Zukunftsorientierung unterscheidet sich. "Zeit kannst du nicht kaufen, du musst sie nutzen!", Volksweisheit. "Wir müssen jetzt Bereiche definieren, in denen Wachstum, Beschleunigung und Effizienz nicht die einzige Maxime sein dürfen. In denen es erlaubt sein muss, sich Zeit zu nehmen", Lisa Suckert, in: Wiwo 40/ 25.9.2020, S. 44f. (Essay-Preis der Hertie-Stiftung, dritter Preis).

Weiterhin bekannt ist Gua Sha. Es handelt sich um eine Reiztherapie (Schabemassage). In ostasiatischen Ländern gab es früher in fast jedem Dorf eine oder mehrere Personen - meist Frauen - die Gua Sha bei verschiedenen Beschwerden einsetzten. Es geht um die Ausleitung von Giften. Vor allem der Rücken kann davon profitieren. Vgl. Arya Nielsen: Gua Sha - Eine traditionelle Technik für die heutige Praxis, Verlag Systemische Medizin, 2013.

Kultur und Sprache: Beim Lernen der Muttersprache ist vieles automatisiert. Das Gehirn verknüpft Nerven und leitet daraus Muster ab. Nicht nur der Wortschatz entscheidet, wie gut wir uns später ausdrücken können. Es geht auch darum, ob sich die Eltern und das Umfeld mit einem beschäftigt haben. Sprache ist aber nicht alles. Logisch zu denken kann der Mensch von klein auf auch ohne Sprache. Teil der Sprache sind auch Gefühl und Motivation. Bei der Herausbildung sozialer Identität sind Dialekte wichtiger als die Schriftsprache. In einigen Kulturen, wie in China und Japan, ist die Rolle der Sprache in der Kultur größer.

Sapir-Whorf-Hypothese: Wir können uns nicht über Dinge Gedanken machen, für die wir keine Wörter besitzen. Sie stammt von Edward Sapir (1884-1939) und Benjamin Whorf (1897-1941). Berühmt ist ihre Erklärung anhand der Eskimos. Diese können unzählige Arten von Schnee unterscheiden, weil sie in ihrer Sprache viele Wörter für Schnee haben.

Chomskys Universalgrammatik: Alle Sprachen basieren auf den gleichen grammatikalischen Prinzipien einer Universalgrammatik, die uns den Spracherwerb ermöglichen. Diese These stammt von dem Psychologen Noam Chomsky (geb. 1928).

Esperanto: Schöpfer war der polnische Arzt Ludwik Zamenhof (1859-1917). Er nahm 10 europäische Sprachen als Wurzel. Die neue Sprache sollte Irrationales uns überflüssiges vermeiden. Er veröffentlichte sein erstes Buch unter dem Titel und Pseudonym "Dr. Esperanto". Vgl. www.esperanto.net

Kultur und Rhythmusgefühl: Das Gefühl für musikalische Rhythmen ist nicht angeboren, sondern wird von der Kultur geprägt. Das ist das Ergebnis einer internationalen Studie. Die Wahrnehmung ist auch abhängig von der Vertrautheit mit den jeweiligen Rhythmen.

Kultur und Intelligenz: Black Intelligence Test of Cultural Homogeneity (BITCH Test). Er wurde von Robert L. Williams (geb. 1930) 1972 entwickelt. Er führte aus, dass bei einem kulturspezifischen Test die Fähigkeiten des Prüflings getestet werden, symbolisch zu funktionieren und gemäß seines Verständnisses innerhalb eines Kulturkreises und seiner Umgebung zu agieren. Zweck war die Suche nach kulturellen Einflüssen auf die Testergebnisse.

Multiple Intelligenz: Der Begriff wurde von Howard E. Gardner (geb. 1943) geprägt. Vgl. Abschied vom IQ: Die Rahmentheorie der vielfachen Intelligenzen, 1983. Er leitet sieben Arten von Intelligenz ab: musikalisch-rhythmische, logisch-mathematische, verbal-linguistische, visuell-räumliche, körperlich-kinäthetische, interpersönliche (soziale Fähigkeiten) und innerpersönliche (Selbsterkenntnis). Die Kultur spielt eine wichtige Rolle. Die Theorie hat Einfluss auf den Unterricht in den USA.

Beschleunigungsgesellschaft: Die Begriffe Beschleunigungsregime oder auch Beschleunigungstotalitarismus stammen von dem deutschen Soziologen Hartmut Rosa (Uni Jena). Unsere Welt wird durch die wachsende Mobilität und das Internet immer weiter beschleunigt. Wie viel Beschleunigung verträgt aber der Einzelne? Vgl. H. Rosa: Beschleunigung und Entfremdung, Berlin 2013.

Kultur und indigene Objekte: Indigene Objekte werden oft missbraucht. Sie werden verkauft, um damit Geld zu machen. Viele sind Fälschungen. Ein besonders negatives Beispiel sind Schrumpfköpfe. Sie wurden ursprünglich als Souvenirs gehandelt ("Flughafenkunst").

Kultur und Recht: Brexit und Bedeutung der Rechtskultur: "In den Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich um ihre künftigen Rechts- und Wirtschaftsbeziehungen geht es nicht nur um ökonomische Vorteile, sondern auch um die Vereinbarkeit von Rechtskulturen. Die Brexiteers verteidigen britisches Recht und den britischen Parlamentarismus gegen eine nicht nur bei der Rechtsetzung, sondern auch bei der Rechtsprechung integrationistische überstaatliche Entwicklung. Die britische Regierung lehnt für die Zukunft jegliche Rolle des Europäischen Gerichtshofs für die Gestaltung der Beziehungen mit der EU ab. Dies begrenzt die Möglichkeiten, ökonomische Vorteile zu verwirklichen." In: Kämmerer, Axel/ Schäfer, Hans-Bernd: Der Brexit zwischen britischem Autonomiestreben und Handelsgewinnen, in: Wirtschaftsdienst 11/2020, S. 856-861, hier S. 856.

Weltkulturerbe: Der Titel wird vom Welterbekomitee der Unesco/UN vergeben. Seit 1978 haben 1092 Bauwerke und Areale ("Weltkulturerbe"), Naturschönheiten ("Weltnaturerbe") oder Kombinationen von beidem ("Mixed-Stätten") aus 167 Ländern den begehrten Stempel erhalten. Das Welterbe hat eine kulturelle und eine ökonomische Dimension. Man zieht leichter Spenden und Sponsoren an. Es gibt auch negative Folgen. Oft kommen zu viele Touristen (Übernutzung). Da gibt es den Vorschlag, Stätten wie Venedig  z. B. einfach nachzubauen. Es gibt auch ein Verteilungsproblem, weil die Stätten nicht in Entwicklungsländern liegen. Vgl. Losse, Bert: "Man sollte Venedig als Replik nachbauen", in: WiWo 25, 14.5.2019, S. 40f. Es gibt auch immaterielles Weltkulturerbe. So wird 2021 die Hüttenkultur im Pfälzerwald dazu gerechnet. Weiterhin gehören dazu die Gebärdensprache, die Weinkultur und das Kaspertheater.

Tee und Teezeremonie: Hinter dem Tee steckt in Japan eine Kultur und Philosophie. Man spricht auch von Teeismus. Der Tee kam im 9. Jahrhundert aus China nach Japan. Er war ursprünglich ein Privileg des Adels und buddhistischer Mönche. Die Mönche entwickelten die Rituale. Europa lernte den Tee erst gegen Ende der Ming-Dynastie in China als Exportgut kennen. Folgende Elemente gehören zur traditionellen japanischen Teezeremonie: Tatami-Matten am Boden, Wände mit Holz, Fenster mit Blick nach draußen auf Bäume, in einer Ecke ein Kessel mit heißem Wasser, die Gäste setzen sich auf ein Kissen im japanischen Seiza-Sitz (Fersensitz). Das Wasser kommt in eine Schale mit Grünteepulver (z. B. Sencha, eigentlich Matcha). Der Tee schäumt auf und er wird serviert. Zuvor wird ein Stück Zucker gereicht. Man verbeugt sich bis zum Boden und nimmt die Schüssel entgegen. Sie wird zweimal gedreht und in drei Zügen ausgetrunken. Der Mönch Murata Juko gilt als der Erfinder der japanischen Teezeremonie. Im Jahre 1522 wurde Senno Rikyo geboren. Er erfand die Philosophie hinter dem Ritual. Er wurde Teemeister der höchsten politischen Führer der Zeit. Dazu gehörten Oda Nobunaga und Toyotomi Hideyoshi. Die zugrunde liegende  Idee ist der Zen-Buddhismus. Dazu gehört die richtige Umgebung (Teehaus, niedriger Eingang, Garten, Wartehalle, Vorraum, Dekoration). Die Teeschalen sind speziell hergestellt (bei niedriger Temperatur gebrannt, nie perfekt). Es gibt Vorschriften zum Halten der Schale. Die Philosophie heißt Wabi-Cha. Sie führt zu Bescheidenheit, dem Verweigern von Materiellem. 1591 erhielt der Teemeister den Befehl, Selbstmord zu begehen.  Vgl. Kakuzo Okakura: Das Buch vom Tee, 1906.

Indigene Völker und "kulturelle Aneignung": Designer- und Luxusmarken übernehmen zu großen Teilen die Motive Indigener. So vor allem in Mexiko. So die US-venezolanische Modemarke Carolina Herrera oder Louis Vuitton aus Frankreich. Man spricht von "kultureller Aneignung". Der neue mexikanische Staatschef Obrador will sich für die Interessen der Ureinwohner einsetzen. Indigene Völker sind besonders durch Corona bedroht. Die Existenz vieler kleiner Ureinwohner-Völker ist gefährdet. Am 9. August 2020 ist der "Internationale Tag der Indigenen Völker".

Whistleblower und Kultur: Es geht darum, ob sie Verräter oder Helden sind. Die Kultur, der sie angehören, spricht in der Regel von Verrat. Berühmte Beispiele sind Edward Snowden, Julian Assange oder Chelsea Manning. Die Arbeitsgericht und Strafgerichte sind immer noch streng mit Hinweisgebern. Sie müssen in der Regel ihre Heimat verlassen.

Nunchi: (gesprochen: nun-tschi). "Augenmaß" oder die subtile Kunst, die Gedanken und Gefühle anderer Menschen einzuschätzen, um Harmonie, Vertrauen und eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Es ist das wichtigste koreanische Leitprinzip für das Überleben, das Glück und den Erfolg. Es geht auch darum, intuitiv zu erfassen, was in anderen Menschen vorgeht, und dadurch bessere Beziehungen aufzubauen. Ein hohes Nunci steht für ausgeprägte emotionale Intelligenz. Vgl. Euny Hong: Nunchi. Das koreanische Geheimrezept, München (Knaur) 2020.

Corona-Krise 2020 und Kultur: Man vergleicht das Management der Krise in den Ländern. Es wächst das Vertrauen in asiatische Werte. Man glaubt an gute technokratische Regierungen, in einen Kapitalismus mit starkem Staat und in sozialen Konservatismus bei hoher nationaler Solidarität. Vgl. Parag Khanna: Unsere asiatische Zukunft, Rowohlt-Verlag 2020, Ders. Dinge erledigen. Besser sein. Reicher werden, in: WiWo 18, 24.04.2020, S. 42f.

Political Correctness: Das entsprechende Klima breitet sich in vielen Demokratien aus. Es geht um die Hyper-Korrektheit. Die Sensibilität für andere Ansichten, andere Meinungen, für das Fremde sinkt. Die Diskussionskultur geht verloren. Das zeigt sich auch in den Hochschulen, die traditionell Orte geistiger Auseinandersetzungen waren. Der Finanzbedarf diszipliniert auch. Das beste Buch dazu ist folgendes: Birk Meinhardt: Wie ich meine Zeitung verlor, Berlin 2020 (4. Auflage). Es geht um Zensur bei der Süddeutschen Zeitung, einer der seriösesten Zeitungen in Deutschland. In Deutschland bildet sich eine Initiative dagegen. es ist das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit ( https://www.netzwerk-wissenschaftsfreiheit.de ). Sie setzt sich für eine Debattenkultur mit pluralen Sachargumenten und gegenseitigem Respekt ein. Also gegen übertriebene Political Correctness und Cancel Culture.

"Cancel Culture" (Ausschalt-Kultur): Methode in der Kultur, um systemischen Rassismus zu bekämpfen. Man spricht auch von Political Correctness (deshalb auch PC Culture). In den USA greift diese Strömung nach den Rassenunruhen im Zusammenhang mit dem Tod des Farbigen Floyd um sich. Ganze Serienepisoden werden von Streaming - Plattformen gelöscht. Hollywoodfilme bieten Einführungsseminare. Das bedroht aber die Meinungsfreiheit in den USA. Denn sie setzt voraus, dass es Menschen gibt, die anderer Meinung sind.

Die Debatten- oder Diskussionskultur (Diskurs) hat in allen Demokratien gelitten. Mit setzt sich weniger mit den Argumenten auseinander, sondern bemüht sich um Zensur, droht Gewalt oder Prügel an oder verortet den Gegner sofort in einer Schublade. Es geht sehr schnell um Machtdemonstration. Im Ulmer Münster werden 2020 die Figuren der drei Weisen nicht mehr gezeigt, weil Mohr "Melchior" als minderwertiger Schwarzer dargestellt sei, wie es im letzten Jahrhundert üblich gewesen sei. Hier geht es also um zwei Aspekte: 1. Darstellung. 2. Mohr an sich (über viele Jahrhunderte eine sehr angesehene Figur).

2020 entsteht eine Diskussion um Kant in den USA. Sie soll hier ausführlicher dargestellt werden, weil sie exemplarisch ist für die Rezeption großer deutscher Wissenschaftler bzw. Denker im Ausland. Sein Universalismus sei in Wirklichkeit eine rassistische Ideologie für privilegierte weiße Männer gewesen (Philosoph Charles Mills). Es habe eine Unterteilung in Herrenvolk und Untertanen gegeben. Kant sei Wegbereiter der Nazis gewesen. Mills erlangt begeisterte Zustimmung in den USA und Kant wird gemäß der "Cancel Culture" zur Unperson in den USA. LGBTQ schließt sich dem an. Die Idee der allgemeinen Menschenwürde ("von der Natur unabhängige Menschlichkeit und einzigartige Würde") und der Moral von Kant bleibt auf der Strecke. Gerade Kant hat sich für die Abscheu des Menschen gegen Knechtschaft ausgesprochen. Was Kant widerfahren ist in den USA droht auch anderen großen deutschen Denkern (Hegel, Marx, Nietzsche). Natürlich waren sie auch Kinder ihrer Zeit und hatten Elemente von Rassismus und Antisemitismus (gerade bei Marx, der ursprünglich selbst Jude war). Deshalb kann man aber nicht ihr ganzes Denken "Verteufeln". Ich selbst habe bei Vorträgen oder Vortragsangeboten über Karl Marx des Öfteren erlebt, das eine sachliche Analyse unerwünscht ist, weil z. B. die Schublage/ das Vorurteil  "Marx=Kommunismus=China" nicht beschädigt werden darf. Wir sollten als Wissenschaftler solche Fallen entlarven und sie nicht zulassen. Das Defizit an historischem und philosophischen Wissen, aber auch an wissenschaftlicher Seriosität, ist besorgniserregend. Vgl. auch: Boehm, Omri: Sie wollen ihn stürzen sehen, in: Die Zeit Nr. 49, 26.11.2020, S. 56f. 2021 gibt e seinen berühmten Fall bei der New York Times. Donald McNeil, ein führender Redakteur, der für die öffentliche Gesundheitsvorsorge  zuständig war, kündigt. Eine Gruppe von Jugendlichen warf ihm im Netz Rassismus vor. Er hatte in einem Zitat lediglich das Wort "Nigger" stehen lassen. Der Redakteur war wegen seiner Gesundheitsartikel für den Pullizzerpreis nominiert. Vgl. Kohlenberg, Kerstin: Ein falsches Wort, in: Die Zeit Nr. 8, 18. Februar 2021, S. 5.  "...alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigendes, ein geknechtetes. ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist...", Karl Marx (man findet immer bei Marx und anderen großen Philosophen die Bestätigung jeden Vorurteils. Man muss nur lange genug suchen). "Cancel Culture" ist Ignoranz, Faulheit und mangelnde Allgemeinbildung (leider oft in den USA). Die mangelnde Bildung in der Breite macht mir in den USA am meisten Sorgen.

Politisch korrekte Sprache und Sprachregeln: Die Sprache soll heute besser, gerechter, nicht diskriminierend sein. Sie soll zunehmend Menschen erziehen. Die Frage ist,ob Sprachregeln tatsächlich das Denken verändern. Oder können sie kulturelle Gräben vertiefen? Soziale Netzwerke beflügeln die Diskussion und Konflikte über die Sprache.

Transzendentale Meditation: Methode, um die Welt besser zu machen. Auch Traumata sollen geheilt werden. Es gibt auch Stiftungen, die dieser Bewegung anhängen, wie etwa die David Lynch Foundation. Auch Der Ex-Beatle ringo Starr gehört dazu.

Cultural Appropriation: Zu Deutsch kulturelle Aneignung. Es kommt von US-Hochschulen und gilt als neu und fortschrittlich. Es besagt in Kürze, dass man Mitglieder von Minderheiten entrechtet, wenn man so tut, als wäre man sie. Das kann die Imitierung eines Tanzes, das Tragen entsprechender Kleidung oder auch die Benutzung bestimmter Worte sein.

Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK): Europas mächtigste Kulturstiftung. Sie wird vom Bund und den 16 Ländern getragen. Sie soll neu geordnet werden. Dazu gehören 15 Museen an 19 Standorten.

Forum für Deutsche Sprache in Mannheim (Leipniz - Institut, IDS, ; Duden): Ein neues Gebäude entsteht auf dem Alten Meßplatz in Mannheim. Bauherrin ist die Klaus-Tschira-Stiftung in Heidelberg. Die schenkt dem Leipniz-Institut das Gebäude inklusive der ersten Dauerausstellung. Der Spatenstich soll 2023 sein; das Gebäude soll 2027 fertig sein.

Goethe-Institute: Sie vermitteln in aller Welt deutsche Sprache und Kultur. Es gibt 157 Institute in 98 Ländern. Sie stehen auch für den Humanismus, das Weltbürgertum, die wissenschaftliche Neugier und die umfassende Bildung des Bekanntesten deutschen Dichters. 1952 wurde das erste Goethe-Institut in Athen eröffnet. 2019 wurden 700.000 Deutschprüfungen abgenommen. 2020 sind sie in einer Krise. Es fehlen Sinn und Geld.

Linden-Museum , Stuttgart und andere derartige Museen in Deutschland: Es ist eines von vielen Völkerkundemuseen in Deutschland. Es präsentiert vor allem Kultur aus der Kolonialzeit im Deutschen Kaiserreich. In dieser Zeit wurde Kunst in den Kolonien (Afrika, Asien) geraubt, gekauft oder es gelangte später als Geschenk von Kaufleuten in die Museen. Irgendwann wird man die koloniale Vergangenheit , die aus heutiger Sicht auch rassistische Züge hat, aufarbeiten müssen. Trotzdem erfährt man in diesen Museen sehr viel über andere Kulturen. Im Folgenden seien einige bedeutende Museen genannt: Reiss-Engelhorn-Museum/ Mannheim, Ethnologisches Museum/ Berlin (1873), Rautenstrauch-Joest-Museum/ Köln (1906), Weltkulturmuseum/ Frankfurt (am Museumsufer am Main), Völkerkundemuseum/ Hamburg, Grassi Museum für Völkerkunde zu Leipzig, Museum Fünf Kontinente/ München (1862, das erste Museum dieser Art in Deutschland). Die Museen bieten auch immer wieder bedeutende Ausstellungen über andere Kulturen an. Sie haben alle ihre Schwerpunkte.

Schamanen: In der Kultur indigener Völker Seher und Heiler. Es sind in der Regel isolierte Völker am Rande der zivilisierten Welt. Sie sind heute gleichermaßen Bewohner im "globalen Dorf". Sie haben eigene Symbole und regionale Metapher. Sie pflegen einen ganzheitlichen Ansatz. Sie sehen die Schöpfung aus dem Gleichgewicht. Deshalb streben sie eine globale Balance an.  Nur mit einem gesunden Planet gibt es gesunde Menschen und umgekehrt. "Wir sind alle miteinander verbunden, wir teilen alle unseren Körper mit dieser Erde. Und die Erde ist krank", Clia Rasarioo Shinguango Chibo, ecuadorianisches Amazonasgebiet.

Solidarität: Der Ursprung liegt im Römischen Recht. Es ist eine Form von Haftung, bei der jeder Einzelne, der zu der Gruppe der Schuldner gehört, für die Gesamtsumme mit haftet. Gegner der französischen Revolution versuchten, im frühen 19. Jahrhundert, den Rechtsbegriff der Solidarität für die Wiedergewinnung der "natürlichen Ordnung" zu gebrauchen (revolutionäre Änderung als Verlust von Solidarität). Emile Durkheim, der große französische Soziologe, analysierte mit Solidarität die Entstehung der arbeitsteiligen Industriegesellschaft. Die mechanische, traditionelle Solidarität verwandle sich in eine "organische" und schafft neue Bindungen der Menschen. Seitdem beschreibt Solidarität die spezifische Bindung und Verpflichtung zwischen Menschen. Sie ist auch gekoppelt an Familie, Nation, Klasse oder Geschlecht. Soziologisch ist es also eher soziale Integration. Politisch kann es ein Kampfbegriff sein (so etwa in der Sozialdemokratie, Kurt Eisner). Mittlerweile versuchen sogar politische Rechte, den Begriff zu besetzten. Solidarität verbindet heute in der globalisierten Welt Menschen miteinander, die früher nichts voneinander wussten. Es ist mehr ein Ausdruck individueller Entscheidungen. Vgl. Süß, Dietmar: Solidarität muss immer neu entdeckt werden, in: Vorwärts 4/2020, S. 24. In der Corona-Krise wird vermutet, dass sie die Solidarität erhöht. Eine Umfrage der Bertelsmann-Stiftung 2020 bestätigt, dass das Gemeinschaftsgefühl durch die Corona-Krise in Deutschland wieder zugenommen hat (Vgl. Heuser, U. J.: Wie du mir, so ich dir, in: Die Zeit Nr. 37, 3.9.2020, S. 19).  Feind der Solidarität ist das Gefühl, übervorteilt worden zu sein. Die Solidarität mit dem Ganzen bleibt erhalten, solange die Kooperativen nicht ausgenutzt werden. Es muss Raum jenseits von Profit und Wettbewerb geben. Der Staat darf Solidarität nicht auslagern; er muss sich selbst um die Folgen von Wettbewerb kümmern.

Allgemeinwissen: Dinge, die alle Menschen in einer Gesellschaft kennen und und können sollen. Es reicht in der Regel über den beruflichen Nutzen hinaus. Das ist ein Fundus, der eine Gesellschaft auch zusammen hält. Es hat eine kulturelle Funktion. Besonders wichtig ist Handlungswissen. Etwa Kollaboration, also gemeinsam mit anderen kreative Probleme zu lösen.

Weiji: Das chinesische Wort für Krise. Es enthält die Elemente Gefahr und Chance. Das gilt sicher für jedes Land und jede Kultur. Jede Krise bietet die Chance zu einem Neuanfang und zu einem Überdenken veralteter Strukturen. Sie bietet auch die Chance sich zu ändern. Vielleicht planen wir in Deutschland zu viel und haben Schwächen in der Improvisation. Vgl. Reichart, Thomas: Das Feuer des Drachen, München 2020, S. 258ff.

Intervenierende Variablen: Sie wirken stark, unabhängig von der Kultur. Sie werden daher oft verwechselt oder falsch interpretiert. Dazu gehören: 1. Bevölkerungsdichte der Menschen (Asien, Afrika). 2. Niedriger Altersdurchschnitt der Bevölkerung (Indien). 3. Alte Zöpfe sind schon weg (Kulturrevolution in China).

Das Unbehagen in der Kultur: Als späte Schrift bringt Sigmund Freud 1930 seinen gleich lautenden Aufsatz "Das Unbehagen in der Kultur". Dessen Hauptthese besteht darin, dass die Spannung zwischen dem Individuum und der Kultur mit deren Höherentwicklung eklatant zunimmt. Er beschreibt einen Menschen, der letztlich nicht wirklich modernisierungsfähig ist. Die Kulturentwicklung habe eine Bewegungsrichtung, die in immer abstraktere und damit unübersichtliche Formen sozialer Kohäsion mündet, womit die Anforderungen an den Einzelnen durch die Kultur durch ein starkes Über-Ich größer werden.  Der Preis des kulturellen Fortschritts besteht darin, dass der Menschen den hohen und differenzierten Anforderungen einer solchen Kultur nicht gerecht werden könne.

Kollektive Hilflosigkeit: Davon spricht die Münchener Sicherheitskonferenz (MSK) bei den G7-Staaten. Es wachse die Besorgnis wegen eines zunehmenden Kontrollverlusts. Die Gesellschaften litten zunehmend unter einer Form von Hilflosigkeit. Viele Menschen hätten verstärkt das Gefühl, nicht in der Lage zu sein, die Herausforderungen zu bewältigen. Liberale Demokratien fühlen sich so überfordert. Es besteht ein hohes wahrgenommenes Risiko angesichts der Fülle von Krisen. Viele Menschen machen sich Sorgen vor Migration, Klimawandel, Lebensmittelknappheit und Spannungen zwischen den Mächten. Quelle: Repräsentative Umfrage in den G7-Staaten.

Gesellschaft der Singularität: Spätmoderne Gesellschaften feiern das Singuläre. Der Durchschnittsmensch mit seinen Durchschnittmerkmalen steht unter Konformitätsverdacht. Das neue Maß der Dinge sind authentische Subjekte mit originellen Interessen, aber auch unverwechselbaren Gütern. Es gibt in Zukunft eine schlecht ausgebildete "Service class". Vgl. Andres Recknitz, HU Berlin/ Kultursoziologie: Das Ende der Illusionen. Die Gesellschaft der Singularitäten, 2019.

Diversität und wachstumsfördernde Eigenschaften in der Kultur: These von Oded Galor (The Journey of Humanity, München 2022): Historische Quellen von Wohlstand und Ungleichheit. Die Unterschiede sind weit in der Vergangenheit angelegt. Diverse und pluralistische  Gesellschaften sind stärker als homogene. Andere wichtige Faktoren sind: Qualität und Integrationskraft von Institutionen, ökonomisch günstige Geografie, wachstumsfördernde kulturelle Eigenschaften. Chinas Homogenität sei nur kurzfristig ein Vorteil. Das muss aber nicht für die Zukunft gelten. China dürfte in zehn Jahren dei Decke erreichen, wenn es sich nicht reformiert und mehr öffnet. Deshalb werden die USA und Europa an der technologischen Spitze bleiben. Er unterstützt nicht die Abgesänge an den Westen.

Cultural Appropriation (kulturelle Aneignung, Klauen): Wenn man sich bei dem intellektuellen Eigentum, dem traditionellen Wissen, den kulturellen -Ausdrücken oder Artefakten von jemand anderem bedient, die eigene Individualität auszudrücken oder schlichtweg um daraus Profit zu schlagen (Susan Scafidi: Who Owns Culture? 2005). Ob Bilder, Musik oder Frisuren: Immer wieder entbrennt ein Streit um kulturelle Aneignung. Vgl. Balzer, Jens: Ethik der Appropriation, Matthes & Seitz 2022 (August). Auch in Die Zeit Nr. 32/ 4.8.22, S. 49. 2022 gerät Winnetou von Karl May in die Diskussion. Es geht um kulturelle Aneignung indigener Völker und Rassismus. Ich habe alle Bücher von Karl May gelesen, ohne Rassist zu werden. Die Apachen selbst stehen den Büchern von Karl May und Deutschland sehr positiv gegenüber. Sie halten Winnetou für fortschrittlich (Der Spiegel 36/ 3.9.22, S. 81). 2023 gibt es einen Eklat um einen Seniorinnen-Auftritt auf der Bundesgartenschau in Mannheim. Ein Ballet der AWO - Seniorinnen soll 6 Kostüme nicht mehr tragen dürfen (mexikanische und asiatische Outfits. Es geht um Ponchos uns Sombreros sowie japanische Kimonnos. Kulturelle Stereotype würden bedient). Es scheint sich eine Verbotskultur zu entwickeln.

Benin-Bronzen (Raubkunst): Im Dezember 2022 gibt Deutschland 20 kostbare Beninbronzen an Nigeria zurück. Die Kunstgegenstände waren in der Kolonialzeit geraubt worden. Sie bestehen aus Bronze und Elfenbein. Sie stammen aus britischen Plünderungen in Benin aus dem Jahre 1897. Sie werden von Außenministerin Baerbock und Kultusstaatsministerin Roth überbracht.   

Konflikte und Konsens in der deutschen Kultur: 2023 gibt es eine Diskussion in Deutschland darüber, ob die Gesellschaft tief gespalten ist oder ob ein Grundkonsens herrscht. Die eine Seite reklamiert gesellschaftliche Polarisierung (Soziologe Reckwitz: Kulturkämpfe zwischen kosmopolitischen Großstadtakademikern und tradtionsverliebten Landbewohnern, zwischen lifestileverliebten Fridays for Future Jugendlichen und alten weißen SUV-Männern). Die andere eher einen Grundkonsens (Soziologe Mau). Die politische Differenzierung würde überschätzt (nur dünne Polarisierung). Die Ökologie der Mittelschicht orientiere sich am Lebensstil. Weil die Menschen sich als entscheidungsfrei erleben, kompetent und stark genug, um ihr Leben klimafreundlich umzustellen. In den unteren Schichten ist die Klimafrage immer an die Frage gekoppelt,: Kann ich mir das leisten. Vgl. Interview mit Mau in Der Spiegel 40/ 30.9.23, S. 116ff. und Mau, Stefan/ Lux, Thomas/ Westheuser, Linus: Triggerpunkte. Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft, Suhrkamp 2023.

Rückzug ins Private/ Neues Biedermeier: Viele Menschen in Deutschland ziehen sich ins Private zurück. Sie sind überfordert von den Zumutungen der komplizierten Welt. Damit könnte Deutschland ein neues Biedermeier drohen. Den Deutschen scheint dei Maximierung ihrer Zuversicht durch die Minimierung ihres Gesichtskreises zu gelingen. Der Deutsche kreist um sich selbst. Er nimmt nur die themen wahr, die sich unmittelbar auf das eigene Leben auswirken. Vgl. Rilling, Simon: Die Welt kann mich mal! in: Die Rheinpfalz am Sonntag, 18./ 19.11.23, S. 1.

Leo Baeck Education Center, Haifa/ Israel: Interkulturelle Einrichtung. Dazu gehört eine Kita, eine Schule, eine Hochschule. Hier treffen sich Angehörige unterschiedlicher religiöser, sozialer und ethnischer Gruppen. ziel ist die Erziehung zu Frieden und konfliktfreiem Zusammenleben von Arabern und Juden. Die Einrichtung trägt den Namen des Frankfurter Rabbiners Leo Baeck (1873-1956), eines Vertreters des liberalen Reformjudentums. Die Wurzeln der Bildungseinrichtung, die mehr al 2500 Schülerinnen und Schüler besuchen, liegen in einer kleinen Kindergartengruppe für Waisenkinder, dei deutsche Emigranten im Jahr 1938 gründeten.

"Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt", William Shakespeare, englischer Dichterfürst.

 

 

  Diese Fahne steht als Symbol des Daoismus, der die Chinesen alle verbindet. Er geht vor allem auf Laotse zurück (siehe oben). Dargestellt werden die 5 Elemente des Daoismus (Wuxing): Wasser, Feuer, Erde, Holz, Metall. Mit dem erneuten Aufstieg Chinas zur führenden Macht in Asien und bald der Welt gewinnen daoistische Werte wieder an Bedeutung. Betrachtet man die Werke von Franziskus von Assisi, so gibt es Parallelen. Auch hier spielen Wasser, Feuer und Holz eine große Rolle.

Auslandschinesen, Migration, "Greater China", Kultur und Subkulturen (China mit der wichtigsten Kultur der Zukunft, chinesisches Jahrhundert):

"Bambus ist leicht zu biegen", Vietnamesisches Sprichwort. Diese Eigenschaft von Bambus macht man sich von Nutzen: Trinkhalme, Hüte, Textilien, Baumaterialien u. a. werden daraus produziert.

Die gesamte Geschichte Chinas ließe sich als Abfolge von Migrationsbewegungen beschreiben. Bevölkerungsdruck, Kriege und Naturkatastrophen haben die Menschen in Ostasien durchmischt. Manchmal endete das Land und die Migrationswellen setzten sich seit der Song- und Yuan-Zeit übers Meer fort. Flüchtlinge segelten nach Südostasien, Rebellen zogen sich nach Taiwan zurück, Händler gründeten Existenzen auf Sumatra (heute Indonesien) und den Philippinen.

In der Qing-Zeit (die letzte Kaiser-Dynastie, mongolischen Ursprungs) nahm die Emigration eine neue Dimension an. Im 19. Jh. wuchs die Bevölkerung auf über 400 Millionen. Kriege und Hungersnöte trieben Flüchtlinge nach Vietnam, Burma, in die Manjurei und nach Taiwan. Viele wurden Bauern, Fischer oder Händler. Aber die Menschen gingen auch jenseits des Pazifiks. Dort war ein großer Bedarf an neuen Arbeitskräften entstanden. Diese Möglichkeiten boten sich, weil der Sklavenhandel abgeschafft wurde. Mehr als 2 Millionen traten zwischen 1850 und 1875 die große Überfahrt an. Es lockte der Goldrausch in Kalifornien, die Silberminen in Peru, der Eisenbahnbau, die Baumwollfelder und die Zuckerrohrplantagen  in den USA. Für dubiose Agenten übernahmen die Chinesen die Rolle der Sklaven. Im Jahre 1884 wurde in den USA ein Einreiseverbot für Chinesen für die Dauer von 40 Jahren verhängt. Man sprach satirisch in den USA von der "The Chinese Wall". Das erinnert frappierend heute an die Mauer zu Mexiko, die Trump bauen lässt. Der Pfälzer Zeichner und Karikaturist Thomas Nast, der aus Landau stammte und in den USA lebte, hat das in Zeichnungen festgehalten.

Exkurs: Stanford University (1885 von Leland und Jane Stanford gegründet; Goldgräber und Multimillionär; wurde mit 37 Jahren Gouverneur von Kalifornien; billige Arbeiter aus China in seinen Unternehmen/ Immigration der Chinesen; heute studieren die Kinder der chinesischen Elite hier; Ursprung des digitalen Aufstiegs Chinas. Die Eliteuniversität hat auch die meisten Gründer aus dem Silikon-Valley hervorgebracht. Ein Netzwerk ist sehr erfolgreich: Palo Alto High School, Google Campus, Stanford University (Studiengebühr 2021 75.000 $ 1 Jahr).

Meist waren die Flüchtlinge Männer, die als Gastarbeiter Geld verdienen wollten. Doch viele blieben in der Fremde und eröffneten später Restaurants, Gemischtwarenläden oder Wäschereien. In den großen Städten entstanden schließlich China - Towns (London, Paris, San Francisco, Vancouver, Chicago). Viele wurden auch reich und stiegen zu einflussreichen Bürgern auf. Die Auslandschinesen  finanzierten schon Sun Yat-sen und förderten auch die chinesische Revolution.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Situation komplizierter. Nachdem die Kommunisten an der Macht waren, mussten die Auslandschinesen Stellung beziehen. Die meisten entschieden sich für ihre Wahlheimat und integrierten sich. Nach 1978 änderte sich die Situation wieder. Das "Bambusnetzwerk", wie man die Auslandschinesen auch nannte, finanzierte den Aufschwung Chinas. Studenten, Wissenschaftler und Geschäftsleute lernten in Nordamerika, Südostasien, Japan, Australien und Europa. Viele junge Chinesen studierten Ingenieurwissenschaften in Deutschland (noch heute trifft man Veteranen der Tonji-Uni in Peking, die in Aachen studiert haben; war für mich eine emotionale Begegnung; die Veteranen leben auf dem Campus und engagieren sich ehrenamtlich). 30 bis 40 Millionen Auslandschinesen gibt es heute, die meisten leben in Südostasien. Die chinesische Kultur beschränkt sich nicht mehr nur auf das chinesische Festland. Sie erstreckt sich auf "Greater China", auf Hongkong, Taiwan, Singapur und andere Teile der Welt. Vgl. Vogelsang, Kai: Geschichte Chinas, Stuttgart 2019, S. 431f. Die Multis dieser Welt, auch die BASF in Ludwigshafen, haben schon lange "Greater China" auf der Rechnung. Sie möchten auf keinen Fall ihre Geschäfte in der VR China gefährden (dieser Pragmatismus eint deutsche Firmen, die deutsche Regierung  und die chinesische Führung).

Andererseits leben viele nationale Minderheiten in China, die ihre Subkulturen bewahrt haben. Die chinesische Nation hat eigentlich fünf Nationalitäten: Han, Manjuren, Mongolen, Tibeter und Hui (Moslems) mit jeweils eigenen Kulturelementen. Weiterhin gibt es viele nationale Minderheiten (shaoshu minzu) im Land. Die größten dieser Gruppen sind Zhuang, Manjuren, Uighuren, Miao, Tibeter, Mongolen, Yi, Tujia. Sie machen rund 10% der Bevölkerung aus, bewohnen aber 60% der Landfläche Chinas. Dieses Missverhältnis ist der Ursprung vieler Konflikte. Vgl. Vogelsang a. a. O., S. 548f. Guilin im Süden des Landes ist ein touristischer Hotspot (vor allem im Zusammenhang mit dem Li-Fluß). Hier leben viele Minderheiten. Sie werden gerne als positives Muster präsentiert (die Realität in vielen anderen Regionen ist eine andere). Das sollte aber nicht zum "Romantisieren" bei uns verführen. Die Theokratie in Tibet z. B. war nie ein Idyll. Rassistische Anwandlungen sind den Chinesen nicht fremd. Die Han standen immer im Mittelpunkt. Inwieweit sie die KPCh und andere Führungszirkel in China dominieren ist heute ein Tabu-Thema.

Migration (Migrationspolitik): China hat eine lange Tradition als Auswanderungsland, wie die vergangenen Abschnitte gezeigt haben. Das begann in großem Ausmaß mit dem Sturz der Ming-Dynastie im 17. Jahrhundert.  Die zweite Welle war nach dem Taiping-Aufstand im 19. Jahrhundert. Die dritte bildete die Flucht nach der Machtergreifung Maos. Ca. 40 Mio. Chinesen leben 2012 außerhalb des Landes. Etwa 2 Billionen $ erwirtschaften die Auslandschinesen. Sie haben eine wichtige Rolle beim Aufbau des neuen China gespielt (Bambus-Network). Der größte Stadtteil ist in San Francisco (80.000). Die meisten Auslandschinesen leben in Indonesien (8 Mio.), Thailand (7,2 Mio.), Singapur (4 Mio.), USA (3,5 Mio.). 102 Mrd. Dollar gaben die Chinesen 2012 für Auslandsreisen aus. Das sind 40% mehr als ein Jahr zuvor. Sie haben damit Deutsche und Amerikaner erstmals überholt. Sie gaben dabei ca. 84 Mrd. Dollar aus. 80 Mio. Chinesen konnten 2012 ins Ausland reisen (achtmal so viel wie 2002). Viele legen dabei ein ruppiges und rüpelhaftes Benehmen an den Tag (Überbleibsel der Mangelwirtschaft?). Die Regierung will eine schwarze Lise mit Reiseverboten erstellen. 1995 wurde zwischen Neustadt/ Weinstraße und Quanzhou (Küstenstadt in der Provinz Fujian gegenüber Taiwan) eine Städtepartnerschaft gegründet. In der chinesischen Stadt leben 7,9 Mio. Menschen. Sie wurde im neunten Jahrhundert gegründet. Als in der Song- und Yuan-Dynastie die Seidenstraße durch Kriege und Raubüberfälle zu unsicher geworden war, erlebte die Stadt ihre Blüte. Auch heute noch ist der Hafen an der Südostküste Chinas einer der wichtigsten. "Lasst den Westwind herein, Reichtum ist ruhmvoll", Deng Xiaoping 1980, als Shenzhen zur ersten Sonderwirtschaftszone des Landes erklärt wurde.

2016 müssen alle Einwohner der chinesischen Unruheprovinz Xinjiang ihre Reisepässe abgeben. Es handelt sich um 22 Millionen Einwohner. Konkret ist das ein Ausreiseverbot. Als Begründung gibt die Partei die "Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung" an. Wahrscheinlich geht es dabei um Angehörige der turksprachigen, muslimischen Minderheit der Uiguren. Viele Uiguren betrachten China als Besatzungsmacht und befürchten, dass sie in ihrer Heimat von den Han-Chinesen verdrängt werden. Eine Rolle spielen auch Spannungen zwischen der Türkei und China. Erdogan bot allen Uiguren auf der Flucht weltweit in den türkischen Botschaften Ersatzdokumente an. Das sorgte in Peking für Unmut. Seitdem haben auch Deutsche mit türkischer Abstammung oder türkisch klingende Namen Schwierigkeiten bei der Einreise nach China.

Immer mehr Studenten aus China wollen in Deutschland studieren. Das hängt mit den hohen Studiengebühren in China zusammen (durchschnittlich 8000 € pro Jahr). In einigen Bundesländern liegt die Zahl chinesischer Studenten bei den Ausländern über 20%. Auch aus Indien und Pakistan kommen aus dem gleichen Grund viele Studenten. Einige Bundesländer erwägen, für diese Studenten Studiengebühren zu erheben. Baden-Württemberg macht 2017 den Anfang. Sofort gehen die Bewerberzahlen zurück.

Migration im Rahmen der Entwicklungspolitik: Viele Chinesen gehen im Rahmen von Entwicklungsprojekten heute ins Ausland. China zahlt immer mehr Entwicklungshilfe. Unklar ist, welche Gegenleistungen erwartet werden (dies gilt aber für fast alle zahlenden Länder, China betont Politik der "Nichteinmischung"). Nach der Financial Times soll China in den letzten zwei Jahren 2009, 2010 mit 110 Mrd. $ schon mehr Geld aufgewendet haben als die Weltbank. Die chinesische Regierung veröffentlicht keine genauen Daten. Vgl. auch Rogue Aid? The Determinants of China`s Aid Allocation, Axel Dreher/ Andreas Fuchs, Uni Göttingen September 2011. Von 1996 bis 2005 hatten den höchsten Prozentanteil an der Entwicklungshilfe Tansania (4,6%) vor der Mongolei (3,7%) und Kambodscha (3,4), Niger (3,4), Benin (3,4). Traditionell liegen die Schwerpunkte auf dem Bau von Infrastruktur, Krankenhäusern und Sportstätten.  China setzt aber auch Fremdarbeiter ein, die eine Art Sklavenstatus haben (z. B. Vietnamesen beim Bau der ersten chinesischen Reifenfabrik im Ausland in Serbien ab 2021). China übt immer größeren Einfluss nach Süden aus. Dies geschieht auch mit Mitteln der Entwicklungshilfe. Betroffen sind Myanmar, Thailand, Malaysia, Vietnam, Laos, Kambodscha, Brunei, Singapur und Indonesien.2013 kauft China riesige Landflächen in der Ukraine (von der Größe Brandenburgs).

Viele chinesische Firmen kommen nach Afrika. Sie bauen Straßen, Eisenbahnstrecken und betreiben Unternehmen. Allerdings bringen sie meistens ihre eigenen Arbeiter mit. Deshalb sind diese Firmen in Afrika nicht sehr beliebt. Man spricht davon, dass es sich um Ausbeutung handelt und den heimischen Arbeitskräften die Arbeitsplätze weggenommen werden. Insofern gibt es Aversionen gegen Chinesen. Kenia schiebt 2016 45 Taiwaner in die VR China ab nach dem Motto "Sind doch alles Chinesen". Die Führung in Taipeh ist entsetzt. Eines der kleinsten Länder Afrikas wird von den Chinesen 2018 zum "strategischen Partner" erklärt, nämlich Dschibuti. Sie unterhalten hier sogar ihre erste Marinebasis (erste Militärbasis außerhalb Asiens). Sie bauen auch riesige Freihandelszonen. Nach einer Studie von McKinsey 2018 sollen insgesamt 10.000 chinesische Firmen in Afrika aktiv sein, davon ein Drittel Industrieunternehmen. Die Chinesen sehen die Chance, in Afrika ihre Rohstoffe dauerhaft beziehen zu können. Sie schließen langfristige Lieferverträge ab: Sie beziehen Erdöl aus Angola. Eisenerz und Kupfer aus Südafrika und dem Kongo. Holz und Getreide werden aus verschiedenen Ländern importiert. 2003 begann der Einstieg Chinas auf dem afrikanischen Kontinent. Die meisten Projekte waren aber keine Geschenke. Heute stöhnen viele afrikanische Staaten unter einer gigantischen Schuldenlast. Das Handelsvolumen zwischen Afrika und China ist aber förmlich explodiert. In Ägypten entsteht mit chinesischer Hilfe eine neue Hauptstadt. Dort soll der höchste Wolkenkratzer Afrikas entstehen. Von der Summer her hat China am meisten investiert im rohstoffreichen Nigeria (50 Mrd. $). Dann folgen Ägypten (24,4), Angola (24,1), Äthiopien (23,9), Algerien (23,0), Kenia (16,8). Stand: 2018. quelle: Der Spiegel Nr. 24, 8.6.2019, S. 91. Mittlerweile zeigt sich der chinesische Einfluss auch beim chinesischen Staatsfernsehen in Afrika.  Das erste Mal wurde China 1970 unter seinem Staatsführer Mao in Afrika aktiv. Damals baute man für umgerechnet eine halbe Milliarde Dollar die 1860 km lange Tanzania-Zambia-Railway (Tazara), finanziert mit einem zinslosen Darlehen. Mao wollte die Afrikaner als diplomatische Unterstützer gegen die USA und die Sowjetunion. Ein Großteil der Bahnlinien auf dem Kontinent stammt aus Kolonialzeiten. Im Februar 2018 bedient ein Fernsehsketch in China Vorurteile über Afrika: In der vierstündigen Frühlings-Gala, die 800 Mio. Chinesen verfolgen, geht es um Chinas Engagement in Afrika. Es treten Afrikaner auf und eine angemalte Chinesin. Es wird eine Romanze vorgetäuscht, um einer arrangierten Ehe zu entkommen. Als der Bluff auffliegt zeigt sich die afrikanische Mutter erstaunlich verständnisvoll: Sie könne doch keinem Chinesen böse sein. die Chinesen hätten doch ihr Land aufgebaut und ihrer Tochter einen festen Job verschafft. dies ist eine von vielen rassistischen Entgleisungen in China.

Trotzdem ist die chinesische Entwicklungspolitik in Afrika erfolgreicher als die europäische. Sie bauen erst Straßen und Kraftwerke mit ihren eigenen Arbeitern. Dadurch kann aber der Rest der Wirtschaft folgen. Es wird so in handfeste Bauprojekte investiert, wo das Geld nicht versickern kann wie bei der europäischen Entwicklungshilfe. Große Infrastruktur-Projekte zusätzlich zu den oben erwähnten sind: Ein Hochhaus im Zentrum von Nairobi/ Kenia. Eine Bahnlinie von Nairobi nach Mombasa. Am Bahnhof von Addis Abeba bauen auch Chinesen. Sie bauen eine elektrifizierte Bahn nach Djibuti. Schon in den Siebzigerjahren investierte China in Afrika unter Mao. Die 1900 Kilometer lange Tazara - Bahn sollte den postkolonialen Aufschwung ankurbeln. Die Bahn verbindet Tansania mit Sambia. Auch den Flughafen bauen die Chinesen aus. Im Küstenort Bagamoyo soll der größte Containerhafen Ostafrikas entstehen. In Westafrika wurde ein Vertrag mit Nigeria abgeschlossen, eine Küsteneisenbahn von Lagos nach Calabar zu bauen. Die Chinesen gelten als schnell, effizient und billig. Sie bieten All-inclusive-Pakete einschließlich von Krediten der Staatsbanken. Vgl. Philip Plickert: Chinesischer Bauboom in Afrika, in: FAZ 31.01.2018, S. 18. Am 03.09.2018 findet in Peking eine Afrika-Konferenz (7. Afrika-China-Gipfel) zwischen China und fast allen afrikanischen Staaten (53) statt. Staatspräsident Xi Jinping verspricht für die nächsten drei Jahre Kredite und Investitionen in Höhe von 60 Mrd. Dollar in Afrika. Nach Angaben der John Hopkins-Uni in den USA hat China bis 2018 bereits 100 Mrd. Euro in Afrika investiert.  In China selbst will die Regierung den Chinesen die Kartoffeln ("Erdbohnen", tudou) schmackhaft machen. Schon heute ist China der weltgrößte Kartoffelproduzent (jede vierte Kartoffel). Die Kartoffel ist ideal für arme Kleinbauern, weil sie weniger Wasser benötigt als Reis oder Weizen. Durch Kochserien und andere Maßnahmen soll den Chinesen der Verzehr näher gebracht werden. 2016 kauft China in großem Umfang afrikanische Esel (equus asinus, vor allem aus dem Niger). Sie werden in der Küche und der Pharmaindustrie verwendet. Im Norden Chinas wird das Fleisch in Suppen und Eintöpfen geschätzt. Aus gekochter Eselshaut wird eine Gelatine (Ejiao) gewonnen, die Schlaflosigkeit und Husten heilt. Eine Creme daraus soll die Haut faltenfrei machen und die sexuelle Potenz anregen. Die Preise für afrikanische Esel steigen daraufhin.

Ende 2019 und Anfang 2020 geraten die Auslandschinesen in Schwierigkeiten. In Wuhan in der Provinz Hubei bricht die Seuche Covid-19 aus, die innerhalb weniger Monate China selbst bedroht und dann in der Globalisierung zur Pandemie wird. Zur Verbreitung scheinen auch im Ausland arbeitende und lebende Chinesen beizutragen (Oberitalien: Arbeiter in Textilfabriken, Gewerbstreibende in Venedig). Das führt zu einer Diskriminierung von Chinesen in aller Welt. Dafür "revanchieren" sich später die Menschen in China bei Ausländern (man macht sie für spätere Wellen verantwortlich). Corona bringt einen großen Rückschritt für Tourismus und Toleranz. Unter Null-Covid-Strategie der chinesischen Regierung leiden auch die Ausländer in China. Viele Expats verlassen das Land und kommen nicht wieder zurück.

Bei einem Besuch von Biden am 22.5.22 in Japan sagt er Taiwan Hilfe zu bei einem Angriff von China auf die Insel. Das Verteidigungsbündnis Quad ist auch gegen die Expansionspolitik Chinas in Asien gerichtet (USA, Japan, Indien, Australien).

Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg", Laotse.

 

Psychologie als wichtige Grundlage der  Ökonomie (Menschliches Verhalten als Kern jeder Ökonomie; einschließlich und insbesondere Sozialpsychologie):

Das erhaltene Wartezimmer von Sigmund Freud in seiner ärztlichen Praxis in Wien, Berggasse 19, die er 1891 eröffnete.  Hier lebte und arbeitete er insgesamt 47 Jahre, ehe er 1938 vor den Nationalsozialisten nach London floh (unter der Protektion und Fürsprache von Mussolini). Heute ist hier das Sigmund Freud Museum untergebracht. Es zeigt eine Dokumentation zu Leben und Werk des Begründers der Psychoanalyse. Einzigartiges privates Filmmaterial wird gezeigt, meist von Tochter Anna Freud aufgenommen. Diese kümmerte sich auch nach dem Tode des Vaters um sein Werk.

"Die Grundlage der politischen Ökonomie und, im Allgemeinen, jeder Sozialwissenschaft ist offensichtlich die Psychologie. Es mag ein Tag kommen, an dem wir in der Lage sein werden, die Gesetze der Sozialwissenschaften aus den Prinzipien der Psychologie abzuleiten", Vilfredo Pareto, Manual of Political Economy: A Variorum Translation and Critical Edition, herausgegeben von Aldo Montesanto et. al. Oxford University Press, (1906) 2013, Kap. 2, S. 21.

"Der Mensch ist dem Menschen das Interessanteste und sollte ihn vielleicht ganz allein interessieren", Johann Wolfgang von Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre.

I. Zusammenhang von Psychologie und Ökonomie

Beiden Wissenschaften gemeinsam ist die Lage zwischen Sozial- und Naturwissenschaften. Gerade in der Psychologie spielen biologische, medizinische, insbesondere neurowissenschaftliche, Erkenntnisse eine große Rolle (natürlich auch Mathematik und Chemie in der Psychologie).

Die Ursprünge der Psychologie - wie auch der Ökonomie - liegen in der Philosophie. Berühmt ist das Motto bzw. der Appell des Orakels von Delphi "Erkenne dich selbst". Er gilt bis heute als Richtschnur und Maxime für ein gutes Leben. Gemäß dem griechischen Denken sollen wir vor allem unsere eigene Hinfälligkeit bedenken und so dem Laster der Hybris vorbeugen. Vgl. Bettina Fröhlich: Sorge um das Selbst, in: Sektrum Spezial "Die Psychologie vergangener Kulturen", S. 20ff.

Bestimmte ganz alte Behandlungsformen könnte man der Psychologie zuordnen. So der Schamanismus, der bis zu 10.000 v. Chr. zurückgeht. Es ist die Heilkunde analphabetischer und wenig entwickelter Gesellschaften. Es waren die ersten Formen der Psychotherapie. Der Schamane musste die Seele finden und dem Körper zurückgeben. Auch die modere Psychotherapie versucht, das Verlorenen des Menschen wieder zu finden und zurückzugeben. In der Jungsteinzeit sind Schädelbohrungen bekannt (Trepanation). Vielleicht wurde die Methode auch bei Geisteskrankheiten angewandt. Das Handlesen war eine verbreitete Praktik in vielen alten Kulturen. Die vier edlen Wahrheiten Buddhas (500 - 400 v. Chr.) oder die konfuzianische Ethik (550 - 450 v. Chr.) haben viel mit Psychologie zu tun. Auch das Bhagwad Gita (200 v. Chr.) des Hinduismus, das im Kern das Yoga geprägt hat, hat wichtige Sichtweisen der Psychologie beeinflusst. Vgl. Pickren, W. E.: Das Psychologie Buch, Librero 2018, S. 16ff. Berühmt ist das große Werk von Aristoteles "De Anima" (Über die Seele", 300 v. Chr.). Er geht auf die Einheit von Körper und Seele ein. Wissen beginnt mit Wahrnehmung. Aristoteles nennt vier Quellen des Glücks: Lust, Besitz, Tugend und Vernunft.  Um 400 v. Chr. behauptet der griechische Arzt Hippokrates dass sich die Eigenschaften der vier Elemente Erde, Luft, Feuer und Wasser in den Körperflüssigkeiten widerspiegeln.

Exkurs: Tri-Guna-Modell: Es entstammt der vedischen Philosophie in Indien Es beschreibt menschliches Verhalten und will es ändern. Es ist ein Werkzeug, mit dem wir geistige Fähigkeiten regulieren und unsere Lebensqualität steigern können.  Das Ziel ist, Wohlbefinden und Gesundheit zu fördern. Meditation dient als Schutzprogramm für das Immunsystem. Das Stresshormon Cortisol soll reduziert werden. Es gibt drei psychologische Grundtypen: 1. Sattva: Prinzip der Reinheit. Sattva-Typen sind ausgeglichen, weise und glücklich. 2. Rajas:  Prinzip der Aktivität. Sie streben nach Bewegung, materiellem Erfolg und Sinnengenuss. Das Übermaß führt zu Stress, Nervosität und Sorgen. 3. Tamas: Prinzip der Passivität. Die Typen sind träge, pessimistisch und meist unzufrieden mit dem Leben. Sie neigen zu Depressionen. Man kann den Typ verändern durch Instrumente: Wechselatemübung Nadi Shodhana Pranayama, Yoga mit der Seele verbinden, der achtgliedrige Pfad, Meditation, Übung Shavasana (Toter Mann), Ernährung. Vgl. Peggy Freede: Das Tri-Guna-Modell, in: Natur & Heilen 12/2020, S. 36ff. 

Im Mittelalter spricht man eher von Seele statt von Psyche. Aber es gab sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten zu uns heute. Die Kultur scheint einige grundsätzliche Denkweisen und Wahrnehmungen von Menschen zu prägen sowie die Art, wie sie Gefühle ausdrücken und erleben. Dem mittelalterlichen Weltmodell zufolge war der Körper nicht strikt von der Seele unterschieden. Innere Prozesse wurden auf Ereignisse der Außenwelt projiziert. Insbesondere Heldenreisen boten die Möglichkeit, seelische Konflikte aufzuarbeiten (siegreicher Krieger, Suche nach Identität).

"Psychologie" als Begriff wurde von Marko Marulic (1450 - 1524) eingeführt. Das war 1506 in seinen Moralstudien. 1524 erschien das Wort im Titel seines Buches "Psichiologica de ratione animae humanae". Im 16. und 17. Jhd. verwiesen deutsche Gelehrte wie Philipp Melanchton, Johannes Thomas Freigius und Otto Casmann in ihren Veröffentlichungen auf die Psychologie bzw. Psychologia. Richtig bekannt wurde der Begriff durch den Philosophen und Schriftsteller Denis Diderot, der Psychologie in einem Essay zum Thema machte. Vgl. Pickren, W. E.: Das Psychologie Buch, Libreo 2018, S. 44. Rene Descartes publiziert Les Passiones de l´ àme (Die Leidenschaften der Seele 1649. Er geht davon aus, dass Körper und Seele verschiedene Substanzen seien.

1816 erscheint das erste Lehrbuch der Psychologie von Johann Friedrich Herbart (1776-1841; Lehrbuch zur Psychologie; wirkte zuletzt an der Uni Göttingen). Im späten 18. Jahrhundert erkannten Gelehrte endgültig, dass Philosophieren allein nicht genügt, um die Welt zu ergründen, sondern vielmehr zur Ergänzung der Beobachtung bedarf. Der Schriftsteller und Pädagoge Karl Philipp Moritz gründete eine Zeitschrift mit Erfahrungsberichten zur Erforschung des "Gewebes der Gedanken". Er gilt als Wegbereiter der experimentellen Psychologie. Antrieb dieser Entwicklung war eine unglückliche Kindheit, die kein "Selbstzutrauen" aufkommen ließ und der Wunsch, Wege zur Selbstheilung der Seele aufzuzeigen. Vgl. Steve Ayan: Seelenlehre. Die Leiden des Jungen M., in: Spektrum Spezial ". Die Psychologie vergangener Kulturen" 2/2018, S. 84ff. Psychologische Studien betrieb auch einer der berühmtesten deutschen Schriftsteller, der nur 24 Jahre alt wurde: Georg Büchner. Er kam aus einer Arztfamilie. Sein Vater war Militärarzt bei Napoleon gewesen und leitete eine Irrenanstalt in Darmstadt. Georg hatte seinen Vater von Kind an begleitet. Er studierte Medizin in Straßburg und Gießen. In seiner Doktorarbeit in Zürich beschäftigte er sich mit Nerven und Zusammenhängen von Wirbelsäule und Gehirn. Er kam vor Darwin zu wichtigen Erkenntnissen der Evolution. Er betrieb immer auch psychologische Analyse ("Was ist, was in uns denkt, lügt und mordet?"). Er bekommt sofort eine Dozentenstelle an der Uni Zürich. Sein Hessischer Landbote von 1834 ist der auch erste berühmte Text der Weltliteratur, der volkswirtschaftlich argumentiert. Wilhelm Wundt (1832 - 1920) machte die weltweit ersten Lehrveranstaltungen zur experimentellen Psychologie. 1879 eröffnete er das erste psychologische Institut an der Uni Heidelberg. 1896 erschien sein Lehrbuch "Grundriss der Psychologie". Vgl. Collin, C. u. a.: Das Psychologiebuch, München 2020, S. 37. 1890 veröffentlicht der "Vater der Psychologie in den USA" William James (1842-1910) das Buch "Principles of Psychology"

Die Psychologie als Wissenschaft wurde besonders im 20. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum geprägt. Einer der Väter ist Sigmund Freud, der in Wien geboren wurde und dort zuerst auch praktizierte (Vgl. unten). Der zweite ist einer der großen Vergessenen der Wissenschaftsgeschichte. Es ist William Stern. Er war mindestens so wichtig wie Freud. Er gilt als Erfinder des Intelligenzquotienten und prägte stark das psychologische Denken. Stern hatte jüdische Eltern und wurde in Berlin geboren (1871). Er studierte in Berlin und bekam seine erste Professur in Breslau. 1900 erschien seine Schrift "Über Psychologie der individuellen Differenzen". Es war eine Art Grundlegung des Faches. Er war gegen die Selbstüberschätzung des neuen Faches und gegen "experimentelle Scheinprüfungen" (Psychotechnik). Mit Hilfe der Methode der Naturwissenschaften kann man menschliche Individualität nicht erfassen. Diese Kritik ist heute noch aktuell. Im Dritten Reich musste Stern Deutschland verlassen (Uni Hamburg, zuerst Niederlande, dann USA).

In der Psychologie geht es um die Grundausstattung des Menschen (Fühlen, Wahrnehmen,  Denken, Erinnern und Vergessen, Erleben, Handeln, Verhalten). Vgl. Jordan, Stefan/ Wendt, Gunna: Lexikon der Psychologie, Stuttgart 2005. Als Lehrbuch: Cash, Adam: Psychologie für Dummies, Weinheim 2005.

Psychologie sagt uns damit, wer wir sind und wie wir sein könnten. Mit ihr können wir und erklären, wie wir die Welt konstruieren, wie wir unser Zusammenleben arrangieren und wie wir an unsere Grenzen kommen. Vgl. Oehler, R./ Bernius, V./ Wellmann, K. - H.:  Was kann Psychologie, Weinheim und Basel 2009. "Der Mensch ist ein Zwischenwirt - für Religion und Fußpilz", Gerhard Polt in seinem Programm 2016.

In jedem Beruf ist Psychologie relevant: Wir müssen uns kennen und gleichzeitig die anderen. Jeder führt und wird geführt. Man muss schwierige Situationen meistern, insbesondere Stress im Beruf bewältigen. Vgl. Boris von der Linde/ Svea Steinweg: Psychologie im Beruf, München 2009.

In der Ökonomie steht die Sozialpsychologie im Mittelpunkt. Sie behandelt die Beziehungen zwischen Menschen. Es geht um Soziales Lernen und Sozialisation, Motivation und soziales Handeln, soziale Vergleichsprozesse, soziale Wahrnehmung und Kognition, soziale Einstellungen, Kommunikation, Interaktion (soziale Rollen), Gerechtigkeit, Macht und Führung, Norm und Abweichung, Gruppenstruktur, Konflikt und Wettbewerb. Vgl. Fischer, L./ Wiswede, G.: Grundlagen der Sozialpsychologie, München 2009. Entscheidungsfindung bei Unsicherheit ist auch eines der zentralen Themen. Hier rückt der Name Daniel Kahnemann in den Mittepunkt, der später auch den Nobelpreis in Ökonomie bekommt. Vgl. Kahneman, D. Thinking Fast and Slow, New York 2013

Vom Gottesbild zum Menschenbild (Individualismus versus Kollektivismus): Im antiken Ägypten (aber auch in Babylon oder bei den Kelten) bei den Pharaonen lautete die Selbstdefinition Gottes: "Ich bin, was da ist" (Inschrift auf einer Stehle). Gott definiert sich als das Seiende, die Natur. Der Gott Israels, der alle anderen monotheistischen Richtungen geprägt hat, wird im alten Testament wie folgt beschrieben: "Ich bin, der ich bin. Gott hat Dich bei Deinem Namen gerufen". Beim ersten Gottesbild geht es um die Ein- und Unterordnung des Menschen gegenüber der Natur. Beim zweiten Gottesbild geht es nur um die Akzeptanz der Natur in Anbetracht des Schicksals des Einzelnen. Das ist  die Grundlage des humanen Denkens. Der einzelne wird bei seinem Namen gerufen. Nicht das Kollektiv, nicht die große Zahl, sondern Gott widmet sich jedem einzelnen. Darin ist die Würde des Menschen begründet. Das ist im Kern auch die Ursache unterschiedlicher Vorstellungen über Menschenrechte im Westen und in China. China ist im Menschenbild antiker Natur-Religionen stehen geblieben. Das Menschenbild ist eine wichtige Basis der Psychologie. Es geht dabei auch um das Idealbild von einem Menschen ("neuer" Mensch). Die Ökonomen sind eher pessimistischer.

Die Psychologie als Wissenschaft gliedert sich in Spezialgebiete. Eine Einteilung lautet: 1. Behaviorismus. 2. Psychotherapie. 3. Kognitive Psychologe. 4. Sozialpsychologie. 5. Entwicklungspsychologie. 6. Differenzielle Psychologie. Vgl.  Vgl. Collin, C. u. a.: Das Psychologiebuch, München 2020

Der wichtigste lebende Psychologe für die Wirtschaftswissenschaften dürfte Daniel Kahneman sein (Vgl. Kahneman: Schnelles Denken, Langsames Denken, München 2012, siehe oben). Er ist auch Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaften. Das obige Buch ist von großer Bedeutung für den Zusammenhang von Psychologie und Wirtschaftswissenschaften gewesen. Kahneman kommt von der Wahrnehmungspsychologie. In seinem Buch behandelt erfolgende Themen: 1. Zwei Systeme (automatisch und schnell; subjektives Erleben und komplexe Berechnungen). 2. Heuristiken und kognitive Verzerrungen. 3. Selbstüberschätzung. 4. Entscheidungen. 5. Zwei Selbste. R. Thaler, auch Nobelpreisträger, hat das Konzept von Nudges entwickelt, d. h. Menschen brauchen ökonomische Anreize (Stupse), um sich korrekt zu verhalten.

Innerhalb der Sozialpsychologie haben sich Arbeitsgebiete herausgebildet, die besonders relevant für die Ökonomie sind. Einmal die Organisationspsychologie, die alle menschlichen Aspekte der Arbeitswelt behandelt (Personal). Vgl. Lutz von Rosenstiel: Grundlagen der Organisationspsychologie, Stuttgart 2003. Zum anderen die Wirtschaft- bzw. Marktpsychologie, die stark in die Volkswirtschaftslehre und das Marketing hineinwirkt. Es werden sowohl makroökonomische als auch mikroökonomische Prozesse analysiert. Vgl. Günter Wiswede: Einführung in die Wirtschaftspsychologie, München/ Basel 1995.

Durch die Renaissance der Behavioral Economics finden immer mehr psychologische Theorien und Forschungsmethoden (Hirnforschung, experimentelle Forschung) Einzug in die Ökonomie (in deutschsprachigen Raum, aktuell vor allem durch die Ökonomen Fehr und Ockenfels). Damit wird zum Glück die Methode der Annahmen über menschliches Verhalten durchbrochen (z. B. Homo oeconomicus).

In mehreren meiner Veranstaltungen beziehe ich psychologische Grundlagen (habe Sozialpsychologie als Fach in Köln studiert)  stärker ein, allerdings immer in Bezug auf die Praxis. Das gilt für die Personalökonomik und für Psychologie und Kommunikation/ Interkulturelle Kompetenz. Als "Rentner" bin ich noch im MBA Unternehmensführung der Zentralstelle für Fernstudien Koblenz in Kooperation mit der GSRN/ Ludwigshafen tätig und mache sozialwissenschaftliche Grundlagen (Psychologie, Soziologie, Sozialpsychologie) der Führung.

"Wir wissen von unserer Seele wenig und sind sie selbst", Georg Christoph Lichtenberg.

 

II. Wichtige Inhalte der Psychologie in Bezug auf Ökonomie/ Economics and Psychology

Wirtschaftspsychologie, Organisationspsychologie,  Industrie- und Mittelstandspsychologie bzw. -soziologie (vgl. auch speziell Arbeitspsychologie bei Economics/ special, Arbeitsökonomik; Industrie- und Mittelstandspsychologie bei Business Economics):

"Die Grundlage der politischen Ökonomie und, im Allgemeinen, jeder Sozialwissenschaft ist offensichtlich die Psychologie. Es mag ein Tag kommen, an dem wir in der Lage sein werden, die Gesetze der Sozialwissenschaften aus den Prinzipien der Psychologie abzuleiten", Vilfredo Pareto, Manual of Political Economy: A Variorum Translation and Critical Edition, herausgegeben von Aldo Montesanto et. al. Oxford University Press, (1906) 2013, Kap. 2, S. 21.

Psychoanalyse bzw. Psychologie beim Urvater der Psychologie Siegmund Freud: 1856-1939,  Wien, 1919 ord. Professor, 1938 Emigration nach London. „Als Psychoanalyse bezeichnet man eine Theorie über die Auswirkungen unbewusster Prozesse, eine Methode zur Erfassung unbewusster Vorgänge im Sprechen und Handeln von Menschen und das älteste anerkannte psychotherapeutische Heilverfahren“, Mertens, W., Psychoanalyse, in: Lexikon Psychologie, a. a. O., 242. Das Denken Freuds: - Struktur der Persönlichkeit, - Bewusstsein und Vorbewusstsein, - Das Unbewusste, - Es, Ich und Über-Ich, - Sexualität und Phasen, - Schüler und Weiterentwicklung: R. White, A. Adler, E. Erikson. Besonderheiten: - Freud wollte die Psychoanalyse mit der Naturwissenschaft verknüpfen, - Eine zentrale Funktion hat der Traum und seine Deutung (Traum als Tummelplatz der    Seele: „Der Traum stellt einen gewissen Sachverhalt so dar, wie ich ihn wünschen möchte;  sein Inhalt ist also eine Wunscherfüllung, sein Motiv ein Wunsch“, aus: Die   Traumdeutung). - Die Ermordung des Urvaters ist Kultur prägend (Das Unbehagen an der Kultur). - Über die Hysterie kommt er zur Hypnose. Berühmte Zitate: „Wenn man der unbestrittene Liebling der Mutter gewesen ist, so behält man fürs Leben jenes Eroberergefühl, jene Zuversicht des Erfolges, welche nicht selten wirklich den Erfolg nach sich zieht“. „Glück ist die Erfüllung von Kinderwünschen“. Viele Fachausdrücke von Freud beziehen sich auf die griechische Mythologie. Sie bietet in der Sexualität fast alles, was möglich ist.

Das innere Kind (konservierte Erfahrung): Die moderne Psychologie hat Freud weiterentwickelt. Das innere Kind steht für die Gesamtheit aller in uns gespeicherter Gefühle, Erfahrungen und Ereignisse der ersten Lebensjahre. Ganz wichtig ist Selbstwertgefühl. Die Eltern sollten Urvertrauen vermitteln und gleichwohl das Kind in die Selbständigkeit begleiten. Vgl. Michael Mary: Frieden schließen mit dem Kind in uns, Piper Verlag 2020. "Psychoanalyse ist wie Musikunterricht. fünf Jahre lang merkt man keinen Fortschritt, aber plötzlich kann man Klavier spielen", Woody Allen, US-Filmregisseur.

Traumata in der Kindheit: Eine widrige Kindheit belastet ein Leben lang. Das zeigen Forschungen aus der Psychologie und aus der Biologie (bei Pavianen und anderen Affen). Die spuren der Entzweiung der Eltern haften besonders an (Kluft in der Kernfamilie, wie ein Vulkanausbruch). Auch ein glückliches Leben kann Wunden aus der Kindheit nicht heilen. Eine Erklärung ist, dass stabile soziale Bindungen nicht aufgebaut werden können und dann Stressprobleme auftauchen (fordern auch körperlich Tribut). Traumata sollten in jedem Falle in der Kindheit selbst angegangen werden (oder am besten, man lässt sie nicht entstehen). Trauma in der Kindheit haben auch Einfluss auf den Stoffwechsel (Quelle: Universität Ulm 2020).

Kinder im Mutterleib und Gehirn/ Intelligenz: Schon im Mutterleib haben Kinder ein Verständnis für Zahlen, kurz nach der Geburt unterscheiden sie Gesichter und versetzen sich in andere Menschen hinein. Säuglinge sind Multitalente. Entwicklungsprobleme könnten früher entdeckt werden. Vgl. Hackenbroich, V./ Koch, J.: Guck mal, wer da denkt! in: Der Spiegel 12/ 16.3.24, S. 86ff.

Ablösung von den Eltern: Kaum eine Phase des Lebens ist so prägend wie die eigene Kindheit. Aber auch eine gesunde Ablösung ist sehr wichtig. Idealerweise unterstützen die Eltern das kind in die Selbständigkeit. Je weniger abgelöst Menschen sind, dest schwieriger gestaltet sich ihre Partnerwahl. "Ablösung bedeutet, seinen eigenen Weg zu finden - unabhängig, ob die eltern zustimmen oder nicht", Sandra Konrad. Siehe Sandra Konrad: Nicht ohne meine Eltern. wie gesunde Ablösung all unsere Beziehungen verbessert - auch die zu den Eltern, Piper 2023.

Mutter und Sohn: Mütter haben einen großen Einfluss auf das Leben ihrer Söhne. Viele Vorstellungen werden von der Beziehung zur Mutter geprägt. Das hat schon Siegmund Freud analysiert. Mütter müssen zum heranwachsenden Sohn ebenso eine Distanz aufbauen wie zur Tochter. Ein schwieriges Mutter-Sohn-Verhältnis kann zu komplizierten Partnerschaften führen. Es kann auch vorkommen, dass eine Mutter in ihrem Sohn in Teilen einen Partnerersatz sieht und ihn entsprechend behandelt. Für dei moderne Arbeitswelt sind Familien immer wichtiger. Vgl. Beyer S. u. a.: Die erste Liebe des Mannes, in: Der Spiegel 52/ 23.12.23, S. 84ff.

Konversion: Der Begriff wurde 1894 von Sigmund Freud geprägt. Er meinte damit einen psychischen Abwehrmechanismus, bei dem unerträgliche seelische Konflikte auf körperliche Ebene verschoben werden. Unbewusste, verdrängte Wünsche und damit einhergehende Gefühle wie Angst, Wut, Scham und Schuld sollen organische Beschwerden auslösen. Der Mensch kann regungslos werden (Lähmungen, Zittern, andere Ausfallerscheinungen). Moderne Forschungen zeigen, dass Gehirnfunktionen auch beeinträchtigt sind. Es handelt sich also um eine neuropsychosomatische bzw. neuropsychiatrische Störung. Damit kommt man von der Verlegenheitsdiagnose weg. Das Gehirn lässt sich auch wieder umprogrammieren.

Bindungsforschung: Karin und Klaus Grossmann gründeten sie in Deutschland in Regensburg. Ihre Längsschnittstudien veränderten den Blick auf Kinder und brachten ihnen internationale Anerkennung. Je besser das System der Bindungskommunikation am Anfang etabliert ist, desto besser funktioniert es später, wenn das Kind allein seine Umwelt erkundet. Es bedarf eines "Kreises der Sicherheit".  dei feinfühlige Unterstützung der Eigenständigkeit des Kindes ist wichtig. Viele gesellschaftliche Probleme könnten hier ihren Ursprung haben (Aggression). Vgl. Die Zeit 54/ 20.12.23, S. 36.

Über-Ich: Diejenige psychische Instanz, die die Wertvorstellungen, Gebote und Verbote umfasst, die aus der Internalisierung elterlichen und gesellschaftlicher Moralvorstellungen hervorgegangen ist.

Kollektives Unbewusstes: In C. G. Jungs Theorie die tiefste Schicht der menschlichen Psyche, die das psychische Erbe der Menschheitsgeschichte beherbergt und durch Archetypen repräsentiert wird.

Carl Gustav (C. G. ) Jung: Er gilt als der Begründer der analytischen Psychologie. Sein zentrales Thema war die Bewusstwerdung.  Er lebte von 1875 bis 1961. Noch heute gibt es ein C. G. Jung-Museum in Küsnacht bei Zürich am Zürichsee. Es enthält Kunstwerke von ihm. Die Bibliothek umfasst 5000 Bücher. Im Jahre 1913 kam es zum Bruch mit seinem Freund Siegmund Freud. Jung ging von drei Archetypen aus: Anima/ animus "Selbst", "Schatten", "Persona".

Otto Kernberg: Er gilt als bekanntester Psychoanalytiker der Gegenwart (95 Jahre 2023). Er wurde 1928 in Wien geboren. Die Eltern mussten 1939 vor den Nazis fliehen. Er war zuletzt Professor für Psychiatrie an der Cornell University in New York. Er ist Anhänger der Freudschen Theorie, bezieht aber auch neurobiologische Erkenntnisse ein. Er behandelt noch heute Menschen in seiner Praxis. Er behandelt schwere Persönlichkeitsstörungen. "Narzismus ist ein normaler Aspekt der Persönlichkeit", Otto Kernberg. Vgl. Der Spiegel 39/ 23.9.2023, S. 94ff.

Erika Freeman: Psychoanalytikerin vieler Hollywoodstars. Sie schweigt über die Namen der therapierten Stars. Sie ist mit Hillary Clinton befreundet. 2023 ist sie 96 Jahre alt. Sie lebt oft lange Zeit im besten Hotel von Wien (Imperial, "Rache an Hitler"). Ihre Mutter, Jüdin, ist in Wien begraben. Der Vater lebte in Schweden und ist in Israel begraben. Vgl. Dirk Sterrmann: "Mir geht´s gut, wenn nicht heute, dann morgen", Rowohlt 2023.

Robert Lifton: 2024 97 Jahre alt. Er lebt in Cape Cod. Seit 70 Jahren geht der amerikanische Psychiater mit Schrecklichem um. Anfang der 1960er Jahre sprach er mit Überlebenden der Atombombenabwürfe in Hiroshima. 1968 sprach er mit Veteranen aus dem Vietnamkrieg. Er machte eine Studie über Auschwitz und traf Überlebende. Darunter auch Ärzte und Mörder. Sein letztes Buch: Surviving our Catastrophes, 2023. Seine wichtigste Erkenntnis: Die Persönlichkeit teilen. Das ist die Strategie der Täter, aber auch dei Strategie der Opfer. Vgl. Amrai Coen: Der Zuhörer, in: Dei Zeit 2/ 2024, 4.1.24, S. 3.

Neuorganisation der Seele: Schluss mit Schuldzuweisungen. Treten Sie mit sich in Dialog. Finden sie ihre Grundüberzeugungen. Die dunklen Seiten in uns. Die alte Programmierung löschen. Das neue Ich. Vgl. Michaela Muthig: Der kleine Saboteur in uns, dtv Verlag 2020.

Menschentypen: Man unterscheidet zwei Typen von Menschen. Solche, die aktiver sind und eher nach vorne "marschieren" mit mehr Risiko  (Do you play to win?) und solche, die eher zurückhaltend, vorsichtig, abwägend und bewahrend sind (Do you play to not lose?). Ersterer Menschentyp wäre für KMU besser geeignet.

Persönlichkeit: Die Gesamtheit aller überdauernder, nicht krankhafter Wesenseigenschaften, die Menschen voneinander unterscheiden. Sie bestimmt mit, wie wir denken, fühlen und handeln. Man unterscheidet fünf grundlegende Dimensionen, die bis heute verwendet werden, um das Wesen von Menschen zu beschreiben: extravertiert, offen gegenüber Neuem, verträglich, gewissenhaft, neurotisch. aus den Varianten der großen Merkmale lässt sich eine Persönlichkeit zeichnen. So können über 3000 Charakterbilder entstehen.

Gibt es das Unternehmer-Gen? Sicher gibt es kein Patent-Rezept. Erfolgreiche Unternehmer weisen aber bestimmte Regelmäßigkeiten auf: Sie haben Mut, Disziplin, Durchsetzungsfähigkeit, schöpferische Zerstörung und bestimmte Handwerksinstrumente. Weiterhin ist Freiraum notwendig. Vgl. Welt der Wirtschaft, hr info, 2016, S. 91ff.  Oft spricht man auch von Unternehmergeist.

Geduld:  Neuere Studien kommen zu dem Schluss, dass menschliche Geduld für Kapitalbildung, Investitionen und Prosperität sorgt. Das trägt wesentlich zum Reichtum der Nationen bei. Vgl. Studien vom Behavior and Inequality Research Institute in Bonn (Armin Falk)

Narzissten (krankhafte Ichbezogenheit): Die mächtigsten Köpfe der Wirtschaft gehören manchmal dazu (nach psychologischen Studien). Es endet oft im Größenwahn. Man entlarvt diese "Superegos" meist, wenn es schon zu spät ist und sie großen Schaden angerichtet haben (z. B. Thomas Middelhoff, Donald Trump). Sie genießen den öffentlichen Auftritt, sind eitel, unduldsam und beratungsresistent (dulden keinen Widerspruch). Sie umgeben sich daher eher mit Jasagern. Ein Warnzeichen ist das Schreiben einer Autobiographie in jüngeren Jahren. Soziale Netzwerke sind eine Paradies für Narzissten. ein Musterbeispiel ist D. Trump. Er wird von Verwandten und engen ehemaligen Vertrauten auch so beschrieben. Narzissten werten fremde Leistungen ab. Sie machen andere klein, um sich selbst groß zu fühlen.

Narzisstisches Verhalten geht in der Regel auf Kosten des Teams und des Unternehmens. Sie umgeben sich mit Jasager. Sie agieren rücksichtslos. Sie beanspruchen Erfolge für sich. Sie sind manipulativ. Sie verfolgen ihre eigenen Ziele. Sie gefährden das Unternehmen. Die größte Studie weltweit zeigt, dass junge Menschen heute narzisstischer sind als frühere Generationen. Sie wurde 2020 bei ca. 10.000 Persoen durchgeführt. 2510 Menschen waren Führungskräfte. Vgl. Heidbrink, Marcus/ Berg, V./ Feltes, F.: Die Jungbullen kommen, in: HBM Mai 2021, S. 39ff.

Man sollte also keine Egomanen einstellen. Man sollte gute Führungsvorbilder finden. Feedback sollte regelmäßig einsetzen. Das Umfeld sollte stimmen.

Gefühl, wichtig zu sein: Wer sich wichtig fühlt, gönnt sich weniger. Quelle: JeeHye Christine Kim et al.: Too Busy to Lose Control: Impact of Busyness on Indulgent Consumption Behaviors, in: Advances in Consumer Research 2018.

Psychopathen: Sie gelangen überdurchschnittlich häufig in Führungspositionen (Anteil wesentlich höher in Führungspositionen als im Durchschnitt der Bevölkerung). Firmen-Psychopathen zeichnen sich durch die Merkmale Blenden, Gefühlskälte und Manipulation aus. Das Menschenbild der Ökonomie dürfte dabei einen Einfluss haben ebenso wie falsche Anreize. "Typisch an Führungspersönlichkeiten ist auch, dass man nicht jemand sein kann, der auf moderate, ausgeglichene, überlegt und vorsichtige Weise eine Strategie vermittelt. Man muss zum Fanatischen/Exentrischen neigen", Jack Welch, geb. 1935, Chairman von General Electric bis 2001.

Menschen mit so genannten neurologischen Störungen: Das sind Abweichungen wie Autismus, Dypraxie, Asperger oder Legasthenie verfügen über erstaunliche Fähigkeiten im Bereich Mustererkennung, Gedächtnisleistung oder Mathematik. Unternehmen müssen ihre HR-Praktiken verändern, um von den Fähigkeiten dieser Menschen zu profitieren. Vgl. Austin, R. D. u. a.: Anders, aber besser, in: Harvard Business Manager, Oktober 2017, S. 52ff.

Hochstapler: Sie wollen etwas anderes sein, als sie wirklich sind. Insofern sind wir alle ein bisschen Hochstapler, weil wir unseren Gegenübern ständig etwas vormachen. Wir spielen verschiedene Rollen und inszenieren uns selbst. Geldgier und Geltungssucht sind die Grundausstattung. Weiter ähnliche Begriffe sind: Blender, Angeber, Maulheld, Möchtegern. Sie können Unheil anrichten. Ehrliche Großmäuler können der Gesellschaft nutzen (Fortschritt, Hochkultur).

Makel, Komplex: Oft haben es besonders erfolgreiche Menschen geschafft, ihre vermeintliche Schwäche in Stärke umzuwandeln. Menschlicher Makel scheint ein gutes Karriereprinzip zu sein, wie viele Beispiele zeigen.

Minderwertigkeitskomplex: Der Begriff von von Alfred Adler in die Wissenschaft eingeführt und gehört heute zur Umgangssprache. Er lebte von 1870 bis 1937 in Wien. Er begründete die Tiefenpsychologie und leistete Widerstand gegen die Grundauffassung von Freud. Von 1902 bis 1911 hatten beide noch zusammengearbeitet. Adler selbst hatte einen Minderwertigkeitskomplex. Bei Adler geht es um den Endzweck, die Erhöhung der Persönlichkeit.

Authentizität: Gilt als positiver Wert. Heißt, sich selbst treu bleiben. Hat etwas mit dem Original zu tun. Doch manchmal ist es erfolgreicher, die Gefühle zu kontrollieren und geschmeidig zu sein..

Generalisten: Betriebswirte und Ingenieure haben von immer weniger Dingen Ahnung und wissen gleichzeitig immer mehr, wenn es um ihr eigenes Spezial-Gebiet geht. Die Lücken werden mit Wissen aus dem Internet oder aus der Presse bzw. anderen Medien gefüllt. Dies ist eine Folge zunehmender Komplexität der Welt und immer größerer Dynamik in Technik und Wirtschaft. Immer wichtiger werden so Vorsicht bei Entscheidungen, Bescheidenheit und analytisches sowie rationales Denken. Gerade Generalisten sind eher in KMU gefragt.

Sozialpsychologie: Sie beschäftigt sich mit den sozialen Ursachen von und den Einflüssen auf unser Verhalten. Welche Auswirkungen haben unsere Mitmenschen auf unser individuelles Verhalten? Wie hängt z. B. menschliches Verhalten von Geschlechtsrollen, Konformismus und Gruppenzwang ab? Normalerweise liegt heute ein biopsychosoziales Modell zugrunde: die Rolle des Körpers (Gehirn), die Rolle des Geistes (Gedanken, Gefühle, Wünsche, Überzeugungen), die Rolle des sozialen Umfelds (andere Menschen, materielle Umwelt). Vgl. Kara, Stefanie: Macht Lächeln Gute Laune, in: Die Zeit 10/ 29.2.24, S. 25. Die Autorin sieht das Fach in einer Glaubwürdigkeitskrise. sie fragt: Glückt nun die Kehrtwende?

Zentrale Konzepte der Sozialpsychologie: Wahrnehmung, Personenbeurteilung, Sympathie (interpersonale Attraktion), soziale Macht, Status und Schicht, Normengenese und Konformität, Führung, Rolle (Rollendruck), Aggression, Sozialisation (soziales Lernen, kognitive Kontrolle, das Selbst), Prozess der sozialen Beeinflussung (Stereotyp, Vorurteil), Kommunikation.

Der deutsch-amerikanische Psychologe Kurt Lewin (1890-1947) gilt als einer der Begründer der Sozialpsychologie. Er wurde im damals neu preußischen Mogilno geboren. Von 1921 bis 1933 arbeitete er am Psychologischen Institut in Berlin. Dann wanderte die Familie in die USA aus, weil sie Jüdisch war. 1951 erschien sein grundlegendes Werk "Feldtheorie der Sozialwissenschaften". Um eine Verhaltensänderung einzuleiten, müssen individuelle Faktoren und Faktoren des Umfelds berücksichtigt werden. Im Lauf des Veränderungsprozesses werden weitere wesentliche Qualitäten und Werte eines Systems offenbar.  Deshalb liefert ein Veränderungsprozess wichtige Informationen übe rein System. Man versteht ein System erst dann, wenn man versucht, es zu verändern. Vgl. Vgl. Collin, C. u. a.: Das Psychologiebuch, München 2020, S. 220.

Massenpsychologie: Auch eine wichtige Quelle und Teilgebiet der Sozialpsychologie. Grundlegend ist und war das Buch von Gustave LeBon: Psychologie der Massen, Hamburg 2020 (Nikol, 20. Auflage; Erstauflage in Französisch 1895). Er stellte die erste Theorie zum kollektiven Verhalten auf. Es geht um das Verhalten von Menschen in Menschenansammlungen. Grundlage ist die Neigung zu irrationalem Verhalten. Neuere Theorien sind: Annäherungstheorie, Führungstheorie. Hitler und die Nationalsozialisten setzten viele Erkenntnisse in der Praxis um.

Konformismus: Lässt man den Menschen Freiraum, kopieren sie sich gegenseitig und entwickeln den gleichen Geschmack. Die Menschen sind gefangen im Konformismus durch die Masse. Das ist der Kern der mimetischen Theorie des französischen Philosophen Rene´ Gerard (zuletzt Professor in Stanford, gestorben 2015). Gesellschaften können nur Überleben, wenn sie die Ausbreitung von Gewalt verhindern können. Konflikte entstehen über das Nachahmungsverhalten der Menschen, weil daraus Rivalität und Neid erwachsen. Am Ende geht es nicht mehr um die Sache. Gewalt verselbständigt sich und wird in der Aggressivität kopiert. Einer der größten Investoren im Silicon Valley, der deutschstämmige Peter Thiel, ist Anhänger dieser Theorie. Er unterstützt auch Donald Trump.

Soziale Konformität: Es geht um den Drang nach Sozialer Konformität und seine Stärke. Grundlegende Forschungen dazu hat Solomon Asch /1907-1986) durchgeführt. Er gilt als Pionier der Sozialpsychologie in den USA. Er kommt zu folgenden Ergebnissen: Eine Gruppe übt starken Einfluss auf ihre Mitglieder aus. Ein gewisses Maß an Konformität ist wichtig für das Funktionieren der Gesellschaft. Menschen fühlen sich zu konformem Verhalten gezwungen, weil sie dazu gehören wollen. Sie geben vor oder reden sich ein, mit der Mehrheit überein zustimmen. Ihre Neigung zur Konformität kann stärker sein als ihre Überzeugungen und ihre Wahrnehmung. Solomon Asch: Social Psychology, 1952.

Gehorsam: Wir alle können gehorsam und konform sein. Es müssen nur bestimmte Bedingungen herrschen. Diese Bedingungen kann man künstlich herstellen. Berühmt ist in diesem Zusammenhang das Experiment von Stanley Milgram (1933-1984).

Soziale Interaktion und Rollen: Soziale Interaktion lässt sich mit der Aufführung eines Theaterstücks vergleichen. Wir alle spielen Rollen. Das Leben ist daher ein Theaterspiel. Menschen wollen einen guten Eindruck hinterlassen. Auf der Vorderbühne spielen sie ihre öffentlichen Rollen. Auf der Hinterbühne spielt sich das Privatleben ab. Jeder Aufführung wohnt ein Publikum bei. Vgl. Erving Goffmann: Wir alle spielen Theater, 1959. Goffmann lebte von 1922-1982.

Erich Fromm: Er wurde 1900 in Frankfurt geboren. Er studiert Jura und Soziologie (Frankfurt, Heidelberg). 1931 wird das Institut für Sozialforschung in Frankfurt von den Nazis geschlossen. Fromm, der jude ist, flieht in die Schweiz, 1934 in die USA. Nach Gründung des Staats Israel setzt er sich für einen Ausgleich mit den Palästinensern ein. Weil er sich in der Sozialistischen Partei engagiert, hat er eine dicke Akte beim FBI. Er baut in New york ein psychoanalytisches Institut auf (Alanson White). Er lebt mit seiner zweiten Frau lange in Mexiko. Er wird Gründungsvater der Psychoanalyse in Mexiko und hält Vorlesungen in Spanisch. 1974 zieht er wieder in die Schweiz. Seit 1985 gibt es die Internationale Erich-Fromm-Gesellschaft (von seinem ehemaligen Assistenten Rainer Funk ins Leben gerufen). Sie vergibt jährlich den Erich-Fromm-Preis. Fromm verehrte zeitlebens den Zen-Meister Suzuki. Er beschäftigte sich auch mit Buddhismus, Judentum, Jesus und Meister Eckhart.

Seine Hauptwerke sind "Die Seele des Menschen, ihre Fähigkeit zum Guten und zum Bösen, 1964" und "Die Kunst des Liebens, 1956".  Im ersten Buch interpretiert er Siegmund Freuds Narzissmusbegriff neu. Als Antrieb sieht er von Gier getriebene Selbstsucht (liest sich wie ein Urteil über Trumps Präsidentschaft). Seine Grundthese ist, dass eine Gesellschaft, die Profit über Glück und Entfaltung der Menschen stellt, mache seelisch krank. Demnach müsse man nicht den Einzelnen behandeln, sonder n vor allem wirtschaftliche und soziale Strukturen verändern. Deshalb ist Fromm wahrscheinlich der bedeutendste deutsche Sozialpsychologe. Er übt Kritik an der Konsumgesellschaft und befürwortet ein Grundeinkommen. Vgl. auch: Steinke, Oliver: Der Gesellschaftstherapeut, in: Rheinpfalz am Sonntag, 18. Juli 2021, S. 23.

Kooperation und Reziprozität: 1. Menschen kooperieren umso eher, je höher der eigene und der soziale Nutzen sind und je geringer die Kosten. 2. Wie kooperieren häufiger, wenn Kooperation die Regel ist und man sich gegen Kopperation entscheiden kann (Widerspruchslösung). 3. Kooperieren die anderen, kooperiere ich auch. 4. Kooperationsbereite Menschen finden sich lokal zusammen. Kooperation ist eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg des Menschen. Vgl. Falk, Armin: Solidarisch durch Eigennutz, in: Die Zeit Nr. 7, 11. Februar 2021, S. 27. Die Fähigkeit zu kooperieren ist die entscheidende Voraussetzung für das Gemeinwohl. Das Spannungsverhältnis Eigen-. und Gruppeninteresse muss aufgelöst werden. Reziprozität ist eine wichtige Grundlage. Sie wird in folgenden Zitat auf den punkt gebracht (zitiert nach Falk, Armin: Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein, München 2022, S. 127: "ein Mann sollte seinem Freund ein Freund sein und Geschenke mit Geschenken vergelten. Die Menschen sollten Lächeln mit Lächeln begegnen und Lügen mit Verrat" Originalquelle: Edda, Sammlung nordischer Dichtungen aus dem 13. Jahrhundert.

Motivationspsychologie: Sie liefert Methoden, um eine höhere Arbeits- bzw. Leistungsmotivation zu erreichen. Max Weber hat auf die Bedeutung der Religion hingewiesen. Bekannt ist WOOPen. Das Akronym steht für Wish (Wunsch), Outcome (Ergebnis), Obstacle (Hindernis), Plan. Es ist eine vierstufige Übung. Man sollte sie machen, wenn man ungestört, ruhig und entspannt ist. Vgl. Oettingen, G./ Gollwitzer, P. N. : "Ordentlicher Schuss Realität", in: HBM Januar 2021, S. 30ff. Motivation ist grundsätzlich auf zwei Weisen möglich: intrinsisch und extrinsisch. Intrinsisch ist aus eigenem Interesse. Extrinsische Motivation beruht auf äußeren Umständen. Sie funktioniert nach dem Prinzip "Zuckerbrot und Peitsche". Psychologische Experimente haben hier nachgewiesen, dass in der Regel Strafe besser als Belohnung wirkt. Vgl. Anne Rooney: Der Psychologe, Crumbach 2017, S. 115. Warum arbeiten Menschen? Sicher nicht nur für Geld. Hinzu kommen intrinsisch, Status, Macht, Soziales, Kontakt, Anerkennung. Vgl. Kals, E./ Gallenmüller, J.: Arbeits- und Organisationspsychologie, Beltz 2017.

Motivation: Sie kann extrinsisch sein (finanzielle Vergütung, soziale Leistungen, soziale Kontakte, Macht, Status) oder intrinsisch (Sinn, Eigenständigkeit, Kompetenz). Äußere Faktoren können die Motivation beeinflussen (Kultur, Unternehmenskultur, Karriereentwicklung, Organisation). Die Motivation kann hoch oder niedrig sein (Demotivation). Normalerweise ist die Motivation in KMU höher als in anderen Unternehmen.

Meditation und Motivation: Meditation schadet der Motivation. Wer meditiert hatte, verspürte weniger Lust, den Auftrag zu erfüllen - und wollte dafür weniger Zeit aufwenden. Ergebnis einer Studie von Andrew C. Hafenbrack (zusammen mit Kathleen Vohs), vgl. HBM 2019, Mindfulness is Demotivating.

Leistungsmotivation: Leistung lässt sich auf drei Hauptbedürfnisse zurückführen: Erfolg/ Leistung (Bedürfnis, sich stetig zu verbessern und auszuzeichnen), Macht (das Bedürfnis, andere zu beeinflussen und zu lenken), Zugehörigkeit (das Bedürfnis, freundschaftliche Beziehungen zu knüpfen und aufrechtzuerhalten). Vgl. McClelland, David C.: The Achievment Motive, 1953. Max Weber führt die Entstehung von Leistungsmotivation auf die Religion zurück. Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus.

Motivieren im Homeoffice: Motivieren aus der Ferne. Arbeit im Homeoffice senkt die Motivation erheblich. Was kann man dagegen tun? Drei positive und drei negative Motivationsfaktoren bestimmen, wie es um das Engagement jedes einzelnen Mitarbeiters bestellt ist: emotionaler und wirtschaftlicher Druck sowie Trägheit schaden. Spieltrieb, Sinnhaftigkeit und Potential haben einen positiven Effekt. Vgl. McGregor, Linsay/ Doshi, Neel: Motivieren aus der Ferne, in: HBM Juli 2020, S. 34ff.

Mehr Energie: Langfristig sollte man sich für Ziele motivieren, ohne den Schwung zu verlieren. Dabei helfen folgende Regeln: 1. Legen Sie die Grenzen fest. 2. Erkennen Sie ihre Neigungen. 3. Planen Sie Ruhe und Erholung ein. 4. Gönnen Sie sich Freiräume. Vgl. Elisabeth Grace Saunders: Vier Tipps für mehr Energie, in: HBM Januar 2022, S. 28ff.

Brillen gegen blaues Licht: Brillen gegen blaues Licht verbessern Leistung und Hilfsbereitschaft. Man erzielt bessere Ergebnisse im Job. Darauf sollte man bei viel Arbeit am Bildschirm achten. Vgl. Barnes, Christopher: Besser mit Brille, in: HBM Februar 2021, S. 16f.

Bedürfnisse: Sicherheit, Zugehörigkeit, Selbstverwirklichung, Transzendenz. Im Unternehmen muss allen vier Bedürfnissen Rechnung getragen werden. Wenn dies geschieht, spricht man von Life-Blending.

Bedürfnishierarchie: Sie wurde von Abraham Maslow (1908 - 1970) aufgestellt. Vgl. Ders.: Motivation and Personality, New York 1954. Er entwickelt 5 Dimensionen von Bedürfnissen: Oben stehen Selbstverwirklichung (Moral, Kreativität, Probleme lösen) vor Achtung (Selbstrespekt, Vertrauen, Leistung), Liebe/ Geborgenheit (Freundschaft, Familie, sexuelle Intimität), Sicherheit (Körper, Arbeit, Familie, Gesundheit, Eigentum), Körper (Atmen, Nahrung, Wasser, Sex, Schlaf, Homöostase, Ausscheidung).

Vier psychologische Grundbedürfnisse: 1. Unser Bedürfnis nach Bindung und Zugehörigkeit. 2. Unser Bedürfnis nach Autonomie und Kontrolle. 3. Unser Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung. 4. Unser Bedürfnis, Lustgefühle zu bekommen und Unlustgefühle zu vermeiden. Vgl. Stefanie Stahl: Wer wir sind. wie wir wahrnehmen, fühlen und lieben, München (Kailash) 2022, S. 48ff.

Wahrnehmung in zwei Systemen: Das menschliche Intellekt ("mind") funktioniert in zwei Teilen. System 1 arbeitet automatisch und schnell. System 2 geht mit subjektivem Erleben einher und setzt anstrengende mentale Aktivitäten in Gang. Vgl. Daniel Kahneman: Schnelles Denken, Langsames Denken, München 2012, S. 33.

Selbstwahrnehmung (Self-Awareness): Das Innere von uns und wie es empfinden. Oft sind wir in eigenen Erfahrungen gefangen. Wir müssen Reize erkennen, um nicht nur zu reagieren. "Unser Gehirn rechnet also ständig Chancen und Risiken aus, womit wir auf Zustimmung oder auf Ablehnung stoßen, wie diese Kalkulation ausfällt, hängt ganz wesentlich davon ab, wie wir uns selbst wahrnehmen, also unserem Selbstbild." Siehe Stahl, Stefanie: Wer wir sind. wie wir wahrnehmen, fühlen und lieben, München 2022, S. 42.

Selbstbild und Fremdbild: Wie wir über uns und andere über uns denken: Image concerns. Wir wollen vor anderen gut dastehen. wir verhalten uns besser, wenn andere uns beobachten. Eine positive Fremdwahrnehmung ist uns wichtig. Wir haben eine moralische Buchhaltung und Schutz vor Selbstzweifeln ("m2in Name ist Hase"). Vgl. Falk, Armin: Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein, München 2022, S. 33ff. Unser Selbstbild bestimmt stark, was wir wahrnehmen.

Selbstwert: Er ist das Epizentrum unserer Psyche. Problematisch ist das Festhalten am geringen Selbstwert. Er dient manchmal zum Schutz der Elternbindung oder für eine Opferrolle. Er kann zu dysfunktionalen Beziehungen führen. Vgl. Stefanie Stahl: Wer wir sind. wie wir wahrnehmen, fühlen und lieben, München (Kailash) 2022, S. 97ff.

Sehen (Verarbeitung visueller Informationen): Von der Netzhaut (Retina) der Augen gelangen visuelle Informationen zunächst über die Sehnervenkreuzung (Chiasma opticum) zu einer Umschaltstation im seitlichen Knieköcker im Mittelhirn. Von hier werden sie in höhere Kortexareale weitergeleitet.  David Hubel (1926-2013) und Torsten Wiesel haben diese Zusammenhänge raus gefunden.

Riechen/ Geruchssinn: Von Tieren ist schon lange bekannt, dass sie bei der Partnersuche den Geruch des Gegenüber berücksichtigen. Auch Menschen liefert dieser offenbar Hinweise über die immunologische Ausstattung oder Emotionen. Personen mit Depressionen oder Autismus scheinen Gerüche anders zu verarbeiten als Gesunde. Zudem ist ein abnehmendes Riechvermögen ein Warnsignal, das auf ein erhöhtes Risiko für den baldigen Tod hinweist. Frank Luerweg: Nasentier Mensch, in: Gehirn & Geist Dossier, 3, 2018, S. 18ff.

Mimik und Gestik: Mimik bezieht sich auf den Gesichtsausdruck (feste und veränderbare Merkmale). Gestik hat insbesondere mit den Händen zu tun. Beide sind auch Bestandteil jeder Kommunikation. Amerikanische Forscher haben in unterschiedlichen Kulturkreisen einen Gesichtsausdruck entdeckt, den alle Menschen machen, wenn sie mit etwas nicht einverstanden sind (zusammengezogene Augenbrauen, aufeinander gepresste Lippen, hochgezogenes Kinn). Weiterhin sind er Kommunikation (face to face) noch die Stimme und die Beziehung zum Raum wichtig. Die Stimme offenbart viel von der Persönlichkeit des Sprechers. Sie kann zu beruflichem Fortkommen beitragen oder es behindern. Stimmtrainer sind durchaus gefragt, gerade bei Berufstätigen. Die Stimmlagen von Frauen werden seit Jahrzehnten tiefer. weil im Job eine tiefe Stimme gefragt ist.

Körpersprache: Jeder Mensch sendet zu jedem Zeitpunkt Signale aus. Unlesbar bleibt man, wenn man die Stirn nicht in Falten legt, die Lippen ruhig aufeinander legen, der Nacken entspannt ist, die Hände entspannt sind, die Atmung reguliert wird.

Zwei Selbste: Diese können in Konflikt treten. Das eine ist das erinnernde Selbst, das Buch führt und die Entscheidungen trifft. Das andere ist das erlebende Selbst, das die Erfahrungen macht. Vgl. Ebenda, S. 505ff.

Kreative Stellenbezeichnungen durch die Mitarbeiter selbst: Wenn Mitarbeiter selbst entscheiden dürfen, gehen sie motivierter zur Arbeit. Dies könnte sogar ein Mittel gegen Burn-out sein. Vgl. Laszlo Bock: Work rules!, Vahlen, München 2016. Auch: Knochensucher und Keimschlachter, in: Harvard Business Manager, Juni 2016, s. 10ff.

Karriere: Unterschätzt wird immer die Rolle von Glück und Zufall. Ansonsten hängen die Kriterien von der Art der Organisation ab. Individuell kann zwischen Qualifikation (Noten) und Persönlichkeitsmerkmalen unterschieden werden (Schönheit, Körpergröße). Mittlerweile glauben auch viele Menschen, dass Opportunismus und Rücksichtslosigkeit wichtig für den beruflichen Aufstieg sind. Bei der "letzten Meile" helfen Anstrengung und Leistung nicht mehr weiter. Man muss sich nicht mehr selbst in Szene setzen, sondern das Erfolgsgefühl anderer Menschen positiv gestalten. Der Focus muss nach außen gerichtet werden. Habitus und Kontakte der Topliga sind entscheidend. Vgl. Assig, Dorothea/ Echter, Dorothee: Wie sie nach ganz oben kommen, in: HBM Dezember 2020, S. 42ff.

Machtspiele: Sie werden auch Intrigen genannt. Sie können überall im Job lauern oder eine Rolle spielen. Sie können auch ein Mittel sein, die eigene Macht auszudehnen. Vor allem Männern wird das Machtmotiv unterstellt. Hier könnte eine der Ursachen vor die Vormacht der Männer in Führungspositionen liegen. Machtspiele sind eng mit Misstrauen verbunden.

Das Prinzip "Sündenbock": Es stammt ursprünglich aus den 3. Buch Mose. Dort erklärt Gott Mose, wie das Volk Israel sich von Zwietracht und Fehlern befreien kann. Bei dem Ritual braucht es zwei Böcke. Das Los bestimmt, welcher geschlachtet und dem Herrn geopfert wird. Dem anderen Bock legt der Hohepriester die Hände auf und überträgt ihm so symbolisch alle Sünden. Das Tier wird dann in die Wüste gejagt. Aggressionen gegen Fremde können in Gesellschaften von eigenen Konflikten ablenken (Rene Girard). Sehr stark wird auch in der Politik mit dem Prinzip gearbeitet. Trump ist sehr erfolgreich damit (Eliten, China). Als gutes Beispiel kann Mesut Özil nach der WM 2018 gesehen werden.

Zuschauereffekt: Bei Anwesenheit anderer Personen wird die eigene Verantwortung in vermindertem Maße wahrgenommen. Je mehr Personen anwesend sind, umso wahrscheinlicher ist, dass niemand eine rin Not geratenen Person hilft. John Darley und Bibb Latane machten hierzu wichtige Experimente.

Multikulturalität und Vernetzungskompetenz: Sie sind nicht angeboren. Man muss diese Kompetenzen erwerben. Dazu muss man mit Menschen anderer Kulturen in Kontakt kommen. Nur so kann man den Vorteil von Globalisierung sehen. Menschen mögen Unsicherheit eher nicht. Deshalb neigen sie oft zu Vereinfachungen, die einfache Lösungen bieten (wie etwa Feindbilder).

Nerven im Wettbewerb: In Wettbewerben können Männer schlechter mit Druck umgehen als Frauen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Verhaltensökonomen Alex Krumer aus St. Gallen (vgl. HBM, Februar 2018, S. 16ff.). Die Leistungen der Männer brachen in kritischen Phasen stärker ein als die der Frauen.

Etikette: Erleben eine Renaissance. Sie betreffen Kleidung und Verhalten. Umstritten ist die Frage der sinnvollen Anrede "Sie" oder "Du". Einige Länder schreiben hier Lässigkeit vor. So z. B. Ikea oder H&M in Schweden. Formal beim Sie bleibt man eher in Frankreich. Locker geht es in Italien und Holland zu. Auch die Familie Schwarz bei Lidl hat zum Vornamen geraten. In der Gründerszene ist das Du üblich. 88 Prozent der Deutschen befürworte das Du unter gleichrangigen Kollegen.

Talent: Allein mit Übung und Fleiß lässt sich Erfolg nicht erzielen. Angeborenes Talent ist wichtig. Es ist entscheidend, das wahre Potential und die eigenen Stärken zu erkennen. Weil es ihnen so leicht fällt, halten viele ihre Talente für nichts Besonderes. Für jeden Beruf ist ein Mindestmaß an Talent notwendig. Das kann man nicht durch Fleiß kompensieren.

Soft Skills: Mitgefühl (Empathie), Interkulturelle Kompetenz, Blick in den Spiegel (eigene Grenzen), Professionalität, Respekt.

Feedback (kontruktiv): Zuspruch; Mehrwert für Alle; Lobe, wem Lob gebührt. Mittlerweile gibt Feedback-Weiterbildungsveranstaltungen. "There is only one corner of the universe you can be certain of improving, and that´s your own self", Aldous Huxley.

Grundlegende menschliche Emotionen: Dazu gehören Angst, Trauer und Verbitterung. Mit diesen Emotionen muss auch der Unternehmer und Beschäftigte umgehen können. Gegenstrategien beruhen auf Weisheit und Lebenserfahrung. "Um einen Clown zu verstehen, muss man ein guter Mensch sein", Charlie Rivel, berühmter spanischer Clown. Gilt auch für den Umgang mit den Horror-Clowns, die 2016 als Mode aus den USA bei uns ihr Unwesen treiben.

Altruismus: Etwas zu geben oder zu helfen, ohne etwas dafür zu erwarten widerspricht eigentlich der Biologie und ihrem Kampf ums Überleben. Trotzdem verhalten sich Ratten oder Affen auch selbstlos, wie viele Menschen. Das Christentum spricht von Barmherzigkeit. Sie scheint sie aber nicht erfunden zu haben, sondern die Evolution. Altruismus kann zusätzlich von sozialen Erwartungen abhängen. Man kann Altruismus auch trainieren. Weltweit scheit Altruismus zuzunehmen.

Mitleid: Anteilnahme an negativ erlebter Gefühlsqualität (Schmerz, Leid). Ursprung ist die Ehrfurcht vor dem Leben. Es steht in christlicher Tradition. Es hat aber auch eine lange philosophische Geschichte: Antike, Rousseau, Lessing, Schopenhauer. "In Wirklichkeit sind wir alle ohne mitleid. Unser Herz sieht nur zehn Schritte weit", Arthur Schnitzler, österreichischer Schriftsteller.

Intelligenzquotient (IQ): Er soll das intellektuelle Leistungsvermögen eines Menschen ausdrücken. Der Durchschnitt liegt bei 100. Wer über 115 hat, gilt als überdurchschnittlich begabt. Ab 130 spricht man von Hochbegabung. Den ersten Test entwickelte der Psychologe Alfred Binet. Jahrzehntelang stieg der IQ in den meisten Industrieländern an, auch in Deutschland. Seit einigen Jahren aber sinkt er. Warum? Einige Experten meinen, dass die Digitalisierung die Klarheit des Denkens geraubt habe. Andere machen Chemikalien dafür verantwortlich. Die Gene, die für 70% verantwortlich sind, könnten sich auch verändert haben. Die Intelligenzforschung geht auf den deutschen Psychologen William Stern (1871-1938) zurück. Er lehrte zuletzt in Hamburg und musste vor den Nazis in die USA fliehen. Er hat das psychologische Denken fast so stark wie Sigmund Freud beeinflusst. Vgl. Jens Bergmann: Der Tanz ums Ich - Risiken und Nebenwirkungen der Psychologie, Pantheon Verlag 2015. Ab einem IQ ab 165 sehen einige Psychologen eine Kombination mit psychotischen Symptomen (überinklusives Denken). Vgl. Eysenck, Hans J.: Psychotism as a Dimension of Personality 1976 (auch: The Roots of Creativity 1983).

IQ-Paradoxon: Intelligenz ist der beste Indikator für berufliche Leistungsfähigkeit. Aber oft wird das Potential nicht abgerufen.  Man muss die richtige Rolle finden. Vgl. Güldner, Jan: Das IQ-Paradox, in: WiWo 5/ 28.1.22, S. 90ff.

Emotionale Intelligenz: Emotionale Intelligenz hat fünf Komponenten: Selbsterkenntnis, Selbstbeherrschung, Motivation, Empathie und Soziale Fähigkeiten. Vgl. James Coleman, Emotionale Intelligenz, 1995. "Emotionale Intelligenz hat mit Moral nichts zu tun. Sie ist eine kühle Disziplin", Wolf Lotter, Zündstoff, in: Brandeins, 11/16, S. 42.

Multiple Intelligenz: Der Begriff wurde von Howard E. Gardner (geb. 1943) geprägt. Vgl. Abschied vom IQ: Die Rahmentheorie der vielfachen Intelligenzen, 1983. Er leitet sieben Arten von Intelligenz ab: musikalisch-rhythmische, logisch-mathematische, verbal-linguistische, visuell-räumliche, körperlich-kinäthetische, interpersönliche (soziale Fähigkeiten) und innerpersönliche (Selbsterkenntnis). Die Kultur spielt eine wichtige Rolle. Die Theorie hat Einfluss auf den Unterricht in den USA. Jahrzehntelang stieg der IQ in den meisten Industrieländern an, auch in Deutschland. Seit einigen Jahren aber sinkt er. Warum?

Natürliche Intelligenz: Jene Intelligenz, die uns das Leben schenkt, die unser Essen verdaut, die unser Herz am Schlagen und unser vegetatives Nervensystem am Laufen hält - ist der beste Heiler der Welt. Wir brauchen nur eins zu tun: Uns ihm nicht in den Weg zu stellen. Joe Dispenza, Heal, Scorpio Verlag. Es gibt in neuerer zeit eine Flut von Büchern dazu: David Eagleman: Livewired: The Inside Story of the Ever-Changing Brain, Canongate Brooks 2020. Jay Shetty: Das Think Like a Monk-Prinzip, Rowohlt 2020. John Lieff: The Secret Language of Cells, BenBellaBooks 2020.

Intelligenz und verbundene Eigenschaften: Unter den Hochbegabten finden sich mehr Jungen und Männer. Doch auch bei den sehr niedrigen IQ sind Männer stärker vertreten. Intelligente sind zufriedener, gesünder und können besser mit Problemen umgehen. Vgl. Interview mit Elsbeth Stern, ETH Zürich, in: NZZ 19.7.23, S. 24.

Hippocampus: Er nimmt im Gehirn alles auf, was unter Wissen fällt. Ab der 20 Lebensjahr schrumpft er schon um jährlich ein bis zwei Prozent. Ab dem 45. Lebensjahr verschlimmert sich das. Regelmäßige Bewegung kann der Entwicklung Einhalt gebieten. Man sollte also immer ausreichend Zeit für Bewegung finden.

Andere Gehirnzonen: Thalamus (Wichtigkeit von Informationen), Sehnerv ("Hauptarbeitgeber" des Gehirns), Amygdala (Eindrücke emotional), Großhirnrinde (Langzeitspeicher), Kleinhirn (Bewegungsabläufe). 86 Milliarden Nervenzellen verknüpfen sich im Gehirn ständig.

Schlafen und Intelligenz: Schlafen verbessert die Konzentrationsfähigkeit, das Gedächtnis, führt zu neuen Einsichten, löst Probleme, sorgt für Abfallentsorgung im Gehirn. So Jan Born, Psychologe an der Uni Tübingen.

Intuition ("Bauchgefühl"): Die Entscheidungen im Unternehmen und im Leben insgesamt folgen oft nicht der Vernunft, sondern einfach einem Bauchgefühl (im Bauch ist ein zutiefst persönlicher Wissensschatz gespeichert). Und je mehr wir entscheiden und je komplexer die Rahmenbedingungen sind, umso so wichtiger wird es, darauf zu hören. Folglich wird die Intuition immer wichtiger, auch in KMU. Sogar Wissenschaftler raten mittlerweile zum Bauchgefühl. Aber was heißt das? Innere Weisheit, innerliche Klarheit, innere Stimme, Gespür für das Wesentliche, was ist im Herzen wichtig? Was ist, wenn es schweigt?  Auf jeden Fall mehr im Moment leben. Vgl. Daniel Kahnemann: Schnelles Denken, langsames Handeln. Jan Becker: Das Geheimnis der Intuition. Ist wohl durch Computer nicht zu ersetzen. Dabei können allerdings auch typische Fehler auftreten (Verfügbarkeit, Verstehen, Ankereffekte). Das Gefühl ist zum großen Teil ein Erfahrungswert. In allen menschlichen Entscheidungen können Fehler auftreten. Deshalb könnte das Gefühl zukünftig in Teilen durch Big Data ersetzt werden. Bauchentscheidungen können aus verfahrenen Situationen einen erlösenden Ausweg finden. Es ist ein Gespür dafür, wann und wie zu handeln ist (zur rechten Zeit das richtige tun). Dahinter steckt die Fähigkeit der Intuition. Das Bauchgefühl kann unter bestimmten Umständen sogar gründlicher und schneller als der Kopf sein (es warnt vot Gefahren, ausgeprägtes Selbstbewusstsein wichtig). Es gibt Menschen, die Bauchgefühl nicht wahrnehmen. Dann fehlen meist Emotionen.  "Der Rationalist ist einfach ein Mensch, dem mehr daran liegt, zu lernen als recht zu behalten", Karl Popper. "Intuition und Vernunft sind keine Gegensätze. Sie ergänzen einander ideal", Wolf Lotter, in: brandeins 11/16, S. 36. "Folge nicht den Ideen anderer, sondern lerne auf deine innere Stimme zu hören. Dein Körper und Geist werden klarer, und du wirst die Einheit der Dinge realisieren", Dogen Zenji.

Emotion: Emotional Economics: Dynamische, zeitabhängige Prozesse bei den Auswirkungen von Arbeitsbelastung. Insbesondere Folgen von psychischem Stress. Auch Zusammenhänge zwischen Emotionen und ökonomischem Verhalten, insbesondere auch im finanziellen Bereich. Vgl. www.emotional.economics.uni-mainz.de  . Auch Vertreterin an der Uni Heidelberg gibt es eine Forschungsgruppe, die dieser Richtung zuzuordnen ist (Prof. Dr. Christiane Schwieren). Im Mittelpunkt stehen hier die ökonomischen Entscheidungen unter Stress. Zusammenfassend kann man zu bisherigen Ergebnissen sagen (bis 2017): Höhere Risikoneigung unter Stress. Mehr Cortisol. "Reflection Bias". Emotion ist auch sehr wichtig bei Gründungsprozessen. Vgl. z. B. www.patricknini.com.

Sympathie/ Attraktivität: Das Gehirn braucht 150 Millisekunden, um zu erkennen, ob man in ein männliches oder weibliches Gesicht blickt. Nach 200 Millisekunden stehen genug Informationen bereit, um die Attraktivität des Gegenüber zu beurteilen (Forschungsergebnisse Uni Bamberg 2018). Schön oder hässlich baut auf schon verarbeiteten Geschlechtsinformationen auf.

Gefühl versus Verstand: Im Zweifelsfall nehmen wir Gefühle ernster als unsere Vernunft. Der langsam arbeitende Verstand ist den Gefühlen hinten angestellt. Man kann aber mit der Kraft seine rGedanken durchaus starken Einfluss auf seine Gefühle nehmen. Wir sollten einen guten zugang zu allen Gefühel haben. Wir sollten in belastenden Gefühlen nit ewig stecken bleiben. Die Gefühle sollten nicht Achterbahn fahren. Vgl. Stahl, Stefanie: Wer wir sind, München 2022, S. 142.

Auf den ersten Blick: Der erste Eindruck zählt. Das gilt für Blind Dates wie für berufliche Treffen. Man kann aber darauf Einfluss nehmen: 1. Vorm ersten Eindruck punkten. 2. "Gut, danke" führt zu nichts. 3. Seien Sie nicht langweilig. 4. Seien Sie sympathisch. 5. Seien Sie aufmerksam. Vgl. Greenwald, Rachel: Auf den ersten Blick, in: HBM April 2021, S. 84ff.

Neid: Es ist ein mächtiges und zerstörerisches Gefühl. Es resultiert daraus, etwas Begehrenswertes nicht zu haben. Das nenne andere ihr eigen. Seien es materielle Dinge wie Einkommen, Auto, Haus oder besserer Job. Immaterielle Dinge sind Status, Schönheit, Intelligenz, Eloquenz. Neid macht uns unmoralisch. Neid kann auch zu Gewalt führen. Vgl. Falk, Armin: Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein, München 2022, S. 94ff.

Liebe: Sehr komplizierter und schwieriger Begriff in der Psychologie.  Sie hat verschiedene Liebesbegriffe. Sie wird oft als positive, innige und tiefe Verbundenheit zu einer Person bezeichnet. Sie geht über einen Zweck oder Nutzwert hinaus. Oft spricht man auch von "wahrer Liebe". Die Liebesbeziehung wird anhand von Kriterien beschrieben wie sexuelles Begehren, emotionale Nähe, Wertschätzung, starkes Gefühl und Verbindlichkeit. In der Psychologie ist das Buch "Die Kunst des Liebens" von Erich Fromm (1956, New York) am berühmtesten. Die berühmtesten Forscher über die Liebe, die noch leben, sind 2022 Julie und John Gottman. Studien zeigen, dass im Corona-Lockdown gute Beziehungen besser und schlechte schlechter werden. "Wer nur einen liebt, liebt keinen", Erich Fromm.  "Am Anfang der Zeit kamen wir aus der Liebe. Wir waren alle miteinander verwandt. In unseren Legenden ist von einer Zeit die Rede, in der wir mit Tieren sprechen konnten, und sie verstanden uns, und wir konnten uns untereinander verständigen. Irgendwann im Laufe der Zeit gehorchten wir den Weisungen, dem universellen Gesetz nicht mehr, also konnten wir auch nicht mehr miteinander kommunizieren. Und so entfernten wir uns von der Liebe", Vickie Downey, Tewa, aus: Die Weisheit der Indianerfrauen. Die alten Griechen hatten drei Begriffe für Liebe: Eros: heftiges Begehren des liebenden Partners. Agape: die göttliche oder von Gott inspiriert, uneigennützige Liebe. Philia: freundschaftliche Beziehung zwischen den Liebenden (Kinder, Eltern, Geschwister). Es zeigt, wie weit die griechische Kultur schon war. "Auf Dauer leben Beziehungen nur von der Entscheidung, den anderen zu lieben", Julie Schwartz Gottman. "Und von der Fähigkeit, auch die schwierigen Gefühle des anderen hinzunehmen", John Gottman. "Die Chemie der Liebe bestimmen Botenstoffe wie Dopamin und Seratonin". "Die Bindung, die wir in jungen Jahren erfahren, prägt uns für das Leben". siehe: Frank, Lone: Liebe. vom höchsten der Gefühle, Kein & Aber 2023 (aus dem Dänischen).

Eigenliebe: Der Neurowissenschaftler Gerald Hüther rät, sich selbst und andere besser zu behandeln. Das fördere die Selbstheilungskräfte. Man sollte mit sich selber liebevoller umgehen. Der Mangel an Eigenliebe mache unglücklich und fördere Krankheiten. Menschen sollten authentisch sein und in sich selbst ruhen (sich nicht von den Werturteilen anderer abhängig machen). Vgl. Gerald Hüther: Lieblosigkeit macht krank, 2021. Er betriebt auch die Initiative und Website "liebevoll.jetzt". Das ist eine Art Graswurzelbewegung. Globalisierung und Digitalisierung bringen seiner Meinung nach althergebrachte Ordnungsstrukturen durcheinander. Menschen sollten ihr Leben grundlegend ändern (zurück zur Natur, Grundbedürfnisse).

Selbstfürsorge: Wir alle tragen die Sehnsucht nach Liebe in uns. Wir suchen im Außen nach Anerkennung, Wertschätzung und Zuspruch. Denn wir glauben, nur wenn wir bestimmten Idealvorstellungen entsprechen, werden wir akzeptiert und gemocht. Dabei vergessen wir, dass wir diese Liebe zunächst einmal selbst schenken dürfen - durch Selbstmitgefühl und Selbstannahme. Vgl. Mirja Krönung/ Claudia Rieß: Nimm dich an, so wie du bist, in: natur & heilen, Januar1 /2019, S. 12ff. "Jede Phase des Lebens birgt kleine Wunder und ihr eigenes Potential zu neuer Kreativität, neuen Herausforderungen und einer neuen Tiefe der Selbstakzeptanz", ebenda, S. 20. Selbstfürsorge ist auch Ernstnehmen der eigenen Bedürfnisse und Wünsche. Wege finden, für sich zu sorgen und sich weiterzuentwickeln. Gilt als Grundbedürfnis des Menschen. Fürsorge für sich selbst ist kein narzisstisches Projekt.  Es beinhaltet Selbsterkenntnis, Selbstentwicklung, Lebensfreude. "Wenn der Einzelne sich nicht umsorgt, leidet auch die Gemeinschaft", Konfuzius.

Tastsinn: Das Tastsinnessystem beruht auf einer Vielzahl verschiedener Rezeptortypen in der Haut und im Körper. Wie genau diese neuronal verschaltet sind, wir derzeit noch erforscht. Taktische Reize stellen eine Art eigene Sprache dar. Mit ihrer Hilfe können wir anderen gegenüber erstaunlich präzise unsere Gefühle ausdrücken. Viele Studien demonstrieren die Macht der Berührungen im Alltag. Sie machen die Empfänger hilfsbereiter und spendabler. Vgl. Joachim Retzbach: Das Geheimnis der Fingerspitzen, in: Gehirn & Geist 7 Dossier, 3, 2018, S. 6ff.

Managementrollen nach Mintzberg: Informationsfunktion, Interpersonelle Funktion, Entscheidungsfunktion. Vgl. Henry Mintzberg, The Nature of Managerial Work, 1973.

Risikobereitschaft: Je moderner Gesellschaften sind, desto mehr Risiken werden produziert. Wachstum, internationaler Handel, Mobilität und Vernetzung schaffen Vorteile und bergen große Risiken. Das Bewusstsein zum Risiko und die Bereitschaft zur Übernahme von Risiko ist kulturell sehr unterschiedlich. Es gibt zusätzlich eine hohe Korrelation mit der Unsicherheitsabsorption, die ebenso stark von der Kultur beeinflusst wird. Als unabhängige Variable beeinflusst die Risikobereitschaft stark die Gründungstätigkeit und die Bereitschaft zur Selbstständigkeit. "In einer Welt ohne Risiko will niemand leben, wir könnten den Planeten gar nicht ernähren", lloyd Blankfein 2016, Chef von Goldman Sachs.

Prospect Theory: Sie wurde von Kahneman und Twersky entwickelt. Der Mensch fürchtet Verluste mehr als er Gewinne schätzt. Beide beschrieben auch den Framing-Effect: Menschen treffen unterschiedliche Entscheidungen, je nachdem wie ein und der derselbe Sachverhalt dargestellt wird. Tversky starb 1996, Kahneman erhilet 2002 den Wirtschaftsnobelpreis.

Optimismus: Eine der wichtigsten Eigenschaften für Unternehmer. Optimismus ist auch abhängig von der jeweiligen Epoche. Am zuversichtlichsten waren die Deutschen zwischen 1958 und 1964 (Quelle: Soziologe Heinz Bude). Optimismus sollte aber nicht entgrenzt auftreten: dann sind Gier oder Größenwahn möglich. Optimismus ist auch ein lukratives Investment. Wer seinen Beruf mit positiver Grundhaltung ausübt, trifft klügere Karriereentscheidungen und erntet die finanziellen Vorteile. Vgl. Mind Over Money: How Optimism Connects to Financial Health, Frost Bank, Januar 2019. Der Glaube an den Erfolg (auch Optimismus) hat keine  Einfluss auf dei tatsächliche Leistung. insofern wird Optimismus auch überbewertet. Vgl. Moore, Don: Optimismus wird überbewertet, in: HBM Dezember 2020, S. 18f.

Zuversicht: Sie hilft dem Menschen auszuhalten, durchzuhalten und voranzukommen. Es ist eine lebenswichtige Fähigkeit. Sie motiviert einen selbst und andere. Sie ist besonders wichtig, wenn sich Umstände grundlegend ändern. Dazu gehört auch Corona. Man muss sich klar machen, dass die Gegenwart anstrengend, verfahren und unabsehbar ist. Vgl. Alard von Kittlitz: Woher nehmen wir dei Zuversicht, in: Die Zeit Nr. 7, 11. Februar 2021, S. 55ff.

Erfolgreiche Zielsetzung: Sie soll vor allem Ansporn sein. Zusätzlich sollte sie realistisch sein. Sie sollte auf Schmerz und Verstand basieren. Vgl. www.ansporner.de .

Anreiz zur Komplettierung: Menschen lieben es, etwas zu komplettieren. Sie haben eine Freude an Vollständigkeit. Dafür nehmen sie sogar Risiken in Kauf. Vgl. Kate Barasz et al.: Pseudo-Set Framing, Journal of Experimental Psychology, General, 2017.

Agilität: Psychologisch ist Agilität keine Methode oder Einzelmaßnahme, sondern eine generelle Haltung. Im Vordergrund steht aber die Integration in selbst organisierte Teams. Die Agilität muss passen, auf Vorhandenes aufsetzen und sie braucht Reife.

Agiles Mindset: Unter einem agilen Mindset wird die Einstellung verstanden, sich kontinuierlich an Veränderungen anzupassen, gemachte Fehler und unklare Herausforderungen als Chance des Lernens zu verstehen und sich durch Einholen von Feedback stetig zu verbessern. Vgl. Ernst/ Sailer/ Gabriel: Nachhaltige Betriebswirtschaft, München 2021, S. 205.

Zaudern: Prozess des Zögerns, an dessen Beginn eine Frage steht und am Ende ein Ja oder Nein. Es bewahrt uns vor unwiderruflichen Urteilen und endgültigen Lösungen. Die Haltung wird oft mit willenschwach und antriebslos verwechselt.

Konservativer Impuls: Waldmann spricht von einer "quasianthropologischen Grunddisposition". Menschen hängen aus Angst vor Verlusten am Altbewährten. Es ist eine intuitive Verankerung des Denkens, Fühlens und Handelns in traditionellen Mustern. Das muss nicht nachteilig sein. Nach Waldmann ist der konservative Impuls ambivalent. Vgl. Peter Waldmann: Der konservative Impuls. Wandel als Verlusterfahrung, Hamburg 2017.

Gehirn: Wir setzen die Welt in unserem Gehirn zusammen. Neuronen bewegen sich im Gleichklang, wenn wir bekannte Dinge stoßen. Die Struktur der Welt wird in Netzwerkverbindungen dieser Neuronen gespeichert. Zeitliche Beziehungen spielen bei der der Aktivität von Nervenzellen eine entscheidende Rolle bei der Informationsverarbeitung. Dei beobachteten Rhythmen dienen einem Zweck. Neuronale Netze können auch im Computer simuliert werden. Das Gehirn hat dynamische Eigenschaften, die nicht linear sind. Es ähnelt einem Quantencomputer.  Hör- und Sehzentren unterhallten sich ständig. Das Bewusstsein lässt sich am schwersten erklären. Wahrscheinlich handelt es sich um ein mentales Konstrukt, das aus gemeinsam geteilten Erfahrungen entstanden ist. Die Verankerung des Transzendentalen fehlt immer mehr Menschen. sie könnte durch säkulare Ethik ersetzt werden. Demokratien passen gut dazu: Nur komplexe Systeme mit nicht linearer Dynamik sind fähig, sich selbst zu organisieren und zu stabilisieren. Vgl. Interview mit dem Hirnforscher Wolf Singer "Es schwingt in unserem Kopf", in: Die Zeit 11/ 9.3.23, S. 34.

Hirnforschung in der Ökonomie (Neuroökonomie; Verhaltensökonomie): Sie verbindet psychologische, medizinische und ökonomische Erkenntnisse. Es geht um "Production of people and personalities" (Ernst Fehr, Uni Zürich). Im ökonomischen Leben eine wichtige Rolle spielen spielen Gefühle wie Angst und soziale Normen wie Fairness eine wichtige Rolle. Um sich diesen Phänomenen zu nähern, arbeitet man mit Gehirnscannern. Es gibt einen ausgeprägten Hang, so genannte Trittbrettfahrer zu bestrafen. Grundfragen sind die folgenden: Wie werden wir zu der Persönlichkeit, die wir sind? Warum ist jemand kooperativ und ein anderer egoistisch? Woher kommen unsere Präferenzen? "Wir können ethischen Verhalten ändern und haben die Möglichkeiten dafür noch längst nicht ausgeschöpft", Ernst Fehr, Uni Zürich. Auch: "In der Modellwelt der Ökonomie wird viel weggelassen, was im Leben eine wichtige Rolle spielt". (Zitiert nach: Torsten Riecke: Mit warmem Herzen und kühlem Kopf, in: Handelsblatt, Nr. 35, 19. 02.2015, S. 12,13).

Neurofeedback: Man könnte es als Tuning fürs Gehirn (mehr Leistungsfähigkeit und mehr Aufmerksamkeit) sehen. Einmal kann dies durch leistungssteigernde Pillen erreicht werden. Zum anderen werden Entspannungstechniken eingesetzt. Je entspannter, desto besser arbeitet das Gehirn. Das Gehirn soll in einer optimalen Frequenz arbeiten.

Lernen und Erinnerung: Neue Informationen nehmen wir unter bestimmten individuellen Voraussetzungen auf. Lernen und Erinnerung sind untrennbar miteinander verknüpft. Indem wir Informationen in unserem Gedächtnis abspeichern, lernen wir. Was gelangt in unser Langzeitgedächtnis? 1. Wiederholung. 2. Emotionen.

Gedächtnis: Es ist kein Speicher, der genau Fakten und Daten festhält wie ein Computer. Unsere Wahrheit im Kopf wird beweglich gehalten. Es wird vieles ausgelassen oder ergänzt. Es bestimmt, wer wir sind und was wir sein wollen. Im Alter scheinen die Gedächtnislücken größer zu werden. Das Gedächtnis befähigt uns, alte Erfahrungen in einen aktuellen Zusammenhang zu stellen und anstehende Aufgaben anzupacken. "Das Gedächtnis ist der Diener unserer Interessen", Thornton Wilder, US-amerikanischer Literat.

Gedächtnisteile: 1. Arbeitsgedächtnis: Das brauchen wir, um uns kurzfristig Wörter, Zahlen, Muster oder Zusammenhänge zu merken und Informationen zu verarbeiten. 2. Langzeitgedächtnis: Damit können wir uns Daten und Fakten mitunter über Jahre oder sogar ein Leben lang merken. 3. Kognitive Kontrolle: Sie ermöglicht es uns, planmäßig zu denken, Strategien zu entwickeln. 4. Logische Denken: Es hilft uns, abstrakte Probleme zu lösen und Schlussfolgerungen zu ziehen. 5. Verarbeitungsgeschwindigkeit: Dies ist das Tempo, in dem wir verschiene Reize aufnehmen, sie verarbeiten und darauf reagieren. Vgl. Kehse, Ute: Was Denksport wirklich bringt, in: Geowissen Gesundheit, November 2022, S. 158ff.

Engramme: Feinmechanik des Erinnerns. Kurz aufeinander folgende Erlebnisse werden im Gedächtnis miteinander verknüpft. Die Erinnerung an das eine löst meist auch jene an das andere aus. Das Gehirn speichert entsprechende Inhalte in teilweise identischen Neuronengruppen ab. Vgl. Rashid, A. J.: Competition between Engramms Influences Fear Memory Formation and Recall, in: Science 2018,  353, S. 383-387.

Erinnerung: Wir erinnern uns weniger zuverlässig, als wir glauben. Das gilt sogar für Dinge, die uns uns im tiefsten Inneren erschüttert haben. Mithilfe von Suggestivfragen können Forscher Menschen falsche Erinnerungen an schlimme Erlebnisse einpflanzen. Vgl. Fie Zeit 14/ 30.3.23, s. 15ff.

Bewusstsein: Bewusstsein entsteht nicht in einem einzelnen Hirnbereich, sondern durch das dynamische Zusammenwirken vieler Hirnregionen. Eine zeitliche Übereinstimmung von Hirnwellen fördert offenbar die Kommunikation zwischen den beteiligten Arealen. Die neuronalen Synchronisationsmuster verändern sich, wenn unser Bewusstseinsinhalt wechselt oder wenn wir in Bewusstlosigkeit abgleiten. Vgl. A. K. Engel: Im Takt des Bewusstseins, in: Gehirn & Geist, Dossier, 3, 2018; S. 24ff.

Bewusstsein und Computer: Man braucht eine Theorie, die erklärt, was Bewusstsein ist und wie es sich nachweisen lässt. Das menschliche Bewusstsein sitzt im Kortex (einer stark gefalteten Schicht). Es gibt mehr oder weniger Bewusstsein (auch Tiere und Insekten haben wohl eins). Es kann auch ein gespaltenes Bewusstsein geben (Split-Brain). Gehirne verbinden sich über die Sprache. Computer simulieren nur Bewusstsein, aber sie besitzen es nicht. "Computer sind wie Vampire - sie saugen uns aus", Christof Koch. Vgl. Interview mit Christof Koch, in: Der Spiegel 37/ 9.9.2023, S. 100ff.

Vergessen/ Plastizität: Vergessen ist ein wichtiger und unterschätzter Bereich. Ohne ihn können wir nicht abstrakt denken. Darüber hinaus hilft es beim Erinnern. Unsere Erinnerungen ändern sich mit jedem Abruf. Bei Menschen mit Posttraumatischen Belastungsstörung ist das traumatische Erlebnis allerdings schreibgeschützt gespeichert. Vgl. Draaisma, D. Das Buch des Vergessens, Köln 2013. Zuerst erforschte Frederic C. Bartlett (1886-1969) Erinnern und Vergessen (Remembering, 1932). Die Erinnerung sah er als Rekonstruktion. .

Gewohnheiten und Gehirn: Kaum etwas ist schwerer, als eingefahrene Gewohnheiten loszuwerden. Schuld daran ist unser Gehirn. Man muss die Mechanismen kennen, um sie nutzen zu können. Das Gehirn schüttet Glückshormone aus, wann immer sich das Bewährte wiederholt. Bei Sport (etwa Joggen) kann man sich Routinen zu Nutzen machen: Konkrete Ziele, schrittweise vorgehen, regelmäßig schaffen, Stress reduzieren.

Handschrift und Denken: Smartphones und Sprachnachrichten bedrohen die Handschrift. Sogar in den Schulen gerät sie ins Hintertreffen. Dabei soll das Schreiben das Denken vorantrieben und eine Persönlichkeit abbilden. Hirnforscher und Psychologen weisen darauf hin, das die Schrift wichtig für Denken und Gedächtnis ist. Vgl. Schnabel, U./ Scholz, A.- L.: Die Anspitzung des Denkens, in: Die Zeit 40, 26.09.2019, S. 43. Eine Studie 2020 der Norwegian University of Science and Technology ergab, dass Gehirne von Schülern aktiver waren, wenn sie mit der Hand schrieben (Schreiben und Malen besser fürs Gedächtnis!).

Lügen: Gesellschaften funktionieren nicht ohne Lügen. Es kommt darauf an, für wen man schwindelt - für sich oder andere. Das Gehirn muss dabei mehr arbeiten, als wenn man die Wahrheit sagt. Es gibt auch notorische Lügen, bei denen das Angstzentrum im Gehirn weniger aktiv ist. Lügen will psychologisch gelernt sein: Mimik, Gestik und Haltung müssen stimmen. Forscher entwickeln mittlerweile Software, die Lügner entlarven soll. Dafür erhielten sie 4,5 Mio. € von der EU (iBorderCtrl, Paul Ekman). 40 Merkmale im menschlichen Gesicht werden registriert. Die Zuverlässigkeit liegt bei nur 76%. In China mussten Verdächtige rohen Reis kauen. Blieb er trocken, galten sie als Lügner. Vgl. Nezik, A.- K.: Falsch geblinzelt, in: Die Zeit Nr. 36, 27,8.20, S. 22.

Journalisten betreiben mittlerweile das Hobby, die Lügen zu zählen, die Reden von Trump oder Pence enthalten. Sie kommen 2020 in der Nähe zur Präsidentenwahl auf einen Mittelwert von 20 Lügen pro Rede. Meist sind diese Lügen einfach statistisch zu entlarven: Zum Beispiel wird in fast jeder Rede behauptet, Trump habe die größte Steuerreform der Geschichte gemacht. Da liegt aber eindeutig Ronald Reagan  vorne (in manchen Punkten sogar noch Obama vor Trump).

Geheimnisse: Durchschnittlich 13 Geheimnisse hat jeder Mensch. Manche Geheimnisse wirken nicht belastend. Der Sinn positiver Geheimnisse besteht darin, sie irgendwann zu enthüllen. Das größte Geheimnis zwischen Mann und Frau sind beziehungsfemde Gedanken. Auch Diebstahl, sexuelle Handlungen, persönliche Ambitionen oder eine Lüge behalten viele lieber für sich. Geheimnisse können auch eine mächtige soziale Kraft sein. Es kann dazu dienen, anderen Menschen näherzukommen.

Blickkontakt (Fenster zur Seele): Zu lügen fällt einem schwerer, wenn man dem anderen in die Augen schaut. Vermutlich, weil es Ressourcen verschlingt, die Unwahrheit zu sagen, und das Gehirn schon beschäftigt ist mit dem Blickkontakt. Schöne Augen können Menschen aus dem Konzept bringen. Man vergisst dei Zeit und hat keine Energie mehr zum Denken. Weil im Kopf das Belohnungszentrum tobt. Blicke regeln auch Gespräche: Wir vergewissern uns, dass der andere zuhört und ob er uns zustimmt.

Querdenken: Auch mal gegen den Strom und Konventionen denken. Hängt eng mit Meinungsfreiheit zusammen. Befindet sich in Deutschland kulturell auf dem Rückzug. "Querdenken gilt in Deutschland so lange als gut, bis es wirklich praktiziert wird", Christian Scholz, Personalforscher, Uni Saarbrücken. In bestimmten Situationen handeln gesunde Menschen verrückt. Wenn wir die sozialen Umstände nicht kennen, die zu ihrem Handeln geführt haben, sind wir versucht, auf ein charakterliches Defizit oder eine kranke Psyche zu schließen. Wir sollten uns klarmachen, dass Menschen, die verrückt denken oder verrückte Dinge tun, nicht unbedingt verrückt sind. Dieses Denken und Handeln ist oft verantwortlich für Erfindungen und Innovationen. Vgl. Elliot Aronson: Sozialpsychologie: Menschliches Verhalten und gesellschaftlicher Einfluss, 1972.

Bindung als Basis des Lebens: Es gibt verschiedene kindliche Bindungstypen und unsichere Bindungsstile. Man muss eine gute Balance zwischen Bindung und Autonomie finden. Vgl. Stefanie Stahl: Wer wir sind. wie wir wahrnehmen, fühlen und lieben, München (Kailash) 2022, S. 63ff.

Bedeutung der Familie: Menschen lernen, auf die Mitglieder der Familie zu reagieren. Diese Reaktionen verfestigen sich zu einer Rolle. diese Rolle kann das authentische Selbst überdecken und bis ins Erwachsenenalter fortwirken. Die Familie ist insofern die "Fabrik", in der Menschen gemacht werden. Wichtig ist diese Erkenntnis für das Verstehen von Familienunternehmen und ihre Geschichte. Virginia Satir (1916-1988, USA) hat dazu ein familientherapeutisches Ausbildungsprogramm entwickelt (Satir-Modell). Vgl. Collin C. u. a.: Das Psychologiebuch, München 2012, S. 146f.

Familienorientierung in verschiedenen Kulturen (Verbindung von Privatem und Geschäftlichem): Die islamische Religion beeinflusst stark das Geschäftsleben. Es gelten die fünf Säulen das Islam: Glaubensbekenntnis (Schahada), Gebet (Salat), Almosensteuer (Zakat), Fastenmonat Ramadan und Pilgerfahrt nach Mekka (Haddsch). Familiäre Strukturen und traditionelle Werte prägen auch das Business.  Gastfreundschaft, indirekte Kommunikation, Gastgeschenke und Netzwerke sind darüber hinaus besonders wichtig. Danwei (Einheit von Familie und Arbeitseinheit usw.) übt einen starken Einfluss in China aus. Z. B. bringen die Kredite der Auslandschinesen an Angehörige im Land die Wirtschaft immer wieder in Schwung. Auch sind viele Privatunternehmer auf die Hilfe ihrer Familie und Freunde angewiesen, da sie bei staatlichen Banken nur schwierig Kredite bekommen. Die Danwei - Philosophie führt dazu, dass der Wert des Einzelnen als begrenzt angesehen und das Individuum nur in seiner Funktion als Teil eines sozialen Verbandes wertvoll betrachtet wird.

Ehe und Heirat: Vorteile: Lebenserwartung, Früherkennung von Krebs, Wundheilung, Herzversagen, Diabetes, Alkohol, Demenz, Depressionen, Zufriedenheit. Nachteile: Fitness, Gewicht, Todes des Partners, Unglückliche Ehe, Ungleiche sglück, Zufrieden ohne Trauschein. Vgl. Heintich, Christian u. a.: Tut die Ehe gut? in. Die Zeit Nr. 31, 29.7.21, S. 31.

Trennungskinder: Studien zeigen, dass Kinder unter der Trennung ihrer Eltern ein Leben lag leiden können. Es können psychische Krankheiten entstehen. In Österreich ist seit 2013 per Gesetz im Falle einer Scheidung bei minderjährigen Kindern eine Beratung vorgeschrieben.

Gute Erfahrungen in der Kindheit: Gute Erfahrungen in der Kindheit wie Unterstützung durch die Eltern, ein echter Freundeskreis, Anschluss in der gemeinde machen im späteren Leben weniger anfällig für Depressionen und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, selbst gesunde, stabile Beziehungen einzugehen. Quelle: Studie der John Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore.

Autismus-Spektrum-Störung: Immer öfter erhalten Kinder diese Diagnose. Eine frühe Therapie kann enorm fördern - und hilft auch den Familien (Kinderpsychologe, Ergotherapie). De genetische Anteil des Autismus-Risikos liegt bei etwa 80 %.

Der eindimensionale Mensch: Berühmte These von Herbert Marcuse von der Frankfurter Schule (zusammen mit Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Jürgen Habermas). Fantasie und Idealismus werden im Kapitalismus durch ökonomische Kalkulation, technische Problemlösung und Befriedigung der Bedürfnisse anspruchsvoller Konsumenten in der Massenkultur ersetzt.  So auch der Titel seiner berühmten Schrift.

Netzwerke (Vitamin B, Beziehungen, Guanxi, Fakelaki): In jeder Kultur spielen informelle Netzwerke im Geschäftsleben eine große Rolle. In Kulturen mit einem hohen Anteil an indirekter Kommunikation nehmen diese Netzwerke einen großen Raum ein. Sie zeigen sich vor allem in der Ess- und Trinkkultur. Geht nichts mehr ohne Einsatz dieser Mittel, spricht man von Korruption. Die NGO Transparency International stellt jährlich einen Korruptionsindex auf. In der EU nimmt Griechenland einen unrühmlichen Spitzenplatz ein. Ob Fahrprüfung oder Baugenehmigung, ohne Bestechungsgeld läuft fast gar nichts. "Beziehungen schaden nur dem, der sie nicht hat", Otto Bettermann, Menden, Unternehmer, "Hidden Champion".

Netzwerken (Networking): Kontaktpflege und Aufbau eines beruflichen Beziehungsnetzes. Folgende Empfehlungen könnten nützlich sein: 1. Auf das Lernen konzentrieren. 2. Gemeinsame Interessen finden. 3. Gründlich überlegen, was sie zu bieten haben. 4. Nach einem höheren ziel suchen. Vgl. Casciaro, T./ Gino, F./ Kouchaki, M: So lernen sie Netzwerken, in: Harvard Business Manager Oktober 2016, S. 92ff.

Psychologische Gerechtigkeit: Menschen brauchen die Überzeugung, in einer gerechten Welt zu leben. Deshalb glauben wir, dass Menschen bekommen, was sie verdienen (und verdienen, was sie bekommen). Wichtige Erkenntnisse gehen auf Melvin Lerner (geb. 1929) zurück. Der Ansatz folgt der psychologischen Attributions-Theorie. Dieser Ansatz ist wichtig für die Akzeptanz von Unternehmenserfolg und wirtschaftlicher Macht.

Gerechtigkeitsempfinden: Menschen haben ein angeborenes Gerechtigkeitsempfinden. Noch stärker ist das Ungerechtigkeitsempfinden. Menschen verhalten sich aber immer mehr passiv im Hinblick auf das Ungerechtigkeitsempfinden. Die Individualisierung schreitet voran. Die Solidarität in der Gesellschaft nimmt ab. So tun Menschen oft aktiv erst etwas, wenn ihnen selbst Ungerechtigkeit widerfährt. "Noch menschlicher als der Mensch ist unser Motto", Rachael, Blade Runner (1982)

Kohlbergs Moralstufen: Moralisches Bewusstsein bildet sich bei Kindern automatisch heraus und basiert auf dem grundlegenden Prinzip der Gerechtigkeit. Lawrence Kohlberg lebte von 1927 bis 1987. Er studierte die Entwicklung der Moral, indem er Kinder mit Situationen konfrontierte, die einen Konflikt zwischen zwei und mehreren moralischen Prinzipien aufwiesen. Dass etwas strafbar ist, entscheidet sich auf Stufe 1 darüber, ob das Kind es für richtig oder falsch hält, auf Stufe 2, ob andere es wollen und ob es belohnt wird. Auf Stufe 3 bedeutet gutes Verhalten, es gefällt anderen und hilft ihnen. Auf Stufe 4 ist der Respekt vor Autoritäten. Auf Stufe 5 verstehen die Kinder, dass manchmal die Rechte des Individuums vorgehen. Auf Stufe 6, der höchsten, werden Handlungen durch selbst gewählte ethische Prinzipien wie Gerechtigkeit, Gleichheit und Achtung der Menschenwürde bestimmt. Vgl. Jarett, C.: Psychologie, Librero 2019, S. 42.

Moralisches und unmoralisches Verhalten: Wir verfügen über ein intuitives als auch ein rationales System zur Entscheidungsfindung. Studien zeigen: Wer seinem Bauchgefühl vertraut, trifft unethischere Entscheidungen. Wir sollten daher bewusster das zweite, das rationale System einsetzen. Vgl. Bazerman, Max H.: Wir alle handeln unmoralisch, in: HBM Dezember 2020, S. 64ff.

Scham: Sie ist ein wichtiger psychologischer Kompass, der uns nützt und schützt. Sie flüstert uns viele Fragen ein: Bin ich liebenswert, schlau und stark genug? Früher gehörte Beschämung zur Erziehung, um eine Disziplinierung zu erreichen. Scham wird ausgelöst, wenn andere uns abwerten oder wir befürchten müssen, dass sie es tun. Scham fördert prosoziales Verhalten. Menschen, die sich nie schämen, haben eine antisoziale Persönlichkeitsstörung. Als Ursprung der Schan gilt die Schöpfungsgeschichte in der Bibel: Adam und Eva beißen gegen Gottes Gebot in den Apfel und bemerken danach, das sie nackt sind und schämen sich. Scham betrifft manche Menschen stärker als andere und Frauen spüren sie häufiger als Männer. Scham hängt eng mit Familie zusammen. Frühe Gefühls - Erfahrungen können wirken (oft zu viel Verantwortung). Scham ist der Blick von außen auf uns. Vgl. Doctor, Die Zeit Mai 2020, Nr. 2, Die Zeit Nr. 22. Scham spielt eine große Rolle in kollektivistischen Kulturen (z. B. in Asien). Scham gilt als eines der mächtigsten Gefühle des Menschen. Es spielt auch eine Rolle im Internet. Vgl. Kreienbrink, Matthias: Schäm dich! in: Die Zeit Nr. 4/ 19.1.23, S. 13ff. Scham ist eine Emotion, die uns schützt und uns einiges über uns selber beibringen kann. Die Scham ist die Hüterin der Würde. Wir brauchen sie unbedingt, weil sie anzeigt, wenn Grenzen verletzt werden. Scham kann sich auch ansammeln (von Kind an). Vgl. Immenschuh, U.: Im Boden versinken, in: Rheinpfalz am Sonntag, 15./ 16.4.23, S. 19.

Ehrfurcht: "Ehrfurcht ist das, worauf alles ankommt, damit der Mensch ein Mensch sei", Johann Wolfgang von Goethe. Auch "Gänsehaut-Effekt" genannt. Warum empfindet der Mensch Ehrfurcht? Das ist noch wenig erforscht. Ehrfurcht wird durch zwei Merkmale erklärt: Wahrnehmung ungeheurer Werte. Auseinandersetzung mit dem Neuen, das nicht ins vertraute Weltschema passt (Haidt/ Keltner). Die Erfahrung macht Menschen  großzügig und wohlwollender. Ehrfurcht diente als Kitt in früheren  Standesgesellschaften. Manche vernuten, das Gefühl des andächtigen Staunens könne dem Urmenschen bei der Suche nach einem geeigneten Lagerplatz geholfen haben. Vgl. Grolle, Johann: Schillers Schmerz, in: Der Spiegel 1/2.1.2021, S. 95ff.  "Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit Ehrfurcht: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir", Immanuel Kant.

Psychological Safety: Der Begriff von von der Harvard-Professorin Amy Edmondson eingeführt. Er bezeichnet das subjektive Gefühl, innerhalb einer Gruppe gut aufgehoben zu sein. Man kann Ideen einbringen ohne Zurückweisung und frei seine Meinung äußern.

Leistung: Sie lässt sich auf drei Hauptbedürfnisse zurückführen (David McClelland, 1917-1998). Erstens auf das Bedürfnis, sich stetig zu verbessern und auszuzeichnen. Zweitens auf das Bedürfnis, andere zu beeinflussen. Drittens auf das Bedürfnis, freundschaftliche Beziehungen zu knüpfen und aufrechtzuerhalten. "Leistung ist nicht individuell und kein Wert an sich, sondern ein soziales Vermögen - etwas, das man der Familie, dem Freund, der Gesellschaft gegenüber leisten kann", Dieter Schnaas, in; Wirtschaftswoche 24, 8.6.18, S. 81.

Behaviorismus: Er entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA. Als Begründer gilt John B. Watson (1878-1958). Es ging um um wahrnehmbares Verhalten. Ziel war die Vorhersage und Steuerung des Verhaltens. Die Erforschung des Verhaltens von Tieren war genauso legitim wie die des menschlichen Verhaltens. Vgl. O`Donnell, J. M.: The Origins of Behaviorism: American Psychology, 1870-1920, New York 1985.

Verhaltensforschung: Als Begründer dieser Forschungsrichtung in Deutschland gilt der Zoologe Oskar Heinroth. Er erforschte vor allem Vogelarten. Er prägte Begriffe wie "Triumphgeschrei" und "Imponiergehabe". Konrad Lorenz setzte diese Tradition im deutschsprachigen Raum fort und forschte mit Graugänsen. Psychologisch interessierte ihn besonders die Aggression. Die Ursprünge der Verhaltensforschung liegen also in der Erforschung von Tierverhalten. Nach dem 2. Weltkrieg übertrug Günter Schmölders an der Uni Köln Erkenntnisse der Verhaltensforschung, die mittlerweile in den USA reüssierte, auf die Ökonomie in Deutschland. Anfangs wurde diese Forschung in Deutschland belächelt, weil erst mathematische Ansätze, dann ideologische Ansätze, wie der Monetarismus, dominierten. Erst wieder durch Importe aus den USA (Kahnemann, Thaler) gewinnt diese Forschungsrichtung in Deutschland wieder an Bedeutung.

Nudge (Nudging) als zentrales Element: Zentraler Fachbegriff aus der Verhaltensökonomik. Er wurde von R. H. Thaler (Nobelpreis 2017) and C. R. Sunstein eingeführt (vgl. Dieselben: Wie man kluge Entscheidungen anstößt, 2009/ USA 2008; ebenso D. Kahnemann: Schnelles Denken, langsames Denken, München 2012, USA 2011). Kahneman führt folgende Bausteine ein: Zwei Selbste, Econs und Humans, Zwei Systeme. "Nudge" ist das Gegenteil eines Verbots oder eines Befehls. Es geht um kluge, durchdachte Entscheidungshilfen und -anstöße.  Damit ist die Kraft, Menschen zu beeinflussen, größer. Beispiele bei Thaler sind eine Fliege im Urinal oder Obst in Griffnähe. Bei total freien Märkten kann Nudge zum Desaster führen, weil die Menschen keine guten Entscheider sind (Argument für die Regulierung von Gesundheitsmärkten). Der Begriff spielt heute auch in der Marketing-Kommunikation eine große Rolle. Die bekannteste Art von Nudges sind Standardvorgaben, die Defaults. Diese sollen Menschen in eine bestimmte Richtung "stupsen". Nudges können die Entscheidungen von Menschen verbessern, wie sie in Form gut aufbereiteter Informationen angeboten werden. Sie können auch die Selbstbindung verstärken (Selbstkontrollprobleme reduzieren; z. B. durch Wetten). In der Praxis kann Nudging in der Wirtschaftspolitik (Gefahr: Verwaltungsfreude, Obrigkeitsdenken), bei Konsumente (Gefahr: Manipulation), in der Alterssicherung und beim Verbraucherschutz bewusst eingesetzt werden. So gesehen ist es sanfter Paternalismus und verhaltensökonomisch fundierte Ordnungspolitik. Die Frage ist, ob unvollständige Rationalität eine hinreichende Begründung ist.

Sludge ("Schlamm"): Staatliches Programm, das seine Befolgung so schwierig wie möglich macht. Missbrauch von Nudge. Thaler und Sunstein fordern, dass jedes Unternehmen eine Such- und Zerstörungsmission für unnötigen Sludge schaffen solle. Vgl. Thaler/ Sunstein: Nudge: The Final Edition, 2021. Beispiele: Abonnements, die leicht zu bestellen, aber schwer abzubestellen sind. Wahlgesetze, die bestimmte Gruppen von Wählern abhalten sollen. Oder die aufgedrängte Reiseversicherung bei der Onlinebuchung.

Aggression: Es gibt drei Hypothesengruppen, um Aggression zu erklären: 1. Frustration. Durch starke Frustration oder zusätzlich eine geringe Frustrations-Toleranz entsteht Aggression (wichtig, um häusliche Gewalt zu analysieren). 2. Biologische Mechanismen (Revier, Rangfolge, Adoleszenz, Imponiergehabe). 3. Lernverhalten (wichtig bei Fernsehen und sozialen Medien, Filme). 2020 kommt es in Stuttgart zu Gewaltausbrüchen von jugendlichen Männern gegen Polizei und Geschäfte. Hier spielt die Gruppendynamik auch eine Rolle. Die Gruppe solidarisiert sich gegen den gemeinsamen Eindringling Polizei. Imponiergehabe im Netz mit den Taten bestärkt den Effekt. sicher hatte sich auch Frust im Zuge der Corona-Beschränkungen aufgestaut. Alkoholkonsum und Drogen wirken auch verstärkend.

Gewaltbereitschaft: Die wichtigste Determinante ist, wer in der Kindheit oder Jugend selbst Gewalt erlebt hat. so erklären sich auch die sehr gewalttätigen Aktionen von Afrikanern in Deutschland (Messerattacken, vor den Zug stoßen, Vergewaltigung). Die Männer sind in gewalttätigen Gesellschaften aufgewachsen (marodierende Banden und Milizen), haben häufig Gewalt in der Familie erlebt (Trauer, Verlust - Erfahrung). Manchmal ist der Staat selbst gewalttätig (Zwangsarbeit). Es gibt auch viele posttraumatischen Belastungsstörungen. Berufe oder ein höherer sozialer Status sind oft nicht erreichbar, was Angst und Frust erzeugt.

Manager brauchen einfache Anreizsysteme: Der Forscher Florian Englmaier ließ in einem landwirtschaftlichen Großbetrieb Zettel an die Erntemaschinen hängen. Darauf stand, wie viel das Unternehmen seinen Erntehelfern an dem Tag pro geerntetem Salat zahlen würde. Dies erhöhte die Produktionsmenge der Teams und den Verdient der Teamleiter deutlich. Vgl. Harvard Business Manager Juni 2018, S. 16f.

Sucht: Mehr Leistung um jeden Preis lässt sich oft nur mit Drogen und Rauschgift erreichen. Man spricht auch von Hirndoping (z.B. Koks, Amphetamine). Die Delikte beim Bundeskriminalamt sind zwischen 2009 und 2013 sehr stark angestiegen. Sucht ist für die meisten Menschen ein Weg, mit Stress und Frust im Leben umzugehen. Die Droge ist ein persönliches, individuelles Mittel zur Stressbewältigung. Vgl. Harvey Milkman, in: Der Spiegel 4/ 20.01.24, S. 90ff.

Wirkungen Alkoholkonsum: Medizinisch ist völliger Alkoholverzicht wohl am gesündesten. Sozial kann Trinken ein effizienter Signalmechanismus sein. Es kann als vertrauensbildende Maßnahme interpretiert werden (Haucap/ Herr, Düsseldorf). Je erfolgreicher Menschen sind, desto trinkfreudiger sind sie. Das gilt besonders für Frauen.

Hirn und Sucht: Unser Gehirn verdrahtet sich z. B. durch den Konsum von Pommes und Süßem. Es lernt unbewusst, belohnendes Essen zu bevorzugen. Durch die Veränderungen im Gehirn werden wir unbewusst immer die Lebensmittel bevorzugen, die viel Fett und Zucker enthalten. Der erlernte , unbewusste Hang zu Süßem und Fettigem lässt sich nicht so schnell vergessen.

Neue Erwartungstheorie (Prospect Theory; Daniel Kahneman, geb. 1934): Wir neigen dazu, die Häufigkeit relativ unwahrscheinlicher Ereignisse zu überschätzen und die Häufigkeit von Ereignissen mit höherer Wahrscheinlichkeit zu unterschätzen. Wir such dabei ständig nach Kausalverknüpfungen. mit diesem Gebiet, das der Verhaltensökonomie zugerechnet wird, können Entscheidungspräferenzen in risikobehafteten Situationen erklärt werden. Es spielt auch eine große Rolle beim Erklären von Unternehmerverhalten in KMU.

Entscheidungsfindung bei Unsicherheit: Der Mensch wendet bei seinen Entscheidungen die Heuristik auf Basis einer Einschätzung der Chancen und Risiken und nicht auf Basis des Ergebnisses an. Er spricht von "Verfügbarkeitsheuristik". Das braucht nicht notwendigerweise die beste Strategie zu sein. Vgl. Kahneman, D.( zusammen mit Amos Tversky) : Thinking Fast and Slow, New York 2013

Dankbarkeit: Grundlegende Forschungen stammen von Robert Emmons. Dankbare Menschen sind glücklicher, hilfsbereiter und einfühlsamer. Sie sind insgesamt auch erfolgreicher. Dankbarkeit kann man trainieren und regelmäßig üben. Eine dankbare Lebenseinstellung ist Grundlage jeder Veränderung. Mittlerweile gibt es auch Dankbarkeits-Coaching. Dankbarkeit kann helfen gegen Stress, Schlafstörungen und Depressionen. Psychologen empfehlen, täglich fünf Dinge zu notieren, die man als Geschenk empfindet. Dankbarkeit öffnet uns die Augen für die schönen Dinge des Alltags (was uns  das Leben schenkt). Insgesamt gibt es eine positive Wirkung auf körperliche und seelische Gesundheit. Übungen können helfen, negative Denkmuster zu verändern.

Lob: Feedback für die geleistete Arbeit. Es kann Menschen stark motivieren. Es sollte aus echter Überzeugung verteilt werden. "Wer seine Arbeit nur noch als Instrument sieht, um an eine Belohnung zu gelangen, erledigt sie so simpel wie möglich", Edward Deci, US-Sozialpsychologe.

Freundlichkeit: Freundlichkeit kann ökonomisch auf Märkten nützen. Immaterielle Anreize wie Lob und Anerkennung werden in der Gesellschaft eher unterschätzt, finanzielle Anreize überschätzt. Derartige nicht finanzielle Anreize haben auch einen starken Einfluss auf Konsumentscheidungen (M. Kirchner, Uni Innsbruck, Experimental Economics). Motto: "Wer nett ist, bekommt mehr Eis".

Vertrauen: In der Psychologie ein aufeinander verlassen können. Dadurch kann erheblich Teamarbeit und Produktivität gefördert werden. Auch die Krankheitstage sinken. Vgl. Paul J Zak: Wie Vertrauen die Leistung steigert, in: Harvard Business Manager, Mai/2017, S. 72ff. "Selbstvertrauen ist die Quelle des Vertrauens", Francois de la Rochefoucauld, französischer Autor.

Ehrlichkeit: Wer in einem Wettbewerb siegt, handelt danach eher unehrlich als Verlierer. Der Sieg löse ein Gefühl der Überlegenheit und Anspruchsdenken aus, das wiederum ein Übertreten von Regeln leichter mache (Experimente an der Hebräischen Universität Jerusalem).

Anstand: Das moralisch-ethische Verhalten jedes Einzelnen. Grundgedanke ist, dass Menschen nur im Zusammenleben existieren können. Manche ziehen sich in die Sicherheit der eigenen sozialen Schicht zurück. Andere verlieren sich in der Arbeit an der eigenen "Performance". Viele Menschen arbeiten zu sehr am Ego und zu selten am Wir. Vgl. Axel Hacke: Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen, 2017 (Kunstmann-Verlag). Vgl. auch: Ders.: Anstand, in: die Zeit, Nr. 35, 24. August 2017, S. 51ff. Menschen brauchen Anstand, um miteinander umgehen zu können. Zugleich wird oft gehadert, weil sie keine Heiligen sind. Man kann folgende Verhaltensregeln aufstellen: 1. Nimm Beziehungen wichtiger als Verpflichtungen. 2. Nutze deine Imagination. 3. Du sollst Menschen nicht plötzlich ignorieren. 4. Bemühe dich um Stil. 5. Abstand, bitte. 6. Du sollst nicht das Internet voll schreiben. 7. Versuche anderen nicht zu schaden. 8. Rede nicht zu viel von dir selbst. 9. Lass ein Paar Graustufen zu. 10. Nimm nicht alles so ernst. Siehe Hürter, T. u. a.: Wozu wir fähig sind, in: Hohe Luft, 2/2020, S. 14ff.

Wandel im Unternehmen: Nach Kurt Lewin (1890-1947, Feldtheorie) versteht man ein System erst dann, wenn man versucht, es zu verändern. Deshalb liefert ein Veränderungsprozess wichtige Informationen über ein System.

Teamzugehörigkeit und Leistung: Forscher haben untersucht, worin sich die engagiertesten Beschäftigten von anderen unterscheiden. Der bei weitem wichtigste Faktor war die Zugehörigkeit zu einem Team. Allein: In der modernen Arbeitswelt formen sich Teams andauernd neu. Sie sind abteilungsübergreifend, projektbezogen und lösen sich schnell wieder auf. Unternehmen müssen neue Technologien nutzen, um die wahren Teams in ihrer Organisation sichtbar zu machen. Dann müssen sie die Teamleiter darin schulen, wie sie eine Vertrauensbasis schaffen, Mitarbeitern Aufmerksamkeit schenken, gemeinsames Lernen fördern, das Teamerlebnis in den Mittelpunkt stellen und neue Arbeitsformen unterstützen können. Vgl. Buckingham, M./ Goodall, A.: Die Stärke unsichtbarer Teams, in: HBM, Januar 2020, S. 20ff.

Gerüchte: Sie entstehen durch einfache Situationsdeutungen in einem kommunikativen Vakuum. Sie sind nie ganz zu verhindern, allenfalls kann man sie eindämmen. Sie sind auch Ausdruck kollektiver Selbsthilfe, wenn ein Mangel an Informationen besteht oder wenn Normen und Werte verletzt werden. Eine Gruppe von Menschen kann sich dann in einer als unsicher empfundenen Situation wieder stark fühlen. Dieses Wir-Gefühl entsteht auf Kosten anderer.

Stress: Der Begriff kommt vom österreichisch-kanadischen Mediziner Hans Selye (später gestand er, dass "Strain" besser gewesen wäre).  Zunächst stieß er auf Unverständnis. Er entdeckte auch das Adrenalin und die Hormonklasse der Corticoide. Er unterschied schon 3 Phasen der Stressreaktion: Alarmreaktion, Widerstandsstadium, Erschöpfungsphase. Heute herrschen drei Modell zur Erfassung von Stress am Arbeitsplatz vor: Das "Job Demands-Control"-Stressmodell, das "Job-Demands-Resources"-Stressmodell und das "Effort-Reward"-Stressmodell; vgl. Bauer, Joachim:  Arbeit, München 2013, S. 83ff. Führt Stress zur massiven Bedrohung der psychischen Gesundheit spricht man von Burn-out. Herausragende Forscher auf diesem Gebiet sind Kurt Lewin, Herbert Freudenberger und Christina Maslach. Immer mehr Konzerne schulen inzwischen Manager, dass sie Gespür für psychische Probleme der Mitarbeiter zeigen. In jüngster Zeit wird der Stress nicht mehr so sehr als Krankmacher verteufelt, sondern eher als Lebensretter gesehen. Stress hält die Evolution auf Touren. Eine Studie an der UCLA (Laura Klein) zeigt, dass Frauen und Männer unter Stress unterschiedlich reagieren, weil unterschiedliche Hormone freigesetzt werde. Bei Männern Testosteron, das aggressiver und aktiver macht. Bei Frauen Oxytocin, das das  soziale Verhalten steigert und sich positiv auf das allgemeine Wohlbefinden auswirkt (Argument für eine weiblichere Welt). Vorsichtig sollte man sein, persönlichen Stressbekundungen zu glauben. Stress ist in vielen Berufen ein Status-Symbol. Geschäftigkeit gilt als Auszeichnung. Stress kann Erinnerungen, Lernen und den Tastsinn beeinflussen. Verantwortlich ist das Stresshormon Cortisol, das die Wahrnehmung beeinflusst. Stress fördert das Mitgefühl und Einfühlungsvermögen (Forscher der Uni Wien).  Im Auftrag der Technikerkrankenkasse macht 2013 das Meinungsforschungsinstitut Forsa eine Umfrage zu Stress in Deutschland ("Bleib locker Deutschland"). Immer mehr Menschen kommen an die Belastungsgrenze. Im Süden Deutschland gibt es mehr Stress. Der Job ist der größte Stresstreiber. Psychische Leiden der Beschäftigten lassen den Krankenstand in den Betrieben seit Jahren steigen (Leistungsdruck und schlechter Führungsstil der Vorgesetzten). "Ohne Leid ändert sich nichts, schon gar nicht die menschliche Natur", C G. Jung. "Beim Burn-Out warst du damals nicht so gut drauf", Sepp Maier, Torwartlegende. Ein europäisches Forscherteam kommt 2014 mit Experimenten zu folgendem Ergebnis: Stehen Männer unter Stress, denken sie zuerst an sich selbst. Bei Frauen ist genau das Gegenteil. 2012 lag die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage, die auf psychische Probleme und Verhaltensstörungen zurückgehen, bei rund 61,5 Mio. (mehr als jeder sechste Krankheitstag: Bundesarbeitsministerium). 2015 nehmen die Diagnosen von Burn-out und Depression dramatisch zu: Jede siebte Krankschreibung in Deutschland hat seelische Ursachen. Auch 2017 ist Arbeit noch der Hauptstressfaktor. 30- bis 39-Jährige leiden besonders. Vgl. Fischer/ Schorn: Die gestresste Gesellschaft, in: Handelsblatt, Nr. 113, 14.06.17, S. 24, 25.  "Spannst du eine Saite zu stark, wird sie reißen. Spannst du sie zu schwach, kannst du nicht auf ihr spielen", Gautama Buddha.

Burn-out: Chronische Erschöpfung. Überforderung und psychischer Zusammenbruch durch die Arbeit. Besonders Gebertypen sind anfällig dafür (Hilfsbereitschaft ist aber eine Management-Tugend). Selbstlosigkeit kann zu dauernder Erschöpfung führen. Deshalb sollte man mehr tun, was einen selbst interessiert, die Belastung möglichst breit verteilen, auf eigene Bedürfnisse achten, Widerstand maximieren und Nehmer auf Abstand halten. Vgl. Harvard Business Manager, Mai 2017, S. 22ff. Der Begriff wurde von dem Psychiater Bert te Wildt (Prof. Dr.; Chefarzt der Psychosomatischen Klinik Kloster Dießen) geprägt. Es ist eine Scheidelinie von Durchhalten und Zusammenbruch. Eine antizipatorische Maßnahme ist, dafür zu sorgen, dass die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben nicht zerfranst.

Stressreaktionen des Körpers: Stressachsen werden in Bewegung gesetzt. Betroffen sind Hypothalamus, Hypophyse, Sympathikus, Bronchien und Nebenniere. Sie arbeiten mit Adrenalin und Kortisol. Bei extremem Stress kann eine posttraumatische Belastungsstörung auftreten (PTBS).

Stressfaktoren: In der modernen, agilen Berufswelt schuften sich viele kaputt. Folgen können Burn-out, Herzinfarkte und schmerzen sein. Moderne Technik, die Erleichterung bringen sollte, bewirkt oft das Gegenteil. Die meisten Fehltage aufgrund von Burn-out-Erkrankungen haben folgende Berufe: Sozialarbeit/ Sozialpädagogik (310 Tage), Haus- und Familienpflege (303 Tage), Heilerziehungspflege, Sonderpädagogik (296). Stressfaktoren sind lange Arbeitszeiten, Termindruck/ Hetze, zu viel Arbeit, Unterbrechungen/ Störungen. Weitere Stressgründe sind: Schule, Studiem; hohe Ansprüche an sich selbst; schwere Krankheit von jemanden, der nahe steht. Vgl. Endres, Helene u. a.: Zu viel, zu lang, zu hektisch, in: Der Spiegel Nr. 20/ 14.5.22, S. 10ff. 2024 melden sich mehr und mehr Beschäftigte mit psychischen Problemen krank. Es gibt viele Fehltage wegen Seelenleiden. Rückenschmerzen spielen ebenfalls eine große Rolle.

Erholung: Der Mensch braucht Erholung, um produktiv zu sein. Wir können uns auf sieben Ebenen erschöpfen (körperlich, mental, spirituell, emotional, sozial, sensorisch, kreativ). Wir müssen uns entsprechend erholen. Urlaub und Schlaf für sich alleine werden überschätzt. Erholung muss ins Arbeitsleben integriert werden. Vgl. Saundra Dalton-Smith: Sacred Rest: Recover Your Life, Renew Your Energy, Restore Your Sanity, 2023.

Nein sagen als Superkraft: Ja sagen kann, wenn es immer stattfindet, zu Ausbrennen führen. Die souveräne Abgrenzung fällt vielen schwer. Das gilt vor allem fürs Arbeitsleben. Das respektvolle, aber klare Nein sollte man lernen und trainieren. Es ist eine Kunst, weil man leicht übers Ziel hinausschießen kann.

Gelassenheit: Es ist eine Haltung, die sich auch lernen lässt. Innere ruhe finden wir nicht, indem wir nichts tun. Es empfehlen sich folgende Schritte: 1. Seine Gefühle verstehen. 2. Gelassenheit braucht Freiraum. 3. Kein Perfektionismus. 4. Mit sich im Reinen sein. 5. Man muss wissen, wenn es sich lohnt, sich aufzuregen. 6. Gelassenheit lässt sich nicht erzwingen. Vgl. Botzenhardt, Tilman/ Gottschalk, Gesa: Gelassen durchs Leben gehen, in: Geowissen Gesundheit, November 2022, s. 68ff.

Grenzerfahrungen: Dazu gehören Kriegserlebnisse. Menschen wachsen an Grenzerfahrungen oder sie zerbrechen. Also bringen sie einen Reifeprozess oder Traumatisierung.

Einsamkeit: Unfreiwilliges Alleinsein. Es kann auch zu Schmerz führen. Einsame Menschen begegnen ihrer Umwelt mit mehr Misstrauen. Man spricht von chronischer Einsamkeit, wenn sie lange anhält. Am stärksten betroffen sind ältere Menschen. Mittlerweile ist die Einsamkeit auch stark in der Gruppe der 18 bis 39-jährigen vertreten. Sozial isolierte Menschen haben ein um 42% erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt. Einsamkeit macht also krank, weil sie wie Stress wirkt. Als Mittel gegen Einsamkeit wirkt grundsätzlich Resonanz, die da sein muss (Miteinander).   Im Mai 2019 gibt es eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP: Bei den 45- bis 84-jährigen ist von 2011 bis 2017 die Quote derjenigen, die sich einsam fühlen, um 15% gestiegen. Probleme gibt es bereits bei Jugendlichen. Soziale Isolation fördert das Auftreten bestimmter Krankheiten. Großbritannien, Japan, Dänemark und Australien gehen gegen Einsamkeit vor (Quelle: wissenschaftliche Untersuchung 2019). Einsamkeit kann auch die Demokratie gefährden: 16- bis 23-jährige, die sich einsam fühlen, sind anfälliger für Verschwörungsideologien. Quelle: Studie Denkfabrik "Progressives Zentrum", 2023. Ende 2023 macht die Bundesregierung gegen Vereinsamung und soziale Isolation mobil. Die Bundesregierung verabschiedet eine "Strategie gegen Einsamkeit". Nach Corona sei der Anteil der Einsamen auf über 40% gestiegen (vor allem folgende Gruppen: Alleinerziehende, Flüchtlinge, Migranten, Menschen mit Behinderung, chronisch Kranke, Frauen). Es soll ein Expertengremium und ein "Einsamkeitsbarometer" kommen. In Berlin-Reinickendorf wird 2024 die Stelle zur Unterstützung einsamer Menschen geschaffen. Annabell Paris bekommt die Stelle.

Einsamkeit als Massenphänomen: Immer mehr Menschen leben allein. Das heißt nicht unbedingt, dass sie unglücklich sind. Einsamkeitsgefühle sind subjektiv. Es ist ein subjektives Leiden, das sich auf den Unterschied zwischen erwünschten und tatsächlichen sozialen Kontakten bezieht. Niemals zuvor gab es in Deutschland so viele Einpersonenhaushalte (17,33 Mio. 2018, Quelle Destatis). Soziologen verweisen auf die Individualisierung der Lebensläufe und die stärkere Selbstbezogenheit des Einzelnen. Einsamkeit spielt sich im Verborgenen ab. Die Handlungsebene ist die Kommune. Murthy (hat ein Buch über Einsamkeit geschrieben, 2020) unterscheidet drei Arten: 1. Intime Einsamkeit (Partner oder enger Vertrauter fehlt). 2. Beziehungseinsamkeit (Mangel an Freunden). 3. Kollektive Einsamkeit (man fühlt sich nicht als Teil einer Gemeinschaft). Die Bundesregierung startet 2022 eine neue Initiative. Es wird ein Kompetenzzentrum Einsamkeit eingerichtet. Inzwischen fühlen sich 12% aller Menschen über 80 Jahre einsam (Corona). Laut einer repräsentativen Studie 2023 fühlen sich 25% in Deutschland einsam (vgl. Deutschlandbarometer Depression 2023; 5200 Erwachsene unter 70 Jahren).

Exkurs: Psychische Gesundheit in Japan und Süd-Korea: 2020 steigt die Suizidrate in Japan wieder an auf 21.919 Tote. Sie ist eine der höchsten in der Welt. Deshalb gründet die Regierung 2021 ein Ministerium für Einsamkeit (Minister wird Sakamoto; GB hatte das Gleiche 2018 schon gemacht, weltweit erster Minister). Die Suizidzahlen sind hoch bei Frauen, Selbständigen und Arbeitslosen. Die Pandemie hatte die Gesundheitsprobleme verschärft: isolierte Arbeit am Computer sowie familiäre Trennungen vor allem wegen der verengten Wohnbedingungen. Ein erster Aktionsplan ist in Arbeit. Aktivitäten sollen gefördert, die Einsamkeit und Entfremdung soll verhindert werden, die Bindungen zwischen den Menschen sollen geschützt werden. Auf konkrete Maßnahmen darf man gespannt sein. Vgl. Köhler, Angela: Auf verlorenem Posten, in: Rheinpfalz Nr. 135, 15. 6.2021, S. 1 Korea hat die höchste Suizidrate unter allen Industrieländern. Ursache dürfte der extrem hohe Leistungsdruck und die Vereinsamung durch Trennung von alten Rollenbildern (Konfuzianismus) sein. Die "Brücke des Todes" in Seoul erringt traurige Berühmtheit.

Isolation: Wer isoliert wird oder sich selbst isoliert, setzt sich enormen Risiken aus. Man wird öfter krank. Das Immunsystem wird schwächer. Herz-Kreislauf-Störungen nehmen zu. Die Wahrscheinlichkeit für Depression steigt. Insofern wird die Corona-Krise indirekt viele psychische Folgen haben auch für die Gesundheit. Im Gehirn werden ähnliche Signale ausgelöst wie bei Hunger. Es entsteht eine Stresssituation.

Sensorische Deprivation: Es ist der Entzug von Licht oder Dunkelheit. Sie wurde zuerst von dem Kanadier Donald O. Hebb (1904-1983) untersucht. Die Forschung stand im Zusammenhang mit militärischen Interessen. Es ging um Gehirnwäsche. Die Studie wies nach, dass der Mensch einen deutlichen Bedarf an sensorischen und sozialen Reizen hat. Wenn die Reize ausbleiben, kommt es zu Störungen.

Angst: Es gibt eine Rangliste der Ängste. An der Spitze ist die Angst, öffentlich zu reden (Lampenfieber). Dann folgen große Höhen, Geldmangel, Tiefes Wasser, Ungeziefer, Krankheit und Tod, Flugangst, Einsamkeit, Hunde, Autofahren (Quelle: Statista). Es gibt eine jährliche Umfrage zu den Ängsten der Deutschen (seit 1992, 2300 Bundesbürger, Auftrag R+V-Versicherung). 2018 führt die Angst vor Donald Trump vor Zuwanderung. "Was macht Angst mit der Demokratie?" Zu diesem Thema gab es am 23.9.20  auf dem Hambacher Schloss eine Veranstaltung mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (Stiftung Hambacher Schloss und SWR). 2021 wird eine Studie zu den Ängsten der Deutschen vorgelegt. Sie wurde im Auftrag der R & V-Versicherung gemacht. Zum 30. Mal. Ergebnis ist, dass materielle Sorgen dominant sind. Die Deutschen sind aber keine Angsthasen, sondern eher gelassen (Corona, Klimawandel, Afghanistan). Die Angststörungen bei Männern haben in jüngster Zeit 2023  rapide zugenommen (Corona, mehr Belastung im Haushalt).

Angsterkrankungen (Phobien): Man unterscheidet folgende Arten: Dei spezifische Phobie. Angst vor bestimmten Objekten und Situationen (Spinnen, Dunkelheit). Soziale Phobie (Angst davor, sich zu blamieren). Agoraphobie (Situationen, in denen man sich hilflos fühlt, z. B. Menschenmengen). Panikstörung. Generalisierte Angststörung (ständige Sorge). "Nothing in life is to be feared, it is only to be understood", Marie Curie (167-1934, French-Polish scientist and winner of Nobel Prize for Physics and Chemistry.

Selbstblockaden: Erfinden von Ausreden, um sein Verhalten nicht zu ändern. Das gilt vor allem für unsere Gesundheit. In der Theorie wissen wir ziemlich gut, was unsere Gesundheit stärkt. Oft setzen wir uns unbewusst komplett unrealistische Ziele, um so weitermachen zu können wie zuvor.

Psychologie der Angst in der Corona-Krise 2020/ 21: Die Krise durch Covid-19 ausgelöst ist einzigartig in der Geschichte. Es ist wie ein globales psychisches Experiment. Die Krise löst Stress aus, weil niemand weiß, was er anrichtet und was kommt. Erster Begleiter ist Angst. Sie verzerrt vieles andere. Wir neigen jetzt dazu, pessimistischer zu denken (Vorsicht ist besser). Angst hat biologische Wurzeln (Vorfahren). wir können uns aber nicht, wie sonst, in die Nähe von Familien und Freunden flüchten. Angst ist das Ergebnis von Lern - Erfahrungen. Angst kann auch pathologisch sein, wenn sie krankhaft wird (von sorgen überflutet). Hinzu kommen können Panikattacken (Herzrasen, Zittern) und Phobien bzw. Zwangshandlungen. Existenzsorgen, Isolation und Freiheitsentzug lösen weitere psychische Probleme aus. Vgl. Endres, Helene u. a.: Die Psychologie der Angst, in: Der Spiegel, Nr. 16, 11.4.2020, S. 42ff. Rettungsring (Beratung und Betreuungsangebot für psychisch erkrankte Menschen in Corona-Zeiten über PC, Handy und Tablet). Am besten kommen Menschen mit der Krise zurecht, die über hohe Resilienz verfügen. Wichtig ist "positiv appraisal style" (Fähigkeit, Situation neu zu bewerten). Es gibt auch hier Risikogruppen. Sie brauchen Unterstützung.  Die psychische Gesundheit von Kindern hat sich während der Corona-Krise in Deutschland verschlechtert. Nach einer Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf stehen Kinder und Jugendliche vermehrt unter Stress und leiden unter psychosomatischen Beschwerden (Kopfschmerzen, Einschlafprobleme, Gereiztheit). Im Oktober 2020 warnt die WHO vor den Folgen der Corona-Pandemie für die Psyche vieler Menschen. Es leiden auch Menschen. die sich nicht angesteckt haben. 2021 gibt es keine belastbaren Zahlen dafür, dass psychische Erkrankungen zugenommen haben. Vgl. Interview mit dem Experten Borwin Bandelow, Uni Göttingen. Vgl. Focus 51/2021, S. 84ff.

Angstbereitschaft: Sie ist eine Überlebensbedingung. Terror, Covid, Klimakatastrophe lösen dies heute aus. Aber sie kann eine Gesellschaft auch lähmen und die Menschen unmündig machen. Wer Angst hat, lässt sich in seinem verhalten leicht vorausberechnen und kontrollieren. Am Ende ersetzt Panik das Argument. Vgl. Bolz, Norbert: Avantgarde der Angst, Verlag Matthes & Seitz 2020.

Psychische Abwehrmechanismen gegen Angst: Angst ist ein wichtiges und ungeliebtes Gefühl. Abwehr im Dienste der Bindung: Idealisieren und Schönreden. Abwehr im Dienste der Autonomie: Abwerten und Rationalisieren. Vgl. Stefanie Stahl: Wer wir sind. wie wir wahrnehmen, fühlen und lieben, München (Kailash) 2022, S. 143ff..

Psychologische Sicherheit: Psychologische Sicherheit ist die Wahrnehmung von Individuen, dass sie vor den Konsequenzen zwischenmenschlicher Risiken am Arbeitsplatz sicher sind. ... (Amy Edmondson 2004). Psychologische Sicherheit entsteht dann, wenn Mitarbeiter sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen, ihre Ideen und Meinungen ausdrücken. ... Doch oft sorgen sich Mitarbeiter darum, dass der Chef oder die Kollegen die eigene Meinung nicht mögen. Oder sich sogar darüber lustig machen. Vgl. Amy Edmondson: Die angstfreie Organisation (The fearless organization).

Covid-Stress-Syndrom: Nerven-, Hormon- und Immunsystem beeinflussen sich wechselseitig. Hierfür liefert die Psychoneurologie (PNI) inzwischen zahlreiche Belege. Aber auch diei Psyche und das soziale Umfeld  wirken entscheidend auf dei Immunaktivität. Wir sind soziale Wesen. Fehlende soziale Kontakte, aber auch Existenzängste, belasten die Psyche nachhaltig. Da sist ein Dilemma in der Covid-19-Zeit, wo Social Distancing notwendig ist. Vgl. Schubert, Christian/ Singer, Magdalena (Hg.): Das Unsichtbare hinter dem Sichtbaren. Gesundheit und Krankheit neu denken. Perspektiven der Psychoneuroimmunologie, BoD, 2020.

Chronische Fatigue:  Typisch auch post-viral. Bei einer Infektion stellt das Immunsystem den Körper ruhig und braucht alle Kräfte für die Abwehr. Jede Aktivität kostet unendliche Anstrengung. Man spricht auch von chronischer Erschöpfung. Es ist eigentlich keine psychische Krankheit.

Borderline - Persönlichkeitsstörung (BPS): Emotionale Instabilität. Psychische Erkrankung. Symtome: Impulsivität, rasche Stimmungswechsel, schwankendes Selbstbild, gestörte Selbstwahrnehmung, selbst schädigendes Verhalten. Die Häufigkeit ist in etwa gleich bei Männern und Frauen, nur Männer lassen sich weniger Therapieren. Ursachen: angeboren, Umwelteinflüsse, Neurobiologie.

Depression: Psychische Krankheit. Das Ich wird zum Despoten. Es wendet sich selbst zu und eine unkontrollierte Selbstbespiegelung blendet schrittweise die Realität aus. Jeder fünfte Beschäftigte ist in Deutschland 2021 an Depression erkrankt. Quelle: Stiftung Deutsche Depressionshilfe.

Demenz oder Depression?: Die Unterschiede sind schwer festzustellen, es gibt oft Überschneidungen. vor allem die vaskuläre Demenz mit verengten Blutgefäßen im Gehirn. ähnelt der Depression. Manchmal beschleunigen Depressionen den geistigen Abbau.  Insofern können leicht Fehldiagnosen in beide Richtungen auftreten. Jeder fünfte bis sechste Bundesbürger soll im Laufe seines Leben an einer Depression leiden. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Vgl. Demenz oder Depression, in: Focus 45/2021, S. 72.

Resilienz: Entspricht am ehesten dem deutschen Begriff "Widerstandsfähigkeit" (auch "Elastizitätsfähigkeit"). Es ist die Fähigkeit, auf Krisensituationen besonders gut zu reagieren. Es ist die Fähigkeit, nach ausgeprägtem Alltagsstress und elementaren Krisen möglichst rasch einen seelischen Normalzustand zu erreichen. Aus der Psychologie wurde der Begriff auch in die Ökonomie übernommen. Die Resilienz wird auch beeinflusst von der Kultur und von der Unternehmensgröße. Bezogen auf KMU spricht man von System - Resilienz. Diese kann besonders wichtig sein bei extremen Krisensituationen. Allgemein gilt die Hypothese, dass die Resilienz bei KMU höher als bei Großunternehmen ist. Individuell besteht eine hohe Korrelation zur Arbeitszufriedenheit (und die wiederum beeinflusst die Produktivität stark). Resilienz bedeutet auch, Misserfolge hinzunehmen und weiterzumachen. Die Psychologie versucht, das Geheimnis resilienter Menschen zu ergründen. Erwiesen ist die prägende Kraft schwieriger Kindheitserfahrungen.  Vgl. Meg Jay: Die Macht der Kindheit, Hoffmann und Campe 2018.  In Mainz gibt es seit 2014 das Deutsche Resilienz Zentrum. Es erforscht Stressfaktoren (Stressoren, neurobiologische Forschungserkenntnisse). Stressempfindlichkeit wird also im Kindesalter geprägt. In dieser Zeit müssen Sicherheit, Geborgenheit und Bindungen da sein.

Es gibt 12 Ressourcen, die ein resilientes Wohlbefinden fördern: Mitgefühl, Achtsamkeit, Lernen, Durchhaltevermögen, Dankbarkeit, Vertrauen, Ruhe, Motivation, Mut, Bestreben. Vgl. Rick Manson: Das resiliente Gehirn. Wie wir zu unerschütterlicher Gelassenheit, innere Stärke und Glück finden können, Arbor Verlag 2019. "Wir brauchen Resilienz, um schlimme Ereignisse in unserem Leben zu bewältigen, aber auch, um im Alltag belastbarer zu werden, so dass Widrigkeiten uns nicht völlig umstoßen können", Siehe oben.

Anpassungsfähigkeit: Gefühle, sich an neue Situationen anpassen zu können. Neue Technologien, neue Geschäftsmodelle, neue Abläufe, Veränderungen in der Arbeitswelt sind zum ständigen Begleiter geworden. Der Mensch muss sich ständig darauf einstellen können. Wichtig dabei sind innere Ausgeglichenheit und Stärke. Flexibilität beginnt im Gehirn (Plastizität). Dazu kommt Akzeptanz der Situation. Vgl. Stiens, Teresa: Passt schon! in: WiWo 31, 30.7.21, S. 90ff.

Futability: Bewältigung von Veränderungen und Transformation. Vgl. Melanie Vogel: Futability, 2016. Unsere Welt ist VUCA geworden: volatil, ungewiss, komplex und mehrdeutig. Es geht darum, mit Veränderungen umzugehen. "Lernen bedeutet nicht nur das Aneignen neuen Wissens und neuer Kompetenzen, sondern auch das bewusste Ver-Lernen von veralteten Informationen, die in einer veränderten Umwelt zum mentalen Ballast werden". Vgl. auch www.futability.com

Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT): Sie wurde von Steven C. Hayes entwickelt, Professor für Psychologie an der Universität von Nevada in den USA. Es ist eine Psychotherapie, die Elemente von Achtsamkeit und klassischer Verhaltenstherapie verbindet. Vgl. Hayes, Steven C.: A Liberated Mind (Deutsch: Kurswechsel im Kopf), 2020. Hayes hat 44 Bücher und 600 wissenschaftliche Artikel veröffentlicht und ist einer der meistzitierten Psychologen der Welt. Hayes setzt die Methode als Resilienz - Hilfe ein. Krisen sind schwer zu ertragen. Was wäre, wenn wir sie akzeptieren? wir müssen uns von negativen Gedanken lösen und unser Gehirn an die Leine nehmen. Der britische Psychologe David Chantry hat dazu einen Test entwickelt (ACT - Selbsttest). Elemente sind: Akzeptanz, Kontakt mit dem jetzigen Moment, Werte, Commitment und Handeln, Selbst als Beobachter, Kognitive Diffusion. Vgl. David Chantry, https://stevenchayes.com  .

Krisenbewältigung: Die Psychologie bietet verschiedene konkrete Instrumente an, um die Stressresilienz zu erhöhen. 1. Frei schreiben: expressives Schreiben, um Belastungen oder Traumata zu verarbeiten. James Pennebaker von Texas University in Austin hat die Methode entwickelt. 2. "Radikale Akzeptanz": die schwierige Situation annehmen. 3. Vom Computer coachen lassen: Maßgeschneiderte Online-Programme.  Viele Kurse sind kostenlos. Z.B. www.resilienz.aufkursbleiben.uni-mainz.de ). 4. Anderen helfen: Helfen macht glücklich. Vgl. Elke Hartmann-Wolff: Der Seele Kraft geben, in: Der Focus 28/2020, S. 63f. "Du kannst den Kampf verlieren, aber du wirst niemals aufgeben", Lebensmotto von Ernest Hemingway, 1899-1961. Er sucht immer existenzielle Kämpfe. Der US-Amerikaner war Reporter, Kriegsberichtserstatter, Geschichtenerzähler, Nobelpreisträger.

Lösungsmöglichkeiten für psychische Krisen in schwierigen Zeiten: Der Neurowissenschaftler und Psychiater Busch hat folgende Lösungsmöglichkeiten: 1. Die Waffe des Verstands (mut zum Denken). 2. Handeln schlägt Hagern (Focus auf das Machbare).  3. Vieles kommt besser (Erwartungen täuschen). 4. Pause vor dem Endspurt (Übungen machen Meister). 5. An bitteren Erfahrungen wachsen (mit Maß und Mitte, den Kopf nicht hängen lassen). 6. Mut zum Aufbruch. Vgl. Busch, Volker: Kopf hoch! Mental gesund in herausfordernden Zeiten, München (Droemer) 2024.

Danke Denken: Wertschätzung im Arbeitsumfeld. Wenn man überfordert, angespannt, mies gelaunt ist, kann Dankbarkeit die Stimmung sofort verbessern. Man kann auch lernen, Dankbarkeit zu fühlen. so kann man ein Dankbarkeitstagebuch führen. Man sollte Dankbarkeit zum Ritual machen. Vgl. Littlefield, Christopher, Begründer des Beratungsunternehmens Beyond Thank you. Vgl. https://beyondthankyou.com .

Resilienz - Training: Die Autoren empfehlen Führungskräften, eine Krise systematisch nach den Aspekten Kontrolle, Einfluss, Tragweite und Dauer zu analysieren. Je drei Fragen dienen dazu, die Situation zu präzisieren, zu imaginieren und zu überlegen, mit wem gemeinsam eine Lösung entwickelt werden kann.  Vgl. Margolis, J. D./ Stoltz, P.: Werden sie belastbarer, in: HBM März 2021, S. 34ff.

Flexibilität: Berufliche Flexibilität betrifft die inhaltliche und Niveau bedingte Fähigkeit sich anzupassen. Entweder stimmen Ausbildungsrichtung und Inhalt der Tätigkeit nicht überein oder Ausbildungsniveau und Tätigkeitsniveau. Auch beides kann nicht übereinstimmen. Liegt das Ausbildungsniveau erheblich über dem Tätigkeitsniveau, kann dies zu Stress führen. Man kann Flexibilität auch als psychische Fähigkeit sehen.  "Flexibilität gibt uns die Möglichkeit, zu lernen und uns zu erkennen, dass alle Situationen, die wir erleben, uns etwas lehren - falls wir bereit und fähig sind, zu lernen. Auf diese Weise werden wir uns nicht, wenn wir Problemen begegnen von unserer Angst aufhalten lassen, sondern in der Lage sein, das Positive in Allem wahrzunehmen", Dadi Janki, 365 Days of Wisdom.

Design Thinking: Als goldene Regeln gelten: flexible Räumlichkeiten schaffen, gemischte Teams bilden, Problem definieren, nicht auf Zahlen fixieren, im Chaos versinken, Regeln nicht zu starr festlegen. Die Methode ist derzeit die wichtigste Innovationsmethode. Sie bietet einen strukturierten Prozess. Innovatoren können sich von kontraproduktiven und innovationsfeindlichen Tendenzen freimachen. Es handelt sich um eine soziale Technologie, die praktische Tools mit menschlichen Eigenschaften verbindet.

Kreativität: Kreativität ist eine wertvolle und erstrebenswerte Fähigkeit ist ein Übermaß vorhanden, kann sich eine negative Seite zeigen: Paranoia). Mit richtigem Führungsstil und passender Arbeitsumgebung kann Kreativität gefördert werden. Kreativität ist eine wichtige Führungsqualität. Bestimmte Methoden führen zu mehr Kreativität: Brainstorming, Mind Map, Methode 653, Sechs-Hüte-Methode, Umkehrmethode u. a. Besonders förderlich ist Bewegung. In Experimenten in den USA haben sich Spaziergänge als besonders förderlich erwiesen. Abstraktes Denken und körperliche Aktion sind eng miteinander verzahnt. Kreativität und Erfindergeist sind eine wichtige Grundlage für Innovation, das Alles im Unternehmen durchdringen muss (Alle, immer und überall). Der Computer wird dem Menschen immer ähnlicher. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Computer den Menschen auch in der Kreativität teilweise ersetzen kann.  "Wer neue Ideen einbringt, verlässt immer den Boden der Solidarität", Max von der Grün, 1926-2005, deutscher Schriftsteller. "Der einzig wahre Realist ist der Visionär", Frederico Fellini, italienischer Regisseur. "Kreativität ist kein Beruf, sie ist eine psychische Krankheit", Philippe Starck, französischer Designer. "Creativity ist Intelligence having Fun", Albert Einstein (1879-1955).

Zaudern: Prozess des Zögerns, an dessen Beginn eine Frage steht und am Ende ein Ja oder Nein. Es bewahrt uns vor unwiderruflichen Urteilen und endgültigen Lösungen. Die Haltung wird oft mit willenschwach und antriebslos verwechselt.

Zeitmanagement: Wird immer wichtiger. Gilt für Arbeitnehmer, Elternteil, Verbraucher oder Partner. Grund ist der immer komplexer werdende Alltag. Techniken, die Überforderung verhindern, werden immer wichtiger. Dazu gehören: Technik abschalten, Nein sagen, Aufgaben eliminieren, Leistungen auslagern. "Laufe nicht der Vergangenheit nach, verliere dich nicht in der Zukunft. Die Vergangenheit ist nicht mehr. Die Zukunft ist noch nicht gekommen. Das Leben ist hier und jetzt", Laotse.

Innere Uhr: Wenn man sie missachtet, kann man krank werden. Winzige Zeitmesser in den Zellen steuern den Körper. Jede einzelne Zelle besitzt einen eigenen Taktgeber. Besonders wichtig sind Wach- und Essenszeit, Schlaf- und Fastenzeit.

Karma Business: Es gibt drei Glücksfaktoren: Wachstum, Kreation, Fürsorge. Karma Business besteht aus fünf Prinzipien: Das Prinzip "Freude", das Prinzip "Klarheit", das Prinzip "Mitgefühl", das Prinzip "Freigebigkeit", das Prinzip "Leerheit". Dazu gibt es drei Regeln: Regel Nr. 1, Geld erwirtschaften; Regel Nr. 2, Freude am Geld; Regel Nr. 3, Bedeutsamkeit. Zum Set-up gehören idealer Businesspartner, Transparenz in der Positionierung, Integration von Archetyp und Lebensaufgabe, Herzenswärme und emotionale Intelligenz, Zehn Prozent, Gelassenheit in allen Situationen. Siehe Niedermeier, Katja: Karma Business, München 2017.

Achtsamkeit: Modethema in der Wirtschaft 2013 und 2014. Achtsamkeit soll vor Stress und Überforderung schützen. Es werden viele Kurse bei den und für die großen Unternehmen international eingerichtet ("Search inside yourself", Google). Es geht um Stressbewältigung und Meditation. Die Konzeption und der Grundgedanke stammen aus dem Buddhismus. Hier steht die "sehende" Achtsamkeit im Vordergrund.  In KMU kann Achtsamkeit in Prozessmanagement, Unternehmensführung und Personalwirtschaft einfließen. Achtsamkeit dürfte eine der wichtigsten Fähigkeiten in unserer schnellen Zeit sein. "Nicht außerhalb, nur in dir selbst soll man den Frieden suchen. Wer die innere Stille gefunden hat, der greift nach nichts, und verwirft auch nichts", Buddha.

Exkurs: Thich Nhat Hanh. Er war im 20. Jahrhundert einer der wichtigsten und berühmtesten Vertreter des Buddhismus in der Welt. Er wurde Zen-Meister genannt und stand für die Ausbreitung des Achtsamkeits-Konzeptes in der Welt. Im Januar 2022 stirbt er mit 95 Jahren im Tu Hien - Tempel in der alten Kaiserstadt Hue/ Vietnam. Im Vietnam-Krieg 1966 hatte er fliehen müssen. Er baute dann Klöster im Westen auf. Europa-Zentrale war und ist EIAB in Waldbröl bei Köln/ Bergisches Land. Dorthin kamen und kommen Besucher aus 35 europäischen Ländern. "Die Welt muss nicht sterben, um zu Wasser zu werden, sie ist bereits Wasser", war sein berühmtester Spruch.

Achtsamkeit als Lebenseinstellung: Achtsamkeit ist weniger eine Methode, die man sich aneignen kann, sondern eine innere Haltung, die das ganze Leben beeinflusst. Damit beeinflusst sie auch die Art zu erziehen und zu unterrichten.  Psychische Ressourcen sind wichtiger als Wissenserwerb. Vor allem Unvoreingenommenheit und Offenheit sind gefragt. Im Konkreten kann das auch heißen: Multitasking vermeiden, ständige Grübeleien fressen Energie, kleine Momente im Alltag nutzen, meditieren, Atemübungen. Wer sich humorvoll, satirisch  und ausführlich mit dem Thema "Achtsamkeit" beschäftigen will, sollte folgendes Buch lesen:  Karsten Dusse, Achtsam Morden, München 2019. Björn Diemel wird von seiner Frau gezwungen, ein Achtsamkeits-Seminar zu besuchen, um seine Worklife-Balance wiederherzustellen. Er ist ein erfolgreicher Anwalt und hat zu wenig Zeit für seine Familie. Schließlich endet das Ganze in zwei "achtsamen" Morden von Großkriminellen.

Achtsamkeit und Atmen: Langsames, kontrolliertes Luftholen hat enorm positive Auswirkungen auf unsere Hirnfunktionen. Sehr nützlich sind Atemübungen. Die kommen in der Regel aus dem Yoga. Es ist besonders wichtig, länger aus- als einzuatmen.  Vgl. Laborde, Sylvain: Achtsam atmen, in: Geowissen Gesundheit, November 2022, S. 12ff.

Achtsamkeit als Gefahr: Um Yoga, Meditation und Achtsamkeit ist ein Milliardenmarkt entstanden. Zu viel Achtsamkeit kann aber gefährlich sein. Die scheinbar sanften Methoden können unerwünschte Folgen haben. Betroffene können Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Manien entwickeln. Das gilt für den Einzelnen wie für die Gesellschaft. Vor allem narzisstische Menschen lieben die Achtsamkeit. Vgl. Koch, Julia/ Kullmann, Kerstin/ Neumann, Tim: Zu viel des Guten, in: Der Spiegel 40/ 30.9.23, S. 92ff.

Meditation: Richtig entspannen. Meditieren kann man lernen. Dann kann man im Alltag besser mit belastenden Gedanken und Gefühlen umgehen. In Zeiten von Arbeitsverdichtung, Multitasking und Informationsflut ist Meditation ein wirksames Mittel, um einen ruhigen Geist und einen klaren Kopf zu bewahren. Führend ist im Moment MBSR ("Mindfulness-Based Stess Reduction"). Seit den 80er-Jahren von dem US-Amerikaner Jon Kabat-Zinn etabliert. Es gibt viele Schulen der Meditation: MBSR, Christliche Mystik, Kabbalah (im Judentum), Sufismus (Derwische), Yoga, Vipanassa, Tibetischer Buddhismus, Daoismus, Zen.

Buddhistische Psychologie: Sie lehrt Akzeptanz und Gelassenheit. Sie ist mittlerweile auch in vielen westlichen Therapien enthalten (MBSR, DBT). Sie kann helfen bei Schmerzen, Enttäuschungen und Ängsten. Sie geht von einer universellen Perspektive aus, die entlastet: Leid ist unvermeidbar, es stößt allen zu, ich bin nicht allein. Die  Psyche muss von Narzissmus befreit werden. Wie überhaupt Befreiung der Kern ist (das Ich überwinden). Man muss eine Distanz zur Angst entwickeln. Basis sind die Lehren des Buddha (edle Wahrheiten genannt): 1. Leben ist Leiden. 2. Die Ursachen des Leidens liegen nicht nur in unserem alternden Körper und in der Tatsache, dass wir sterben müssen und auch unsere Lieben irgendwann sterben, sondern insbesondere in unserem Geist. 3. Es ist möglich, das Leiden zu überwinden, indem wir seine Ursachen verstehen und auflösen. 4. Wir können das Leiden beenden durch die Praxis des so genannten achtfachen Pfades. Spiritualität ist ein Grundbedürfnis.  Vgl. Schönberger, Birgit: Hast du ein Problem und willst es loswerden, dann hast du schon zwei, in: Psychologie heute 09/ 2023, S. 12ff. Auch: Ulrike Anderssen, Michael von Brück: Buddhistische Basics für Psychotherapeuten. Mit einem Geleitwort des Dalai Lama, Schattauer 2022.

Stoizismus: Der Stoizismus erlebt 2021 eine Renaissance. Es erscheinen viele Bücher, auch auf Deutsch. Man spricht von einer Philosophie der Praxis. Die Ursprünge reichen ins antike Griechenland 300 v. Chr. Die bekanntesten Vertreter sind Zenon von Kition (ca. 334 -262 v. Chr.), Ariston von Chios (300 - 260 v. Chr.),  Epiktet (50-135 n. Chr., Griechenland, begann als Sklave, er gilt als Haupt-Begründer), Seneca (römischer Senator, 4. v. Chr. - 65 n. Chr.) und Mark Aurel (121 - 180 n. Chr., Kaiser von Rom, Schriftsteller: Selbstbetrachtungen). 2023 erscheint ein Film über Seneca, der aber mehr eine Parabel überkorrupte Politik und Philosophie ist und Seneca missbraucht.  Auch Cicero (106 - 43 v. Chr., römischer Staatsmann, Redner und Schriftsteller) wird dazu gerechnet. Die griechischen Stoiker waren meist Pantheisten. Sie meinten, dass Gott das Universum ist. Sie nannten es Zeus, ein einziger Organismus, gleichbedeutend mit Natur und Vernunft (große Parallelen zu den Naturphilosophien in Asien: Daoismus und Shintoismus). Ziel der stoischen Philosophie ist "Eudaimonia", ein erfülltes Leben (blühend, in gutem Fluss, in Harmonie mit der Natur). Man spricht auch von Glückseligkeit und menschlichem Gedeihen. Der Stoizismus meint heute ein bestimmtes Denken und Handeln. Er ist ein emotionales Handwerkszeug, um den Geist zu trainieren und ein erfolgreiches Leben zu führen. Stoisches Handeln erfolgt nach Tugenden: Weisheit, Mut, Gerechtigkeit, Mäßigung. Man soll das Positive gestalten.  Psychologisch geht es um emotionale Resilienz. Das ähnelt dem Konzept der Achtsamkeit, das dem Buddhismus entspringt. Stoiker sollen dienen und nachhaltiges Glück anstreben. Vgl. Van Natta, Matthew J.: Stoizismus, München 2021. "Aufhören, darüber zu reden, wie ein guter Mensch ist, sondern einfach so sein", Mark Aurel, Selbstbetrachtungen, 10.16. "Tugend ist die Gesundheit der Seele", Ariston. "Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern viel Zeit, die wir nicht nutzen", Seneca (geboren 4. v. Chr. in Cordoba/ Spanien; gestorben 65 n. Chr. in Rom/ Italien). "Schimpflich ist es, nicht zu gehen, sonder sich treiben zu lassen und mitten im Wirbel der Dinge verblüfft zu fragen: Wie bin ich bloß hierher gekommen?", Seneca.

School of Life: Lebensschule. Betrieben von Alain de Botton. Der Philosoph ist Autor, Vortragsredner über den ganzen Globus. Er sieht den Menschen als total unzuverlässige Maschine, emotional gesehen. Vgl. Alain de Botton: The School of Life: An Emotional Education, Verlag Hamilton 2019.  "In unserem Kopf steckt der mächtigste Computer des Universums", Alain de Botton.

Atmen: Durch freies Atmen lässt sich leichter leben. Ob im tibetischen Buddhismus, im indischen Yoga oder im Taoismus aus China - bei allem östlichen Lehren und Körperübungen - spielt die Atmung eine wesentliche Rolle. Genauso in Shiatsu, einer Massage-Technik aus Japan. Bewegungen müssen mit dem Atmen koordiniert werden, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Chu Tan Cuong, ein Kung Fu - Großmeister, erzielt spektakuläre Heilerfolge. Vgl. Helga Segatz: Einfach atmen, Rowohlt 2018. Berühmte Atemtechniken sind die Yoga-Vollatmung und die Wechselatmung. Ich selbst baue viele Atemübungen in mein Programm der Gymnastik ein (Trainer: Yoga, Pilates, Tai Chi).

Heil - Fasten: Hildegrad von Bingen, die von 1098 bis 1179 lebte, war nicht nur Äbtissin, sondern auch Mystikerin und Forscherin. Fasten bedeutet für sie Reinigung und Reneration des ganzen Körpers. Überschüssige Säuren werden ausgeschieden. Geist und Seele erlangen neue Klarheit und Bewusstwerdung. Es bietet auch die Möglichkeit, uns selbst besser kennen zulernen, das eigene Bewusstsein zu erweitern, der Seele Raum zu geben. Mediziner befürworten vor allem auch das Intervall-Fasten. Es gibt immer mehr hinweise auf einen positiven Nutzen.  "Hüte dich, höher hinaufzusteigen, als deine Kraft zu tragen vermag. In all deinen Unternehmungen umfange vielmehr "Discretio", die Maßhaltung", Hildegrad von Bingen.

Ruhig bleiben unter Druck in Extremsituationen: Es gibt verschiedene Trainingsmethoden dafür: Die Was - Wäre - Wenn - Methode, Meditation und Yoga, Gewohnheit, Erst denken, dann handeln. "Keep calm and carry on", Sir Winston Churchill (1874-1965), British Prime Minister.

Coue´- Methode (Autosuggestion): Der französische Apotheker Emile Coue´ begründete diese Methode in den 1920er-Jahren. Sie hat unzähligen Menschen geholfen. Damit können die Selbstheilungskräfte mobilisiert werden. So kann man schneller gesund werden. Es ist die Kunst der positiven Selbstbeeinflussung durch mentales Training. Das kann helfen, Lebenskrisen und Schicksalsschläge zu bewältigen.  Grundlage ist die Tatsache, dass das Unbewusste die Funktionen unserer Organe überwacht.

Muße: Müßiggang, um Ruhe zu bewahren und sich von Stress zu erholen. Freie Zeit jenseits von Nützlichkeitsperspektiven. Freie Räume für verschiedene Möglichkeiten der Lebensgestaltung. Als Musterbeispiel gilt die Comic-Figur Snoopy, der Hund von Charly Brown. Vgl. Otium: Verein zur Förderung des Müßiggangs. www.otium-ev.de . Muße wird oft gleichgesetzt mit "Sich -Treiben - lassen", seliges Nichtstun oder erholsame Langeweile. Wichtig ist der Freiraum, der geschaffen wird und nach persönlichen Bedürfnissen genutzt wird (die Mitte finden, Auszeiten nutzen, Zeit für Wesentliches finden). 

BERN: Ein ganzheitlicher Ansatz auf vier Säulen zur Gesundheit. Es geht um die Mind-Body-Medizin. Behavior: stressreduzierendes Verhalten. Exercise: ausreichend Bewegung. Relaxation: regelmäßige innere Einkehr und Entspannung. Nutrition: achtsamer Genuss und gesunde Ernährung. Vgl. Esch, Tobias: Der Selbstheilungscode. Die Neurobiologie von Gesundheit und Zufriedenheit, München (Goldmann) 2018, S. 213ff.

Wert von Schwellenzeiten: Phasen im Leben, in denen sich ein Wandel ankündigt. Alte Strukturen und Vorstellungen werden brüchig. Man kann diese Zeiten nutzen, um ganz bewusst nach innen zu gehen. Heilsames kann in Bewegung kommen. Vgl. Natalie Knapp:  Der unendliche Augenblick. Warum Zeiten der Unsicherheit so wertvoll sind. Rowohlt/ Berlin 2015.

Langeweile: Sie kann geistige Produktivkraft sein. Tagträume machen kreativ. Dösen kann stimulieren. Es kommt auf die Art der Langeweile an. "Lageweile ist das unangenehme Gefühl, einer befriedigenden Tätigkeit nachgehen zu wollen, es aber nicht zu können", John Eastwood. Das führt zu einem Ohnmachtsgefühl und ist eine Form von Stress. Langeweile ist ein Mix aus verschiedenen Gefühlen. Sie macht einerseits müde und träge, auf der anderen Seite auch unruhig.   "Man muss die Zeit nicht vertreiben, man muss sie zu sich einladen", Walter Benjamin.

Neugier: Wer neugierig ist, lernt schneller und ist kreativer. Neugierige Menschen arbeiten auch besser unter Stress. Wer nicht fragt, bleibt eher dumm. Viele zufällige Entdeckungen werden durch Neugier gemacht. Viele Führungskräfte unterbinden allerdings Neugier aus Furcht vor Risiko und weniger Effizienz.  "Es ist wichtig, dass der Kopf sich ständig weitet. Wenn wir nicht mehr neugierig sind, dann bleiben wir stehen", Jörg Mittelsten Scheid, als Digitalisierungsmacher 2017 für sein Lebenswerk geehrt, mit 81 Jahren.

Fünf Dimensionen der Neugier: 1. Antrieb durch Wissenslücken. 2. Entdeckungsfreude. 3. Soziale Neugier. 4. Anspannungstoleranz. 5. Suche nach dem Nervenkitzel. Vgl. Kashdan, T. B./ Disabato, D. J./ Goodman, F. R./ Naughton, C.: Die fünf Dimensionen der Neugier, in: HBM Dezember 2018, S. 34ff.

Überheblichkeit (Hybris, Overconfidence):  Größenwahn bei Managern von Unternehmen. Topmanager treffen Fehlentscheidungen, weil sie sich selbst überschätzen. Vielleicht kann das auch mit einer krankhaften Persönlichkeitsstruktur zusammenhängen. Man überschätzt sich in seiner Macht. Todsünde im Management. Man sollte bescheiden bleiben und immer offen für einen besseren Vorschlag. Vgl. Bill Taylor: How Great Organizations Do Ordinary Things in Extraordinary Ways, Penguin 2016. Taylor ist Mitbegründer der "Fast Company". Überheblichkeit (Hybris) steckt an. Innerhalb einer bestimmten Bevölkerungsgruppe ist das Selbstwertniveau ähnlich hoch. Anders ist es , wenn eine Außenseitergruppe dazu kommt. Vgl. Cheng Joey T. u. a.: The Social Transmission of Overconfidence, in: Journal of Experimental Psychology; General, Juni 2020. Hybris und Nemesis: Hochmut und Egoismus sind die schlimmsten Laster im Charakter eines Unternehmers. Sehr anschaulich beschreibt dies James C Collins in seinem Buch "How the Mighty Fall: And Why Companies Never Give in", 2009.

Selbstvermarktung (Kunst des Prahlens, Humblebragging): Wie können wir unsere Leistungen betonen, ohne als Angeber dazustehen? Wie leitet man den Blick elegant auf eigene Leistungen, ohne dafür abgestraft zu werden? 1. Erzählen auf Nachfrage. 2. Anderen gleich tun (übliche Situationen). 3. Einen Unterstützer finden. 4. Ausgewogenheit. 5. Kleinere Schwächen offenbaren (macht authentischer). Vgl. Leslie K. John: Die feine Kunst des Prahlens, in: HBM Juni 2021, S. 78ff.

Demut (lateinisch: humilitas - Mut zur Wahrheit): Ist auch (leicht) lernbar. Demut bedeutet, das eigene Ego hintenanzustellen und sich und andere erfolgreich zu führen. Man sollte sich bewusst in Situationen begeben, in denen man Schüler ist. Rollenwechsel kann sinnvoll sein. Eng damit zusammenhängend ist Mäßigung. "Life is what happens to you while you are busy making other plans", John Lennon, Beatles, 19040-1980). Demutsvolles Verhalten wird Führungskräften oft als Schwäche ausgelegt. Dabei ist die Tugend ein wichtiges Element moderner Führung. Demut lernen: 1. Erkennen Sie  Stärken und Schwächen. 2. Machen Sie deutlich, dass Sie ihren Gegenübe ranerkennen. 3. Überprüfen Sie  Offenheit und Lerneinstellung. 4. Behalten Sie das große Ganze im Auge. Vgl. Franziska Frank: Mut zur Demut, in: HBM Januar 2022, S. 82ff.

Bescheidenheit: Wer Einfluss hat, kann Veränderungen zum Durchbruch verhelfen. Doch Macht hat auch eine gefährliche Seite. Da hilft nur als Gegenmittel Bescheidenheit. Bescheidenheit ist ein wirksames Mittel gegen Selbstüberschätzung. Wie kann man Bescheidenheit messen? 1. Diese Person fordert aktiv Feedback ein, selbst wenn es kritisch ausfällt. 2. Diese Person gibt es zu, wenn sie nicht weiß, wie etwas geht. 3. Diese Person erkennt es an, wenn andere mehr wissen oder größere Fähigkeiten haben. 4. Diese Person nimmt die Stärken anderer zur Kenntnis. 5. Dies ePerson lobt andere häufig für ihre Stärken. 6. Diese Person zeigt Wertschätzung für die Beiträge anderer. 7. Diese Person ist bereit, von anderen zu lernen. Battilana, Julie/ Casciaro, T.: Lassen sie sich nicht von ihrer Macht verführen, in: HBM November 2021, S. 20ff.

Humor: Gelegentliche Scherze können Besprechungen auflockern und Menschen zusammenschweißen. Man darf aber andere nicht nur bloßstellen, sondern auch über sich selbst lachen. Pointen müssen richtig gesetzt sein. Humor ist ein wesentlicher Faktor in menschlichen Beziehungen. Mit Humor lässt sich Vertrauen schaffen und die Beziehung zu anderen Menschen verbessern. Es gibt auch einen Einfluss auf Effektivität (Arbeitszufriedenheit, Leistung, Kreativität, Bindung). Man sollte eine Balance einhalten. Es gelten folgende Empfehlungen: Insiderwitze; Sarkasmus nur bei sehr vertrauten Menschen; Selbstironie verwenden bei unwichtigen Eigenschaften; Humor verwenden, um schwierigen Fragen auszuweichen; Kritik üben; Bewältigungsmechanismus bei nahe stehenden Personen. Vgl. Bitterly, Brad/ Brooks, Alison Wood: Ein Leitfaden für Humor am Arbeitsplatz, in: HBM, November 2020, S. 48ff. Wenn es erlaubt ist, über die Herausforderungen während eines Unternehmensumbaus Witze zu machen, engagieren sich Mitarbeiter stärker. These: Spott kann Veränderungen erleichtern. Vgl. Cholakowa, Magdalena: Die Kraft des Humors, in: HBM Mai/2021, S. 18ff. Als Meister der Krise und seine Bewältigung mit Humor gilt in Deutschland Wilhelm Busch (1832-1908). Sein Leben war privat und beruflich ein Desaster. Sein Rezept bestand in Humor. Er wurde mit Bilderwitzen berühmt. "Es ist ein Brauch von alters her, Wer Sorgen hat, hat auch Likör". "Wer einsam ist, der hat es gut, Weil keiner da ist, der ihm was tut".

Lachen: Teams, die ihre Emotionen zur Schau stellen, haben mehr Erfolg. Oder einfacher: Wer lacht, gewinnt. Astrid Hopfensitz von der Toulouse School of Economics konnte diese These in einer empirischen Untersuchung bestätigen. Vgl. Havard Business Manager, September 2018, S. 16f.

Widerspruch: Gegenteil von Schleimen. Schleimer können den Erfolg von Unternehmen gefährden. Widerspruch ist sehr produktiv. Er setzt Loyalität und Selbstbewusstsein voraus. "Widerspruch ist Pflicht", Bill Taylor.

Reaktanz: Widerstand gegen etwas. Emotionale Abneigung, die bestimmten Mustern unterliegt. In der Ökonomie oft in Zusammenhang mit Werbung. Hier spielen Reflexe ("Blindwiderstand") eine große Rolle.

Konzentration: Wichtig, um neu denken zu können. Wer zu viel zeit mit Oberflächlichkeit verbringt, verringert diese Fähigkeit. Man braucht Mut zur Muße. Pausen machen produktiv.

Selbstgespräche: Innerer Wortwechsel. Sie unterstützen Menschen wahrscheinlich dabei, zu planen, ihre Emotionen zu steuern und kreative Ideen zu entwickeln. Innere Dialoge verarbeitet das Gehirn ähnlich wie tatsächliche Gespräche. Vgl. Charles Fernyhough: Konversation im Kopf, in: Gehirn & Geist, Dossier, 3/ 2018, S. 77ff.

Kognitive Fähigkeiten und Handy: Die bloße Gegenwart des Smartphones kann die kognitiven Fähigkeiten verringern. In einer empirischen Studie schnitten die Teilnehmer am besten ab, deren Smartphones in einem anderen Raum lag, gefolgt von jenen, die ihr Handy in der Tasche trugen. Die schlechtesten Resultate erzielten Probanden, die ihr Handy vor sich auf dem Tisch liegen hatten. Quelle: Adrian Ward et al.: Brain Drain: The Mere Presence of One´s Own Smartphone Reduces Available Cognitive Capacity, Journal of the Association for Consumer Research, 2018.

Digitale Demenz: Es gibt Untersuchungen (Nonnenstudie: sie hatten degenerierte Gehirne, aber keine demenziellen Symptome), die darauf hindeuten, dass man mit Lust am Leben Demenz am besten bekämpfen kann. Für die Entstehung demenzieller Erkrankungen im Alter sind nicht die von Demenzforschern beschriebenen Abbauprozesse im Gehirn verantwortlich, sondern die Verkümmerung unserer Neugier und die fehlende Lust am Lernen. Synopsenhemmend sind Fernsehen, Spielkonsolen, Computer, Resignation. Vgl. Gerald Hüther: Raus aus der Demenz-Falle, Arkana Verlag 2017. Manfred Spitzer: Digitale Demenz, Droemer Verlag 2014.

Digitaler Stress: Besonders belastend in der Digitalisierung ist das Gefühl, dauernd erreichbar zu sein. Dadurch löst sich die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben auf. Viele fühlen sich auch von Informationen überflutet und haben dadurch das Gefühl, mehr und schneller arbeiten zu müssen. Folgen können Unzufriedenheit mit dem Job und schlechtere Leistung sein. Weitere Folgen sind körperliche Beschwerden wie Rückenschmerzen und psychische Erkrankungen. Quelle: Studie des Fraunhofer-Instituts für Informationstechnik (5000 Teilnehmer).

Soziale Wahrnehmung: Die Wahrnehmung ist stark auf das soziale Umfeld gepolt und zwar unbewusst. Verarbeitungsprozesse laufen automatisch ab. Vor in bestimmten Kommunikationsprozessen (Treffen auf Angehörige anderer Kulturen) müssen Störungen (Vorurteile, Stereotype) aber bewusst vermieden werden.

Kreative Wahrnehmung: Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale sind wichtig für Kreativität. Unbewusst wird davon ausgegangen, dass Männer die besseren Ideen haben. Menschen assoziieren Kreativität mit so genannten agentischen maskulinen Eigenschaften. Also muss man sich besonders mit Vorurteilen in diesem Bereich befassen. Vgl. O. V., Kreative Wahrnehmung, in: Harvard Business Manager, Juni 2016, S. 16ff.

Verbitterung und Weisheit: Verbitterung ist eine grundlegende menschliche Emotion (so wie Angst und Trauer). Menschen reagieren verbittert, wenn sie sich ungerecht behandelt oder erniedrigt fühlen. Das gleiche gilt für Vertrauensmissbrauch oder Betrug durch den Ehepartner. Das Gefühl kann ständig das Denken beschäftigen und alle Lebensbereiche anstecken. Als beste Maßnahme dagegen kann Weisheit gesehen werden: Vor allem die darin enthaltene Fähigkeit, Perspektivwechsel (Humor, Selbstdistanz) vorzunehmen. Man versetzt sich so in die andere Seite hinein.

Verwundbarkeit: Es erfordert Mut, Schwäche zu zeigen. Trotzdem ist es besser als nur den starken Macher zu präsentieren. Heute weiß man auch, dass "harte Hunde" in Wirklichkeit eher schwach sind.  "Langfristig mit sich und der Welt im Reinen sein kann man nur, wenn man lernt, es kurzfristig überhaupt nicht zu sein", Brene Brown, US-Wissenschaftlerin. Vgl. Wirtschaftswoche 10/3.3.2017, S. 86ff.

Wert der Arbeit: Arbeit gibt dem Leben Sinn. Der Mensch zeigt, welche Talente in ihm stecken. Arbeit liefert Anerkennung. Wer mit Freude arbeitet, bringt etwas Gutes zustande. Die Würde eine Menschen hängt maßgeblich davon ab, ob er sich in seinem Beruf entfalten kann. Arbeitslose reagieren in der Regel mit Resignation. Nach der Entfremdungstheorie von Karl Marx müsste in KMU die Nähe zum Produkt immer gegeben sein, so dass der Wert der Arbeit für den Einzelnen hoch ist und die Entfremdung gering. Eine Glücksstudie aus Harvard 2023 zeigt, wie wichtig der Job ist (Waldinger, "Study of Adult Development"). Vgl. auch: Kullmann, Kerstin: lob der Arbeit, in: Der Spiegel 12/ 18.3.23, s. 94ff. "Solange man etwas tut, was einem Spaß macht, fühlt es sich nicht wie Arbeit an", Lena Heuermann, Google-Pressesprecherin.

Arbeitszufriedenheit: Am bekanntesten ist die Zweifaktorentheorie von Herzberg. Für die Hypothese liegen auch die meisten empirischen Studien aus der ganzen Welt vor. Herzberg unterteil in Arbeitszufriedenheit und Nicht-Arbeitsunzufriedenheit. Auf diese Ebenen wirken Motivatoren und Hygienefaktoren. Mensch Abraham und Tier Adam sind die Ausgangstypen. Die Grundhaltung "Zufriedenheit" wird teilweise vererbt. In KMU ist die Arbeitszufriedenheit höher als in Großunternehmen. Zu unterscheiden von der Arbeitszufriedenheit ist die Arbeitshingabe. Sie wird in der Regel zusammen mit der Arbeitsmotivation behandelt.

Sinn des Lebens: Der evolutionäre Sinn des Lebens ist, dass wir unsere Gene verbreiten. Der Mensch ist dem Wettbewerb unterworfen. Wenn er ausnahmsweise kooperiert und nicht konkurriert, dann dient das letztlich seinem Siegeswillen. Andererseits ist der Mensch ein Wesen, der darüber nachdenkt, was ein Mensch ist. Die großen Religionen geben seit jeher Antworten auf diese Frage. Glücksgefühle sind wie eine Lebensdroge. Vgl. Stahl, Stefanie: Wer wir sind, München 2022, S. 17ff. "Good friends, good books, and a sleepy conscience this is the ideal life", Mark Twain (1835-1910), US writer.

Glück: Der Philosoph Gadamer definiert Glück als das "Gelassene Beschränken auf das noch Zugeteilte". Hermann Hesse: "Erst wenn Du jedem Wunsch entsagst, nicht Ziele mehr, noch Begehren kennst, Dann reicht Dir des Geschehens Flut Nicht mehr ans Herz - und Deine Seele ruht". Glück ist eher etwas kurzfristiges, was schnell wieder vergeht. Es stellt einen Moment dar. Das langfristige Gefühl ist Zufriedenheit. Glück hängt stark von unserer Bereitschaft ab zu erkennen, was unserer Seele gut tut, und unser Leben danach zu richten. Andere sagen, Glück ist Talent für Schicksal. 2023 macht Daniel  Kahneman, der Wirtschaftsnobelpreisträger, zusammen mit Killingworth eine große Studie in den USA. Dabei widerlegt er seine eigenen Ergebnisse von 2010. Geld macht doch glücklich. Mit dem Einkommen steigt die Zufriedenheit.  Einige Schulen in Deutschland haben das Fach "Glück" eingeführt. So etwa schon 2007 die Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg (Schubert-Institut). Mittlerweile gibt es das Schulfach an über 100 Schulen im deutschsprachigen Raum (auch in Kandel und Edenkoben in der Pfalz). Dahinter steckt die Annahme, dass man Glück lernen kann (Freude, Liebe, Verständnis, Begeisterung, Sinnvolles Leben und Erleben).  "Das Geheimnis des Glücks ist unter der Hülle geistiger Erkenntnis verborgen. Und geistige Erkenntnis heißt, dass im Menschenherzen ein immerwährende Sehnen lebendig ist, etwas von seinem Ursprung, etwas von seinem eigentlichen, im tiefsten wesensmäßigen Zustand zu erfahren - von dem Zustand des Friedens und der Freude", Das Geheimnis des Glücks, Hazrat Inayat Khan. Der 20.3. wird zum Welt-Glückstag ernannt. "Das Glück ist eine Fundsache", Günter Grass, Literaturnobelpreisträger (2023 habe ich sein Museum in Lübeck besucht). Empfehlenswert auch folgendes Buch über Glück: Schmid, Wilhelm: Glück. Alles, was sie darüber wissen müssen, und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist. Jährlich gibt es auch einen Weltglücksbericht. An der Spitze liegt 2023 wieder Finnland vor Dänemark. Deutschland ist abgerutscht auf Platz 24 (von 16).

Zufriedenheit: Zufriedenheit ist wichtig für die Gesundheit und ein langes Leben. Sie beruht auf vier Säulen: 1. Beziehungen (Partner, Freunde). 2. Bewirken (aktiv etwas gestalten). 3. Erkennen (Neugier, Lernen, Interesse). 4. Stress (Gleichgewicht wahren, Widerstandsfähigkeit gegen Stress).

Ikigai: Lebenssinn: "Das , wofür es sich zu leben lohnt". Die japanische Lebenskunst. Das könnte ein Grund sein für das außergewöhnlich lange Leben der Japaner. Es ist ein im Alltag verwurzeltes Prinzip. Die fünf Säulen sind: 1. Klein anfangen. 2. Loslassen lernen. 3. Harmonie und Nachhaltigkeit. 4. Die Freude an kleinen Dingen entdecken. 5. Im Hier und Jetzt leben. Hinzu kommt Kodawari: Der Nutzen des Denkens im kleinen Maßstab. Der Hirnforscher Ken Mogi ist der erste Japaner, der "ikigai" wissenschaftlich betrachtet. Vgl. Ken Mogi: Ikigai. Die Japanische Lebenskunst, Köln 2022 (7. Auflage).

Verzeihen: Verzeihen muss am in Freundschaften, in Ehen, in der Familie, oder in Bereichen wie Politik u. a. Wer anderen vergeben kann, lebt gesünder und zufriedener. Normalereise kommt es zu einem Tausch: Reue gegen Vergebung. Wer verzeiht, baut emotionalen Stress ab und schont das Herz-Kreislauf-System.  Mit dem Alter nimmt die Bereitschaft zu. Lebenserfahrung hilft beim Umgang mit Kränkungen. Man muss sich auch selbst verzeihen können. Hass ist die Gegenkomponente. Verzeihen spielt in der Bibel eine große Rolle, etwa im Leben von Jesus. Vgl, Beyer, S. u. a.: Ich verzeihe euch! in: Der Spiegel 15/ 8.4.23, S. 8ff.

Rache: Handlung, die der Ausgleich von zuvor erlittenem Unrecht ist. Zufügung von Schaden. Verbunden mit psychischer und physischer Gewalt. Für den Ursprung gibt es zwei Thesen: Die eine besagt, dass ursprünglich nur die Rache geherrscht habe und der Einzelne oder Gemeinschaften (Sippen) sich ihr Recht selbst genommen hätten. Später habe der Staat diese Selbstjustiz eingeschränkt. Die andere These besagt, dass die Rache als in der Gesellschaft anerkanntes Mittel der Rechtswahrung die Rechtsgemeinschaft bereits voraussetzt. Schon in der ersten großen Schrift in Europa, in der Elias von Homer, steht das Thema Rache mit im Mittelpunkt. Viele Kriege gehen auf Rache zurück.

Innere Kündigung ("Dienst nach Vorschrift"):  Die Motivation für den Job ist zerstört worden bzw. verloren gegangen. Es gibt Umfragen , die hier 70% ermitteln. Das beste Mittel dagegen ist Kommunikation auf Augenhöhe (es gibt auch spezielle Coaching-Programme).  Es gibt auch Anreize, die dagegen eingesetzt werden: Finanzielle Anreize, persönliche Freiheit, Führungskultur.

Stereotype und Vorurteile: Sie spielen interkulturell einen große Rolle und beeinträchtigen die Kommunikation. Personalwirtschaftlich trüben sie den Blick für Talente und Leistung.

Stigmatisierung (geht auf die Wundmale Christi zurück, Stigmata): Prozess, durch den Individuen bestimmte andere Individuen in eine bestimmte Kategorie von Positionen einordnen. Man knüpft bei Merkmalen an, die sichtbar oder unsichtbar sind. Die Ursachen der Stigmatisierung liegen darin, wie Menschen sozialisiert sind und wie sie gelernt haben. Das zeigt sich besonders bei geschlechtsspezifischem Verhalten. Darunter leiden Transidente Menschen. Sobald Menschen Anzeichen sozialer Abwertung entdecken, fühlen sie sich unwohl.

Interaktionsgesetz von Homans: Wenn sich die Häufigkeit der Interaktion zwischen zwei und mehr Personen erhöht, so wird auch das Ausmaß ihrer Neigung füreinander zunehmen, und vice versa. Dies kann z. B. die höhere Arbeitszufriedenheit in KMU erklären. Die dort häufig vorhandene höhere Arbeitszufriedenheit (im Vergleich zu Großunternehmen) wirkt sich positiv auf den Unternehmenserfolg aus. Es ist jedoch schwierig, in empirischen Studien intervenierende Variablen wie z. B. die Qualität des Managements auszuschalten.

Effekt des bloßen Ausgesetztseins (Mere - Exposure - Effekt): Der besagt, dass wir alles umso mehr mögen, je öfter wir es wahrgenommen haben. Das Gehirn freut sich, wenn es Reize wieder erkennen , einordnen und vorhersagen kann. Das kann man auf viele Dinge übertragen: Musikgeschmack, Kleidung, Literatur.

Psychische Krankheiten und KMU: Die häufigsten psychischen Krankheiten in Deutschland sind Angst- und Alkoholerkrankungen sowie Depression. In KMU ist die Arbeitszufriedenheit wesentlich höher als in großen Unternehmen. Dies und die höhere soziale Kontrolle lassen die Krankheiten seltener in KMU auftreten.

Konzentration und Durchhaltevermögen: Diese psychologischen Fähigkeiten werden immer wichtiger. Immer mehr Menschen sind abgelenkt (Phänomen des "wandernden Geistes": wie reagiert des Gehirn auf Ablenkung?). Dies ist auch eine Begleiterscheinung der modernen Internet- und Kommunikationstechniken. "Was zählt, sind Ausdauer und Widerstandsfähigkeit. Das Leben ist kein Sprint. Es ist ein Marathon. Was im Leben zählt, ist Dranbleiben", James Heckman, Wirtschaftsnobelpreisträger (s. Der Spiegel 11/ 2015, S. 110).

Aufmerksamkeitsdefizitstörungen: Die digitale Revolution bringt mehr Ablenkung mit sich. Im schlimmsten Falle drohen Realitätsflucht und Sucht. Die Störungen werden zunehmen. Menschliche Interaktionen und Bindungen verändern sich.

Lambda-Hypothese: Zusammenhang zwischen Aktivierungsniveau eines Individuums und dessen Leistungsfähigkeit. In Abhängigkeit von der Aufgabenkomplexität existiert ein optimales Aktivierungsniveau.

Theory of Mind: Fähigkeit, sich in das einzuleben, was andere Menschen fühlen und denken und entsprechend zu reagieren. Das Konzept findet sich verschiedenen Weltreligionen. In die Psychologie wurde es von David Premack (1925-2015) eingeführt. ToM ist ein Entwicklungsprozess, der bei einem normal entwickelten Kind im Alter von vier bis fünf Jahren vollständig funktioniert. ToM ist enorm wichtig, um Empathie und Gefühle zeigen zu können. Vgl. Pickren, Wade E.: Das Psychologiebuch, Librero 2022, S. 458.

Adoleszenz: Dieses Entwicklungsstadium des Menschen wurde zuerst von G. Stanley Hall 1904 beschrieben. Er betrachtete diese Periode als ausschlaggebend für die Gesundheit einer Gesellschaft und meinte, dass sie Einblicke bot in die Entwicklung der menschlichen Rasse. Es war ein neues Stadium, das durch die Schulpflicht und die Abschaffung der Kinderarbeit entstanden war. Vgl. Harter, S.: The Construction of the Self, New York (Guilford) 2012:

Gerontologie und ältere Führungskräfte: Geron kommt vom griechischen Begriff "Greis". Die Wissenschaft erforscht das Altern und die Leistungsfähigkeit im Alter. Die Erkenntnisse werden immer wichtiger, weil die Menschen in Zukunft  länger arbeiten müssen. Im Marketing gerät die Generation 50plus immer mehr ins Blickfeld, weil sie stark wächst und über große Kaufkraft verfügt. Erfolgreiches Altern wird in der Psychologie stark mit Zufriedenheit verbunden. Es gibt zahlreiche Klassifizierungsversuche älterer Menschen.

Altern: Der Mensch braucht Antioxidantien und freie Radikale. Auf die Balance kommt es an. Antioxidantien (Vitamin C, Vitamin E, Selen, Zink, Beta - Carotin, Flavonoide) wirken gegen oxidativen Stress. Freie Radikale sind auf Partnersuche.

Die Dimensionen des Alters: Es betrifft unterschiedliche Aspekte des Lebens. Es gibt ein chronologisches oder biographisches Alter. Ebenso kennt man ein Biologisches Alter (Alterung hinterlässt Spuren). Weiterhin ist ein Soziales Alter bekannt (Zugehörigkeit zu anderen Personen). Zuletzt spricht man von einem Psychologischen Alter (Veränderung kognitiver Funktionen, gefühltes Alter). "Life`s tragedy is that we get old too soon and wise too late", Bejamin Franklin /1706-1790), Founding father of the US

Einflussfaktoren auf hohes Alter: Psychologisch sind unter den Ältesten der Alten erstaunlich viele zufrieden mit ihrem Leben und blicken überraschend zuversichtlich in ihre Zukunft. Zwei vorteilhafte Erbanlagen gibt es: ApoE und FoxO3. Die Blue Zones (Ikaria/ Griechenland, Sardinien/ Italien, Nicoya vor Costa Rica und Okinawa/ Japan) deuten auf zusätzliche Faktoren hin: Lebensstil, bewusste Ernährung von Regionalem, Vermeiden von Stress, Gute und viele Kontakte.

Gewissenhaftigkeit: Gewissenhaftigkeit ist eine wichtige Eigenschaft, die uns dabei hilft, unsere Aufgaben effektiv zu erledigen und Verantwortung zu übernehmen. Sie ist eine der wichtigsten psychologischen Eigenschaften, um alt zu werden. .

Illusion von Kontrolle des Alters: Wir sind von unseren Körpern und unserer Gesundheit besessen. wir akzeptieren immer weniger die eigene Sterblichkeit. Die Wellness - Epidemie verdrängt die Gewissheit des Todes. Vgl. Ehrenreich, Barbara: Wollen wir ewig leben? München (btb) 2020.

Alter und Leistungsfähigkeit: Zwei Faktoren bestimmen, wie produktiv ein Mensch ist. Die physische und kognitive Leistungsfähigkeit, die mit steigendem alter sinkt. Und das Erfahrungswissen, das mit steigendem Alter wächst. Wie sich der Saldo beider Größen entwickelt, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Wie lange jemand im job produktiv sein kann, hängt von den spezifischen Anforderungen des Jobs ab. Die Robotisierung und der technische Fortschritt könnte in Segen für die Älteren sein. Besonders wichtig ist darüber hinaus die Motivation. Nie war ein US-Präsident bei Amtsantritt so alt wie Joe Biden. Das spricht dafür, dass man auch in hohem alter noch leistungsfähig sein kann. Man muss Körper und Geist richtig trainieren. Herrenknecht führt mit 78 2021 noch seine Tunnelbohr-Firma. Neuere Forschungen belegen, dass es ab 25 schon abwärts geht. Christiane Underberg ist mit 81 2021 noch stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende.

Successfull Aging: Gesundes Altern. Der menschliche Körper kann bis ins hohe Alter eine hohe Funktionalität behalten. Man spricht von der "disuse theory": Ein großer Teil des körperlichen Verfalls wird nicht durch den Alterungsprozess ausgelöst, sondern durch den Mangel an Bewegung. Wer fleißig trainiert, kann  den Leistungsabfall deutlich verlangsamen. Gut sind sanfte Bewegungsarten. Vgl. Hermann, Marie-Luise: War das schon alles? Babyboomer jenseits der Lebensmitte. Psychosozial, 2023. auch: Kruse, Andreas: Leben in wachsendem rinegn. Sinnerfülltes alter, Kohlhammer, 2023.

Erfahrung (unternehmerische): Dürfte eine große Rolle spielen. Ist noch relativ wenig erforscht. Vg. Metzger, G.: On the role of entrepreneurial experience for start-up financing: An empirical investigation for Germany, ZEW, Discission Paper 07-047/ 2007.

Altern, Gehirn und Neurologie: Das Kurzzeitgedächtnis lässt mit dem Alter nach. Hier sind also jüngere Menschen gegenüber älteren Menschen im Vorteil. Das Kurzzeitgedächtnis kann man trainieren, das Langzeitgedächtnis nicht. Anders sieht es beim kristallinen Gedächtnis aus: Es hängt mit Wissen und Erfahrung zusammen., das man für Tätigkeiten im Alltag benötigt. Es lässt beim Altern nicht nach. Im Alter kann das Nervengewebe schrumpfen. Das geschieht etwa ab dem 70.Lebensjahr um rund 0,5% pro Jahr. Wie schnell das Gehirn altert, sei individuell verschieden. Am besten ist es gegen zu wirken, indem wir etwas neues lernen. Wer sein Gehirn trainieren will, sollte aktiv bleiben, körperlich, geistig und sozial. Lehofer, Michael: Altern ist eine Illusion, Wie wir uns von Grenzen im Kopf befreien, München 2020. Es gibt in Deutschland auch eine Gesellschaft für Hirntraining in Ebersberg/ Oberbayern. Alles, was neu ist, weckt das Gehirn auf. Also ist Neugier am wichtigsten. Dazu hilft Kontakt mit anderen. Vgl. Collen C. Frank u. a.: Life course engagement in enriching activities: When and how does it matter for cognitive aging? Psychology and Aging 2023 DOI: 10.1037/pag0000744. Intellektuell sind dei 65-Jährigen heute oft so fit wie früher die 50-Jährigen. Klar ist, je älter ein Mensch ist, dest weniger graue Hirnsubstanz hat er zur Verfügung. Aber er kann auf andere Nervenzellen zurückgreifen. Da sGehrin kann das altern kompensieren. Vgl.  Geiser, Eveline: Das Gehirn kann das Altern überspielen, in: NZZ 6.3.24, S. 24.

Zeitgefühl im Alter (Zeit vergeht schneller): Das hängt mit den Umgebungsreizen zusammen. Je stärker wir sinnlich und emotional gefordert werden, desto langsamer vergeht die Zeit dem Eindruck nach. Im Laufe des Lebens gibt es immer weniger Erfahrungen, die unser Gehirn beeindrucken. Neue Erfahrungen schenken uns gefühlt mehr Lebenszeit. Deshalb sollte man im Alter eine neue Sprache lernen, einen Tanzkurs machen oder in neue Gegenden reisen. Es ist sinnvoller, was zu unternehmen. Vgl. Interview mit der Neurowissenschaftlerin Tatjana Tchumatchenko, in: Der Spiegel 39/ 23.9.23, S. 48.

Schlaf-Wach-Zentrale im Gehirn: Sie wird in ihrer Bedeutung 2023 durchleuchtet. Der Neurowissenschaftler Emmanuel Mignot erforscht die Bedeutung. Der Schlaf ist wichtig, um Kalorien zu sparen. Der Auslöser der Narkolepsie wird entdeckt. Es ist das Schlaf-Wach-Zentrum im Gehirn. Schlaf sollte wie Sport gesehen werden. Zwei Faktoren regulieren den Schlaf: Zirkadianer Rythmus (innere Uhr) und die Schlafschuld. Vgl. Bredow von Rafaela/ Hackenbroch, Veronika: "Wir stehen am Beginn einer neuen Ära", in: Der Spiegel 20/ 13.5.23, S. 103f.

Schlaf als Wundermittel (psychische Effekte): Wer ausreichend schläft, ist glücklicher, bei dem wirken Impfungen besser, und er ist weniger gestresst. Außerdem altert er nicht so schnell, da im Schlaf ein Wachstumshormon ausgeschüttet wird, das der Regeneration dient. Schlaf ist die beste Medizin. Schlaf fördert die Konzentration, rettet den Verstand, fördert die Tatkraft und Vorsicht.  "Schlaf ist wichtig für alles. Und mit ausreichend Schlaf ist alles besser", Eve van Cauter, Schlafforscherin. Vgl. Novotny, Rudi: Der Traum von siebeneinhalb Stunden, in: Die Zeit 53/ 14.12.23, S. 29.

Alzheimer und andere Formen der Demenz: Bei Alzheimer lagern sich bestimmte krankhafte Proteine im Gehirn ab, und Nervenzellen gehen zugrunde. Schwinden der geistigen Fähigkeiten (mentaler Verfall). Das Risiko steigt mit dem Alter stark an. Die Früherkennung wird immer wichtiger. Plaques und Fibrillen lösen den Prozess aus, der noch nicht ganz erklärbar ist. Der Faktor Bildung hat einen großen Einfluss (Je höher das Bildungsniveau und je anspruchsvoller die kognitiven Anforderungen im Beruf, desto besser und länger kann das Gehirn kompensieren). Intensives Gedächtnistraining und Hirnstimulaton mit Strom kann helfen (gut: Qigong und Tanzen). Davon zu unterscheiden ist die vaskuläre Demenz, die Folge eine Erkrankung der Hirngefäße ist. Dagegen kann man ab 50 schon was machen: regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung, normaler Blutdruck. Soziale Kontakte und kreative Anregungen schützen (gut vernetztes Gehirn). 40% der Demenzfälle gehen auf bekannte und veränderbare Risikofaktoren zurück. 60% der Demenzfälle gehen auf unbekannte und nicht veränderbare Risikofaktoren zurück.  Die bisherige suche nach Alzheimermedikamenten war ein Flop, möglicherweise weil die Krankheit sehr stark mit dem Alterungsprozess verbunden ist. Vgl. Niederer, Alan: Demenz nicht heilbar, aber zuweilen verhinderbar, in: NZZ 19.7.23, S. 15.  2020 leiden 1,7 Mio. Menschen in Deutschland an Alzheimer. 35% der Demenzfälle durch Alzheimer lassen sich verhindern oder relevant hinauszögern.

Kapitalismus als eine geschichtliche Formation: Er ist Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden und wird wieder verschwinden. "Der demokratische Kapitalismus ist in Gefahr, wenn die Staaten als Inkassoagenturen im Auftrag einer globalen Oligarchie von Investoren agieren", Wolfgang Streek, Direktor des Max Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln. Ebenso: "Möglich, dass der finanzielle Kraftakt, den wir derzeit beobachten, der letzte ist, zu dem das westliche Staatensystem in der Lage ist. Danach wäre der Kapitalismus sich selbst überlassen". Vgl. Simon Book: Ein Mann stellt sich gegen das Imperium, in: Handelsblatt, Dienstag 24.02,2015, S. 12/13.

Verhandlungsstrategien: Wichtig ist, dass ca. 65% der zwischenmenschlichen Kommunikation über nonverbale Signale läuft. Entsprechend wichtig ist die Körpersprache (Haltung, Gesten, Kopfbewegung, Gesichtsausdruck, Augenkontakt). Verhandlungen sollten vorbereitet werden, Grundregeln sollten beachtet werden, besonders die Lösung sollte man im Auge haben. In Verhandlungen  das Schlimmste ist Rechthaberei.

Deal: In Verhandlungen gewinnt immer der Stärkere? Nein. Selbst bei ungleichen Machverhältnissen können sie ihre Ziele erreichen, wenn sie ungewöhnliche Win - win - Situationen schaffen. Man sollte einen strategischen Verhandlungsansatz wählen: Fokus auf Verhandlungskontext und -prozess. Prüfen, ob uns wie sich Umfang und Rahmen des Vertrages verändern lassen. Stakeholder der Gegenseite getrennt betrachten und überlegen, wie dei jeweiligen Ziele die Verhandlung beeinflussen können. Handlungen der Gegenseite antizipieren und beeinflussen. Kooperativ, und wenn nötig, konfrontativ auftreten. Verbindungen zwischen unterschiedlichen Verhandlungen analysieren und nutzen. Vgl Hughes, Jonatzhan/ Ertel, Danny: Deal! in: HBM April 2021, S. 22ff.

Verhandeln über Zoom: Tipps für die Vorbereitung: 1. Verteilen Sie klare Rollen im Team. 2. Vermeiden Sie peinliche Pannen im Chat. 3. Nutzen Sie Videokonferenzen - und große Bildschirme. 5. Kurz und knackig. Tipps für den Ablauf: 1. Stellen Sie am Anfang eine persönliche Verbindung her. 2. Machen Sie Einschränkungen und Voraussetzungen deutlich. 3. Verbergen Sie die Selbstansicht.  Vgl. Movius, Hal: Verhandeln über Zoom & Co. in: HBM april 2021, S. 22f.

Pendelschlichtung (pendulum arbitration, final-offer arbitration): Wurde in der 60er Jahren in den USA von Carl Stevens entwickelt. Realitätsnähe wird belohnt. Die beiden Widersacher legen ihre endgültigen Angebote vor. Der Schlichter muss sich für eines entscheiden. Er wählt das von zwei Übeln geringere aus und sucht nicht nach der fairsten Lösung.

Büro als Wohlfühloase: Unternehmen versuchen alles, um die Mitarbeiter unter Bedingungen arbeiten zu lassen, dass neue Ideen entstehen. Büros sollen immer mehr einer schönen Natur entsprechen. Als vorbildlich in dieser Hinsicht gelten die Unternehmen im Silicon Valley. Die Gebäude enthalten viele Gärten und bieten an vielen Stellen Gelegenheit zu Sport und Yoga. "Die größte Offenbarung ist die Stille", Laotse.

Recht auf Ruhe: Psychologen warnen vor einer Überlastung durch Schrillen, Blinken und Blenden. Sie plädieren für ein Stärken der knappen Ressource Aufmerksamkeit. Vgl. Matthew Crawford: Die Wiedergewinnung des Wirklichen, Ullstein 2016. "Entspanne dich. Laß das Steuer los. Trudele durch die Welt. Sie ist so schön: gib dich hin, und sie wird sich dir geben", Kurt Tucholsky.

"Rest in Pixels": Im Jahre 2045 nach Google - Futurist Kurzweil Realität. Gemeint ist Unsterblichkeit im Netz. Einige Tech - Unternehmen spezialisieren sich schon darauf. Sie wollen vorher das menschliche Leben verlängern (Bluttransfusion, Stammzellentherapie, Frühdiagnostik). Wir würden dann nach dem Tod als Avatare weiterleben. Gehirne würden in Form von "Künstlicher Intelligenz" in die Cloud geladen.

Nachbarschaft: KMU sind Nachbarn der Anwohner, die häufig im Unternehmen arbeiten. Die Umgebung prägt sehr stark. Gute Nachbarschaft kann helfen, schlechte macht krank. Vor deutschen Gerichten gibt es Hunderttausende Fälle von Nachbarschaftsstreit.

Psychofehler an der Börse: Richtig Geld kosten können folgende Fehler: Gier, Angst, Selbstüberschätzung, Trotzreaktion, Vogel-Strauß-Prinzip (lieber eigene Fehler analysieren), Ungeduld (nicht zu früh verkaufen), Wahrnehmungsknick, Aldi-Reflex (nur Schnäppchen kaufen), Rosa Brille, Heimatliebe. Siehe Bortenlänger, C./ Kirstein, U.: Börse für dummies, Weinheim 2016, S. 359ff.

Geld und Charakter: Macht Geld uns zu schlechteren Menschen? Ab einem bestimmten Einkommen stagniert die Zufriedenheit. Das kann man nicht der ökonomischen Grenznutzentheorie erklären. Geld kann wie eine Droge sein. Geld beeinflusst Menschen. Geld hat eine universellen Reiz, in allen Kulturen. Vgl. Julia Pitter, Uni Wien, Finanzpsychologie, HB 6.2.24, S. 37.

Der Mensch im digitalen Zeitalter (Mensch&Maschine; der Mensch bei IoT, KI und Industrie 4.0): Es geht um die geschickte Kooperation zwischen Mensch und Maschine. Inwieweit dabei Beschäftigung verloren geht, ist umstritten Es gibt viele Szenarien. Der Roboter kann viele Dinge nicht (ausprobieren, weiterentwickeln). Offen ist, inwieweit künstliche Intelligenz natürliche Intelligenz ersetzen kann. "Das kann nur auf menschliches Versagen zurückzuführen sein", HAL, Odyssee im Weltraum (1968)

New Work: Komplexität, Vernetzung, Flexibilität und Dynamik als zentrale Merkmale der modernen Arbeitsgesellschaft ("der Job organisiert uns"). Vgl. Markus Väth: Arbeit. Die schönste Nebensache der Welt, Offenbach 2016. New Work soll uns vor Depression, Burn-out und anderen Psycholeiden bewahren. New Work bedeutet nach einem Konzept des US-Philosophen Frithjof Bergmann Kritik am Lohnarbeitssystem, Selbstversorgung (high-tech self-providing) und arbeitsbezogene Berufung (Calling). Zum Gelingen von New Work sollen folgende Elemente beitragen: Life-Blending (den eigenen Bedürfnissen folgen), systemrelevante Kompetenzen (Methoden- und Handlungskompetenz neben personalen Kompetenzen wie Fach-, Selbst- und Sozialkompetenz), Akzeptanz in der Organisation (Vertrauen), die Qualität der Arbeit für den Menschen verbessern. Manchmal werden fünf Prinzipien betrachtet: Freiheit, Selbstverantwortung, Sinn, Entwicklung, soziale Verantwortung.

Psychologisches Empowerment: Verschiedene Maßnahmen, die die Zielsetzung haben bei den Mitarbeitern folgende Fähigkeiten zu steigern: Erleben von Sinnhaftigkeit, Selbstbestimmung, Einfluss und Kompetenz am Arbeitsplatz. Für einige Experten ist dies gleich New Work. Vgl. Schermuly, Carsten C.: Wann New Work funktioniert, in: HBM Dezember 2020, S. 22ff.

Sitzordnung: Sie zeigt Macht, Ansehen und Strategie. Berühmt sind die Regeln des Feng Shui: Höchstrangige Person möglichst weit von der Tür weg. Daneben der höchste Gast. Einige andere Grundregeln sind: Rechts vom Chef sitzt seine rechte Hand (manchmal auch ein Schleimer). Links vom Chef sitzt ein loyaler Verbündeter - aber mit eigener Meinung. Der Ranghöchste sitzt am Kopfende. Manchmal auch in der Mitte. Die meisten Menschen zieht es instinktiv in Richtung Ecke. Räumliche Nähe kann zu Sympathie und Vertrauen führen (Experimente). Erfahrungen zeigen dies auch in Vor- und Grundschulen.

Generation Y und die Konsequenzen für die Arbeitsnachfrage von Unternehmen: Technische Innovationen sind immer schneller geworden. Die Bevölkerung entwickelt sich von der Pyramide zum Döner. Jugendliche fühlen sich gestresst, weil ihnen immer mehr Leistung abverlangt wird. Die Gruppe der einen Ausbildungsplatz suchenden wird immer kleiner, weil immer mehr Jugendliche studieren. Also muss man wissen, wie die Jugendlichen für die duale Ausbildung "ticken". Die Jugendlichen rechnet man der Generation y zu. Die Rangfolge bei den beruflichen Werten hat sich in dieser Gruppe verschoben: Spaß kommt vor Neigung, Work-Life-Balance, Einkommen und Selbstverwirklichung. An Unternehmen sind ihnen besonders die sozialen Faktoren wichtig (hier punkten KMU). KMU müssen Weiterbildung und Karriere fördern, attraktive Standortfaktoren bewerten, Praktika anbieten und zielgruppenspezifisch kommunizieren. Die größten Chancen für eine duale Ausbildung hat man bei adaptiv-pragmatischen und konservativ-bürgerlichen Jugendlichen.

Generation der 30- bis 60-Jährigen: Sie beklagen sich über Aggressivität im Alltag und zu viel Arbeitsstress, Zeitdruck, Egoismus in der Gesellschaft. Die Wirtschaftslage, auch persönlich, wird positiv eingeschätzt. Quelle: Institut für Demoskopie, Allensbach, 2019.

Soziale Distanzierung (social distancing): Räumliche Distanzierung (physische Distanzierung). Reihe von nicht-pharmazeutischen Maßnahmen zur Infektionskontrolle, die die Ausbreitung einer ansteckenden Krankheit stoppen oder verlangsamen sollen. Es handelt sich um eine Art Quarantäne. Diese Strategie, die medizinisch in bestimmten Fällen geboten ist, steht menschlichen Bedürfnissen und kulturellen Gewohnheiten gegenüber. Deshalb kann es zu negativen folgen psychischer Art kommen (Einsamkeit, Angst, Panik, häusliche Gewalt, persönliche Konflikte).

Psychische Folgen der Corona-Krise 2020: Alle Routinen wurden unterbrochen. Für solche Situationen gibt es keine Infrastruktur. Der Stress kann auch in Beziehungen eingreifen, die schon fragil sind und waren (Nachteil bei Ausgangssperren). Es gibt auch immer mehr Fälle häuslicher Gewalt (häufig gegen Frauen oder gegen Kinder). Die Gesellschaft läuft langsamer (Entschleunigung) und einsamer. Durch die Ausgangsbeschränkungen zeigen sich psychologische Nebenerscheinungen: Häusliche Gewalt, Aggressionen, Depressionen. Menschen sind Sozialwesen. Wenn sie sich aus dem Wege gehen müssen, entsteht Anspannungen. Die Isolation erzeugt Einsamkeit, die auch krank machen kann. "Jeder Einzelne wird über die Risiken aufgeklärt, weil für die Bekämpfung der Pandemie die Selbstisolierung der einzelnen Person mit Rücksicht auf die überforderten Gesundheitssysteme die wichtigste einzelne Variable ist. Zudem bezieht sich die Unsicherheit nicht nur auf die Bewältigung der epidemischen Gefahren, sondern auf die völlig unabsehbaren wirtschaftlichen und sozialen Folgen. In dieser Hinsicht – so viel kann man wissen – gibt es, anders als beim Virus, einstweilen keinen Experten, der diese Folgen sicher abschätzen könnte. Die wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Experten sollten sich mit unvorsichtigen Prognosen zurückhalten. Eines kann man sagen: So viel Wissen über unser Nichtwissen und über den Zwang, unter Unsicherheit handeln und leben zu müssen, gab es noch nie". Quelle: Jürgen Habermas, Interview; www.fr.de/kultur/gesellschaft/juergen-habermas, 10.04.20 Die Anzahl psychischer Erkrankungen hat durch dei Corona-Pandemie weltweit enorm zugenommen. Im Covid-Jahr 2020 gab es laut einer Studie geschätzte 53 Mio. Fälle von schweren depressiven Störungen und 76 Mio. Fälle von Angststörungen. Das entspricht global einer Steigerung von 28 bzw. 26%. Quelle: Fachmagazin Lancet 2021. In Deutschland war die Zuwachsrate von jeweils 17% noch vergleichsweise niedrig. Eine Studie 2021 des Rheingold Institut mit der Philosophie Identity Foundation Düsseldorf kommt zu folgenden Ergebnissen: Die Deutschen kapseln sich ab. Ein Rückzug ins Private wird befördert. Die Menschen haben mangelndes Vertrauen in Staat und Institutionen. Das Institut für Demoskopie in Allensbach spricht 2022 von wachsender Gereiztheit. Eine Mehrheit in Deutschland meint, Corona habe die Gesellschaft zum Schlechteren verändert. Vgl. Köcher, Renate (Leiterin): Wachsende Gereiztheit, in: FAZ Nr. 21/ 26.1.22, S. 8.

Mangel an Körperkontakt und Gesundheit: In Corona-Zeiten ist Abstandhalten das Gebot der Stunde. Der Mangel an Körperkontakt hat psychische Folgen. Angenehme Berührungen produzieren das Glückshormon Oxytocin, den Belohnungs-Botenstoff Dopamin und reduzieren das Stresshormon Cortisol. Der Mangel an Berührungen wird ausgeglichen durch Musikhören, Sport und Essen. Studie der Bundeswehr-Uni München und der John Moores Uni Liverpool 2020. Vgl. dazu: Marlen Haushofer (1920-1970, Österreich): Die Wand, Berlin 2014 (Ullstein). Es geht um soziale Isolation.

Verschwörungstheorien: Sie beseitigen den Zufall und geben dem Einzelnen eine Chance, eine simple Erklärung für etwas zu finden, was ihn nervt oder verängstigt. Man kann sich aus der Masse hervorheben und als einziger verstehen, "wie der Hase läuft". Ursachen sind oft Verunsicherung und Marginalisierung. Seit dem Wahlsieg von Trump in den USA sind die Verschwörungstheorien wieder auf dem Vormarsch (nach Umfragen 40% aller Amerikaner), auch in der Volkswirtschaftslehre. Häufig wird eine Verbindung eingegangen mit Populismus. Letztlich führt dies zu Fragmentierungen in der Gesellschaft, die gefährlich für die Demokratie sein können. In der Corona-Krise 2020 haben Verschwörungstheorien Hochkonjunktur. Die einen verbreiten, dass die Chinesen den Virus als Kampfstoff einsetzen (kommt aus einem Labor in Wuhan, das vom Militär kontrolliert wird; Mao schwamm in Wuhan durch den Fluss, um seine Gesundheit im hohen Alter unter Beweis zu stellen). Andere rufen zum Widerstand gegen  den Staat im Shutdown auf, weil er die Diktatur schaffen will (Evangelikale in den USA, orthodoxe Juden in Israel, Rechtsradikale in Europa). Schon beim Wüten der Pest in Europa gab  es eine Verschwörungserklärung: Die verhassten Juden wurden verantwortlich gemacht und es setzten erste Progrome ein.  Verschwörungstheorien haben die wichtige sozialpsychologische Funktion, Menschen Halt zu geben. Sie können gefährlich sein, wenn sie systematisch von politischen Strömungen instrumentalisiert werden (Reichsbürger, Rechtsradikale, Querdenker, Q). Teilweise bilden sich um einzelne Theorien auch Gruppen, wie zum Beispiel Q. Typisch für Verschwörungstheoretiker ist die These: "Es gibt geheime Mächte, die die Welt steuern". Dabei denken viele auch an Wirtschaftsunternehmen, Banken oder das Finanzkapital. Die "Querdenker"- Bewegung ist in Deutschland und auch weltweit immer besser vernetzt. Antisemitismus scheint dazu zu gehören. Sie sind in Deutschland gut vernetzt mit "Reichsbürgern", AfD, Indentitären, "Selbstverwaltern" , 711 und anderen. Ende 2020 werden die Querdenker in Deutschland vom Verfassungsschutz in Baden-Württemberg unter Beobachtung gestellt.  In Deutschland könnten bis zu einem Drittel der Bevölkerung Sympathien für solche Theorien haben. Quelle: Umfrage 2020, Konrad-Adenauer-Stiftung. Vgl. Nocun, K./ Lamberty, P.: Fake Facts, 2020 (Psychologie) und Pipes, Daniel: Conspiracy, 1997 (Geschichte über die Jahrhunderte) sowie Butter, Michael: Nichts ist, wie es scheint, 2020. In der psychologischen Literatur gibt es folgende Grundannahme: Menschen, die glauben, nur wenig Kontrolle über ihr Leben zu haben, klammern sich an Verschwörungsnarrative, weil sie sich eine stellvertretende Kontrolle versprechen. Die Verschwörungs-Szene gibt den Menschen Zusammenhalt, gegenseitige Bestätigung, gegenseitige Aufwertung. In Krisen, vor allem Pandemien,  nimmt das Klammern an Verschwörungstheorien zu (z. B. Juden als Sündenbock für die Pest im Mittelalter). Es gibt zahlreiche geheime Kulte in Deutschland. Sie üben psychische Gewalt gegenüber ihren Mitgliedern aus. Vgl. Lakotta, B./ Piltz, C.: Im Teufelskreis, in: Der Spiegel 11/ 11.3.23, S. 36ff.

Root Simplicity: Eine These der Psychologie. Je unübersichtlicher eine Sache wird, desto eher fallen wir in eine Vereinfachung zurück. Es ist eine Ursachenvereinfachung. Selbst wenn man Menschen sagt, dass ein einziger Grund zehnmal unwahrscheinlicher ist als die Summe der Gründe, bleiben Menschen ihrer Annahme treu. Das erklärt auch zum Teil, warum Verschwörungstheorien so leicht verfangen.

Pandemie und Solidarität: Viele hoffen darauf, dass Corona wieder die Solidarität in der Gesellschaft erhöht. Dafür spricht auch der wichtigste Überlebensgrundsatz: Wer sich schützt oder gar impfen lässt, tut auch was für andere. Insofern lehren uns Pandemien, dass es nicht nur richtig ist, anderen zu helfen. Es ist auch klug. Dieses Argument bringt auch immer wieder Bill Gates (der mit seiner Frau zusammen eine Stiftung betreibt). Er ist der größte Förderer der Impfforschung.

Bob Dylan zur Corona-Pandemie (in einem der seltenen Interviews): "Ich bin davon überzeugt, dass wir es bisher nur mit Vorläufern zu tun haben. ... Extreme Arroganz kann katastrophale Folgen haben. Vielleicht befinden wir uns am Vorabend des Weltuntergangs. Es gibt viele Möglichkeiten das Virus zu erklären. Ich schätze, man sollte die Dinge einfach ihren Lauf nehmen lassen." Siehe Focus 28/2020, S. 77 (Telefon-Interview mit Douglas Brinkley). 2020 ist Bob Dylan auf der Höhe seines Ruhmes. Das aktuelle Album "Rough and Rowdy Ways" erreicht erstmals Platz eins in den deutschen Charts. Der Song "Murder Most Foul" wird der erste Nummer-eins-Hit in den Billbord Charts der USA. Es kann als Kommentar zur Zeit gelesen werden (sowohl kultureller Niedergang als auch Highlights in der Musikgeschichte). 2012 hatte er die Freiheitsmedaille in den USA erhalten, 2016 den Literaturnobelpreis.

Traum, Albtraum: Siegmund Freud hat sich zuerst mit der Rolle des Traums auseinandergesetzt. Heute analysiert die Psychologie den Traum in der Schlafforschung. Sensible und kreative Menschen werden häufiger von Albträumen heimgesucht. Entspannung wirkt dem entgegen. In der Corona-Krise haben viele Menschen Albträume. Sie treten meist in der zweiten Hälfte der Nacht auf. Vielen Menschen kommen im Schlaf auch Ideen. Berühmte Beispiele sind A. Mozart und Salvatore Dali. US-Wissenschaftler entwickeln einen Weg, um in die Träume eingreifen zu können. Es geht vor allem um die Erinnerung an geniale Einfälle. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie berichten viele Menschen von aufwühlenden Träumen. Man spricht von lebendigen und emotionalen Träumen, ausgelöst durch mehr Ängste und Stress. "Träume sind die "ultimative immersive virtuelle Realität" (Jennifer Windt, Monash Universität Melbourne, Australien).

Traum: Die Theorien von S. Freud werden heute anders gesehen. Nach einer neuen Theorie dienen die Fantasiegeschichten dazu, aktuelle Erlebnisse und Erkenntnisse im Gedächtnis zu verankern. Denkprozesse laufen nachts auch kreativer ab als tagsüber. Vgl. Zadra, Antonio/ Stickgold, Robert: "When Brains Dream - Exploring the Science and Mystery of Sleep", Norton 2021.

Menschen- und Weltbild der Ökonomie und Psychologie:  "Die Mehrheit in den Wirtschaftswissenschaften denkt den Menschen immer noch als eine egoistische Kreatur, der es nur um den eigenen Vorteil geht und die dadurch auf wundersame Weise für alle Wohlstand schafft. Dieses Menschenbild ist falsch und muss dringend einem Update unterzogen werden. Ein System, das Egoismus belohnt, erzieht zum Egoismus. wir brauchen eine Neubetrachtung der Werte, die Menschen in ihrer kooperativen Lebendigkeit zeigen", in: Maja Göpel: Unsere Welt neu denken, Berlin 2020, S. 72f.

Das buddhistische Weltbild baute der in England lebende deutsche Ökonom Ernst F. Schumacher in seine Wirtschaftslehre ein (Small is Beautiful 1973, deutsch: Rückkehr zum menschlichen Maß 1977 ).  Er plädiert für eine "Miniaturisierung der Technik" sowie dafür, ein "Maximum an Glück mit einem Minimum an Konsum zu erreichen". Er war seiner Zeit weit voraus. Arbeit ist nach dem Buddhismus etwas, das die Menschen darin unterstützt, ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Es mag sein, dass in Zukunft dieses Menschenbild Asien Vorteile verschafft.

Darwin hat sicher das Welt- und Menschenbild der Ökonomie stark beeinflusst. Danach setzt sich der Stärkere durch. Der Mensch hat in der Ökonomie eine eher korruptive Ethik. Er handelt nach seinen wirtschaftlichen Interessen, also nach seinen Vorteilen ("homo oeconomicus").

Zukunfts-Denken im Hypercube (Future Mind): Innere Zukunft, äußere Zukunft, der wahre Wandel, vierte Dimension der Re-Gnose. Vgl. Horx, Matthias: Die Zukunft nach Corona. wie eine Krise die Gesellschaft, unser Denken und unser Handeln verändert, Berlin (Econ) 2020, S. 127ff.

Unsicherheitsabsorption: Psychische Fähigkeit, mit Ungewissheit umzugehen. Wir leben in einer Zeit, in der die Ungewissheiten stark zunehmen. Das hängt allgemein damit zusammen, dass die technologische Entwicklung immer dynamischer verläuft. Eine solche Geschwindigkeit von Änderungen hat es noch nie gegeben. Die Corona-Krise erhöht noch einmal diese Ungewissheit. Menschen müssen lernen, damit umzugehen. Die Unsicherheitsabsorption hängt von der Kultur ab, vom Bildungsniveau und von der individuellen psychischen Persönlichkeitsstruktur. Wir haben früher in empirischen Studien zur Messung von Arbeitsanforderungen die Ungewissheit als  Dimension mit einbezogen. Führungskräfte müssen mit sehr viel Ungewissheit umgehen können. "Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht", Joachim Ringelnatz, Dichter.

Informationsnachfrage: Wir vermeiden Informationen, die uns weiterhelfen könnten. Menschen vermeiden Informationen, die ihrem Selbstbild schaden könnten. Es gibt also viel Nützliches, was wir nicht wissen wollen. Vgl. Ho, Emily: Was wir nicht wissen wollen, in: HBM Oktober 2020, S. 16f. Menschen mit dogmatischen Ansichten (engsstirnig) sind schlechter informiert als der Durchschnitt. Engstirnige Menschen haben weniger Interesse an nützlichen Zusatzinformationen und waren in ihrem Urteil ungenauer. Was bringt Mensche dazu, sich bei Unsicherheit zu informieren. Das muss noch vorrangig geklärt werden. Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik.

Trade-offs bezüglich Zeit und Risiko: Die meisten Entscheidungen haben Nutzen und Kosten, die sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten materialisieren. Um zu optimieren, müssen Wirtschaftssubjekte alle Nutzen und Kosten auf einen einzigen Zeitpunkt beziehen., damit sie verglichen werden können. Risiko bedeutet, dass einige der Nutzen und Kosten nicht im Voraus festgelegt werden können. Es gibt dann noch die Verlustversion: Die Eigenschaft, dass Menschen einen Verlust psychologisch viel stärker gewichten als einen Gewinn. S. Acemoglu, Daron: Volkswirtschaftslehre, München 2020, S. 15.

Hormone: Sie beeinflussen die Psyche und unser Sozialverhalten. Sie sind so etwas wie die Dirigenten unseres Körpers. Umwelthormone (endokrine Disruptoren, ED) sind Ursache für das vermehrte Auftreten Krebs- und Stoffwechselerkrankungen. Als "Glückshormon gilt Seratonin. Oxytocin wird auch kuschelhormon genannt (Mutter-Kind-Beziehung, menschliche Beziehungen). Immer intensiver erforscht man den Zusammenhang zwischen Alterung und Hormonen. Umstritten ist die künstliche Zuführung von Hormonen (z. B. Testosteron).

Biohacking: Um die Anforderungen der Arbeitswelt zu erfüllen, werden immer mehr Hilfsmittel entwickelt. Sie sollen Körper und Geist zu immer höherer Leistung treiben. Rund 700.000 Deutsche sollen regelmäßig zu Stimmungsaufhellern greifen (Studie der DAK 2020). 

Kritische Lebensereignisse (Krisen des Lebens): Sie belasten Menschen enorm psychisch. Sie können das bisherige Leben und die eigenen Erfahrungen fundamental infrage stellen. Dazu zählen Trennungen, schwere Krankheiten, traumatische Erlebnisse wie Flucht, Verbrechen. In Deutschland ist das Risiko für einschneidende Ereignisse relativ gering. Hoch ist das Risiko, sich zu trennen oder eine Scheidung zu erleben. Dauerbelastung in der Art wird zum Gesundheitsrisiko. Es können auch Burn-out oder Depressionen folgen. Es gibt allerdings auch viele Studien, die belegen, dass kritische Lebensereignisse und ihre Bewältigung wichtig für eine Balance und auch für Erfolg im Leben sind.

Posttraumatische Belastungsstörung (PTSS): Sie tritt in der Regel nach bewaffnetem Kampf auf. Der Shell shock ist typisch für Kriege. So beobachtete man es im 1. und 2. Weltkrieg. Systematisch wurde die Krankheit bei Vietnamveteranen untersucht. Vgl. Young, A.: The Harmony of Illusions: Inventing Post-Traumatic Stress Disorder, Princeton 1997.

Sekundärtugenden: Sie geraten in der Corona-Krise, aber auch im Zusammenhang mit digitalem Lernen (Lernen von zu Hause), wieder in den Vordergrund der Betrachtung: Dazu gehören Disziplin, Selbstkontrolle, Gewissenhaftigkeit, Durchhaltevermögen, Neugier, Mut. Diese Fähigkeiten bilden sich relativ früh in der Kindheit aus. Wichtig sind die Familie, der Sport, andere Hobbys oder außerschulische Aktivitäten. Diese Tugenden sind wichtig für den lebenslangen Erfolg (vielleicht sogar wichtiger als Noten). Vgl. Spiewak, Martin: Haltet durch! , in: die Zeit Nr. 11, 11.3.21, S. 27ff.

Coaching: Vier einfache Tipps: 1. Bewerten Sie die Situation. 2. Hören Sie zu. 3. Stellen Sie offene Fragen. 4. Üben Sie nicht direktes Coaching. Es gibt vier Coaching-Stile: 1. Direktiv: Mehr Informationsinput, weniger Energiegewinn. 2. Laisser-faire: Weniger Informationsinput, weniger Energiegewinn. 3. Nicht direktiv: Weniger Informationsinput, nicht direktiv. 4. Situativ: Mehr Informationsinput, mehr Energiegewinn. Vgl. Ibarra, Herminia/ Scoular, Anne: Führen wie ein Coach, in: HBM Juli 2020, S. 22ff. Zentrale Plattform der Branche ist Greator. Experten sprechen oft von Quacksalber (Falsche Prediger). Aber die Branche boomt. Die Nachfrage wächst und mit ihr das Angebot. Es drängen auch kapitalstarke Digitalkonzerne auf den Markt. Zu Coaching gehören Führung, Strategie und Beratung. In der Corona-Krise arbeiten Executive Coaches auch per Video-Konferenz. Wichtig ist die Abgrenzung zum Psychotherapeuten.  Vgl. auch Fischer, Konrad: Du kannst es besser, in: WiWo 12, 19.3.2021, S. 14ff. Der Markt liegt 2020 weltweit bei 12 Mrd. Dollar.2020 gibt es 10.000 Business Coaches in Deutschland. Der Begriff ist nicht geschützt. Die Branche ist nicht zentral organisiert. Viele Führungskräfte, die ihren Job verlieren, bilden sich zu Coaches fort. Mit Coachhub gibt es mittlerweile auch eine Plattform.

Psychische Folgen von Homeoffice: Es ist ein breites Sammelsurium sichtbar. Es reicht von ZOOM -  Müdigkeit bis Depression, Erschöpfung und Burn-out. 14,5 % der befragten Arbeitnehmer klagen über Verschlechterung ihres psychischen Wohlbefindens (BKK 1800 wiederholt Befragte 2021). Im Februar 2021 haben fast 50% aller abhängig Beschäftigten ständig oder zeitweise im Homeoffice gearbeitet.  Besonders negativ wirkt sich die Kombination von Homeoffice und Homeschooling aus. Die Firmen leisten in der Regel auch keine Hilfestellung. Kochen, unterrichten, arbeiten, aufräumen, putzen, trösten muss oft auf einmal gemacht werden.

Psychologische Apps fürs Handy: Es gibt digitale Helfer fürs Smartphone. 1. Happify: misst eigene Emotionen. 2. Daylio: Verfolgt wie ein Tagebuch Stimmungen. 3. Novego: Online-Therapie bei leichten bis mittleren Depressionen. 4. MindDoc: Teletherapie. 5. Headspace: Einzel-Meditationen. 6. PME Pro: Progressive Muskelentspannung (PME) nach Edmund Jacobson. 7. Selfapy: Psychologisches Tagebuch. Es gibt auch Apps gegen psychische Störungen: Sie ergänzen mehr die klassische Psychotherapie. Sie geben Hausaufgaben auf. Sie können bei Depressionen und Ängsten unterstützen. Beispiele sind: Somnio. Sie hilft bei Einschlaf- und Durchschlafstörungen. Velibra. Einsatzbereich ist die Agoraphobie (Platzangst).

KI und Gefühle (Psychologie, ChatGPT): Man füttert ChatGPT mit psychologischen Aufgaben. Man will erforschen, inwieweit die KI wie ein Mensch reagiert. Man sucht nach Angst und anderen Gefühlen. Vgl. Der Spiegle 18/ 29.4.23, S. 96ff.  (Interview mit Eric Schulz).

Rationalität und Vernunft: 2021 erscheint das Buch von Steven Pinker. Der Titel ist "Mehr Rationalität - Eine Anleitung zum besseren Gebrauch des Verstandes". Er ist ein bekannter amerikanisch-kanadischer Experimental-Psychologe in Harvard (er hat viele Ehrendoktortitel). Seine Bücher errechen Bestsellerrang. So auch sein letztes Buch über die Aufklärung und ihr Wertesystem (Lieblingsbuch von Bill Gates). Pinker mahnt mehr kritisches Denken an. Der Verstand sei verzerrt und verwirrt, besonders in den USA. Ideologie und Zynismus würden übersteigert.

Finanzpsychologie: Es geht um die Wirkung des Geldes. Dazu gehört auch die Börsenpsychologie. Wissensasymmetrie zwischen Beratern und Anlegern. Profitstreben der Berater. Wunsch nach "Fürsorgeberatung". Intransparente Struktur der Finanzprodukte. Risikoaufklärung. Anleger müssen sich selbst "expertieren". Zeitbudget begrenzt. Empowerment ("Finanzclubs", Bafin-Regulierung). Anlagehorizont lang, Depot diversifizieren. Ökonomische Bildung in der Schule. Quelle: Deutsches Aktieninstitut, Frankfurt.

Big Five: Schon in den 1930er Jahren verfolgten Louis Thurstone und Gordon Allport den lexikalischen Ansatz. Empirisch suchte man übe rein statistisches Verfahren, die so genannte Faktorenanalyse, zentrale Persönlichkeitsmerkmale. Man arbeitete mit fünf Faktoren mit jeweils sechs Unterskalen. 1. Extraversion (Herzlichkeit, Geselligkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Aktivität, Erlebnishunger, Frohsinn). 2. Offenheit (Fantasie, Ästhetik, Gefühle, Handlungen, Ideen bezüglich Normen- und Wertesystem). 3. Gewissenhaftigkeit (Kompetenz, Ordentlichkeit, Pflichtbewusstsein, Leistungsstreben, Selbstdisziplin, Besonnenheit). 4. Verträglichkeit (Vertrauen, Freimütigkeit, Altruismus, Entgegnkommen, Bescheidenheit, Gutherzigkeit). 5. Neurotizismus (Ängstlichkeit, Reizbarkeit, Depression, soziale Befangenheit, Impulsivität, Verletzlichkeit). Vgl. Hepp, Johannes: Die Psyche des Homo Digitalis. 21 Neurosen, die und im 21. Jahrhundert herausfordern, München (Kösel) 2022, S. 18.

Psychologische Tests: Sie entstanden in der Psychologie um 1890. Es war eines der ersten großen Anwendungsgebiete. James McKeen Cattell brachte 1890 den Intelligenztest raus. Es folgte 1905 der Binet-Simon-Test (intellektuelle Fähigkeiten). 1921 kam der Rorschachtest (von Hermann Rorschach, 1884-1922), ein projektiver Test. Er sollte beim Patienten Unbewusstes ans Licht bringen. Er wurde lange bei der Lufthansa eingesetzt. David Wechsler (1896-1981) kam 1939 mit dem Wechsler-Intelligent-Test. 1940 entstand der Minnesota Multiphasic Peronality Inventory (MMPI). Man wollte bei Soldaten den "shell shock" erforschen. 1943 wurde der Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI) berühmt. Er war eine Art Persönlichkeitstest. 1970 kam der Black Intelligence Test of Cultural Homogenity, auch Bitch-Test genannt. Vgl. Pickren, Wade E.: Das Psychologiebuch, Librero /Kerkdriel/ NL 2022, verschiedene Seiten.

Heute dominieren in der Psychologie folgende Persönlichkeitstests: 1. Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP). 210 Fragen und 14 verschiene Skalen (30 bis 40 Minuten). 2. Big-Five-Test (LNC Peronality Profiler). Fünf Persönlichkeitsmerkmale, mit Ergänzung um Motive und Kompetenzen (35 Minuten). 3. Neun Teamrollen nach Belbin. Etwa 20 Minuten, online, noch nicht auf Deutsch. 4. DISG/persolog. 5. Hogan-Assessment: Berufliches Potential. 6. Insights MDI

Psychotherapien: 1. Analytische Psychotherapie/ Psychoanalyse (Freud, Ursache in inneren Konflikten der Kindheit). Das heißt, viele psychische Probleme gehen zurück auf unbewusste Konflikte, verdrängte Emotionen und frühe Erfahrungen. 2. Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (stärker aktuelle Probleme). Man beruft sich auch auf die Psychoanalyse Siegmund Freuds. Aber Weiterentwicklungen von Schülern stehen im Vordergrund. Hier ist vor allem Carl Gustav Jung zu nennen. Das Unbewusste spielt eine zentrale Rolle.  3. Verhaltenstherapie (erlernte Verhaltens- und Denkmuster gezielt verändern). Die kognitive Verhaltenstherapie geht davon aus, dass unser Denken, Verhalten und unsere emotionalen Reaktionen bewusst oder unbewusst erlernt sind. Was wir erlernt haben, können wir mithilfe psychologischer Techniken auch wieder verändern. 4. Systemische Therapie (Einbeziehung wichtiger Personen). Der Mensch ist Teil eines Systems. Alle Personen in seinem Umfeld/ System hängen unmittelbar miteinander zusammen - beispielsweise in einer Familie, Partnerschaft, in der Schule oder am Arbeitsplatz. Gestörte Beziehungen oder ungünstige Kommunikationsmuster innerhalb des Systems können die psychische Gesundheit einzelner Mitglieder beeinträchtigen. Die Systemische Therapie ist aus der Familientherapie entstanden. Vgl. auch: Apothekenumschau September 2023, S. 10ff.

"Abgesehen von der Instabilität durch Spekulation, gibt es eine Instabilität aufgrund der menschlichen Natur, die die Eigenschaft hat, dass ein großer Teil unserer positiven Handlungen eher von spontanem Optimismus geleitet sind als von mathematischen Erwartungen", John Maynard Keynes, 1936.

 

Digitale Gesellschaft und digitaler Mensch (Kultur und Soziologie/ Sozialpsychologie  der Digitalisierung; Psychologie der Digitalisierung; Kulturen der Digitalität, digital Humanities, Einfluss auf Mensch und Gesellschaft, Mensch-Computer-Interaktion, digitale Sozialwissenschaften):

"Der Marktprozess... kann als Rechengerät des vor-elektronischen Zeitalters gelten" Oskar Lange: The Computer and the Market, 1967.

"Die Welt verändert sich fortwährend, nur eines bleibt gleich: der Mensch", Frederico Fellini, italienischer Regisseur.

Vierte Industrielle Revolution (digitale Transformation, the Second Machine Age): Sie verläuft mit exponentieller Geschwindigkeit und basiert auf der Digitalisierung. Sie verknüpft zahlreiche Technologien und betrifft alle Sektoren. Digitalisierung bedeutet auch Automatisierung. Die Wertschöpfung ist mit immer weniger Beschäftigten möglich. Besondere Sorge bereitet die zunehmende Ungleichheit in der Gesellschaft. Eine herausragende Bedeutung kommt dem Plattform-Effekt zu: Digitale Unternehmen bauen Netzwerke auf, die Käufer und Verkäufer mit einer breiten Palette von Produkten und Dienstleistungen zusammenführen. Megatrends sind selbst fahrende Kraftfahrzeuge, 3D-Druck, Robotik, neue Materialien. Vgl. Klaus Schwab, Die vierte industrielle Revolution, München 2016. Damit einhergehen eine verbesserte Verarbeitungskapazität (bessere Leistung der Hardware), erhöhte Speicherkapazität (Cloud) und Energieeffizienz zusammen mit der stärkeren Vernetzung der Daten und Informationen (Big Data). Eine Basistechnik ist die Blockchain. "Nie hat es eine Zeit gegeben, die so große Möglichkeiten und zugleich so große Gefahren bereithielt", Klaus Schwab.

Dezentrale Revolution: Sie schafft eine neue Welt, die durch die Erfindung der dezentralen Vertrauensbildung möglich wird. Das Grundprinzip, auf dem Krypto - Währungen und Block - Chain - Technologie beruhen, ist die Dezentralität. In einem dezentralen Netzwerk gibt es keine zentrale Server. Jeder Computer kann Sender und Empfänger zugleich sein. Die Vordenker der dezentralen Revolution wollen eine wirklich freie Gesellschaft schaffen, in der freiwillige Vereinbarungen Hierarchien und Machtstrukturen ersetzen. Vgl. Koenig, Aaron: Die dezentrale Revolution, München (FBV) 2019.

Megatrends des Strukturwandels als Folge der Digitalisierung: 1. Zunehmende Vernetzung von Produkten und Technologien. Daten- und Kundenzentrierte Geschäftsmodelle dominieren. Es kommt zum Boom Anbieterabhängiger Plattformen (etwa bei Mobilität). 2. Globale Wachstumsverlagerung. Die Bevölkerung nimmt vor allem in Städten zu. Konsumenten fragen mehr lokale Produkte nach. Es gibt dadurch einen Trend zur Regionalisierung.  Weil natürliche Ressourcen begrenzt sind, gewinnt das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung. 3. Gesellschaftliche Veränderungen. Die Automatisierung verändert die Arbeitsanforderungen. Es ist eine große Zuwanderung erforderlich. Fragen der Datensicherheit werden immer relevanter.

Regionalentwicklung als Folge der Digitalisierung:  Mit der wirtschaftlichen Entwicklung beeinflussen 4 Faktoren die Bildung von Raumstrukturen: 1. Migration. 2. Handel. 3. Kapitalmobilität. 4. Wissensdiffusion. Die wirtschaftlich Entwicklung kann analytisch in vier Dimensionen getrennt werden: a. Agrarwirtschaft; b. Industrialisierung; c. Tertiarisierung; d. Digitalisierung. Daraus kann eine Matrix gebildet werden. Agrarwirtschaft: Migration gering, Handel: Agrarhandel entlang der Thünenschen Kreise, stationärer Handwerkshandel. Kapitalmobilität: kaum/ ortsgebunden. Wissensdiffusion: kaum, wegen disjunktiver Tätigkeiten (Agrar, Handwerk). Industrialisierung: Migration Land - Stadt, dynamisch, Landflucht. Handel: Transportkosten. Kapitalmobilität: agglomerationsgebunden. Wissensdiffusion: produktionsortgebunden. Tertiarisierung: Migration: Land -  Stadt, dynamisch. Handel: Arbeitskosten. Kapitalmobilität: hoch. Wissensdiffusion: Vernetzung, Verbundproduktion. Digitalisierung: Migration: zentrale Orte. Handel: Transportkosten. Kapitalmobilität: hoch. Wissensdiffusion: Vernetzung, Verbundproduktion. Quelle/ siehe: Hüther, Michael: Wozu Regionalpolitik? Wo liegt das Problem? in: Wirtschaftsdienst 2019/ 13 (Sonderheft), S. 7.

Schöpferische Zerstörung: Schon immer verdrängten neue Produkte alte. Schumpeter (Joseph Schumpeter, 1883 - 1950) bezeichnete diesen Prozess als schöpferische Zerstörung. Heute nennen das viele Wissenschaftler Disruption. Der Motor der schöpferischen Zerstörung sind Unternehmer, die neue Ideen umsetzen. Nach Schumpeter ist diese Art Innovation die treibende Kraft hinter langfristigem Wachstum. Die schöpferische Zerstörung bezeichnete er als "entscheidendes Faktum des Kapitalismus". "Der fundamentale Antrieb, der die kapitalistische Maschine in Bewegung setzt und hält, entspringt neuen Konsumgütern, neuen Produktions- oder Logistikmethoden, neuen Märkten oder neuen Formen industrieller Organisation, die neue kapitalistische Unternehmen entstehen lassen", Joseph Schumpeter. Vgl. Marron, Donald: Wirtschaft in 30 Sekunden, Librero 2018, S. 76.

Beschleunigungsgesellschaft: Die Begriffe Beschleunigungsregime oder auch Beschleunigungstotalitarismus stammen von dem deutschen Soziologen Hartmut Rosa (Uni Jena). Unsere Welt wird durch die wachsende Mobilität und das Internet immer weiter beschleunigt. Wie viel Beschleunigung verträgt aber der Einzelne? Vgl. H. Rosa: Beschleunigung und Entfremdung, Berlin 2013.

Digitalisierung und gesellschaftliche Ungleichheit: Die Fortschritte in der Informationstechnologie führen zu immer größeren Ungleichheiten in den Industriegesellschaften (sie ersetzen das Gehirn und machen die Arbeit von vielen Menschen überflüssig). Produktivitätsgewinne verteilen sich immer mehr zu Gunsten der oberen Klassen (in US-Unternehmen ist dieser Effekt am stärksten, weil sie mehr aus der IT-Technologie herausholen). Notwendig wäre ein "Gleichheitsindex" im Steuersystem ("Steigende- Flut-Steuersystem"), der sich der Ungleichheit mit den Steuersätzen anpasst (Robert Shiller, Yale, Irrational Exuberance, Princeton 2000; New Financial Order, Princeton 2003). Shiller fordert  eine Globalisierungsversicherung für jedermann. Er untersucht auch, wann Spekulationsblasen auf Immobilienmärkten platzen ("Historic Turning Points in Real Estate", Working Paper, Juni 2007). In Deutschland arbeiten 2007  61% aller Erwerbstätigen mit dem PC. Als wichtigster Aufsatz des Autors gilt: Do Stock Prices Move Too much to Be Justified by Subsequent Changes in Dividents, in: AER, 1981. R. Shiller hat auch ein Unternehmen gegründet, das erstmals Handel mit ökonomischen Risiken aller Art betreibt (Rezession, fallende Immobilienpreise, Arbeitslosigkeit). Der Name ist Makro Market. Es gibt einen weiteren Faktor, der die Ungleichheit durch Informationstechnologie beeinflusst: menschliche Faulheit. Einige Experten sprechen von einer "Winner takes all"- Welt: Wenige profitieren übermäßig. Im Extremfall spaltet sich die Gesellschaft in digitale Boheme und digitales Prekariat.  "Der herrschende Glaube an soziale Gerechtigkeit ist gegenwärtig vielleicht die größte Bedrohung der meisten anderen Werte einer freien Gesellschaft", Friedrich von Hayek, The Mirage of Social Justice. "Ein innovationsgetriebenes Wachstum kann auch Ungleichheit verschlimmern", Christine Lagarde, IWF-Chefin, 2016. "Wir müssen verhindern, dass die Gewinne der Digitalisierung privatisiert werden, während die Gesellschaft die Folgekosten trägt.

Ungleichheitseffekt der Informationstechnologie: Die Fortschritte in der Informationstechnologie führen zu immer größeren Ungleichheiten in den Industriegesellschaften (sie ersetzen das Gehirn und machen die Arbeit von vielen Menschen überflüssig). Produktivitätsgewinne verteilen sich immer mehr zu Gunsten der oberen Klassen (in US-Unternehmen ist dieser Effekt am stärksten, weil sie mehr aus der IT-Technologie herausholen). Notwendig wäre ein "Gleichheitsindex" im Steuersystem ("Steigende- Flut-Steuersystem"), der sich der Ungleichheit mit den Steuersätzen anpasst (Robert Shiller, Yale, Irrational Exuberance, Princeton 2000; New Financial Order, Princeton 2003). Shiller fordert  eine Globalisierungsversicherung für jedermann. Er untersucht auch, wann Spekulationsblasen auf Immobilienmärkten platzen ("Historic Turning Points in Real Estate", Working Paper, Juni 2007). In Deutschland arbeiten 2007  61% aller Erwerbstätigen mit dem PC. Als wichtigster Aufsatz des Autors gilt: Do Stock Prices Move Too much to Be Justified by Subsequent Changes in Dividents, in: AER, 1981. R. Shiller hat auch ein Unternehmen gegründet, das erstmals Handel mit ökonomischen Risiken aller Art betreibt (Rezession, fallende Immobilienpreise, Arbeitslosigkeit). Der Name ist Makro Market. Es gibt einen weiteren Faktor, der die Ungleichheit durch Informationstechnologie beeinflusst: menschliche Faulheit.  "Der herrschende Glaube an soziale Gerechtigkeit ist gegenwärtig vielleicht die größte Bedrohung der meisten anderen Werte einer freien Gesellschaft", Friedrich von Hayek, The Mirage of Social Justice. "Ein innovationsgetriebenes Wachstum kann auch Ungleichheit verschlimmern", Christine Lagarde, IWF-Chefin, 2016.

Ungleichheit durch die großen Techkonzerne (dystopische Zukunft): Der Ökonom Daron Acemmoglu baut die oben beschriebene These aus. Er beschreibt, wie Reiche und Mächtige den Fortschritt kapern. Im Zeitalter der KI müsste man die großen Techkonzerne entmachten. Sie hätten viele Konkurrenten aufgekauft und ausgeschaltet. Vgl. Acemoglu, Daron/ Johnson, Simon: Macht und Fortschritt, Campus, New York, Frankfurt 2023. Auch Interview mit Acemoglu, in: Der Spiegel 35/ 26.8.23, S. 69f.

Digitalisierung und Demokratie: Die Wende war die Wahl Donald Trumps in den USA. Seitdem gelten die Digitalkonzerne als Demokratie gefährdend. Sie sorgen für den Reichtum weniger. Sie bilden Monopole. Sie bieten Technologien zur Kontrolle (Gesichtserkennung). Demokratien haben auch an Strahlkraft verloren. Vor allem junge Europäer könnten zu den Verlierern der Digitalisierung werden (weil die USA und China sich absetzen).   "Wie die Digitalisierung weitergeht und welche Folgen sie haben wird, ist daher kein Naturereignis oder Verhängnis. Es gibt keine Alternativlosigkeit. Diese Einsicht ist der erste Schritt zu einem gestaltenden Blick auf die Entwicklung der digitalen Technologie", Armin Grunwald, Professor für Technikphilosophie und -Ethik am Karlsruher Institut für Technologie. Quelle: WiWo 3/ 11.1.2019, S 47. Vgl. auch: Martin, Hans-Peter: Game over. Wohlstand für wenige, Nationalismus für alle - und dann? Penguin -Verlag 2019.

Künstliche Intelligenz und Wandel der Demokratie: Man befürchtet eine schleichende Übernahme. Demokratisches Entscheiden könnte durch maschinelles ersetzt werden. Die Gefahren kommen aus zwei Bereichen: Die Daten basierten Infrastrukturen digitaler Plattformen könnten eine Erfassung des Volkswillens mittels Datenanalytik ermöglichen. Weiterhin schreitet die digitale Überwachung voran. die der Geheimdienste ist nicht nur geheim, sondern auch transnational und kommerziell vernetzt. Wer überwacht aber die Geheimdienste? Vgl. Berg, Sebastian: die Unmittelbarkeit der Daten. Auch digitale Demokratie kann auf politische Repräsentation nicht verzichten, in: WZB Mitteilungen Heft 171, März 2021, S. 12. Darin auch ab S. 15: Kniep, Ronja: Wer überwacht die digitale Überwachung? Die Kontrolle der Geheimdienste als Gradmesser der Demokratie. Vgl. auch: Lobe, Adrian: Speichern und Strafen. Die Gesellschaft im Datengefängnis, München (Beck) 2021.

Theorie der digitalen Gesellschaft: Die Gesellschaft wird nicht nur von Individuen geprägt, sondern auch von Mustern, denen die Datenverarbeitung überhaupt erst Informationen entlocken kann. Das besondere der digitalen Technologie ist deshalb: Sie kann permanent verdoppeln, was schon da ist. Und sie kann Informationen kombinieren, um Wert aus ihnen zu schöpfen. Komplexe Computer verarbeiten einfache Daten. Armin Nassehi: Muster. Theorie der digitalen Gesellschaft, München (Beck) 2019. Der moderne Mensch hat Angst vor dem Verlust der Autonomie. Digitalisierung besetzt die Gesellschaft und unterwirft sie einem unsichtbaren Mechanismus. Es entstehen digitale Muster. Die Selbstbestimmung wird desillusioniert. Vgl. auch: Kritik in Der Spiegel 36/ 31.8.2019, S. 109.

Homo ludens: Der durch das Spiel sich entwickelnde Mensch. Diese Sichtweise ist nicht neu (Schiller: "der Mensch ist nur ganz Mensch, wo er spielt"). Die Digitalisierung fördert dieses Menschenbild wieder. Dahinter steckt die Vorstellung, dass Spielen die primäre Kulturtechnik ist und er wichtigste Grund für Gesellschaften (das wusste schon Niklas Luhmann:  Art der Kommunikation). Heute spricht man von einer Weltgesellschaft, die in ihrer Komplexität noch nicht ausreichend erforscht ist. Das Spielerische in der digitalen Welt kann motivieren. Man spricht auch von einem Trend zur "Gamifizierung". Vgl. Manouchehr Shamsrizi, Interview in: bdvb aktuell, Nr. 137, S. 6f.

Big Data und Nudging: Nudging ("Stupsen", subtile Anreize) erfolgt immer öfter auf der Basis von Big-Data-Analysen. Die Idee geht auf Thaler und Sunstein aus den USA zurück.  Differenzierte Untersuchungen fehlen bisher. Es ist eine Kombination von "Sehen" und "Lenken". Ganz gut kann man das am Beispiel intelligenter Stromzähler sehen. datengestützte Beobachtung und subtile Beeinflussung greifen ineinander. Vgl. Irgmaier, F./ Ulbricht, L: Big Data und Nudging, in: WZB Mitteilungen, H. 158, 2017, S. 15ff. Ein weiteres gutes Beispiel sind Cookies auf Webseiten und ihre Bestätigung. Nudging funktioniert, weil Nutzer nicht dei Ressourcen haben, um übe rjeden kleinen Handgriff im Leben gründlich nachzudenken.

Negative Folgen sozialer Medien: 1. Stammesdenken oder Gang-Mentalität: Rückzug in die digitale Filterblase, in die moralisch homogene Gruppe, die sich gegenüber dem Feind abgrenzt. 2. Einfluss auf die Psyche: Junge Männer werden durch die sozialen Medien aggressiver, junge Frauen eher depressiver. 3. Wenn die Plattformen zivilisiert werden (Desinformationen abwehren), steigt gleichzeitig ihre Macht weiter. 4. Die sozialen Medien wirken wie eine Manipulationsmaschine: Sie verkaufen die Aufmerksamkeit und die Daten ihrer Nutzer an Werbetreibende und andere Propagandisten (Jaron Lanier).

Macht sozialer Netzwerke: Nutzerdaten sind die Basis des Geschäftsmodells. Sie können aber leicht missbraucht werden. Die Frage ist, wer den Zugang bekommt. Netzwerke tragen politisch zur Polarisierung bei. Sie können die Demokratie gefährden. Netzwerkausfälle können dramatische Folgen haben. Vgl. von Niall Ferguson, The Square and the Tower, 2017 und sein Artikel bzw. Interview in Die Zeit, Nr. 53, 20.12.17, S. 24.

Social - Media: Jaron Lanier, einer der Internet-Pioniere, kritisiert 2018 die Social - Media - Konzerne massiv. Er rät dazu die Accounts zu löschen. Er spricht auch auf der Cebit 2018 in Hannover. Er argumentiert mit folgenden Punkten ( www.jasonlanier.com ; "Delete your accounts", in Deutsch bei Hoffmann und Campe): 1. Du verlierst deinen freien Willen. 2. Social Media macht dich zum Arschloch. 3.  Social Media untergräbt die Wahrheit. 4. Social Media macht das, was du sagst, bedeutungslos. 5. Social Media tötet dein Mitgefühl. 6. Social Media macht dich unglücklich. 7. Social Media fördert prekäre Arbeitsverhältnisse. 8. Social Media macht Politik schwerer. 9. Social Media hasst deine Seele. 10. "Bummer": Wahrscheinlichkeit wird zur Gewissheit. 11. Social Media können süchtig machen (wenn man sie nicht bewusst im Griff hat). 1985 programmierten kalifornische Hippies eines der ersten sozialen Netzwerke der Welt. Es hieß "The Well" (in Sausolito/ Kalifornien). Auffällig waren fünf Merkmale: 1. Die Gemeinschaft war nicht sehr groß. Es kam deshalb bald zu zahlreichen "fleshmeets" (persönlichen Treffen). 2. Die Moderation war in betont zurückhaltendem Stil. 3. Verhaltensauffällige Mitglieder wurden "kommunikativ belagert". 4. Abo-Modell und Verzicht auf Anzeigen. 5. Die Mitglieder waren sich alle ähnlich (homogen). Man sprach von einer virtuellen Gemeinschaft. Schönheit und Schrecken zeigten sich schon in der Pioniergemeinschaft. Vgl. Pörksen, Bernhard: Alle mit allen verbinden, in: die Zeit Nr. 14, 31. März 2021, S. 19.

Normen und Werte in der digitalen Welt: 1. Nur mit Zustimmung der Kunden in die Privatsphäre eindringen. 2. Bei individuakisierten Preisen keine Notlagen ausnutzen. 3. Daten nur mit Aufklärung und Zustimmung der Kunden erheben. 4. Digitale Identitäten nicht ohne Zustimmung und Korrekturmöglichkeiten der Kunden anlegen. 5. Unternehmen transparent machen. 6. Krankheiten nicht auf Verhalten gründen ohne soziale, genetische und umweltbedingte Faktoren zu berücksichtigen. 7. Daten müssen der ursprünglichen Absicht entsprechen. 8. Kunden, die Rohdaten generieren, sollten dafür entschädigt werden. Vgl. Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften: Big Data - Ethische Herausforderungen für Unternehmen, 2018. "Der Mensch ist nichts an sich. Er ist nur eine grenzenlose Chance. Aber er ist der grenzenlos Verantwortliche für diese Chance", Albert Camus.

Digitaler Humanismus: Die Digitalisierungsindustrie  wirbt mit Transparenz, Berechenbarkeit, ökonomischem Erfolg, Weltverbesserung und mäzenatischem Engagement. Sie nimmt damit humanistische Impulse als Ausgangspunkt und transformiert sie zu anti-humanistischen Utopien. Die Bedingungen der Humanität werden infrage gestellt. Die Big - Data - Ökonomie lebt von der Enteignung der Menschen, sie verlieren die Kontrolle über ihre persönlichen Daten. Vgl. Nida-Rümelin/ Weidenfeld: Digitaler Humanismus, Eine Ethik für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz, München (Piper) 2018.

Die Ethik der Algorithmen: Der Algorithmus ist so etwas wie die unsichtbare Hand der digitalen Wirtschaft. Er sollte transparent sein, verantwortlich, Gesetzen folgen und ein klares Ziel haben. "Um den ethischen Ansprüchen der Gesellschaft gerecht zu werden, muss Ethik in die DNA aller selbstlernenden Algorithmen programmiert werden. Eine alte IT - Weisheit sagt: A fool with a tool is still a fool. Ohne ethische Standards wird KI ein Tool für Fools bleiben - und einen Rückschritt für die Humanität bedeuten". Sascha Puljic, VP Central Europe Teradata (Quelle: com! professional 9/2019, S. 7.

Artifical Morality: Durch die Fortschritte der Technik wird die künstliche Intelligenz in Zukunft mehr moralische Entscheidungen fällen. Dabei sollten Entscheidungen über Leben und Tod immer beim Menschen bleiben. Menschliche Verantwortung und Selbstbestimmung haben Priorität. So muss also der Mensch folgende Kriterien auf sich nehmen: 1. Verantwortungsübernahme. 2. Mensch muss Infos der Maschine überprüfen. 3. Qualitätssicherungsprozesse müssen installiert sein.

Ethik, Gesellschaft und Technologie: Neue Initiative der Stanford Universität 2018, der Kaderschmiede des Silicon Valley. Es geht um die Bekämpfung von Hasskampagnen, Fake News und Manipulationen in sozialen Netzwerken. Der ehemalige Google - Manager Tristan Harris gründete das "Center for Humane Technology" und fordert eine stärkere Ausrichtung an menschlichen Bedürfnissen. Bekämpft werden sollen auch die "Dark Patterns". Das sind User-Interface-Muster in Apps und Websites, die die Nutzer unbewusst dazu motivieren, bestimmte Aktionen durchzuführen (z. B. Like-Dynamik). Informatik ohne Ethik sollte nicht mehr gelehrt werden. Es muss ein Grundverständnis darüber vermittelt werden, was Ethik ist, wie Politik funktioniert und wie Technik auf Gesellschaften wirkt. "Die ethische Naivität, die den Aufstieg der sozialen Medien begleitet hat, wird bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz fatale Folgen haben", Luca Caracciola, in: t3n Magazin 53/2018, S. 56.

Spontane Ordnung: Der Begriff wurde ursprünglich vom chinesischen Philosophen Zhuangzi (369-286 v. Chr.) geprägt. In neuerer Zeit stammt die Definition von dem Ökonomen von Hayek: "Die spontane Ordnung ist von der geplanten Ordnung, auch Organisation genannt, abzugrenzen. Der Begriff spontane Ordnung, den Hayek (1963) popularisiert hat, bezieht sich auf die Genese dieser Ordnungsart: Sie ist entstanden, ohne dass irgendjemand sie bewusst geplant hätte, sie hat sich spontan gebildet", Gabler Wirtschaftslexikon. Eine spontane Ordnung entsteht aus einem scheinbaren Chaos, wenn man die Dinge sich selbst überlässt. Vgl. Koenig, Aaron: Die dezentrale Revolution, München (FBV) 2019.

Interessengruppen: Im Englischen wird dafür der Begriff "Stakeholder" gebraucht. Er bezeichnet jede Person oder Gruppe, die von der Tätigkeit des Unternehmens betroffen ist. Dabei kann es auch um Werte gehen, die übereinstimmen oder verschieden sind. Interessengruppen sind Nichtregierungsorganisationen, Gemeinden/ Kommunen, Gewerkschaften, Regierung, Kunden, Zulieferer, Mitarbeiter, Gläubiger. Interessengruppen wirken direkt auf das Unternehmen, indirekt über Verbände oder soziale Medien.

Digitale Gefolgschaft: "Während die Bindungskräfte von Familien, Institutionen, Parteien, Verbänden und Staaten schwinden, entstehen um digitale Plattformen wimmelnde Schwärme und Horden. Ihre Benutzer sind Follower. Digitale Gefolgschaft hält die Clans zusammen". Siehe: Christoph Türcke: Digitale Gefolgschaft. Auf dem Weg in eine neue Stammesgesellschaft, München (C. H. Beck) 2019, Umschlagtext. Die Nutzer werden nicht geknechtet, sondern ausgesaugt. Das Bildungs-, Gesundheits- und Verkehrssystem sollen nach dem Prinzip der Plattform umgebaut werden. Es soll aufgezeigt werden, wohin die Dynamik der Digitalisierung führt. Der autor sieht eher eine digitale Hölle, die mit lauter verheißungsvollen Errungenschaften gepflastert ist.

Netz-Fragmentierung und ihre negativen Folgen: Plattformen sind Systeme, die sich von ihrer Umwelt abkapseln. Man kann nur noch gefiltert in sie reinkommen. Sie stabilisieren sich durch Binnenkommunikation, bei der sie die Regeln bestimmen. Google und Facebook sind sicher gute Beispiele. Man könnte das auch als "narzisstische Blasenbildung" bezeichnen. Follower sind sehr erwünscht und gelten als Qualitätsmerkmal. Man missbraucht sie sogar, wenn nötig, für Netz-Fundamentalismus. "Shitstorms" sind so leicht organisierbar. Das ist umso leichter, je mehr Plattformen Infrastruktur und Produktion selbst in der Hand haben. Vgl. Türcke, a. a. O., S. 178ff.

Digitale Demenz (Gehirn): Es gibt Untersuchungen (Nonnenstudie: sie hatten degenerierte Gehirne, aber keine demenziellen Symptome), die darauf hindeuten, dass man mit Lust am Leben Demenz am besten bekämpfen kann. Für die Entstehung demenzieller Erkrankungen im Alter sind nicht nur die von Demenzforschern beschriebenen Abbauprozesse im Gehirn verantwortlich, sondern die Verkümmerung unserer Neugier und die fehlende Lust am Lernen. Synopsen hemmend sind Fernsehen, Spielkonsolen, Computer, Resignation. Vgl. Gerald Hüther: Raus aus der Demenz-Falle, Arkana Verlag 2017. Manfred Spitzer: Digitale Demenz, Droemer Verlag 2014. Spitzer erwähnt unter anderem folgende Aspekte: Wir merken uns signifikant weniger, wenn wir wissen, dass die Informationen irgendwo gespeichert sind. Lernstoff begreifen wir im persönlichen Gespräch deutlich besser als im Kontakt über Bildschirm und Tastatur. "Be-greifen" funktioniert: Wer etwas manuell ausführt, lernt besser.

Zumindest kann auch die Verstrickung im digitalen Netz die Entwicklung seichter Persönlichkeitsstrukturen fördern. Lebens- und Denkenergie kann entzogen werden. Vgl. Sarah Spiekermann, Digitale Ethik, München 2019, S. 114.

Informationsflut und ständige Erreichbarkeit: Information sind Daten, die so miteinander in Zusammenhang gebracht werden, dass sie einen Nutzwert ergeben. Information ist ein Unterschied, der einen Unterschied macht. Neurowissenschaftler sprechen von einem Online-Brain. Die zentrale Frage also ist, ob sich unser Gehirn durch dei Filterarbeit und Ansprüche an dei Aufmerksamkeit verändert hat. Der Online-Brain hat drei Aspekte: Aufmerksamkeit, Gedächtnis, soziale Wahrnehmung. Wir entwickeln ein Transaktionsgedächtnis: Wissen, wo was steht. Vgl. Czeschik, Christina: Digitalisierung für dummies, Weinheim 2022, S.249ff.

Handschrift und Denken: Smartphones und Sprachnachrichten bedrohen die Handschrift. Sogar in den Schulen gerät sie ins Hintertreffen. Dabei soll das Schreiben das Denken vorantrieben und eine Persönlichkeit abbilden. Hirnforscher und Psychologen weisen darauf hin, das die Schrift wichtig für Denken und Gedächtnis ist. Vgl. Schnabel, U./ Scholz, A.- L.: Die Anspitzung des Denkens, in: Die Zeit 40, 26.09.2019, S. 43. Eine Studie 2020 der Norwegian University of Science and Technology ergab, dass Gehirne von Schülern aktiver waren, wenn sie mit der Hand schrieben (Schreiben und Malen besser fürs Gedächtnis!).

Fehler, die durch Digitalisierung provoziert werden: 1. Unvollständigkeit. Big-Data erzeugt leicht die Illusion der Vollständigkeit. 2. Gespaltene Natur. Kann nie wie das Reale sein. Manchmal wird das Analoge nicht mehr als perfekt angesehen. 3. Eigenleben. Problem der Selbstunterbrechung. Sucht als Gefahr. 4. Illusion menschlicher Gemeinschaft. Wie kann Leistungsmotivation gefördert werden? 5. Negative Folgen auf die Persönlichkeit. Vgl. S. Spiekermann, a. a. O., S. 79ff.

Verbrauchergerechtes Scoring: Immer mehr Aspekte des Verhaltens der Bürger werden durch "Scores" vorhergesagt oder gesteuert. Scoring hat eine Reihe von Problemen: mangelnde Transparenz und Qualitätskontrolle für Daten und Algorithmen, ungenügende personelle sowie technische Ausstattung der Aufsicht und die zukünftige Gefahr eines kommerziellen Superscores ähnlich dem System in China. Anbieter von sensitiven Scores sollten verpflichtet werden, den Betroffenen alle Merkmale und deren Gewichtung offen zulegen. Es muss eine leistungsstarke Aufsicht geschaffen werden. Vgl. Gigerenzer, G./ Rebitschek/ Wagner, G. G: Eine vermessene Gesellschaft braucht Transparenz, in: Wirtschaftsdienst 2018/1, S. 880ff.

Diskriminierung in der Plattformökonomie: Ethnische Diskriminierung ist in der Plattformökonomie ein großes Problem. Menschen, die einer  ethnischen Minorität angehören, erhalten weniger Zusagen für Transaktionen und können keine vergleichbare Reputation aufbauen. Bewertungssysteme helfen daher nicht im Kampf gegen die Diskriminierung, solange Merkmale einer ethnischen Zugehörigkeit von Nutzern sichtbar werden. Vgl. Kas, Judith:  Diskriminierung in der Plattform - ökonomische Bewertungssysteme schaffen keinen Nachteilsausgleich, in: WZB Mitteilungen Heft 171, März 2021, S. 32f. Das gleiche gilt für Künstliche Intelligenz, die auf der Grundlage großer Datenmengen Entscheidungen trifft. Es können drei Arten von Bias auftreten: rein technischer, soziotechnischer oder aber gesellschaftlicher. Soziale Ungleichheit kann so verstärkt werden.

Digitalkonzerne, Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Die Technologieriesen aus dem Silicon Valley oder aus China versprechen zwar, positiv an der Lösung der größten globalen Problemen zu arbeiten. Aber in der Praxis bleiben bisher große Zweifel. Google und Facebook spähen fleißig ihre Kunden aus und verkaufen Werbeinformationen. Immer größere Rechenleistungen auf immer größeren Servern haben einen Riesen-Stromverbrauch. Amazon zerstört die dezentrale Verteilung von Gütern und die Lieferfahrzeuge verstopfen die Straßen und stoßen eine Menge CO2 aus. Airbnb trägt mit dazu bei, dass die größten Sehenswürdigkeiten der Erde von Touristen überlaufen werden. Bisher ist nicht erkennbar, dass die digitale Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit führt. Das gleiche gilt für alle Sharing-Modelle, die in der Regel den CO2-Ausstoß nicht senken (sie begünstigen aber Reiche). Besonders stark greifen Bitcoin und Blockchain die Nachhaltigkeit an: Die Server und Computer verbrauchen ungeheure Mengen an Strom. Die meisten Server sind in China, auch in Gebieten in denen Menschenrechte keine große Rolle spielen. Vgl. z. B. Streit, in: Die Zeit Nr. 14, 31. März 2021, s. 12.

Schritte für den Einzelnen im Fortschritt des digitalen Zeitalters: 1. Schritt: Wertebewusstsein (Selbstreflektion): Aufmerksamkeit für Werte, eigene Werteprioritäten in die Gemeinschaft einbringen, die richtigen Vorbilder für den Fortschritt, sich selbst erkennen und die Bedeutung der Technologie. 2. Schritt: Werte verstehen. Konzeptionelle Tiefe der Werte. 3. Schritt: private Gewohnheiten, Technik und Politik. Bedeutung des Maßhaltens. Rhythmus und Rituale. Technische und politische Maßnahmen, um Werte leben zu können. Vgl. Spiekermann, Sarah: Digitale Ethik. Ein Wertesystem für das 21. Jahrhundert, München (Droemer) 2019, S. 258ff.

Wertkonflikte und -folgen aus der Natur des Digitalen: 1. Effizienz versus Würde. 2. Vertrauen versus Vorsicht. 3. Macht versus Sucht. 4. Erreichbarkeit versus Freiheit. Vgl. Sarah Spiekermann, a. a. O., S. 122ff.

Mehr Freizeit oder Scheitern einer Gesellschaft, die auf Arbeit basiert (Prognose): 1. Roboter werden  Menschen unterstützen aber auch ersetzen. Umstritten ist, wie viele Menschen ihre Arbeit verlieren. Karl Marx sah ein vollständiges Ersetzen der menschlichen Arbeitskraft voraus (Maschinenfragment). 2. Kann die Gesellschaft, die heute noch auf Arbeit basiert, anders organisiert werden? Werden Internetgiganten aus den USA wie Google, Facebook und Amazon zusammen mit den chinesischen Giganten einen Großteil der Arbeitsplätze auf sich ziehen? 3. Wird die mehr zur freien Verfügung stehende Zeit die Lebensqualität verbessern? Wird sie wirklich mit Gemeinsinn ausgefüllt? 4. Welcher neue Gesellschaftsvertrag kann geschlossen werden? Vgl.  Was machen wir morgen? in: Die Zeit Nr. 18, 26.04.2018, S. 25ff.

Veränderung der Welt durch KI (AI): 1.Das größte Verwerfungs- und Zerstörungspotential der KI liegt nicht auf militärischem Gebiet, sondern in ihrer Wirkung auf unsere Arbeitsmärkte und Sozialsysteme. Nutzen können wir KI im Bildungssystem (Vorbild Süd-Korea). Handwerkskultur wird bleiben (Japan, Schweiz, Deutschland). Routinearbeiten macht der Mensch immer weniger. 2. Der Mensch kann KI gestalten (liegt in unserer Hand. 3. KI und Mensch im Unterschied: KI KI kann menschliche Denkprozesse quantifizieren und auch menschliches Verhalten erklären. sie kann aber nicht Herzen und Gefühle ersetzen. Vgl.  Vgl. Kai-Fu Lee: AI Super-Powers. China, Silicon Valley und die neue Weltordnung, Frankfurt/ New York 2019, S. 291ff. 

Kultur in ihren Auswirkungen auf Digitalisierung:  Im Silicon Valley sind die Gründungsunternehmen eher missionsorientiert (Idee, Ideal; Kinder erfolgreicher Fachleute). Chinesische Start-ups sind Markt- und Geld orientiert. Es herrscht eine Söldnerhaltung vor. Die verwurzelte Mentalität der Knappheit lässt Nachahmung zu. Die Summe der drei Strömungen (Akzeptanz des Nachahmens, Knappheitsmentalität, Bereitschaft in neue Branchen einzutauchen) bildet die Grundlage des chinesischen Internet-Ökosystems. Vgl. Kai-Fu Lee: AI Super-Powers. China, Silicon Valley und die neue Weltordnung, Frankfurt/ New York 2019, S. 45ff.

Digitale Kultur: Erfolgreich ist Digitale Kultur nach folgenden Kriterien: 1. Erfolgsfaktor Kultur nicht unterschätzen. 2. Mitarbeiter aktiv in den Kulturveränderungsprozess einbinden. 3. Nicht versuchen, alles auf einmal zu verändern. 4. Sicherstellen, dass man sich bei der Mitarbeiterkommunikation vor allem auf das "Warum" konzentriert. 5. Ein starkes Governance-Programm hinter der Vision. 6. Etablieren einer Lernkultur und eine Infrastruktur aufbauen, die kontinuierliches Lernen ermöglicht. 7. Besonders für die Digital-Native-Generation neue und innovative Lernmethoden nutzen. 8. Zusammenarbeit von Führungskräften aus IT- und Business-Departments. Vgl. Pfiegl, Konstantin: Führungskräfte als digitale Vorreiter, in: com!professional 9/2020, S. 14ff.

Digitaler Minimalismus: Smartphones und Internet bewusst nutzen. Mit mehr Zeit und Gelassenheit vorgehen, um als Mensch keinen Schaden zu nehmen. Digitals nutzen, um das Leben leichter zu machen. Dabei auch mal abschalten und bewusster leben. Man spricht von einem reflektierten Umgang mit dem digitalen. entscheidend ist das "wofür" wir die sozialen Medien nutzen. Gezielter Einsatz der Technologie erhöht die Lebensqualität. Der Begriff geht auf den Computerwissenschaftler Cai Newport zurück (Digitaler Minimalismus, Redline, 2019). Man sollte vor allem darauf achten, von Apps nicht manipuliert zu werden. Man muss auch eine Balance zwischen Business und bewusstem Leben gewinnen.

Menschen und Liebe: Reise zurück von Maschinen auf Menschen und von der Intelligenz auf Liebe. Vgl. "Was der Krebs uns lehrt" in: Kai-Fu Lee: AI Sper-Powers. China, Silicon Valley und die Neue Weltordnung, Frankfurt/ New York (Campus) 2019, S.229ff. Der Wert als Mensch darf nicht unmittelbar von seinem ökonomischen Wert abhängen. Die Menschlichkeit muss neben KI bestehen. Drei Ansätze: Reduzieren, umschulen, umverteilen. Die Koexistenz von Mensch und KI im Arbeitsmarkt muss überdacht werden. Es muss einen Sozialinvestitionsgehalt geben: Fürsorge, gemeinnützige Dienste, Fortbildung.

Überwachungskapitalismus: Der Begriff stammt von der Harvard-Ökonomin Shoshana Zuboff. Sie meint damit folgendes: Es wurde eine neue Ware geschaffen. Die Digital-Unternehmen haben Beziehungen, Gefühle und Begierden von Privatmenschen zu einem Rohstoff gemacht, den sie ausbeuten und gewinnbringend vermarkten können. Das Ziel dabei ist, Voraussagen über deren künftige Entscheidungen zu treffen bzw. Menschen zu Entscheidungen zu drängen.  Es besteht ein ständiger Konflikt zwischen der informationellen Selbstbestimmung und der Überwachung. Der Bürger ist überall unter Beobachtung. Er muss steuern, wo er seine Grenzen sieht. Das ist für jeden anders. Post Privacy (Nichts zu verbergen?) bis Recht auf Vergessenwerden (right to be forgotten).

Nationalismus: Er wird von der KPCh gefördert. Die Macht der KPCh beruht auf zwei Säulen: Sie schafft Wohlstand für die meisten Chinesen. Die Han - Chinesen sind die Mehrheit und waren immer schon nationalistisch. Sie sahen den Westen eher feindlich, was in der Geschichte begründet ist. Manche Experten sprechen sogar von einem chinesischen Rassismus. Das erklärt auch zum Teil die Probleme in Tibet oder in Xinjiang. Vgl. Reichart, Thomas: Das Feuer des Drachen München 2020, S. 154ff. Wichtig ist diese Einstellung für chinesische Direktinvestitionen im Ausland. Man kann eine große Heimatliebe voraussetzen, die sich auch mal über den Datenschutz einzelner Länder hinwegsetzen kann. Beim Konkurrenzkampf zwischen Digital-Giganten in den USA und China ist dieser Aspekt immer zu sehen, auch in den USA. Die EU und Deutschland brauchen eigene Digital-Unternehmen.

Zero Trust: Kontrolle statt Vertrauen. Neues Sicherheitskonzept. Soll für mehr Schutz sorgen als bei Perimeter und VPN. Das Konzept besteht aus drei Wegen: 1. Software-defined Perimeter (SDP). 2. Mikrosegmentierung des Netzwerks. 3. Cloudbasierte Zugriffsmodelle (Proxies). Es gibt auch Anbieter von Zero-Trust-Lösungen (Auswahl): Cisco, Google, Sophos, Palo Alto Networks. IoT und IIoT öffnen den Angreifern neue Türen.

Culture Hacking: Ethisch umstrittene Maßnahmen. Gezielte Provokationen sollen die Transformation vorantreiben. Die Agilität soll gefördert werden. Es ist eine indirekte Methode. sie kann ausprobiert werden, wenn die Belegschaft zu erstarrt ist, um Veränderungen mitzumachen. Diese Methode ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: 1. Geringer Aufwand. 2. Regelverletzung. 3. Unmittelbare Auswirkungen. 4. Sichtbarkeit. 5. Emotionale Reaktionen. Hacks können von oben und unten kommen.

Green IT: Data - Center sollen umweltfreundlicher werden. Der Energiebedarf von Rechenzentren ist sehr hoch. Die Digitalisierung erweist sich als Stromfresser. Der Bedarf steigt von Jahr zu Jahr: Server, Kühlung, Storage, USV, Netzwerk, Sonstige Infrastruktur fressen Strom. Das Potential der Abwärmenutzung soll ausgeschöpft werden. Abwärme kann etwa Algen züchten. Data-Center können als Heizung dienen. Man will Rechenzentren im Meer bauen. Vgl. Pfliegl, Konstantin: Das Rechenzentrum nachhaltig gestalten, in: com!professional 11/2019, s. 60ff.

Digitale Souveränität: Wenige Anbieter dominieren die Digitaltechnik. Dazu gehören Google, Amazon, Facebook aus den USA und immer stärker chinesische Unternehmen wie Huawei, Alibaba, Tencent. Sie beschäftigen die besten Forscher und verfügen über die führende Infrastruktur. Die anderen Unternehmen, auch die deutschen, drohen ihre digitale Selbstbestimmung zu verlieren. Die EU kümmert sich zunehmend um die digitale Souveränität Europas (Cybersicherheit, Mobilfunkstandard 5G, Cloud). Der Begriff ist gleichzeitig Ausdruck der Sorge, dass die digitale Transformation die staatliche und individuelle Selbstbestimmung bedroht. Das Fehlen eines normativen Rahmens in der digitalen Politik macht sich bemerkbar. Noch dominiert in Deutschland die Diskussion um die wirtschaftspolitische und sicherheitspolitische Perspektive. Ein demokratisch fundiertes Verständnis muss sich erst noch herausbilden. Vgl. Pohle, Julia: Digitale Souveränität: Das Ringen um Handlungs- und Entscheidungsfreiheit im Netz, in: WZB Mitteilungen Heft 171, März 2021, S. 6f.

Dateneigentum: Der französische Philosoph Gaspard Koenig bereist und analysiert die Welt der künstlichen Intelligenz. Für ihn gibt es am Ende nur eine Rettung: Dateneigentum (persönliches). Jeder soll seine Daten verschenken, vernichten, zurückhalten, verkaufen können. Die kostenlose Nutzung für Jedermann ginge damit auch dem Ende entgegen. Das Geschäftsmodell müsste geändert werden. So ließe sich das Individuum retten.  Vgl. Schubert, Christian: Der neue Weg zur Sklaverei, in: FAZ, 15. November 2019, S. 9.

Der Markt als Ware: Die digitalen Großunternehmen treten als machvolle Marktbesitzer auf. Sie schöpfen Profite von Produzenten ab als leistungslose Renten. Sie türmen riesige Cash-Reserven auf.  "Diese Firmen zielen darauf ab, durch die Integration immer neuer Produktkategorien und über eine aggressive Akquisitionspolitik mit den von ihnen bespielten Märkten deckungsgleich zu werden". Google ist z. B. ein Öko-System und hat eine ungeheure Marktmacht und kann Quelle von Ungleichheit sein. .   S. & Vgl. Staab, Philipp: Digitaler Kapitalismus, Markt und Herrschaft in der Ökonomie der Unknappheit, Suhrkamp Verlag 2019.

Digitale Selbstverteidigung: Die Partei die Linke fordert 2019 das Schulfach "Digitale Selbstverteidigung" (Vorsitzende Katja Kipping). Damit soll der "digitale Blindflug" verhindert werden: Alle bewegen sich im Internet, aber ganz wenige kennen die Funktionsweise. Damit steigt die Gefahr der Manipulation.

Transparenz-Paradoxon: Millionen Menschen nutzen die Dienste der Techkonzerne wie Amazon und Google. Daran ändern auch immer neue Datenskandale wenig. Wie entsteht Vertrauen in der digitalen Welt? Die Konzerne missbrauchen Vertrauen, um ihre Marktmacht zu zementieren. Anders als früher, als Unternehmen sehr direkten Einfluss auf das Vertrauen von Kunden besaßen, verteilt sich das Vertrauen in der digitalen Welt auf unterschiedliche Akteure und entzieht sich so immer mehr der zentralen Kontrolle. Der Anreiz für Sicherheit ist zu gering. Vgl. Broszka, Ina: Das Transparenz-Paradoxon, in: WiWo 38/ 13.9.2019, S. 79f. Auch Botsman, Rachel: Who can you trust?: How Technology Brought Us Together - and Why It Could Drive Us Apart, 2019.

Bildungsprogramm für die Mechanismen des Internet: Vgl. James Bridle: New Dark Age. Der Sieg der Technologie und das Ende der Zukunft, München (Beck) 2019. ER plädiert für ein umfassendes Bildungsprogramm, um den einzelnen in die Lage zu versetzen, mit den Herausforderungen der Internetökonomie umzugehen und ihre Mechanismen zu durchschauen. Voraussetzung für Verständnis ist aber Transparenz.

Vertrauen: Vertrauen ist eine zentrale Ressource für junge Unternehmen und ältere Unternehmen, die Kooperationen planen. Risiko, Unsicherheit und Informationsasymmetrie spielen dabei eine große Rolle. Vertrauen in die Investoren und Vertrauen in die Kooperationspartner unterliegt bestimmten Bedingungen. Vgl. Welpe, I. M.: Die Entstehung von Vertrauen im Kontext von Unsicherheit und Informationsasymmetrie, in: ZfB 2008, H. 12, S. 1251-1283. Die Bedeutung von Vertrauen als ökonomisches Handlungsmotiv im Rahmen der "animal spirits" (Adam Smith) wird zunehmend gesehen, auch um der gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Vgl. auch Beise, M./ Diederichs, L. (Hg.): Hoffnung Mittelstand, München 2009, S. 47 ff. Auch in der Weltwirtschaftskrise 2008 zeigt sich die Bedeutung des Vertrauens für die Marktteilnehmer, hier insbesondere das Vertrauen im Interbankenmarkt. Gesellschaftliches Vertrauen und Systemvertrauen stellen eine übergeordnete Ebene dar, die die Interdisziplinarität aufzeigt. Auf den Finanzmärkten muss der Staat in und nach der Weltwirtschaftskrise als Vertrauensgeber einspringen. Dadurch wird das Risiko von der Wirtschaft auf die Gesellschaft überwälzt. Vertrauensverlust ist auch ein zentrales gesellschaftliches Thema unserer Zeit: aktuelle Beispiele sind Toyota, die Kirche, die Banken. Vertrauen fördert das Wirtschaftswachstum insgesamt (Reduktion von Transaktionskosten, Lösung für Probleme kollektiven Handelns wie Trittbrett fahren, Prinizipal-Agent-Problem; Paul Whiteley, Essex). Einige Unternehmen sind ganz besonders auf Vertrauen angewiesen. Dazu gehören etwa die Fluggesellschaften. Ein einziges Unglück, wie der Absturz durch Selbstmord 2015 bei der Lufthansa/ German Wings, kann das Vertrauen zerstören. Die Kategorie "Vertrauen" rückt in den ganzen Sozialwissenschaften und der Medizin immer mehr in den Mittelpunkt. So weiß man mittlerweile um das Hormon "Oxytocin, das uns vertrauen lässt. Vertrauen ist auch extrem wichtig im Sport (Bergsteigen). Ohne Vertrauen würde der Gebrauchtwagenhandel zusammenbrechen. Einige Plattformen haben digitale Vertrauenswerkzeuge entwickelt. Bekannt ist das D.R.E.A.M.S.-Gerüst von Blablacar. Es besteht aus sechs Säulen: persönliche Angabe (Declared Information), Bewertungen (Ratings), Engagement, Aktivität, Moderation und soziale Netzwerke. Ohne Vertrauen könnte es keine Sharing Economy geben. Warum genießen aber wildfremde Online-Plattformen mehr Vertrauen als manche Nachbarn? Das hängt mit der Konstruktion digitaler Vertrauensnetzwerke zusammen (siehe oben). Empirisch ist die Studie "Trusted Company 2017" eine der wenigen Studien. 168 Unternehmen werden ausgezeichnet. Vertrauen führt volkswirtschaftlich zu geringerer Regeldichte und höherer Flexibilität. Auch die positive Reziprozität wird erhöht.  GPRA ermittelt einen Vertrauensindex. 2017 liegt Wikipedia an der Spitze. Gering ist das Vertrauen für Facebook. Mit im Spiel ist auch immer das Hormon Oxytoxin. Vertrauen hängt auch stark von Erfahrungen ab. Auch die Rahmenbedingung ist wichtig: In armen Ländern sind die Menschen viel weniger vertrauensselig als in den reichen Nationen. Wer aber ein reiches Sozialleben hat (und mehr vertraut) lebt länger, glücklicher und gesünder. Mit der Künstlichen Intelligenz wird das Vertrauen noch wichtiger, weil KI es nicht ersetzen kann. Ein empirische Studie 2021 (Onlinebefragung, international) zeigt, dass eine zentrale Voraussetzung für Vertrauen Offenheit/ Transparenz ist. Wenn die Nutzer wissen, welche Daten gesammelt werden, haben sie mehr Vertrauen.   Über die Bedeutung von Vertrauen für eine Gesellschaft hat auch die Wirtschaftsnobelpreisträgerin 2009 Elinor Ostrom gearbeitet (Wege, die sicherstellen, dass andere vertrauenswürdig sind). Nach einer repräsentativen Studie für die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) 2013 haben die Deutschen wenig Vertrauen in den Markt. Vor allem bei Finanzprodukten gilt dies. Aber auch beim Kauf von Lebensmitteln. Der Verband fordert ein Frühwarnsystem. Die Bürger vertrauen den folgenden Institutionen am meisten, ihre Interessen als Verbraucher zu vertreten: Stiftung Warentest,Verbraucherzentralen, Bundesamt für Verbraucherschutz, Bundeskartellamt. Die Wirtschaftswoche berechnet einen Vertrauensindex (Elektronikmärkte vor Baumärkten und Unterhaltungselektronik). In den USA will man versuchen, mit dem Zerstören von Vertrauen im Darknet den Drogenhandel zu bekämpfen. Forscher  (Duxbury/ Haynie, Ohio State) haben herausgefunden, dass beim Drogenkauf weder Preis noch Auswahl entscheidend ist, sondern das Vertrauen. Also will man systematisch schlechte Bewertungen erzeugen  "Je länger ich über die Bedeutung von Vertrauen nachdenke, desto wichtiger kommt es mir vor", Jaron Lanier, Veteran des Internets, Informatiker.

Vertrauensrisse: Institutionen verlieren in unserer Gesellschaft an Kraft. Dazu zählen Kirchen, Volksparteien, Gewerkschaften, Vereine, Massenmedien und Konzerne. In der Informationsflut bleibt oft unklar, was andere denken. Man versucht in der Politik die Vertrauensrisse zu kitten: in der Gesundheitsvorsorge mit der Bürgerversicherung, bei der Arbeit mit dem Bürgergeld. Vgl. Allmendinger, Jutta/ Wetzel, Jan: Die Vertrauensfrage. für eine neue Politik des Zusammenhalts, Duden Verlag 2020.

Aufbau und Abbau von Vertrauen: Gegenseitiges Vertrauen ist etwas, das Menschen von Natur aus gegeben ist. Es aktiviert Gehirnsysteme, die die Motivation zu Teamarbeit steigern, was wiederum, im besten Falle, die Arbeit zu einem reinen Vergnügen macht. Führungskräfte können Vertrauen auf zwei Arten sabotieren: Sie schüren Angst und üben Macht aus. Deshalb geht Vertrauen im Arbeitsalltag oft verloren. Vgl. Zak, Paul J.: Wem wir vertrauen, in: HBM Oktober 2020, S. 54ff.

Daten als Arbeit: Zentrales Problem ist die Bewertung einzelner Beiträge zur digitalen Wirtschaft. In der Datenarbeit müsste sich der Auktionsgedanke bei der Bewertung  durchsetzen. Daten müssen als Eigentum gesehen werden, die einem Monopol gleichen.  Vgl. Posner, Eric A./ Weyl, E. Glen: Wir sind der Markt! Radikale Utopien für das digitale Zeitalter, Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 2019. Soziale Ungleichheit und ökonomische Stagnation auf den freien Märkten sind die zentralen Probleme unserer Zeit. Das Buch offenbart mutige neue Wege, Märkte zum Wohle aller zu organisieren und die Gesellschaft gerechter zu machen. Märkte werden nicht verdammt, sondern radikale wie produktive neue Wege aufgezeigt. S. 198ff.

Soziale Praktiken im Umgang mit der Zukunft: Um mit der fundamentalen Unbestimmbarkeit zukünftiger Ereignisse fertig zu werden, sind soziale Praktiken erfunden worden, die zukünftige Gegenwart vorhersagen und selbst gestalten können. Routinen, Prognosen, Fiktionen, Innovationen und Novitäten sind deshalb in den Fokus soziologischer Forschung gerückt. Vgl. Hutter, Michael: Jetzt kommt was Neues! Soziale Praktiken im Umgang mit Zukünften, in: WZB Mitteilungen, Heft 166, Dezember 2019, S. 6ff.

Digitaler Präsentismus: "Problematischer als die allgemeine Beschleunigung von Praktiken könnte für die digitalisierte Gesellschaft der zunehmende Vorrang der Gegenwart, der Präsentismus, werden. Neben der bisherigen kulturellen oder medienwissenschaftlicher Verwendung dieses Begriffs ist auch eine philosophische denkbar. Danach könnte die Nutzung bestimmter digitaler Technologien zu einer Überbetonung der Gegenwart auf der Ebene des personalen Zeitbewusstseins führen und damit zu ähnlichen Problemen, wie man sie in Extremform in Psychopathologien wie der Depression kennt." Siehe Weber-Guskar, Eva: Gestörtes Zeitbewusstsein. Der digitale Präsentismus verdrängt Vergangenheit und Zukunft, in: WZB Mitteilungen Heft 166, Dezember 2019, S. 10ff.

Weltsicht und Soziale Medien: Wer sich mit den Nachrichtendiensten in den sozialen Medien über die Welt informiert, der läuft Gefahr, immer die eigene Meinung bestätigt zu finden und einer verengten Weltsicht aufzusitzen. Dies ergab eine Studie der Uni Ulm 2020 mit 1600 Teilnehmern. Insgesamt nutzen Ältere und Männer mehr Nachrichtenquellen als Jüngere und Frauen. Wer unterschiedliche Kanäle benutzt, ist offener und weniger autoritär.

Lokale Ebene/ lokale Gemeinschaft: Der Ökonom Raghuram Rajan hat zur Bedeutung der lokalen Gemeinschaft 2020 ein Buch veröffentlicht. Es trägt den Titel "die dritte Säule". Er war 2003 bis 2006 Chefvolkswirt des IWF. Von 2015 bis 2016 war er Vize-Chef der BIZ in Basel. 2020 ist er Professor für Finanzen an der Uni Chicago. Er warnt vor Zentralregierungen und überstaatlichen Organisationen. Die lokale Ebene droht als Stütze der Gesellschaft weg zu brechen. Das sei ein Einfallstor für rechten und linken Populismus. Der Dienstleistungssektor in Großstädten profitiert vom Technologiewandel. So entsteht ein großes Stadt-Landgefälle. Diesen Tatbestand stellt schon Karl Marx beim Übergang von der Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft fest. Man kann den Verlierern des Wandels nicht einfach Transferleistungen anbieten. Durch den Kompetenzverlust der kommunalen Ebene fühlen sich die Menschen machtlos. Man müsste wieder zurück zur Subsidiarität kommen. auch die Entwicklung in der EU geht in eine andere Richtung: Mindestlohn, Steuerharmonisierung. Vgl. auch: Malte Fischer: Stärkt die lokale Gemeinschaft, in: WiWo 6/ 31.1.2020, S. 38f.

Welt im Quantenzustand: Die binäre Welt ist am Ende. Der Computer verändert die Welt und unser Denken. Traditionelle Unterscheidungen zwischen konservativ und progressiv, zwischen links und rechts, vergangenheits- und zukunftsorientiert gelten nicht mehr. Es gibt unzählige Zwischenabstände. Es gibt keine festgesetzte Normalität mehr. Vgl. Miriam Meckel: Die Welt im Quantenzustand, in: Handelsblatt Nr. 23, 3.2.2020, S. 48.  Wirklich kann noch niemand die Welt vorausahnen. Aber sicher wird der Mensch als denkendes Wesen mehr in Frage gestellt. eigentlich soll die Technik ja Fehler des menschlichen Denkens verhindern. Nikolaus Kopernikus hat die Eitelkeit der Menschen gekränkt, indem er nachwies, dass die Erde nicht im Mittelpunkt des Universums steht. Heute geht es um die Grenzen des Menschen. Schwache Denker sind mit der Flut von Tweets, Headlines und Woke durch die emotionale Sofortbewältigung beschäftigt und schaffen Nachdenken gar nicht mehr. Gerade heute brauchen wir aber eine Kultur des Nachdenkens, die uns in richtiger Weise handeln lässt. Vgl. Anders Indset: Quantenwirtschaft. Was kommt nach der Digitalisierung, 2019.

Digitale Dilemma: Wir lieben unsere Autonomie und freie Meinungsäußerung auf der einen Seite sowie Sicherheit auf der anderen Seite. Wie schaffen wir es in der digitalen Welt, beides zu gewährleisten?  Wir sollten das Digitale nutzen, um Zeit für das Wesentliche zu gewinnen. Wir sollten den Gefahren wie Gesichtserkennung und Spracherkennung kritisch gegenüberstehen. Vgl.  Andera Gadeib: Die Zukunft ist menschlich. Manifest für einen intelligenten Umgang mit dem digitalen Wandel in unserer Gesellschaft, Offenbach (Gabal) 2019, S. 87ff.

Pandemie und Digitalisierung: Asiatische Staaten verstärken die digitale Kontrolle ihrer Bürger massiv in Zeiten von Covid-19. Man arbeitet an Smartphone - App, die jede Person registriert und den Behörden meldet, der man auf zwei Meter nahe kommt. In Hongkong sind Quarantänepflichtige seit Anfang Februar verpflichtet, elektronischen Armbänder zu tragen. Verlässt ein Patient die Wohnung, wird die Gesundheitsbehörde alarmiert. In Südkorea werden viele Apps herunter geladen, die Alter, Geschlecht, Nationalität und das Bewegungsprofil Infizierter zeigen. Dazu gehören die Apps Corona1000m, Corona Doctor, Corona Map. In China startet im Februar eine Plattform, die "Close Contact Detector" heißt. Über sie lässt sich ermitteln, wie nahe man Infizierten gekommen ist. Auch die großen Mobilfunkanbieter ermitteln Bewegungsprofile für die jeweils letzten vierzehn Tage. In Hangzhou, dem Sitz von Alibaba, werden bei Alipay ein "Gesundheits-Code" installiert, der registrierte Kunden mit Datenbanken der Gesundheitsbehörden abgleicht. Eine ähnliche App verwendet ach schon Tencent ("Anti-Virus-Code"). Die große Frage ist, wenn alle Staaten dieser Welt aus Gesundheitsgründen ähnliche Mechanismen einrichten. Quelle: Der Spiegel Nr. 12, 14.3.2020, S. 68ff.

Deutschland will Handy-Auswertungen zulassen (Datenanalyse, anonymisiert, Bewegungsströme, Daten der Telekom). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist die Grenze.  Deshalb will man noch nicht mit Tracking und personalisierten Daten arbeiten. Entsprechende Pläne wurden vorerst auf Eis gelegt. aber auf freiwilliger Basis könnte man eine App einsetzen und Erfahrungen sammeln (Menschen, die die App haben werden gewarnt, wenn einer infiziert ist, Tracking). Man arbeitet an einer App, die datenschutzverträglich ist. Mit Bluetooth werden Handys verbunden und eine anonyme Kontaktliste erstellt. Bei einer Infizierung werden Push-Nachrichten verschickt. Die Nutzung ist freiwillig. Sehr erfolgreich sind auch Israel und Singapur mit der Auswertung von Handydaten, auch Taiwan. Bei Singapur muss man allerdings bedenken, dass das Land ein hervorragendes Gesundheitssystem hat und außerdem Notfallpläne in der Schublade hatte (große Erfahrung mit Sars und Mers).  In Zeiten der Corona-Krise ist auch die Zahl der Cyberangriffe auf Firmen gewachsen. entsprechende Infos sind sehr begehrt. Also müssen auch hier die Abwehrmaßnahmen verstärkt werden. 

Soziale Distanzierung (social distancing) und Digitalisierung: Räumliche Distanzierung (physische Distanzierung). Reihe von nicht-pharmazeutischen Maßnahmen zur Infektionskontrolle, die die Ausbreitung einer ansteckenden Krankheit stoppen oder verlangsamen sollen. Es handelt sich um eine Art Quarantäne. Diese Strategie, die medizinisch in bestimmten Fällen geboten ist, steht menschlichen Bedürfnissen und kulturellen Gewohnheiten gegenüber. Deshalb kann es zu negativen folgen psychischer Art kommen (Einsamkeit, Angst, Panik, häusliche Gewalt, persönliche Konflikte). "Don' t stand so close to me", alter Police-Hit aus den 80er Jahren. Wird von Sting aus aktuellem Anlass wieder neu aufgenommen.

Bei Sozialer Distanzierung zeigen sich große Vorteile der Digitalisierung: 1. Arbeit kann von zu Hause aus unter bestimmten Bedingungen verrichtet werden (Homeoffice). 2. Schulen und Hochschulen können ihre Lehrinhalte digital vermitteln (E-Learning). 3. Soziale Kontakte, die für jeden Menschen notwendig sind, können virtuell aufrechterhalten werden (soziale Medien). 4. Viele Solo-Selbständige (Künstler, Musiker u. a.) können ihre Leistungen und Programme virtuell vermitteln.

Einschätzung von Jürgen Habermas zur Corona-Krise und sozialen Folgen: "Jeder Einzelne wird über die Risiken aufgeklärt, weil für die Bekämpfung der Pandemie die Selbstisolierung der einzelnen Person mit Rücksicht auf die überforderten Gesundheitssysteme die wichtigste einzelne Variable ist. Zudem bezieht sich die Unsicherheit nicht nur auf die Bewältigung der epidemischen Gefahren, sondern auf die völlig unabsehbaren wirtschaftlichen und sozialen Folgen. In dieser Hinsicht – so viel kann man wissen – gibt es, anders als beim Virus, einstweilen keinen Experten, der diese Folgen sicher abschätzen könnte. Die wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Experten sollten sich mit unvorsichtigen Prognosen zurückhalten. Eines kann man sagen: So viel Wissen über unser Nichtwissen und über den Zwang, unter Unsicherheit handeln und leben zu müssen, gab es noch nie". Quelle: Jürgen Habermas, Interview; www.fr.de/kultur/gesellschaft/juergen-habermas, 10.04.20.

Digitalisierung und privater Haushalt: Home-Schooling und Home-Office in der Corona-Krise bringen Bildung und Erwerb wieder in den privaten Haushalt zurück. So war der Zustand einst vor der Industrialisierung in der Agrargesellschaft. Es sind kaum analoge Ereignisse im Lockdown möglich. Am Anfang ist dies nur noch der Einkauf im Lebensmittel-Supermarkt. Der kann allerdings auch durch Online-Bestellungen umgangen werden (was mittlerweile in vielen Regionen der USA die Regel ist). Man könnte darüber spekulieren, ob dieser globale Ausnahmezustand nicht die ferne Zukunft vorwegnimmt.

Scheitern von Digitalisierungsprojekten, sozialpsychologische Gründe: Digitalisierung ist für fast alle Unternehmen ein Muss. Umso bedauerlicher ist es, wenn solche Projekte scheitern oder nicht die erhofften Ergebnisse bringen. Einflussfaktoren sind Kultur, Komplexität, Kompetenz und Konsequenz. Der erste Grund ist der wichtigste: Projekte scheitern, weil sie nicht zu den Menschen passen. Unternehmenskultur ist entscheidend. Die technische Komplexität wird oft unterschätzt. Das kann mit einem Mangel an Kompetenz (Know-how) korrespondieren. Schließlich versanden solche Projekte oft, weil sie es nicht in den Produktiveinsatz schaffen. Vgl. Hafen, Thomas: Die vier großen "K" des Misserfolgs, in: com !professional 6/2020, S. 14ff.

Digitalisierung und Mensch: Die Digitalisierung macht Menschen maschinenähnlicher und Maschinen menschenähnlicher (KI, Algorithmen). Menschen können manipuliert und berechnet werden. Maschinen kann ethisches Verhalten einprogrammiert werden. Diese Konstruktion widerspricht aber der menschlichen Natur. Menschen sind soziale Wesen, die Kontakte zu anderen Menschen wollen und brauchen. Wie werden sch die Freiheitseinschränkungen der Menschen auswirken? Niemand weiß das zur Zeit. Wir werden sehen.

Kooperation: 1. Menschen kooperieren umso eher, je höher der eigene und der soziale Nutzen sind und je geringer die Kosten. 2. Wie kooperieren häufiger, wenn Kooperation die Regel ist und man sich gegen Kopperation entscheiden kann (Widerspruchslösung). 3. Kooperieren die anderen, kooperiere ich auch. 4. Kooperationsbereite Menschen finden sich lokal zusammen. Kooperation ist eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg des Menschen. Es ist auch eine Grundvoraussetzung in der Digitalisierung.  Vgl. Falk, Armin: Solidarisch durch Eigennutz, in: Die Zeit Nr. 7, 11. Februar 2021, S. 27.

Technologischer Fortschritt und Menschliche Herabstufung (human downgrading): Diese These geht auf den ehemaligen Designethiker von Google Tristian Harris zurück. Er war auch Gründer der Initiative "Time Well Spent". Er meint damit die Herabstufung der Aufmerksamkeit, des Gespürs für angemessenes Verhalten, der demokratischen Verständigungsprozesse und der sozialen Beziehungen bis hin zur Sucht nach den sozialen Medien.   "Technologischer Fortschritt gilt als sichtbarstes Zeichen menschlicher Fortentwicklung. Solange wir aber die Einbettung von Technik in Umwelt und Gesellschaft nicht mitdenken, fehlt uns der Blick dafür, wo sie uns hintreibt. Um in der neuen Realität gut zusammenleben zu können, müssen wir auch unsere Vorstellung von Fortschritt ändern, sonst verschieben wir die Probleme einfach weiter in die Zukunft", in: Maja Göpel: Unsere Welt neu denken, Berlin (Ullstein) 2020, S. 116, 117.

Videogespräche (Zoom, Skipe u. a.) und soziale Beziehung: 1. Video zeigt soziale Präsenz und ist ein guter Ersatz. Probleme entstehen, wenn sich Gesprächspartner nicht kennen. 2. Es fehlt der Blickkontakt. Auch andere nonverbale Reize fallen weg. Das emotionale Empfinden wird anders. 3. Bei Babys bestehen Probleme beim Video telefonieren. Vgl. Bente Lubahn: Hallo, verstehst du mich, in: Die Zeit 23, 28.Mai 2020, S. 33.

Sucht: Wegen geschlossener Schulen und fehlender Freizeitangebote in der Corona-Krise verbringen Kinder und Jugendliche in Deutschland enorm viel Zeit mit Computerspielen und sozialen Netzwerken. So wird die Sucht gefördert Quelle: Studie der DAK 2020.

Unsicherheitsabsorption: Psychische Fähigkeit, mit Ungewissheit umzugehen. Wir leben in einer Zeit, in der die Ungewissheiten stark zunehmen. Das hängt allgemein damit zusammen, dass die technologische Entwicklung immer dynamischer verläuft. Eine solche Geschwindigkeit von Änderungen hat es noch nie gegeben. Die Corona-Krise erhöht noch einmal diese Ungewissheit. Menschen müssen lernen, damit umzugehen. Die Unsicherheitsabsorption hängt von der Kultur ab, vom Bildungsniveau und von der individuellen psychischen Persönlichkeitsstruktur. Wir haben früher in empirischen Studien zur Messung von Arbeitsanforderungen die Ungewissheit als  Dimension mit einbezogen. Führungskräfte müssen mit sehr viel Ungewissheit umgehen können.

Hundert Augen (Kentucky): So ist der Titel eines Buches, das 2020 bei Suhrkamp erscheint. Autorin ist die Argentinierin Samanta Schweblin, die in Berlin lebt. Das Buch wurde aus dem Spanischen übersetzt (von Marianne Gareis). Es geht in dem Buch um Plüschtiere (Kentucky, Panda), die ein digitales Innenleben haben. Zwei Menschen besitzen es: Einer kauft. Ein anderer kauft den Zugangs-Code und kann nur passiv zusehen. Man könnte es als Parabel über die digitale Welt sehen. Was treibt Menschen ins Internet und was haben sie davon? Es geht um das globale Dorf, um Einsamkeit. In jedem von uns lebt ein Fremder und das Grauen kann jeden Moment ausbrechen. Es ist ein visionärer Roman über unsere vernetzte Gegenwart und über den Zusammenprall von Menschlichkeit und Horror. Häuser in Hongkong, in der Sierra Leone, Marktplätze in Oaxaca, Schulen in Tel Aviv, Schlafzimmer in Indiana, Wohnzimmer in Sidney, Kinder in Buenes Aires werden digital verbunden.

Corona - Homeoffice - Gesellschaft: Corona hat das Homeoffice gebracht bzw. beschleunigt. Das wiederum führt zu gewaltigen Veränderungen in der Gesellschaft: 1. Es verändert die Arbeit in Unternehmen (vgl. Digitalisierung und Arbeit). 2. Immobilienmarkt (das Land wird attraktiver; Büros in der Stadt nehmen ab, Bürosterben). 3. Handel (mehr online). 4. Stadtplanung (siechende Innenstädte, mehr Grün). 5. Soziale Spaltung (Homeoffice nur für Besserverdiener). 6. Rückzug ins Heim (neues Biedermeier?). Vgl. Book, Simon u. a.: Trautes Heim, Job allein, in: Der Spiegel Nr. 37, 5.9.2020, S. 10ff.

Identität: In der post-privaten Gesellschaft tritt ein Identitätswandel ein. Unsere Online-Identität wird ein immer wichtigeres Gut, denn es existiert dauerhaft. Sogar Eric Schmitt von Google empfiehlt, nichts abzuspeichern, was einen mit dem Gesetz in Konflikt bringt oder in der Öffentlichkeit unangenehme folgen haben könnte. Wir müssen immer beachten: Wer sind wir? Und wofür sind wir da? Vgl. Specht, P.: Die 50 wichtigsten Themen der Digitalisierung, München 2019, S. 312ff.

Technologische Singularität: Nach einigen Experten soll 2045 dies eintreten. Bis dahin hat der technische Fortschritt sich derart beschleunigt. dass die Zukunft der Menschheit danach nicht vorhersehbar ist. Bis zum Jahre 2030 kommen bei Gehirnscans Nanobots zum Einsatz mit kleinen Kohlenstoffatomen. Dadurch kann dann das Gehirn auch von innen "durchleuchtet werden.  Dann kann durch Reverse-Engine-Verfahren Software erstellt werden, die das Gehirn simulieren können. Das könnte die Geburtsstunde des Maschinenmenschen sein. Vgl. Specht, P.: Die 50 wichtigsten Themen der Digitalisierung, München 2020, S. 15ff.

Informationsnachfrage: Wir vermeiden Informationen, die uns weiterhelfen könnten. Menschen vermeiden Informationen, die ihrem Selbstbild schaden könnten. Es gibt also viel Nützliches, was wir nicht wissen wollen. Vgl. Ho, Emily: Was wir nicht wissen wollen, in: HBM Oktober 2020, S. 16f.

Digitaler Wandel durch die Corona-Krise: 1. Altbewährtes wird geschätzt (Gesundheitssystem, Verwaltung). 2. Vision eines neuen Wirtschaftens (geringere Wirtschaftsaktivität, harte Maßnahmen zum Umweltschutz). 3. Kraft für Neues (Positives aus der Krise mitnehmen). 4. Die digitale Welt als Teil des Lebens. 5. Sich dank Internet nie allein fühlen.  Vgl. Jutta Allmendinger: So soll es werden, in: Die Zeit Nr. 45, 29.10.2020, S. 36.

Internet of Behaviors (IoB): Viele Menschen schaffen täglich einen gewaltigen Datenstrom mit ihrem Handy, Fitness-Tracker oder der Kreditkarte. Wer diese Daten ausliest, erfährt Dinge über unsere Gewohnheiten und Bewegungsprofile. Das kann für Unternehmen sehr verheißungsvoll sein. Im Deutschen spricht man von Internet der Verhaltensweisen. Es laufen viele Erprobungsprojekte (Corona-Warn-App, KfZ-Versicherungen,  Gesichtserkennung auf Bahnhöfen usw.). Offen sind noch die Grenzen solcher Messungen.

Sekundärtugenden: Sie geraten in der Corona-Krise, aber auch im Zusammenhang mit digitalem Lernen (Lernen von zu Hause), wieder in den Vordergrund der Betrachtung: Dazu gehören Disziplin, Selbstkontrolle, Gewissenhaftigkeit, Durchhaltevermögen, Neugier, Mut. Diese Fähigkeiten bilden sich relativ früh in der Kindheit aus. Wichtig sind die Familie, der Sport, andere Hobbys oder außerschulische Aktivitäten. Diese Tugenden sind wichtig für den lebenslangen Erfolg (vielleicht sogar wichtiger als Noten). Vgl. Spiewak, Martin: Haltet durch! , in: die Zeit Nr. 11, 11.3.21, S. 27ff.

Macht, Proprietät von Märkten und Volatilität: Die Digitalkonzerne schaffen proprietäre Märkte: Apple, Google, Amazon und Facebook konkurrieren nicht mehr auf Märkten, sondern sie sind zu Eignern von Märkten geworden. Sie integrieren andere Anbieter gemäß ihren Regeln und Rahmensetzungen. Die Finanzmärkte können durch die Digitalisierung ihre Herrschaft ausbauen. Sie gewinnen am Ende immer (Hedgefonds, Kapitalgesellschaften). Die Meinungsmärkte werden in der Digitalisierung höchst volatil, die einen "strukturellen Populismus" begünstigen. Vgl. Vogl, Joseph: Kapital und Ressentiment. Eine kurze Theorie der Gegenwart, München (Beck) 2021.

Verlust von Nichtwissen: In der Digitalisierung kommt es zu Sichtbarkeitssteigerungen. Das Nichtwissen über soziale Sachverhalte ist schwieriger aufrechtzuerhalten. Die soziale Ordnung kann nicht einfach fortgeschrieben werden. Etablierte Institutionen, Routinen und Vorstellungen verlieren in der Folge ihre Selbstverständlichkeit und Bindungswirkung. Das zeigt sich vor allem auf drei Feldern: das Verhalten anderer wird durch soziale Medien sichtbarer, die begrenzte Rationalität menschlichen Verhaltens durch Mustererkennung und die Entscheidungsprämissen von Organisationen durch Automatisierung. Vgl. Irgmaier, Florian: Der irritierende Verlust des Nichtwissens. Die Digitalisierung konfrontiert die Gesellschaft mit sich selbst, in: WZB Mitteilungen Heft 171, März 2021, S. 61ff.  Die großen Philosophen Sokrates aus Griechenland und Laotze in China wussten schon beide, dass das Bewusstsein des Nichtwissens am wichtigsten ist. Am besten hat dies Kohelet um 300 v. Chr. (besser unter Prediger bekannt) ausgedrückt: "Den Wissenden und den Unwissenden trifft dasselbe Schicksal".

KI und Nachbildung menschlichen Bewusstsein: Am häufigsten wird heute noch schwache KI eingesetzt: Das sind meist Empfehlungsalgorithmen (z. B. Buchungsverhalten). Diese finden sich in allen sozialen Medien (Facebook, Instagram, Google, Netflix). Starke Algorithmen sind noch seltener: Sie sind selbst lernend. Sie verarbeiten Kausalzusammenhänge und können sich verselbständigen. Die nächste Stufe wäre die Nachbildung des Gehirns (Mindclouning) mit menschlichem Bewusstsein (höchste Stufe von Deep Learning). Einer der führenden Experten, Ray Kurzweil, rechnet damit 2030. Andere Experten sprechen von 200 Jahren. Die Technik könnte am Anfang vor allem die Medizin revolutionieren (Alzheimer, Demenz). Man kann mit Chips im Gehirn oder mit Datenbrillen arbeiten. Umgekehrt funktioniert die Technik schon gut: Brain Computer Interface (BCI ). Mit Gehirnströmen, die erfasst werden, können Computerspiele gesteuert werden. Vgl. Lutz Anderie (Frankfurt University of Applied Sciences, Wirtschaftsinformatik) in einer Zoom-Video-Konferenz am 12.4.21 mit dem bdvb.

Motion Sickness: Mischung  zwischen biologischem und psychologischem Phänomen. Taucht auf bei VR und AR. Ist noch wenig erforscht. Es gibt Erfahrungswerte von Monteuren, die bei Reparaturen damit arbeiten. Die Rückmeldungen sind eher positiv. Wahrscheinlich gibt es auch Gewöhnungseffekte. Die AR - Technik wird immer mehr im Marketing eingesetzt (Möbel- und Kleiderkauf, Häuserkauf über Makler). Es gibt neben den gesundheitlichen und psychologischen Aspekten auch starke ethische Bedenken (ungeklärt, Copyright u. a.).

Heimarbeit (Homeoffice) und "gläserner Mensch": Bei der Corona - App wird immer wieder über Daten diskutiert und über Bürgerrechte. Der Zwang zur Heimarbeit und die Kontakt- und Ausgangssperren drängen Menschen in eine Situation, in der der Datenschutz außen vor bleibt. Grundsätzlich ist alles, was digital ist, auslesbar. Alle Arbeitsvorgänge sind plötzlich analysierbar. Bildschirmmeetings können aufgezeichnet, gespeichert und ausgewertet werden. Es gibt schon eine Reihe von Start-ups, die sich auf die Auswertung spezialisieren. Auch im Bereich der Personalentwicklung sind kaum noch Grenzen gesetzt. Bei der digitalen Kommunikation bleiben die Kommunizierenden nicht mehr unter sich. So kann es "Spione", aber auch Kommunikationsforscher, Team - Coacher und Organisationsmanager geben, die profitieren wollen. Es gibt sogar mittlerweile Apps, die Mimik, Gestik und Stimmlage auswerten ("affective computing"). Bekannte Apps sind Affecta und Beyond Verbal. Die Daten - Aggregation der Internetplattformen wird zur "ursprünglichen Aggregation" (Karl Marx). Die Ausweitung der Akkumulationszone wird die informationelle Selbstbestimmung entscheidend schwächen. Vgl. Simanowski, Roberto: Todesalgortitmus. Das Dilemma der künstlichen Intelligenz, 2020. Ders.: Das Virus und das Digitale, Passagen Verlag 2021. "Ich bin häßlich, aber ich kann mir die schönste Frau kaufen. Also bin ich nicht häßlich", Karl Marx (zitiert nach Simanowski, Roberto: Schau mir in die Augen, Heimarbeiter, in: WiWo 18/ 30.4.21, S. 38f.)

Theorie der digitalen Gesellschaft:  Die heutige Gesellschaft ist in der Hand von Finanzmärkten, Netzgiganten und einer dynamisierten Meinungsindustrie. Im digitalen Zeitalter gibt es neue Machtstrukturen, die auch immer häufiger in die Entscheidungsprozesse von Regierungen und Volkswirtschaften eingreifen. Joseph Vogl: Kapital und Ressentiment. Eine kurze Theorie der Gegenwart, München (C. H. Beck) 2021. Das Buch enthält im wesentlichen drei Kernthesen: 1. Der Internet- und Plattformkapitalismus der Gegenwart ist die jüngste Metamorphose eines Finanzregimes, das sich in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte und die Bewirtschaftung von Informationen als attraktive Quelle der Wertschöpfung erkannt hat. 2. Die Fusion von Finanzökonomie und Kommunikationstechnologien etabliert neue Paradigmen der Macht, deren Resultat fragmentierte Öffentlichkeiten, gesellschaftliche Schismen und Demokratieverlust sind. 3. Affektökonomien mit dem Treibstoff des Ressentiments stabilisieren die Dominanz dieses Plattformkapitalismus auf Kosten des Gemeinwohls. Siehe Umschlagrückseite und Vorbemerkung, S. 7ff.

Kultur der digitalen Gründung und Innovation (Deep Tech): Zunächst gehört dazu eine Grundeinstellung: Wer die Zukunft vorhersagen will, muss sie gestalten. Man darf nicht im "Nörgeln" Weltmeister sein. Man darf nicht zum "Glas-halb-leer" neigen und muss Bock auf Vorwärts haben. . Wer die Sprunginnovationen beherrscht, prägt auch die Normen und Werte der Kultur. Wir müssen in Europa also aufpassen, dass wir nicht in den Kulturen der USA oder Chinas aufgehen. Wir müssen auf unsere eigenen Werte der Kultur aufpassen. Wir sind in Deutschland oft zu skeptisch gegenüber Innovationen. In den USA oder China hält man sie per se für gut und probiert sie aus. Wir müssen uns bewusst sein, dass auch Märkte digitalisiert werden können. Wenn die dann von woanders durch Plattformen oder anderes beherrscht werden, haben wir verloren (Beispiele: Automobilindustrie, Maschinenbau). Wir sollten immer daran glauben, dass wir mehr Chancen als Risiken haben. Erfolgreiche digitale Gründer erfüllen drei Kriterien : 1. Sie haben etwas, für da ssie brennen. 2. Sie stiften einen großen Nutzen. 3. Sie haben viel Grips im Gehirn. Das Alter ist dabei unwichtig. Vgl. Alexander von Frankenberg/ High-Tech-Gründer-Fonds, Rafael Laguna/ Bundesagentur für Sprunginnovationen in der bdvb - Lounge am 12.5.2021.

Netzwerke und Entnetzung: Netzwerke durchdringen jeden gesellschaftlichen Bereich. Jahrelang galt: Je vernetzter, desto besser. Menschen, Dinge, Unternehmen waren vernetzt. Diese Netzwerkeuphorie ("Netzwerkfieber") scheint verflogen. Heute geht man Richtung Entnetzung. Nicht als Kappen von Verbindungen, sondern als organisierte Entnetzung. Vernetzung beschränkt sich auch nicht auf digitale Netzwerke. Netzwerke können in Konflikt treten mit anderen Strukturen: Man spricht dann von Freiheit, Selbstentfaltung, Flexibilität, Demokratisierung. Digitale Netzwerke führen zur Überforderung des Einzelnen. Sie können auch zur Übernetzung führen (Zwang zur Kommunikation, Lähmung in "busyness", Opportunismus). Entnetzungstendenzen gibt es schon lange in der Wirtschaft: "Open Office" als Irrtum. Enttacktung von Meetings. Entnetzung ist nicht bloßes Kappen von Verbindungen, kein bloßes Aussteigen. Es entstehen neue soziale Formen. "Organizational slack" (lasche Organisation), die aber organisiert werden muss. In Frankreich hat man ein Recht auf Diskonnektivität geschaffen. Vgl. Stäheli, Urs: Soziologie der Entnetzung, Suhrkamp 2021. "Vernetzung hat die Tendenz, das hervorzubringen, was sie zunächst überwinden sollte: die versprochene Flexibilität verkehrt sich in Lähmung durch unermüdliche business", Urs Stäheli.

Digitale Gesellschaft ohne Zeit und Selbst: Diese These geht auf Douglas Coupland zurück. Er wurde mit dem Buch "Generation X" berühmt. Sein neustes Buch heißt Extreme Self (2021). Darin vertritt er die These, dass wir von uns eine Idee verbreiten, kuratieren und uns selbst wie in einem Instagram-Feed darstellen. "Ich vermisse mein Gehirn aus der Zeit vor dem Internet". Er kritisiert das Geschäftsmodell, das Menschen und ihre Daten zu Ressourcen machte. Daten sind die neue Zeit, Cloud sei die Unendlichkeit.

Chinesische KI als Herrschaft über die Welt: Moritz Rudolph: Der Weltgeist als Lachs, Berlin (Matthes & Seitz) 2021. Das Buch ist sicher kein Sachbuch, aber es ist auch unklar, was es ist. Es könnte Satire, Warnung oder Prognose sein. Der Autor selbst sieht sein Werk als "spekulatives  geschichtsphilosophisches Essay". "Mit dem Reiche China hat die Geschichte zu beginnen". Dieser erste Satz der hegelschen Weltgeschichtsphilosophie ist der Anfang. Er will Francis Fukuyamas Werk aus den Angeln heben ("Demokratie stiftet keine Identität"). China wird als Geburtsort der Zivilisation und des Weltgeistes gesehen, zu der in naher Zukunft der Weltgeist wieder zurückkehrt. Deshalb auch der Titel: Der Lachs wird geboren und kehrt zum Sterben wieder an den selben Ort zurück. Das Buch ist sehr unterhaltsam, interessant und lesenswert. Der Kern der Aussage könnte zutreffen: Die künstliche Intelligenz, in der China führend ist, befreit die Menschheit von Zügeln wie Demokratie, Freiheit und Ähnlichem. Der Krieg wird verschwinden, aber nicht die Herrschaft. Das Werk besteht aus zwei Kapiteln: I. Der Weltgeist als Lachs. Geschichtsphilosophische Implikationen des chinesischen Aufstiegs.  II. Kommt jetzt der globale Babeuf?  "Auch der Überlebende muss etwas  vom Wesen des Besiegten in sich aufnehmen und damit selbst einen kleinen Tod sterben, der mit der Zeit immer größer wird, bis auch er verschwindet", aus dem Umschlagtext.

Überforderte Gesellschaft: Armin Nassehi: Theorie der überforderten Gesellschaft, München 2021 (C. H. Beck). Moderne Gesellschaften folgen einerseits stabilen Mustern, sind träge und kaum aus der Ruhe zu bringen. Andererseits erweisen sich ihre Institutionen und Praktiken immer wieder als erstaunlich fragil und vulnerabel. In Krisen prallen diese beiden widersprüchlichen Seiten der gesellschaftlichen Moderne besonders heftig aufeinander. Der Autor vertritt die These, dass komplexe Gesellschaften sich fortlaufend selbst als krisenhaft erleben, ohne je in eine Form prä - stabilisierter Harmonie zurückzukehren. Nassehi stellt die Sachdimension gesellschaftlicher Strukturen ins Zentrum seiner Theorie geleiteten  Gesellschaftsanalyse. Die Gesellschaft ist differenziert in ökonomische, politische, wissenschaftliche, rechtliche und familiale Logiken. Der Ruf nach Gemeinschaft, Solidarität und Zusammenhalt entspricht unserem sehnlichsten Wunsch, aus einem Guss und womöglich kollektiv handeln zu können, Das Ziel muss zwangsläufig scheitern. Aus dieser notorischen Enttäuschung resultiert ein Unbehagen, das den Blick auf die Gesellschaft von ihrer grundlegenden Selbstüberforderung ablenkt. Vgl. auch vom gleichen Autor: Muster. Theorie der digitalen Gesellschaft, München 2019. Seiner Meinung nach muss die Komplexität der Welt eingehegt werden, um in ihr leben zu können. Der Krieg in der Ukraine erschüttert ein Weltvertrauen, das nur entstehen konnte, weil wir nicht genau hingeschaut haben. Wir werden zum nachdenken gezwungen, wenn die Dinge nicht so laufen, wie wir es gewohnt sind. Vgl. Ders.: Nichts ist mehr selbstverständlich, in: Der Spiegel Nr. 14/ 2.4.22, S. 108f.

Zorn und Querulanten: Zorn ist in der Bibel einer der Todsünden. In den sozialen Medien findet der Zornige viele Gelegenheiten, sich auszutoben. Insgesamt sind es aber nur wenige Accounts, von denen der Zorn ausgeht..

Häufig verbindet sich Zorn mut Querulantentum. eigentlich ist Querulant ein neutral beschreibender Begriff. Er kommt vom lateinischen Wort queri: sich beschweren, vor Gericht klagen. "Querulanz ist eine krankhafte Steigerung einer Tugend des Rechtsgefühls, das in Bezug auf die eigene Person außerordentlich leicht verletzbar ist, jedoch gegen das Empfinden anderer  hartnäckig und ohne Rücksicht durchgesetzt wird", Henning Saß, Der Exzess einer Tugend, 2010. In der Literatur wird oft auf Kleists Novellenfigur Michael Kohlhaas Bezug genommen. Eine Studie kommt zu dem Schluss, dass häufig gravierende Lebensereignisse sowie Beziehungen im Leben, die eher weniger belastbar sind, dazu führen. 

Digitale Helfer und Verlust zwischenmenschlicher Kontakte: Digitale Leistungen ersetzen persönliche. Man muss danach entscheiden, welche digitalen Helfer das Leben schlechter oder besser machen. Roboter (Altenpflege) und Smart-Home-Anwendungen haben Vor- und Nachteile. Vgl. Czeschik, Christina: Digitalisierung für dummies, Weinheim 2022, S.257ff.

Homo Digitalis: Es geht um die Entwicklung von Neurosen durch die Digitalisierung. Der Mensch wird in drei Dimensionen verändert, auf denen sich jeweils 7 Neurosen herausbilden können. Die drei Dimensionen sind: Liebe 4.0, Arbeit 4.0, Sinn 4.0. Die Neurosen bei Liebe 4.0 sind: Internetsucht, Geltungssucht, Dauerverliebtsein (Dating-Neurose), Vereinsamung trotz Vernetzung, Maschinenliebe, Bewertungszwänge, Erziehungswettstreit in Familien (perfektionistische Neurose). Die Neurosen bei Arbeit 4.0 sind: Selbstausbeutung, Kompromisslosigkeit (Hass), Erfahrungsgier (Neugier), Steigerungslogik (Ranking, Metrische Neurose)), Ruhm (singularistische Neurose), Vollkommenheitsstreben, Aussteigen. Auf der Ebene Sinn 4.0 liegen: Halbwahrheitsliebe (Lüge), Verschwörung (konspirative Neurose), Hilflosigkeit (Zukunftsängste), Gewissen (Perfektion der Macht, Helden (Entmenschlichungen), Altern (Verbitterung), Glaube (Ewigkeitsversprechen). Vgl. Hepp, Johannes: Die Psyche des Homo Digitalis. 21 Neurosen, die und im 21. Jahrhundert herausfordern, München (Kösel) 2022. 

Multipolare Zukunft der Digitalwirtschaft: Insgesamt werden geopolitische Verschiebungen in der Digitalwirtschaft kommen: Der Staat wird eine stärkere Rolle gegenüber der Industrie einnehmen (vor allem in den USA und China), auch in der globalen Regulierung des Internets und bei der Integration der Schwellenländer in die digitale Ökonomie. Manche befürchten auch eine Zersplitterung. Überregulierung, Plattformisierung und die Ansprüche einiger Länder auf digitale Souveränität deuten darauf hin.  Dann inkompatible Teilnetze. Vgl. Lechowski, G./ Dabrowska, E.: Die Zukunft wird multipolar, in: WZB Mitteilungen , Heft 1807 Juni 2023, S. 6ff. Jiang, hong/ Murmann, Johann Peter: The Rise of China`s digital Economy: An Overview, in: Management and Organization Review, 2022, Jg. 18, H. 4, S. 790-802. Pohle, Julia: Vom Mythos der Zersplitterung, in: WZB Mitteilungen H. 180/ Juni 2023, S. 11ff.

"Egal ob du denkst, du schaffst es, oder ob du denkst, du schaffst es nicht - du hast in jedem Fall recht!"  Henry Ford.

"Neue Menschen treten aus dem Dunkel hervor.... Sie leugnen, im Namen von Wissenschaft, Vernunft und Empirie alles, was früher als Wahrheit galt. Sie erklären diese Wahrheiten für relativ und wollen die Lehren, die sie enthalten, abschaffen..., Alexandre Dumas, um 1860 (Dumas lebte von 1802 - 1870; bekannt durch die Musketiere, Tolstoi hat diesen Brief veröffentlicht, aus dem das Zitat stammt: "Für alle Tage").

 

Junger, nackter Fischer mit seinem Fang. Wandfresko in der antiken Stadt Akrotiri, die um 1630 v. Chr. durch einen Vulkanausbruch verbunden mit einem Tsunami und Erdbeben verschwand. Alle Wertgegenstände wurden mitgenommen, da es offenbar eine Vorwarnung gab (anders als in Pompeji). Die Wandmalereien sind zum Teil erhalten (im prähistorischen Museum in Fira/ Santorin). Sie gehörte zu der Hochkultur der Minoer, die von Kreta aus das Mittelmeer beherrschten. Globalisierung war zu allen Zeiten ein relativer Begriff. Zu Zeiten der Minoer, der ersten Hochkultur Europas (nahm viele Kulturelemente aus Asien und Afrika auf), nahm man an, das das Mittelmeer die Welt war. Später kamen Amerika, Australien und der größte Teil Asiens dazu, und "global" bekam eine andere Bedeutung. Heute verlagert sich das Zentrum des Globus immer mehr nach Asien (China).

Soziologie/ Sozialpsychologie  der Globalisierung:

Soziologisch analysiert Ulrich Beck (inzwischen verstorben, Soziologe, zuletzt in München, vorher Bamberg) in seinem Buch "Die Risikogesellschaft" grundlegend die Folgen der Globalisierung. Eine der zentralen Thesen Becks ist, dass die moderne Gesellschaft nicht an ihren Niederlagen, sondern an ihren Siegen krankt: Der weltweite Terrorismus, so Beck, sei Konsequenz eines Sieges der westlichen Moderne gegenüber anderen Gesellschafts- und Kulturformen. Die Klimakatastrophe droht laut Beck, weil die Industrialisierung so erfolgreich war. Die Massenarbeitslosigkeit folge aus den Produktivitätsgewinnen. Und die Alterspyramide sprenge die Sozialsysteme, weil die Medizin die Menschen länger leben lasse. Das Buch von Beck ist trotz seines Alters  immer noch soziologisch das Beste, was es zu diesem Thema gibt.

Globalisierung, Begriff: Globalisierung umfasst das Weltsystem, Imperialismus, Netzwerke und Interaktionsräume sowie Perioden (zeitlich). Bis 1750 werden weltweite Verbindungen verfestigt (Fernhandel, Großreiche, maritime Räume). 1750 bis 1880 kommt es zu Imperialismus, Industrialisierung und Freihandel. 1880 bis 1945 besteht der Weltkapitalismus mit seinen Krisen. 1945 bis in die Mitte der 1970er Jahre ist die Welt halbiert ("Kalter Krieg"). Ab 1990 beginnt das globale Zeitalter. Ab 2018 kommt es zu einer neuen Dezentralisierung der Welt mit regionalen Blöcken: Nordamerika, Europa, Asien mit China an der Spitze. Vgl. Osterhammel, j. O./ Peterson, N. P.: Geschichte der Globalisierung, München 2019 (6. Auflage). Über die Ursprünge des Begriffes gehen die Meinungen auseinander. Einige sehen als Schöpfer den Zukunftsforscher John Natsbitt (1980 mit dem Buch Megatrends). Der US-Amerikaner stirbt 2021. Andere nennen Levitt:  Den wirtschaftspolitischen Terminus in neuerer Zeit prägte Theodore Levitt 1983 mit dem Aufsatz "Globalization of Markets". Den Sachverhalt hat es aber schon immer gegeben.

Globalisierungsparadox: Das politische Trilemma der Weltwirtschaft besteht darin, dass Hyperglobalisierung und Nationalstaat (Goldene Zwangsjacke) sowie Hyperglobalisierung und politische Demokratie unvereinbar sind. Das gleiche gilt für Nationalstaat und politische Demokratie (Kompromiss von Bretton Woods). Deshalb fordert er internationale Regeln (Globalregierung). Vgl. Rodrik, Dani: Das Globalisierungsparadox. Die Demokratie und die Zukunft der Weltwirtschaft, München (Beck) 2011. Weltweit sinkt aber das Vertrauen in Fortschritt, Markt und staatliche Ordnung. Rodrik, der in der Türkei geboren wurde und deshalb auch als Türkeiexperte gilt, fordert Regeln gegen Importe, die unter unmenschlichen Bedingungen produziert werden (Sozial-Dumping). Vgl. Nicht weiter das alte Spiel, in: die Zeit, Nr. 20, 11. Mai 2017, S. 25 (Interview mit Rodrik). 2018 gibt er ein Interview in der Wirtschaftswoche (WiWo 6.4.18, S. 62ff.): Unternehmer und Arbeitnehmer seien auf den Heimatmarkt konzentriert. Im Wertesystem dieser Menschen sielten nationale Identitäten und lokale Verankerung eine wichtige Rolle. Sie empfänden Globalisierung als Bedrohung. Die Entgrenzung der Wirtschaftswelt habe die Kluft zwischen den Eliten und dem Rest der Gesellschaft vergrößert. In dieses Vakuum stießen Populisten. Er fordert auch mehr nationale Autonomie bei der Gestaltung der Handelspolitik. Die Fließgeschwindigkeit des weltweiten Handelsstromes sollte verringert werden. Mindestlöhne sollten in Handelsverträgen festgelegt werden.

Globalisierungskritik (z. B. Attac): In erster Linie wird gegen die niedrigen Löhne der Arbeiter in der Exportindustrie protestiert. Dies gilt sicher nicht für die Entwicklungsländer, wo die Arbeiter mehr verdienen als vorher. Mindest-Standards für Beschäftigungsverhältnisse werden von den Entwicklungsländern selbst abgelehnt. Weiter wird über Probleme der kulturellen Homogenisierung und des Umweltschutzes diskutiert. Moralische Aspekte sind sehr schwierig. Mittlerweile sammeln sich die Kritiker auch in der "Occupy"-Bewegung und der Acta-Bewegung (gegen ein umstrittenes internationales Urheberrechtsabkommen). Symbol ist dabei die Maske, die dem englischen Bombenleger Guy Fawkes nachempfunden ist, der im Jahre 1605 das englische Parlament in die Luft sprengen wollte. Wahrscheinlich werden diese Masken billig in China oder Bangladesch hergestellt und pervertieren so die Kapitalismuskritik. Einer der berühmtesten Professoren im Bereich der Internationalen Wirtschaft und "der" Handelsexperte Jagdish Bhagwati hat eine "Verteidigung der Globalisierung" geschrieben (Pantheon, München 2008). Er bringt Argumente gegen die Globalisierungsgegner, die Arbeitslosigkeit, Umweltverschmutzung und Armut auf sie zurück führen. Sehr gut ist das Vorwort von Joschka Fischer. Europas bekanntester Globalisierungskritiker ist Jean Ziegler, ehemaliger Soziologieprofessor in der Schweiz/ Genf. Er hat eine Reihe von Büchern geschrieben, die aus marxistischer Perspektive die Globalisierung beleuchten. Er hofft im Internet auf ein revolutionäres Kollektivbewusstsein. Praktisch ist er in eine Reihe von Uno-Projekten (auch Weltbank) eingebunden. 2017 ist Ziegler 82 Jahre alt. Vgl. zum Thema auch von Britta Kuhn: Globalisierungskritik und Antworten, in: WISU 3/17, S. 335ff. Kuhn analysiert folgende Fragen: 1. Erzeugt der Freihandel langfristig Verlierer?. 2. Wird die Verteilung ungleicher? 3. Ist Einwanderung schädlich? 4. Verhindert die Globalisierung länderspezifische Regeln?  Angesichts der Probleme in der Welt (Luftverschmutzung, Klimawandel, Trinkwasserknappheit, Rodung von Wäldern, Aussterben vieler Tierarten) bedürfte es einer gemeinsamen Anstrengung aller Länder, was die Globalisierung ausmacht. Aber auf anderen Seite nimmt 2017 und 2018 die Globalisierungskritik dramatisch zu. Trump setzt aus innenpolitischen Wahlkampfgründen rigoros seinen Protektionismus mit Zöllen durch, was ein Ende der Globalisierung einläuten kann. "America first" ist Sinnbild einer Renationalisierung, nicht nur in den USA (GB, Osteuropa, Südeuropa, Russland).

Globalisierungsfolgen: In Deutschland ist die Industrie immer wettbewerbsfähiger geworden. Dies ist nicht gleichbedeutend mit einer Wertsteigerung. Dies wurde zum Teil mit Lohn-Dumping erkauft.  Die Hauptursache liegt aber in einer erfolgreichen Spezialisierung. Auch historische und regionale Besonderheiten wirken positiv. Die nationale Verknappung des Produktionsfaktors "Arbeit" wurde aufgehoben, vor allem die gering qualifizierte Arbeit ist der Verlierer der Globalisierung. Technisch wirkt sich Globalisierung positiv auf Innovationen aus. Sozial führt sie zu wachsender Ungleichheit. Es kann sein, dass die Bedingungen für Investitionen im Inland vernachlässigt werden, ebenso wie eine Stärkung der Nachfrage im Inland (problematisch durch sinkende Reallöhne). "Wir leben in einer Weltnachbarschaftsordnung", Hans-Dietrich Genscher, ehemaliger Bundesaußenminister. Soziologisch analysiert Ulrich Beck in seinem Buch "Die Risikogesellschaft" die Folgen der Globalisierung. Eine der zentralen Thesen Becks ist, dass die die moderne Gesellschaft nicht an ihren Niederlagen, sondern an ihren Siegen krankt: Der weltweite Terrorismus, so Beck, sei Konsequenz eines Sieges der westlichen Moderne gegenüber anderen Gesellschafts- und Kulturformen. Die Klimakatastrophe droht laut Beck, weil die Industrialisierung so erfolgreich war. Die Massenarbeitslosigkeit folge aus den Produktivitätsgewinnen. Und die Alterspyramide sprenge die Sozialsysteme, weil die Medizin die Menschen länger leben lasse. Vgl. oben am Anfang.

Globalisierungsauswirkungen: In allen Volkswirtschaften dieser Erde, insbesondere den modernen, zeigen sich Wirkungen in der Geld- und Währungspolitik, der Finanzpolitik (Steuerpolitik), der Lohnpolitik, der Sozialpolitik und der Umweltpolitik. Es ist sehr schwierig, eine Balance zu finden zwischen Aktion und Reaktion. Oft sind auch nur einzelne Regionen von Staaten betroffen. "Die Globalisierung hat sich zu einer Goldgrube für die Superreichen der Welt erwiesen", Jeffrey Sachs, Earth - Institute N. Y.

Globalisierungsrisiken: Die größten Risiken liegen in der Störanfälligkeit und möglichen Störfaktoren der weltweiten Vernetzung. Atomkraftwerke in der Nähe von Ballungszentren in aller Welt, Großflughäfen und Containerhäfen, Internetknotenpunkte, wichtige Seestraßen (Malakka, Suez, Panama, Hormus, Gibraltar, Bosporus, Taiwan), wichtige Energielieferanten, Anbieter Seltener Erden, entscheidende Finanzzentren (New York, London) und Terrorismus (IS) sind Achillesfersen. 80 Prozent des globalen Warenhandels wird über Schiffe transportiert. Weitere geopolitische Risiken: Cyber-Attacken, instabile Lagen in Russland oder China, Naher Osten. Der Ukraine-Krieg 2022 zeigt die Risiken sehr eingängig.

Globalisierung der Politik: Verlagerung der Entscheidungsfindung auf immer größere, zentralisierte Einheiten. Zusammen mit der wirtschaftlichen Globalisierung führt sie zu einer Renaissance des Nationalstaates und des Protektionismus als Gegenreaktion. Metropolen profitieren auch eher von der Globalisierung als das Land. Vgl. Bagus, Philipp: Wir schaffen das, 2017 und Müller, Henrik: Nationaltheater, 2017.

Kompensation für Globalisierungsverlierer: Es geht vor allem um Jobverluste. IWF, Weltbank, WTO sprechen sich gegen progressivere Besteuerung der Einkommen, sondern für "Trade Adjustment Assistance" aus. Die Programme sollen betroffene Beschäftigte unterstützen, durch Umschulung schnell neue Jobs in attraktiven Bereichen zu finden. Regionale Arbeitsmarktunterschiede werden dabei allerdings nicht berücksichtigt. Es gibt Schätzungen, dass Rechtspopulisten dank Niedriglohnwettbewerb weltweit bis zu 20% in Wahlen gewinnen. Globalisierung fördert also den Aufstieg der Rechtspopulisten. Versucht man dies durch Protektionismus zu bekämpfen (wie Trump), kehren Produktionsarbeitsplätze aus dem Ausland meist nicht zurück. Besser wäre es, die Betroffenen im Inland mit einem Verlustausgleich zu entlasten. Vgl. Fadinger, Harald: Das Gesicht der Verlierer, in: Die Zeit Nr. 16, 11. April 2019, S. 33.

Globale Zivilgesellschaft: Vernetzung von NGO, Berufsgruppen, Individuen, Globalisierungsgegnern u. a. die eine andere Weltwirtschaftordung und Verteilung wollen. Ziel ist unter anderem inklusives Wachstum für eine gerechtere Wohlstandsverteilung in der Welt. Auch die Hilfe für die vielen armen Entwicklungsländer gehört dazu. Diese Netzwerke treffen sich z. B. am Rande der G20-Runde.

Global Village: Ursprünglich ein Symbol für das Zusammenrücken der Welt in der Globalisierung. Mittlerweile stark mit den Unternehmen verbunden, die das WWW beherrschen. Die Oligopolisten sind Google, Facebook, Apple, Microsoft und Amazon.

Nomadismus: Der Begriff geht in Zusammenhang mit der Globalisierung auf den französischen Ökonomen Jacques Attali zurück (Wörterbuch des 21. Jahrhunderts, 1998). Wesentliches Muster der zukünftigen Welt: Grenzenlose Beweglichkeit von Menschen und Waren, Informationen und Fabriken. Eine neue, prekäre Zivilisation ziehe herauf. Diese sei mit neuen Gefahren verbunden. Dabei nennt er auch Epidemien. Damit wird die Sorge um die Gesundheit zu einem dominanten Element der Gegenwart. Der Begriff "Nomadismus" setzt sich vor allem als Fachbegriff auf dem Weltarbeitsmarkt durch: Soloselbständige, die  durch die Welt "tingeln", vor allem in der Plattformökonomie.

Globalisierung und Umwelt: Die Welt ist tief gespalten. Zwei Drittel (IC und NIC) produzieren ohne ökologische Grenzen. Das dritte Drittel (EL) produziert innerhalb der ökologischen Grenzen. Dafür ist das letzte Drittel bettelarm. Die knappen Ressourcen in der Welt lassen ein beständiges Wirtschafts-Wachstum nicht mehr zu. Im Gegenteil wird es zum einem Abstieg des Zwei-Drittel-Teils kommen (hoffentlich kein Absturz). Hoffentlich werden auch alle davon betroffen sein (gegenwärtig Spreizung der Einkommen). Die Umwelt - Kuznets - Kurve zeigt, dass Wirtschaftswachstum bei steigendem Wohlstand des betreffenden Landes die Umweltverschmutzung zunächst verschlimmert, ab einem gewissen Level jedoch der Umwelt nützt. Leider sind die wichtigsten Schwellenländer (China, Indien) noch auf der falschen Seite der Kurve (Vgl. Krugman/ Obstfeld/ Melitz: Internationale Wirtschaft, München 2012, S. 399).

Globalisierung und Arbeitsmarkt: Die Weltbank hat eine Studie über den Zusammenhang zwischen Digitalisierung der Wirtschaft und Arbeit weltweit 2016 machen lassen: Der Anteil der Jobs, die durch Digitalisierung und Automatisierung gefährdet sind beträgt in %: Äthiopien 85, China 77, Thailand 72, Indien 69, Argentinien und Nigeria 65, OECD-Durchschnitt 57, USA 47, Großbritannien 35. Am besten gewappnet sind die Länder, die auf Complex Problem Solving, Critical Thinking und Creativity setzen (Quelle: Weltbank: World Development Report 2016).

Die Elefanten-Kurve: Sie soll beweisen, dass die Arbeiter der Industriestaaten die Verlierer der Globalisierung sind. Sie wird in ein Koordinatensystem gezeichnet, wo auf der senkrechten Achse das Wachstum der Einkommen abgebildet ist (1988-2008) und auf der waagerechten Achse die Position in der globalen Einkommensverteilung. Die Ökonomen Christoph Lakner und Branko Milanovic veröffentlichten sie erstmals 2013 in einem Forschungspapier für die Weltbank. Eine neuere Studie von der Brookings-Institution (Khras/ Seidel) kommt zu dem Ergebnis, dass es wenig nützt, eine Weltgraphik der Einkommensentwicklung aufzustellen. Vgl. auch: Die Zeit Nr. 19, 3. Mai 2018, S. 22.

Globalisierung und Lohnungleichheit: Die globale Verteilung der Einkommen zwischen Ländern und innerhalb von Ländern ändert sich mit dem Außenhandel. Die moderne Weltwirtschaft tauscht Komponenten, Zwischenprodukte und Dienstleistungen. Deren Produktionsstufen siedeln sich häufig in qualifikationsärmeren Ländern an, was zu einer erhöhten Lohnungleichheit innerhalb der Länder führt. Die meisten Lohnunterschiede sind nicht zwischen Wirtschaftszweigen oder Fertigungsstufen, sondern zu einem großen Teil innerhalb der Wirtschaftszweige und zwischen Unternehmen aufgetreten. Die Lohnunterschiede zwischen Betrieben gehen auf größere und stärker globalisierte Unternehmen zurück. Vgl. Mündler, Marc-Andreas: Außenhandel, Arbeitsmärkte und die globale Verteilung der Einkommen, in: Wirtschaftsdienst 2018/ Sonderheft, S. 50ff.

Globalisierung und Inflation: Weltweit scheint die Globalisierung die Inflation zu fressen. Doch wie ist das erklärbar? Die Phillips-Kurve ist seit der Finanzkrise 2008 zusammengebrochen. Niedrige Zinsen treiben offenbar nicht mehr Beschäftigung, Löhne und Preise nach oben. Es bilden sich Blasen an den Vermögensmärkten. Als Hauptgrund für diese Entwicklungen wird die Globalisierung gesehen. Unternehmen können komplexe Dienstleistungen ins billigere Ausland verlagern. Deshalb müssen sich die Beschäftigten bei den Lohnforderungen zurückhalten. Weiterhin führt die Digitalisierung zur einem Rückgang der Nachfrage nach Arbeit. Die Verbreitung von Robotern und künstlicher Intelligenz verschiebt die Kräfteverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt.

Alternde Gesellschaften und Globalisierung: Hypothese: Alternde Gesellschaften stärken nationale Regulierungen im Widerstand gegen die Übertragung von Kompetenzen an globale Regelwerke. Dafür gibt es vier Gründe: 1. Der Alterungsprozess mindert den Anreiz zu Produktinnovationen und schwächt damit den Heimatmarkt. 2. In alternden Gesellschaften wird Globalisierung zunehmend als Bedrohung und weniger als Chance verstanden. 3. Der nachfragebedingte Strukturwandel fördert die Produktion von Dienstleistungen. diese sind nicht so international ausgerichtet. 4. Die Bedeutung nationaler natürlicher Ressourcen wie Grund und Boden wächst. Siehe Rolf J Langhammer (IfW, Kiel): Die Alten widersetzen sich globalen Regeln, in: FAZ Freitag, 27. Februar 2015, S. 18.

Werte und ihr Wandel: Die ökonomischen Rahmenbedingungen beeinflussen stark die Wertvorstellungen. Damit werden die Präferenzen  der Menschen mittlerweile auch in der VWL hinterfragt. Dies hat große Bedeutung im Hinblick auf die Entwicklung in Ostasien. Die Werte stellen auch eine Ursache für die Ökonomie dar (Kultur). Quelle: Di Tella, R./ Galiani, S./ Schargrodsky, E.: The Formation of Beliefs: Evidence from the Allocation of Land Titles to Squatters, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 122, 2007/Februar, S. 209-241. Berühmt ist die These von Max Weber, dass ohne die Protestantische Ethik (Askese, Leistungsmotivation) die Entwicklung des Kapitalismus in Deutschland nicht so erfolgreich verlaufen wäre. Nicht minder berühmt die These von Karl Marx: Die materialistischen Lebensbedingungen (Dasein) bestimmen das Bewusstsein und Denken der Menschen. Vgl. auch Karl Marx, Daten und Bedeutung. In der globalisierten Welt scheint der Religion wieder eine wachsende Bedeutung beizukommen. Eine besondere Rolle spielt dabei der Islam. "Die Unteilbarkeit der Klimabedrohung weltweit kann die im vergangenen Jahrhundert gemeinschaftsbildenden Werte der Mitmenschlichkeit und Solidarität wieder beleben, je spürbarer die Bedrohung ist", Claus Noe, Ex-Staatssekretär, gestorben 2008.

Kultur und Globalisierung: Nähern sich die Kulturen in einer globalisierten Welt an oder betonen sie gerade ihre Besonderheit. Dies hat große Bedeutung für bestimmte Bereiche des Marketing (Produktpolitik, Kommunikation). "Too stupid to understand science - Try religion!" über Facebook verbreitet vom Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung Löning (FDP), heftig kritisiert vom Vorsitzenden der Glaubenskongregation im Vatikan Müller.

Empathische Zivilisation: Der Begriff wurde von Jeremy Rifkin geprägt. Er geht davon aus, dass sich globale Empathie entwickeln kann, so dass Kooperation über Konkurrenz siegt. Den größten Einfluss haben dabei Internet und Kommunikationstechnologie. Vgl. J. Rifkin: Die Empathische Zivilisation, Frankfurt/ New York 2010.

Ethische Mindeststandards: Viele arbeitsintensive Produkte werden in Entwicklungsländern unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt. Hier hat der Konsument eine Holschuld, sich darüber zu informieren. Sehr niedrige Verkaufspreise sind ein erster Hinweis. Z. B. wird ca. 75% unseres Spielzeugs in der VR China produziert. Westliche Firmen lassen dort fertigen oder passiv veredeln. Die deutschen Unternehmen Steif und Playmobil lassen mittlerweile überwiegend in Europa produzieren. Matell und Disney noch nicht. Bei Sportartikeln gibt es Labels, die die Einhaltung der ethischen Mindeststandards garantieren. In der Regel geht es um den Ausschluss von Kinderarbeit. In der Regel lehnen die Entwicklungsländer moralische Standards (z. B. bei Beschäftigungsverhältnissen) ab, weil sie ihren Einsatz zu protektionistischen Zwecken befürchten. Noch 2017 beklagen Menschenrechtsorganisationen (z. B. "Follow the Thread" von Human Rights Watch) mangelnde Transparenz bei Lieferketten. Die Textilfirmen wollen in der Regel nicht offen legen, mit welchen Subunternehmen sie zusammenarbeiten.

Weltethos: Das Weltethos-Institut in Tübingen (Claus Diekmeier, Professor für Globalisierungs- und Wirtschaftsethik; Grüner Hans Küng, der 2021 stirbt) behandelt in seinem Buch "Qualitative Freiheit", 2016 folgende Thesen: 1. Globalisierung war gestern, Globalität heute. 2. Wer global wirkt, muss sich weltweit verantworten. 3. Der Leitwert der Globalität ist verantwortete Freiheit. 4. Die lange vorherrschende Idee von "negativer Freiheit" reicht nicht aus. 5. Die klassisch-liberale Freiheitsidee zielte stets auf weltbürgerliche Verantwortung. 6. Weltbürgerlich verantwortete Freiheit ist notwendig. 7. Verantwortlich wirtschaften befreit. 8. The business is society. 9. Verantwortung ist kein notwendiges Übel, sondern eine strategische Chance. 10. Freiheit braucht Ethos - globale Freiheit braucht ein Weltethos.

Populismus: Der Populismus bedroht den Freihandel und die Globalisierung. "Abgehängte" und Verlierer der Globalisierung wollen Protektionismus und die Uhr zurückdrehen. In Europa ist die EU bedroht (Frankreich, Großbritannien). In den USA hat Trump damit die Wahl gewonnen. Der Populismus besteht aus folgenden sieben Elementen: 1. "Wir sind das Volk". 2. Abgrenzung. 3. Vereinfachung. 4. Die Ordnung der Welt wiederherstellen. 5. Tabus brechen. 6. Feinde benennen. 7. Gefühle und Emotionen ansprechen. Vgl. Gauweiler, R./ Schmitt, M.: Volkes Stimme, in: Rheinpfalz 13. November 2016, S. 3. Kern des heutigen Populismus scheint zu sein, dass er die Gesellschaft aufteilt in eine Elite, die als korrupt dargestellt wird, und ein Volk, das homogene Interessen habe. Die Populisten sehen sich auf der Seite des Volkes. Demokratie wird teilweise als reaktionär angeprangert. Damit können populistische Ideologie strukturell verfassungsfeindlich sein. Der Populismus ist sicher auch ein langfristiger Erbe der Finanzkrise 2008, insbesondere der Bankenrettung.  "Das weiße Amerika hat sich das Land zurückerobert....In Trump hat es einen radikalen, charismatischen Führer gefunden, der den Widerstand gegen die multikulturelle Moderne vereinen soll", s. Der Spiegel, 46/ 2016, S. 3. 2017 erscheint ein Bericht über die Ökonomie der Populisten (C. Fuest u. a.).  Vgl. Kim, Seongcheol: Der illiberale Faktor: Eine theoretische Annäherung an Populismus in West- und Osteuropa, in: WZB Mitteilungen, Heft 156, Juni 2017, S. 32ff. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung 2018 zum Populismus kommt zu dem Ergebnis, dass der Populismus sich in der politischen Mitte breit macht (etwa 30% der deutschen Wähler unterstützen populistische Positionen). Definition: Der Populismus gibt einfache Antworten auf schwierige Fragen. Populisten geben sich volksnah. Machteliten werden abgelehnt. "Populismus ist eine Methode, das politische Feld radikal zu vereinfachen, indem man das (homogen gedachte) Volk gegen die (pauschal negierte) politische Klasse und generell die Eliten auffährt", Claus Leggewie (Populismus: rechtsverschobener Klassenkampf, in: Wirtschaftsdienst 2019/ 11, S. 742).

Wirtschaftsnationalismus ("wirtschaftsnationale Agenda", "ökonomischer Nationalismus", Stephen Bannon, strategischer Kopf im Weißen Haus): Hängt eng mit dem Populismus zusammen. Er entspringt einerseits sozio-kulturell einer Skepsis gegenüber der globalisierten Welt. Andererseits ändern sich ökonomische Dogmen und globale weltwirtschaftliche Verflechtungen. Trump in den USA und May in GB führen es als Strategie ein. Grundlage ist ideologisch "America first" bzw. "GB first". Außenwirtschaftlich setzt man auf Merkantilismus und bilaterale Handelsabkommen. Innenpolitisch sollen Vergessene und Verlierer zu ihrem Recht kommen. Umstritten ist unter Ökonomen der wirtschaftliche Erfolg des Landes. Dies wird die Zukunft zeigen. Das Erfolgsrezept der Konzeption lautet: Fakten bedeuten wenig, Provokation ist alles, Hetze ist erlaubt (z. B. mit Breitbart News). Man muss aber auch differenzieren: Die amerikanische Wirtschaftspolitik ist immer pragmatischer, weniger ideologisch und mehr an den Bedürfnissen der Menschen orientiert. Dieser Trend greift aber auch auf die Länderpolitik in Deutschland über.  Nach der Wahl im Herbst 2018 gehen CSU und Freie Wähler einen Pakt ein für das "Bayerngefühl", man könnte auch sagen "Bayern first". Bannon ist weder Reformer, noch Reaktionär, noch Rebell. Den Staat hält er für überfrachtet. Er will seine Führungsstrukturen zerstören (korrupt, Lobbyisten, Lügenpresse). Unklar ist, was er genau aufbauen will. Dass der Nationalismus in der vernetzten Welt eine Renaissance erlebt, ist paradox. Protektionismus, Populismus, Brexit, America first sind die Schlagwörter, die die wirtschaftspolitische Diskussion beherrschen.

Fallstudie "USA" als Muster (auf andere Demokratien übertragbar?): Ist das politische System der USA noch zu retten? Viele Amerikaner glauben, das politische System der USA sei so konzipiert, dass es dem öffentlichen Interesse diene. Doch das ist nicht zutreffend. Es unterliegt den gleichen Anreizen und Kräften wie jede privatwirtschaftliche Branche. Leider har das zu einem ungesunden Wettbewerb geführt. Wahlen und Gesetzgebungsverfahren sind so gestaltet, dass das Duopol aus Republikanern und Demokraten gewinnt, während das öffentliche Interesse verliert. Das Wahlsystem und die Gesetzgebungsverfahren müssen sich deutlich verändern. Siehe Gehl, K. M./ Porter, M. E.: Wie das Politische System der USA zu retten ist, in: HBM Oktober 2020, S. 42ff. Besonders bei den Demokraten fällt auf, dass sie schon länger wichtige Probleme des Landes ignorieren: Ungleichheit, Arbeitslosigkeit, Sozialversicherung (Gesundheit), Verschuldung der Privathaushalte. Sie konzentrieren sich auf die wirtschaftsstarke und wohlhabende Bevölkerung der West- und Ostküste. Gerade bei den Verlierern der Globalisierung hatte Trump gepunktet. Eine liberalere Politik, die Chancengleichheit und mehr Einkommen für gute Leistung für die Mehrheit vertritt, scheint keine Mehrheiten in den USA zu haben.

Einbettender, moderner Liberalismus: Der einbettende Liberalismus geht von der Idee einer Balance zwischen Regulierung und Dynamisierung aus. Im Gegensatz zum illiberalen Populismus will der einbettende Liberalismus die Dynamik der ökonomischen Globalisierung und der kulturellen Pluralisierung nicht stoppen oder rückgängig machen, sondern eine Regulierung inmitten der Dynamik erreichen. Eine Anforderung ist zentral: Die Aufgaben der sozial-ökonomischen Regulierung und der sozial-kulturellen Ordnungsbildung müssen beide die Agenda bestimmen.  Vgl. Reckwitz, Andreas: Das Ende der Illusionen. Politik, Ökonomie und Kultur in der Spätmoderne, Suhrkamp 2020.

Elite: Der Begriff kommt von "elire", dem französischen Wort für "auslesen". Die Elite ist also eine Auswahl, Auslese. Im 18. Jahrhundert steckte dahinter eine Gesellschaftsvorstellung, in der man über Bildung und Leistung in die Elite vordringen konnte. Jeder sollte diese Chance haben. Heute gibt es eine Verknüpfung von Meritokratie und Elite: Man spricht oft von einem geschlossenen Zirkel, dem es exklusiv vorbehalten ist, etwas zu haben. Es sind also eher die Mächtigsten in einer Gesellschaft, ohne dass Chancengerechtigkeit besteht. Die Zugehörigkeit zur Elite bleibt nur wenigen vorbehalten, die sich über ihr Geld abschotten. Das Eliten - Problem gibt es in vielen Ländern der globalen Welt, auch in allen Staatsformen (USA, China, Russland, Japan, Frankreich, Deutschland). Vgl. Michel Hartmann: Die Abgehobenen, Campus 2018. Exkurs: Kleptokratie: In den mächtigsten Ländern der Welt USA, China, Russland, Japan herrscht eine Art Kleptokratie. Es gibt enge Verbindungen zwischen Wirtschaft und Staatschefs bzw. Präsidentschaftskandidaten. In Russland und China ist das durch die Staatsunternehmen von Natur aus bedingt. In den USA und Japan kommt es auch durch den Wahlkampf. Man braucht dafür das Geld von der Wirtschaft. Außerdem sind in der Regel Familienmitglieder in hohen Posten der Wirtschaft (der Sohn von Biden und die Kinder von Trump). Sie werden dort unterstützt. Steuertricks sind sehr verbreitet (Trump hat maximal 750 Dollar Einkommensteuer gezahlt: hohe Kosten für Wohnen, Friseur u. a.; auch Verlustvortrag).

Legitimität bzw. Legitimitätsglaube: Heute ist es um die objektive Qualität der deutschen Demokratie so gut bestellt wie fast noch nie. Gleichzeitig scheint den Bürgerinnen und Bürgern der Glaube an die Legitimität dieser Demokratie zum Teil abhanden gekommen zu sein.  Die Eliten des Landes haben sich von Normalbürgern entfernt und es fehlt das Vertrauen in sie. Ich habe mein Studium der Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, Soziologie und Psychologie  in Köln mit einer Analyse der Legitimität abgeschlossen (Diplomarbeit; Konzepte von Jürgen Habermas, Niklas Luhmann, Max Weber, Talcot Parsons u. a. bei Renate Mayntz in Köln). Die Bedeutung des Legitimitätsglaubens ist aktuell weltweit noch gestiegen. Viele internationale Institutionen haben ein Legitimationsdefizit. Vgl. Kneip, Sascha/ Merkel, Wolfgang: Ferne Eliten und fehlendes Vertrauen. Warum viele Menschen an den Institutionen der Demokratie zweifeln, in: WZB Mitteilungen Heft 167, März 2020, S. 6ff.

Epidemien in der Globalisierung (Pandemien) und Folgen: Viele Epidemien der letzten Jahrzehnte hatten in Ursprung in China. Als Gründe gelten mangelnde Hygiene, das Beharren auf dem Konsum von Frisch- und Wildfleisch (im März 2020 wird der Import von Löwen und Nashörnern aus Afrika verboten), exzeptionelle Ernährungsgewohnheiten (bei teurem Schweinefleisch Ersatz durch kleine Wildtiere), das enge Zusammenleben von Tier und Mensch. 2002 brach SARS in China aus, eine Viruserkrankung, die 774 Menschenleben forderte. Die Krankheit konnte nur gestoppt werden, weil die Menschen konsequent zu Hause blieben. Bei einem neuen Virus der Vogelgrippe 2013 in China fallen die Aktien von globalen Firmen erheblich (z. B. Lufthansa). Vogelgrippe ist eine unter Vögeln hoch ansteckende Krankheit. Eine Calciumschale im Darm sorgt dafür, dass sie Vögel und kaum Menschen bedroht. Die erste globale Krankheit war die Spanische Grippe. Zwischen 1918 und 1920 starben ca. 50 Millionen Menschen. Ursprungsort war wahrscheinlich auch China.  Das weltweite Wachstum brach um sechs Prozentpunkte ein (Quelle: Sherry Cooper, Bank of Montreal). Die Asiatische Grippe forderte 1957/58 4 Mio. Todesopfer. Die Hongkong-Grippe 1968/69 hatte 2 Mio. Todesopfer. Mitte 2014 brach die Pest in Yumen (Provinz Gansu, China) aus. Überträger war wahrscheinlich das Murmeltier, das als Delikatesse gilt (aber ähnlich wirkt wie die Ratte). 2014 breitet sich die Ebola stark in Afrika aus. Die meist tödlich verlaufende Viruskrankheit hat in Westafrika seit dem Ausbruch 1100 Menschen befallen und 700 getötet (bis Juli 2014; der Ebola - Virus tötet seinen Wirt). Auch die wirtschaftlichen Folgen sind dramatisch: die meisten ausländischen Konzerne hatten ihr Personal aus Guinea, Sierra Leone und Liberia abgezogen. Vor allem Westafrika ist betroffen (mittlerweile auch Nigeria). Die WHO plant einen Sondergipfel. Dieser findet im Herbst 2014 mit den globalen Experten in Genf statt. Die WHO stuft die Krankheit als internationalen Gesundheitsnotfall ein. In Westafrika kommt im Herbst 2014 die landwirtschaftliche Produktion zum Erliegen. Die Krankheit greift auf immer mehr Länder über (Nigeria, Mali). Liberia und Sierra Leone werden lahm gelegt (Ausgangssperre). Sierra Leone befürchtet den wirtschaftlichen Ruin. Bis Ende September 2014 gibt es 3000 Tote durch die Krankheit. Deutschland organisiert einen Freiwilligeneinsatz. Die EU stockt ihre Mittel auf 1 Mrd. € auf. Bis Oktober 2014 sind 10.000 Menschen erkrankt und es sterben 5000. Wohltätigkeitsveranstaltungen und CD´s bringen viel Geld gegen Ebola ein. Ebola bricht immer wieder plötzlich aus und verschwindet dann wieder. Das Virus versteckt sich wahrscheinlich in Flughunden.  Auch HIV wurde ursprünglich von Affen übernommen. Der Vorteil aller Seuchen, die ursprünglich von Tieren stammen, ist, dass man in der Forschung ähnliche Grundstrukturen hat. 2009/10 bedroht die Schweinegrippe (H1N1) die Welt. Die globale Influenza erstreckt sich stark über Mexiko und die USA. Es gibt 18.000 Tote weltweit. Die Krankheit bricht 2020 wieder in Bangalore/ Indien aus. 2015 (zuerst 2012) gibt es die Atemwegserkrankung Mers (auch Corona-Gruppe), die weltweit auch Tourismus, Hotels und Gastronomie schädigt. Sie bricht zuerst auf der arabischen Halbinsel aus, vor allem in Saudi-Arabien. 2020 bricht eine mysteriöse Lungenkrankheit in China aus. Ein neuer Virus-Typ wird ausgemacht (Corona-Virus, Sars-CoV-2, Covid-19). Das Virus löst eine weltweite Krise aus, die auch große soziale Folgen haben wird, die im Moment noch niemand absehen kann. die große Frage ist, ob solche Pandemien nicht irgendwann die Deglobalisierung begünstigen.

Planetarisches Denken: Der Begriff wurde vom Präsidenten des Deutschen akademischen Austauschdienstes (DAAD) 2020 in der Corona-Krise ins Spiel gebracht (Vgl. Die Zeit, 23, 28. Mai 2020, Joybrato Mukkerjee: Lernt planetarisches Denken). Das soll aus fünf Aspekten bestehen: 1. Die Wissenschaft muss den klimapolitischen Impuls der Pandemie aufnehmen: Internationale Zusammenarbeit in der Forschung und interkulturelle Erfahrung in der Lehre. 2. Die Attraktivität eines Wissenschaftsstandorts hängt in Zukunft auch davon ab, wie Krisen bewältigt werden. Für Deutschland ist da seine enorme Chance. 5. Wissenschaft kann Europa stärken. 4. Großen globalen Herausforderungen kann nur durch Zusammenarbeit über Grenzen und Kontinente hinweg begegnet werden.

De - Globalisierung? : 2020 gibt es viele Anzeichen dafür, dass die Globalisierung zurückgeht. Einen großen Einfluss hat auch die Corona-Krise. Vgl. Nadav Eyal: Revolte. Der weltweite Aufstand gegen die Globalisierung, Berlin 2020 (Ullstein). Eyal ist einer der bekanntesten Journalisten Israels. Er hat weltweit die Schauplätze der Revolten gegen Globalisierung besucht. Er beschreibt den Widerstand gegen die Globalisierung, ihre kapitalistische Logik, gegen universelle Werte und kulturelle Überwältigung. Der Kreuzzug gegen die Werte der Aufklärung und des Fortschritts steht erst am Anfang, während die Probleme der Globalisierung gerade erst erkannt sind. Staaten müssen mehr zusammenarbeiten - auch gegen die Konzerne. Er sieht Fundamentalismus, Populismus, Nationalismus, Flüchtlingskrise, Brexit, Handelskriege als Revolte gegen die Globalisierung in der ganzen Welt. Zu viele Menschen sehen ihre persönliche  Sicherheit, ihre Identität und ihren Arbeitsplatz gefährdet (a. a. O. S. 352).

Solidarität: Der Ursprung liegt im Römischen Recht. Es ist eine Form von Haftung, bei der jeder Einzelne, der zu der Gruppe der Schuldner gehört, für die Gesamtsumme mit haftet. Gegner der französischen Revolution versuchten, im frühen 19. Jahrhundert, den Rechtsbegriff der Solidarität für die Wiedergewinnung der "natürlichen Ordnung" zu gebrauchen (revolutionäre Änderung als Verlust von Solidarität). Emile Durkheim, der große französische Soziologe, analysierte mit Solidarität die Entstehung der arbeitsteiligen Industriegesellschaft. Die mechanische, traditionelle Solidarität verwandle sich in eine "organische" und schafft neue Bindungen der Menschen. Seitdem beschreibt Solidarität die spezifische Bindung und Verpflichtung zwischen Menschen. Sie ist auch gekoppelt an Familie, Nation, Klasse oder Geschlecht. Soziologisch ist es also eher soziale Integration. Politisch kann es ein Kampfbegriff sein (so etwa in der Sozialdemokratie, Kurt Eisner). Mittlerweile versuchen sogar politische Rechte, den Begriff zu besetzten. Solidarität verbindet heute in der globalisierten Welt Menschen miteinander, die früher nichts voneinander wussten. Es ist mehr ein Ausdruck individueller Entscheidungen. Vgl. Süß, Dietmar: Solidarität muss immer neu entdeckt werden, in: Vorwärts 4/2020, S. 24.

Gesellschaftlicher Zusammenhalt: Der gesellschaftliche Zusammenhalt wird oft beschworen, nicht zuletzt in der Pandemie. Der Begriff beschreibt eigentlich ein Ziel. Was Zusammenhalt meint, ist auszuhandeln. In westlichen Gesellschaften der Gegenwart scheint nicht ausgemacht, ob das gemeinsame Projekt in der Rückkehr zur jeweiligen Nation liegt oder aber in der Öffnung zu einem mulikulturellen Kosmopolitismus. Vgl. Forst, Rainer: Gesellschaftlicher Zusammenhalt. Zur Analyse eines sperrigen Begriffs, in: WZB Mitteilungen Heft 170 Dezember 2020, S. 45ff. Es gibt Bewegungen der Ökonomie, die im deutschsprachigen Raum sehr erfolgreich sind. Auf regionaler Ebene haben sie einen hohen Organisationsgrad: Gemeinwohl-Ökonomie: Das Konzept wurde vom österreichischen Attac-Mitbegründer Christian Felber entwickelt (viele Ideen gehen eigentlich auf Thünen zurück). Im deutschsprachigen Raum gibt es etwa 1400 Unternehmen, überwiegend kleinere, die sich dem Konzept verpflichtet fühlen. Ein Drittel legt jährlich eine entsprechende Bilanz vor. Langfristig wird angestrebt, eine solche Bilanz gesetzlich verpflichtend zu machen. Unternehmen mit einer guten Gemeinwohlbilanz sollen von niedrigeren Steuern, günstigeren Krediten und Bevorzugung bei der Auftragsvergabe profitieren (es gibt hier Parallelen zum Social Credit - System in China). Kate Raworth: Die Donut-Ökonomie, München (Hanser) 2018. Die englischsprachige Originalausgabe ist 2017 in London erschienen: Doughnut Ecomomics. Seven Ways to think Like a 21sr-Century Economist. "Das Wesen des Donuts: ein gesellschaftliches Fundament des Wohlergehens, unter das niemand abstürzen sollte, und eine ökologische Decke des planetarischen Drucks, über die wir nicht hinausgehen sollten. Zwischen beiden Bereichen liegt ein sicherer und gerechter Raum für alle", S. 20. Wenn das Ziel der Menschheit im 21. Jahrhundert darin besteht, in das Innere des Donuts zu gelangen, welche ökonomische Denkhaltung eröffnet uns dann die besten Chancen, dies zu erreichen?", S. 20.  "Das machtvollste Werkzeug in der Ökonomie ist nicht das Geld, auch nicht die Mathematik. Es ist der Bleistift. Denn mit einem Bleistift kann man die Welt neu zeichnen", S. III. Vgl. www.kateraworth.com. Faironomics: Die Welt sollte fairer und ökologischer sein. Wie kann man sie dazu machen? Dazu sollten konkrete Wege aufgezeigt werden. Da ist der Inhalt dieser ökonomischen Richtung. Eine bessere Welt ist machbar, wenn wir unsere Unternehmen, Organisationen und Initiativen so gestalten, dass eine öko-soziale Welt entsteht. Vgl. Koglin, Ilona/ Rohde, Marek: Faironomics, München (dtv) 2019. Diese Bewegungen sind auch eng verbunden mit Nachhaltigkeit, dem nächsten Komplex (schon Überleitung).

Führungskulturen im internationalen Vergleich: Der Umgang mit Entscheidungsprozessen lässt sich in einer Matrix darstellen. Auf der senkrechten Achse wird "Top-Down" und "Konsensorientiert" verortet. Die waagerechte Achse bildet die Einstellung zum Thema Autorität ab (Egalitär - Hierarchisch). So können vier Führungskulturen in den vier Feldern gebildet werden: Konsensorientiert und egalitär sind Dänemark, Niederland, Norwegen und Schweden. Konsensorientiert und hierarchisch sind Belgien, Deutschland und Japan. Top-down und hierarchisch sind Brasilien, China, Frankreich, Indien, Indonesien, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien. Vgl. Erin Meber: Souverän führen, in Stuttgart, Seattle und Shanghai, in: Harvard Business Manager, Oktober 2017, S. 38ff.

Interkulturelle Kompetenz: Wichtigste Fähigkeit, um international zwischen verschiedenen Kulturen kommunizieren zu können. Die Sozialpsychologie als Teilgebiet der Psychologie  liefert die theoretischen Grundlagen (Verhalten in sozialen Prozessen, Strukturen und Systemen, Kommunikation, Kommunikationsprozess, Kultur, Kulturschock). Kulturstudien und kulturelle Vergleiche liefern empirische Daten. Interkulturelle Kommunikation muss auf das interkulturelle Marketing und die Unternehmenskulturen (Personalwirtschaft) übertragen werden.

Multikulturalität und Vernetzungskompetenz: Sie sind nicht angeboren. Man muss diese Kompetenzen erwerben. Dazu muss man mit Menschen anderer Kulturen in Kontakt kommen. Nur so kann man den Vorteil von Globalisierung sehen. Menschen mögen Unsicherheit eher nicht. Deshalb neigen sie oft zu Vereinfachungen, die einfache Lösungen bieten (wie etwa Feindbilder).

Telemigration: Der Begriff wird in der Corona-Pandemie geprägt. Es geht um eine grundsätzliche Änderung der Globalisierung im Rahmen des technischen Fortschritts.  Arbeitnehmer in Ländern mit niedrigem Lohniveau erbringen Dienstleistungen für Unternehmen in Ländern mit höherem Lohnniveau. Arbeitsplätze in den G7-Ländern werden dadurch unter Druck geraten. Der Handel mit Dienstleistungen dürfte also zunehmen. Anders könnte es bei Produktion und Waren sein. Hier gibt es starke Tendenzen der Rückverlagerung. Vgl. zum Beispiel Richard Baldwin, Genf (Handelsökonom). Vgl. auch: Junge, Svea: Die Zukunft der Globalisierung, in: FAZ Nr. 109, 12. Mai 2021, S. 17.

Digitaler Nationalismus und Globalisierung: In der Corona-Pandemie ist die Globalisierung weiter gewachsen, gemessen am Index der globalen wirtschaftlichen Verflechtung: Handelsvolumen, Kapitalströme, Datenflüsse und Personenbewegungen. Das jährliche  Wachstum der internationalen Datenströme dagegen ging 2021 gegenüber 2020 stark zurück (fast 50% 2020, 22% 2021). Beim Personenverkehr gab es einen noch größeren Einbruch. Es zeigt sich, dass die Internetplattformen gar nicht so global sind. Nur 12% der Facebook - Freunde leben in unterschiedlichen Ländern. Nur ein Viertel der Twitter - Anhänger folgt jemand außerhalb der nationalen Grenzen. Auch der größte Teil des E-Commerce, der auch gewachsen ist, findet innerhalb nationaler Grenzen statt. Die Globalisierung scheint also ausgerechnet in der Digitalisierung ihre Grenzen zu haben im Vergleich zum Waren- und Kapitalverkehr. Autoritäre Staaten wie Russland und China schotten sich ab. Vgl. Riecke, Torsten: Digitaler Nationalismus, in: HB Nr. 242, 14.12.21, S. 21.

"Bedenke, dass die menschlichen Verhältnisse insgesamt unbeständig sind, dann wirst du im Glück nicht zu fröhlich und im Unglück nicht zu traurig sein", Sokrates (469 - 399 v. Chr.).

 

Soziologie/ Sozialpsychologie  der Nachhaltigkeit (Umwelt/ Klima, soziale Verantwortung, Langfristigkeit):

"Langfristiges, nachhaltiges Denken ist Dreh- und Angelpunkt für die Unternehmen. Gerade Familienunternehmern ist schon jetzt generationenübergreifender Erfolg wichtiger als kurzfristiger Gewinn", Annette Klein, Hochschule Koblenz (Quelle: WiWo 8, 14.2.2020, S. 48).

Allmendeproblematik (Aristoteles, 384-322 v. Chr., englisch: tragedy of the Commons; Tragik des gemeinsamen Besitzes): Was vielen gehört, wird mit geringerer Sorgfalt behandelt, da jeder vorzugsweise eher auf sein privates Eigentum achtet als auf das Gemeinschaftseigentum. Bekannt ist das Beispiel von Kleinbauern in England und Schottland im späten Mittelalter oder die globale Fischereiwirtschaft heute. Das Problem lässt sich entweder durch Privatisierung (im ersten Fall) oder durch staatliche Verfügungsgewalt in Kooperation (im zweiten Fall) lösen. Vgl. J Stiglitz: Die Chancen der Globalisierung, München 2006, S. 208ff. . Vgl. als grundlegende Quelle: Garret Hardin: The tragedy of the commons/ Die Tragödie der Allmende, in: Science, 162/ 1968, S. 1243-1248. Garret Hardin lebte von 1915 - 2003. In neuerer Zeit griff Elinor Ostrom (geb. 1933) die Idee wieder auf. Sie stellte die negative Sichtweise in Frage: Sie zeigte auf, dass es vielen Gemeinschaften gelingt, Ressourcen langfristig nachhaltig zu nutzen. 2009 bekam sie den Nobelpreis für ihre Konzeption.

Subsidenz: über das Lebensnotwendige verfügen. Subsidenzwirtschaft heißt also, das Lebensnotwendige zu erwirtschaften. Der Gedanke stammt aus der Klassik (Adam Smith), spielt auch im Marxismus (Rosa Luxemburg) eine große Rolle. Die übergroßen Bedürfnisse und die Gier werden als Ursache des Umweltproblems gesehen. Der Gedanke ist heute als Gegenmodell zur Wachstumswirtschaft gerichtet, die ausschließlich Geld in den Mittelpunkt stellt und auf die Mehrwertproduktion ausgerichtet ist. Ziel sollte aber das Leben sein. Vgl. Bennholdt-Thomsen, V.: Geld oder Leben, München 2010. Empfohlen werden Eigenproduktion, Leistungsaustausch in sozialen Netzen, gemeinnützige Arbeit, Nutzungsdauerverlängerung.

Suffizienz: Vermeidung von Reizüberflutung, entschleunigte Lebensstile, Zeitsouveränität, Entrümpelung (Wohlstandsballast abwerfen). Vgl. Niko Paech: Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie, München 2016 (9. Auflage), S. 151.

Marktversagen: Situation, in der ein unregulierter Markt ineffizient ist, weil die Preise nicht die "richtigen" Signale an Konsumenten und Produzenten senden (Ursachen unter anderem: externe Effekte, free rider, kein freier Zugang, öffentliche Güter, ungleiche Vermögensverteilung). Ein gutes Lehrbeispiel ist der Altkleidermarkt. Hier wirken alle Effekte zusammen: Öffentliche Güter (Gemeinden, Wohltätigkeitsorganisationen), externe Effekte (Verfallen der Textilindustrie in EL, neue Orientierung), Marktmacht (Monopol der Städte), asymmetrische Information. Können private Parteien mit externen Effekten (z. B. Umweltverschmutzung) nicht hinreichend umgehen (Begründung spieltheoretisch!), tritt die Regierung mit bestimmten Vorkehrungen ein. Ein Sonderfall des Markversagens ist das moralische Wagnis: Das Bestehen einer Versicherung gegen ein Risiko erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Risikofall eintreten wird, weil die versicherten Wirtschaftssubjekte aufgrund der Versicherung allzu sorglos werden (vgl. Miles/ Scott/ Breedon: Makroökonomie, Weinheim 2014, S. 660). "Wenn der Markt vollkommen frei ist, haben die Akteure nicht nur die Freiheit der Wahl, sondern auch die Freiheit zum Betrug", George A. Akerlof, US-Wirtschaftsnobelpreisträger.

Free-Rider-Haltung (Schwarzfahrer-Haltung): Das Versagen des Ausschlussprinzips führt zu einem Verhalten, den individuellen Nutzen zu maximieren und die Präferenzen für ein öffentliches Gut zu verbergen. Das Gewissen wird mit der Geringfügigkeit des eigenen Beitrages beruhigt. Das Ausschlussprinzip ermöglicht erst private Güter, für die ein Preis zu zahlen ist. Die Schwarzfahrerhaltung überdeckt oft Bequemlichkeit und Ignoranz gegenüber der Umwelt. Es kann zu einer Rechtfertigung für fehlendes Engagement im Umweltschutz herangezogen werden, weil der eigene Beitrag verschwindend gering ist.

Appetenz - Appetenz - Konflikt: Personen haben zwei Alternativen, die besonders attraktiv erscheinen, sich aber gegenseitig ausschließen. Also muss eine Entscheidung her, die bestimmte Mechanismen beinhaltet: In der Regel wird die einfachere Alternative gewählt und die andere wird auf später verschoben. Beispiel im Umwelt-/Klimaschutz: Klimawandel soll um jeden Preis gestoppt werden und die Welt gerettet. Ein Windrat ist auch sehr positiv dafür, soll aber erst später in der Nähe des eigenen Hauses gebaut werden. Elektromobilität hat Vorrang, aber erst muss die traditionelle Autoindustrie erhalten bleiben. Nur der Bio-Landwirtschaft gehört die Zukunft, aber erst muss die traditionelle Landwirtschaft bestehen bleiben. Appetenz - Appetenz ist insofern häufig mit Aufschieben einer Alternative verbunden.

Moral Hazard (Moralische Wagnisse): Möglichkeit unehrlichen Verhaltens in Situationen, in denen das Verhalten nur unvollkommen kontrolliert wird. Die am Markt orientierte Umweltpolitik setzt bei ökonomischen Anreizen an, um sie gezielt zu instrumentalisieren: Umweltschutz durch Eigennutz. "Der Großteil der Ökonomie kann in vier Worten zusammengefasst werden: Menschen reagieren auf Anreize. Der Rest ist Kommentar", Steven Landsberg, US-Ökonom. Moral Hazard gibt es auch in anderen Bereichen, z. B. auf den Finanzmärkten: Die Notenbanken können nicht suggerieren, dass sie nicht eingreifen. Also planen die Akteure dies ein, vgl. F. S. Mishkin: Housing and the Monetary Transmission Mechanism, Fed, Series, 40/ August 2007. Entscheidend für Moral Hazard ist nach jüngsten Forschungsergebnissen (Torgler, Levitt) das soziale Umfeld. Auch die Angst vor Überführung (Kontrolle) hat einen Einfluss.

Asymmetrische Information: Situation, in der einer der Akteure systematisch besser informiert ist als der andere. Sie kann sowohl als versteckte Information, versteckte Absichten und versteckte Handlungsmöglichkeiten (hidden characteristics, hidden intentions, hidden actions) als auch als negative Auslese (adverse selection) auftreten. Informationsmängel und Unsicherheit sind auch Ursachen der Umweltverschmutzung. Als Marktlösungen bieten sich nach der Prinzipal-Agent-Theorie hier Screening, Signaling und Interessenharmonisierung an. Vgl. Neubäumer/ Hewel (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre, Wiesbaden 2001, S. 636ff. . Das Gegenteil ist ein informationseffizienter Markt, auf dem das Grossman-Stiglitz-Paradoxon gelten kann: wenn alle relevanten Informationen eingespeist sind, hat ein Einzelner keinen Anreiz mehr, Informationen zu erwerben (Wertpapiermarkt). Vgl. Grossman, S./ Stiglitz, J.: On the Impossibility of Informationally Efficient Markets, in: AER, 1980. Die Informationsasymmetrie gilt auch auf anderen Märkten, wie z. B. auf dem Kreditmarkt. Akerlof hat das Grundprinzip auf dem Gebrauchtwagenmarkt dargestellt: George Akerlof: The Market for Lemon`s: Quality, Uncertainty and the Market Mechanism, in: Quaterly Journal of Economics, Vol. 84, 1970, S. 488-500.

Signaling und Screening von Informationen: Eine Aktion, von unterrichteter Seite unternommen, um private Informationen gegenüber einer unwissenden Partei aufzudecken. Beim Screening geht es um das Vorgehen einer uninformierten Partei, die informierte Seite zur Preisgabe der Informationen zu veranlassen. Bei einer Preissignalisierung besteht eine stillschweigende Übereinkunft, so dass ein Unternehmen eine Preiserhöhung verkündet und dabei hofft, dass der Konkurrent das gleiche tut.

Institutionelle Sklerose von Mancur Olson (1932-1998, The Logic of Collective Action, Cambridge 1965, auch: The Rise and Decline of Nations, 1982): diese entsteht dadurch, dass Lobbygruppen durch Verteidigung ihrer Privilegien die Wettbewerbsordnung verzerren und damit die Anfälligkeit gegenüber externen Schocks erhöhen. Olson gilt als Nestor der Institutionenökonomik. Lobbyismus ist heute sehr stark in den USA ausgeprägt. Der Einfluss der reichsten Amerikaner auf die Politik des Landes ist unmittelbarer als gedacht. Zwischen 1984 und 2009 hat sich das Vermögen der Kongressabgeordneten mehr als verdoppelt (jeder Zweite Millionär), während die Amerikaner insgesamt ärmer geworden sind. Einen Wahlkampf können sich nur Reiche leisten. Schon bei den alten Römern sollen in der "lobia", in der Vor- und Wandelhalle des römischen Senats, Interessenvertreter auf die Senatoren eingewirkt haben. Bei der Bundestagsverwaltung sind zur Zeit (2012) 2094 Lobbygruppen offiziell registriert. 2011 sind 13 Spitzenpolitiker direkt von der Politik in die Wirtschaft gewechselt. 70 Lobbyisten arbeiten 2011 in den Bundesministerien. Rheinland-Pfalz führt als erstes Bundesland 2012 ein Lobbyistenregister ein. Es gibt einen Verein in Deutschland, der den Lobbyismus kontrollieren will: Lobbycontrol ( www.lobbycontrol.de ) "Alle Formen der Marktbeherrschung müssen Anlass zur Sorge geben, alle", Mancur Olson.

Umweltbewusstsein: Ein mangelndes Umweltbewusstsein ist generell immer die Ursache von Umweltverschmutzung. Bildung und Erziehung können das Umweltbewusstsein langfristig erhöhen. Das Umweltbundesamt führt alle zwei Jahre eine repräsentative Studie zum Umweltbewusstsein in Deutschland durch: 2014 sind 82 Prozent der Befragten dafür, in Städten und Gemeinden nicht vorrangig die Interessen der Autofahrer zu bedienen. Stattdessen müssten Fuß- und Fahrradwege ausgebaut werden (ebenso Car-Sharing und öffentlicher Personennahverkehr).

Umweltmoral:  Es gibt einerseits einen angeborenen Sinn für Moral, auch in Bezug auf die Umwelt. Beim Heranwachsen wird dieser abgestimmt. Andererseits gibt es auch einen moralischen Relativismus. "Jeder glaubt ausnahmslos an seine eigenen Gewohnheiten und dass die Religion, in der er oder sie erzogen wurde, die beste ist.", Herodot, Historien, 500 v. Chr. So sind die Religionen, in denen Menschen mehrere Leben und Lebensformen haben, grundsätzlich moralischer in Bezug auf die Umwelt (Buddhismus, Hinduismus).

Umweltvergehen: Sie werden weltweit von der Umweltbehörde der Vereinten Nationen (Unep) registriert. Umweltverbrechen haben im Jahre 2015 die Weltwirtschaft 258  Mrd. Dollar gekostet. Gegenüber dem Vorjahr war das eine Steigerung um 26 Prozent. Etwa die Hälfte kann der illegalen Abholzung von Wäldern zugeschrieben werden. Auf der Fläche entstehen hauptsächlich Agrarfelder für Soja oder Palmöl. Ein Teil geht auf die unrechtmäßige Entsorgung von Elektro-Schrott zurück (4 Mrd. $).

Lust auf Konsum (Überkonsum): Wachsender Konsum und das, was davon übrig bleibt, der Müll, führen auch zu Umweltverschmutzung. Steigender Lebensstandard hat bei vielen Konsumgütern zu einer Explosion der Nachfrage geführt. Die Erde braucht dringend Verbraucher, die ihre Einkäufe überdenken. Besonders gefährlich sind "Cocktaileffekte", die sich durch die Wechselwirkung mehrerer Stoffe ergeben (Chemiecocktail). Der Überkonsum bedroht auch lebenswichtige Ressourcen auf der Erde: das Wasser, die Fischerei, die Viehhaltung (richtige Viehzucht).

Zeit: In der Umwelt ist die Zeit extrem wichtig. Nachhaltigkeit verlangt einen großen Zeithorizont. Für den Menschen, d. h. ein Leben, ist die Zeit dagegen kurz bzw. es ist eine Frist gesetzt. Der Gott der Zeit "Chronos" verkörpert die knappe, unerbittliche Zeit. Der Gott "Kairos" verkörpert die rechte Zeit, den glücklichen Augenblick. So war das Verhältnis der alten Griechen zur Zeit definiert. Heute setzen wir auf Timing: Wir versuchen die Zeit zu berechnen und optimal zu nutzen. Gutes Timing ist Kalkulation und Intuition. Im Umweltbereich argumentieren wir nicht mit unserem bzw. einem Leben, wir sorgen uns um unsere Kinder, Enkel, also um um die nachfolgenden Generationen. "Kostbare Zeit. Wir müssen erkennen, dass der einzige Moment, über die wir Kontrolle haben, der jetzige Augenblick ist. Die Art und weise, wie wir unsere Zeit nutzen, wirkt sich auch auf unsere Zukunft aus. Betrachten wir die Zeit als Geschenk, gewinnt sie sofort an Bedeutung. Sie wird zu etwas, das wir schätzen und aus dem wir das Beste machen wollen. Der einzige Weg, eine schöne Zukunft zu gestalten, ist, das Beste aus dem gegenwärtigen Moment zu holen", Dadi Janki, aus: "365 Days of Wisdom". "Die Lieblingsdinge in meinem Leben kosten kein Geld. Völlig klar ist: Die kostbarste Ressource, die wir alle haben, ist Zeit", Steve Jobs, Mitbegründer von Apple.

Kultur und Zeit: Die Zeiteinordnung unterscheidet sich relativ stark zwischen den Kulturen. Die asiatische Kultur legt viel Gewicht auf das Lernen aus der Vergangenheit (Geschichte). Es gibt Kulturen, die sehr stark in der Gegenwart verankert sind (USA). Auch die Zukunftsorientierung unterscheidet sich. "Zeit kannst du nicht kaufen, du musst sie nutzen!", Volksweisheit. "Wir müssen jetzt Bereiche definieren, in denen Wachstum, Beschleunigung und Effizienz nicht die einzige Maxime sein dürfen. In denen es erlaubt sein muss, sich Zeit zu nehmen", Lisa Suckert, in: Wiwo 40/ 25.9.2020, S. 44f. (Essay-Preis der Hertie-Stiftung, dritter Preis).

Nudge (Nudging) als zentrales Element: Zentraler Fachbegriff aus der Verhaltensökonomik. Er wurde von R. H. Thaler (Nobelpreis 2017) and C. R. Sunstein eingeführt (vgl. Dieselben: Wie man kluge Entscheidungen anstößt, 2009/ USA 2008; ebenso D. Kahnemann: Schnelles Denken, langsames Denken, München 2012, USA 2011). Kahneman führt folgende Bausteine ein: Zwei Selbste, Econs und Humans, zwei Systeme. "Nudge" ist das Gegenteil eines Verbots oder eines Befehls. Es geht um kluge, durchdachte Entscheidungshilfen und -anstöße.  Damit ist die Kraft, Menschen zu beeinflussen, größer. Beispiele bei Thaler sind eine Fliege im Urinal oder Obst in Griffnähe im Supermarkt. Bei total freien Märkten kann Nudge zum Desaster führen, weil die Menschen keine guten Entscheider sind (Argument für die Regulierung von Gesundheitsmärkten). Der Begriff spielt heute auch in der Marketing-Kommunikation eine große Rolle. Die bekannteste Art von Nudges sind Standardvorgaben, die Defaults. Diese sollen Menschen in eine bestimmte Richtung "stupsen". Nudges können die Entscheidungen von Menschen verbessern, wie sie in Form gut aufbereiteter Informationen angeboten werden. Sie können auch die Selbstbindung verstärken (Selbstkontrollprobleme reduzieren; z. B. durch Wetten). In der Praxis kann Nudging in der Wirtschaftspolitik (Gefahr: Verwaltungsfreude, Obrigkeitsdenken), bei Konsumenten (Gefahr: Manipulation), in der Alterssicherung und beim Verbraucherschutz bewusst eingesetzt werden. So gesehen ist es sanfter Paternalismus und verhaltensökonomisch fundierte Ordnungspolitik. Die Frage ist, ob unvollständige Rationalität eine hinreichende Begründung ist. In Umweltpolitik kommt es oft zu falschen Verheißungen: Mit Nudging könne man die Umwelt retten, ohne dass es wehtut. So könnten wirksamere Maßnahmen unterbleiben (die effektiver, aber schmerzhafter sind).

Weitere Aspekte der Verhaltensökonomie: Klimafreundliches Verhalten ist für den Einzelnen mit wahrnehmbaren Kosten verbunden. Die externen Effekte durch Umweltschädigung sind kaum wahrnehmbar. Also ist der Klima-Nutzen des Einzelnen kaum messbar. Klimafreundliches Verhalten ist immer Kooperation. Das fällt egoistischeren Menschen schwerer. Wichtig ist auch die diskontierte Zukunft: Der Nutzen fällt erst in der Zukunft an. Entschuldigungen sind schnell parat: Verharmlosung, Leugnung, Herabwürdigung. Vgl. Falk, Armin: Ich und das Klima, in: Die Zeit, Nr. 48, 21.11. 2019, S. 31.

Coase-Theorem in der Umweltökonomik: Das Coase-Theorem spielt auch eine Rolle in der Umweltökonomik bei der Internalisierung externer Effekte. Vorschlag von R. Coase: freiwillige Einigung von Schädiger und Geschädigtem bei Ausschaltung des Verursacherprinzips, weil negative externe Effekte reziprok sind, da beide das knappe Gut Umwelt beanspruchen . Für globale Fragen ist die Verhandlungslösung wohl ungeeignet, weil zu viele Akteure da sind.

Umweltethik: Ethische Prinzipien sind ein wichtiger Bestandteil des Umweltbewusstseins. In allen Religionen wird der Mensch als Hüter der Natur gesehen. Häufig wird auf die Ethik zurückgegriffen, wenn alle anderen Methoden nicht funktionieren (Lückenbüßer). Ökonomische Signale sollten immer damit verbunden sein, wenn die Handlungsfolgen abzusehen sind (auch Transaktionskosten werden gespart). Der Umweltethik können  vor allem Religionen (Hinduismus, Buddhismus) förderlich sein. "Störe nicht den Himmel und verschmutze nicht den Luftraum", Hinduismus, Yajurveda, 5,43). "Natur und Umwelt zu schützen, um eine Welt des Friedens aufzubauen, ist die Pflicht eines jeden Menschen", Papst Benedikt XVI. Eklatante Verstöße gegen die Umweltethik fallen besonders bei Unternehmen auf. Im Herbst 2015 gerät VW in den USA in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Das Unternehmen hat in den USA Abgaswerte von Diesel-Autos massiv manipuliert. Mittels der Software wurde der Schadstoffausstoß bei Testes manipuliert. Es sind Strafzahlungen von über 18 Mrd. Dollar möglich. Hinzu kommen Sammelklagen von Kunden und Aktienbesitzern. Der Aktienkurs bricht zeitweise um 20% ein. Einen Tag später noch mal erheblich (insgesamt ein Drittel des Wertes verloren; zieht den DAX um 4% nach unten). 11 Mio. Fahrzeuge weltweit sind betroffen. VW gibt eine Gewinnwarnung heraus. Vorstandschef Winterkorn tritt zurück. Die Konzern- und Kontrollstruktur hat offenbar versagt. Vielleicht ist das Unternehmen zu groß geworden. Neuer Chef wird Matthias Müller von Porsche. Er verspricht schonungslose Aufklärung.

Fairness: ist im Sinne von Akerlof und Shiller (animal spirits, Frankfurt/ New York 2009, S 29 ff.) ein wichtiger Erklärungsfaktor und ökonomisches Handlungsmotiv, das auf Albert Rees zurückgeht. Entsprechendes Verhalten kann in Experimenten nachgewiesen werden. Fairness wirkt positiv beim Tauschen und beim Beraten. Gegenpart ist die Arglist, die in der Regel zu Korruption führt. Besonders wichtig ist auch Vertrauen (Vgl. den gleichnamigen Band von Niklas Luhmann dazu). Es ist eine Art riskante Vorleistung und spielt bei allen Transaktionen eine Rolle. George A. Akerlof und Robert J. Shiller setzen sich in dem Buch "animal spirits" (Frankfurt/ New York: Campus, 2009) für mehr psychologische Ansätze in der Wirtschaftstheorie ein. Sie weisen auf die Bedeutung von Vertrauen, Fairness, Arglist und Geldillusion hin.

Philantrophie (Philantropen, die "Donations" geben):  Der Begriff kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Menschenfreund, also menschenfreundliches Denken und Verhalten. Im englischen Sprachraum häufig gebraucht. Der Geschenkaspekt überwiegt weit alle Nutzenaspekte. Deutsche Unternehmer finanzieren zum Beispiel Klinikschiffe in Myanmar, die die medizinische Versorgung in tropischen Flussdörfern verbessern sollen. Der Eigenanteil der Patienten ist ganz gering. International hat Philanthropie eine lange und große Tradition in den USA. Erfolgreiche Unternehmer spenden Milliarden über Stiftungen (Mark Zuckerberg, Warren Buffet, Bill Gates, George Soros). Häufig steckt dahinter auch eine krude Philosophie: Jeff Bezos von Amazon nutzt die Mechanismen des Kapitalismus bedingungslos aus und verspricht, mit seinem Geld - wenn die Erde zerstört ist - vorher den Weltraum bewohnbar zu machen. Aber auch Google, Apple, Microsoft und Facebook entwickeln eine "Illusion guter Taten" (Gewinn wird für gute Zwecke eingesetzt, nur zum kleinen Teil). In Deutschland liegen als Spender Michael Otto, Susanne Klatten und Heinz-Horst Deichmann vorne. Der Schweizer Hansjörg Wyss hat 2019 angekündigt, eine Milliarde Dollar seines Privatvermögens für den Schutz der Wildnis zu spenden (hat wohl 5,9 Mrd. Dollar, Verkauf der Medizintechnikfirma Synthes an die US-Firma Johnson & Johnson). Bis 2030 sollen jährlich 100 Mio. $ aus der Wyss Foundation für Naturschutz (Projekte für das Montana Legacy, für die Bären der Karpaten, für das Corcovado-Gebiet in Costa Rica) gespendet werden.

Corporate Citizenship (auch Corporate Social Responsibility, CSR): Das Engagement von Unternehmen in wohltätigen, insbesondere kulturellen, Aktivitäten. Rund 94% aller KMU in Deutschland sind hier aktiv und wenden im Durchschnitt 0,07% des Jahresumsatzes für Geldspenden, Schenkungen, kostenlose Dienste, Mitarbeiterfreistellungen, Nutzungsgestattungen und anderes auf. Das Rahmenthema ist Mittelstand und Gesellschaft. Dazu gehört auch die Abhängigkeit der KMU von den Umfeldbedingungen der Wirtschaft und Gesellschaft. Die soziale Verantwortung der Unternehmen hat in der globalen Wirtschaft rapide zugenommen. Drei Punkte werden an Bedeutung gewinnen:  die Analyse schlechter Nebenfolgen, Kontrolle durch unabhängige Dritte, Ausdehnung entlang von Wertschöpfungsketten. Insgesamt hat CSR drei Dimensionen: die wirtschaftliche, d.h. Unternehmen sollen Produkte und Dienstleistungen anbieten, aber auch Arbeit und Wissen zur Verfügung stellen. Eine ökologische Dimension, d. h. Unternehmen müssen die physische Umwelt schützen (Öko-Effizienz). Drittens eine soziale Dimension, d. h. Unternehmen sollen die grundlegenden Menschenrechte schützen. ISO 26000 soll bei der Internationalen Organisation für Normung (ISO) zum Standard für gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen und Organisationen werden. In Deutschland ist die Wirtschaft strikt dagegen (zu schwammig formuliert) Seit 2004 wird um diese "Ethiknorm" für unternehmerische Initiativen gerungen. Staatliche Förderung für CSR ist für Erweiterung oder Intensivierung möglich. Mittlerweile gibt es eine Reihe von Preise: Es gibt den Deutschen CSR-Preis (seit 2011), den Deutschen Engagement-Preis und den Mittelstandspreis für soziale Verantwortung (Caritas B.-W.). Die CSR hat auch eine starke kulturelle Komponente. Zum Beispiel ist das Leitbild der CSR in China ganz anders. Viele Wirtschaftspioniere in Deutschland sind auch durch ihr soziales Engagement aufgefallen (z. B. Bosch, Otto). "The Social Responsibility of Business is to increase its Profits", Milton Friedman, New York Times, 1970. Vgl. auch: Karolina Kuta et al.: CSR and the European Refugee Crisis: An Assessment of the CSR Initiatives by German Firms, Working Paper 2017

Gesellschaftliche und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig: "Erfolgreich sein und Gutes tun", Julie Battilana, Harvard Business School. Unternehmen stehen zunehmend unter Druck, ihre einseitige Fokussierung auf den wirtschaftlichen Erfolg aufzugeben und das Gemeinwohl stärker in den Blick zu nehmen. Aber wie lassen sich beide Ziele miteinander vereinbaren? Manager müssen vier Hebel bedienen, wenn sie Rendite und soziale Verantwortung unter einen Hut bringen wollen: sich für beide Bereiche Ziele setzen und deren Erfolg messen; eine Struktur schaffen, die beides fördert; Mitarbeiter finden und einbinden, die sich beidem verpflichtet fühlen; eine Führung etablieren, die in der Lage ist, beides zu vereinen. Vgl. Battilana, Julie/ Pache/ Sengul/ Kimsey: Erfolgreich sein und Gutes tun, In: HBM, Februar 2020, S. 35ff.

"Shared Value" und "Collective Impact": Ein Unternehmen hilft, soziale Probleme zu lösen. Unternehmen greifen die Idee des Shared Value auf, und versuchen, geschäftlichen Erfolg mit sozialem Engagement zu koppeln. Doch dabei kann übersehen werden, dass sie Teil eines gesellschaftlichen Ökosystems sind und isolierter Aktionismus schnell ins Leere läuft. Eine Bewegung namens Collective Impact hat es sich zum Ziel gemacht, erfolgreiche Kooperationen im sozialen Sektor anzustoßen. Fünf Elemente sind hierzu nötig: gemeinsames Ziel, gemeinsame Bemessungskennzahlen, sich wechselseitig bestärkende Aktivitäten, kontinuierliche Kommunikation, engagierte Verwaltung, die von unabhängigen Organisationen übernommen wird. Vgl. Kramer, M. R./ Pfitzer, M. W.: Sozial und Profitabel - Das geht, in: Harvard Business Manager, März 2017, S. 61ff.

Soziales Engagement von Marken: Die Marke wird mit einem guten Zweck verbunden. Das kann zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden. Eine wirksame Strategie sieht so aus, dass sie einen Mehrwert schafft, Zentrale Attribute der Marke müssen gestärkt werden. Das Risiko negativer Assoziationen und Akzeptanzprobleme bei Stakeholdern muss reduziert werden. Es gibt eine Pyramide des sozialen Engagements: Oben ist der Wettbewerbsfaktor. Dann kommt der Anspruch. Die dritte Ebene ist die Praxis. Unten ist das Aussortierte. Elemente sind die Markenattribute, die angrenzenden Geschäftsbereiche, die Assoziationen der Verbraucher und die Akzeptanz der Stakeholder. Vgl. Omar Rodriguez-Vila/ Sundar Bharadwaj: Geschäfte mit guten Gewissen, in: HBM, Februar 2018, S. 66ff.

Pandemien und Umweltzerstörung bzw. Klimawandel: Viele Epidemien der vergangenen Jahrhunderte und letzten Jahrzehnte hatten in Ursprung in China. Als Gründe gelten mangelnde Hygiene, das Beharren auf dem Konsum von Frisch- und Wildfleisch, exzeptionelle Ernährungsgewohnheiten (bei teurem Schweinefleisch Ersatz durch kleine Wildtiere), das enge Zusammenleben von Tier und Mensch in einer verdichteten Siedlungsstruktur. Hinzu kommen noch andere Gründe: Artensterben, Naturzerstörung, Klimawandel (der Mensch züchtet Seuchen). Die Abholzung der Wälder und der Klimawandel schafft für Pandemien günstige Bedingungen. Die Anzahl der Menschen pro Fläche begünstigt die Ausbreitung. Durch Vergiftung der Überlebensmittel Atemluft, Trinkwasser und Boden wird der Körper des Menschen geschwächt. Die Letalität war besonders hoch in Gebieten, die eine hohe Schadstoffbelastung haben (Mailand, Madrid). Die Uni Halle stellt in einer Studie 2020 fest, dass hohe Stickstoffdioxidwerte zu höheren Todesraten bei Corona führen.

Ökologische Degradation: Einzelne Phänomene wie Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Wasserknappheit und Wüstenbildung werden zu einem Muster zusammengefasst. Unsere Welt neu denken: Vgl. Maja Göpel: Unsere Welt neu denken. eine Einladung, Berlin (Ullstein) 2020. Klimawandel, zunehmende Konflikte zwischen Arm und Reich und die Polarisierung unserer Gesellschaften zeigen deutlich: Weitermachen wie bisher ist keine Option. Wir müssen grundsätzlich umdenken. In unserer heutigen Welt kommen nahezu gleichzeitig überall Systeme unter Druck, die über Jahrzehnte verlässlich funktioniert zu haben scheinen. "Es sind ja nicht nur der Klimawandel, das Plastik in den Weltmeeren, der brennende Regenwald oder die Massentierhaltung. Da sind auch die explodierenden Mieten in den Städten, die wild gewordenen Finanzmärkte, der immer größer werdende Graben zwischen Arm und Reich, zunehmende Burnout - Zahlen und die unüberschaubaren, vielschichtigen Folgen der Gentechnik und der Digitalisierung. Längst hat sich das Gefühl von Zeitenwechsel in unsere Wahrnehmung von der Welt eingeschlichen. Unsere Gegenwart wirkt zerbrechlich, während unsere Zukunft unaufhaltsam auf jene Szenarien zuzulaufen scheint, die wir aus Weltuntergangsfilmen kennen... Zukunft ist nichts, was bloß vom Himmel fällt, was einfach nur passiert. sie ist in vielen Zeilen das Ergebnis unserer Entscheidungen".

Mittelstand/ ökonomische Nachhaltigkeit: Der Begriff "Mittelstand" steht für ökonomische Nachhaltigkeit (nur in der deutschen Sprache, auch in den Niederlanden und Dänemark, in manchen Sprachen als Fremdwort). Die mittelständische Struktur der deutschen Wirtschaft ist zum großen Teil für den Wirtschaftserfolg Deutschlands verantwortlich. Der Begriff wird am besten qualitativ abgegrenzt. Eigentum, Führung und Haftung fallen zusammen. Das Unternehmen ist kleiner, nicht marktbeherrschend; Werte und ein gutes Betriebsklima herrschen vor. Laut Arbeitsgemeinschaft Mittelstand gibt es in Deutschland 3,4 Mio. mittelständischer Unternehmen (99,6%), in denen fast 70% aller Beschäftigten arbeiten und der 45% der gesamten Wirtschaftsleistung erbringt. 15,7 Mio. Beschäftigte, 3,4% F&E-Quote, 117.307 Euro Umsatz je tätige Person (2011; Markt und Mittelstand, 10/2014, S. 18ff.). In früheren Zeiten war er eine gesellschaftliche Schicht, die gemessen an Eigenschaften wie Einkommen, Vermögen und Beruf einen mittleren Status einnahm. Für "Mittelstand" gibt es aber verschiedene Definitionen: EU bis 249 Beschäftigte (B.), bis 50 Mio. € Umsatz (U.) im Jahr; IHK 499 B., 100 Mio. € U.; Bundesministerium für Wirtschaft und IMF - Bonn 499 B. und 50 Mio. U.. Manche zählen auch Eigentümer geführte Familienunternehmen dazu (diese werden bei den Links teilweise auch dazu gerechnet). Der Begriff selbst ist eigentlich nur in Deutschland. Er ist auch in den Niederlanden oder Dänemark gebräuchlich. Mittlerweile gilt er als deutsches Erfolgsmodell und wird sogar in den USA und Frankreich verwandt. "Le Mittelstand" steht für die duale Ausbildung, gute Arbeitsverträge, erfolgreiche Familienunternehmen in der Welt und Innovation. Der Wirtschaftshistoriker Hartmut Berghoff nennt folgende Kriterien des  klassischen" Mittelstandsmodells: im Familienbesitz und familiengeführt, Kontinuität über mehrere Generationen hinweg, emotionales Zugehörigkeitsgefühl, eine patriarchale Kultur und informelle Strukturen, Unabhängigkeit.

Postwachstumsgesellschaft: Gesellschaft ohne Wirtschaftswachstum mit neuer Rolle der Erwerbsarbeit und Ökologie im Zentrum. Systeme der sozialen Sicherung, der Besteuerung und Erwerbsarbeit müssen umgestellt werden. Kriterien:  1. Kein weiteres Wachstum. 2. Stabilisierung der Gesellschaft ohne Wachstum. 3. Bedingungen für Gesellschaft ohne Wachstum. Alternative zum Denken in Wachstumskategorien und zur neoklassischen Volkswirtschaftslehre, die die Finanzkrise 2008 nicht vorhergesehen hat.  Wachstumskritik. Vertreter z. B.: Niko Paech. Vgl. Felix Rohrbeck, Der Verstoßene, in: Die Zeit, Nr. 11, 09. März 2017, S. 28. Der Nachhaltigkeitsaspekt sollte eigentlich Bestandteil jeder Volkswirtschaftslehre sein, da jede Ökonomik eine ökologische Priorität habe muss für das Überleben der Menschheit. Insofern ist die Konzeption tautologisch. Paech will die gesamte Wirtschaft schrumpfen. Er will das sogar im Alltag vorleben. Der britisch Ökonom Tim Jackson rechnet sich auch zu der Bewegung (im Englischen "Degrowth"). Gegner dieser Bewegung verweisen immer wieder darauf, dass man Wachstum braucht, um einen Sozialstaat zu finanzieren (Umverteilung). Vgl. Katharina Matheis: Es reicht jetzt, in: Wirtschaftswoche 1/2 2018, 05.01.18, S. 62f. Paech entwirft eine Konzeption, um institutionelle Innovationen politisch zu flankieren: Bausteine sind 1. Suffizienz. 2. Subsidenz. 3. Regionale Ökonomie. 4. Globale Arbeitsteilung. Zur Postwachstumsökonomie hinzu kommen müssen eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 20 Stunden und ein entkommerzialisierter Bereich. Vgl. Paech, Niko: Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie, München 2012. Vgl. auch: Wellbeing Economy Alliance (Globales Netzwerk von Organisationen und Individuen, die zu einer Ökonomie im Dienst von Natur und Menschen forschen, experimentieren, publizieren, sich organisieren und zunehmend vernetzen): https://www.wellbeingeconomy.org .  "Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wenig braucht", Niko Paech (Umschlagsrückseite).

Eigenliebe: Der Neurowissenschaftler Gerald Hüther rät, sich selbst und andere besser zu behandeln. Das fördere die Selbstheilungskräfte. Man sollte mit sich selber liebevoller umgehen. Der Mangel an Eigenliebe mache unglücklich und fördere Krankheiten. Menschen sollten authentisch sein und in sich selbst ruhen (sich nicht von den Werturteilen anderer abhängig machen). Vgl. Gerald Hüther: Lieblosigkeit macht krank, 2021. Er betreibt auch die Initiative und Website "liebevoll.jetzt". Das ist eine Art Graswurzelbewegung. Globalisierung und Digitalisierung bringen seiner Meinung nach althergebrachte Ordnungsstrukturen durcheinander. Menschen sollten ihr Leben grundlegend ändern (zurück zur Natur, Grundbedürfnisse).

Nachhaltigkeit und Geschichte (ideengeschichtliche Wurzeln): Es gehört auch zu den Aufgaben der Soziologie, die Wurzeln von Ideen zu hinterfragen. Die grünste Marke in Deutschland ist Demeter (Lebensmittel). In der Demeter-Philosophie ist der Bauernhof ein lebendiger, in sich geschlossner Organismus. Die Basis dazu legte Rudolf Steiner 1924, ein Jahr vor seinem Tod. Die Gedanken finden sich in einem "landwirtschaftlichen Kurs" . Wenig später gab es eine Annäherung zwischen Teilen der Demeter- Bewegung und Teilen der Nationalsozialisten. Die Nazis setzten die Ideen dann auch im KZ Dachau um (Heilkräutergarten). Querdenker versuchen, in Corona-Zeiten wieder verschiedene Gedanken zu reaktivieren. Auch viele Ideen der Nachhaltigkeit in der Personalwirtschaft (Motivation, Delegation) haben eine dunkle Vergangenheit. Gerhard Höhn war ein hoher Ministerialbeamter, der Pläne für die Bewirtschaftung der eroberten Ostgebiete  aufstellte. Viele seiner Ideen setzte er erst viel später um, als Leiter der Akademie in Bad Harzburg. Mit ihrem Harzburger Modell war die einst führend in der Personalwirtschaft. Vgl. Wiwo 14, 1.4.2021.

Bereitschaft zum Klimaschutz: Sie hängt von sozialen Normen ab. Sie beeinflussen die individuelle Bereitschaft, etwas für den Klimaschutz zu tun. Viele Menschen tun wenig für den Klimaschutz, weil sie die Bereitschaft ihrer Mitmenschen unterschätzen, ebenfalls einen Beitrag zu leisten. Quelle: Studie des Instituts on Behavior and Inequality, USA (8000 repräsentativ Befragte).

Selbstschutz: Ein kognitiver Mechanismus, der für den Kampf gegen den Klimawandel hinderlich ist, ist das so genannte motivierte Denken (motivated reasoning), bei dem sich Motivation und Kognition gegenseitig beeinflussen. Menschen nehmen Informationen systematisch verzerrt wahr, damit sie Schlussfolgerungen ziehen können, die den eigenen Interessen entsprechen, ohne das ihr Selbstbild leidet. Ein weiterer Mechanismus, der den Menschen ermöglicht, die Überzeugungen auszubilden, die sie bevorzugen, ist die selektive Erinnerung. Vgl. Barron, Kai/ Hagenbach, Jeanne/ Kübler, Dorothea: Selbstschutz und blinde Flecke. Verhaltensökonomische Einsichten zur Klimakrise, in: WZB Mitteilungen H. 174/ Dezember 2021, S 24ff.

Verlustaversion (loss aversion): Wir richten unsere Entscheidungen nach möglichen Verlusten aus, denn die menschliche Psyche ist auf Besitzstandswahrung geeicht. Die Qual etwas zu verlieren, bewerten wir im Schnitt als doppelt so groß wie die Genugtuung eines Gewinns. Um die globale Erwärmung zu stoppen, müssen viele Menschen heute Verluste in Kauf nehmen. Ein gutes Beispiel ist die Wärmepumpe und der Streit darum. Vgl. Koch, julia: Wir Krisenmüden, in: Der Spiegel Nr. 27/ 1.7.23, S. 98f.

Konflikte und Konsens in der deutschen Kultur in Bezug auf Ökologie: 2023 gibt es eine Diskussion in Deutschland darüber, ob die Gesellschaft tief gespalten ist oder ob ein Grundkonsens herrscht. Die eine Seite reklamiert gesellschaftliche Polarisierung (Soziologe Reckwitz: Kulturkämpfe zwischen kosmopolitischen Großstadtakademikern und tradtionsverliebten Landbewohnern, zwischen lifestileverliebten Fridays for Future Jugendlichen und alten weißen SUV-Männern). Die andere eher einen Grundkonsens (Soziologe Mau). Die politische Differenzierung würde überschätzt (nur dünne Polarisierung). Die Ökologie der Mittelschicht orientiere sich am Lebensstil. Weil die Menschen sich als entscheidungsfrei erleben, kompetent und stark genug, um ihr Leben klimafreundlich umzustellen. In den unteren Schichten ist die Klimafrage immer an die Frage gekoppelt,: Kann ich mir das leisten. Vgl. Interview mit Mau in Der Spiegel 40/ 30.9.23, S. 116ff. und Mau, Stefan/ Lux, Thomas/ Westheuser, Linus: Triggerpunkte. Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft, Suhrkamp 2023

 

Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für die Welt, Mahatma Ghandi.

 

Zimmer im Nietzsche-Archiv in Weimar (Das Haus ist Art Deco von Henry van der Velde). Dort lebte der Philosoph die letzten drei Jahre seines Lebens mit seiner Schwester. Diese hat später einen Kontakt zu den Nazis hergestellt und diese instrumentalisierten die Philosophie ("Übermensch"). Sie hatte schon mit ihrem Mann vorher in Chile eine rechtsradikale Kolonie betrieben, die Pleite ging. Deshalb war der Philosoph in der DDR eine Unperson. Nietzsche selbst war aber kein Anti-Semit und kein Sympathisant der Nazi-Ideologie. Er lebte auch viel im Ausland: in Basel, Sils - Maria, Genua, Sorrent, Venedig, Turin, Nizza. Nietzsche hatte großen Einfluss auf die Entwicklung der Philosophie in Deutschland und der Welt. Ein war ein großer Provokateur der europäischen Geistesgeschichte. Er hatte ganz wichtige radikale und globale Überlegungen. Reisen und Freiheit vom Nationalen waren wichtig für ihn. Er suchte nach Wahrheit und bleibenden Werten. Sein bekanntestes Werk ist "Also sprach Zarathustra". Nietzsche lebte von 1844 bis 1900. Vgl. Iven, M./ Fischer, A.: Lebensweg des Friedrich Nietzsche, Berlin 2011. "Es steht Niemandem frei, überall zu leben, und wer große Aufgaben zu lösen hat, die seine ganze Kraft herausfordern, hat hier sogar eine sehr enge Wahl", aus: Ecce homo, 1888. Als erster Philosoph weist er darauf hin, das die Philosophie ein Gebäude ist. Das ist aber nicht fertig. Es bleibt vielmehr eine Baustelle, ein Rohbau, auf dem angebaut, umgebaut, Materialien ausgetauscht und neue Konstruktionen ausprobiert werden.

Geschichte und Struktur der Philosophie als Ursprung der Ökonomie (Denkstrukturen, Logik für die Ökonomie)

"Die Philosophie ist keine Theorie, sondern eine Tätigkeit", Ludwig Wittgenstein (österreichischer Philosoph, Wissenschaftstheoretiker, 1889 geboren in Wien, gute Bekanntschaft mit Sigmund Freud; 1951 gestorben in Cambridge;  dort auch begraben). Wittgenstein war ursprünglich Ingenieur. Er arbeitete im Flugzeugbau in Manchester. Er war ein Freund von Keynes und Verwandter von Hayek. Der Forscher war einer der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Seine Gebiete waren Logik, Sprache und Bewusstsein. Seine "Philosophischen Untersuchungen" (1953) gehören zu den wichtigsten Werken der Philosophie des 20. Jahrhunderts. Schon im "Tractatus logico-philosophicus" (1921) hatte er eine Abbildungstheorie der Sprache vertreten., die der Sprache nur eine Funktion zuschrieb. Er behauptet die Unmöglichkeit einer reinen Privatsprache. "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen", Ludwig Wittgenstein. Berühmt ist auch ein weiteres Zitat: "Wenn ein Löwe sprechen könnte, wir könnten ihn nicht verstehen". Die Sprache ist unsere Lebensart und ihr gemäß betrachten wir unsere Welt. Löwen würden keine dieser Perspektiven teilen.

Zunächst ist wichtig, dass auch der Philosoph seine Grenzen akzeptiert.  Die großen Philosophen Sokrates aus Griechenland und Laotze in China wussten schon beide, dass das Bewusstsein des Nichtwissens am wichtigsten ist. Am besten hat dies Kohelet um 300 v. Chr. (besser unter Prediger bekannt, Altes Testament) ausgedrückt: "Den Wissenden und den Unwissenden trifft dasselbe Schicksal". Die Erkenntnis des Nicht-Wissens ist die Zierde des Wissenschaftlers. Der Mensch ist im Kosmos bedingt. Insoweit hatte auch Marx mit dem Denken als Überbau recht. Kohelet drückt es so aus: "Alles ist Windhauch und Luftgespinst". Insofern ist jede Philosophie auch nur Windhauch im Lauf der Geschichte. Man sollte es nur zugeben.

In der Ilias von Homer (als Anfang, habe ich in den Schule noch in Alt-Griechisch gelesen, Teile des Werkes von Vergil dann in Latein) nahm es Odysseus mit den Göttern auf. Er emanzipierte sich gegenüber den Göttern. Er versucht sie zu überlisten, wenn er auch eine Göttin auf seiner Seite hat. Wesentlich ist, dass er sich auf seinen Verstand und seine Vernunft verlassen kann. Er ist also misstrauisch gegenüber den übernatürlichen Erkenntnisquellen. Das ist so was wie der Anfang jeder Philosophie, zumindest der westlichen. Zentrales Thema ist die Kontingenz: "Quod est nec impossibile nec necessarium". Was weder unmöglich noch notwendig ist. Man könnte es Zufall oder Schicksal nennen. Unsere Handlungsmöglichkeiten sind enorm erweitert, und die Risiken werden minimiert. Die Sterblichkeit wurde in der Antike ausgiebig reflektiert. Homer macht die körperliche Dimension des Krieges höchst anschaulich.  Homer schrieb als zweites Werk die Odyssee, die von der Reise des Helden Odysseus nach Ende des Trojanischen Krieges zurück in seine Heimat handelt.  Grundthema der Ilias ist die menschliche Fragilität. Die Helden verkörpern universelle Charaktere: Achill - toxische Männlichkeit, ohne Hoffnung. Odysseus ist heute populärer, der sich selbst aus dem Schlamassel zieht. Vgl. auch: Interview mit Jonas Grethlein, in: Welt am Sonntag Nr. 21/ 22.5.22, S. 43. 

Ökonomische Analysen im Rahmen der antiken griechischen Philosophie. Wichtige Elemente finden sich bei den klassischen griechischen Philosophen Sokrates (Ethik), Platon (Aufbau der Gesellschaft, idealer Staat) und Aristoteles (z. B. Allmendeproblem; Eigentum Privatbesitz; Logik; Wohlergehen). Platon war der erste prominente Vertreter einer gewissen Marktfeindlichkeit. Er hatte eine Verachtung für das Wirtschaften, insbesondere die Händler. Xenophon kann als der größte ökonomische Denker der antiken Philosophie bezeichnet werden. 400 Jahre vor Christus schildert er wichtige Grundlagen (Gespräch über die Haushaltsführung; Mittel und Wege, dem Staat Geld zu verschaffen; Gewinnmaximierung; auf ihn soll auch die Verbindung von Oikos und Nomos zurückgehen als Kunst der Haushaltsführung). Hesiod kann als erster bekannter Ökonom überhaupt benannt werden. Er lieferte Grundideen für die moderne Chaostheorie und definierte Arbeit als Quelle allen Guten für die Menschen. Der Philosoph Empedokles (484-423 v. Chr.) schrieb die Physika, in der er die vier Elemente Feuer, Luft, Wasser, Erde behandelte (ähnelt den Werken  von Dao in China).  Ein weiteres wichtiges Werk ist "Reinigungen". Noch heute werden Teilstücke von Physika auf Papyrus gefunden. 100 Jahre später liefern Thales (Olivengeschäft), Archimedes und Pythagoras (Geometrie) wichtige mathematische Grundlagen, die auch in der Ökonomie Verwendung finden. Die einzelnen Bücher sollen an dieser Stelle nicht genannt werden. Die antike griechische Philosophie hatte großen Einfluss auf die römische Philosophie. Besonders hervorzuheben sind hier Lucius Annaeus Seneca (1 bis 65 n. Chr.) und Marc Aurel (161 - 188 n. Chr.; Kaiser und Philosoph). Sie gehörten zu der Richtung der Stoiker (gehen auf Athen/ Sokrates, Epiktet) zurück. Sie haben eine kosmologische, ganzheitliche Weltsicht und stehen für Weltoffenheit und Anpassungsfähigkeit (der Mensch soll seine Stelle in der Gesamtheit finden, auch ein Thema bei Konfuzius in China). Die griechische Philosophie hat sehr stark die Philosophie im römischen Reich beeinflusst. Auch die deutsche Philosophie greift immer wieder auf die antike griechische zurück. Das besonders in der Klassik. Goethe war der Pionier der Wiederentdeckung, in der Philosophie vor allem Hegel. Er preist die antike Kultstätte Eleusis (heute als Elefsina ein Vorort von Athen, Kulturhauptstadt 2023)  Er schreibt das Gedicht "Eleusis", das er Hölderlin widmet.    "Bedenke, dass die menschlichen Verhältnisse insgesamt unbeständig sind, dann wirst du im Glück nicht zu fröhlich und im Unglück nicht zu traurig sein", Sokrates (469 - 399 v. Chr.).  "In einem Gemeinwesen, in dem Reichtum und Armut fremd sind, wird auch die beste Gesinnung zu finden sein", Platon: Sämtliche Dialoge, Bd. 7, Hamburg 2004, S. 78. Ich habe in einzelne Texte noch in Alt-Griechisch, was ich im Gymnasium gelernt habe, "reingeschnuppert". Oder Texte der römischen Philosophen habe ich auch noch in Latein gelesen: "Betrachte die Vergangenheit, die großen Veränderungen so vieler Reiche; daraus kannst du auch die Zukunft vorhersehen", Marcus Aurelius, Selbstbetrachtungen, Kapitel 7 (er war römischer Kaiser und Philosoph). "Das harte Wort schmerzt immer, sei `s auch ganz gerecht", Sophokles, griechischer Tragödiendichter.

Exkurs: Stoizismus: Der Stoizismus erlebt 2021 eine Renaissance. Es erscheinen viele Bücher, auch auf Deutsch. Man spricht von einer Philosophie der Praxis. Die Ursprünge reichen ins antike Griechenland 300 v. Chr. Die bekanntesten Vertreter sind Zenon (Xenon) von Kition (ca. 334 -262 v. Chr.), Ariston von Chios (300 - 260 v. Chr.),  Xenon lebte von 336 v. Chr. auf der Insel Zypern in Kition, heute Lanarca. Der Ort wurde auch durch Barnabas (erster Bischof von Zypern. Jesus erweckte ihn wieder zum Leben, er wirkte mit Paulus) und Um Haram bekannt Letztere war die Tante von Mohamed und kam durch einen Sturz vom Maultier in Lanarca ums Leben. In einer Moschee dort am Salzsee liegt sie begraben (Pilgerstätte).  Epiktet (50-135 n. Chr., Griechenland, begann als Sklave, er gilt als Haupt-Begründer), Seneca (römischer Senator, 4. v. Chr. - 65 n. Chr., er war der Erzieher Neros) und Mark Aurel (121 - 180 n. Chr., Kaiser von Rom, Schriftsteller: Selbstbetrachtungen). Auch Cicero (106 - 43 v. Chr., römischer Staatsmann, Redner und Schriftsteller) wird dazu gerechnet. Die griechischen Stoiker waren meist Pantheisten. Sie meinten, dass Gott das Universum ist. Sie nannten es Zeus, ein einziger Organismus, gleichbedeutend mit Natur und Vernunft. Ziel der stoischen Philosophie ist "Eudaimonia", ein erfülltes Leben (blühend, in gutem Fluss, in Harmonie mit der Natur). Man spricht auch von Glückseligkeit und menschlichem Gedeihen. Der Stoizismus meint heute ein bestimmtes Denken und Handeln. Er ist ein emotionales Handwerkszeug, um den Geist zu trainieren und ein erfolgreiches Leben zu führen. Stoisches Handeln erfolgt nach Tugenden: Tugenden sind Weisheit, Mut, Gerechtigkeit, Mäßigung. Man soll das Positive gestalten.  Psychologisch geht es um emotionale Resilienz. Das ähnelt dem Konzept der Achtsamkeit, das dem Buddhismus entspringt. Stoiker sollen dienen und nachhaltiges Glück anstreben. Vgl. Van Natta, Matthew J.: Stoizismus, München 2021. "Aufhören, darüber zu reden, wie ein guter Mensch ist, sondern einfach so sein", Mark Aurel, Selbstbetrachtungen, 10.16. "Tugend ist die Gesundheit der Seele", Ariston. "Geld macht nicht reich", Seneca. 2023 auf der Berlinade wird der Film "Seneca" vorgestellt. Regiseur ist Robert Schwentke. Seneca war der Erzieher des blutrünstigen römischen Kaisers Nero. John Malkowivich spielt Seneca. Er ist Opportunist, Zyniker mit schlechtem Gewissen, Hanswurst des käuflichen Denkens. Er textet mit seinen Feigheiten, seinen Lebenslügen. Seine letzten Worte im Film sind: "Mama, es tut weh" (er wird von Nero zum Tode verurteilt).  "Schimpflich ist es, nicht zu gehen, sonder sich treiben zu lassen und mitten im Wirbel der Dinge verblüfft zu fragen: Wie bin ich bloß hierher gekommen?", Seneca.

Die östliche, chinesische Philosophie bildete sich in der "Achsenzeit" (Carl Jaspers; 1883 - 1969; die Grenzen des Erkennens und Machens), also etwa zwischen 800 bis 200 v. Chr. Hier wuchs auch das geschichtliche Selbstverständnis. Am bekanntesten sind die Philosophen Laotse und Konfuzius. In Mesopotamien wirkte zu der Zeit Zarathustra, in Indien Buddha. Alle diese Personen werden sowohl der Philosophie als auch der Religion zugerechnet; in den Anfängen waren beide verbunden (vgl. den ausgezeichneten Gesamtüberblick von J. Habermas: Auch eine Geschichte der Philosophie, Berlin 2019). So kann man in den Anfängen der Philosophie nicht zwischen Religion und Philosophie trennen. Zarathustra wurde 630 v. Chr. geboren. Man spricht heute von Zoroastrismus (ca. 200.000 weltweit). Die meisten leben heute in Indien (Parsen). Mit dem rasanten Aufstieg Chinas zur früheren Dominanz in Asien und zur kommenden Weltmacht Nr. 1 werden auch Daoismus und Konfuzianismus rapide an Bedeutung zunehmen. Zusammen mit dem Marxismus, der perfekt integriert wird, stellen sie auch die entscheidende Legitimationsgrundlage für das heutige politische, soziale und ökonomische System in China dar. Die Beziehung zwischen Marxismus und Daoismus/ Konfuzianismus war ein Schwerpunkt meiner Forschung in den letzten Jahren (Vgl. Vortrag und Aufsatz). "Unter drei Menschen finde ich bestimmt einen, der mich belehren könnte", Konfuzius. Ebenso von ihm: "Der Edle ist auf Rechtlichkeit, der gemeine Mann auf Vorteil bedacht". Verblüfft hat mich die Kenntnis der europäischen Philosophie bei den chinesischen Kollegen, etwa an der Hochschule der Kommunistischen Partei in Peking. Besonders im Vordergrund steht die deutsche Philosophie durch die Wurzeln des Marxismus (Hegel, Feuerbach, Kant, Nietzsche). Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man sich die Curricula der Hochschulen ansieht. In den führenden Hochschulen des Landes sitzen Mitglieder des Politbüros in den Aufsichtsgremien und wachen über die Lehrprogramme. Es ist hier nicht der richtige Ort, um über diese Institutionen zu diskutieren, aber es fällt sehr negativ auf, wenn deutsche Ökonomen oder US-Ökonomen (das Allgemeinwissen ist manchmal nicht weit vom Durchschnitt der Bevölkerung) hier durch Nichtwissen und Ignoranz auffallen! Ich selbst habe oft erlebt, dass bei dem Stichwort "Marxismus" bei deutschen Kollegen (noch stärker bei Unternehmensvertretern) die "Klappe runtergeht". Das mag mit der deutschen Geschichte zusammenhängen, ist aber keine Entschuldigung.

Im Frühmittelalter war die Philosophie in Europa praktisch "eingeschlafen". Auch in Byzanz brannte sie nur auf kleiner Flamme. Das Zentrum der philosophischen Aktivität lag in dieser Zeit im Islam und in Bagdad. Um 820 nach Christus gründete der abbasidische Kalif al-Ma`mun das berühmte Haus der Weisheit. Er beschäftigte eine große Gruppe von Übersetzern (darunter auch Christen), die griechische Texte ins Arabische übertrugen. Als Aristoteles-Verehrer ließ er dessen gesammelte Werke und die hellenistischen Kommentare übersetzen. Ebenso einige Werke von Platon. Die griechische Philosophie wurde so vor dem Vergessen gerettet. Philosophen des Islam entwickelten dann die Gedanken weiter und setzten sich damit auseinander: Abu Ya`qub Ishaq al-Kindi (ca. 800 - ca. 873) und Abu Nasr Muhammad al-Farabi (ca. 872-ca. 950). Ersterer war in erster Linie Naturwissenschaftler und Mathematiker. Der zweite verfasste viele Kommentare. Darauf griff später in Europa auch Thomas von Aquin (1225-1274) zurück. Die islamische Philosophie dieser Zeit war von großer Toleranz und Offenheit geprägt. In Europa am bekanntesten ist Avicenna (ca. 980-1037). Er war aus Buchara, der Hauptstadt des persischen Samanidenreiches. Seine Weltsicht wurde durch die klassischen griechischen Philosophen geprägt (man spricht auch von islamischem Aristotelismus). Vgl. Gregory Bassham: Das Philosophiebuch, Librero 2020, S. 146ff. Man kann nicht genug auf diesen geschichtlichen Abschnitt hinweisen, wenn man sich die verbreitete Intoleranz  des heutigen Islam ansieht. Meiner Ansicht nach ist der Islam heute zum großen Teil durch politische Interessen instrumentalisiert worden.

Nach dem vorherigen Abschnitt über wissenschaftliches Denken und obigem Zitat liefert die Philosophie die Methoden des Denkens. Sie liefert damit die Fähigkeit zur Analyse, zum Beurteilen und zum Gebrauch von Argumenten. Als der Klassiker auf diesem Gebiet gilt der deutsche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Er verbindet die Welt mit Widerspruch, Geist und Freiheit. Hegels Dialektik ist auch eine Denkmethode, die höchst flexibel und einfach ist: Es gilt die innere Logik eines Gedankens bis in seine äußerste Konsequenz hin zu verfolgen und zu betrachten, wohin er auch führt. Vgl. S. Ostritsch: Portrait G. W. F. Hegel: agora 42, S. 31ff. Als freie Individuen sind wir notwendigerweise auf die anderen, die gesellschaftlichen Institutionen und in letzter Instanz den Staat verwiesen. Das hat im Kern auch Karl Marx fasziniert (vgl. unten). Wichtig ist auch Carnap (Rudolf, 1891-1970). Er wendete sich ganz der logischen Analyse zu, insbesondere der Wissenschaftssprache. Er hat sich auch mit der Wahrscheinlichkeitstheorie beschäftigt (hatte auch Mathematik studiert). Nach Hans-Georg Gadamer (1900-2002, Schüler von Heidegger) beginnt jedes Verständnis mit einem "Vorverständnis" und "Vorwegnahmen", derer wir uns nicht bewusst explizit sind. Seine Kernthese ist, dass jedes interpretative Verständnis historisch bedingt und an Tradition gebunden ist.

In der Ökonomie ist die Logik (zusammen mit der Wissenschaftstheorie und -analytik) als Gebiet der Philosophie am wichtigsten. Sie liefert die Regeln für die Begriffsbildung, für Definitionen, für die Ableitung von Hypothesen und die Struktur von Aussagen und Begründungen. Sie liefert damit die Regeln der Systematik und Objektivität für die Wissenschaften. Als einer der Begründer gilt der britische Philosoph Bertrand Russel (1872 - 1970). "Wahrheit" ist keine Eigenschaft der Welt, sondern eine Eigenschaft sprachlicher Aussagen. "In der Tat sind Wahrheit und Falschheit Eigenschaften von Meinungen und Aussagen, deshalb könnte eine bloß materielle Welt eben weil sie keine Meinungen oder Aussagen enthielte - auch keine Wahrheit oder Falschheit enthalten". Eines der wichtigsten Schemata in der Ökonomie ist das Hempel-Oppenheim-Denkschema. Als Begründer der Logik in der Philosophie gilt Aristoteles (384 - 322 v. Chr.). Seine Grundfrage war auch, wie menschlich der Mensch ist. Einen großen Einfluss hatte John Stuart Mill (1806-1873) mit seinem Verständnis der induktiven, deduktiven und wissenschaftlichen Argumentation. Für die Wissenschaft und Wissenschaftstheorie heute hatte Karl Popper (1902-1994) eine große Wirkung. Im Zentrum steht der Falsifikationismus. Noch heute intensiv diskutiert wird das Buch von Thomas Kuhn (1922-1996): Die größten wissenschaftlichen Fortschritte erreichen uns mit Hilfe weit reichender wissenschaftlicher Revolutionen. Kuhn war Physiker und widmete sich der Geschichte der Wissenschaft. Weiterhin ist auch Ludwig Wittgenstein zu nennen (1889 - 1951; vgl. Anfang). Er weit darauf hin, dass jede rationale Erkenntnis beschränkt und fehlbar ist, und nicht alle Probleme unseres Lebens auf vernünftige Weise lösen lassen.  "Die Logik will immer nur Eines und bedenkt nicht, dass es viele Logiken gibt", Carl Einstein, deutscher Kunsthistoriker. "Ich misstraue allen Systematikern und gehe ihnen aus dem Weg. Der Wille zum System ist ein Mangel an Rechtschaffenheit", Friedrich Nietzsche, deutscher Philosoph.

Exkurs: Karl Popper: Logik der Forschung, 1934 (11. Auflg. 2005). Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Tübingen 2003 (Kampfschrift gegen totalitäres Denken). Er wurde 1902 in Wien geboren und starb 1994. Der Philosoph war von jüdischer Herkunft und trat später zum Protestantismus über. Er war Schulabbrecher und hatte so keine Chancen im Establishment. Später studierte er Philosophie an der Universität Wien, wo er auch promovierte. Popper war befreundet mit Rudolf Carnap. Sie hatten einen gemeinsamen Feind: die "Metaphysik" (vor allem Martin Heidegger). In der Jugend beschäftigte er sich intensiv mit Psychoanalyse und Marxismus. Popper war der Erfinder der Drei-Welten-Theorie: 1. Physikalische Gegenstände. 2. Mentale Welt mit Gedanken, Gefühlen, Empfindungen. 3. Objektives Wissen (z. B. mathematische Sätze). Als einer seiner Schüler bezeichnet sich George Soros. Später lehnt Popper Marx, Freud und Platon ab. Berühmt machte ihn das Falsifikationsprinzip. Dieses Prinzip sieht er als den wahren Antrieb der Wissenschaft. Wissenschaftler stellen vorläufige Hypothesen auf, die durch Beobachtungen und Experimente zum bestimmten Grad belegt werden können. Es wird in der modernen Wissenschaftstheorie heute überwiegend abgelehnt. Sein Grundgedanke bleibt heute noch wertvoll: Wissenschaftliche Erkenntnis besteht nicht in der Verallgemeinerung von Beobachtung. Wo eine Theorie herkommt, ist gar nicht so wichtig. Wichtiger ist, dass sie sich gegen Kritik und experimentelle Tests bewährt. Popper musste nach London emigrieren und lebte dort (wie Freud und Marx). Er lehrte an der London School of Economics und an der London University. Vorher hatte er an der University of Canterbury in Neuseeland unterrichtet.  1965 wurde er für seine Verdienst zum Ritter geschlagen. Vgl. Hürter, Tobias: Der schwarze Schwan, in: Hohe Luft, 2/2020, S. 23ff. Bassham, Gregory: Das Philosophiebuch, Librero, Kerkdriel 2020, S. 426ff.

Sprache und Bedeutung: Die Sprache ist zentral für die Ökonomie. Englisch ist die Weltsprache der Wirtschaft. Es gibt zahlreiche Abhandlungen darüber, wie Englisch das ökonomische Denken beeinflusst. Es gibt etwa 6000 Sprachen auf der Welt. Da sind die Dialekte noch nicht alle mitgezählt. Es gibt zahlreiche Sprachtheorien: Humpty Dumpty, Symbole und Bilder, Gebrauchstheorie (Wittgenstein, Sprache ist normativ), Holismus (Quine), radikale Interpretation (Davidson), Kommunikation als Spiel (Watzlawick), Universalgrammatik (angeboren, Chomsky), Philosophie kann Sprachtherapie sein. Vgl. Hübl, Philipp: Folge dem Weißen Kaninchen ... in die Welt der Philosophie, München (Penguin) 2020, S. 49ff.

Ausgangspunkt philosophischen Denkens sind Überzeugungen. Eine der Grundregeln ist, diese Überzeugungen offen zulegen und zu begründen.   Damit kann nun Wissen analysiert werden im Hinblick auf logische Richtigkeit (Aufspaltung in notwendige und hinreichende Bedingungen). Wahrheiten sollten nicht das Ziel sein (Falsifikationsprinzip, Popper). Vgl. Karl Popper, Lesebuch, (Hrsg. David Miller), Tübingen 1995. Auf der anderen Seite sollte aber klar werden, dass Aufklärung das Hauptziel ist, das ohne ethische Grundorientierung (z. B. Kategorischer Imperativ) nicht möglich ist (I. Kant: Kritik der reinen Vernunft). Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? 1784 in der "Berlinischen Monatsschrift". Kant, der "Weise aus Königsberg" war der Philosoph der Vernunft und Aufklärung in Deutschland. Kant ist wahrscheinlich der einflussreichste deutsche Philosoph. Wichtigster Vorgänger war Jean-Jacques Rousseau: Über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen, 1755 (auch: Gesellschaftsvertrag, 1762). Er war Wegbereiter der Aufklärung und der geistige Vorbereiter der französischen Revolution. Die Ziele "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" sind von ihm theoretisch formuliert worden. Er wandte sich vom blinden Vertrauen in die theoretische Vernunft ab und widmete sich dem moralischen Gewissen. Er lebte von 1712 (geboren in Genf) bis 1778.

Die Philosophie beschäftigt sich mit der Welt (Was ist Realität, Zeit und Raum), mit Geist und Körper (Was ist Geist?, Bewusstsein), mit Wissen (Logik und Verstand, Weisheit), Glauben (Sinn des Lebens, Relativismus, Gott), Ethik und Gesellschaft (Was ist Gesellschaft/ z. B. Habermas, Soziale Gerechtigkeit/ z. B. Rawls); Reich und Arm/ z. B. Karl Marx). Vgl. David Papineau (Hrsg.): Philosophie, Darmstadt 2006. Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 - 1831) ist wichtigster Vertreter des deutschen Idealismus und in seinem Einfluss auf Marx von großer Bedeutung. Die Struktur der Philosophischen Werke ist: Logik, Naturphilosophie, Philosophie des Geistes. Berühmt ist sein Schema der Dialektik: These, Antithese, Synthese. Eine seiner berühmtesten Werke: System der Wissenschaft. Erster Teil: Die Phänomenologie des Geistes, Bamberg 1807. Als Gegenentwurf gilt die Sicht von Herbert Spencer (1819 - 1903). Er lehnt sich an Darwin an und begründet die Lehre vom Sozialdarwinismus. Er sieht das menschliche Miteinander als unerbittliches Gegeneinander im Kampf ums Dasein ("Survival of the Fittest"). Darwin (1809-1882) gilt als Begründer der modernen Evolutionstheorie. Sein 1859 erschienenes Hauptwerk "On the Origin of Species" gilt als entscheidender Wendepunkt in der Geschichte der modernen Biologie (Darwins Notizen wurden aus der Universitätsbibliothek von Cambridge geklaut).  Tennessee Williams vergleicht das Leben mit einem gut geschriebenen Theaterstück, mit Ausnahme des dritten Aktes.

Weltoffenheit: Ein besonderer Aspekt der Welt ist die Weltoffenheit. Der Mensch hat die Fähigkeit, mithilfe von Vernunft und Sprache Erkenntnisse von sich und der Welt zu sammeln, die dem Menschen eine Sonderstellung in der Natur gibt. Der Mensch ist mit Vernunft ausgestattet, aber es ist eine offene Frage, ob sie ausreicht, ihm Selbsterkenntnis zu ermöglichen. Das ist die Meinung des deutschen Philosophen Max Scheler (1874 - 1928). Der Mensch kann die Welt erfahren wie ein Seefahrer das unerforschte Meer. Weltoffenheit ist in einer globalisierten Welt auch eine wichtige Grundkategorie, um ökonomische Beziehungen zu ermöglichen. "Der Mensch ist das X, das sich in unbegrenztem Maße "weltoffen" verhalten kann. Menschwerdung ist Erhebung zur Weltoffenheit kraft des Geistes", Max Scheler.

Weltgeist: Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 - 1831; 250 Jahre 2020!): Wichtigster Vertreter des deutschen Idealismus. Struktur der Philosophischen Werke: Logik, Naturphilosophie, Philosophie des Geistes. Berühmt ist sein Schema der Dialektik: These, Antithese, Synthese. Eine seiner berühmtesten Werke: System der Wissenschaft. Erster Teil: Die Phänomenologie des Geistes, Bamberg 1807. Hegel hat großen Einfluss gehabt auf die Soziologie und Karl Marx. Hegel glaubte an den Weltgeist: Mag die Geschichte der Menschheit auch noch so schrecklich sein, irgendwann erreicht sie ihr Ziel - die Verwirklichung von Vernunft und Freiheit. Große Männer waren für ihn Cäsar, Napoleon, Alexander. Er nannte sie "Geschäftsträger des Weltgeistes". Die "welthistorischen Individuen" sorgen für den "Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit". Sobald ein Staat den Bezug zu seinen Idealen aufkündigt, war er für Hegel vom Niedergang bedroht. Für Hegel sind in Asien das Licht des Geistes und der Weltgeschichte aufgegangen. Enden wird sie selbstverständlich im Westen. Es könnte deshalb ein Irrtum sein, weil China seiner Konzeption am nächsten kommt: der soziale Zusammenhalt , die Verbindung der individuellen "Willensatome", soll zu einem staatlichen Ganzen vereint werden. Dann wäre Xi Jinping " in China ein Geschäftsführer des Weltgeistes". Wichtig ist für ihn auch der Begriff "Wirklichkeit" Er übersetzt so den Begriff "Energeia" von Aristoteles. Es ist die Verwirklichung der Idee der Freiheit., die errechte Einheit von Äußerem und Inneren und damit die absolute Wahrheit. "Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit", G. W. F. Hegel. "Was Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dieses, dass Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die daraus zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben", Georg Wilhelm Friedrich Hegel. "Beginnende Bildung fängt immer mit dem Tadel an, vollendete aber sieht in jedem das Positive", Hegel. Auch von ihm: Philosophieren heißt, frei leben zu lernen". Vgl. auch: Thomas Asseuher: Was macht der Weltgeist? in: Die Zeit Nr. 33, 6. August 2020, S. 41ff.  Am 27.8.20 vor 250 Jahren wurde Georg Wilhelm Friedrich Hegel in Stuttgart geboren. 1818 übernimmt er in Berlin den Lehrstuhl vom berühmten Johann Gottlieb Fichte. 1831 stirbt Hegel  während einer Cholera-Epidemie. Vgl. etwa: Sebastian Ostrisch: Hegel. Der Weltphilosoph, Propyläen-Verlag 2020. Jürgen Kaube: Hegels Welt, Berlin (Rowohlt) 2020. ""Was vernünftig ist, ist wirklich; und was wirklich ist, ist vernünftig", Georg Friedrich Wilhelm Hegel: berühmter Satz, der aber sehr umstritten ist.

Grundlegende Herausforderung ist der Zweifel: Der Zweifel an allen Antworten, der Zweifel an den Quellen, der Zweifel an den Berichten und Erinnerungen anderer Menschen. Der Zweifel in seiner Gesamtheit wird als Skeptizismus bezeichnet. In unserer Zeit wird der Zweifel reduziert. Es scheint, als hätten die Menschen vor lauter Aufgaben, Fragen und Tempo keine Zeit mehr für Zweifel. Das Wort "Alternativlos" charakterisiert diesen Zustand. "Basta" soll alle anderen Gedankengänge abwürgen. Für Karl Marx war der Zweifel das wichtigste Element der Philosophie, was seine Jünger und Schüler in China und Russland heute verdrängen.

Inwieweit unbeweisbare Annahmen als Ausgangspunkt in der Ökonomie gelten können ist sehr umstritten. Einerseits arbeitet man mit Axiomen, die nicht bewiesen werden (z. B. Milton Friedman, Rationalismus), wenn sie zu fruchtbaren Ergebnissen führen. Andererseits wird ein empirischer Nachweis auch für Annahmen gefordert (D. Hume, Empirismus; Problem der Induktion). Natürlich sind auch Kombinationen möglich.

Grundfrage menschlichen Lebens und der Philosophie ist die Frage nach dem Glück. In Gestalt der Glücksforschung und des Glückssozialprodukts ist diese Idee auch in der Ökonomie auf dem Vormarsch. Der Zusammenhang zur Sittlichkeit und Ethik ist relativ offen. Ethik und Moral sind schwer aus der subjektiven Ebene herauszuholen (kann es ein objektives Fundament geben?). Der Versuch eines Sozialkontrakts oder die Entwicklung ethischer Regeln findet sich bei vielen Philosophen (etwa bei Kant). Die Ökonomie alleine kann schwerlich klären, worin ein gutes Leben besteht. Der griechische Philosoph Epikur schrieb eine Anleitung zur glücklichen Askese (Hedonismus, griechisch hedone = Lust). Seneca, der Lehrer Neros und Senator, spricht vom Glück der Seelenruhe. Sie beruhe auf praktischer Übung (lateinisch: meditatio). Der letzte große deutsche Philosoph, der sich damit befasste, was ist Glück und wie kann ich es erreichen, war Arthur Schopenhauer. In seinem 1819 erschienenen Werk "Die Welt als Wille und Vorstellung" erteilt er darüber Auskunft: Der Mensch erfahre Glück immer negativ, das heißt als Beseitigung eines Mangels, als Befreiung von Unlust, als Erlösung von Schmerz. Der Philosoph Gadamer definiert Glück als das "Gelassene Beschränken auf das noch Zugeteilte". Nicolas Chamfort (1741 - 1794, französischer Moralist) weist auf das Subjektive beim Glück hin: "Will das Glück sich mit mir einlassen, so muss es die Bedingungen annehmen, die mein Charakter ihm stellt". Marc Aurel (121 n. Chr. - 180; auch römischer Kaiser) weist darauf hin, dass wir nur ein winzig kleiner Teil des Universums sind, und im im Vergleich zu dessen Dauer ist unsere Lebenszeit nur ein Wimpernschlag. Das sollte uns seiner Ansicht nach Demut lehren. Wir sind nicht der Mittelpunkt der Welt, aber wir können uns vielleicht als Forschungspioniere des Universums betrachten. Das gibt auch für die Ökonomie Hoffnung, die rein materielle Wertgrößen immer mehr durch das Glück ersetzen will. Marc Aurel hängt der Stoischen Philosophie an: Es geht dabei auch um die Einstellung zu den Mitmenschen und um das Bewusstsein zur Wahrheit. "Die Menschen sind füreinander da. Also belehre oder dulde sie", Marc Aurel.

Viel diskutiert wird das Problem des freien Willens und des Schicksals. Sind wir immer von der gesellschaftlichen Realität beim Denken abhängig oder gibt es Unabhängigkeit und Freiheit (nach Karl Marx z. B. bestimmt die ökonomische Basis das Denken; im Kern hat er Recht; die größten Wissenschaftler kommen immer aus den besten Volkswirtschaften). Unabhängig davon bleibt die Frage, ob der Mensch überhaupt jemals etwas wissen kann. Schon der römische Sklave Epiktet beschäftigte sich damit ("Handbüchlein der Moral"; 50-138 n. Chr.). Er trifft eine scharfe Unterscheidung danach, was von uns abhängt und was nicht von uns abhängt. Thomas Hobbes (1588-1679) war der Ansicht, dass freier Wille und Determinismus einander nicht ausschließen. In neuerer Zeit wurde der US-Philosoph Harry G. Frankfurt mit seinen Forschungen zu diesem Thema bekannt. Er war Professor in Yale und Princeton. Berühmt wurde er allerdings mit seinem kleinen Buch "On Bullshit", das 2005 erschien (vorher schon als Aufsatz). Berühmt seine These, dass Bullshit noch schlimmer als Lüge sei.

Das führt zu der Grundfrage nach dem Verhältnis von Bewusstsein und Wirklichkeit: Haben wir mit dem Bewusstsein Zugang zu einer eigenen "geistigen" Wirklichkeit. Damit zu einer Welt des Geistes, die unabhängig von der materiellen Wirklichkeit existiert? Für Karl Marx gibt es kein Bewusstsein im luftleeren Raum. Der Geist gründet immer in der materiellen Wirklichkeit. Wahrscheinlich gilt heute beides: die Materie wird vom Geist ebenso beeinflusst wie der Geist von der Materie. Beide stehen in einem engen Zusammenhang. Für die Ökonomie hat dieser Grundgedanke von Marx eine ungeheure Bedeutung. "Das Bewusstsein kann nie etwas anderes sein als das bewusste Sein, und das Sein der Menschen ist ihr wirklicher Lebensprozess", Karl Marx.

Die Frage nach Gott, nach dem Tod, die Frage nach dem Wesen des Menschen (seiner Seele) und die nach dem Materialismus reicht bis in die Ökonomie. Ist die heutige Ökonomie reiner Materialismus? Zumindest hat die moderne Ökonomie gezeigt, dass sie praktisch ist. Anders kann man die Fortschritte der Menschheit in den letzten Jahrhunderten nicht erklären. Natürlich ist sie als "Raubtier-Ökonomie" auch für viele Missstände und Ungerechtigkeiten verantwortlich (und damit auch für viel Leid auf der Welt; "zügelloser Kapitalismus"; vgl. z. B. die Kritik von Naomi Klein am globalen Kapitalismus). "Ich weiß nicht woher ich komme, ich weiß nicht wohin ich gehe, trotzdem bin ich fröhlich", N. N. (bringt die Philosophie auf den Punkt). Als erster behandelt der griechische Philosoph Epikur (um 341 - 270 v. Chr., vgl. auch weiter oben) die Frage nach dem Tod. Er beantwortet die Frage, warum wir ihn nicht fürchten müssen: "Der Tod ist für uns ein Nichts, denn was der Auflösung verfiel, besitzt keine Empfindung mehr. Was aber keine Empfindung mehr hat, das kümmert uns nicht", Epikur. Deshalb sollte sich der Mensch auf sinnlich erfahrbare und notwendige Dinge des Lebensbedarfs konzentrieren und sich daran erfreuen (hedonistische Philosophie). Im Mittelalter war die Philosophie eng mit der Frage nach Gott, also der Religion, verknüpft. Die Klöster waren wichtige Zentren. In ihnen wurden auch ökonomische Grundlagen der Philosophie analysiert. Bier und Wein waren wichtige Handelsprodukte der Klöster.

Weitere wichtige Aspekte der Philosophie sind Ethik (Kant, Nietzsche, John Rawls), Glauben (Thomas von Aquin, Kierkegaard) und Gesellschaft (Hobbes, Rousseau, Rawls) und Wissen (Platon, Locke, Carnap). John Locke (1632 - 1704) ist auch einer der philosophischen Väter unseres Rechtsstaates. Er legt die Entscheidung in Konfliktfällen in die Hände des Volkes. Macht legitimiert sich nicht durch sich selbst, sie wird auf Zeit verliehen. Thomas Hobbes (1588 - 1679) weist darauf hin, dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind.  Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, sagt die Bibel; die Philosophen machen es gerade umgekehrt, sie schaffen Gott nach dem ihrigen", Georg Christoph Lichtenberg, deutscher Philosoph. In seinem neuen Buch von 2019 behandelt Jürgen Habermas grundlegend diese Aspekte. Er gibt zur Zeit keine bessere Analyse dieser Gesichtspunkte im Zusammenhang: Das Buch gibt im Stil einer Genealogie darüber Auskunft, wie die heute dominanten Gestalten des westlichen nachmetaphysischen Denkens entstanden sind. Als Leitfaden dient ihm der Diskurs über Glauben und Wissen. Er zeichnet nach, wie sich die Philosophie sukzessive aus der Symbiose mit der Religion löst und säkularisiert (so behandelt er unter anderen auch die oben erwähnten Philosophen Thomas von Aquin, Kierkegaard, Hobbes, Locke). Es ist auch eine Reflexion über die Aufgabe einer Philosophie, die an der vernünftigen Freiheit kommunikativ vergesellschafteter Subjekte festhält. Vgl. Angabe der Quelle unten. Habermas sieht den Anfangspunkt der Trennung zwischen Glauben und Wissen mit Luther (in der Theologie).  Descartes führt das empirische, realitätsorientierte Denken im Wissensbereich ein. Diese Arbeit wird von Hume fortgeführt. Kant beharrt auf der Berücksichtigung der Moral bei der praktischen Vernunft. In seinem wunderbaren Aufsatz "Was ist Aufklärung"  kommt er zu der wichtigen Erkenntnis, dass die Menschen eine starke Vaterfigur wünschen, die ihnen erklärt, wo es langgeht (hier hat er fast hellseherische Fähigkeiten bewiesen, Adorno hat mit seiner Autoritätsanalyse das verfeinert). Feuerbach und Marx setzen die Säkularisierung des Wissens endgültig um.

Einheit von Seele und Körper: Das die Seele etwas vom Körper Unterschiedenes, eigenständig Existierendes und möglicherweise Ewiges ist, ist einen Vorstellung, die von vielen Religionen, vertreten wird (auch in der Philosophie). Bis heute gibt es auf die Frage keine befriedigende Antwort. Die moderne Neurophysiologie sieht mehr und mehr Anzeichen dafür, dass geistige und seelische Prozesse aufs engste mit körperlichen Prozessen zusammenhängen. Damit scheint sich die These zu bestätigen, die der materialistische Aufklärungsphilosoph Julien Offray de La Mettrie (1709 - 1751) bereits 1748 in seiner Schrift "Die Maschine Mensch" aufgestellt hat: Körper uns Seele sind vom selben Stoff. Seelen bleiben an den Körper gebunden. Das ist ein fundamentaler Gegensatz zu allen Religionen. "Da aber alle Fähigkeiten der Seele derartig von dem eigentümlichen Bau des Gehirns und des ganzen körpers abhängen, dass sie offensichtlich nichts anderes als deiser Bau selbst sind, haben wir also eine durch die Vernunft gut erleuchtete Maschine vor uns", Julien Offray de La Mettrie. Vgl. Philosophie-Kalender 2020 in Kooperation mit Die Zeit.

Wenn man nach dem Einfluss großer Philosophen auf die Ökonomie fragt, gibt jeder sicher verschiedene Antworten. Insofern ist meiner Erwähnung einiger Namen durchaus subjektiv (ausführlicher bei Geschichte der Ökonomie): Die griechischen Philosophen (Sokrates, Platon, Aristoteles) haben die Basis gelegt. Der größte ökonomische Denker der Antike war Xenophon. Rene Descartes hat das Bild des Homo Oeconomicus  maßgeblich geprägt. Kant hat für die Berücksichtigung der Moral gesorgt. Zentral bei ihm ist die Vernunft: Sie ist uns von Natur mitgegeben und gleicht einer Art daueraktiven metaphysischer Frage - App (würde man heute sagen). Die Vernunft hat aber eine mangelhafte "Softwareausstattung". Hegel als wichtigster Philosoph des Idealismus hat mit seinem dialektischen Materialismus starken Einfluss auf Marx gehabt, dessen Gedanken die größten praktischen ökonomischen Auswirkungen hatten (China, Russland, Kuba, Nordkorea). David Hume machte sich schon philosophische Gedanken über die langfristigen Auswirkungen der Staatsverschuldung:  "Nur eine der beiden Katastrophen ist denkbar: Entweder beseitigt die Nation die Staatsschuld oder die Staatsschuld die Nation", David Hume, Ökonom und Philosoph, 1750. Von besonderer Bedeutung ist auch John Stuart Mill (1806-1873). In seiner Schrift "Die Hörigkeit der Frau" setzt er sich für die Rechte der Frau ein (und wurde damals verlacht). Wichtige weitere Kernpunkte seines Denkens waren die Freiheit und der Utilitarismus. John Rawls gilt als der Begründer einer modernen Theorie der Verteilungsgerechtigkeit (Theorie der Gerechtigkeit). Sein berühmtes Gedankenexperiment lautete: Wenn ich nicht weiß, ob ich reich oder arm bin, schwach oder stark, dumm oder intelligent, wie sollen dann die Güter für alle verteilt werden? John Rawls wurde 1921 geboren, 1971 erschien sein Bahn brechendes Werk "Theorie der Gerechtigkeit".  Er fragte, wie die Gerechtigkeit in dei Gesellschaft kommt. Er verbindet Freiheitsrechte mit einer Portion Sozialstaatlichkeit. Er stand er Globalisierung skeptisch gegenüber, aber aus Respekt vor der kulturellen und politischen Pluralität der Menschheit  (vgl. aktuell: Otfried Höffe, Gerechtigkeit denken, Alber 2021).  Den Gedanken von Rawls  greift Amartaya Sen in der Ökonomie auf: Am 22. Mai 1979 hält der indische Wirtschaftswissenschaftler und spätere Nobelpreisträger in Stanford einen programmatischen Vortrag mit dem Titel "Equality of What?". Darin übte er scharfe Kritik an den herrschenden Gleichheitsvorstellungen. Er skizzierte als Alternative zum ersten Mal seinen berühmten Fähigkeiten - Ansatz (vgl. Ders., Gleichheit? Welche Gleichheit? Stuttgart/ Reclam 2020).  Die Grenzen zwischen Ökonomie bzw. Soziologie und Philosophie verschwimmen in den Werken von Georg Simmel (1858 - 1918). Er stellt die Frage nach dem Wesen des Geldes und seiner gesellschaftlichen Bedeutung. Geld an sich hat keinen Eigenwert. Geld kommt immer dann ins Spiel, wo die Dinge zu käuflichen Waren werden. Der moderne Mensch muss jedoch aufpassen, nicht alles einer Kosten-Nutzen-Rechnung zu unterziehen, sonst macht er das Geld zu seinem Meister: "Alle anderen Dinge haben einen bestimmten Inhalt und gelten deshalb; das Geld umgekehrt hat seinen Inhalt davon, dass es gilt, es ist (...) das Gelten der Dinge ohne die Dinge selbst."  In der neueren Philosophie beschäftigt man sich auch mit den dem Markt, dem man Grenzen setzen sollte. Am bekanntesten ist hier Michael J. Sandel (geb. 1953, USA). Er ist ein Vertreter des Kommunitarismus, der die Bedeutung der Gemeinschaftstugenden betont. Die Werte unserer gemeinsamen Lebenswelt wie Freiheit, Kreativität, Gesundheit, Toleranz und gegenseitige Achtung müssen gegenüber anderen Wertvorstellungen Vorrang haben. Politik und Moral setzen den Rahmen, innerhalb dessen Kommerzialisierung stattfinden kann. Sokrates lehrt uns z. B. , dass Klarheit eine Qualität der Erkenntnis ist. Eine gute Regel auch für Ökonomen. Sicher auch folgender Ratschlag der alten Römer: "Si tacuisses, philosophus manisses" (Hättest du geschwiegen, dann hätte man dich weiter für einen Philosophen gehalten).

Mit dem Vordringen der Umwelt in der Ökonomie besinnt man sich in der Philosophie wieder auf die Natur. Hier kann man auch auf Philosophen zurückgreifen, die den Wert der Natur schon viel früher erkannt haben. So etwa Baruch de Spinoza (1632 - 1677) oder Antoine de Rivarol (1753 - 1801). Rivarol betont, dass wenn wir von der Natur verlangen, ihre Abläufe zu unterbrechen, greifen wir genau in das ein, was ihre Faszination ausmacht: Die Schönheit, Komplexität und Vielfalt der Natur als das eigentliche Wunder. "Wer Wunder verlangt, ahnt nicht, dass er von der Natur verlangt, ihre Wunder zu unterbrechen", Antoine de Rivarol. Arthur Schopenhauer (1788 - 1860) arbeitet heraus, dass die Natur dem einzelnen Menschen völlig gleichgültig gegenübersteht und keine Wohltaten verteilt. Sie ist der Lebensraum, der ebenso einladend wie bedrohlich sein kann und in dem wir uns selbständig orientieren müssen. "Der Natur liegt bloß unser Dasein, nicht unser Wohlsein am Herzen", Arthur Schopenhauer. Stephen Hawking (1942 - 2018, britischer Physiker) stellt die Natur in einen Gesamtzusammenhang mit Raum, Zeit und Universum.

Heute hat man große Erwartungen an die Philosophie von Seiten der Ökonomie im Hinblick auf die Bereitstellung von Werten: In allen Bereichen der Ökonomie, in der BWL und auch VWL, gibt es wieder eine größere Werteorientierung. Auch für die Bewältigung der Anforderungen der Digitalisierung braucht man Werte. Exemplarisch sei die materiale Wertethik genannt, die für die Digitalisierung geeignet erscheint. Sie wird in Max Schelers Werk "Der Formalismus in der Ethik und die Materiale Wertethik" entwickelt. Scheler war Soziologe und Philosoph. Ich beziehe mich auf ein Sekundärwerk dazu: Spiekermann, Sarah: Digitale Ethik. Ein Wertesystem für das 21. Jahrhundert, München (Droemer) 2019, S. 36ff: Vertrauen in menschliche Gefühle. Objektiv erfahrbare Werte sind der Schlüssel zur Ethik. Es werden drei Wertebenen unterschieden. Zusammenspiel von Werten und Technik. Aufmerksamkeit für Werte. Tugenden. In USA diskutiert man pragmatischer über Philanthropie. Vgl. den Abschnitt "Werteorientierung" bei der BWL. Das führt auch zur Bedeutung der Empathie, die heute auch in der Philosophie diskutiert wird. Immer dann, wenn wir es mit unseren Mitmenschen zu tun bekommen, werden die Grenzen der rationalen Mittel deutlich. Menschliches Handeln kann also nicht allein von abstrakten Regeln bestimmt werden, sondern muss in einem Gemeinschaftsgefühl wurzeln "Die Welt, aus der die Gefühle verbannt werden, ist eine verarmte Welt (...). Die abstrakte Sichtweise des abwägenden Intellekts ist ein stumpfes und relativ beschränktes Instrument, wenn ihr nicht die lebhafte und empahische Vorstellung zur Hilfe kommt, die sich ausmalt, was es wirklich bedeutet, ein bestimmtes Leben zu führen", Martha Nusssbaum, US-Philosophin, geb. 1947.

Wenn man nach großen Namen in diesem und letzten Jahrhundert in der deutschsprachigen Philosophie fragt, kommt man an der hermeneutischen (interpretative Verständnis)  und phänomenologischen Tradition (Erscheinung der Wirklichkeit im Mittelpunkt) nicht vorbei: Edmund Husserl, Martin Heidegger (beide Freiburg), Hans-Georg Gadamer (Heidelberg) haben aktuell international einen großen Einfluss gehabt. Gerade bei Heidegger (1889-1976, Sein und Zeit) wird aber auch deutlich, wie dumm intelligente Menschen sein können: Im Mai 1933 hielt Heidegger als frisch ernannter Rektor der Uni Freiburg seine Antrittsrede. In einem Zeitungsartikel ermahnte der philosophische "Daseinsführer" die deutsche Studentenschaft: "Nicht Lehrsätze und Ideen seien die Regeln Eures Seins. Der Führer selbst und allein ist die heutige und zukünftige deutsche Wirklichkeit und ihr Gesetz". Die Sprache hat eine große Bedeutung für die Struktur der Philosophie. Sehr wahrscheinlich wären die großen Leistungen der deutschen Philosophie nicht ohne die deutsche Sprache möglich gewesen. Es ist noch relativ wenig erforscht, wie die Struktur der deutschen Sprache Denkstrukturen beeinflusst. "If the English language made any sense, "lackadaisical" would have something to do with a shortage of flowers", Doug Larson, US-Journalist, geb. 1926; to lack a daisy - ein Gänseblümchen fehlt; heißt aber halbherzig.

Es gab auch bedeutende Philosophen und Soziologen, die in der Nazi-Zeit Deutschland verlassen mussten und im Ausland mit ihren Gedanken gegen das rechte Regime in Deutschland kämpften. Dazu gehören Hannah Arendt und Theodor W. Adorno sowie Ernst Tugendhat. Arendt wurde 1906 in Hannover geboren (starb 1975). Sie war Heidegger-Schülerin und -Geliebte. Sie studierte und promovierte in Heidelberg bei Karl Jaspers (Thema der Dissertation "Liebesbegriff bei Augustin"). Sie entkam nur knapp ihren Verfolgern und emigrierte 1933 nach Paris (1941 in die USA; Arendt war Jüdin). 1951 kam ihr Buch über den Totalitarismus, das sie weltbekannt machte. Bekannt ist auch ihre Studie "Vita Activa". Ihr Artikel 1963 über den Eichmann-Prozess in Israel löste einen Eklat aus. Sie sprach von den Nazis nicht als Teufel, sondern als "Hanswurste". Sie war sicher eine der größten Gesellschaftstheoretiker des 20. Jahrhunderts (ich habe mich intensiv mit ihrer Theorie beschäftigt, siehe unten). Sie wollte rücksichtslos aufklären gegen den Totalitarismus. Arendt wird in den Zwanzigerjahren des 21. Jahrhunderts immer aktueller: Sie schieb über Menschenrechte. Sie erkannte die Selbstzerstörungskräfte der Demokratie und sie beklagte schon den Umgang mit der Natur. Aber es gibt auch blinde Flecken bei ihr: amerikanische Ureinwohner, Menschen in Afrika. Vgl. die Biographie über sie: Thomas Meyer: Hannah Arendt, 2023. 2024 gibt bei Piper eine neue Ausgabe der werke heraus. Ebenso hat sich Adorno, einer der Begründer der "Frankfurter Schule" (zusammen mit Max Horkheimer), mit den Gründen für die Ausbreitung des Nationalsozialismus in Deutschland beschäftigt. Sein Artikel über die Entstehung des  Rechtsradikalismus ist noch heute sehr interessant und aktuell. Vgl. Assheuer, Thomas: Was würde Hannah Arendt dazu sagen? in: Die Zeit Nr. 19, 6. Mai 2021, S. 51ff.; Steinke, Oliver: Das Böse von nebenan, in: Rheinpfalz am Sonntag, 12.12.21, S. 21. Tugendhat wurde 1930 in Brünn geboren. Als Jude musste er mit seiner Familie emigrieren, über die Schweiz nach Venezuela. Nach dem 2. Weltkrieg kam er zurück und habilitierte in Tübingen. Eines seiner zentralen Themen ist Wahrheit.  Er veröffentlichte auch viel zu ethischen Fragen. Er sprach von einer seitlichen Relativierung des eigenen Daseins. Vgl. FAZ 15.3.23, S. 11. "Die Natur ist uns unheimlich geworden", Hannah Arendt.

Andererseits gab es Philosophen, die als Vordenker des Nationalsozialismus gelten. Dazu gehört Ernst Jünger, der 1998 starb (1895 in Heidelberg geboren). Besonders umstritten sind seine Kriegserinnerungen "In Stahlgewittern". Ein weiteres Buch basiert auf Kriegserinnerungen: "Das Wäldchen 125". Hierin findet sich die Losung "Ich hasse die Demokratie wie die Pest". Auch Heidegger zählt zu den Wegbereitern des Nationalsozialismus. Im Mai 1933 hielt Heidegger als frisch ernannter Rektor der Uni Freiburg seine Antrittsrede. In einem Zeitungsartikel ermahnte der philosophische "Daseinsführer" die deutsche Studentenschaft: "Nicht Lehrsätze und Ideen seien die Regeln Eures Seins. Der Führer selbst und allein ist die heutige und zukünftige deutsche Wirklichkeit und ihr Gesetz". Vgl. auch oben zu seiner Philosophie. Man kann aber nicht alle Philosophen dieser Zeit pauschal als Vordenker der Nazis sehen. Die deutsche Philosophie genoss um 1900 Weltgeltung. Marburg und Göttingen wurden als philosophische Mekkas gesehen. In Italien blühte der Hegelianismus, in Frankreich der Kantianismus, Briten studierten in Deutschland (Lehrstühle in GB waren mit Idealisten besetzt). Kant, Hegel, Fichte, Nietzsche waren sicher keine Wegbereiter des Militarismus und Nationalismus. Es gab zum 1. Weltkrieg auch deutliche Kritiker aus der Philosophie, so Henri Bergson und Ernst Troeltsch. Kant wird gerne instrumentalisiert. In den USA im Zuge der Cancel Culture als Wegbereiter des Antisemitismus. In Russland (Königsberg gehört heute zu Russland) als Sündenbock zum derzeitigen "globalen Chaos" mit Ukrainekrieg.

Ich habe mein Studium der Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, Soziologie und Psychologie  mit einer Analyse der Legitimität abgeschlossen (Diplomarbeit; Konzepte von Jürgen Habermas, Niklas Luhmann, Max Weber, Hannah Arendt,  Talcott Parsons u. a. bei Renate Mayntz in Köln). Die Bedeutung des Legitimitätsglaubens ist aktuell weltweit noch gestiegen. Später hatte ich in der Promotion auch Helge Pross (Kollegin von Habermas), die von der Frankfurter Schule kam. Sie beschäftigte sich auch intensiv mit Wirtschaftssoziologie und Geschichte von Unternehmen.  Vgl. als kurzen Überblick über die Wissenschaft der Philosophie: Tom Morris, Philosophie für Dummies, Weinheim 2014. Auch: Vogt, Matthias: Philosophie - Von  der Antike zur Gegenwart, 2005. Ebenso: Bassham, Gregory: Das Philosophie-Buch, Kerkriel/NL 2018. Gut auch: Jordan, Stefan7 Nimtz, Christian: Grundbegriffe der Philosophie, Reclam 2019, 3. Auflage.

Aktuelle Bedeutung: Wir leben heute in einer Zeit der Wirtschafts- und Demokratiekrise. Gleichzeitig ist es auch eine Orientierungskrise. Vielleicht entsteht ein neues Weltbild. Dafür wird die Philosophie dringend gebraucht. Wir benötigen die Philosophie auch in der Manager-Ausbildung. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Maschinen einmal die  Kontrolle übernehmen. Dafür brauchen wir Führungskräfte, die philosophische Denkstrukturen beherrschen. Insbesondere ethisches Verhalten können Maschinen nicht leisten.  Es muss ein Grundverständnis darüber vermittelt werden, was Ethik ist, wie Politik funktioniert und wie Technik auf Gesellschaften wirkt.  Philosophische Denkpraxis ist für Führungskräfte unabdingbar. Wer einmal im permanenten Reaktionsmodus feststeckt, kann dem hektischen Alltag nicht mehr entfliehen", Anders Indset, Wirtschaftsphilosoph ("Wild Knowledge. Outthink the Revolution", "Philosophy@Work"). Auch von ihm: "Wir sind geschaffen, um schöpferisch zu sein. Wir sind auf dieser Welt auf der Suche nach plausiblen Erklärungen und nach einem tieferen Grund für unser Dasein. Das ist unser Antrieb", in: HBM, September 2018, S. 52.

Dominant ist, unabhängig vom politischen und ökonomischen System, heute der Pragmatismus. Der Begriff kommt vom Lateinischen "Pragma" = Tat, Handlung, Geschäft. In der Philosophie gibt es eine lange Reihe, die sich schon damit beschäftigt haben: C. S. Peirce (1839 - 1914, pragmatische Maxime, "How to make your Ideas clear"; John Dewey (1859 - 1952; Realität hat praktischen Charakter sind nur eine kleine Auslese). Sogar in Gesellschaften, die sich marxistisch nennen, wie in China oder Russland, hat er sich durchgesetzt. Insofern vereint diese Sichtweise die Systeme: Geschäft geht über Alles. Eine ähnliche Richtung ist heute der Utilitarismus. Er hat eine lange Tradition in Großbritannien. Diese Denkschule ist auch sehr einflussreich dort. Es ist die Lehre von der zweckorientierten Ethik: Alle Entscheidungen werden daran gemessen, ob sie der größtmöglichen Zahl von Menschen das größtmögliche Wohlbefinden garantieren. einer der führenden Vertreter dieser Richtung ist heute Roger Crisp (Professor für Moralphilosophie am St. Anne`s College in Oxford). Der ebenfalls britische Philosoph David Corfield entwickelt eine Philosophie für Computer. Maschinen und Menschen sollen zusammen Metaphysik betreiben. Es soll eine neue Logiklehre entstehen. Er unterstellt Computerleuten, dass sie bisher im Dialog mit Menschen den Code weder überlegt schreiben noch lesen. Er spricht von "sugaring (zuckern)". Es sind zu viele Alltagsvokabeln darin.

Der größte, noch lebende Philosoph der Welt: Jürgen Habermas (geb. 1929): Er spricht von Neo-Pragmatismus in seinen Schriften.  Er wuchs in Gummersbach im Bergischen Land bei Köln auf. Zwei Operationen an der Gaumenspalte als Kind (deshalb lispelt er) prägten wohl sein zentrales Thema: Die Kommunikation. Er studierte Philosophie und promovierte in Bonn. 1956 ging er an das Institut für Sozialforschung in Frankfurt (Theodor W. Adorno, Max Horkheimer). 1964 wurde er Professor für Soziologie in Frankfurt. 1971 wurde er Co-Direktor am Max-Planck-Institut in Starnberg. 1983 wechselt er wieder nach Frankfurt. Berühmte Bücher von ihm sind: Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1962. Theorie des kommunikativen Handelns, 1981. Legitimationsprobleme des Spätkapitalismus, 1976. Faktizität und Geltung, 1992 (Rechtsphilosophie). 2019 im Herbst erscheint: Auch eine Geschichte der Philosophie, zwei Bände (1752 Seiten). Dieses Werk hat Habermas im Alter von 90 Jahren vollendet. Es ist eine Geschichte des philosophischen und religiösen Denkens.  Band 1: Die okzidentale Konstellation von Glauben und Wissen. Band 2: Vernünftige Freiheit. Spuren des Diskurses über Glauben und Wissen. Seine Werke wurden insgesamt in über 40 Sprachen übersetzt. Zentrale Themen sind: Demokratie, Rechtstaat, Rationalismus und globale Ordnung, insbesondere Europa. Er ist auch in Asien, vor allem Japan, sehr bekannt.  2006 wurde ein Asteroid nach ihm benannt. "Mündigkeit ist die einzige Idee, deren wir im Sinne der philosophischen Tradition mächtig sind", J. Habermas.

Habermas war immer am Puls der Zeit. Die "Frankfurter Schule" bzw. "Kritische Theorie" versuchte auch, den Faschismus aufzuarbeiten und zu erklären (berühmt ist der Aufsatz von Adorno über Rechtsradikalismus). In der Studentenbewegung 1968 setzte er sich mit Rudi Dutschke auseinander. Sein härtester Vorwurf gegenüber Dutschke war "sozialistischer Faschismus" (kurz drauf wurde Dutschke in Berlin bei der Demo gegen den Schahbesuch schwer verletzt). Im Historikerstreit 1986 entlarvte er die Positionen von Nolte und Hillgruber, die letztlich behaupteten, dass der Nationalsozialismus aus Angst vor dem Bolschewismus entstanden sei. Habermas diskutierte mit Ratzinger in München (als der schon Papst) war). Er setzte sich immer wieder für Demokratie und für Europa ein. Habermas ist sehr angesehen in Frankreich. Habermas hat gesellschaftliche Entwicklungen immer kritisch hinterfragt: Konflikte entstehen aus der Spannung zwischen System und Lebenswelt. Die menschliche Lebensform ist durch Kommunikation geprägt. Er entwickelt so die Idee der Aufklärung weiter in die Moderne. In der Philosophie ist wohl Axel Horneth sein bekanntester Schüler (heute an der Columbia University, N. Y.), in der Soziologie Claus Offe (zuletzt Uni Bielefeld). In der Soziologie ist seine langjährige Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann unvergessen. Es ging im Kern um das Wesen der Kommunikation. Habermas hat mit seinem Denken auch stark führende Vertreter des politischen Systems in Deutschland beeinflusst (Joschka Fischer, Frank-Walter Steinmeier). Weitere wichtige Sätze: "Nur die Vernunft kann uns retten". Habermas mischt sich 2023 noch mit 93 Jahren in die Politik ein. In der SZ fürchtet er die Eskalation des Krieges in der Ukraine und plädiert energisch für Friedensverhandlungen. "Angetrieben durch den bellizistischen Tenor einer geballten öffentlichen Meinung", Ders. in SZ vom 14.2.23. 2024 erscheit ein Buch über Habermas: Felsch, Philipp: Der Philosoph Habermas und wir; München (Propyläen. Er erzählt, was Habermas in seiner Gekehrtenkarriere alles stemmte. Er zeigt seine Wirkmacht und stellt auch bestürzt fest, was dem Idealisten Schritt für Schritt verloren geht, was sein Leben ausgemacht hat.

Mittlerweile gibt es auch eine neue Generation von Philosophen. In Deutschland gehört dazu Markus Gabriel. Er war der jüngste Philosophieprofessor in Deutschland in Bonn. Er nennt seine Philosophie "Neuer Realismus". Die Grundkonzeption hat er in dem Bestseller "Warum es die Welt nicht gibt", 2015, entwickelt. Künftig forscht er am New Institute in Hamburg für Gesellschaftspolitik. In Frankfurt lehrt der Philosoph Reiner Forst. Er beriet die Grünen bei ihrem Grundsatzprogramm. In Frankfurt lehrt auch Christoph Menke Praktische Philosophie. Er wagt 2022 eine neue "Theorie der Befreiung" (Suhrkamp Verlag).

Starphilosophen weltweit: Sehr bekannt ist Judith Butler von der Universität Berkeley/ Kalifornien/ USA. Sie lehrt Komparatistik und Kritische Theorie. Ihre bekannteste Studie ist "Das Unbehagen der Geschlechter, Suhrkamp 1991. Weitere Bücher von ihr sind "Am Scheideweg", 2012 und "Die Macht der Gewaltlosigkeit", 2020. Butler ist 2023 67 Jahre alt. Sie gerät in dem Jahr in Kritik wegen ihrer Haltung im Nahostkonflikt ("Philosopy for Palestine"). Weitere bekannte Philosophen sind Etienne Balibar und Nancy Fraser.

"Ein Mensch, so er denn weise ist, sollte sich niemals schämen, Neues zu lernen und stets seinen Geist dem Wissen zu öffnen", Sophokles, griechischer Philosoph.

 

Im 4. Jahrhundert v. Chr. schreibt der griechische Philosoph Platon über die Katastrophe von Atlantis, dem untergegangenen Paradies. 10 Gründe sprechen dafür, dass es sich dabei um die durch Vulkanausbruch und Tsunami  sowie Erdbeben zerstörte antike Metropole Akrotiri auf Santorin handelt (gehörte zur minoischen Kultur auf Kreta/ Knossos). Hier liegt die Wiege der europäischen Kultur. Folgende Gründe sprechen für Atlantis: 1. Hochkultur. 2. -Ringförmige Stadt. 3. Erdbeben und Flutwellen. 4. Säulen des Herakles. 5. Handelszentrum. 6. Schiffskanal. 7. Ägyptischer Ursprung. 8. Fruchtbares Land. 9. Farbige Felsen. 10. Blitz und Donner. Vgl. Ziegler, Cornelia: Inseltrip Santorin, Bielefeld/ Heyne 2020, S. 28. Auf der Insel selbst kursiert die Legende, dass Moses, als er dem Pharao in Ägypten 7 Plagen wünschte, auch den Vulkanausbruch auf Santorin meinte, das auch mal zum ägyptischen Reich gehörte. Der Prophet Elias soll auf der höchsten Erhebung der Insel bei Pyrgos gewesen sein (zu seinen Ehren wurde dort ein Kloster gegründet). Von hier aus kann man bei gutem Wetter die Pyramiden in Ägypten sehen. Der Hirsch auf dem obigen Bild aus Gold ist eines der wenigen Wertgegenstände, die erhalten geblieben sind. Es war eine Opfergabe für die Götter, die zurückgelassen wurde. Schmuck und Gefäße wurden mitgenommen, da es wohl eine Warnung vor der Naturkatastrophe gab (anders als bei Pompeji). Nur Fresken und Wandmalereien mussten zurückgelassen werden. Diese sind heute im prähistorischen Museum von Fira auf Santorin zu sehen. Die Ausgrabungen der antiken Stadt können besichtigt werden (2021 sind erst 5% ausgegraben).

Die wichtigsten Eckdaten der Kultur- und Wirtschaftsgeschichte der Menschheit (subjektiv geprägt, Wissenschaft ist Teil der Kultur):

"Der Vogel im Schnabel ein Holz

will das Meer damit füllen.

Xingtian tanzt mit Axt und Schild

verliert nie den Kampfeswillen."

Eremit Tao Yuanming aus der Jin-Dynastie in China.

 

Vgl. auch den inhaltlichen Artikel über Wirtschaftsgeschichte auf der Site "Methode/ Statistics

 

 Um 4000 v. Chr. Etwa um 4000 v. Chr. breitet sich die Besiedlung in Indien (Bharat) von den Rändern des Tales immer mehr Richtung Fluss aus. Größte Städte sind Mohenjo-Daro am Indus und Harappa im Punjab (nutzte vielleicht als erste Kultur das Rad). Die erste Hochkultur in der Region des Flusses Indus gibt es von 2600 v. Chr. - 1800 v. Chr. Vor ungefähr 3000 Jahren (1500 bis 700 v. Chr.)  führte eine Völkerwanderung zu einem dramatischen Umbruch südlich des Himalayas.

Um 3100 v. Chr. Die Sumerer, ein Volk im Süden Mesopotamiens (zwischen Euphrat und Tigris), entwickeln eine Keilschrift, wohl die erste Schrift überhaupt.

Um 2400 v. Chr. Die Sumerer haben Kalender. Sie betreiben Wahrsagerei.

Um 2000 v. Chr. Die Harappa (heute Pakistan) kennen Würfel. Sie machen damit eine Zukunftsvorausschau.

Um 1500 v. Chr. Kupfer wird zum zentralen Rohstoff. Daraus wird Bronze hergestellt für Waffen, Gefäße und Schmuck. Hauptlieferant ist Zypern für Mesopotamier, Minoer, Ägypter, Perser, Phönizier. 

Um 1850 v. Chr. In Mesopotamien entsteht das Gilgamos - Epos nach älteren Vorläufern als erstes Großepos der Weltliteratur in babylonischer Sprache.

Um 1766 v. Chr. Während der ersten exakt nachweisbaren Dynastie in China (Shang) entsteht die chinesische Schrift. Sie beginnt bei ca. 3000 Zeichen, die in den folgenden Jahrhunderten bis auf 50.000 ausgeweitet werden. In der Han - Dynastie kommt es später zu einer Vereinheitlichung der Zeichen.

Um 1728 v. Chr. Hammurabi lässt die Gesetzessammlung Codex Hammurabi anfertigen in Altbabylonien.

1630 v. Chr. Auf der Insel Santorin, die zu den Kykladen in Griechenland gehört, bricht ein Vulkan aus. Zusammen mit Erdbeben und Tsunami wird die ganze Insel zerstört und mit ihr die Hochkultur der Minoer, die auch auf Kreta/ Knossos waren. Vgl. das Bild und die Geschichte oben.

Um 1400 v. Chr. Die älteste auf Schriftlichkeit beruhende Kultur in Europa - die minoische Kultur - erlischt auf Kreta. Knossos wird zerstört (unbekannte Gründe).

Um 1250 v. Chr. Moses führt sein Volk aus Ägypten und empfängt die Gottesoffenbarung am Berg Sinai.

Um 1200 v. Chr. Die Phönizier erfinden eine neue Schrift, die sich aus Buchstaben zusammensetzt. Zur gleichen Zeit etwa Untergang von Mykene. Auch die Zerstörung Trojas wird in der Zeit gesehen. Es ist eine wichtige Handelsmetropole an der Wasserstraße zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer. Darüber schreibt Homer etwa 400 Jahre später.

Um 800 v. Chr. In Griechenland wird aus dem phönizischen Alphabet die erste Buchstabenschrift Europas entwickelt. Die ersten epischen Dichtungen entstehen (Ilias, Odyssee; Verfasser Homer). Homer gilt auch als Begründer der Philosophie Europas, weil er schon alle wichtigen Fragen stellt. Die Ilias habe ich noch in Alt-Griechisch gelesen. Die Spartaner unter König Thera dehnen ihre Herrschaft über weite Teile des Mittelmeers aus (Alt-Thera auf Santorin). Das Grab von Homer soll sich auf der Insel Ios befinden (zumindest kann man es hier besichtigen)

Um 700 v. Chr. Die Phönizier sind immer noch führend im Schiffbau. Es sind Schiffe mit Pferdeköpfen. Deshalb werden sie oft auch Pferde genannt (Dorateus Hippoi). Poseidon ist der Gott des Meeres und der Pferde. Die Schiffe sind ca. 15 m lang und der Benchmark der Zeit.

Um 700 v. Chr. In Griechenland gibt es Orakel und Seher, hauptsächlich in Delphi.

Um 600 v. Chr. Laozi, chinesischer Philosoph und Begründer des Taoismus bzw. Daoismus. Die Weisheit des Tao Te King, das Buch vom Sinn und Leben. Es gibt zwei Bücher mit 81 Kapiteln. Es ist ungeklärt, ob er wirklich gelebt hat. Er hatte keine Jünger oder Schüler. Wahrscheinlich wurden die wichtigsten Sätze erst 400 v. Chr. aufgeschrieben. Durch den Aufstieg Chinas sind die Lehren heute wieder sehr aktuell, auch in Westen (Ganzheitlichkeit, Yin/ Yang)

Um 525 v. Chr. Der Philosoph Pythagoras von Samos entwickelt Lehrsätze in Geometrie und Astronomie.

Um 507 v. Chr. Mit den Verfassungsreformen des Kleisthenes in Athen beginnt die Volksherrschaft (Demokratie, genau genommen eine Eliteherrschaft).

Um 500 v. Chr. Die Maya in Amerika entwickeln einen Kalender.

Um 480 v. Chr. Buddha (Gautama), Religionsstifter in Indien, stirbt und hinterlässt den Buddhismus, der fast ganz Asien prägt. Der Buddhismus ist herrschaftsneutral.

Um 479 v. Chr. Der chinesische Philosoph Konfuzius stirbt. Seine Lehre wird Staatsdoktrin in China und vielen anderen asiatischen Ländern. Noch heute greift der chinesische Staat in seiner Legitimation darauf zurück (auch auf seine Ethik).

444 v. Chr. Herodot, der Vater der Geschichtsschreibung, lässt sich in Unteritalien nieder.

425 v. Chr. In Athen wird mit Acharnern die erste erhaltene Komödie des Aristophanes aufgeführt.

Um 420 v. Chr. Das Wirken von Hippokrates von Kos, des berühmtesten Arztes der Antike, erreicht seinen Höhepunkt. Er begründet die wissenschaftliche Medizin.

Um 386 v. Chr. Platon, Schüler von Sokrates,  begründet in Athen eine Philosophenschule, die auch Aristoteles besucht (Lehrer von Alexander dem Großen). Aristoteles legt auch wichtige Grundlagen der Astronomie, mit denen sich später Galilei auseinandersetzt.

333 v. Chr. Alexander der Große besiegt die Perser bei Issos.  Danach kann er bis nach Indien weiterziehen. Indische Kultur, persische Kultur und hellenistische Kultur können sich gegenseitig befruchten.

Um 330 v. Chr. In der hellenistischen Welt bildet sich der Stoizismus heraus. Seine Wurzelnliegen in Kition/ Zypern mit Xenon.

Um 300 v. Chr. Euklid, Mathematiker, verfasst ein Lehrbuch der Geometrie.

Um 248 v. Chr. Eratosthenes verfasst eine Schrift über die Kugelgestalt der Erde.

Um 221 v. Chr. Shihuangdi begründet in China die Qin-Dynastie. Er lässt Münzen, Maße und Schrift vereinheitlichen (bekannt durch die riesige Tonarmee seines Grabes in Xi`an; er vereinigt das Reich als erster, das dann bestehen bleibt). Er lässt alle Schriften bis dahin zerstören (aber je ein Exemplar bleibt in der kaiserlichen Bibliothek, das ist der Unterschied zu allen folgenden Buchverbrennungen).

Um 202 v. Chr. Kaiser Gaozu begründet die Han-Dynastie in China und bildet die Identität des Volkes aus (Han - Chinesen).

Um 45 v. Chr. Kaiser Caesar macht in Rom eine grundlegende Kalenderreform auf Basis des Sonnenjahres (Julianischer Kalender). Sein Buch "De bello Gallico" wird noch heute im Latein-Unterricht gelesen (auch von mir). Seine Logik und Klarheit ist beeindruckend. Caesar wird um 9 v. Chr. im Senat ermordet ("auch du mein Sohn Brutus")

Um 19 v. Chr. Der Dichter der Aeneis, Vergil, stirbt. Es ist das Tradition stiftende Heldenepos der Römer. Auf Drängen von Kaiser Augustus schreibt Vergil das Heldenepos (eigentlich soll es um Augustus gehen). Um 8 v. Chr. stirbt Horaz. Um 8 n. Chr. wird Ovid ("Liebeslyrik") ans Schwarze Meer verbannt.

Um 1 n. Chr. Die Geburt Jesu markiert den Beginn der abendländischen Zeitrechnung. Im Königreich Kusch in Afrika können auch schon Frauen an die Macht gelangen und Krieg führen. Barygaza in Indien ist Handelsmetropole. Chang`an ist chinesische Hauptstadt mit 250.000 Einwohnern, in China wohnen 57.671.400 Menschen. In Mittelamerika ist die Maya-Metropole El Mirador am mächtigsten. In Rom herrscht das Imperium Romanum, das mächtigste Reich der damaligen Zeit. Leider fehlt diese Gleichzeitigkeit normalerweise im Geschichtsunterricht.

Seit etwa 50. Der Apostel Paulus missioniert im östlichen Mittelmeerraum. Er begründet die Tradition des Christentums als Missionsreligion. Auf Zypern wirkt er zusammen mit Barnabas (den Jesus wieder zum Leben erweckt haben soll, erster Bischof auf Zypern) Um 63 wirkt Petrus in Rom.

Um 70. In Rom entsteht das Flavische Amphitheater (Kolosseum, das heute noch in Teilen erhalten ist)..

79. Der Vesuv bricht aus und begräbt Pompeji und Herculaneum unter sich (wie man heute weiß, erst im Herbst). Weil die Gesteinsmassen alles unter sich begraben, erfährt man später sehr viel über die Kultur und Lebensweise der Römer.

Um 105. In China wird das Papier erfunden. Die Araber übernehmen es.

Um 109. Tacitus schreibt seine Historien. Von ihm erfahren wir viel über die Germanen (auch über die Niederlage der Römer unter Varus gegen Hermann den Cherusker). Um 120 schreibt Sueton seine Kaiserviten.

Um 200. Nicht allein die Legionen sichern die Größe des Imperium Romanum, sondern knapp 900 hoch gebildete Männer, die das Reich organisieren und den Willen des Kaisers in den letzten Winkel tragen. Man spricht von Meritokratie, weil nicht mehr Abstammung, sondern Fähigkeiten entscheiden. Herausragendes Beispiel ist Marc Aurel. Man spricht von einer Funktionselite, die noch heute in vielen Ländern mit bürokratischer Vernunft das Geheimnis der Macht darstellt (China, USA, Japan, Frankreich, GB).

Um 314. Konstantin der Große lässt in Rom die erste christliche Basilika errichten (Laterankirche). Er führt den Sonntag als allgemeinen Ruhetag ein. Seine Frau prägt viele kirchliche Riten.

362. Die Circumcellionen erobern Nordafrika. Es sind radikale Fanatiker, die sich von Kirche und Heidentum abgespalten haben. Sie werden vom Märtyrertod angetrieben. Viele sind Landarbeiter, die ihren Lohn teilweise in Form von Wein erhalten. Sind sie frühe Kommunisten?

380. Germanische Sueben errichten ein Hochplateau am Oberleiserberg im heutigen Österreich. Europa wird zu dieser Zeit von der Völkerwanderung erschüttert. Die Höhensiedlung ist ein Refugium, die lange von Wirren ungestört übersteht. Schließlich werden die Sueben 540 unterworfen (wahrscheinlich von den Langobarden).

Um 500. Es endet das Guptareich in Indien als Höhepunkt der klassischen indischen Kultur (Sanskritliteratur).

536. Als Schicksalsjahr gilt 536 n. Chr. Ein Vulkanausbruch in Island stürzt die Welt in eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Ernten fallen aus, Hungersnöte fordern zahlreiche Opfer. Ratten tragen die Seuche "Pest" von Dorf zu Dorf. Die Pest befällt Nordafrika, Europa und Vorderasien. Die Katastrophe hat Folgen in allen Bereichen, auch in der Kultur.

Um 550. Die Kenntnis der Seidenproduktion wird in China ausspioniert (wahrscheinlich von Japanern). In Konstantinopel entwickelt sich später ein Staatsmonopol für Seide.

Um 622. Der Prophet Mohammed wird Gründer des Islam. Er muss von Mekka nach Medina fliehen.

Um 630. In Tibet entsteht unter Songsten Gampo die besondere Form des Buddhismus, die Lamaismus genannt wird. Der Dalai Lama, der heute in Indien lebt, sieht sich noch immer als Oberhaupt von Tibet.

637. Die Muslime erobern Jerusalem. Als Zeichen ihres Triumphes errichten sie hier einen reich verzierten Sakralbau mit goldener Kuppel: den Felsendom. Er soll nicht Ausdruck der islamischen Expansion sein, sondern Zeichen eines Konfliktes, der die junge Glaubensgemeinschaft zu zersetzen droht.

Um 662. In Syrien wird erstmals über die Zahl 0 und das Dezimalsystem berichtet. Die Erfindung soll aus Indien stammen. 

800: Karl der Große wird zum Kaiser gekrönt in Aachen. Er gilt als der bedeutendste Kaiser des Mittelalters, der Europa durch die katholische Kirche und ihre Missionare  missionieren ließ. Es entsteht ein westliches Kaiserreich, das mehr als 1000 Jahre Bestand haben wird als Konkurrenz zu Byzanz. Karl gilt als erster Verfechter eines vereinten Europa und als Förderer von Bildung (Tafeln von Einhard unter dem Kopfkissen; stirbt 814). Basis für seinen Aufstieg war der  Sieg gegen die Araber auf der iberischen Halbinsel.

Um 809. Kalif Harun ar-Raschid, Schöpfer der Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht, stirbt.

811: In Venedig beginnt die Herrschaft der ersten bedeutsamen Dogen (gehört locker zum Byzantinischen Reich und nicht zu Reichsitalien). Venedig beherrscht später auch Santorin wie viele andere Inseln im Mittelmeer als Stützpunkte und gibt der Insel den Namen.

Um 850. Es endet die klassische Phase der Maya-Kultur in Südamerika (Verfall Tikals).

866: In Japan wird die Macht des Kaisers stark beschnitten, die eigentliche Regierungsgewalt geht für mehr als 200 Jahre auf die Regentenfamilie Fujiwara über.

Um 870. Die Khmer begründen das Reich Angkor, das bald zur Großmacht aufsteigt. Seine Herrscher identifizieren sich mit hinduistischen Göttern und errichten zu deren Ehren den größten Sakralbau der Welt "Angkor Wat" (noch heute von Massen von Touristen besucht).

Um 960. Unter Kaiser Taizu in China gibt es Buchdruck (ohne bewegliche Lettern), Kompass, Schießpulver. Der Buchdruck mit Blocksatz führt zu einer "Kulturrevolution". Das Diamant-Sutra, das älteste Buch der Welt, ist ein buddhistischer Lehrtext (kann in 40 Minuten rezitiert werden).

Um 1037. In Hamadan (Persien) stirbt der bedeutende Philosoph Avicenna, dessen ins Lateinische übersetzte Werk großen Einfluss auf Europa hatte.

1047. Der Jakobsweg wird erstmals urkundlich erwähnt. Ziel ist die Kathedrale in Santiago de Compostela in Galicien. Von überall in Europa gibt es Startpunkte und Wege (erste Form von Tourismus).

1077. Mathilde von Canossa, Marktgräfin und eine der wenigen Frauen unter den Mächtigen, wird zur entscheidenden Vermittlerin zwischen Papst und König. Die Festung Canossa wird zum Zentrum des Abendlandes. Über Tage geht es hin und her, beide sprechen nicht direkt miteinander. Mathilde muss vermitteln.

Um 1086. In England entsteht das Domesday Book als Grundkataster und Besitzverzeichnis. Es ist eines der wichtigsten historischen Quellen des Mittelalters.

1149. In Köln schließen sich Bettlakenweber zu einer der ersten Handwerkergemeinschaften zusammen. Zünfte regeln das Geschäft der kleinen Familienbetriebe lange rigoros.

Um 1200. Das Nibelungenlied entsteht. Die Inhalte waren beim Aufschreiben schon Jahrhunderte alt. Es gilt als National-Epos der Deutschen. Es spielt am Rhein (vor allem in Worms). Die Nazis missbrauchten die Geschichte. Auch Walther von der Vogelweide, der berühmteste Dichter des Mittelalters, dichtet um die Zeit (aus dem Jahre 1203 stammt das einzige von ihm erhaltene Dokument).

1227. Vor Yinchuan in China stirbt Dschingis Khan, der Begründer des Mongolischen Weltreiches.

1258. Es steht ein Enkel von Dschingis Khan (Hülegü) mit einer Armee vor Bagdad. Die Stadt wird eingenommen und zerstört. Kulturschätze ungeheuren Ausmaßes werden zerstört (ähnlich später im Irak-Krieg der USA oder im Syrien-Krieg durch den IS-Staat).

Um 1289/99. Marco Polo diktiert in Gefangenschaft seinen Bericht über den Aufenthalt in China.

1324: Mansa Mussa (1312 - 1337), unter dem das westafrikanische Großreich Mali einen Höhepunkt erlebt, reist mit 60.000 Bediensteten in einer Walfahrt nach Mekka. Er gilt als der reichste Mann der Welt. Er gibt auf der Reise soviel Gold aus, dass der Goldpreis weltweit verfällt und 20 Jahre braucht, um sich wieder zu erholen.

1336. Der Dichter Francesco Petrarca besteigt den Mont Ventoux in der Provence - nur, um ihn in Augenschein zu nehmen, also touristisch.

1348. Die erste Universität nördlich der Alpen wird in Prag gegründet. Als zweite Uni wird später Krakau aufgebaut (berühmtester Gelehrter hier war Kopernikus).

Um 1435. Der Flame Jan van Eyck wendet sich von Heiligenfiguren ab und bannt die Realität auf Holz und Leinwand. Eine Revolution in der Malerei. Es ist ein neuer Blick auf die Welt.

1455. Johannes Gutenberg wendet in Mainz die Technik des Buchdrucks mit beweglichen Lettern an (Chinesen erfanden den Buchdruck an sich, allerdings nicht mit beweglichen Lettern). Er setzt eine Medienrevolution und dann auch eine Kulturrevolution in Gang. Die Reformation wäre ohne den Druck (42-zeilig) der Bibelübersetzung von Martin Luther undenkbar gewesen.

Ab 1488. Die lombardischen Brüder Janetto und Franz von Tassis gründen im Auftrag des römisch-deutschen Königs und späteren Kaisers Maximilian I. das europäische Postwesen (später Thurn und Taxis).

1492. Kolumbus landet auf San Salvador. Die neue Welt "Amerika" wird entdeckt. Vorher war Amerika immer abgeschlossen, auch kulturell,  von der übrigen Welt (Ausnahme Gebiet der Wikinger). Die Wikinger waren schon 400 Jahre früher unter Erikson in Neufundland in Amerika angekommen und gründeten dort eine Siedlung.

1497-99. Der Portugiese Vasco da Gama befährt als erster Europäer die Seeroute um das Kap der Guten Hoffnung nach Indien. Asien kommt Europa näher.

1500. Jahrelang leben die dithmarschen Landleute unabhängig von ihren Adelsherrn. Im Jahr 1500 versucht Dänemarks mächtiger König sie mit einem Söldnerheer niederzuzwingen. In der Schlacht bei Hemmingstedt siegen die Bauern. Die Bauerrepublik besteht weiter, Vorbild für folgende Jahrhunderte und für den Guerilla-Krieg.

1506. Neubau des Petersdoms in Rom beginnt. Unter Bauleitung von Michelangelo wird der Bau 1626 vollendet.

1517. Martin Luther veröffentlicht in Wittenberg 95 Thesen an der Schlosskirche. Er leitet die Trennung von Glauben und Wissen in der Theologie ein. Er nutzt den Ablasshandel für den Petersdom aus.

1528. In Nürnberg stirbt der Maler und Graphiker Albrecht Dürer, bedeutendster Vertreter der Renaissancekunst in Deutschland. Er ist wahrscheinlich bis heute der bekannteste deutsche Künstler im Ausland (Betende Hände, Selbstporträt)

1536. In Basel stirbt der bedeutendste europäische Humanist Erasmus von Rotterdam. Er gibt heute den Austausch-Programmen in der Wissenschaft der EU den Namen (leider auch einer AfD-nahen Stiftung).

1543. Im seinem Todesjahr erscheint da Hauptwerk von Nikolaus Kopernikus (Astronom): heliozentrisches Weltbild. Er wirkte an der Uni Krakau (noch heute kann man dort sein Arbeitszimmer besichtigen). Im gleichen Jahr erreichen portugiesische Seefahrer erstmals Japan, wo sie dann seit 1545 Handel betreiben.

1545. In Bolivien (Potosi) und in Mexiko werden reiche Silbervorkommen entdeckt, die in Zwangsarbeit durch Indianer abgebaut werden. Das löst eine lang anhaltende Inflation in Europa aus, nach dem Import des Silbers. In Trient wird auf dem XIX. Konzil die Reform der katholischen Kirche in Reaktion auf die Reformation vorangetrieben.

1584. Der Daimyo Toyotomi Hideyoshi übernimmt die Macht in Japan und kann das Land einen.

Um 1600. Aus Amerika werden zahlreiche Nutzpflanzen nach Europa eingeführt: Mais, Tabak, Tomate, Kartoffel. Das revolutioniert die Lebens- und Ernährungsgewohnheiten. Die Kartoffel wird später zum Grundnahrungsmittel der Armen.

1614. In Toledo stirbt der Maler El Greco. Toledo gilt als perfektes Beispiel für friedliche  Koexistenz zwischen Christentum und Islam. Zentrum des muslimischen Reiches ist Cordoba.

1616. Im englischen Stratford-upon-Avon stirbt William Shakespeare, einer der berühmtesten Dichter und Schriftsteller der Welt.

1621. Die Niederländische Westindien-Kompanie (WIC) wird gegründet. Sie ist für den Handel mit Westafrika und Amerika zuständig. Es gab Kammern in Amsterdam, Zeeland, Rotterdam, Groningen und Westfriesland. Ab 1674 Konzentration auf den Sklavenhandel. Von 1674 - 1740 fahren 383 Sklavenschiffe. Fürst Johannes Moritz von Siegen-Nassau baut im brasilianischen Recife Plantagen im Auftrag der Kompanie auf: Er wirkt 8 Jahre bis 1669 dort (er muss auf sein Erbe in Siegen warten).

1633. Der Astronom Galileo Galilei, der hauptsächlich an der Uni Padua wirkte, muss bei einem Prozess der Inquisition den Irrtum des heliozentrischen Systems abschwören. Als Mathematiker ist er aber für viele Innovationen verantwortlich (Schwerkraft, Uhrpendel, Verbesserung des Teleskops u. a.). Jesuitische Missionare bringen seine (und die von Kopernikus) nach China (Adam Schall von Bell). Mit dem Siegeszug der mongolischen Qing-Dynastie mit dem Buddhismus müssen sich die Missionare auf Astronomie beschränken.

1637. Der französische Philosoph und Mathematiker Rene Descartes  veröffentlicht seine berühmte Abhandlung  über rationale Methoden der Wissenschaft: "Cogito, ergo sum". Damit ist der Begründer der empirischen Wissenschaften (was zur Trennung von Glauben und Wissen in der Wissenschaft führt; endgültige Säkularisierung später durch Feuerbach und Marx)

1644. In China wird die Ming-Dynastie gestürzt. Es folgt die Herrschaft der Mandschu unter der Dynastiebezeichnung "Qing" (Jesuiten aus Europa bekommen zunächst Schwierigkeiten). Der Buddhismus kann seinen endgültigen Siegeszug durch China antreten.

1648. In Münster und Osnabrück werden die Verträge für den Westfälischen Frieden geschlossen. Damit endet der Dreißigjährige Krieg, der Europa auch in der Kultur weit zurückwirft. Die Niederlande und die Schweiz scheiden endgültig aus dem Reichsverbund aus.

Um 1650. Die Indianer betreiben im Süden Kanadas einen lukrativen Pelzhandel mit den Europäern. Doch dann entbrennt ein blutiger Streit zwischen Huronen und Irokesen, die um das Pelzgeschäft konkurrieren. Es kommt zum Krieg an den Großen Seen. Die Huronen gehen unter. Die Irokesen unterliegen einem noch mächtigeren Gegner: den weißen Kolonisatoren.

1651. Der englische Philosoph Thomas Hobbes veröffentlicht sein Hauptwerk Leviathan (grundlegendes Werk über Gesellschaft und Staat). Die Navigationsakte in England sollen den niederländischen Zwischenhandel ausschalten. Als Keimzelle für den Asienhandel gründen die Niederländer daraufhin ein Jahr später Kapstadt an der Südspitze Afrikas.

1658. Der Erbauer des Taj Mahal in Indien wird abgesetzt (Schah; sein Sohn vereinigt fast ganz Indien)

1685. Ludwig XIV. widerruft das Edikt von Nantes und treibt damit viele Hugenotten in die Emigration.

1687. Der englische Physiker Isaak Newton veröffentlicht sein Hauptwerk (Gravitationsgesetz, Axiome der Mechanik).

1710. August der Starke, Kurfürst von Sachen, gründet die erste europäische Porzellanmanufaktur. Vielerorts entstehen Manufakturen.

1716. In Hannover stirbt der Philosoph und Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibnitz.

1735. Der schwedische Naturforscher Carl Linnaeus (Linne) schafft die Grundlage der Systematik der modernen Biologie (Systema naturae).

1755. Ein Erdbeben zerstört Lissabon. Mehr als 60.000 Menschen sterben. Es ist wohl die erste Katastrophe, die von den gerade entstehenden Medien weltweit verbreitet wird. Vielen gilt das Beben als Strafe Gottes.

1762. Jean-Jacques Rousseau attackiert in seinem Gesellschaftsvertrag die bestehende soziale und politische Ordnung (einer der Ursprünge der französischen Revolution). Er beeinflusst das Denken von Immanuel Kant in Königsberg.

1764. Der Schotte James Watt erfindet die Dampfmaschine, die Basisinnovation und der Ursprung der Industrialisierung (er war befreundet mit Adam Smith, dem Begründer der Nationalökonomie).

1768. James Cook kartographiert Neuseeland und entdeckt 1770 die Südostküste Australiens.

1776. Der Schotte und Theologe Adam Smith begründet mit seinem Hauptwerk ("The Wealth of Nations") die moderne Volkswirtschaftslehre. Es ist der Startschuss für den Wirtschaftsliberalismus.

1781. Immanuel Kant veröffentlicht seine Kritik der reinen Vernunft. Er lebt in Königsberg, das heute zu Russland gehört (Zugang zur Ostsee). Kant beharrt auf der Rolle von Moral und Ethik in der Philosophie. Kant ist wahrscheinlich der einflussreichste deutsche Philosoph (oder auch Hegel durch seine Wirkung auf Karl Marx, dessen Denken die Welt radikal veränderte).

1783. Der Wuppertaler Kaufmann und Unternehmer Johann Gottfried Brügelmann eröffnet in Ratingen die erste Fabrik auf dem europäischen Kontinent: die Baumwollspinnerei Cromford.

1786. Johann Wolfgang von Goethe, der größte Dichter der deutschen Klassik, bricht von Weimar aus zu seiner Italienreise auf (dort wird später sein sohn begraben, das Grab darf keine Inschrift haben).

1791. In Wien stirbt, wenige Wochen nach der Uraufführung seiner Oper "Die Zauberflöte", der Komponist Wolfgang Amadeus Mozart, vielleicht das größte Musiktalent überhaupt.

1804: Der Komponist Ludwig van Beethoven (1770 - 1827) aus Bonn vollendet die 3. Symphonie (Eroica). 2020 feiern Bonn und Deutschland sowie Europa seinen 250. Geburtstag (seine Unvollendete wird 2021 digital zu End ekomponiert)

1810. In Preußen wird die Gewerbefreiheit verkündet und der Zunftzwang aufgehoben.

1812. Der Franzose Nicolas Francois Appert gründet die erste Konservenfabrik der Welt. Die Nahrungsgewohnheiten in den Industrieländern werden revolutioniert.

1815. Der Wiener Kongress beendet die Vorherrschaft Frankreichs (Napoleon) über Europa und teilt Europa neu auf.

1820. Die Sklaverei in den USA wird nördlich einer Linie aufgehoben. Später wird die Sklaverei überall verboten, was großen Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft weltweit hat. Als Ersatz kommt die Migration der Chinesen, auch in die USA (Ursprung aller Chinesen-Viertel, das größte in San Francisco). Die Sklaverei hatte bei der Erschließung Nord- und Südamerikas eine zentrale Rolle gespielt. Sie diente den Ursprungsländern (man wurde unliebsame Bürger los) in Afrika und lieferte die Manpower für die großen landwirtschaftlichen Plantagen (Baumwolle, Mais, Zuckerrohr). Viele Deutsche waren daran beteiligt. Berühmt wurde Fürst Johannes Moritz von Siegen-Nassau, der acht Jahre (er wartete auf sein Erbe in Siegen) Plantagenwirtschaft in Brasilien bei Recife aufbaute (im Auftrag der West-Indien-Kompanie, er hatte enge Kontakte in die Niederlande) und ein reicher Mann wurde. Gegenüber der indigenen Bevölkerung verhielt er sich vorbildlich.

1840. Der deutsche Chemiker Justus von Liebig propagiert die künstliche Mineraldüngung, was die Landwirtschaft weltweit revolutioniert (Steigerung der Produktion).

1841. Thomas Cook führt in England die erste organisierte Bahnreise durch. Damit beginnt das Zeitalter des organisierten Massentourismus (das nach ihm benannte Reiseunternehmen geht 2019 in GB Pleite).

1842. Der italienische Komponist Giuseppe Verdi gelangt mit der Oper Nabucco zu Weltruhm. Im gleichen Jahr beendet der Vertrag von Nanjing den Opiumkrieg zwischen China und GB.

1846. In GB werden die Importrestriktionen für Getreide abgeschafft. Als erstes Land der Welt geht GB damit zum Freihandel über. Die Freihandelsthese von David Ricardo wird erstmals praktisch umgesetzt.

1848. In London wird das Kommunistische Maifest von Karl Marx veröffentlicht. Zusammen mit dem Kapital von Karl Marx begründet es den Marxismus, der die Revolutionen bzw. Systemwechsel in Russland, China, Kuba, Vietnam und Nordkorea begünstigt und mit legitimiert.

Um 1850. London ist die größte und progressivste Stadt der Welt. Industrie- und Handelszentrum, Heimat der Reichen und Mächtigen. Die urbane Agglomeration wird zum Prototyp der modernen Millionenmetropole auf der ganzen Welt.

1863. Das Rote Kreuz wird gegründet. Die Initiative geht auf den Kaufmann Henri Dunant zurück. Im gleichen Jahr gründet Ferdinand Lasalle den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein, die erste gesamtdeutsch orientierte Arbeiterpartei. Sie vertritt die wachsende Gruppe ungelernter Fabrikarbeiter und schlecht bezahlter Tagelöhner: das Proletariat.

1874. Mit der Erfindung der Kältemaschine durch Carl Linde werden in den nächsten Jahrzehnten die Nahrungsgewohnheiten in den Industrieländern weiter  geändert. Die französischen Impressionisten machen die erste gemeinsame Ausstellung.

1876. In Stralsund wandeln die Brüder Hugo und Georg Wertheim das Geschäft ihrer Eltern in das erste Warenhaus in Deutschland um; bald entstehen große Ketten.

1883. Im Deutschen Reich wird die Krankenversicherung für Arbeiter eingeführt. Sie wird zum Vorbild für viele Länder. Sogar Bismarck ist angetan.

1913. In den Automobilwerken von Henry Ford wird das erste Fließband eingesetzt. Ford ist als Unternehmen noch heute selbständig und erfolgreich (Eigentümer vieler KI-Patente).

1914. Der 1. Weltkrieg bewirkt ein vorläufiges Ende der sich stark ausbreitenden Globalisierung. Der Versailler Vertrag besiegelt die Niederlage Deutschlands 2018 und führt mit zur Rechtsradikalisierung in Deutschland.

1915. Der deutsche Physiker Albert Einstein entwickelt die allgemeine Relativitätstheorie. Einstein hat mit seiner Relativitätstheorie in der Wissenschaft der Physik Vieles schon vorweggenommen (z. B. Schwarze Löcher). In der Ökonomie gibt es nichts vergleichbares, am ehesten die Werke von Karl Marx. Einstein hatte die Deutsche, Schweizer und später die USA-Staatsangehörigkeit. 1932 blieb er bei einem Vortrag wegen der Nazis (Einstein war Jude) in den USA. Er wurde dann Professor in Princeton. Er war bei der Gründung des Staates Israel dabei (eine Stiftung in Jerusalem verwaltet heute sein Erbe und das Haus in Caputh).. Berühmt ist das Glaubensbekenntnis von Einstein.  Darin präsentiert er sich als Weltbürger mit hoher moralischer Verantwortung. Das hat er auch versucht, in der Praxis umzusetzen. In den USA hat er gegen die Atombombe gekämpft.

1922. In Paris stirbt Marcel Proust, der Schöpfer des modernen Romans.

1933. In Deutschland kommen die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler an die Macht. Sie führen nationales Denken und Antisemitismus zu einer Ideologie zusammen und stürzen Europa in einen Weltkrieg.

1939-1945: Der 2. Weltkrieg wird weltweit geführt. Deutschland, Italien und Japan verlieren den Krieg. Es fallen die ersten Atombomben der Welt auf Japan

1959: Der Dalai Lama wird aus Tibet vertrieben und lebt seitdem im Exil in Dharamsala in Indien. In Tibet gibt es etwa 3000 Klöster mit 300.000 Mönchen und Nonnen.

1961: In Deutschland baut die DDR die Berliner Mauer und schließt die Grenze zur Bundesrepublik (bis 1989).

1975/ 1976: 1975 gründet Gates die Firma Microsoft, die ein Betriebssystem für PCs entwickelt. Apple wird gegründet und revolutioniert den PC-Markt und später das Smartphone. Zentrum ist das Silicon Valley an der Westküste der USA.

1979. Im Iran wird die Monarchie durch die islamische Revolution unter dem geistigen Oberhaupt R. M. Chomeini (gestorben 1989) gestürzt. Hier zeigt sich eindrucksvoll, wie mächtig Kultur sein kann.

1989. Auf dem Platz des Himmlischen Friedens (Tian`anmen) in Beijing wird die hauptsächlich von Studenten getragene chinesische Oppositionsbewegung von Panzern niedergewalzt. Es kommt zu einer Pause der Beziehungen vieler Länder zu China (so etwa bis 1992).  Noch heute sollen auf dem Platz mehr Geheimdienstler als Touristen unterwegs sein (die digitale Technik mit Gesichtskontrollen wird Abhilfe schaffen).

1989. Die Mauer in Berlin und die befestigte Grenze innerhalb Deutschlands fällt. Das Datum markiert das Ende des Kalten Krieges, des Eisernen Vorhangs und des Warschauer Paktes. Im gleichen Jahr entwickeln Tim Berners-Lee und Robert Cailliau am Forschungszentrum CERN in Genf das World Wide Web. Es ist der Durchbruch für die digitale Revolution.

1989. Die nächste entscheidende Innovation war das WWW. Dei Idee für das weltweite Netz geht auf den Briten Tim Berners-Lee am Europäischen Kernforschungszentrum Cern nahe Genf zurück (1989, wurde zunächst als vage abgetan). Er war Physiker und wollte den Austausch von Forschungsergebnissen beschleunigen. So gab er 1993 WWW-Standards für die Öffentlichkeit Preis ohne jeden Patenschutz oder Lizenzauflagen. So konnte sich die Idee rasend verbreiten. Berners-Lee hatte schon das Konzept der Standardsprache (HTML) und des passenden Protokolls (HTTP). Berners-Lee lehrt auch in Cambridge (USA, 75 Jahre alt) und ist noch in einem WWW-Consortium (W3C). So hat er immer noch Einfluss.

1990. Noch vor der offiziellen deutschen Wiedervereinigung tritt die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion in Kraft - Voraussetzung für die Soziale Marktwirtschaft in ganz Deutschland.

1994. In einer Garage wird der Online-Handel-Gigant Amazon von Jeff Bezos gegründet. Er revolutioniert den weltweiten Handel.

1997. Mit der Übergabe Hongkongs an China verliert Großbritannien seine letzte wichtige Kolonie. Damit endet das British Empire, das nach einem Brexit nicht wieder herstellbar sein wird. Es ist unklar, inwieweit die Proteste 2019 in Hongkong im Hintergrund von den USA und GB beeinflusst werden.

1998. Google, heute Alphabet, wird gegründet. Start ist das Suchsystem. später folgen Google Maps, JouTube und viele andere.

1998. In China entstehen digitale Gegenunternehmen zu denen der USA: Tencent, Alibaba, Huawei/ schon 1987, Baidu/ erst 2000.

2004. Zuckerberg startet Facebook und kauft später Instagram und Whatsapp dazu.

2020. Fast alle Sprachen der Welt können durch Künstliche Intelligenz (KI) gegenseitig übersetzt werden. Das geschieht mit Handy und Notebook nahezu simultan, so dass Dolmetscher und Sprachstudien neue Rollen bekommen.

Quellen: Klaus-Jürgen Matz: Die 1000 wichtigsten Daten, München (Beck) 2019 (6. Auflage). Jürgen Osterhammel/ Niels P. Peterson: Geschichte der Globalisierung, München (Beck) 2019 (6. Auflage). Geo Epoche, Nr. 100, Januar 2020. Wikipedia. Mohr, Joachim/ Schnurr, E. - M.: Das Geheimnis des Erfolges, München (DVA) 2021. Zusätzlich viele andere Quellen, die sich im Gedächtnis und der Erfahrung eingegraben haben. Auch die Seite "Mercator/digital" für Internet.

 

Astronomie  und China (Kooperation mit Europa):

"Der Himmel gleicht einem großen Menschen und der Mensch einem kleinen Himmel", Sprichwort aus China.

   Universität Krakau , Sitzungszimmer. Krakau ist eine der ältesten europäischen Universitäten. An dieser Universität wirkte einst Nikolaus Kopernikus (1473 - 1543), der mit seiner Theorie von der beweglichen Erde und den um die Sonne kreisenden Planeten eine Wende der Wissenschaft herbeiführte (kopernikanische Revolution). Die Erde war nicht mehr Mittelpunkt des Weltalls, sondern einer unter vielen Planeten. Seine Idee stammte von Aristarch von Samos, der 1800 Jahre früher diese Erkenntnis hatte. Kopernikus zeigte auch Perspektivwechsel auf, die für seine Zeit revolutionär waren. Stark beeinflusste er Galileo Galilei, der in Padua wirkte. Er lebte von 1564-1642. Er brachte das bestehende Weltbild endgültig zu Fall (Erde im Mittelpunkt). Dafür fiel er in Rom der Inquisition zum Opfer. Die europäischen Jesuiten, die in China missionieren wollten, brachten die Erkenntnisse nach China (siehe unten). Weitere wichtige europäische Astronomen waren Wilhelm IV (hessischer Landgraf, Sternenkatalog), Tycho Brahe aus Dänemark und Johannes Kepler (Planetengesetze). "Seid nicht wie die Tiere", Nikolaus Kopernikus. Der Appell scheint verklungen.

Geschichte: Die Astronomie ist die älteste und auch demokratischste aller Naturwissenschaften. Es geht um den Blick in den Himmel. Kosmos heißt das Himmelszelt seit der griechischen Antike. In Europa legt der Grieche Anaximander im 1. Jahrtausend vor Christus die Grundlagen unseres physikalischen Bildes vom Weltall. Das war relativ spät. Seit dem 3. Jahrtausend vor Christus benutzten die Ägypter schon exakte Mondkalender. Auch die Babylonier hatten ihre Astronomie.  Vorher schon gab es prähistorische Sternbilder. Die Chinesen dokumentierten 2296 v. Chr. eine Kometensichtung. Die chinesische Sternwarte wurde 1190 - 1193 von einem Hauslehrer des Kaisers namens Huang Shang geschaffen. 1247 wurde sie von Wang Zhiyuan für den Konfuzius-Tempel in Suzhou in Stein geschnitten und blieb so erhalten. Die Chinesen unterschieden zwei Methoden: Kalenderkunde und Himmelszeichen. Ungefähr 1500 v. Chr. wurde in einem heiligen Text der Hindus (Yajurveda) die Erde als Wanderin um die Sonne beschrieben. Es wird sogar unter Experten darüber diskutiert, ob eine 35.000 Jahre alte Schnitzerei aus Mammut-Elfenbein das Sternbild Orion darstellt.  Es gibt auch steinzeitliche Felszeichnungen über Sterne am Himmel. Aber erst in der Neuzeit hatte man das wichtigste Werkzeug, ein Teleskop. Galileo Galilei baute es nach und perfektionierte es. Erst aus der Allgemeinen Relativitätstheorie von Einstein ging 1915 hervor,  dass das Universum nicht stillstehen könne. Ende des 20. Jahrhunderts stellten die Nobelpreisträger Brian Schmidt, Saul Perlmutter und Adam Riess fest, dass unser Universum nicht nur auseinanderstrebt, sondern sogar dabei Fahrt aufnimmt. Was beschleunigt aber die Expansion? Stephen Hawking, der britische Astrophysiker , sprach von zwei Phantomen: die er "Missing links" der Kosmologie nannte, "dunkle Materie" und "dunkle Energie" (nur 5% sind sichtbar). Vgl. Schmitt, Stefan: Ganz weit draußen, in: Die Zeit Nr. 1, 30.12.2020, S. 33. "Die Himmelskunde zwingt unsere Seele, nach oben zu schauen, und führt uns von dieser Welt in eine andere." Platon, Politeia. Vgl. Brooke Hitching, Edward: Der Atlas des Himmels, München (Knesebeck) 2021, S. 18ff.

Himmel, Schrift, Hochkultur, Kaiseridee, Staatskult, Beamtenapparat und Infrastruktur standen in China für Zusammengehörigkeit. Neue Dynastien haben ihren Herrschaftsanspruch immer neu symbolisch markiert: Wechsel von Zeitrechnung, Hauptstadt und Geld. Die Astronomie hatte in China immer eine zentrale Bedeutung, weil es um die Beherrschung der Zeit durch den Kaiser ging (Zeichen seiner Macht). 2016 erscheint Christoph Ransmayrs großer Roman "Cox oder Der Lauf der Zeit" (Frankfurt, S. Fischer). Der englische Uhrmacher Alister Cox folgt mit drei Gefährten einer Einladung des Kaisers von China, um in der Verbotenen Stadt nach den Vorstellungen und Träumen eines allmächtigen Gottsmenschen zu bauen. Er soll Uhren erschaffen, die das Verfliegen des menschlichen Lebens anzeigen (unterschiedlich nach Lebensphase und Lebensglück). Der Kaiser fordert ein Uhrwerk, das die Dauer der Ewigkeit messen soll. "In atemberaubenden Bildern beschreibt Christoph Ransmayr das Leben im Schatten eines als Gott verehrten Despoten und beschwört dabei die Hoffnung, dass allein das Erzählen über den Lauf der Zeit triumphieren kann" (Quelle: Umschlagtext). Man kann sehr viel über das chinesische Kaisertum lernen.

Die Bedeutung der Astronomie in China geht weit in die Vergangenheit zurück, Die Astronomie ist neben der Mathematik und Medizin immer eine der wichtigsten Naturwissenschaften im Land. In China gilt die Harmonie zwischen Himmel, Erde und Mensch als ein wesentliches Element der Philosophie und Tradition (Daoismus). Die Vorgänge des Himmels wurden daher schon sehr früh beobachtet, interpretiert und auch unter dem Gesichtspunkt der Harmonie eingeordnet. Schon in der Shang Dynastie im 2. Jahrhundert wurden Knochen gefunden, die als Orakel dienten, Sternwarten errichtet und bereits Kalender gebraucht, mit denen die Zyklen von Sonne und Mond genauer bestimmt werden konnten. Diese Kalender wurden auch für die Vorhersagen von Aufstieg und Fall einer Dynastie verwendet. So gab es in den verschiedenen Dynastien ganz bestimmte und angesehene Astronomen, die beobachten sollten, was am Himmel geschieht und in welcher Hinsicht diese Bewegungen Einfluss auf das Leben und den Menschen auf der Erde hatten (wie das Orakel von Delphi in Griechenland). Daher ist es dann auch nicht verwunderlich, dass bereits im 6. Jahrhundert von den Chinesen astronomische Beobachtungen gemacht wurden, während das Teleskop erst im 16. Jahrhundert erfunden wurde. Natürlich haben die Fortschritte im Abendland auch die Praxis in China verändert, dennoch gelten die altchinesischen Register bis in die heutige Zeit als relativ vollständig und zuverlässig. Im alten China ging man davon aus, dass der Himmel rund wie ein Ei wäre, die Erde darin wie ein Eidotter läge. Auch glaubten die Chinesen, dass ein Himmelsgott die Erde beobachtete und seine Unzufriedenheit mit den Menschen durch die Sterne und ihre Bewegungen und Abweichungen verkündete. So versuchte man eventuelle Fehler durch ein frühzeitiges Erkennen der Bewegungen am Himmel zu korrigieren und erbaute aus diesem Grund verschiedene Observatorien. Eines der bekanntesten ist das Observatorium von Beijing. Dort wurde mehr als 500 Jahre lang ununterbrochen der Verlauf der Sterne aufgezeichnet und bis heute aufbewahrt.

Exkurs: Geschichte der chinesischen Astronomie: Die früheste chinesische Entwicklung im Bereich der Armillarsphäre wurde durch die Astronomen Shi Shen und Gan De im 4. Jahrhundert geprägt. Mit noch eher primitiven Gerätschaften konnten sie bereits den polaren Nordabstand bemessen und die genaue Position angeben. Einer der wichtigen Astronomen Chinas war Guo Shoujing. Er war auch Wasserbauingenieur und Mathematiker, damit Verfasser von zwei mathematischen Schriften, lebte 1231 bis 1316 während der Yuan-Dynastie. Er entwickelte u. a. den „Wan nien li“-Kalender und konnte die präzise Dauer eines Jahres bestimmen. Unter dem damaligen Khan waren Wissenschaftler hoch angesehen, Guo Shoujing errichtete ganze 27 Sternwarten und konnte von da an bessere Daten über den Sonnenverlauf festhalten. Seine persischen Kenntnisse halfen ihm dabei, einen neuen Kalender, den so genannten „Shou shih li-Kalender“, zu erschaffen, der in der Jahreslänge seiner Tage dem Gregorianischen Kalender entsprach, allerdings ganze 302 Jahre früher. Guo Shoujing konstruierte auch einige neue, astronomische Instrumente, darunter seine "Abridges Armilla", die einige astronomische Probleme der damaligen Zeit löste. Die Gerätschaft, auch „Jian Yi“ – einfaches Instrument – genannt, ist simpler in der Struktur gebaut und einfacher zu handhaben als eine Armillarsphäre. Mit seinem Instrument konnte der gesamte Himmel überblickt werden, mit Ausnahme des Nordsterns. Es bestand aus zwei senkrecht zueinander stehenden, großen Ringen, von denen der eine parallel zur Äquatorebene verlief, der andere ein Doppelring war, der senkrecht zur Mitte des Äquators stand und um eine Metall-Achse rotierte. Auch hier wurde das Rohr auf einen zu bestimmenden Stern ausgerichtet, mittels einem Einstellrad auf der Äquatorebene eingestellt und das Ermittelte am Doppelring abgelesen. Siehe und vgl. Artikel "Chinese astronomy", Wikipedia, abgerufen 28.12. 2020.

Jesuiten und Astronomie: Im Garten des BAC (Beijing Administrative College, Parteihochschule) liegt der Friedhof der europäischen Jesuiten in China. Im Bild sind die Grabstätten der beiden berühmtesten: des Italieners Matteo Ricci (1552-1610, rechts) und des Deutschen Adam Schall von Bell (1591-1666, links). Beide waren auch Berater der chinesischen Kaiser in den Ming & Qing Dynastien. Ersterer übersetzte viele europäische Schriften ins Chinesische und brachte die europäische Uhrentechnik mit, letzterer schulte  die Chinesen in der Astronomie Europas, die damals führend war. Die Jesuiten hielten sich genau an die chinesischen Gepflogenheiten und gewannen in Elitekreisen Freunde. Sie lieferten viele Berichte nach Europa und prägten lange das Chinabild dort. Vgl. auch die Geschichte der Globalisierung auf der Ostasienseite. Vgl. BAC (Ed.): History Recorded by the Stones, Beijing 2009. Dieses China-Bild verbreitete sich dann auch durch die Werke großer Philosophen wie Rousseau und Kant. Der Deutsche Adam Schall von Bell starb vor 350 Jahren am 15. August 1666 und wurde in Peking bestattet. Durch seine starken astronomischen Prognosen wurde er 1644 zum Direktor des kaiserlichen Astronomischen Amtes berufen und schließlich 1658 von Qing - Kaiser Shunzhi zum Mandarin erster Klasse ernannt. Er reformiert auch den chinesischen Kalender. Er wurde "Tang Jo-wang" genannt: Die Geheimnisse des Himmels ergründender Lehrer, so steht es auch auf seinem Grabstein. 1661 wurde ein Prozess gegen ihn geführt wegen Hochverrats. Er sollte durch fehlerhafte Prognosen den Tod des Kaisers verschuldet haben. Im Prozess ließ er sich durch den belgischen Jesuiten Ferdinand Verbiest vertreten. Der Prozess wurde verloren und Schall kam 1665 wieder frei, weil ein Erdbeben als Zeichen der Unschuld gewertet wurde. In Essen gibt es eine Adam Schall von Bell Gesellschaft.  Der Jesuit Adam Schall von Bell aus Köln (St. Aposteln) lebte im 17. Jahrhundert in Peking. Er brachte es zum kaiserlichen Astronom (Kalender-Mandarin). Durch die Nähe zum Kaiser konnte er viel für das deutsch-chinesische Verständnis tun.

China und Europa, verbunden durch die Astronomie: Im späten Mittelalter war in Europa Venedig eine Weltmacht im globalen Handel und hatte nahezu ein Monopol im Handel mit China ("Europas Tür zur Welt"; La Serenissima"). Aus China importiert wurde Seide, Tee und Porzellan. Nach China exportiert wurden Textilien, Schmuck, Gewürze, Lederwaren, edle Hölzer, Pelze. Die Polos hatten auch Kontore am Ural. Sie betrieben Handel über die Seidenstraße zur Zeit der "Goldenen Horden" der Familie Khan. Die Strecke ging von Venedig über Istanbul durch den Kaukasus bis China. Marco Polo soll Kublai Khan, den Enkel von Dschingis Khan, in Dunhuang oder Shangdu getroffen haben. Der machte ihn zu seinem Präfekten. Khan hatte Cambaluc, das heutige Peking, zur Hauptstadt gemacht (er stammte aus Karakorum in der Mongolei). Er ließ die ersten Geldscheine machen (Rinde aus Maulbeerbäumen, mit einem roten Siegel). Er förderte den internationalen Handel, die Bauern und die Handwerker.  Marco Polos Lieblingsstadt in China soll Hangzhou gewesen sein. Auf dem Seeweg reiste Polo zurück (von Quanzhou aus, der Partnerstadt von Neustadt Weinstraße).  Marco Polo (1271-1295; in genuesischer Gefangenschaft schrieb er seine Erlebnisse auf; das Erfolgsbuch prägte vor den Jesuiten das Chinabild der Europäer) Er reiste, berichtete und brachte viele Produkte und  Erfindungen aus China, das zu der Zeit die technologische Führungsmacht der Welt war, nach Europa. An den Erzählungen Marco Polos zweifelten schon die Zeitgenossen. 17 Jahre will er das Land bereist haben. Beim Schreiben half ihm der Mitgefangene Rustichello da Pisa. Das Buch heißt "Il Milione". Es wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Es gibt heute noch viele handschriftliche Exemplare. Am erfolgreichsten in der Verbreitung war die lateinische Version. Heute gibt es umgekehrt eine Invasion von Chinesen in Venedig. Sie betreiben Geschäfte, Bars und Restaurants. Einige führen auch illegale Imitate ein. Im Jahre 1697 gründete Gottfried Wilhelm Leibnitz in Hannover das "Bureau d`adresse pour la Chine" Er hatte über 1100 Korrespondenzpartner. Er schrieb das Buch "Novissima Sinica". Er pries ein ebenbürtiges China als "Europa des Ostens". Leibnitz schrieb weiter, den Chinesen gebühre der "goldene Apfel" für "Vortrefflichkeit der Völker". In der Phantasie der europäischen Fürsten spielte China eine große Rolle.  Im 18. Jh. sorgten europäische  Missionare (Jesuiten) für einen stetigen Fluss von Informationen aus China für Europa (vgl. Friedhof der europäischen Jesuiten in Peking). Sie machten auch Meister Kong zu Konfuzius (latinisiert). Es entstand eine Begeisterung für China. Porzellan, Pavillons, Lackmöbel, Schattenspiele, Tee kamen in Mode. Für Immanuel Kant war China "das kultivierteste Reich der Welt". Voltaire hielt der katholischen Kirche die überlegene Sittlichkeit der Chinesen vor. Quesnay lobte die chinesische Philosophie über die griechische. Im 19. Jh. änderte sich das Bild als die beiden Weltmächte China und England aneinander gerieten (vgl. Opium weiter unten).  Vgl. Vogelsang, Kai: Geschichte Chinas, Stuttgart 2019, S. 434ff. Die heutige Invasion von Chinesen in Venetien und Oberitalien begünstigte bzw. verursachte den massiven Corona-Ausbruch 2020 dort.

Chinesisches Jahr: "Während die Chinesen am 29. Januar 2006 das Jahr des Hundes einläuten, gibt es für die wilden Verwandten des Haushundes wenig Grund zum Schwanzwedeln", aus einer Pressemeldung des WWF; vgl. auch:  Chinesisches Horoskop. 2007 war das Jahr des Schweins. Am 07.02.2008 begann das chinesische Jahr der Maus (niemals gegenüber Chinesen Ratte sagen!). Es müsste ein Jahr des Überflusses mit guten Gelegenheiten und Aussichten auf Erfolg werden.("In the chinese year of the mouse 2008 businesses will proper and the world economy will boom"). Und wie war die Realität? 2009 ist das Jahr des Ochsen/ Rindes. 2010 ist das Jahr des Tigers. Am 03. Februar 2011 beginnt nach dem Mondkalender das Jahr 4708, nach dem Tierkreiszyklus im Zeichen des Hasen. Am 23. Januar 2012 beginnt das chinesische Jahr des Drache (Wasser-Drachen). Der Drache steht in der chinesischen Mythologie für Kraft, Macht und göttlichen Beistand. Traditionell werden in diesen Jahren viele Kinder geboren. Der gelbe Drache symbolisiert die Macht der chinesischen Kaiser. Am 10.02.2013 beginnt das chinesische Mondjahr der Schlange. Die Schlange soll die aufgewühlten Elemente des Drachenjahrs geduldig und analytisch umsetzen. Menschen aus diesem Jahr gelten als listig, entschlossen und argwöhnisch. 2014 ist das Jahr des Pferdes (genau Holz-Pferd). Es beginnt am 31. Januar. Die Energie des Pferdes begünstigt Selbstvertrauen und Initiative. 2015 kommt das Jahr der Ziege (Holz-Ziege). Die Ziege gilt als verständnisvoll, friedliebend und ihr wird eine  gute Menschenkenntnis zugeschrieben (auch in anderen Kulturen: Flamen, Neuschweiz, Manhattan, bei Kaiser Augustus). 2016 ist das Jahr des Affen (Feuer-Affen; geschickter Typ mit Raffinesse; turbulentes, unberechenbares Jahr). 2017 ist das Jahr des Feuer-Hahns (Beginn 28.Januar; Energie, Tatkraft, starker Charakter). 2018 ist das Jahr des Hundes. Es beginnt am 16. Februar 2018 und endet am 5. Februar 2019. Wahrsager rechnen mit Naturkatastrophen, politischen Spannungen und einer Talfahrt der Börsen. 2019 ist in China das Jahr des Erdschweins, in Japan das Jahr des Wildschweins. Das Jahr soll jede Menge Glück bringen (Reichtum, Erfolg, Spaß;  am 05.02.2019 ist das Neujahrsfest 2019). Am 25.01.2020 beginnt das neue chinesische Jahr. Es ist das Jahr der Ratte. Vom 12 Februar 2021 bis zum 31. Januar 2022 geht das Jahr des Büffels (zuletzt 2009). Es wird ein glückliches Jahr und es ist gut, sich perfekt auf Beziehungen zu konzentrieren. Dei Arbeit wird belohnt. Es wirkt stark die Yin - Energie. Dann setzt eine große Reisewelle zum chinesischen Neujahrsfest ein. Man fürchtet eine weitere Verbreitung der neuen Lungenkrankheit. Das chinesische Neujahrsfest löst die größte Massenwanderung aus. Hunderte Millionen Chinesen vereisen (allein 200 Mio. Wanderarbeiter; das Neujahrsfest wird auch in Ländern mit hoher chinesischer Bevölkerung gefeiert: Australien, Kanada, USA). Die Familien wollen zusammen sein, feiern Feste und reinigen vorher ihre Häuser und Wohnungen.  Das Mondfest wird jährlich im September gefeiert. Es findet immer am 15. Tag des 8. Mondmonats nach dem chinesischen Kalender statt. Drei freie Tage werden in der Regel zugestanden. Verbunden mit diesem Fest ist der Mondkuchen (sehr teuer). Im Zuge des Kampfes gegen die Korruption geht der Absatz 2013 um 50 Prozent zurück (keine öffentlichen Gelder mehr). In der chinesischen Kultur symbolisiert die Kreisform Vollständigkeit und Einheit. Das Fest wurde im Jahre 2008 gesetzlicher Feiertag. Auch in Taiwan und Vietnam ist es ein Feiertag.

Astrologie und Esoterik: Wenn man aufgrund des Himmels, der Sterne und der der Sternzeichen Vorhersagen treffen will (Wahrsagen), spricht man von Astrologie. Ursprünglich waren Sterne sehr nützlich (Kalender, Navigieren auf hoher See). Deshalb war Astrologie in vergangenen Zeiten auch mal eine anerkannte Wissenschaft. Es gibt Menschen, die psychologisch regelrecht abhängig sind von Sterndeuterei und Horoskopen. Man spricht dann von Esoteriksucht. Viele Menschen versuchen, dem Zufall einen Sinn zu geben. Das kann auch in Verschwörungstheorien münden.  Die römischen Kaiser befragten den Vogelflug. Feldherr Wallenstein aus dem 30-jährigen Krieg ging in keine Schlacht ohne Horoskop. Die antiken Feldherrn in Griechenland befragten da Orakel von Delphi. Auch Adolf Hitler hatte seinen Haus-Astrologen.

Exkurs: Geschichte der Technologie in China (untrennbar mit der Astronomie verbunden): Noch 1820 bestritten Indien und China zusammen 50% der Weltwirtschaft (China allein 33%). Mit Ausnahme der zurückliegenden  200 Jahre war so der technische Fortschritt und die Macht in Ostasien ähnlich oder höher als im Westen (rund 5000 Jahre besteht die chinesische Kultur, um 1000 war China mit Abstand das Land mit dem höchsten Lebensstandard).  Deshalb gilt auch: "Der Aufstieg Chinas und Indiens sollte weniger als eine neue Entwicklung verstanden werden, sondern eher als ein Wiederaufstieg", Jairam Ramesh, indischer Politiker. Wenn wir heute Angst vor "Know-how-Klau"  in China haben, sollten wir nicht vergessen, dass dort oft Jahrhunderte vor Europa der Reis-, Soja- und Teeanbau, der Weinbau (nach Kleinasien kam die "Erfindung" des Ackerbau vor 10.000 Jahren als zweites nach China), die Essigproduktion, die Spaghetti (mit Marco Polo nach Italien), das Schießpulver, Chrom- und andere Metalllegierungen, der Kompass (berühmt ist auch der Seismograph, den Zhang He benutzte), der Buchdruck (ältestes gedruckte Buch der Welt aus dem 9. Jh. erhalten, schon 800 v. Chr. Blockdruck (um 1040 Buchdruck: Diamant-Sutra), das Papier (Eunuch Cai Lun), das Porzellan (um 620, in Meißen/ Albrechtsburg erst 1709 durch Böttger unter König August dem Starken), die Seide, die Pockenschutzimpfung, die Zahnbürste, den faltbaren Regenschirm, das Toilettenpapier, die Trockendocks, das Bambusprinzip im Schiffbau (Schotten) ebenso wie Schaufelräder, der Webstuhl, das Fernglas  und der Eisenguss erfunden wurden. Auch Geldscheine gab es zuerst dort: handgeschriebene Quittungen ersetzten schwere Eisenmünzen, sie wurden "Fei chien" ( fliegendes Geld, Song Dynastie, 960-1279) genannt. Auch die Entwicklungen in Mathematik, Astronomie, Medizin und anderen Wissenschaften waren oft weiter als in Europa. Im 17. Jahrhundert brachten die Jesuiten aus Europa (Matteo Ricci, Adam Schall von Bell und Ferdinand Verbiest den Stand der europäischen Astronomie (Kopernikus) nach Beijing . Europäische Berechnungen der Zeit waren genauer und konnten die Macht der Ming- und Qing - Kaiser steigern (als Söhne des Himmels Herrscher über die Zeit). Allerdings ist mittlerweile bekannt, dass gegenseitige Einflüsse von europäischer und chinesischer Kultur über 4000 Jahre alt sind. Schon vor den Griechen hatten offenbar die Kelten Kontakte. So sind wahrscheinlich auch technologische Innovationen viel früher gegenseitig weitergegeben worden als ursprünglich erwartet. Besonders fruchtbar war der Austausch während der Ming-Dynastie: China ließ Jesuiten aus Europa ins Land, die wichtige technische Innovationen mitbrachten (vgl. oben). Der Außenhandel wurde mit dem maritimen Europa verstärkt (Export von Porzellan, Seide, Tee). Die Chinesen brauchten Eisen, Silber, Glas. Die Europäer bauten systematisch Handelsniederlagen in Asien.  Malacca wurde 1511 von den Portugiesen errichtet. Macau teilte China 1517 freiwillig Portugal zu, um an genügend Eisen zu kommen. Auch Nagasaki (Deshima) in Japan wurde von Portugal als Handelsstützpunkt ausgewählt. Später übernahmen es die Holländer. Die Spanier trieben in ihrer Expansionsphase über die Route Acapulco - Manila Handel mit der Ming - Dynastie. Danach kam die Ausbreitung der VOC durch die Niederlande (1602), gefolgt von der französischen und britischen Expansion. Die Briten konnten sich durch die überlegene Schiffs- und Kanonentechnologie gegnüber China durchsetzen.  Vgl. Institute of the History of Natural Schiences, Chinese Academy os Sciences: Ancient China`s Technology and Science, Beijing1983. Der Jesuit Adam Schall von Bell aus Köln lebte im 17. Jahrhundert in Peking. Er brachte es zum kaiserlichen Astronom (Kalender-Mandarin). Durch die Nähe zum Kaiser konnte er viel für das deutsch-chinesische Verständnis tun. Die antiken weltreiche Rom und China hatten durch aus schon früher Kontakt. 166 n. Chr. war ein römischer Gesandter beim chinesischen Kaiser. Schon früher im Jahre 55 n. Chr. gelangten römische Kriegsgefangene nach China (Gefangene der Parther in Persien, dann bei den Hunnen, später bei den Chinesen).

In der Neuzeit wurde am 10. April 2019 eine Weltsensation präsentiert. Heino Falcke konnte das erste Bild eines Schwarzen Loches zeigen. Das war ein Wendepunkt in der modernen Astronomie. Falcke wurde 1966 in Köln geboren. Er ist Astrophysiker an der Radboud - Universität in Nimwegen/ Niederlande. 2011 erhielt er den Spinoza - Preis. Vgl. Heino Falcke/ Jörg Römer: Licht im Dunkeln. Schwarze Löcher, das Universum und wir, Stuttgart 2020.

"Ein Zoll Schatten auf der Sonnenuhr ist mehr wert als ein fußgroßes Jadestück", Sprichwort aus China, genaue Herkunft und Alter unbekannt.

 

      Zitate:

"Es ist allein unsere Entscheidung, ob wir etwas tun oder ob uns etwas getan wird", Guido Westerwelle zur Globalisierung und zu den Folgen für Deutschland. "Es ist nicht in Ordnung, dass Europa pro subventionierte Kuh mehr ausgibt, als ein Afrikaner zum Leben hat", Horst Köhler, Bundespräsident. "Wenn China die Werkbank der Welt ist und Russland die Zapfsäule, müssen wir das Konstruktionsbüro sein", Ex-Bundesumweltminister Gabriel  "Wir brauchen bei Löhnen eine Untergrenze, schon um Sittenwidrigkeit und Ausbeutung zu verhindern", Christian Wulf, niedersächsischer Ministerpräsident. "Europa muss seine Völker in der Globalisierung schützen", Nikolas Sarkozy. "Wir, die wir hier in Europa offene Schwimmbäder seit Jahrzehnten heizen, sollten vorsichtig sein, wenn wir Maßnahmen verlangen, die in der Dritten Welt den Betrieb eines Kühlschranks nicht erlauben", Frank-Walter Steinmeier, Ex-Bundesaußenminister. "Es ist schädlich", dass Asiens Aufschwung als Bedrohung gilt", Günter Verheugen, Ex-EU-Kommissar. "Öl ist die Quelle aller Aggressionen", Hugo Chavez, Präsident Venezuelas auf dem OPEC-Kongress in Riad. "Uns muss alarmieren, dass der sichtbare und messbare Erfolg der Sozialen Marktwirtwirtschaft sich nicht mehr im Vertrauen der Bürger spiegelt", Dieter Hundt, BDA-Präsident zur Diskussion über zu hohe Managergehälter. "Das ist Ausdruck eines Karawanen-Kapitalismus, von dem viele wissen müssen, dass er die Zustimmung zu diesem Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell systematisch unterminiert, Peer Steinbrück, Ex-Bundesfinanzminister, zum Umzug von Nokia. "Wir sagen keine Rezession voraus, wir sagen ein verlangsamtes Wachstum voraus", Ben Bernanke, US-Notenbank-Chef zur US-Konjunktur bzw. Wirtschaftskrise. "Ganze Bevölkerungsschichten verarmen. Da wächst ein Krisenpotential in unserer Gesellschaft. Ich frage mich: Wann explodiert es?", Gerhard Baum ehemaliger Bundesinnenminister (FDP).  "Wir sollten nicht jedes einzelne Kreditinstitut schützen. Das Wirtschaftsleben kennt eben Gewinner und Verlierer. Wir werden weitere große Finanzkonzerne zusammenbrechen sehen", Alan Greenspan, im September 2008. "Die sozialistische Planwirtschaft ist ebenso gescheitert wie der neoliberale Marktradikalismus, Für den zahlen wir gerade die Zeche", Horst Seehofer, bayrischer Ministerpräsident.  "Das Finanzsystem steht vor der größten Herausforderung seiner Geschichte", US-Finanzminister Tim Geithner im Februar 2009. "Wir haben das Gefühl, dass wir in den letzten Jahren Asien nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt haben", Hillary Clinton, US-Außenministerin, vor einer Asienreise 2009. "Verlierer weinen, Sieger schauen nach vorn", Arnold Schwarzenegger, Gouverneur von Kalifornien zur Weltwirtschaftskrise. "China spielt das Zünglein an der Waage, um für den Aufschwung zu sorgen", R. Stadler, Audi-Chef. "Die Krise kann zu einer Gefahr für die Demokratie werden, wenn in ein paar Monaten am Arbeitsmarkt handfeste Folgen spürbar werden", Gesine Schwan. "Der Sozialstaat ist Teil der kulturellen DNA des Landes, er gehört zum Selbstbewusstsein und zur Identität der Deutschen so wie Goethe und Schiller", Olaf Scholz, Ex-Bundesarbeitsminister. "Selbst wenn die Wachstumsraten künftig höher sind: Es wird noch lange dauern, bis wir das alte Wohlstandsniveau wieder erreicht haben", Axel Weber, Ex-Bundesbankpräsident. "Ich habe gar keine besondere Lust an der Provokation. Ich bringe nur Dinge gerne auf den Punkt, und das erweckt bei anderen manchmal Emotionen", Thilo Sarrazin, Ex-Bundesbank-Vorstand. "Die Devise "Privat vor Staat" taugt für die Zukunft nicht mehr, Jürgen Rüttgers, ehemaliger Ministerpräsident NRW. "Der Bambus wiegt sich im Sturm, aber er bricht nicht!", Philipp Rösler, Bundesgesundheitsminister. "Ich wundere mich immer wieder über den einen oder anderen Schlaumeier, der weiß, wie in 20 Jahren die Welt aussieht", Karl-Theodor zu Guttenberg. "Die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Von einem Wirtschaftswunder kann keine Rede sein", Sachverständigenrat zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Jahresgutachten 2010. "Wir gehen mit Sieben-Meilen-Stiefeln voran, manch andere trotten im Gänsemarsch hinterher", Rainer Brüderle, Bundeswirtschaftsminister, zum Konjunkturaufschwung in Deutschland 2011. "China spart und exportiert, Europa konsumiert, und die USA konsumieren und leben auf Pump. Das kann so nicht weitergehen", Christine Lagarde, Ministerin in Frankreich. "Das ist die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg", Naoto Kan, japanischer Premierminister nach der Naturkatastrophe 2011. "Mit dem Klimavertrag hat sich zum ersten Mal die Gesamt Weltgemeinschaft zum Handeln verpflichtet. Das ist ein Zeichen der Hoffnung für Milliarden Menschen," Angela Merkel, Bundeskanzlerin, Ende 2015.

 

"Ein neues Lied, ein besseres Lied, O Freunde, will ich euch dichten! Wir wollen hier auf Erden schon das Himmelreich errichten", Heinrich Heine: Deutschland. Ein Wintermärchen, I. (im Jahre 2006 150 Jahre tot, 17. 02. 1856 gestorben, Infos). Bezieht sich der Vers auf das Kommunistische Manifest?

Wolf Biermann hat ein Lied aus obigem berühmten Vers von Heine gemacht, das er in der langen Nacht der Museen im März 2006 im Ernst-Bloch-Zentrum in Ludwigshafen vortrug (neben Ostasieninstitut und Walzmühle; gibt auch einen Bloch-Almanach heraus). Berühmter Spruch von ihm: "Nur wer sich ändert, bleibt sich treu". Er ist Ehrenbürger von Berlin. 2016 feiert der Dichter und Liedermacher seinen 80. Geburtstag. Es erscheint seine Autobiographie: Wolf Biermann: "Warte nicht auf bessere Zeiten! Die Autobiographie", Propyläen.

"Der aufrechte Gang wird am letzten gelernt", Ernst Bloch, geboren in Ludwigshafen (auch: "Die einzige Sprache, die jeder versteht, ist die Sprache des menschlichen Gesichts"). 2007 ist im Suhrkamp-Verlag eine Bildbiographie über Bloch erschienen. Bloch hat auch den Begriff Heimat philosophiefähig gemacht. Das spielt eine Rolle in der aktuellen Flüchtlingsdiskussion. Heimat kann als Prozess gesehen werden für die Identitätsfindung von Menschen und Kulturen. Ein anderes berühmtes Zitat von ihm ist: "Das Denken geht dem Tun vor, das Tun bewährt das Denken". Der Dichter Hans Magnus Enzensberger hatte Verwandtschaft in der Pfalz. Er erzählt von seinem markanten Großvater aus Ludwigshafen. Hans Magnus Enzensberger: Eine Handvoll Anekdoten auch Opus incertum, Suhrkamp, Berlin 2018.

2017 wäre der Schriftsteller Heinrich Böll 100 Jahre alt geworden (am 20.12.2017). Er lebte von 1917 bis 1985. Er wurde in eine strenge katholische Handwerkerfamilie in Köln hineingeboren. Daneben prägte ihn seine Zeit als Soldat im Zweiten Weltkrieg. Sein Werk hat eine hohe Zeitverbundenheit, er war "der" Schriftsteller der Nachkriegsliteratur. Er war nie auf Staatslinie und dachte eher links. In seinem Haus beherbergte er als ehemaliger PEN-Präsident auch russische Dissidenten. 1972 bekam Böll den Literaturnobelpreis. Heute ist er etwas vergessen und hat in der Parteistiftung der Grünen als Namen überlebt. Berühmte Werke sind: Wanderer kommst du nach Spa (1950), Das Brot der frühen Jahre (1955), Ansichten eines Clowns (1963), Die verlorene Ehre der Katharina Blum (1974).

 2019 ist das Theodor-Fontane-Jahr. Dieser wurde 1819 in Neuruppin geboren und starb 1898. Sein größtes Buch ist "Der Stechlin", ein Roman über das untergehende 19. Jahrhundert. Am bekanntesten ist wahrscheinlich "Effi Briest". Seine besten Bücher schrieb er relativ spät. Auch die "Wanderungen durch die Mark Brandenburg". Sein Arbeitsstil war ein Vorgriff auf das digitale Zeitalter, d. h. er schrieb viel ab. Er wanderte gar nicht so gerne. Aber er war schon ein Europäer, der viele Länder besucht hatte. "Am Reisen ist das Schönste das Fahren", Fontane. 2021 habe ich ausgiebig das Havelland besucht. Mit dem Fahrrad und Kajak haben Die Fluss- und Seenlandschaft erkundet. Wir waren auch an Orten, über die Fontane geschrieben hat. So etwa das Gut Ribbeck im Havelland. Dieses Gedicht ist wahrscheinlich das berühmteste von Fontane und  und eines der bekanntesten deutschen Gedichte. Das Gut wird wieder vollkommen renoviert. Der letzte Gutsherr  wurde von den Nazis in ein Konzentrationslager gesteckt und starb dort. In der Zeit der DDR war das Gut heruntergekommen.

1770 wird Ludwig van Beethoven in Bonn geboren (er starb 1827 an einem langjährigen Leberleiden). 2020 wird sein 250. Geburtstag gefeiert. Er war ein tragisches Genie: er war taub, unglücklich verliebt, machte aber 722 Kompositionen. Monatlich gibt es 2019 5,1 Mio. Nutzer bei Spotify (es führt Bach mit 5,5 Mio.). Beethoven lebte zuletzt in Wien. Am berühmtesten sind seine 3., 5. 6. und 9. Sinfonie. Fidelio ist seine einzige Oper. Von seinen Klaviersonaten kennt jeder die Mondscheinsonate und die Hammerklaviersonate, bekannt ist auch das Klavierstück "Für Elise". Vgl. Beyer, Susanne: Ludwig der Größte, in: Der Spiegel Nr. 49, 30.11.2019, S. 114ff.

Am 20. März 2020 wird ebenfalls der 250. Geburtstag von Friedrich Hölderlin (1770 - 1843) gefeiert. Er ist eine Rätselgestalt und auch Kultfigur der deutschen Dichtung. Er ist einer der größten Poeten der deutschen sprache. Anlässlich des Geburtstages erscheinen zwei neue Biographien über den Dichter: von Rüdiger Safranki und von Karl-Heinz Ott. Letzterer geht auch auf den "bräunlichen Hölderlin" in einem eigenen Kapitel ein. Dieser Aspekt wurde auch von Heidegger instrumentalisiert. Friedrich Hölderlin wurde in Lauffen am Neckar geboren. Dort wird sein Geburtshaus umgestaltet. Als Vierjähriger zieht er mit den Eltern (Stiefvater) nach Nürtingen. Von 1807 bis 1843 lebte er in einem Turm in Tübingen. Er liebte eine verheiratete Frau (Frankfurter Bankiersgattin Susette Contard). "Reif sind, in Feuer getaucht, gekochet", Hymne "Mnemosye", Friedrich Hölderlin: Viele übertragen diese Zeile auf Corona.

 "Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit", G. W. F. Hegel. "Was Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dieses, dass Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die daraus zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben", Georg Wilhelm Friedrich Hegel. "Beginnende Bildung fängt immer mit dem Tadel an, vollendete aber sieht in jedem das Positive", Hegel. Am 27.8.20 vor 250 Jahren wurde Georg Wilhelm Friedrich Hegel in Stuttgart geboren. 1818 übernimmt er in Berlin den Lehrstuhl vom berühmten Johann Gottlieb Fichte. 1831 stirbt Hegel  während einer Cholera-Epidemie. Im Rahmen seines Jura-Studiums (auch Philosophie)  in Jena und Berlin hört Karl Marx die Rechtsphilosophie von Hegel. Sie hat einen ungeheuren Einfluss auf sein Werke.

Am 6. Mai 1871 wurde Christian Morgenstern in München geboren. Der Dichter und Sprachakrobat  imaginierte eine völlig neue Wirklichkeit (Diskrepanz von Sein und Sollen) . Berühmt sind seine "Galgenlieder" von 1895. Er trug seine Werke auch im Kabarett "Überbrettl" in Potsdam vor. Er wandte sich auch der Anthroposophie Rudolf Steiners zu. Morgenstern war philosophisch stark beeinflusst von Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche. Er selbst beeinflusste Heinz Erhardt, Joachim Ringelnatz und Erich Kästner. Er kommt mit seinen Sprüchen der japanischen Zen-Religion nahe. "Ein Wiesel saß auf einem Kiesel inmitten des Bachgeriesel. Wisst ihr, weshalb? (...) Das raffinierte Tier tat` s um des Reimes willen." Berühmt ist auch sein "Palmström".

Vor 250 Jahren 1772 wurde Friedrich von Hardenberg geboren. Er starb mit nur 29 Jahren 1801. Er veröffentlichte seine wenigen Dichtungen unter dem Namen Novalis. Er gilt als der vielleicht wichtigste Vertreter der Romantik in Deutschland. Er war Universalpoet, der als Naturwissenschaftler, Philosoph und Dichter eine ganze Epoche prägte. Die "Hymnen an die Nacht" waren Inspirationsquelle für Richard Wagners "Tristan und Isolde".

Am 23.2.24 wäre Erich Kästner 125 Jahre alt geworden Er starb vor 50 Jahren. Er hat zwei Weltkriege miterlebt und musste seine Bücher brennen sehen. Er ist einer der größten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts (Held der Kinder und Nichtkinder) . Er war der Schöpfer von Emil und Anton sowie Luise und Lotte. Er schrieb auch "Das fliegende Klassenzimmer" (1933) und "Die Konferenz der Tiere" (1949). 

2024 ist auch das Jahr zweier großer Künstler: 2024 wird der Maler, Grafiker und Zeichner Caspar David Friedrich in den Mittelpunkt gerückt, der 1774 geboren wurde (vor 250 Jahren). Mit der konstruierten Bilderfindung leistete er einen originären Beitrag zur modernen Kunst. Kaum ein deutscher Maler wird so geliebt. Für Klimabewegte wird Friedrich zu einem Propheten. Er ist der Maler der Stunde. Vgl. Illies, Florian: Zauber der Stille. Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten, Frankfurt (S. Fischer) 2024.

Vor 100 Jahren starb der Schriftsteller Franz Kafka. Eine Serie im Fernsehen mit 6 Folgen (Drehbuch Daniel Kehlmann, Berater Reiner Stach) und ein Kinofilm ("Herrlichkeit des Lebens") beschäftigen sich mit seinem Leben. Er lebte von 1883 bis 1924 (geboren in Prag, gestorben in Klosterneuburg/ Österreich an Lungentuberkulose). Berühmte Werke sind: Die Verwandlung, Das Schloss, Der Prozess. Er ist einer der bedeutendsten Vertreter der deutschen Literatur und einer der meistgespielten deutschsprachigen Autoren in der Welt. Seine Muttersprache war Deutsch (10% in Prag, Jüdische Familie). Kein deutschsprachiger Schriftsteller der Moderne wird weltweit so stark beachtet wie Franz Kafka. In den USA genauso wie in China. Keine Erzählung des 20. Jahrhunderts ist berühmter als "Die Verwandlung". Sie beginnt mit dem millionenfach zitierten Satz: "Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen aufwachte, fand  er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt". Reiner Stach gilt als der beste Kafka-Kenner weltweit. "Ich werde ihn niemals ausschöpfen können, er blickte tiefer als andere", Reiner Stach, in: Die Zeit 5/ 2024, S. 11. Er hat die bekannteste Biographie über Kafka geschrieben (2014 erschienen, über 2000 S.).  Was Kafka vor über hundert Jahren geschrieben hat, werde in China von Studenten noch heute verstanden. Die Ohnmacht in einer Bürokratie. Die Hilflosigkeit des Individuums. Das Ausgeliefertsein des Einzelnen an eine höhere Instanz. Er stellt Bilder zur Verfügung, er breitet ungeheure Metaphern aus, die vielen Menschen nahe kommen. Ebenda, S, 12. In dieser Art ähnelt er heute such dem japanischen Schriftsteller Haruki Murakami.

Vor 200 Jahren (2024) veröffentlichte Heinrich Heine das Gedicht "Die Loreley". Es ist eines der berühmtesten deutschen Gedichte. In der Nazi-Zeit wird das Gedicht vom Juden Heine beibehalten ("unbekannter Autor", Heine trat später zum Christentum über). Heine kämpfte das ganze Leben gegen reaktionäre Tendenzen und für die Freiheit des Wortes. Die Vertonung des Gedichtes 1838 durch Friedrich Silchers macht das Gedicht zum deutschen Volkslied schlechthin. Heine lernte Marx in Paris kennen. Er ist aber kein Revolutionär, sondern setzt sich für individuelle Freiheit ein. Er setzt sich oft zwischen alle Stühle.   "Gott wird mir verzeihen, das ist sein Beruf", letzte Worte von Heine zu seiner Frau Mathilde, er starb 1856 in Paris.